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Innsbruck
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Retailbanking im Spannungsfeld zwischen kurzfristigem Verkaufserfolg und langfristigem Kundennutzen Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs Eine spiel- und informationstheoretische Analyse Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr. Matthias Bank Studentische Teammitglieder: Stephan Blau Oliver Eichler Sebastian Fischer Philip Zangerl
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs
Eine spiel- und informationstheoretische Analyse
Beitrag zum Postbank Finance Award®
2010
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
Eine spiel- und informationstheoretische Analyse
Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs
Die deutschen Retailbanken sehen sich gegenwärtig mit einer hohen
Wettbewerbsintensität konfrontiert. Um diesem Wettbewerb gewachsen zu sein und
zugleich die Rentabilitätsanforderungen der Eigentümer erfüllen zu können, stellt der
kurzfristige Verkaufserfolg das primäre Ziel der Retailbanken dar. Diese strategische
Ausrichtung der Banken steht den Wünschen der Kunden entgegen, welche vor allem
nach Erwartungssicherheit, Transparenz und vertrauensvoller Beratung streben. In
dieser Arbeit wird das resultierende Spannungsfeld mithilfe einer spiel- und
informationstheoretischen Analyse aufbereitet. Das Ergebnis der Analyse zeigt, dass
dieses Spannungsfeld nicht überwunden werden kann, da die Strategie des kurzfristigen
Verkaufserfolgs in der derzeitigen Wettbewerbssituation die Rationalität der Banken
widerspiegelt.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
3 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs Inhaltsverzeichnis
1. Spannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden _____________________ 51.1. Die Situation der Retailbanken _____________________________________ 51.2. Die Situation des Kunden _________________________________________ 71.3. Banken und Kunden im Spannungsfeld _____________________________ 10
2. Retailbanking in der spieltheoretischen Analyse _______________________ 132.1. Spieltheorie als Methodik im Retailbanking ___________________________ 13
2.1.1. Die Kunden ________________________________________________ 142.1.2. Die Banken ________________________________________________ 14
2.2. Anwendung der Spieltheorie im Retailbanking ________________________ 152.2.1. Die langfristige Strategie im Kollektiv ____________________________ 152.2.2. Der Reiz des kurzfristigen Verkaufserfolgs ________________________ 162.2.3. Der Weg in das Dilemma _____________________________________ 172.2.4. Retailbanking im Gefangenendilemma ___________________________ 182.2.5. Payoff-Matrix _______________________________________________ 19
3. Wege aus dem Gefangenendilemma _________________________________ 203.1. Spieltheoretische Lösungsansätze _________________________________ 203.2. Staatliche Regulierungen ________________________________________ 233.3. Interne Lösungsansätze der Banken ________________________________ 243.4. Exkurs: Social Banking __________________________________________ 27
4. Retailbanking in der informationstheoretischen Analyse ________________ 294.1. Die Ausgangssituation ___________________________________________ 294.2. Das Modell von Akerlof im Retailbanking ____________________________ 304.3. Pfirsiche im Retailbanking ________________________________________ 314.4. Signaling der „Good Banks“ ______________________________________ 32
4.4.1. Transparenz _______________________________________________ 334.4.2. Qualitätsüberprüfungen ______________________________________ 344.4.3. Reputation ________________________________________________ 34
4.5. Probleme des Signalings _________________________________________ 354.5.1. Glaubhaftigkeit _____________________________________________ 354.5.2. Preissensibilität _____________________________________________ 354.5.3. Switching Costs ____________________________________________ 36
4.6. Zitronen im Retailbanking ________________________________________ 364.7. Exkurs: Erhöhung des Nutzens durch den Kunden _____________________ 364.8. Zusammenfassung _____________________________________________ 37
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4 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs Inhaltsverzeichnis
5. Schlussfolgerung _________________________________________________ 39Anhang ____________________________________________________________ 411. Kooperative und nicht kooperative Spiele _____________________________ 412. Nash-Gleichgewicht _______________________________________________ 413. Dominante Strategie ______________________________________________ 414. Maximin-Strategie ________________________________________________ 425. Gefangenendilemma ______________________________________________ 42Literaturverzeichnis __________________________________________________ 44
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5 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
1. In der Finanzmarkttheorie nehmen Institutionen wie Banken zunächst die Rolle von
Finanzintermediären ein. Sie sind Mittler zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern und
haben so eine unverzichtbare Funktion im Allokationsprozess von Geldmitteln. Dabei
verfolgen sie jedoch nicht nur die Interessen der Vertragspartner, die Geld anlegen oder
Kredite aufnehmen wollen. Natürlich versuchen Banken, profitabel zu arbeiten und
Gewinne zu erwirtschaften (Vgl. Klein 1971, S.205ff). Dies kann problematisch werden,
wenn die Interessen von Kreditinstituten und ihren Kunden divergieren.
Spannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
In dieser Arbeit wollen wir anfangs die Interessen von Retailbanken und Privatkunden
aufzeigen. Die jeweiligen Zielsetzungen können sich durchaus voneinander
unterscheiden, so dass Konflikte zwischen den Parteien entstehen. Dieses
Spannungsfeld in den unterschiedlichen Erwartungen wollen wir aufzeigen. In der Folge
übertragen wir dieses Problem auf eine spieltheoretische Situation und versuchen
davon ausgehend, Ansätze zur Auflösung des Spannungsfeldes zu finden. Wir
schließen mit einer Zusammenfassung unserer Ergebnisse.
1.1. Die Situation der Retailbanken Da Banken hauptsächlich aufgrund von Profitstreben auf Märkten interagieren und Ihre
Dienstleistungen nicht aus Altruismus anbieten, spielen Eigentümerinteressen im
Handeln der Banken eine entscheidende Rolle. Eigentümer bringen das
Gesellschaftskapital auf und ermöglichen es so, überhaupt erst in den Märkten Produkte
und Dienstleistungen anzubieten. Die Gesellschafter einer Bank erwarten naturgemäß
eine risikoadäquate Verzinsung und Steigerung des Marktwertes ihres eingebrachten
Kapitals (Vgl. Schredelseker 2002, S.151ff).
Im Alltag sind diese Eigentümerinteressen und Ihre Auswirkungen auf den
Geschäftsbetrieb am deutlichsten bei börsennotierten Banken zu beobachten. Diese
unterliegen einer Segmentberichterstattung, welche den Geschäftserfolg spartenweise
aufschlüsselt und so verschiedene Teilbereiche der Gesellschaft miteinander
vergleichbar macht. Sie sind darüber hinaus auch quartalsweise angehalten, über ihren
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6 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
geschäftlichen Erfolg beziehungsweise Misserfolg vor den Eigentümern Rechenschaft
abzulegen (Vgl. §66 Abs. 1 FWB01 2010, S.37).
Diese gesteigerte Transparenz im Vergleich zu nicht börsennotierten
Finanzdienstleistern wie beispielsweise genossenschaftlichen Banken und öffentlich-
rechtlichen Banken, schlägt sich im Tagesgeschäft darin nieder, dass es dem
Management nun vergleichsweise leicht fällt, mit Vehemenz gesteigerte
Vertriebsleistungen von Ihren Mitarbeitern zu fordern. Exemplarisch für diese erhöhte
Transparenz im unternehmerischen Handeln sind Vertriebsziele, die je nach
Organisation von Jahreszielen über Quartalsziele schlussendlich auf Wochen- oder
sogar Tagesziele von den Mitarbeitern in der Kundenbetreuung eingefordert werden
können. Bei nicht erfüllten Vorgaben, drohen den Mitarbeitern Konsequenzen die von
finanziellen Einbußen über Versetzungen bis hin zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses reichen können.
Dieser, für alle im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter spürbare Druck, das
kurzfristige Gewinnerzielungsmotiv des Arbeitgebers im Auge behalten zu müssen,
kann dazu führen, dass der einzelne Mitarbeiter sich in seiner Aufgabe nun zwischen
einer am Kunden orientierten Beratung und einer rein dem Arbeitgeber geschuldeten
Arbeitsweise mit vorbestimmten Produktabsatz entscheiden muss. Er kann
beispielsweise die im Retailbanking vorhandenen Informationsasymmetrien zu seinem
Vorteil ausnutzen und dem Kunden Produkte verkaufen, welche hauptsächlich der
Erfüllung der eigenen Vertriebsziele dienen. Beispielsweise kann es sein, dass die so
vertriebenen Produkte nicht auf das Risikoprofil des Kunden abgestimmt sind, die
gesamte Produktausgestaltung nicht dem Kundenbedarf entspricht oder das Produkt in
seiner Komplexität den Kunden in seinem Wissen überfordert (Vgl. Inderst 2008, S.1).
Ein solches Verhalten von Seiten der Bankmitarbeiter, führt zwangsläufig zu Fehlern
und Unstimmigkeiten in der Kundenbeziehung und zu einer sinkenden Kundenbindung.
Untersuchungen haben ergeben, dass negative Erfahrungen von Seiten der Kunden
durch Mund-zu-Mund-Propaganda schnell im Freundes- und Bekanntenkreis
weitergetragen werden (Vgl. Nink 2010, S.48ff). Dies kann ebenso schnell zu
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7 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
Reputationsschäden bei Banken führen und die Kunden veranlassen sich eine neue
Bank als Dienstleister für ihre finanziellen Belange zu suchen.
