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JUNI 2009
Süßwarenindustrie Spezial
Aktuelle Rechtsprechung zum Marken-, und Wettbewerbsrecht, IT & Digital Business, Medien- und Entertainmentrecht, Zollrecht, Handels- und Vertriebsrecht sowie Kartellrecht
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Jahresrückblick 2014 2014
Themenübersicht
Markenrecht
– „Süße Marken“ – Aktuelle Rechtsprechung
auf deutscher und europäischer Ebene
2
– Effektiver Schutz gegen Nachahmungen
auf der Süßwarenmesse
12
– Beschreibende Bezeichnung: Design statt
Marke?
14
Wettbewerbsrecht
– Negative Produktbewertungen und
Möglichkeiten rechtlicher Gegenwehr
16
IT & Digital Business
– Neues Verbraucherrecht für den online Handel –
Was ist wirklich neu? Wie sehen die neuen In-
formationspflichten aus? Was hat sich beim Wi-
derrufsrecht geändert?
19
Medien- und Entertainmentrecht
– Leitfaden zum Product Placement
23
Zollrecht
– Rezepturen – Bitterer Beigeschmack beim Zoll?
26
– Neues zum Spitzenausgleich bei der Strom- und
Energiesteuer – Sichern Sie sich Ihren Erstat-
tungsanspruch!
27
Handels- und Vertriebsrecht
– Bei Auslandsaktivitäten: Sorgfalt bei Gerichts-
stands- oder Schiedsvereinbarung erforderlich!
28
Kartellrecht
– Das Bundeskartellamt verstärkt seine
Ermittlungstätigkeiten
29
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MARKENRECHT
„Süße Marken“ – Aktuelle Rechtsprechung auf
deutscher und europäischer Ebene
1. Urteile zur Eintragbarkeit
Jeder Markenartikelhersteller weiß, wie schwer es sein
kann, die Markenämter von der Eintragbarkeit bestimm-
ter Wörter, Slogans oder sonstiger Aufmachungen zu
überzeugen. Gerade die leicht einprägsamen Zeichen
werden von den Ämtern mit dem Argument der man-
gelnden Unterscheidungskraft oft zurückgewiesen. Das
heißt, der Verkehr werde in dem Zeichen nur die Be-
schreibung der Ware erkennen aber keinen Hinweis auf
das dahinterstehende Unternehmen, was Voraussetzung
für Markenschutz ist. Die folgenden Urteile geben einen
guten Überblick, was noch als markenfähig erachtet wird.
1.1 Unterscheidungskraft von Wortmarken
Die Beschwerdekammer des EU-Markenamtes (Harmo-
nisierungsamt für den Binnenmarkt – HABM) hat der
Markenanmeldung „GREEN BEANS“ die Eintragung
versagt.1 Der Begriff gebe nur einen der Hauptbestand-
teile der angemeldeten Getränke, nämlich Kaffee, wieder
und werde deshalb nicht als Marke erkannt.
Der Marke „CULINARTE“ wurde dagegen ein Mindest-
maß an Unterscheidungskraft zu gesprochen.2 Der Be-
griff sei aus den rumänischen Wörtern „Culinar“ und
„Arte“ zusammengesetzt und daher eigentlich beschrei-
bend und anspielend. Jedoch müsste es nach der regu-
lären rumänischen Syntax „Arta Culinara“ oder „Arte
Culinare“ heißen, da das Adjektiv normalerweise voran-
gestellt werde.
1 HABM-BK, Entsch. v. 02.12.2013, R-1530/2013-1 – GREEN BEANS 2 HABM-BK, Entsch. v. 13.12.2013, R 1543/2013-5 – CULINARTE
Das Bundespatentgericht hat der Anmeldung „Chocolati-
no“ Markenschutz versagt, da sich die Bezeichnung an
die italienische Schreibweise „cioccolatino“ anlehne, was
„kleine Schokolade“ oder „Praline“ heiße.3
Auch der Anmeldung von „Richard Wagner–Barren“
konnte kein betrieblicher Herkunftshinweis entnommen
werden. Das Zeichen stelle lediglich einen Hinweis auf
eine Ware dar, die im Zusammenhang mit einer Veran-
staltung des berühmten Komponisten angeboten wird.4
Mit der gleichen Begründung wurden auch die Eintra-
gungen von „Gustav Mahler Röschen“5 bzw. „Gustav
Mahler Röslein“6 abgelehnt.
In dem Begriff „Bachblüten“ sah das Bundespatentgericht
nur die übliche Bezeichnung für verschiedene, durch Dr.
Edward Bach definierte Pflanzen, welche bei der Bach-
blüten Therapie verwendet werden würden und einen
Hinweis auf die zugrunde liegende Rezeptur darstellten.7
Markenschutz wurde deshalb nicht gewährt.
Auch dem Zeichen „GerstenWonne“ wurde die Eintra-
gung versagt, da der Begriff lediglich einen werbemäßig
anpreisenden Hinweis auf die Beschaffenheit der Waren
darstelle, die aus dem Getreide „Gerste“ bestehen könn-
ten und bei deren Verzehr der Konsument ein kulinari-
sches Vergnügen empfinde.8
Für die zunächst eingetragene Marke „SPIRIT“ ordnete
das Bundespatentgericht die Löschung an, da der Begriff
als eine beschreibende Sachangabe in Bezug auf die
3 BPatG, Beschl. v. 03.03.2014, 25 W (pat) 527/12 – Chocolatino
4 BPatG, Beschl. v. 03.02.2014, 25 W (pat) 560/12 – Richard Wagner – Barren (Rechtsbeschwerde wurde zugelassen) 5 BPatG, Beschl. v. 31.01.2014, 25 W (pat) 564/12 – Gustav Mahler Röschen 6 BPatG, Beschl. v. 31.01.2014, 25 W (pat) 564/12 – Gustav Mahler Röslein 7 BPatG, Beschl. v. 20.01.2014, 25 W (pat) 587/12 – Bachblüten 8 BPatG, Beschl. v. 07.10.2013, 25 W (pat) 515/12 – GerstenWonne
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Bestimmung bzw. Wirkung der Ware „Tee“ aufgefasst
werden müsse.9
1.2 Unterscheidungskraft von Wort-/Bildmarken
Wenn einer Wortmarke alleine nicht genug Unterschei-
dungskraft zukommt, kann eine graphische Ausgestal-
tung des Zeichens Abhilfe schaffen. Jedoch ist auch hier
Vorsicht geboten. So darf der Bildbestandteil nicht nur
den Sinngehalt der Marke abbilden oder rein dekorativ
wirken.
Die Beschwerdekammer des
HABM hat deshalb den Marken-
schutz für die Wort-/Bildmarke
„Deluxe“ abgelehnt.10
Der Begriff
preise Luxusprodukte nur werbemäßig an und der ge-
schwungene, silberfarbene Schriftzug spiegele nur den
Sinngehalt von Deluxe wider.
Ebenso versagte die Beschwerdekammer des
HABM den beiden Wort-/Bildmarken „EAT
GLUTEN FREE“11
und „ALMOND MARZI-
PAN“12
die Eintragung. Die Wortbestandteile
seien rein beschreibend und die grafische
Ausgestaltung banal.
Katjes scheiterte auch vor dem Gericht der Europäischen
Union (EuG) mit ihrem Begehren
auf Markenschutz für die Wort-
/Bildmarke „Yoghurt Gums“. Die
grafische Ausgestaltung des rein
9 BPatG, Beschl. v. 23.12.2013, 25 W (pat) 82/12 – SPIRIT 10 HABM-BK, Entsch. v. 06.03.2014, R 1223/2013-1 – Deluxe 11 HABM-BK, Entsch. v. 12.05.2014, R 1841/2013-4 – EAT GLUTEN FREE 12 HABM-BK, Entsch. v. 01.04.2014, R 2441/2013-5 – ALMOND MARZI-PAN
beschreibenden Wortbestandteils würde nicht zur Mar-
kenfähigkeit verhelfen, da Schrifttyp und Strichstärke der
Buchstaben üblich sei13
(siehe hierzu auch unseren
Newsletter Süßwarenindustrie Spezial Jahresrückblick
2013).
Die durch Aldi eingereichte Anmel-
dung einer Verpackung mit der Auf-
schrift „Röstkaffee Classic Kräftiges
Aroma“ stelle nur eine unmittelbare
Beschreibung der Art und Beschaf-
fenheit der Ware „Kaffee“ dar. Die
Bildelemente (Kaffeebohnen mit Berg-
landschaft) seien für Kaffee typisch
und im einschlägigen Warengebiet
weit verbreitet.14
Markenschutz wurde
deshalb versagt.
Der Wort-/Bildmarke „OME-
GAKids“ wurde dagegen
zumindest ein Minimum an Unterscheidungskraft zuge-
sprochen, da das Zeichen nicht als unmittelbar und direkt
beschreibend wahrgenommen werden würde.15
Da der schwedische Begriff „gifflar“
die Bedeutung eines „halbmond-
förmigen Weizenbrötchens“ habe,
sei er beschreibend für die Waren
„Brot, Kuchen, Gebäck, Kekse usw.“. Als relevante Ver-
kehrskreise müsse auf die schwedische und finnische
Bevölkerung abgestellt werden. Daher weise die Wort-
/Bildmarke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft
auf. Daran ändere auch die grafische Ausgestaltung
nichts. 16
13 EuG, Urt. v. 15.05.2014, T-366/12 – Yoghurt Gums 14 HABM-BK, Entsch. v. 07.02.2014, R 1672/2013-4 – RÖSTKAFFEE CLASSIC KRÄFTIGES AROMA 15 HABM-BK, Entsch. v. 05.11.2013, R 1027/2013-5 – OMEGAKIDS 16 EuG, Urt. v. 09.07.2014, T-520/12,– Gifflar
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Der BGH hat die Löschung der Wort-/Bildmarke „Gute
Laune Drops“ für „feine Backwaren“ und
dergleichen angeordnet.17
Für einen Teil
der Waren, wie Speiseeis, Kaugummi,
Kaffee, u.a. verwies der BGH jedoch zur
erneuten Verhandlung an das Bundes-
patentgericht zurück. Der BGH hielt fest,
dass die simple grafische Ausgestaltung keine Unter-
scheidungskraft begründe. Auch helfe der Markeninha-
berin die langjährige unbeanstandete Benutzung ihrer
Marke nicht. Vertrauensschutz käme gemäß dem Mar-
kengesetz erst nach zehn Jahren in Betracht.
Praxistipp:
Die rein dekorative Ausgestaltung eines beschreibenden
Begriffs reicht nicht aus, um einer Marke die notwendige
Unterscheidungskraft zu verleihen. Die Hinzufügung von
Bildern verhilft nur dann zur Eintragbarkeit, wenn diese
nicht lediglich das rein beschreibende Zeichen
illustrieren.
1.3 Unterscheidungskraft von Bildmarken
Die vom Energy-Getränkehersteller Monster
Energy eingereichte Anmeldung der Bildmarke
eines Peace Zeichens wurde zurückgewie-
sen.18
Auch wenn ein Zeichen symbolischen
Wert habe, müsse es nichtsdestotrotz ein Mindestmaß
an Unterscheidungskraft aufweisen. Im vorliegenden Fall
habe das Zeichen jedoch nur den universellen Charakter
eines Friedensymbols und gebe keinen Hinweis auf
einen speziellen Hersteller.
.
17 BGH, Beschl. v 10.07.2014, I ZB 18/13 – Gute Laune Drops 18 HABM-BK, Entsch. v. 11.12.2013, R 1285/2013-1 – SYMBOL
Der abgebildeten Bildmarke eines Kekses von Griesson
– De Beukelaer sprach das Bundespa-
tentgericht ebenso keine Unterschei-
dungskraft zu, da es sich lediglich um
eine naturgetreue Wiedergabe eines
Kekses handele. Sie weise keine be-
sonderen Gestaltungsmerkmale auf, da die Kugelform
und Verzierung bei Pralinen bzw. Süßwaren in der Bran-
che üblich seien.19
Das BPatG stellt klar, dass zweidi-
mensionalen Abbildungen von Waren oder deren Verpa-
ckungen einerseits und dreidimensionale Formen dersel-
ben Waren oder Verpackungen andererseits gleich zu
behandeln seien.
Weiter nimmt das BPatG diese Entscheidung zum An-
lass, die Voraussetzungen für die Eintragbarkeit einer
Marke, die lediglich aus der Form der Ware besteht,
zusammenzufassen. Demnach liegt Markenfähigkeit nur
dann vor, wenn sich ein entsprechendes Zeichen nicht
nur in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für
die Art der Ware oder deren Verpackung typisch sind,
sondern wenn die als Marke beanspruchte Wiedergabe
charakteristische Merkmale aufweist, die von der Norm
oder dem branchenüblichen Formenschatz erheblich
abweichen.
Ebenso hatte Wrigley keinen Erfolg mit den folgenden
Bildmarken:
Die Beschwerdekammer des HABM sah darin nur eine
weitere übliche Form auf dem Markt der Süßwaren.20
19 BPatG, Beschl. v. 08.01.2014, 25 W (pat) 522/13 20 HABM-BK, Entsch. v. 17.06.2014, R 168/2014-5 und R 169/2014-5
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Selbst den Wort-/Bildmarken
bewilligte das HABM keinen Markenschutz, da das Wort
„Extra“ nur als werbeübliche Angabe verstanden werde.21
1.4 Unterscheidungskraft von Warenformmarken
Warenformmarken sind 3-D-Marken, die die Form der
Ware darstellen.
Problematisch bei den Warenformmarken ist, dass es
dem Verbraucher schwer fällt, nur aus der Form der
Ware einen Herkunftshinweis zu ziehen, darin also eine
Marke zu erkennen. Denn dreidimensionale Marken
nimmt man nicht unbedingt in der gleichen Art wie Wort-
oder Bildmarken wahr, die von ihrem Erscheinungsbild
unabhängig sind. Deshalb ist für die Erteilung von Mar-
kenschutz erforderlich, dass die Form entscheidend von
der Norm oder den branchenüblichen Grundformen ab-
weicht.