Ausgehend von der Grundüberlegung, dass alle der Bank zufließenden Mittel aus der
Kundenbeziehung stammen, leuchtet ein, dass Banken selbst, an einer solchen
Kundenreaktion wenig Interesse haben können. Aus diesem Grund werden große
Anstrengungen unternommen Kunden langfristig an die jeweiligen Institute zu binden
(Vgl. Pfaff/John 2006, S.47).
Doch macht die gestiegene Preissensibilität bei Privatkunden und die sich daraus
ergebende erhöhte Wechselbereitschaft eine auf Langfristigkeit ausgerichtete
Kundenbindung für die Banken sehr schwer. Erschwerend kommt hinzu, dass speziell
im deutschen Bankenmarkt mit seiner ausgeprägten Dreiteilung in private Banken,
genossenschaftliche Banken und öffentlich-rechtliche Banken ein intensiver Wettbewerb
hauptsächlich über die Preisgestaltung ausgefochten wird. Das Auftreten von neuen
Wettbewerbern wie zum Beispiel Direktbanken und mobilen Finanzvertrieben tun ein
übriges die Margen der Anbieter weiter uns Druck zu setzen. Dies macht es einem
Kunden besonders leicht Preisdifferenzen für die von ihm gewünschten Produkte zu
seinem Vorteil auszunutzen und befeuert eine auf Kurzfristigkeit ausgerichtete
Geschäftspolitik weiter.
1.2. Die Situation des Kunden Der Privatkunde hat für die Banken in Deutschland allgemein einen relativ wichtigen
Stellenwert. Bedingt durch hohe Verluste der Banken im Investmentsektor während der
Wirtschaftskrise stieg die Bedeutung der Retailkunden weiter an. Gemessen an den
gesamten Bankerträgen stieg der Gewinnanteil im Retailgeschäft von 61% im dritten
Quartal 2007 auf 70% im gleichen Quartal des Folgejahres (Vgl. Dietz 2009, S.31).
Folglich sollte es für die Banken, die sich im Privatkundengeschäft befinden,
unabdingbar sein, die Präferenzen ihrer Kunden zu beachten. Diese können sich
deutlich von den Zielen der betreuenden Bank unterscheiden.
Die meisten Privatkunden erwarten von ihrem Geldinstitut stetigen persönlichen Kontakt
zu ihrem jeweiligen Berater. Der Ansprechpartner sollte natürlich so selten wie möglich
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8 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
wechseln, da es der Kunde nicht schätzt, „weitergereicht“ zu werden. Die Tatsache,
dass 37% der Deutschen mindestens einmal in der Woche „ihre“ Bank aufsuchen, zeigt
die Wichtigkeit des persönlichen Kundenkontakts (Vgl. Nink 2009, S.38). Gleichzeitig
wird anhand dieser Zahl aber auch deutlich, dass der Kunde seiner Bank nicht mehr
„blind vertraut“. Vor allem nach der Wirtschaftskrise wird eine gestiegene Skepsis
gegenüber den Banken deutlich. Viele Kunden, vor allem jene, die überraschende
finanzielle Einbußen aufgrund ihrer Anlagestrategie zu verzeichnen hatten,
unterzeichneten Verträge zu Finanzprodukten, über deren Konsequenzen sie im
Unklaren waren. Oftmals beschäftigten sich die Kunden nicht einmal mit den
Finanzprodukten. Es ist nur logisch, dass die uninformierten Privatkunden ihren
Beratern regelrecht „ausgeliefert“ sind, so dass es zum Verkauf von Produkten kommt,
die zwar für den Berater und sein Unternehmen gewinnfördernd sind, dem Kunden aber
keinen Nutzen bringen. Zumeist kann der Berater umfangreiche Informationen zur
finanziellen Situation des Kunden sammeln. Ebenso sollte er genau über die Vor- und
Nachteile des Finanzprodukts Bescheid wissen, welches er verkaufen will. Dem Kunden
hingegen bleiben die Produkteigenschaften oftmals verborgen. Dies kann zum Einen an
der Unkenntnis des Kunden auf dem Gebiet der Finanzprodukte liegen, zum anderen
können Berater diese Informationsasymmetrien auch gezielt zu ihrem eigenen Nutzen
ausspielen. Ein Ansatz zur Reduzierung dieser Asymmetrie ist das geplante
Informationsblatt für Finanzprodukte, das von Bundesministerin Aigner als „erfreuliches
Signal für eine bessere Aufklärung des Bankkunden“ gelobt wurde (Pressemitteilung