Dieses Erfordernis sah die Beschwerdekammer des
HABM als nicht erfüllt an bei den folgenden
Warenformmarken:
22 23
21 HABM-BK, Entsch. v. 19.05.2014, R 218/2014-5 und R 199/2014-5 22 HABM-BK, Entsch. v. 19.05.2014, R 1911/2013-4 (Grupo Bimbo S.A.B. de C.V.) 23 HABM-BK, Entsch. v. 06.03.2014, R 1405/2013-1 (Intersnack Group GmbH & Co. KG)
24 25
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat der
abgebildeten 3-D-Marke in
Bonbonform die Markenfähigkeit
abgesprochen.26
Die Form der
Ware entspreche dem üblichen
Erscheinungsbild der beanspruch-
ten Waren (u .a. Süßwaren).
1.5 Unterscheidungskraft von Slogans
Auf deutscher und europäischer Ebene ergingen im
letzten Jahr einige Urteile zur Eintragungsfähigkeit von
Slogans als Marke. Für die Beurteilung der Unterschei-
dungskraft von allgemeinen Werbeaussagen und Wer-
beslogans gelten die gleichen Maßstäbe wie für andere
Marken. Eine slogan-artige Wortfolge kann Unterschei-
dungskraft haben, obwohl sie gleichzeitig oder sogar in
erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird, jedoch darf
sie im Verkehr nicht ausschließlich als Werbung verstan-
den werden. Die Marken dürfen nicht nur aus einer ge-
wöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern sollten
eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein
Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder
bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denk-
prozess auslösen.
24 HABM-BK, Entsch. v. 03.06.2014, R 2449/2013-2 (Grupo Bimbo S.A.B. de C.V.) 25 HABM-BK, Entsch. v. 18.11.2013, R 839/2013-4 – FORM EINES BÄRS 26 EuG, Urt. v. 12.12.2013, T-156/12 – SWEET TEC (siehe hierzu auch unseren Newsletter Süßwarenindustrie Spezial Jahresrückblick 2013)
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Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat dem
Slogan „La qualité est la meilleure des recettes“ (im
deutschen: „Qualität ist das beste Rezept“) keine Unter-
scheidungskraft zugebilligt, da er keinen Hinweis auf die
betriebliche Herkunft enthalte.27
Der Slogan sei in einfa-
chem Französisch verfasst, hätte nichts Phantasievolles
an sich und würde nur die einfache Botschaft vermitteln,
dass die Markeninhaberin - Dr. August Oetker - Quali-
tätserzeugnisse herstelle.
Die Beschwerdekammer des HABM verneinte den Mar-
kenschutz für die Slogans „MYDIET“28
, „2good“29
,
„FOOD SHOULD TASTE GOOD“30
und „BE HAPPY”31
da sie aus einfachen englischen Begriffen zusammenge-
setzt seien, das erforderliche Maß an Originalität nicht
erfüllten und daher den Anforderungen an die geforderte
Unterscheidungskraft nicht entsprächen.
Der Slogan „WHENEVER – WHEREVER“ wurde als
beschreibend eingestuft, da der Begriff offensichtliche
und direkte Informationen über die Qualität und Charak-
teristika der in Frage stehenden Waren enthalte, und
zwar, dass sie überall und jederzeit gekauft und konsu-
miert werden könnten. Der Slogan weise daher nicht die
erforderliche Unterscheidungskraft auf.32
Das Bundespatentgericht hat den Eckes-Granini Slogan
„we make life more fruitful“ als nicht eintragungsfähig
erachtet, da es eine Vielzahl von Slogans beginnend mit
„we make life more …“ gäbe und nur als Hinweis auf eine
Ware, die einem das Leben erleichtert, verstanden wer-
de. Deshalb stelle der Slogan lediglich eine werbewirk-
27 EuG, Urt. v. 12.02.2014, T-570/11 – La qualité est la meilleure des recettes 28 HABM-BK, Entsch. v. 13.03.2014, R 2147/2013-1 – MYDIET 29 HABM-BK, Entsch. v. 27.02.2014, R 996/2013-1 – 2good 30 HABM-BK, Entsch. v. 22.01.2014, R 671/2013-3 – FOOD SHOULD TASTE GOOD 31 HABM-BK, Entsch. v. 17.10.2013, R 32/2013-1 – BE HAPPY 32 HABM-BK, Entsch. v. 14.03.2014, R 845/2013-5 – Whenever - Wher-ever
same Anpreisung der Ware dar und weise keine Origina-
lität auf.33
2. Konflikte zwischen Marken
2.1 Verwechslungsgefahr von Wortmarken
Zwischen der Marke „friends“ von Ferrero und „CITY OF
FRIENDS“ wurde die Verwechslungsgefahr verneint. Der
älteren Marke komme nur eine schwache Kennzeich-
nungskraft zu und der unterscheidende Teil der beiden
Marken „CITY OF“ lassen die Übereinstimmung durch
„friends“ in der Wahrnehmung in den Hintergrund rü-
cken.34
Gleichzeitig hat die Beschwerdekammer des
HABM letztes Jahr die Verwechslungsgefahr der Marken
„Cool Friends“ und „Friends“ bejaht (siehe hierzu unse-
ren Newsletter Süßwarenindustrie Spezial Jahresrück-
blick 2013).35
In der folgenden Entscheidung von lokaler Brisanz ver-
suchte der Schutzverband Dresdner Stollen die Eintra-
gung der Marke “Dresdner Striezel-Glühwein” zu verhin-
dern. Der Widerspruch stützte sich zum einen auf die
Kollektivmarke und zum anderen auf die geographische
Herkunftsangabe „Dresdner Stollen“. Der Schutzverband
Dresdner Stollen hat argumentiert, dass die Zeichen vor
allem begrifflich ähnlich seien, da „Striezel“ ein Synonym
für „Stollen“ sei. Das hat der Beschwerdekammer des
HABM jedoch nicht ausgereicht. Es bestünde weder
Waren- noch Markenähnlichkeit, so dass der Wider-
spruch zurückgewiesen wurde.36
33 BPatG, Beschl. v. 19.03.2014, 26 W (pat) 534/12 – we make life more fruitful 34 HABM-BK, Entsch. v. 06.03.2014, R 1240/2012-1 – CITY OF FRIENDS 35 HABM-BK, Entsch. v. 8.11.2012, R 2021/2011-1 – COOL FRIENDS 36 HABM-BK, Entsch. v. 17.10.2013, R 1825/2012-4 – DRESDNER STRIEZEL-GLÜHWEIN
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Obwohl die Marken „MEISTERKORN“ und „MISTER-
CORN“ Überschneidungen aufweisen, wurde die Ver-
wechslungsgefahr für die Klassen 5 und 41 verneint. Bei
Klasse 30 muss auf das genaue Produkt abgestellt wer-
den. Bejaht wurde die Verwechslungsgefahr z.B. für
„Brot, Gebäck“, nicht aber für „Mehl, Pasta, Kakaopul-
ver“.37
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat die Ver-
wechslungsgefahr von „JUNGBORN“ und „BORN“ bestä-
tigt, und ist damit von dem Grundsatz, dass der Verkehr
vorrangig auf Übereinstimmungen in den Markenanfän-
gen achtet, abgewichen.38
Der Umstand, dass die jünge-
re Marke ausschließlich aus der älteren Marke und ei-
nem vorgeschalteten weiteren Bestandteil bestehe, spre-
che als Indiz für eine Ähnlichkeit.
Das Bundespatentgericht hat gegen Eckes-Granini die
Verwechslungsgefahr von „RAMBA ZAMBA“ und „ZAM-
BA“ verneint.39
Das Wort „Zamba“ präge hier nicht den
Gesamteindruck der jüngeren Marke und des Weiteren
stelle „Ramba Zamba“ ein Synonym für Lärm, Gaudi,
Krawall usw. dar.
Zwischen „MISSANA“ und „MILKANA“ wurde - insbeson-
dere eine schriftbildliche - Verwechslungsgefahr bestä-
tigt.40
Das Bundespatentgericht sah – anders als die
Markenstelle – die Anfangs- und/oder Endbestandteile
der Vergleichszeichen („MI-“ bzw. „-ANA“) im Bereich
von Milchprodukten (noch) nicht als „verbraucht“ an, da
hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar
seien. Die von der Markenstelle genannten Markenbei-
spiele mit den Anfangsbuchstaben „MI-“ („Milfina“, „Mils-
ani“, „Milbona“, „Milino“ und „Milram“) würden noch nicht
die Annahme eines verbrauchten Wortanfangs im be-
37 HABM-BK, Entsch. v. 09.10.2013, R 2143/2012-2 – MEISTERKORN 38 EuG, Urt. v. 11.06.2014, T-401/12 – JUNGBORN 39 BPatG, Beschl. v. 12.02.2014, 26 W (pat) 545/12 – RAMBA ZAMBA 40 BPatG, Beschl. v. 22.01.2014, 28 W (pat) 107/12 – MISSANA
troffenen Warengebiet begründen. Auch über die Benut-
zungslage der von der Markenstelle pauschal angeführ-
ten 625 in der Klasse 29 eingetragenen Marken, die auf
„-ana“ enden sollen, sei nichts bekannt.
2.2 Verwechslungsgefahr von komplexen Marken
Im Jahr 2013/2014 ergingen zu sogenannten „komplexen
Marken“ (zusammengesetzte Wort-/Bildmarken) auf
europäischer und deutscher Ebene folgende
erwähnenswerte Entscheidungen:
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) verneinte die
Verwechslungsgefahr für die Bildmarke
„goldstück“ und die Wortmarke „Gold-
steig“.41
Der älteren Marke käme nur eine
schwache Kennzeichnungskraft zu und die Zeichen wie-
sen mehr Unähnlichkeiten als Ähnlichkeiten auf. Wäh-
rend „Goldsteig“ ein Gebirgsweg im Bayerischen Wald
sei, habe „goldstück“ die Bedeutung einer Goldmünze
oder einer wertvollen Person.
Für die Wort-/Bildmarke „MILANOWEK CREAM FUDGE“
sah das Gericht der Europäischen Union
(EuG) keine Verwechslungsgefahr mit
den folgenden älteren deutschen Marken
der PICO Food GmbH:42
41 EuG, Urt. v. 29.01.2014, T-47/13 – goldstück 42
EuG, Urt. v. 09.04.2014, T-623/11– MILANOWEK CREAM FUDGE
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Die Zeichen seien zwar nicht komplett unähnlich, vor
allem hinsichtlich der Kuh. Diesem Symbol komme je-
doch nur eine schwache Kennzeichnungskraft zu. An-
sonsten weisen die Marken entscheidende Unterschiede
auf. Insbesondere bestünden – abgesehen von dem
Ausdruck „cream fudge“ - keine Übereinstimmung in den
Wortbestandteilen.
Der EuG sah zwischen der
Wort-/Bildmarke „Sani“ und zwei
älteren Wort-/Bildmarken „Hani“
sowie „RANI“ keine Verwechs-
lungsgefahr. Es bestünde keine
visuelle oder konzeptionelle
Ähnlichkeit und nur eine unter-
durchschnittliche klangliche
Ähnlichkeit zwischen den Marken.43
Zwischen der Wortmarke „GUMMI LUNCH“ von Mederer
und der Wort-/Bildmarke
„GUMMY“ wurde die Ver-
wechslungsgefahr wegen der
visuellen und klanglichen Ähnlichkeiten der Zeichen, die
in dem ersten Wortelement liegen, für den spanischen
Verkehrskreis, auf den es hier ankam, bejaht.44
Ebenso konnte sich Mederer mit der
Wort-/Bildmarke „Gummi Bear Rings“
nicht durchsetzen, da eine Verwechs-
lung mit der Wort-/Bildmarke „GUMMY“
bejaht wurde. Der Verbraucher könne das jüngere Zei-
chen als eine Variation der älteren Marke auffassen.45
43 EuG, Urt. v. 24.06.2014, T-523/12 – SANI 44 HABM-BK, Entsch. v. 07.04.2014, R 780/2013-5 – GUMMI LUNCH 45 HABM-BK, Entsch. v. 16.12.2013, R 225/2013-5 – Gummi Bear-Rings
Für die Marken „Cléd’Or“ und „COTE D’OR“ wurde
Verwechslungsgefahr angenommen.46
Neben der Ähnlichkeit der Waren und der Zeichen
komme der Widerspruchsmarke in den Benelux Staaten
eine gesteigerte Kennzeichnungskraft für
„Schokoladenprodukte“ zu.
Zwischen der Wortmarke „BLACK-
POWERENERGY” und einer Marke in
der Aufmachung einer Tafelschokola-
de mit dem Aufdruck „Zetti BLACK
POWER 88 % CACAO MIT GUARA-
NA“ besteht Verwechslungsgefahr, da
der Begriff „BLACK POWER“ das
dominante Element der älteren Marke
und das einzige und kennzeichnende
Element der jüngeren Marke sei.47
Der Bildmarke „SELECT“ wurde trotz des beschreiben-
den Begriffs eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft
bestätigt. Dennoch wurde die Verwechslungsgefahr mit
„7 SELECT“ verneint, da die beiden Marken nur das
schwache Element „Select“ gemeinsam hätten, die Bild-
zeichen sonst aber sehr unterschiedlich seien.48
46 HABM-BK, Entsch. v. 21.11.2013, R 1005/2013-1 – Cléd'Or 47 HABM-BK, Entsch. v. 30.04.2014, R 2206/2013-5 – BLACKPOWER-ENERGY 48 HABM-BK, Entsch. v. 11.06.2014, R 736/2013-2 – 7 SELECT
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Eine Entscheidung, bei der auf EU-Ebene richtigerweise
die Kennzeichnungskraft einer Marke bei der Beurteilung
der Verwechslungsgefahr tatsächlich gewürdigt wurde.
Dies hat die Beschwerdekammer des HABM in der fol-
genden Entscheidung wiederum
nicht getan. Hier wurde eine
Verwechslungsgefahr der Mar-
ken „Deliplus“ und „DELI’MAX“ anerkannt, da sie den
identischen Wortanfang haben und die beiden ange-
hängten Begriffe „plus“ (französisch für „mehr“) und
„max“ (als Abkürzung für „Maximum“) bezeichnend für
den Vergleich von etwas seien.49
Die Beschwerdekammer des HABM bejahte die Ver-
wechslungsgefahr zwischen der
Wort-/Bildmarke „Milki“ und „MIL-
KID“.50
Obwohl die angemeldete
Marke eine Reihe von zusätzlichen
Elementen enthalte (ein Milchtropfen,
der eine Kappe trägt und lächelt, während er sich über
die Lippen leckt, sowie ein Spritzer Flüssigkeit, der ihn
umgibt), würde dies vom Verbraucher als rein dekorativ
aufgefasst werden. Ansonsten unterschieden sich die
Marken alleine aufgrund des letzten Buchstabens „D“.
Zwischen der Wort-/Bildmarke „Maestro de Olive“ und
„MAESTRO“ wurde vom EuG die Ver-
wechslungsgefahr bestätigt.51
Die bild-
lichen Elemente der angemeldeten
Marke, sowie der Zusatz „de Olive“
komme dabei nur untergeordneter
Charakter zu. Daher sei „Maestro“ der unterscheidungs-
kräftige und dominierende Bestandteil der Marken.
49 HABM-BK, Entsch. v. 02.04.2014, R 1168/2013-5 – Deliplus 50 HABM-BK, Entsch. v. 21.11.2013, R 1268/2013 - MILKI 51 EuG, Urt. v. 05.12.2013, T-4/12 – Maestro de Olive
2.3. Konflikt bei Produktverpackungen
Vom OLG Köln erging ein Urteil in dem
vielfach beachteten Streit zwischen Haribo
und Lindt & Sprüngli über die Verletzung
der Wortmarke „GOLDBÄR“ durch die in
Goldfolie verpackte Schokoladenfigur des
„Lindt-Teddys“.52
Das Gericht sah im Ge-
gensatz zum LG Köln keine Verletzung der älteren Mar-
ke. Grundsätzlich sei es zwar möglich, dass eine Wort-
marke durch die Verwendung einer dreidimensionalen
Gestaltung verletzt sein könnte. Bedeutend seien hier
aber der Aufdruck des Lindt-Logos sowie die Bezeich-
nung „Lindt-Teddy“. Dies könne als Herkunftsnachweis
gesehen werden, zumal sich das Produkt auch an den
bekannten „Goldhasen“ von Lindt anlehne.
Das OLG Köln hatte ebenso über die Nachahmung von
Schokoriegeln zu entscheiden. Ein türkischer Süßwaren-
hersteller hatte die folgenden Riegel unter der Bezeich-
nung „Winergy“ und „Wish“ auf einer Süßwarenmesse
angeboten:
Mars beanstandete die Verpackungsgestaltung dieser
Riegel als unzulässige Nachahmungen der Verpa-
ckungsgestaltungen von „Bounty“ und „Snickers“. Dabei
befand das Gericht die Verpackung von „Wish“ als nicht
verbietungswürdig, da sie ein eigenständiges Erschei-
nungsbild aufweise. „Winergy“ übernehme jedoch die
prägenden Gestaltungsmerkmale der Verpackung von
„Snickers“ und wandele diese lediglich in eine dynami-
52 OLG Köln, Urt. v. 11.04.2014, 6 U 230/12 – Goldbär
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schere Form ab. Daher liegt hier eine wettbewerbswidri-
ge Nachahmung vor.53
2.4 Warenähnlichkeit
Für die Begründung der Verwechslungsgefahr ist nicht
nur die Ähnlichkeit der Zeichen entscheidend. Die ältere
Marke muss darüber hinaus für die identischen oder
ähnlichen Waren und Dienstleistungen wie die neu an-
gemeldete Marke geschützt sein.
Die Waren „Eiscreme, Frozen Joghurt etc.“ seien ähnlich
mit „Schokoladenprodukte und -artikel“ derselben Klas-
se.54
Auch „Gebäck“ der Klasse 30 habe eine Ähnlichkeit zu
„Schokolade und Schokoladentafel mit und ohne Zusät-
ze“, da die Waren beide konsumiert würden um das
Bedürfnis nach etwas Süßen zu stillen. Ebenfalls würden
sie oft zusammen gemischt werden, z.B. in Nachspeisen
oder kleinen Kuchen.55
Dagegen seien „Fruchtsaucen“ unähnlich zu „Backwa-
ren“.56
Die Waren seien nicht komplementär, da es nicht
ersichtlich sei, dass es für den Verzehr von Backwaren
unerlässlich oder auch nur verkehrsüblich wäre, Fruchts-
aucen zuzugeben.
Die Waren „Konfitüren, Kompotte” der Klasse 29 und
„Zucker; Honig, Melassesirup” der Klasse 30 wiesen
Gemeinsamkeiten mit den Waren „Süßwaren, Schokola-
denwaren, Konditorwaren” auf, da sie sich gegenseitig
53 OLG Köln, Urt. v. 20.12.2013, 6 U 85/13 – Bounty und Snickers 54 HABM-BK, Entsch. v. 21.11.2013, R 1007/2013-1 – Cléd'Or 55 HABM-BK, Entsch. v. 30.04.2014, R 2206/2013-5 – BLACKPOWER-ENERGY 56 HABM-BK, Entsch. v. 17.10.2013, R 1825/2012-4 – DRESDNER STRIEZEL-GLÜHWEIN
ergänzten.57
Auch lege eine gewisse Ähnlichkeit mit
„Kaffee“ vor, jedoch nur eine geringe Ähnlichkeit mit
„Milch und Milchprodukten“.
Jedoch kann für die Waren “Milch und Milchprodukte”
eine hochgradige Ähnlichkeit zu “Kaffee-, Kakao- und
Schokoladengetränke” der Klasse 30 bejaht werden.58
3. Nachweis einer ernsthaften Benutzung
Grundsätzlich können Marken nur durchgesetzt werden,
wenn sie benutzt werden. Auf Verlangen des Anmelders
hat dabei der Inhaber einer älteren Marke den Nachweis
zu erbringen, dass die Marke ernsthaft benutzt wird oder
berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.
Eine interessante Entscheidung über den Nachweis der
Benutzung erging vom EuGH hinsichtlich der Marke
„Passaia“.59
Die Firma Rivella hatte in einem
Widerspruchsverfahren die ernsthafte Benutzung ihrer
internationalen Marke „Passaia“ für Deutschland,
nachzuweisen. Hierfür legte Rivella Benutzungsmaterial
aus der Schweiz vor, wobei sie sich auf ein Abkommen
zwischen Deutschland und der Schweiz von 1892 berief,
welches die Benutzung im jeweils anderen Land mit der
Nutzung im Inland gleichsetzt. Der EuGH entschied,
dass dieses Abkommen jedoch nur zwischenstaatlich
gelte und nicht das Gemeinschaftsmarkenrecht
beeinflusse. Die Benutzung in der Schweiz stellt also in
Verfahren vor dem EU-Markenamt keinen Nachweis für
die Benutzung des deutschen Teils einer IR-Marke dar.
57 HABM-BK, Entsch. v. 17.02.2014, R 622/2013-1 – götterfunken 58 BPatG, Beschl. v. 22.01.2014, 28 W (pat) 107/12 – MISSANA 59 EuGH, Urt. v. 12.12.2013, C445/ 12 P - BASKAYA
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Der Firma Reber gelang trotz der Vorlage einer schriftli-
chen Erklärung ihres Geschäftsführers, zwei Fotos von
den Auslagen ihrer Konditorei, Monatslisten über den
Schokoladenverkauf in einem Jahr (jährlich wohl 40 bis
60 kg handgefertigte Schokoladenprodukte) und Auszü-
ge ihres Internetauftritts nicht der Nachweis über die
ernsthafte Benutzung der Marke „WALZERTRAUM“.60
Der EuGH urteilte, dass selbst wenn es sich um handge-
fertigte Waren handle, die verkauften Mengen nicht aus-
reichten, um in ernsthafter Weise einen Anteil am deut-
schen Schokoladen- und Pralinenmarkt zu sichern, so-
dass die Marke nur marginale lokale Bedeutung habe.
Das Argument, dass die Waren aus Exklusivitäts- und
Exquisitätsgründen nur in einer einzigen Verkaufsstelle
angeboten und nicht im Versandhandel oder über das
Internet verkauft würden, konnte dabei nicht überzeugen.
Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass das Ge-
richt nur auf die im Warenverzeichnis gewählten Ober-
begriffe, hier „Schokoladewaren“ und nicht speziell auf
Pralinen abgestellt hat. Es sei Sache des Markeninha-
bers das Warenverzeichnis zu konkretisieren, sofern
seine Marke für spezielle Waren Schutz genießen soll.
60 EuGH, Urt. v. 17.07.2014, C141/ 13 P – Walzer Traum
Praxistipp:
Markeninhaber sollten das Warenverzeichnis alter
Marken überprüfen und eine Beschränkung des Ver-
zeichnisses auf die konkret benutzten Wa-
ren/Dienstleistungen in Betracht ziehen. Bei neuen Mar-
kenanmeldungen sollten neben Oberbegriffen auch zu-
mindest die wichtigsten einzelnen Waren / Dienstleistun-
gen aufgeführt werden.
Margret Knitter, LL.M.
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Effektiver Schutz gegen Nachahmungen auf der
Süßwarenmesse
Messen sind unersetzlich. Für den Austausch, Neuigkei-
ten, Ideen und Inspirationen. Messen sind unersetzlich
für das Geschäft. Auf Messen kann Aufbruchsstimmung
erzeugt werden. Im Großen, für eine ganze Branche,
oder im Kleinen für das eigene Unternehmen. Die Messe
kann aber auch zu einer bitteren Erfahrung werden.
Insbesondere dann, wenn ein skrupelloser Wettbewerber
– vielleicht sogar in Sichtweite der eigenen Produkte –
Nachahmungen ausstellt.
So erging es De Beukelaer. Ihre „Mikado“-Keksstangen
wurden durch einen ausländischen Wettbewerber in
nahezu identischer Form ausgestellt. De Beukelaer
wehrte sich und das OLG Köln sah eine wettbewerbsver-
letzende Nachahmung und damit Täuschung der inländi-
schen Verbraucher als gegeben an. Der BGH hob dieses
Urteil jedoch nunmehr auf (Urteil vom 23.10.2014, Az.: I
ZR 133/13). Nicht weil er die Nachahmung anders be-
wertete, sondern weil dem Nachahmer allein die Pro-
duktpräsentation nachgewiesen worden war. Die bloße
Präsentation auf einer Messe dürfe dabei nicht als Ver-
mutung dienen, dass das Produkt auch tatsächlich im
Inland angeboten werde.
Doch was sind nun die Lehren aus diesem Urteil. Ist es
überhaupt möglich, effektiv gegen Nachahmungen auf
Messen vorzugehen? Ja, ein effektives Vorgehen ist
möglich. Hierzu bedarf es allerdings einer konzentrierten
Aktion zwischen Hersteller und Anwalt. Ein Überblick
über die wichtigsten Grundsätze:
1. Vorbereitung
Rechnen Sie damit, dass der Nachahmer weiß was er tut
und sich entsprechend geschickt verhält und vorbereitet
hat. Seien auch Sie vorbereitet.
Ist Ihnen ein potentieller Nachahmer bekannt, überprüfen
Sie, ob dieser auf der Messe ausstellt. Überprüfen Sie
ferner, ob dieser auch nach Deutschland liefert oder
anbietet. Sammeln Sie entsprechendes Material. Wer
Entscheidungen wie die obige vermeiden will, muss im
Zweifel nachweisen können, dass der Nachahmer auch
in Deutschland anbietet.
Auch wenn das Ausstellen keine rechtliche Vermutung
für ein Anbieten bedingt, so ist genau dies faktisch doch
häufig der Fall. Und wer anbietet, muss das zwangswei-
se gegenüber Dritten tun. Die Chancen stehen also gut,
den Nachahmer so zu entlarven.
Gelingt dies trotz allem nicht, so kann unter Umständen
zumindest das Ausstellen verboten werden.
2. Schnelligkeit
Messe ist Geschäft und dieses wird erfahrungsgemäß in
den ersten Tagen gemacht. Seien Sie sich also bewusst,
dass Ihr Wettbewerber damit rechnet, wesentliche Ge-
schäftsabschlüsse schon getätigt zu haben, bevor Sie
die Nachahmung unterbinden können. Reagieren Sie
entsprechend schnell.
Große Gerichte haben bei großen Messen häufig einen
Notdienst, der auch an Samstagen schnell und effektiv
handeln kann. Spielen Hersteller und Anwalt gut zusam-
men, kann eine Verfügung an sechs Tagen der Woche
sehr schnell teils innerhalb eines Tages erwirkt und zu-
gestellt werden.
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3. Verfahren
Die Gerichte entscheiden in Messesachen häufig allein
auf Basis Ihres Antrages. Sie erlassen die Verfügung
somit meist ohne die Gegenseite anzuhören. Nutzen Sie
diesen Überraschungseffekt aus. Die Verfügung kann
durch den Gerichtsvollzieher direkt auf der Messe zuge-
stellt werden. Geschieht das früh genug, macht der Ver-
letzer mit den Nachahmungen kein großes Geschäft.
Seine Rechnung geht nicht auf.
Ein entscheidender Faktor kann auch die abschreckende
Wirkung sein. Denn wer hat schon gern einen Gerichts-
vollzieher an seinem Stand.
4. Mittel
Alle gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte kön-
nen als Grundlage für einen Antrag dienen. Erfahrungs-
gemäß bieten Anträge auf Basis von eingetragenen
Schutzrechten – insbesondere Marken und eingetragene
Designs – die besten und schnellsten Erfolgschancen.
Geht es, wie so häufig, um die Produkt- oder Verpa-
ckungsform, ist neben Designs auch an die Anmeldung
dreidimensionaler Marken zu denken. Der Schutz Ihrer
Produkte auf der Messe beginnt also bereits mit der
sorgfältigen Eintragung.
Sollten Sie keine eingetragenen Schutzrechte inneha-
ben, so kann auf das Vorliegen eines Wettbewerbsver-
stoßes abgestellt werden. Unter Umständen können
auch nichteingetragene Geschmacksmuster oder Urhe-
berrechte geltend gemacht werden.
5. Kosten
Ist Ihr Antrag begründet, so sind die Kosten des Verfah-
rens und der durch Sie beauftragten Anwälte grundsätz-
lich durch den Nachahmer zu tragen. Hat der Nachahmer
ferner seinen Sitz außerhalb der EU, so können weitere
gerichtliche Maßnahmen getroffen werden, um die anfal-
lenden Kosten vorläufig zu sichern oder zumindest um
die spätere Vollstreckung zu erleichtern.