040 BMELV, 26.02.2010).
Einher mit der gewachsenen Skepsis der Kunden von Finanzprodukten geht eine
steigende Erwartungshaltung gegenüber der Bank. Bartmann et al. sprechen vom
„hybriden Konsumverhalten“ im Bereich des Retailbanking (Vgl. Bartmann et al. 2003,
S.7). Hierunter versteht man Kunden, die widersprüchlich erscheinende Produkte
miteinander kombiniert haben wollen, wie zum Beispiel billige Lösungen auf der einen
Seite und Produkte von hoher Qualität auf der anderen Seite. Der geforderte Mix der
Produkte eines einzelnen Kunden wird so vielschichtiger. Dies erfordert eine Intensive
Betreuung, will die Bank vermeiden, dass der Kunde einen Teil seiner Dienstleistungen
bei anderen Anbietern in Anspruch nimmt. Die bessere Betreuung kann sich auszahlen,
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9 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
wenn es der Bank gelingt auf alle Kundenwünsche erfolgreich einzugehen. Der Kunde
möchte – natürlich – Produkte von hoher Qualität zu möglichst niedrigen Preisen.
Produkte von hoher Qualität für den Kunden sind solche Dienstleistungen, die ein hohes
Maß an Sicherheit bieten. Der Trend zu Produkten, die vor allem eine hohe finanzielle
Absicherung und folglich ein niedriges Risiko mit sich bringen, hat sich seit der globalen
Krise auf den Finanzmärkten verstärkt (Vgl. Dietz 2009, S.31).
Viele Kunden waren im Zuge der Wirtschaftskrise überrascht, als ihnen vermeintlich
„risikolose“ Produkte mitunter eklatante Verluste bescherten. Durch das gerade
erwähnte zunehmende Sicherheitsdenken ist es folglich klar, dass die Kunden solche
unerwarteten Verluste nur schwer hinnehmen werden. Schließt ein Bankkunde einen
Vertrag über ein Finanzprodukt ab, wünscht er ex ante umfangreicher über die zu
erwartenden Risiken infortmiert zu werden. Somit sind im Idealfall die möglichen, zu
erwartenden Verluste für den Privatkunden kalbkulierbarer – er wünscht, auch bei
spekulativen Finanzprodukten eine gewisse Erwartungssicherheit hinsichtlich des
maximalen Verlusts zu behalten. Der Kunde kann so sein Portfolio auf lange Sicht
besser seinen Bedürfnissen anpassen und auf seine Risikopräferenzen abstimmen.
In einem Markt wie dem Retailbanking, der von starkem Wettbewerb der Teilnehmer
geprägt ist, spielt die Preiskomponente natürlich eine wichtige Rolle. Der Preis ist
oftmals das einzige Merkmal, durch das der Bankkunde die Produkte unterscheiden
kann. Folglich entsteht ein hoher Druck auf die konkurrierenden Anbieter. Bei manchen
Produkten sind die Margen für die Banken bereits negativ. Betroffen hiervon sind sowohl
Einlagenprodukte als auch Kreditgeschäfte (Andrulis/Ender 2010, S.86). Viele Kunden
sind somit bereit, ihren Finanzanbieter je nach Preiskonditionen oftmals zu wechseln.
Dies kann dazu führen, dass ein Kunde Finanzprodukte von mehreren Dienstleistern
bezieht. Die Abstimmung dieser Produkte kann folglich problematisch verlaufen, da in
den Produktverkauf der verschiedenen Banken eventuell unterschiedliche Zielsetzungen
der Institute mit einspielen, was sich auf den Kundennutzen negativ auswirken kann.
Dennoch ist es denkbar, dass der Kunde diesen Nachteil gezwungenermaßen in Kauf
nehmen muss, um seine langfristigen finanziellen Ziele erreichen zu können. Er ist
weiterhin bereit, seinen Finanzdienstleister häufig zu wechseln oder seine Produkte
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10 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
über verschiedene Dienstleister zu erwerben. Aufgrund einer hohen
Informationsasymmetrie zwischen dem Berater und dem Kunden in Bezug auf die
Kenntnis der Finanzprodukte, bleibt dem Kunden oftmals nur noch der Preis als
Unterscheidungsmerkmal zweier – für ihn – identischen Produkte, was den Preisdruck
für die Finanzinstitute weiterhin fördert. Spätestens seit der Finanzkrise steht für den
Bankkunden der langfristige Nutzen bei der Wahl seiner Finanzdienstleistungen und –
dienstleister im Vordergrund. Der Kunde möchte finanziell langfristig zunächst keine
unerwarteten Risiken eingehen und keinen Problemen und Komplikationen ausgesetzt
sein. Dies könnte beispielsweise gewährleistet sein, wenn seine dringendsten
Bedürfnisse ohne hohes Risiko abgesichert sind. Stehen dann noch Mittel verfügen,
wäre es denkbar, dass ein Privatkunde riskantere Anlagestrategien auswählt. Er hat
sozusagen zwei verschiedene „Konten“, wobei das riskantere erst „eröffnet“ wird, wenn
die langfristige finanzielles Sicherheit gesichert ist (Vgl. Shefrin 2000, S.125f). Die
Erwartungssicherheit bei der Auswahl seiner Produkte steht im Vordergrund. Diese
Erwartungen des Kunden sind jedoch mit den kurzfristig ausgerichteten Strategien einer
Bank oftmals unvereinbar.
1.3. Banken und Kunden im Spannungsfeld In den vorigen Paragraphen wurde deutlich, dass sich die Ziele der Kunden und die der
Banken deutlich voneinander unterscheiden. Eine Bank im Retailgeschäft steht unter
hohem Wettbewerbsdruck. Die Margen für Produkte sind teilweise negativ, manche
Angebote dienen also bloß zu dem Zweck, den Kunden anzulocken, Profitabilität soll mit
dem Verkauf von weiteren Produkten erreicht werden. Die schnelle Neugewinnung von
Kunden hat somit eine relativ hohe Priorität. Die Produkte im Retailbanking sind zumeist
standardisiert. Eines der wichtigsten Ziele der Retailbanken ist eine schnelle
Gewinnerzielung, um den Verbleib im Wettbewerb zu gewährleisten. Die Bank ist darauf
ausgerichtet, Nachhaltigkeitsziele hintenanzustellen, im Vordergrund steht eindeutig der
kurzfristige Erfolg.
Logischerweise orientieren sich die Strategievorgaben der Bankeigentümer an diesem
harten Wettbewerbsgeschäft. Von Eigentümerseite wird also ebenfalls Druck auf das
Management und auf die Kundenberater ausgeübt. Aufgrund dieser Zielvorgaben rückt
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11 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
das Wohlsein des Kunden in den Hintergrund, da die Berater zunächst die Leitlinien der
Shareholder umzusetzen haben, was meistens durch Verkaufsvorgaben ausgedrückt
wird. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch die Anreizsysteme für Beschäftigte in
Kreditinstituten vor allem auf den kurzfristigen Bankerfolg ausgerichtet sind.
Die Kundenberater versuchen daher, möglichst viele kurzfristig rentable Produkte an
den Kunden zu bringen, vor allem natürlich um ihren eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Es
entsteht also ein klassisches Principal-Agent Problem, da die persönlichen Ziele des
Mitarbeiters Einfluss auf sein Verhalten in der Kundenbetreuung haben.
Beim Verkauf von Finanzprodukten macht sich der Bankmitarbeiter Informationsvorteile
zu Nutze. Er verfügt über Informationen über den Kunden, die er dazu verwendet, ihm
die Produkte zu verkaufen, die für den Berater und die Bank am besten sind, die also
der Bank zumindest kurzfristig Gewinne einbringen. Dem Kunde hingegen fehlen die
Mittel, um seine persönlichen Nutzenziele zu überprüfen. Nach den negativen
Erfahrungen, die Privatkunden während der Finanzkrise gemacht haben, steht für sie
vor allem der langfristige Nutzen im Vordergrund. Er strebt also danach, über einen
möglichst langen Zeitraum hinweg eine hohe Erwartungssicherheit in Bezug auf die
Finanzprodukte in seinem Portfolio zu haben. Zur Auswahl adäquater Finanzprodukte
zur Erfüllung seiner Ziele fehlt dem Kunden aber oftmals das Wissen. Die
Konsequenzen seiner finanziellen Entscheidungen sind für den Kunden oftmals unklar.
Er ist von den Aussagen des Beraters abhängig. Dieser aber verfolgt nicht die
Kundenziele sondern setzt die kurzfristige Strategie seiner Bank um. Somit werden die
Konsequenzen für den Kunden bei der Auswahl eines Finanzprodukts oftmals
verschleiert. Beim „Erwerb“ einer Finanzdienstleistung kann der Kunde oftmals nur den
Preis als Entscheidungskriterium heranziehen. Seine Nutzenpräferenzen rücken
notgedrungen in den Hintergrund, er hat wenige Möglichkeiten, seinen angestrebten
langfristigen Nutzen zu erzielen. Im Vergleich zweier Produkte, die dem Kunden
qualitativ gleichwertig erscheinen, wird er jenes Produkt wählen, das zu einem
niedrigeren Preis verkauft wird. Die Bank wiederum wird versuchen, im Vergleich zu
ihren Wettbewerbern möglichst preisgünstigere Produkte anzubieten, um die Kunden
anzulocken, an sich zu binden und sich so auf dem Retailmarkt einen Vorteil zu
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12 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 1. 0BUSpannungsfeld zwischen Banken und Privatkunden
verschaffen. Eine Konkurrenzbank wird vermutlich versuchen, die Preise weiter zu
senken. Somit ist es wichtig für die Banken, den kurzen Zeitraum, über den der Kunde
nunmehr in einer Bank verbleibt, gewinnbringend zu nutzen. Es ist folglich klar, dass die
Bank nur danach streben kann, kurzfristige Gewinne zu verbuchen. Dies steht klar im
Gegensatz zu den Wünschen des Kunden, der eine langfristige finanzielle Absicherung
anstrebt. Die Nutzenziele von Banken und Kunden sind also konträr. Die kurzfristige
Gewinnerzielungsstrategie steht im Gegensatz zu dem Kundenziel, sich langfristig
finanziell abzusichern.