Dr. Magnus Hirsch
Christoph Mayerhöffer
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Beschreibende Bezeichnungen: Design statt Marke?
Sehr oft werden in der Praxis beschreibende Bezeich-
nungen für Produkte und Dienstleistungen verwendet.
Dadurch versteht der Kunde gleich aus der „Marke“, um
was es sich bei dem Produkt handelt. Auch für die
Suchmaschinenoptimierung im Internet ist die Verwen-
dung von Bezeichnungen aus dem üblichen Sprachge-
brauch ein oft gewählter Ansatz. So finden Kunden eine
Fernsehzeitung im Internet unter der Marke „Fernsehzei-
tung.de“ natürlich sehr schnell.
Aus markenrechtlicher Sicht sind solche Bezeichnungen
jedoch oft nicht schutzfähig. Denn Bezeichnungen, die
für die darunter angebotenen Waren oder Dienstleistun-
gen beschreibend oder nicht unterscheidungskräftig sind,
stehen aus markenrechtlicher Sicht absolute Schutzhin-
dernisse entgegen. Bereits bei der Anmeldung prüft das
Amt (sowohl das Deutsche Patent- und Markenamt als
auch das für Gemeinschaftsmarken zuständige Harmo-
nisierungsamt für den Binnenmarkt), ob derartige
Schutzhindernisse bestehen.
In der Folge weist das Amt den Markenschutz zurück
und die Verwender der Bezeichnung erhalten keine Mar-
keneintragung, stehen mithin schutzlos da.
Bei der Markenanmeldung kann neben der reinen Wort-
marke (die nur aus der Angabe von Standard-
Textzeichen bestehen darf) auch der Umweg über eine
Wort-/Bildmarke gewählt werden. Dadurch kann zwar
auch nicht der schutzunfähige Wortbestandteil geschützt
werden, aber die Bezeichnung insgesamt – also mit den
grafischen Elementen – kann gewissen Schutz erlangen.
Es mehren sich aber die Fälle, in denen auch derartige
Marken zurückgewiesen werden (siehe hierzu oben
Rechtsprechungsüberblick 1.2.). Die Eintragungspraxis
der Ämter wird insoweit restriktiver.
In derartigen Fällen drängt sich die Überlegung auf, ob
ein Text zumindest nicht als Design nach dem deutschen
Designgesetz (DesignG) bzw. nach der Gemeinschafts-
geschmacksmusterverordnung (GGV) schützbar ist. Die
Hürde der absoluten Schutzhindernisse ist beim Design
anders gelagert als bei der Marke, daher können die
unterschiedlichen Eintragungen in der Praxis zu anderen
Ergebnissen führen.
Voraussetzungen für den Schutz eines Designs
Ob ein Schutz nach dem DesignG bzw. nach dem GGV
möglich ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Nachfol-
gend sollen daher die Grundvoraussetzungen für einen
Schutz nach dem DesignG und dem GGV vorgestellt
werden:
Ein Design zeichnet sich dadurch aus, dass es sich aus
den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, Oberflä-
chenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses
selbst oder seiner Verzierung ergibt. Hierbei ist ein Er-
zeugnis jeder industrielle oder handwerkliche Gegen-
stand, einschließlich Verpackung, Ausstattung, grafischer
Symbole und typografischer Schriftzeichen sowie von
Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis zusam-
mengebaut werden sollen.1
Wichtig: Damit ein Vorhaben nach dem DesignG sicher-
bar ist, muss es neu und Eigenart aufweisen. Neu ist ein
Design, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches
Design offenbart wurde. Allerdings gilt für Designs der
sog. Relative Neuheitsbegriff. Demnach kann ein Design
auch noch als „neu“ angemeldet werden, wenn es bereits
vor maximal 12 Monaten vom Eigentümer veröffentlicht
wurde.
1 Zum (neuen dt.) Designrecht insgesamt Schicker/Haug, NJW 2014
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Die Eigenart setzt voraus, dass es sich nach dem Ge-
samteindruck von älteren Designs unterscheidet. Die
Unterschiedlichkeit wird im Sinne eines „individual Cha-
rakters“ interpretiert. Dieser erfordert kein Gestaltungser-
gebnis, das überdurchschnittliches Können eines Desig-
ners voraussetzt.2 Insoweit findet keine qualitative Wer-
tung statt. Es ist vielmehr als ein quantitatives Element
zu verstehen. Ob ein solches vorliegt, ergibt sich aus
einer beobachtend-vergleichenden Beurteilung, ob die
Erscheinungsform unterschiedlich gegenüber jedem
einzelnen Muster des vorbekannten Formenschatzes
ist.3
Der Designschutz entsteht erst durch Eintragung in das
vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Design-
register bzw. durch Eintragung beim Harmonisierungs-
amt. Ab Eintragung ist das Design zunächst für fünf Jah-
re geschützt. Die Schutzzeit kann jeweils um fünf Jahre
auf eine maximale Schutzdauer von 25 Jahren verlängert
werden.
Alternativ kommt der Schutz durch ein nicht eingetrage-
nes Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Betracht. Für
ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmus-
ter ist keine Anmeldung notwendig. Der Schutz entsteht
durch bloße Offenbarung gegenüber der Öffentlichkeit.
Offenbart wird das Design, indem es ausgestellt, ange-
boten oder in sonstiger Weise veröffentlicht wird. Aller-
dings muss auch bei einem nicht eingetragenen Ge-
meinschaftsgeschmacksmuster das Vorhaben neu sein
und Eigenart aufweisen. Hierbei sind die Voraussetzun-
gen im Wesentlichen gleichlaufend zum deutschen De-
signrecht. Prozessual ist zu beachten, dass ein Inhaber
eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmack-
musters beweisen muss, dass er das Muster offenbart
hat.4 Der Schutz aus dem nicht eingetragenen Gemein-
2 Eichmann/von Falkenstein, GeschmacksmusterG, § 2 Rz. 12. 3 Eichmann/von Falkenstein, GeschmacksmusterG, § 2 Rz. 12. 4 BGH. Urt. v. 13.12.2012 – I ZR 23/12
schaftsgeschmacksmuster beschränkt sich auf einen
reinen Nachahmungsschutz. Die Schutzdauer ist zudem
auf drei Jahre ab der ersten Veröffentlichung begrenzt,
weshalb es für den Schutz von markenmäßigen Be-
zeichnungen in der Praxis eine untergeordnete Rolle
spielt.
Ob der Schutz über ein Design zumindest eine Art „Auf-
fang-Schutz“ im konkreten Fall bewirken kann, kann nur
jeweils spezifisch im Einzelfall entschieden werden. Aus
der Praxis sind jedoch einige Fälle bekannt, in denen der
Schutz eines Designs bei beschreibenden Bezeichnun-
gen zum Erfolg geführt hat.
Praxistipp:
Sofern ein grafisch ausgestalteter Text, der als Marke
verwendet werden soll, beschreibend ist, sollte frühzeitig
an die Möglichkeit gedacht werden, dieses Werk auch
als Design zu schützen. Wenn sich also im Rahmen
einer Markenanmeldung innerhalb von 12 Monaten ab
der ersten Veröffentlichung oder der Anmeldung heraus-
stellt, dass einer Marke der Schutz versagt wird, kann
ggf. der Schutz durch ein Design zumindest einen gewis-
sen Grundschutz mit sich bringen. Wir beraten Sie gerne
zu den Einzelheiten.
Stefan C. Schicker, LL.M
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WETTBEWERBSRECHT
Negative Produktbewertungen und Möglichkeiten
rechtlicher Gegenwehr
Produkttests bieten Verbrauchern in vielen Fällen eine
gute Möglichkeit zur Orientierung. Dies gilt insbesondere
in Produktmärkten mit einer quasi unüberschaubaren
Auswahlmöglichkeit, wie insbesondere dem Bereich der
Lebensmittel. Gut bewertete Produkte stellen sowohl für
Verbraucher als auch für die jeweiligen Hersteller eine
„Win-Win-Situation“ dar. Bei schlechten Testergebnissen
drohen Herstellern hingegen oftmals Existenz gefähr-
dende Image-Schäden.
In einem solchen Fall („GAU“) sollten betroffene Unter-
nehmen die weiteren Gegenmaßnahmen sorgfältig er-
wägen. Neben einer positiven Imagekampagne, insbe-
sondere durch gelungene Öffentlichkeitsarbeit, kommen
im Einzelfall auch rechtliche Schritte in Betracht. Dass
Hersteller sich selbst gegen renommierte Institute wie die
Stiftung Warentest wehren können, hat im letzten Jahr
eindrucksvoll der Fall „Ritter Sport“ gezeigt.
1. Umfang der Meinungsfreiheit des Testers
Die rechtliche Bewertung eines Produkttests erfordert
eine Abwägung zwischen dem Grundrecht eines Pro-
dukttesters auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1
GG) und dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten
Recht des Betroffenen am eingerichteten und ausgeüb-
ten Gewerbebetrieb (Art. 12 Abs. 1 GG). Der eingerichte-
te und ausgeübte Gewerbebetrieb umfasst alles, was in
seiner Gesamtheit den Betrieb zur Entfaltung und Betäti-
gung am Markt befähigt und damit den wirtschaftlichen
Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht.
Im Zuge dieser Abwägung ist der vollständige Aussage-
gehalt des Testurteils zu ermitteln. Danach ist jede getä-
tigte Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Wert-
urteil einzuordnen:
Tatsachenäußerungen zeichnen sich dadurch aus, dass
sie einem Beweis zugänglich sind. Im Gegensatz dazu
sind Werturteile Äußerungen, die durch Elemente der
Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt
sind und die deshalb nicht durch einen Beweis als richtig
oder falsch überprüft werden können. Maßstab für die
Einordnung als überprüfbare Tatsachenbehauptung oder
als nicht überprüfbares Werturteil ist das Verständnis
eines unvoreingenommenen und verständigen Publi-
kums. Wesentliches Kriterium hierbei ist der Wortlaut der
Äußerung, der nicht isoliert, sondern im gesamten Kon-
text zu sehen ist.
Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist weit. Tatsa-
chenäußerungen, die erwiesen unwahr sind, fallen aber
von vornherein nicht in den Schutzbereich der Meinungs-
freiheit. Ebenso sind Werturteile nicht geschützt, wenn
sie die Grenze zur „Schmähkritik“ überschreiten, also
nicht mehr auf dem Boden einer sachbezogenen Argu-
mentation stehen, sondern überwiegend die Herabset-
zung des Betroffenen oder dessen Produkte bezwecken.
2. Rechtliche Anforderungen an eine
Testpublikation
Die Veröffentlichung eines vergleichenden Warentests ist
in der Regel zulässig, wenn dies ohne Wettbewerbsab-
sicht des Testenden erfolgt und die Untersuchung neut-
ral, sachkundig und im Bemühen um objektive Richtigkeit
vorgenommen wird. Die Überprüfungen durch Institute
wie beispielsweise die Stiftung Warentest müssen daher
von Tests unterschieden werden, die Produkthersteller
mit eigenem Wettbewerbsinteresse in Eigenregie durch-
führen.
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Im Hinblick auf die Angemessenheit der Prüfungsmetho-
den, der Auswahl der Testobjekte und der Darstellung
der Untersuchungsergebnisse wird Produkttestern von
der Rechtsprechung ein umfangreicher Entscheidungs-
freiraum eingeräumt. Zur Objektivität der Untersuchung
zählt, dass die Prüfungsmethoden anerkannt oder zu-
mindest vertretbar sein müssen. Ferner muss der Pro-
dukttester gewährleisten, dass die durchgeführte Unter-
suchung sachlich, d.h. durch qualifiziertes Personal mit
einer gewissen Sachkompetenz erfolgt. Ist diese Objekti-
vität nicht gewahrt, ist die Grenze des Unzulässigen
überschritten, weil Kritik an Produkten nicht willkürlich
geäußert werden darf.
Bei der Darstellung der Testergebnisse ist zudem darauf
zu achten, dass diese neutral erfolgen muss und für den
Durchschnittsleser kein falsches Gesamtbild entstehen
darf. Daher darf die Darstellung nicht in verzerrender
oder missverständlicher Weise erfolgen. Soweit dies für
das richtige Verständnis erforderlich ist, müssen Aussa-
gen mit einem erläuternden Zusatz versehen werden.
3. „Sekundäre Beweislast“ des Testers im
Gerichtsverfahren
Entschließt sich ein negativ betroffenes Unternehmen
zum Prozess, muss es – sofern kein Fall der Schmähkri-
tik vorliegt – die Unwahrheit der angegriffenen Tatsa-
chenbehauptungen beweisen.
Allerdings kann den beklagten Produktester unter Um-
ständen eine sogenannte „sekundäre Darlegungs- und
Beweislast“ treffen. Einem Kläger kann nämlich nicht
zugemutet werden, dass er sich „ins Blaue“ hinein recht-
fertigen und dabei Umstände aus seinem geschäftlichen
Bereich in einem Umfang offenbaren muss, der bei einer
ordnungsgemäßen Verteidigung durch den Produkttester
im Prozess vermeidbar wäre. Kommt ein Produkttester
dieser sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht
nach, geht das Gericht von der Unrichtigkeit des Tester-
gebnisses aus. Die „sekundäre Darlegungs- und Beweis-
last“ des Testers entsteht aber nicht bereits dadurch,
dass der Kläger die Richtigkeit des Testergebnisses
pauschal bestreitet. Vielmehr muss der Kläger substanti-
ierte Zweifel an der Richtigkeit darlegen.
Im Rechtsstreit zwischen dem Unternehmen Alfred Ritter
und der Stiftung Warentest war die Frage entscheidend,
ob der in der Schokolade verarbeitete Stoff Piperonal
chemisch hergestellt worden war, oder ob es sich um
einen natürlichen Aromastoff im Sinne von Artikel 16
Abs. 4 der EU-Aromenverordnung (Nr. 1334/2008/EU)
handelte. Das Unternehmen Ritter trug hierzu vor, dass
es nicht innerhalb des Gerichtsverfahrens beweisen
könne, wie der Stoff Piperonal gewonnen werde, da
dieser von Zulieferern bezogen werde und als fremdes
Betriebsgeheimnis nicht offenbart werden dürfe. Aller-
dings legte Ritter dem Gericht eine Garantieerklärung
des Zulieferers vor, aus der hervor ging, dass es sich bei
dem verwendeten Piperonal um natürliche Aromen han-
dele und nicht um ein chemisches Produkt.