Von diesem Spannungsfeld ausgehend muss allerdings gesagt werden, dass unter
gewissen Voraussetzungen die Bankenstrategie als nicht optimal angesehen werden
kann. Vor allem die Neukundenakquise ist in diesem hart umkämpften Umfeld sehr
kostspielig. Unserer Ansicht nach wäre es sinnvoll, den Fokus mehr auf die Betreuung
des bereits bestehenden Kundenstamms zu lenken. Anstatt danach zu streben, die
kurzfristigen Kapitalzuflüsse immer wieder zu „erneuern“, könnte eine Retailbank darauf
setzen, den Kunden durch gute Betreuung längerfristig an sich zu binden und somit von
gleichmäßigen Kapitalströmen über einen langen Zeitraum zu profitieren. Zeitgleich
treffen wir die Annahme, dass der Kunde ebenfalls langfristig mehr von einer solchen
strategischen Ausrichtung der Finanzinstitute im Retailgeschäft profitieren könnte. Der
Versuch, einen Kunden längerfristig stark an die Bank zu binden hätte automatisch eine
Intensivierung der Beratertätigkeiten gegenüber dem Kunden zur Folge. Bei einer
längerfristigen strategischen Zielvorgabe einer Bank würde sich dies auch eher mit den
langfristigen Kundenzielen decken. Unserer Ansicht nach gilt es nun zu überprüfen,
warum die Banken an kurzfristigen Gewinnmaximierungsstrategien festhalten und damit
den langfristigen Nutzen des Kunden hintenanstellen, obwohl prinzipiell die Möglichkeit
bestünde den eigenen Nutzen UND den Kundennutzen mit einer langfristiger
orientierten Strategie zu erhöhen. So ein Problem ist der Inhalt des spieltheoretischen
„Gefangenendilemmas“, zu welchem wir in der Folge Stellung nehmen.
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13 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
2. In der finanzwirtschaftlichen Analyse wird oft angenommen, dass sich die handelnden
Akteure rational verhalten. Obwohl Individuen immer wieder irrationales Verhalten
aufweisen, ist die Annahme der Rationalität stimmig, wenn angenommen wird, dass
rationales Verhalten das irrationale Verhalten dominiert und irrationale Verhaltenszüge
eher zufällig auftreten und sich somit wegdiversifizieren (Vgl. Schredelseker 2002,
S.20f). Dieses Rationalitätsprinzip findet sich durchaus in der Realität der Retailbanking-
Branche wieder, denn die Banken versuchen den Gewinn ihres jeweiligen Bankinstituts
zu maximieren. Des Weiteren sind Banken einem starken Wettbewerb ausgesetzt.
Beispielsweise stehen, trotz der kontinuierlichen Abnahme der Anzahl von
Kreditinstituten in Deutschland seit den 90er Jahren, immer noch ca. 2000 Banken in
einer ständigen Wettbewerbssituation (Vgl. www.bundesbank.de). Um in dieser
Situation mit Konkurrenten, welche sich ebenfalls rational verhalten werden,
bestmögliche Entscheidungen treffen zu können, muss jede Bank die Handlungen und
Strategien der jeweils anderen, zur Konkurrenz gehörenden Banken bei der eigenen
Strategieplanung mit einbeziehen und berücksichtigen. Daher können die Teilnehmer
am Retailbanking-Markt als rational handelnde Akteure beschrieben werden, welche zur
Profitmaximierung strategisch handeln müssen. Die Spieltheorie liefert dazu eine
Methodik, die es erlaubt, solche Situationen theoretisch abzubilden und zu analysieren
(Vgl. Allen/Morris 1998, S.5).
Retailbanking in der spieltheoretischen Analyse
2.1. Spieltheorie als Methodik im Retailbanking Uns erscheint die Spieltheorie als ein geeignetes Instrument zur detaillierten Analyse.
Denn die Spieltheorie ermöglicht es uns, vereinfachte Annahmen über die Akteure,
deren Entscheidungen in einer non-kooperativen Spielsituation (siehe Anhang)
gegenseitige Abhängigkeiten aufweisen, zu treffen, und zu beobachten, was passiert,
wenn alle Akteure versuchen, ihre Ziele zu maximieren (Vgl. Thakor 1991, S.72). Um
zum Kern unserer Fragestellung vordringen zu können, müssen wir die in der Realität
des Retailbanking-Marktes vorherrschende Komplexität vereinfachen und auf das
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14 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
Wesentliche reduzieren. Dazu konstruieren wir eine hypothetische Welt, in welcher sich
nur Retailbanken und Kunden in einer Wettbewerbssituation gegenüber stehen.
2.1.1. Die Kunden Die Kunden in unserer hypothetischen Welt sind rationale Akteure, welche danach
streben, ihren Nutzen zu maximieren. Ihr Nutzen ist maximiert, wenn ihnen nur jene
Produkte verkauft werden, die sie auch wirklich benötigen. Zusätzlich nehmen wir an,
dass sich die Kunden aufgrund ihres Unwissens zu Beginn über ihren durch den Kauf
von Bankprodukten erzielten Nutzen nicht wirklich im Klaren sind. Vielmehr erfahren sie
erst im Laufe der Zeit durch Lerneffekte, welchen Nutzen ihnen die gekauften Produkte
tatsächlich bringen.
2.1.2. Die Banken Die Banken in unserer hypothetischen Welt sind ebenfalls rational agierende Akteure,
welche stets versuchen, die Profite zu maximieren. Ferner nehmen wir an, dass die
Banken in dieser Welt nur mit einer Entscheidung konfrontiert sind: nämlich einer
Strategieentscheidung. Einerseits können die Banken eine auf den kurzfristigen
Verkaufserfolg gerichtete Strategie anwenden, welche die Banken kurzfristig hohe
Gewinne erzielen lässt, jedoch für die Kunden keinen optimalen Nutzen schafft.
Andererseits besteht für die Banken die Möglichkeit, den Fokus auf den langfristigen
Kundennutzen zu legen, um dadurch nicht nur den Kundennutzen, sondern auch die
Kundenbindungsdauer und somit den langfristigen Wert der Kunden für die Bank zu
optimieren. Die Banken müssen bei dieser Strategieentscheidung jedoch kurzfristig
geringere Gewinne akzeptieren. Wie oben erwähnt, weist menschliches Verhalten oft
irrationale oder zumindest mehr oder weniger irrationale Verhaltenszüge auf. Daher
werden wir in der folgenden spieltheoretischen Analyse auch analysieren, was passiert,
wenn Banken nicht nach den rationalen Verhaltensmustern agieren.
Die Berater jener Banken, welche ihre Strategie nach dem kurzfristigen Verkaufserfolg
ausrichten, wissen natürlich, dass es für die Kunden optimal wäre, wenn sie ihnen nur
passende Produkte verkaufen würden. Jedoch getrieben von Anreizsystemen und
Renditendruck überlegen die Berater nicht lange, welche und wie viele Produkte für die
Kunden optimal wären. Vielmehr wählen sie die ertragreichsten Produkte für die Bank
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15 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
aus und verkaufen den Kunden davon gleich die gesamte Palette. Die Berater kümmern
sich nicht um Kundenbindung, um so eine langfristige Kundenbeziehung mit den
Kunden sicherzustellen. Für sie zählt nur der sofortige Gewinn, welcher so hoch wie
möglich ausfallen sollte. Daraus folgt eine tendenzielle Erhöhung der
Wechselwahrscheinlichkeit der Kunden, welche mit Fortschreiten der Bankbeziehung
den wahren Nutzen aus den gekauften Produkten erkennen werden. Aber durch den
Verkauf der gesamten Produktpalette zu niedrigeren Preisen, die durch Einsparungen
bei Beratungsleistungen ermöglicht werden, stellen die Banken den kurzfristigen
Verkaufserfolg sicher (Vgl. Ott 2006, S.71).
Im Gegensatz zu den Beratern jener Banken, die am kurzfristigen Verkaufserfolg
orientiert sind, versuchen die Berater der anderen Banken, welche die Strategie des
langfristigen Kundennutzen verinnerlicht haben, den Kunden ein Portfolio bestehend
aus passenden Produkten zu verkaufen, welches ihren Nutzen bestmöglich optimiert.
Die Berater werden in intensiven Gesprächen mit den Kunden versuchen
herauszufinden, welche Produkte die Kunden wünschen und ihnen entsprechend,
solche Produkte anschließend verkaufen. Für diese Berater treten Schlagworte wie
Renditendruck und kurzfristiger Verkaufserfolg in den Hintergrund, wohingegen die
Kundenbindungsdauer in den Vordergrund kommt. Im Gegensatz zu jenen Banken,
welche eine Strategie des kurzfristigen Verkaufserfolgs verfolgen, haben diese Banken
aufgrund ihrer langfristig ausgerichteten Strategie eine weitaus niedrigere
Wechselwahrscheinlichkeit der Kunden. Ihr Fokus liegt auf dem langfristigen
Kundennutzen. Dieser soll durch den Verkauf eines Portfolios sichergestellt werden,
welches den Kundennutzen langfristig maximiert (Vgl. Ott 2006, S.71f).