Dem Gericht reichte dieser substantiierte Vortrag des
Klägers aus, um eine sekundäre Darlegungs- und Be-
weislast der beklagten Stiftung Warentest anzunehmen.1
Diese musste daraufhin darlegen und beweisen, auf
welche Weise sie den positiven Nachweis geführt haben
will, dass der in der Schokolade enthaltene Aromastoff
Piperonal chemisch hergestellt und gerade nicht natürlich
gewonnen worden sei. Dieser Beweis gelang der Stiftung
Warentest jedoch nicht, da sie während des Produkttes-
tes lediglich vermutet hatte, dass der in der Schokolade
nachgewiesene Stoff Piperonal chemisch hergestellt
worden sei, ohne aber den Leser auf ihren bloßen Ver-
dacht hinzuweisen.
1 OLG München, Urteil vom 09.09.2014 – 18 U 516/14.
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4. Weitere Fallbeispiele aus der gerichtlichen
Praxis
Schmähkritik wurde beispielsweise in einem Fall ange-
nommen, in dem ein Restaurant wie folgt beschrieben
wurde: “Die Preise des Restaurants sind außerirdisch.
Das Management treibt mit seiner Politik gezielter perso-
neller Unterbesetzung die Gäste zum Randalieren. Es ist
ein Akt äußerster Waghalsigkeit, sich Fast-Food Anbie-
tern der Wucherkategorie auszuliefern.“2
Die Bezeichnung eines Landhotels in einem Hotelbewer-
tungsportal als "Hühnerstall" wurde nach den konkreten
Umständen des Einzelfalls hingegen nicht als
Schmähkritik gewertet.3 In einem anderen Kontext könn-
te die Formulierung „Hühnerstall“ jedoch durchaus als
Schmähkritik betrachtet werden.
Die rechtliche Bewertung eines Vorganges als strafrecht-
lich relevanter Tatbestand stellt zunächst einmal keine
Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil dar.4 Eine
Tatsachenbehauptung kann aber angenommen werden,
wenn nicht die rechtliche Bewertung eines feststehenden
Sachverhaltes im Vordergrund steht, sondern in der
rechtlichen Würdigung ein konkretes Geschehen mit
anklingt, wie z.B. bei der Formulierung „hygienische
Missstände“.
2 OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.1989 – 6 W 122/89. 3 OLG Stuttgart, Urteil vom 11.09.2013 - 4 U 88/13 4 LG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2013 – 12 O 392/11.
5. Verschiedene Ansprüche des betroffenen
Unternehmens
Einem betroffenen Unternehmen stehen bei einer
Rechtsverletzung Schadensersatz-, Unterlassungs- und
Beseitigungsansprüche zu. Unter gewissen Vorausset-
zungen ist auch ein Gegendarstellungsanspruch denk-
bar, wobei die Gegendarstellung an gleicher Stelle plat-
ziert werden kann, an der auch die verletzende Äuße-
rung erfolgt ist. Bei der Gegendarstellung handelt es sich
um eine eigene Äußerung des Betroffenen. Im Falle
einer unzulässigen Tatsachenbehauptung kann ein Un-
ternehmen aber auch den Widerruf oder eine Richtigstel-
lung durch den Tester selbst verlangen. Dies ist im Ge-
gensatz zur Gegendarstellung ein viel wirkungsvolleres
Instrument, da der Tester öffentlich erklären muss, zuvor
die Unwahrheit gesagt zu haben.
Dr. Thomas Haug, LL.M. (Exeter)
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IT & DIGITAL BUSINESS
Neues Verbraucherrecht für den Online-Handel - Was
ist wirklich neu? Wie sehen die neuen Informations-
pflichten aus? Was hat sich beim Widerrufsrecht
geändert?
A. EINLEITUNG
Das deutsche Umsetzungsgesetz zur EU-Richtlinie über
die Rechte der Verbraucher vom 25. Oktober 2011 (im
Folgenden „VRR“) trat am 13. Juni 2014 in Kraft.
B. WAS IST WIRKLICH neu?
1. Unübersichtliche gesetzliche Regelung
Die Unübersichtlichkeit der Verbraucherschutz-
regelungen ist nicht wirklich neu, sie wird durch die Än-
derungen aber wesentlich verstärkt: Für bestimmte Bran-
chen gelten bestimmte Regelungen nicht (z. B. Reiseleis-
tung, Beförderung, Lieferung von Lebensmitteln, § 312
Abs. 2 BGB neu). Das Gesetz etabliert in noch größerem
Umfang unterschiedliche Standards für Informations-
pflichten von E-Commerce im engeren Sinne, über Fern-
absatz und Abschlüsse außerhalb von Geschäftsräumen
bis hin zum stationären Handel (§ 312 a ff. BGB neu).
2. Einbeziehung des stationären Handels
Wirklich neu ist allerdings, dass gewisse - zugleich auch
geänderte oder neue - Regelungen jetzt auch ausdrück-
lich für den stationären Handel gelten (§ 312 a BGB
neu).
Die wichtigsten sind:
Entgeltliche Nebenleistungen müssen ausdrücklich
vereinbart werden (z. B. Transportservice, Montages-
ervice, etc.).
Der Verbraucher muss eine gängige unentgeltliche
Zahlungsmöglichkeit haben (bislang schon Recht-
sprechung). Soweit daneben Kosten für eine andere
Zahlungsart anfallen, dürfen diese nicht über die Kos-
ten des Unternehmers für die Nutzung des Zah-
lungsmittels hinausgehen.
Jeder Unternehmer muss bei telefonischer Kontakt-
aufnahme zum Abschluss eines Vertrages zu Beginn
des Telefonats seine Identität sowie den geschäftli-
chen Zweck des Anrufs offenlegen. Dies gilt unab-
hängig von den sehr engen Voraussetzungen für die
Zulässigkeit solcher Telefonate.
Für eine Servicehotline dürfen keine Entgelte berech-
net werden, die über die bloße Nutzung des Tele-
kommunikationsdienstes hinausgehen. Unternehmer
müssen also entweder entgeltfreie Rufnummern oder
ortsgebundene Rufnummern anbieten.
3. Informationspflichten für den stationären
Handel
Neben Informationspflichten im Fernabsatz und für au-
ßerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge
gelten gewisse Informationspflichten nun neu zwingend
auch im stationären Handel (§ 312 a Abs. 2 BGB neu
i.V.m. Art. 246 Abs. 1 EGBGB neu).
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4. Bestimmte Informationen werden Vertragsbe-
standteil
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist neu, dass
Angaben zur Erfüllung von gewissen Informationspflich-
ten nun automatisch Vertragsbestandteil werden (§ 312 d
Abs. 1 BGB neu).
5. Informationspflichten bei mobilen Webseiten
und Apps für Smartphones
Für einen Fernabsatzvertrag durch ein Kommuni-
kationsmittel mit nur begrenzten Darstellungsmöglichkei-
ten (wie mobile Webseiten oder Apps für Smartphones)
werden Informationspflichten erleichtert. Es reicht neuer-
dings aus, wenn der Verbraucher über die wesentlichen
Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, die
Identität des Unternehmens, den Gesamtpreis, das Be-
stehen eines Widerrufsrechts und die Laufzeit des Ver-
trags sowie die Kündigungsbedingungen informiert wird.
6. Lieferbeschränkungen und Zahlungsmittel
Für den elektronischen Geschäftsverkehr ist neu: Der
Unternehmer hat spätestens bei Beginn des Bestellvor-
gangs klar und deutlich anzuzeigen, ob Lieferbeschrän-
kungen bestehen und welche Zahlungsmittel von ihm
akzeptiert werden.
C. ÄNDERUNGEN BEIM WIDERRUFSRECHT
Noch erheblicher sind die Änderungen für das Widerrufs-
recht ausgefallen. Hier gilt im Überblick:
1. Kein Rückgaberecht mehr
Bisher konnte das gesetzliche Widerrufsrecht durch ein
sog. Rückgaberecht ersetzt werden. Ab dem
13. Juni 2014 gibt es dieses gesetzliche Rückgaberecht
nicht mehr.
2. Reform gesetzlicher Ausnahmen des Wider-
rufsrechts
Bereits nach geltendem Recht gab es zahlreiche Kons-
tellationen, in denen dem Verbraucher kein Widerrufs-
recht zustehen sollte. Die Änderungen nehmen zusätzli-
che Neuausnahmen vom Widerrufsrecht auf (§ 312 g
Abs. 2 S. 1 BGB neu) und setzen damit den abschlie-
ßenden Katalog der Verbraucherrechterichtlinie um.
Neu ist hier die Ausnahme für Verträge zur Lieferung
alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss
vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach
Vertragsschluss geliefert werden können und deren
aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt ab-
hängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat.
3. Einheitliche Widerrufsfrist
Ab dem 13. Juni 2014 gilt europaweit nur noch eine ein-
heitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen. Bislang galten in
Deutschland zwei Widerrufsfristen. Zum einen die
14-tägige Regelfrist und zum anderen die verlängerte
Frist von einem Monat, wenn der Unternehmer den Ver-
braucher nicht unmittelbar nach Vertragsschluss über
sein Widerrufsrecht belehrt hatte.
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4. Kein unendliches Widerrufsrecht mehr
Nach bisherigem Recht konnte die Widerrufsfrist unend-
lich laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht
ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.
Nach der Neuregelung erlischt das Widerrufsrecht des
Verbrauchers jedenfalls spätestens 12 Monate und 14
Tage ab Erhalt der Ware (im Fernabsatz) oder nach dem
Vertragsschluss.
5. Erklärung des Widerrufs
Ein Widerruf des Verbrauchers muss anders als bisher
(§ 355 BGB) nicht mehr in Textform erklärt werden. Es
genügt eine eindeutige Erklärung, der Widerruf bedarf
keiner Begründung. Nicht mehr möglich ist ein Widerruf
durch bloße Rücksendung der Ware, außer die Ver-
tragsparteien haben dies ausdrücklich vereinbart. Zur
Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des
Widerrufs.
6. Pflicht zum Bereitstellen eines Musterwiderruf-
formulars
Nach der Neuregelung besteht für den Fernabsatz und
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
die Pflicht des Unternehmers, dem Verbraucher ein so-
genanntes Musterwiderrufsformular zur Verfügung zu
stellen (§ 312 d Abs. 1 S. 1 BGB neu i. V. m. Art. 246 a §
1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB neu). Dies muss in einer dem
benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise
erfolgen. Der Unternehmer kann dem Verbraucher das
Widerrufsformular bereits online auf seiner Website zur
Verfügung stellen, damit es vom Verbraucher ausgefüllt
und elektronisch an den Onlinehändler übermittelt wer-
den kann. Nutzt der Verbraucher das online zur Verfü-
gung gestellte Musterwiderrufsformular, muss der Unter-
nehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs
unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestäti-
gen (etwa in einer E-Mail, § 356 Abs. 1 S. 2 BGB neu).
7. Deckelung der Hinsendekosten / Kosten der
Rücksendung
Nach bisheriger Rechtslage war der Unternehmer ver-
pflichtet, dem Verbraucher bei einem wirksamen Wider-
ruf die Kosten der Hinsendung in voller Höhe zu erstat-
ten. Zwar stellt die Neuregelung zunächst nur klar, dass
der Unternehmer grundsätzlich die Hinsendekosten er-
statten muss (§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB neu). Jedoch wird
die Höhe dieser Kostenerstattung gedeckelt. Wählt der
Verbraucher eine teurere Versandform als den vom Un-
ternehmer angebotenen Standardversand, bleibt der
Verbraucher im Widerrufsfall auf den Mehrkosten sitzen
(§ 357 Abs. 2 S. 2 BGB neu).
Neu ist auch, dass der Verbraucher die Rück-
sendekosten unabhängig vom Warenwert zu tragen hat.
Die zuvor bestehende 40,00 €-Klausel wurde vom Ge-
setzgeber aufgehoben.
8. Schnellere Abwicklung des Widerrufs
Nach der Neuregelung müssen die empfangenen Leis-
tungen spätestens nach 14 Tagen zurück gewährt wer-
den (§ 357 Abs. 1 BGB neu). Ferner muss die Erstattung
des Kaufpreises unter Verwendung desselben Zah-
lungsmittels wie für dessen Zahlung erfolgen, wenn mit
dem Verbraucher nichts Abweichendes vereinbart wurde
(§ 357 Abs. 3 BGB neu).
9. Zurückbehaltungsrecht
Nach der Neuregelung hat der Unternehmer ein Zurück-
behaltungsrecht für die Rückzahlung, bis er die Ware
zurück erhalten oder der Verbraucher zumindest deren
Absendung nachgewiesen hat (§ 357 Abs. 4 BGB neu).
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10. Wertersatz
Nach der Neuregelung schuldet der Verbraucher nur
noch Ersatz für einen Wertverlust für einen Umgang mit
der Ware, der zur Prüfung der Beschaffenheit der Ware
nicht notwendig war (§ 357 Abs. 7 BGB neu). Der Wert-
tersatz für gezogene Nutzungen entfällt nach der Neure-
gelung vollständig.
Ferner wird ausdrücklich klargestellt, dass der Verbrau-
cher beim Widerruf von Verträgen über die Lieferung von
digitalen Inhalten keinen Wertersatz leisten muss.
D. FAZIT
Auch in der Süßwarenbranche gilt: Jeder Marktteilneh-
mer, der für Vertragsmuster oder interaktive Websites mit
Bestellfunktion verantwortlich ist, muss weiter die größt-
mögliche Sorgfalt darauf verwenden, sein Angebot an die
neue Rechtslage anzupassen. Bereits durchgeführte
Analysen von E-Commerce-Plattformen zeigen, dass der
„Teufel“ hier wie so oft im Detail steckt.
Elisabeth Noltenius, LL.M [email protected]
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MEDIEN- UND ENTERTAINMENTRECHT
Leitfaden zum Produkt-Placement
Product-Placement ist eine vor allem in der Film- und
Fernsehwirtschaft gängige, allerdings nur unter bestimm-
ten Voraussetzungen legitime Praxis. Dabei werden
Produkte und Dienstleistungen in eine Sendung inte-
griert. Product-Placement entspricht letztlich „der fakti-
schen Tendenz zur Verwischung der Grenze zwischen
Realität und Werbung“ (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v.
22.8.2013, Az.: 2 A 10002/13.OVG).
Gerade in der Süßwarenbranche werden Produkte zur
Absatzförderung gerne in Filmen und im Fernsehen
eingeblendet. So waren z.B. verschiedene Produkte von
Ferrero im Schaufenster des „Spätkauf“, ein Kiosk und
Treffpunkt der "GZSZ"-Clique, auf einem Werbeplakat zu
sehen.
Ein anders Beispiel ist der Bahlsen Schokokeks "Pick
up!", der im Dschungelcamp sowie in der Matthias-
Schweighöfer-Komödie "Schlussmacher" gezeigt wurde.
Produktplatzierung wird definiert als die gekennzeichnete
Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistun-
gen, Namen, Marken, Tätigkeiten eines Herstellers von
Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in
Sendungen gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleis-
tung mit dem Ziel der Absatzförderung. Die kostenlose
Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen ist Pro-
duktplatzierung, sofern die betreffende Ware oder
Dienstleistung von bedeutendem Wert ist. Grundsätzlich
ist Product-Placement ebenso wie die Themenplatzie-
rung und die Schleichwerbung unzulässig. Damit ge-
währleistet wird die Trennung von redaktionellen Inhalten
und Werbung (sog. Trennungsgebot). Allerdings gestat-
tet § 7 Abs. 7 RStV Ausnahmen von diesem Verbot.
1. Voraussetzungen für zulässiges Product-
Placement
Durch § 7 Abs. 7 RStV wird das strikte Gebot der Tren-
nung von Programm und Werbung etwas gelockert.
Damit aber die Durchbrechung des Trennungsgebots auf
wenige Ausnahmen beschränkt bleibt, unterliegen diese
engen Voraussetzungen.
a) Erhaltung der redaktionellen Verantwortung
(Nr. 1)
Zunächst muss die Erhaltung der redaktionellen Verant-
wortung und Unabhängigkeit hinsichtlich Inhalt und Sen-
deplatz gewährleistet bleiben. Der wesentliche Inhalt der
Produktplatzierung, also der Gegenstand sowie die Art
der Platzierung, müssen von der Redaktion bestimmt
werden. Dabei müssen die redaktionell Verantwortlichen
gegenüber dem Sender bekannt geben, ob Product-
Placement stattfinden wird und wenn ja, welche Produkte
und Dienstleistungen betroffen sind.
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b) Keine verkaufsfördernden Hinweise (Nr. 2)
Um einer zu weiten Lockerung des Trennungsgebots
vorzubeugen, darf nicht unmittelbar durch verkaufsför-
dernde Hinweise zum Erwerb von Produkten und Dienst-
leistungen aufgefordert werden. So darf zwar die Marke
eines Produkts, etwa eines Kühlschranks, in einem Film
gut sichtbar sein, aber die Qualität des gezeigten Pro-
dukts darf dabei nicht in einer der Alltagskommunikation
nicht entsprechenden Weise explizit gelobt oder hervor-
gehoben werden. Die genaue Abgrenzung kann dabei
eine große Herausforderung darstellen.
c) Kein Herausstellen (Nr. 3)
Ergänzend darf das Produkt oder die Dienstleistung nicht
besonders herausgestellt werden. Diese Norm soll dabei
den Kern des Trennungsgrundsatzes bewahren und das
mit zwei Schutzrichtungen: „Zum einen soll sie die Rund-
funkfreiheit sowie die Erhaltung der Objektivität und
Neutralität des Rundfunks gegenüber dem Wettbewerb
im Markt als Voraussetzungen der Meinungsvielfalt im
Programm schützen, zum anderen dient sie dem Schutz
der Zuschauer, welche redaktionellen Inhalten mit größe-
rem Vertrauen begegnen als werblichen Botschaften“
(OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.8.2013, Az.: 2 A
10002/13.OVG).
Im Unterschied zur Voraussetzung Nr. 2 betrifft das Her-
ausstellen nicht ausdrückliche Verkaufsförderung durch
Anpreisen der Produkte und Dienstleistungen, sondern
vielmehr die Erzeugung eines solchen Eindrucks durch
andere Mittel. Dies kann etwa bei einer Straßenszene
durch das Einblenden einer Werbetafel geschehen.
Das Product-Placement muss sich dabei immer in den
Fluss der Szenenfolge fügen, darf also nicht deutlicher
herausgestellt werden als für die Handlung der Szene
erforderlich. Unzulässig ist beispielsweise die symboli-
sche Identifikation eines Protagonisten mit der Marke, da
sich eine solche Identifikation prominenter Personen auf
das Produkt oder die Dienstleistung überträgt.
2. Geringwertige Produkte
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV ist
die Platzierung von kostenlos zur Verfügung gestellten
geringwertigen Produkten gerade nicht als Product-
Placement zu sehen, da jedenfalls kein unmittelbarer
Einfluss auf die Sendung zu befürchten ist. Zudem würde
sonst eine legitime Finanzierungsquelle und Möglichkeit
der Kostenersparnis beseitigt. Die Schwierigkeit liegt
jedoch darin zu bestimmen, ab wann ein Produkt als
geringwertig einzustufen ist. Um potenziellem Miss-
brauch vorzubeugen erscheint eine eher niedrige
Schwelle erforderlich. Denkbar wäre etwa eine Grenze
von relativ 1% sowie absolut 1.000 Euro (so ARD/ZDF-
Werberichtlinien vom 12.3.2010, Z 9.1).
Abzustellen ist bei der Bestimmung der Geringwertigkeit
nicht auf den Wert des Produkts oder der Dienstleistung
selbst, sondern deren Mietkosten, da teure Gegenstän-
de, z.B. Autos oder Häuser, während der Dreharbeiten
selten dauerhaft erworben werden. Diese Kosten sind
jedoch oft kaum einzuschätzen, da meist schwer zu
erkennen ist, welche Kosten für welchen Zeitraum ange-
fallen wären, wenn die kostenlose Bereitstellung nicht
erfolgt wäre.
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Bei einer Unterschreitung der Geringwertigkeitsgrenze
besteht immer noch die Möglichkeit, dass es sich bei der
Platzierung um (verbotene) Schleichwerbung handelt.
3. Kennzeichnungspflicht
Aus § 7 Abs. 7 S. 3 RStV ergibt sich inzwischen eine
Kennzeichnungspflicht für Produktplatzierungen. Damit
soll Transparenz gewahrt werden, ohne dass die durch
Product-Placement erleichterte Finanzierung von Pro-
grammen wegbricht. Dies kann etwa durch eine ange-
messene Einblendung zu Beginn oder Ende der Sen-
dung geschehen.
Dr. Ulrich Reber
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ZOLLRECHT
Rezepturen – Bitterer Beigeschmack beim Zoll?
In der Süßwarenindustrie hat die Globalisierung seit
Langem eingesetzt. Die Produktion erfolgt nicht mehr
ausschließlich in Europa sondern weltweit. Die Produkte
leben jedoch von ihrer Einzigartigkeit, die auf „geheimen“
Rezepturen beruhen. Wird die Produktion der Süßwaren
oder einzelner Rohstoffe, z. B. Flavors, für die Süßwaren
ausgelagert, müssen die Rezepturen an die Hersteller
weitergegeben werden. Konkret bedeutet dieses, dass
der deutsche Süßwarenunternehmer seine Waren in
Auftragsfertigung, beispielsweise in Asien, produzieren
lässt. Hierzu übermittelt es dem asiatischen Hersteller
die benötigten Rezepturen. Die fertigen Produkte wer-
den dann vom Hersteller nach Deutschland versandt und
in Deutschland eingeführt und vermarktet.
Mit der Einfuhr der Waren aus dem Drittland sind diese
zollrechtlich abzufertigen, d. h. zu verzollen. Zur Bestim-
mung der Einfuhrabgaben ist nach dem Zollkodex der
Warenwert entscheidend. Der zu Grunde zu legende
Warenwert sollte der objektive Wert der eingeführten
Waren sein, wozu der Kaufpreis herangezogen wird. Der
Kaufpreis ist aber nicht immer alles. Nach Artikel 32 des
Zollkodex sind werterhöhende Bestandteile dem Zollwert
hinzuzurechnen. Hierzu zählen beispielsweise Beistel-
lungen, das heißt vom Käufer dem Hersteller zur Verfü-
gung gestellte Produktionsmittel.
Was hat das mit Rezepturen zu tun? Als Beistellungen
gelten nicht nur körperliche Produktionsmittel, sondern
auch sogenannte geistige Beistellungen, wie beispiels-
weise Know-how, Skizzen oder Produktionspläne. Hier-
unter fallen auch entsprechende Rezepturen für Le-
bensmittel.
Wird die Rezeptur dem Hersteller im Drittland unentgelt-
lich oder zu reduzierten Kosten zur Verfügung gestellt, ist
diese dem Zollwert hinzuzurechnen. Allerdings gilt dieses
bei geistigen Beistellungen nur, abweichend von der
Beistellung von körperlichen Produktionsmitteln, wenn
die Entwicklung der Rezeptur nicht in der EU stattgefun-
den hat. Hier könnte Ihr Schlupfloch gegeben sein, denn
sofern Sie die Rezeptur ausschließlich innerhalb der EU
entwickelt haben, können diese dem Hersteller kostenfrei
zur Verfügung gestellt werden, ohne dass sich dieses auf
den Zollwert negativ auswirkt. Sollten jedoch auch Ent-
wicklungsleistungen (Teilleistung) im Drittland erbracht
worden sein, beispielswiese in der Konzernzentrale in
der Schweiz, ist die geistige Beistellung zunächst zoll-
wertrelevant und müsste mit eingebracht werden. Bei
einer teilweise in der EU entwickelten Rezeptur wäre
dann im Folgeschritt mit der Zollverwaltung abzustim-
men, zu welchem Anteil hier eine Zollwertrelevanz gege-
ben ist, ebenso bei einem weltweiten Vertrieb der Fertig-
erzeugnisse.
Sven Pohl
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Neues zum Spitzenausgleich bei der Strom- und
Energiesteuer – Sichern Sie sich Ihren Erstattungs-
anspruch!
Die Produktion von Süßwaren gilt in Deutschland als
energieintensiv. Der Gesetzgeber hat jedoch bereits
1999 den Unternehmen eine Entlastung bei der Strom-
und Energiesteuer von bis zu 90 % der Abgaben gewährt
(sogenannter Spitzenausgleich).
Aufgrund europarechtlicher Bedenken gegen die deut-
schen Entlastungsvorschriften mussten diese im Jahr
2012 neu gefasst werden. Hierbei wurde insbesondere
die zusätzliche Voraussetzung aufgenommen, dass die
Unternehmen verpflichtet sind, ein Energiemanagement-
system (i.d.R. nach DIN EN ISO 50001) zu betreiben.
Die Frage, wie dieses System ausgestaltet sein muss,
wie die Nachweise zu erbringen sind und insbesondere
wie die Übergangsregelungen für die Jahre 2013 und
2014 ausgestaltet sein sollten, wurde Mitte 2013 in der
Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung (SpaEfV)
näher geregelt. Nachfolgend möchten wir Sie über ein
aktuelles Schreiben des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Energie (BMWi) sowie über den Änderungs-
entwurf der SpaEfV kurz informieren:
1. BMWi Schreiben
Das BMWi hat mit Schreiben vom 30. Oktober 2014 klar
gestellt, dass die Nachweise über die Einführung des
Energiemanagementsystems – abweichend von bisheri-
gen Aussagen – für das Antragsjahr 2013 auch noch in
2014 erbracht werden können. In diesem Fall erfolgt die
Überprüfung durch die Zertifizierungsstelle jedoch nicht
vor Ort, sondern anhand von Dokumenten, was für den
Antragsteller zusätzlich bedeutet, dass er mit dem Antrag
auf Spitzenausgleich eine eidesstattliche Versicherung
vorlegen muss. In dieser ist zu bestätigen, dass die An-
forderungen bereits im Antragsjahr 2013 erfüllt wurden.
Für das Antragsjahr 2014 sind die Nachweise zur Einfüh-
rung dagegen bereits im Antragsjahr der Zertifizierungs-
stelle vorzulegen und die Vorortüberprüfung ist ebenfalls
in 2014 durchzuführen. Sofern dieses geschehen ist,
kann die Ausstellung des Nachweises durch die zustän-
dige Stelle auch noch nach Ablauf des Antragsjahres
erfolgen.
2. Änderungsentwurf1 SpaEfV
Die bisherige SpaEfV enthielt in einzelnen Bereichen
unklare Regelungen, welche in der Praxis immer wieder
zu Verunsicherungen und unterschiedlicher Verwal-
tungspraxis geführt haben. Mit der Änderung soll eine
Klarstellung der Vorgaben und damit eine einheitliche
Anwendung sichergestellt werden. Darüber hinaus sind
gerade für kleine und mittelständische Unternehmen
Erleichterungen in der Nachweisführung vorgehsehen,
bspw. soll es genügen, wenn 95% des Gesamtenergie-
verbrauches erfasst werden.
Sven Pohl
1 Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie über eine Verordnung zur Änderung der Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung (SpaEfV) vom 10. September 2014
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HANDELS- UND VERTRIEBSRECHT
Bei Auslandsaktivitäten: Sorgfalt bei Gerichtsstands-
oder Schiedsvereinbarung erforderlich!
Süßwarenhersteller, die Produkte wie etwa Kakao oder
Rohrzucker aus dem außereuropäischen Ausland bezie-
hen oder Waren dorthin vertreiben, sollten darauf ach-
ten, dass die Gerichtsstandsregelungen in ihren Verträ-
gen den sich daraus ergebenden Besonderheiten ge-
recht werden. Relativ häufig wird in Kauf- oder Vertriebs-
verträgen eher unreflektiert vorgesehen, dass die heimi-
schen Gerichte über etwaige Streitigkeiten entscheiden
sollen. Akzeptiert dies der Vertragspartner, erscheint dies
schon als kleiner Verhandlungssieg. Tatsächlich kann es
sich dabei aber um einen Pyrrhussieg handeln. Denn
während innerhalb der EU Urteile gegenseitig anerkannt
werden, ist das bei Geschäften über die europäische
Grenze hinweg mitunter ganz anders. Ein deutsches
Urteil ist in z.B. vielen Staaten Afrikas und des Nahen
Ostens, aber auch etwa in Russland nicht vollstreckbar.
Kommt es zum Streit, fragt sich, ob eine Klage dann
überhaupt Sinn macht. Häufig gibt es aber gute Gründe,
sich nicht auf einen Gerichtsstand am Sitz des Vertrags-
partners einzulassen, etwa, weil es mit der Rechtsstaat-
lichkeit in dem betroffenen Land nicht weit her ist. In
solchen Fällen bietet die Schiedsgerichtsbarkeit einen
Ausweg. Schiedsgerichte sind privat organisierte Gerich-
te, z.B. in der Trägerschaft der Internationalen Handels-
kammer (ICC).
Ein wesentlicher Vorteil von Schiedsverfahren besteht in
der weltweiten Vollstreckbarkeit der Urteile (sog.
Schiedssprüche), die diese Schiedsgerichte erlassen
können. Denn mehr als 150 Staaten haben sich durch
Abkommen verpflichtet, ausländische Schiedssprüche zu
akzeptieren und aus ihnen die Vollstreckung zuzulassen.
Ein Schiedsgericht ist aber nur zuständig, wenn sich die
Parteien darauf verständigt haben. Da eine solche Eini-
gung nach Ausbruch des Streits zumeist nicht mehr
möglich ist, sollte bereits bei Abschluss von Verträgen
mit Lieferanten, Kunden oder Vertriebspartnern im (ins-
besondere: außereuropäischen) Ausland erwogen wer-
den, ob nicht eine Schiedsklausel aufgenommen werden
sollte.
Praxistipp:
Entwerfen Sie keine Schiedsvereinbarung ohne kompe-
tente Unterstützung oder greifen Sie auf die „offizielle“
Musterklausel einer anerkannten Schiedsinstitution zu-
rück. In der Praxis ist zu beobachten, dass ein erhebli-
cher Anteil von Schiedsvereinbarungen fehlerhaft ist,
etwa weil das zuständige Schiedsgericht uneindeutig
benannt wird. Das kann zu nicht mehr reparablen Feh-
lern führen.
Oliver Korte
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KARTELLRECHT
Das Bundeskartellamt verstärkt seine
Ermittlungstätigkeiten
1. Einleitung
Kartellrecht als das Recht für Großkonzerne – diese
Zeiten sind seit langem vorbei. Das Bundeskartellamt
überprüft seit geraumer Zeit gerade auch den Bereich
des Mittelstands, wenn es um die Aufdeckung wettbe-
werbswidriger Absprachen und Verhaltensweisen geht.
Die erheblichen Bußgelder, die gerade in letzter Zeit
gegen Unternehmen des Mittelstands verhängt worden
sind, sprechen eine deutliche Sprache.1 Insofern ist es
heute für die Geschäftsführung auch eines Mittelständers
unerlässlich, das Kartellrecht im Blick zu haben, wenn es
etwa um Informationsaustausch mit Wettbewerbern, die
Eingehung von Kooperationen oder die Strukturierung
von Vertriebskanälen geht. In diesem Beitrag werden
daher die Grundzüge der kartellrechtlichen Rahmenbe-
dingungen aufgezeigt und einige Fallkonstellationen
beleuchtet, die Unternehmen der Süßwarenindustrie in
der Vergangenheit betrafen. Dabei liegt der Fokus auf
dem Bereich des § 1 GWB/Artikel 101 AEUV, die das
Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen und
Verhaltensweisen regeln.
2. Das Kartellverbot des § 1 GWB
Nach § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen Unter-
nehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen
und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die
eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung
des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.
1 Vgl. etwa die insgesamt EUR 338 Millionen, die das Bundeskartellamt an die ca. 20 Unternehmen des sog. Wurstkartells verhängt hat, Bundes-kartellamt Pressemitteilung vom 15.07.2014.
Erfasst werden dadurch im weitesten Sinne Vereinba-
rungen oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen
Wettbewerbern, also Unternehmen auf der gleichen
Marktstufe (sog. horizontale Vereinbarungen) wie auch
Vereinbarungen zwischen Unternehmen verschiedener
Marktstufen, also etwa zwischen Herstellern und Ver-
triebshändlern (sog. vertikale Vereinbarungen).
Für die Anwendbarkeit des Kartellverbots bedarf es zu-
nächst des Vorliegens einer Vereinbarung oder einer
abgestimmten Verhaltensweise. Der Begriff der „Verein-
barung“ ist weit zu fassen. Neben Verträgen im Wortsin-
ne sind auch Gentlemens‘ Agreements erfasst, also
solche Übereinkünfte, die – auch unterhalb der Schwelle
einer zivilrechtlichen Bindungswirkung – eine Verbind-
lichkeit zwischen den Beteiligten hinsichtlich deren
Marktverhalten, entfalten.2 Erforderlich für das Vorhan-
densein einer Vereinbarung ist lediglich eine tatsächliche
Bindungswirkung und ein darauf gerichteter Wille. Abge-
grenzt werden Vereinbarungen insbesondere zu einseiti-
gen Maßnahmen, etwa Empfehlungen.
Der kartellrechtswidrigen Vereinbarung gleichgestellt
sind die „aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“.
Die Rechtsprechung definiert das abgestimmte Verhalten
als „Form der Koordinierung zwischen Unternehmen …,
die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages
im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine
praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken
verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Die aufeinander
abgestimmten Verhaltensweisen erfüllen daher schon
ihrem Wesen nach nicht alle Tatbestandsmerkmale einer
Vereinbarung, sondern können sich insbesondere auch
aus einer im Verhalten der Beteiligten zu Tage tretenden
Koordinierung ergeben.“3
2 EuGH v. 15.7.1970 – Rs 41/69 - Slg. 1970, 661, Rz. 112 – ACF Che-miefirma; EuG v. 06.04.1995 – Rs T-141/89 - Slg. 1995, II-791, Rz. 95 – Tréfileurope; Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., 2007, § 1 Rz. 83 ff. 3 EuGH v. 14.7.1972 – Rs 48/69 - Slg. 1972, 619, Rz. 64, 67 – ICI.
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Ausreichend sein kann auch der Beschluss einer Unter-
nehmensvereinigung, der von den Unternehmen befolgt
wird und damit als „abgestimmt“ angesehen werden
kann.4
Daneben ist nach § 1 GWB weiter erforderlich, dass
durch die Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltens-
weise eine Wettbewerbsbeschränkung zwischen vonei-
nander unabhängigen Unternehmen entweder bezweckt
oder bewirkt wird. Beschränkung des Wettbewerbs be-
deutet Beeinträchtigung der wettbewerblichen Hand-
lungsfreiheit als Anbieter oder Nachfrager. Für Unter-
nehmen eines Konzerns gilt dabei das Konzernprivileg.
Konzerninterne Wettbewerbsbeschränkungen sind kar-
tellrechtlich irrelevant. Betroffen von der kartellrechtswid-
rigen Vereinbarung/Abstimmung müssen wettbewerbsre-
levante Parameter sein, etwa Absätze, Preise, Abneh-
mer, Gebiete, Sortiment, Ausschreibungen usw. In die-
sem Bereich spielen sich die sog. Hardcore Kartelle ab,
also insbesondere Preis-, Gebiets- und Quotenabspra-
chen. Diese Art der Kartellabsprachen stellen besonders
schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb dar und
werden entsprechend sanktioniert.5
Von besonderer praktischer Bedeutung, und weniger
offensichtlich, sind etwa Marktinformationssysteme. Kar-
tellrechtlich bedenklich sind solche Marktinformationssys-
teme dann, wenn diese die Vereinbarung zwischen Un-
ternehmen beinhalten, wettbewerbsrelevante Informatio-
nen, die ansonsten geheim gehalten würden, zwischen
den teilnehmenden Unternehmen, sei es direkt oder über
Dritte, auszutauschen.6 Auch ein Benchmarkingsystem,
das über einen Industrieverband für seine Mitglieder
durchgeführt wird, kann eine Wettbewerbsbeschränkung
4 BGH v. 14.8.2008 – KVR 54/07 - WuW/E 2408, 2415 – Lottoblock. 5 Vgl. zuletzt Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 13.1.2014 und 2.4.2014 (Bierkartell) und 15.7.2014 (Wurstkartell). 6 BGH v. 29.1.1975 – KRB 4/74 – WuW/E 1337, 1342 – Aluminium – Halbzeug; BGH v. 18.11.1986 – KVR 1/86 – WuW/E 2313, 2315 – Bau-markt-Statistik; Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 1, Rz. 303 ff.
in Form einer unzulässigen Aufdeckung von Geheimin-
formationen (sog. Geheimwettbewerb) zur Folge haben.
Zu unterscheiden ist insoweit zwischen sog. identifizie-
renden und nicht identifizierenden Verfahren. Bei identifi-
zierenden Verfahren handelt es sich um solche, bei de-
nen Einzeltransaktionen zwischen den Wettbewerbern
offengelegt werden. Nachdem dies den Kern des Ge-
heimwettbewerbs berührt, kann § 1 GWB verletzt sein.
Dem stehen gegenüber sogenannte nicht identifizierende
Verfahren. Dies sind solche, bei denen ein Rückschluss
auf Einzelgeschäfte nicht möglich ist und die daher
grundsätzlich kartellrechtlich unbedenklich sind.7
Schließlich muss die Vereinbarung bzw. abgestimmte
Verhaltensweise eine spürbare Außenwirkung haben.
Nicht erfasst sind mithin solche Vereinbarungen, denen
lediglich eine unbedeutende Außenwirkung zukommt.
Die Vereinbarung muss also geeignet sein, zu einer
fühlbaren, praktisch ins Gewicht fallenden Weise, zu
einer Änderung der Marktverhältnisse zu führen.8 Zur
Konkretisierung hat das Bundeskartellamt im Anschluss
an die sogenannte de-minimis Bekanntmachung der
Kommission von 2001,9 in 2007 ebenfalls eine solche de-
minimis Bekanntmachung erlassen. Nach beiden Be-
kanntmachungen werden die Behörden im Regelfall kein
Verfahren gegen Parteien einer zwar grundsätzlich wett-
bewerbsbeschränkenden Vereinbarung eröffnen, sofern
bei horizontalen Vereinbarungen der Marktanteil der
beteiligten Unternehmen insgesamt nicht über 10% hin-
ausgeht. Bei vertikalen Vereinbarungen liegt die Grenze
bei 15%. Liegen sog. Netzwerkeffekte vor, also parallele
Verträge, liegt die Marktanteilsschwelle bei 5%. Aller-
dings greifen die Bekanntmachungen nicht bei bezweck-
7 Bechtold, a.a.O., § 1 Rz. 34 m.w.N. 8 BGH v. 23.2.1988 – KRB 4/87 – WuW/E 2469, 2470 – Brillenfassungen; BGH v. 13.1.1998 – KVR 40/96 WuW/DE-R 115 – Car Partner. 9 Europäische Kommission v. 22.12.2001 – 2001/C 368/07 – ABl. EG 2001 C 368/13; die Kommission hat am 25.06.2014 eine neue Fassung der de-minimis Bekanntmachung veröffentlicht, die inhaltlich allerdings weitgehend inhaltsgleich ist vgl. Europäische Kommission C(2014)4136 final.
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ten Wettbewerbsbeschränkungen, also bei Hardcore
Kartellen wie Preis -, Quoten – oder Gebietsabsprachen.
Diese können ungeachtet des Erreichens der vorgenann-
ten Schwellen verfolgt werden. Bei vertikalen Abspra-
chen gelten die Marktanteilsschwellen ebenfalls nicht in
jedem Fall. Vielmehr ist dann, wenn es sich etwa um
Preisbindungen der zweiten Hand, Beschränkungen der
Absatzgebiete, Aufteilung von Kunden oder Beschrän-
kungen des aktiven oder passiven Verkaufs an Endkun-
den handelt, die de-minimis Bekanntmachung unan-
wendbar und die betroffenen Unternehmen können sich
nicht auf die fehlende Spürbarkeit berufen.10
Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen können
grundsätzlich auf zwei Ebenen auftreten, einerseits auf
der horizontalen Ebene und andererseits auf der vertika-
len Ebene.
Das Horizontalverhältnis betrifft Unternehmen, die auf
demselben Markt und derselben Marktstufe tätig sind.
Hier handelt es sich also um Vereinbarungen zwischen
aktuellen und potentiellen Wettbewerbern.
Das Vertikalverhältnis betrifft dem gegenüber Unterneh-
men auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette,
insbesondere also Hersteller – Großhändler – Einzel-
händler.11
Generell werden Vereinbarungen im Horizon-
talverhältnis kritisch gesehen, während Vereinbarungen
im Vertikalverhältnis auch wettbewerbsfördernde Wir-
kungen haben können.
10 Vgl. Art. 4 Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20.4.2010, Abl. EG 2010 Nr. L 102/1 („Vertikal-GVO“). 11 Vgl. etwa OLG Düsseldorf v. 13.11.2013 – VI-4 (Kart) 11/13 – WuW/DE-R 4118 - Badarmaturen
Die meisten der sogenannten Hardcore Kartelle ent-
stammen dem Horizontalverhältnis. Während solche
Kartellvereinbarungen regelmäßig als schädlich anzuse-
hen sind und daher für eine Freistellung nach § 2 GWB
(bzw. Artikel 101 Abs. 3 AEUV) nicht in Betracht kom-
men, gibt es andere Formen der horizontalen Zusam-
menarbeit zwischen Unternehmen, die differenzierter zu
sehen sind. Hierzu gehört die Zusammenarbeit auf dem
Gebiet von Forschung und Entwicklung, sogenannte
Spezialisierungsvereinbarungen oder auch Abreden über
Wettbewerbsverhalten in Unternehmenskaufverträgen.
Als Vertikalabsprachen werden solche Vereinbarungen
bezeichnet, die von Unternehmen getroffen werden, die
nicht auf der gleichen Handelsstufe tätig sind. In der
Praxis sind dies zumeist Vertriebssysteme, die von dem
Hersteller eines bestimmten Produkts aufgesetzt werden
und an die dann die Unternehmen der danach gelagerten
Handelsstufen (Großhändler, Einzelhändler) gebunden
sind. Solche Vertriebssysteme – und andere vertikale
Vereinbarungen – haben häufig eine prokompetitive
Wirkung dahingehend, dass sie zu einer effizienteren
Verteilung von Waren auf den jeweiligen Märkten führen,
weshalb eine Freistellung hier eher in Betracht kommt.
Zu unterscheiden sind einfache Vertriebssysteme und
selektive Vertriebssysteme. Bei letzteren trifft der Her-
steller eine Auswahl von Händlern, die nach einem sol-
chen System zum Vertrieb zugelassen sind. Hier wird
regelmäßig bereits tatbestandlich keine Wettbewerbsbe-
schränkung anzunehmen sein. Voraussetzung ist aller-
dings, dass ein solches selektives Vertriebssystem im
konkreten Fall notwendig und lückenlos umgesetzt
wird.12
12 OLG Karlsruhe, 25.11.2009 – 6 U 47/08 Kart. – WuW/DE-R 2789 – Schulranzen; vgl. auch Bundeskartellamt, Fallbericht v. 27.5.2014 – B 2 – 52/14.
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Auch Vertikalvereinbarungen unterliegen indes kartell-
rechtlichen Beschränkungen. Insbesondere dann, wenn
eine Vertikalvereinbarung sogenannte Kernbeschrän-
kungen, enthält,13
ist von einer Kartellrechtswidrigkeit
auszugehen, mit den entsprechenden, auch bußgeld-
rechtlichen, Sanktionen.
Zu den in Vertriebsverträgen verbotenen Beschränkun-
gen gehören, ohne Rücksicht auf Marktanteilsschwellen:
- Preisbindungen der zweiten Hand
Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Ver-
pflichtung, sei diese direkt oder indirekt gehalten, wo-
nach der Hersteller im Verhältnis zum Großhändler
bzw. der Großhändler im Verhältnis zum Einzelhänd-
ler festlegt, zu welchen Preisen die bezogenen Wa-
ren jeweils weiter verkauft werden können. Demge-
genüber sind unverbindliche Preisempfehlungen kar-
tellrechtlich unbedenklich, solange diese tatsächlich
unverbindlich sind und nicht durch die Ausübung von
Zwang faktisch verbindlich gemacht werden. Das
gleiche gilt grundsätzlich auch für sogenannte
Höchstpreisbindungen, also die Fälle, in denen ein
Lieferant den Abnehmer vertraglich verpflichtet, die
Abgabepreise an Kunden nicht über einer bestimm-
ten Grenze anzusetzen. Auch solche Höchstpreisbin-
dungen sind kartellrechtlich grundsätzlich zulässig,
Art. 4(a) Vertikal-GVO.
13 Vgl. Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweisen der Europäischen Union auf Gruppen von vertika-len Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. L 102/1 (sog. „Vertikal-GVO“).
- Beschränkungen der Vertriebsgebiete
Grundsätzlich ist es dem Händler erlaubt, auch über
die Grenzen seines Vertriebsgebiets hinaus zu lie-
fern. Ausnahmen bestehen nach Art. 4(b) der Verti-
kal-GVO jedoch insbesondere für die Beschränkung
sog. aktiver Verkäufe außerhalb des eigenen Ver-
triebsgebiets an Kundengruppen, die sich der Her-
steller/Großhändler selbst vorbehalten oder einem
anderen Vertragspartner zugewiesen hat. Unter akti-
ven Verkäufen versteht man die aktive Kundenwer-
bung oder die Unterhaltung von Auslieferungslagern
in Territorien, die anderen Vertriebshändlern zuge-
wiesen sind. Eine Beschränkung von rein reaktiven,
also passiven, Verkäufen zur Bedienung von Anfra-
gen von Kunden aus anderen Vertriebsgebieten ist
indes unzulässig. Nach Art. 4(b)(iii) der Vertikal-GVO
ist es im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems
darüber hinaus zulässig, Händlern, die innerhalb des
selektiven Vertriebssystems operieren, zu untersa-
gen, an Händler zu liefern, die nicht dem selektiven
Vertriebssystem angehören.
- Beschränkung des Verkaufs an Endverbraucher
Jedwede Beschränkung des Vertriebs an Endver-
braucher, sei dies aktiv oder passiv, ist unzulässig.
Dies gilt auch im Rahmen eines selektiven Ver-
triebssystems, Art. 4(c) Vertikal-GVO.
Sind solche Klauseln in Vertriebsverträgen enthalten,
können sich die Vertragsparteien nicht auf die Freistel-
lung durch die Vertikal-GVO berufen. Es finden mithin die
§ 1 GWB/Art. 101 AEUV uneingeschränkt Anwendung.
Da die Möglichkeit einer Einzelfreistellung nach § 2 GWB
bzw. Art. 101 Abs. 3 AEUV ebenfalls regelmäßig nicht in
Betracht kommen wird, ist hier von einer Kartellrechts-
widrigkeit der entsprechenden Klauseln auszugehen.
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3. Praxisbeispiele
Unternehmen der Süßwarenindustrie standen – mit Aus-
nahme der Zuckerhersteller – bislang noch nicht allzu oft
im Zentrum von Ermittlungstätigkeiten des Bundeskar-
tellamts. Allerdings hat sich, wie eingangs erwähnt, der
Fokus des Bundeskartellamtes in den letzten Jahren
deutlich in Richtung einer verstärkten Kartellverfolgungs-
tätigkeit verschoben. Insbesondere die Lebensmittelin-
dustrie wurde hier in den Blick genommen. In den Jahren
2013 und 2014 stachen insbesondere die folgenden
Verfahren hervor:
3.1 Preisabsprachen und kartellrechtswidriger In-
formationsaustausch: Schokoladenkartell
Im Jahr 2013 verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder
gegen Markenhersteller von Schokoladeartikeln in Höhe
von insgesamt 63 Mio. Euro. Vorausgegangen war ein
sog. Bonusantrag – auch Kronzeugenregelung genannt –
der Mars GmbH, die auf diese Weise insgesamt straffrei
blieb.14
Im Einzelnen wurden drei verschiedene Tatkom-
plexe verfolgt und bebußt: Erstens Preisabsprachen
zwischen den Herstellern der Tafelschokoladen „Ritter
Sport“ und „Milka“. Zweitens Preisabsprachen sowie
zusätzlich ein wettbewerbswidriger Informationsaus-
tausch zwischen Herstellern von Süßwaren sowie –
drittens – ein wettbewerbswidriger Informationsaus-
tausch zwischen verschiedenen Süßwarenherstellern im
Rahmen eines Arbeitskreises der Konditionenvereini-
gung der Deutschen Süßwarenindustrie e.V.15
14 Bonusanträge schützen vor Bußgeldern, nicht jedoch vor privaten Schadensersatzklagen. 15
Zum Ganzen, vgl. Bundeskartellamt, Fallbericht vom 27.05.2013.
Die Preisabsprachen in Bezug auf Ritter Sport bzw. Milka
erfolgten dergestalt, dass sich Verantwortliche beider
Unternehmen jeweils telefonisch verabredeten, gestie-
gene Einkaufspreise koordiniert an Endverbraucher wei-
ter zu geben. Die Alfred Ritter GmbH & Co. KG hatte
diesen Sachverhalt wiederum im Rahmen eines Bonus-
antrags zur Kenntnis der Kartellbehörde gegeben und
war daher insoweit straffrei geblieben.
Der zweite Komplex betraf einen Gesprächskreis hoch-
rangiger Vertriebsmitarbeiter führender Süßwarenherstel-
ler. Auch hier wurden Preiserhöhungen für Schokoladen-
produkte abgestimmt, zum Teil auch über eine koordi-
nierte Verringerung des Verpackungsinhalts. Darüber
hinaus wurden wettbewerblich sensible Informationen
über den Stand und den Verlauf von Verhandlungen mit
verschiedenen großen Einzelhändlern ausgetauscht.
Im dritten Komplex ging es um einen Informationsaus-
tausch in einem Arbeitskreis der Konditionenvereinigung
der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. Im Rahmen der
Sitzungen dieses Arbeitskreises wurden nach den Ermitt-
lungen des Bundeskartellamtes Informationen über Ver-
handlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel bei Jah-
resgesprächen zu Konditionen und Sonderforderungen
sowie über beabsichtigte Erhöhungen der Listenpreise
ausgetauscht. Gerade dieser Komplex ist von besonde-
rer praktischer Bedeutung. Denn dass Preisabsprachen
kartellrechtswidrig sind, hat sich ja zwischenzeitlich weit-
gehend herumgesprochen. Weniger sensibilisiert sind
Unternehmen – und Unternehmensvereinigungen – in-
des bei dem Thema Informationsaustausch. Insbesonde-
re Verbandstreffen sind ein anfälliges Forum.
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3.2 Gebiets- und Quotenabsprachen: Zuckerkartell
Mit Bußgeldbescheid vom 18. Februar 2014 hat das
Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von insgesamt 280
Mio. Euro gegen führende Zuckerhersteller wegen wett-
bewerbsbeschränkender Gebiets-, Quoten- und Preisab-
sprachen verhängt. Nach den Ermittlungen16
hatten sich
die Hersteller dahingehend verabredet, sich im Wesentli-
chen auf ihre angestammten Vertriebsgebiete zu be-
schränken, sich also gegenseitig keine Konkurrenz zu
machen, und etwaige Überproduktionen ins Ausland zu
exportieren, jedoch nicht auf dem heimischen Markt
abzusetzen. Abgesichert wurde die Gebietsabsprache
durch Preis- und Mengensicherungsmaßnahmen im
Inland sowie Maßnahmen zur Import- und Exportsteue-
rung. Quotensenkungen, die durch Änderungen der EU
Vorgaben bedingt waren, wurden zwischen den Unter-
nehmen untereinander im Verbandsrahmen abge-
stimmt.17
Dr. Sebastian Graf von Wallwitz LL.M.
16 Auch hier hatte ein kartellbeteiligtes Unternehmen, die Nordzucker AG, einen Bonusantrag gestellt und deshalb einen weitreichenden Bußgelder-lass erhalten 17
Vgl. Pressemitteilung Bundeskartellamt vom 18.02.2014.
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Praxisgruppe Gewerblicher Rechtschutz / Wettbewerbsrecht Dr. Dorothee Altenburg1 Nikolaus Bertermann2 Dr. Claudia Böckmann1 Dr. Markus Brock1 Dr. Ilja Czernik Georg Delhaes Markus von Fuchs, LL.M.
1
Dr. Thomas Haug Dr. Philipp Heigl Dr. Johann Heyde Dr. Magnus Hirsch1
Dr. Oliver Hornung Margret Knitter, LL.M.1 Stefan Kridlo Christoph Mayerhöffer Dr. Karolin Nelles, LL.M. Dr. Andreas Peschel-Mehner Stephanie Pfaff Marc Pussar Yvonne Schäfer Stefan C. Schicker, LL.M.
1 2 3
Dr. Konstantin Wegner, LL.M.
Praxisgruppe IT & Digital Business
Nikolaus Bertermann
2
Jens Borchardt, LL.M. Dr. ‚Markus Brock1
Dr. Oliver M. Bühr2, 6 Clemens Burgenmeister Dr. Thomas Haug, LL.M. Dr. Philipp Heigl, LL.M. Florian Hensel Dr. Johann Heyde Dr. Oliver Hornung Dr. Wulf Kamlah René M. Kieselmann Franziska Ladiges Daniel Meßmer
Dr. Karolin Nelles, LL.M. Elisabeth Noltenius, LL.M. Dr. Matthias Nordmann, M.A.5 Dr. Matthias Orthwein, LL.M. Dr. Andreas Peschel-Mehner Daniel Pfeier
2
Sven Preiss, LL.M. Stefan C. Schicker, LL.M.
1, 2, 3
Jan Schneider2 Martin Schweinoch
2
Benjamin Spies Julian Westpfahl2 Dr. Hans Markus Wulf
2
Dr. Anne Zoll
Praxisgruppe Medien- und Entertainmentrecht
Dr. Dorothee Altenburg
1
Jens Borchardt, LL.M. Hanna Bickel, LL.M. Dr. Ilja Czernik Dr. Ulrich Fuchs Dr. Christoph Haesner, M.C.L Fabian Hartmann Florian Hensel Dr. Johann Heyde Dr. Magnus Hirsch1 Dr. Bernd Joch Norbert Klingner Stefan Kridlo
Dr. Eberhard Kromer, MBA5
Christoph Mayerhöffer Dr. Karolin Nelles, LL.M. Elisabeth Noltenius, LL.M. Pia Odefey Dr. Andreas Peschel-Mehner Sven Preiss, LL.M. Dr. Ulrich Reber Prof. Dr. Mathias Schwarz Georg Wallraf Dr. Konstantin Wegner, LL.M. Dr. Anne Zoll
Praxisgruppe Handels- und Vertriebsrecht
Dr. Philipp Asbach Dr. Michael Brauch Dr. Oliver M. Bühr
2, 6
Dr. Ilja Czernik Klaus Kelwing Oliver Korte5
Sabine Kröger5
Christine Lingenfelser, LL.M.
Caroline Lorenz Dr. Ulrich Muth
4
Dr. Kolja Petrovicki, LL.M. (UPenn) Sven Pohl Andreas Seidel Dr. Jürgen Sparr, LL.M. Dr. Sebastian Graf von Wallwitz, LL.M.
5
Dr. Josef Zeller5
1 Fachanwalt/in für gewerblichen Rechtschutz
2 Fachanwalt/in für Informationstechnologierecht ³ auch Solicitor in England und Wales 4 Fachanwalt/in für Bank- und Kapitalmarktrecht 5 Fachanwalt/in für Handels- und Gesellschaftsrecht
6 Rechtsanwalt und Notar
Impressum SKW Schwarz Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB AG München PR 884 Redaktion: Margret Knitter, LL.M. E-Mail: [email protected]
Standorte 10719 Berlin Neues Kranzler Eck/Kurfürstendamm 21 T +49 (0) 30.889 26 50-0 F +49 (0) 30.889 26 50-10 40212 Düsseldorf Steinstraße 1/Kö T +49 (0) 221.82 89 59-0 F +49 (0) 221.82 89 59-60 20095 Hamburg Ferdinandstraße 3 T +49 (0) 40.33 40 10 F +49 (0) 40.33 40 15 21
60598 Frankfurt/Main Mörfelder Landstraße 117 T +49 (0) 69.63 00 01-0 F +49 (0) 69.63 55 22 80333 München Wittelsbacherplatz 1 T +49 (0) 89.286 40-0 F +49 (0) 89.280 94-32
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