2.2. Anwendung der Spieltheorie im Retailbanking
2.2.1. Die langfristige Strategie im Kollektiv Wir beginnen mit der Annahme, dass alle Retailbanken in unserer hypothetischen Welt
die langfristig ausgerichtete Strategie wählen. Aufgrund der Tatsache, dass alle Banken
versuchen den langfristigen Kundennutzen zu optimieren und somit die
Wechselwahrscheinlichkeit der Kunden minimiert wird, sind sie im Stande, stetig
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16 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
geringe, jedoch dafür langfristige Erträge mit ihren Kunden zu erwirtschaften. Dies kann
mit der Investition in ein langfristiges Projekt verglichen werden. Durch die niedrige
Wechselwahrscheinlichkeit und dadurch erhöhte Kundenbindungsdauer ist es den
Banken im Vergleich zu kurzfristig agierenden Banken möglich, ihre Kosten für
Neukundenakquisitionen zu senken. Vielmehr werden sie sich die Banken auf die
Betreuung der Bestandskunden fokussieren, die weniger kostspielig ist, als die
Neukundenakquirierung. Zudem fehlt in dieser Konstellation der Wettbewerbsdruck von
kurzfristig ausgerichteten Banken, welche aufgrund ihrer niedrigeren Beratungskosten
auch niedrigere Preise anbieten könnten. In Kombination mit der geringen
Wechselwahrscheinlichkeit der Kunden, die bei ihren jeweiligen Instituten zufrieden
sind, ermöglicht der fehlende Preisdruck beispielsweise auch die Marketingkosten aller
langfristig ausgerichteten Banken drastisch zu senken. Gleichermaßen wird durch die
kollektive langfristige Strategie, welche die Erwartungen der bestehenden Kunden
bestmöglich erfüllt und zugleich positive Mundpropaganda auslöst, die Reputation der
Banken sowie das Vertrauen der Gesellschaft in die Banken selbst erhöht. Dadurch
werden die Banken erwartungsgemäß eine neue Kundengruppe anlocken, welcher
zuvor noch das Vertrauen in die Bankenbranche gefehlt hat. Daraus folgern wir, dass
sich aufgrund der oben genannten Punkte in dieser Konstellation für alle Banken eine
profitable Umgebung ergibt, welche man im spieltheoretischen Sinne auch als „Win-
Win“ Situation für alle Banken bezeichnen kann. Darüber hinaus ist diese Situation auch
aus Kundensicht optimal, da die langfristige Ausrichtung aller Banken den Nutzen aller
Kunden maximiert.
2.2.2. Der Reiz des kurzfristigen Verkaufserfolgs Ausgehend von der Konstellation, in der alle Banken langfristig ausgerichtet sind, hat
jede Bank allerdings einen Anreiz auszuscheren und auf die Strategie des kurzfristigen
Verkaufserfolgs zu wechseln. Dies ist darauf zurück zuführen, dass diese Banken nun
versuchen werden, den Kunden so viele Produkte wie möglich zu verkaufen. Dadurch
fallen weniger Kosten mit Bezug auf die geringeren Beratungsleistungen an, was
wiederum geringere Preise zur Folge hat. Da die Kunden eine hohe Preissensibilität
aufweisen, werden sie auf die günstigeren Preise reagieren und gegebenenfalls zu
diesen Banken wechseln. Die Kombination aus dem Verkauf von vielen Produkten, den
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
17 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
niedrigeren Beratungskosten und dem vergrößerten Kundenstock beschert diesen
Banken eine Erhöhung der erwartenden Gewinne im Vergleich zu Banken mit einer
langfristigen Strategie. Der Wechsel der Strategie geht einher mit der Überzeugung
dieser Banken, dass sie im Stande sind, die möglichen Verluste, welche durch einen
erhöhte Wechselwahrscheinlichkeit der Kunden entstehen könnten, durch eine positive
Neukundenakquirierung kompensieren zu können. Somit ergibt sich in
spieltheoretischer Hinsicht in dieser Konstellation eine „Win much“ Situation für die
wechselnden Banken, welche höhere erwartende Gewinne erzielen werden und eine
„Lose much“ Situation für die nicht wechselnden Banken, welche sich mit einer
Verringerung ihrer Gewinne zufrieden geben müssen.
2.2.3. Der Weg in das Dilemma Die übrigen rational agierenden Banken, welche noch nicht ausgeschert sind und
weiterhin auf die Strategie des langfristigen Kundennutzens setzen, werden auf die
neue Situation reagieren und ihre Strategie ebenfalls auf den kurzfristigen
Verkaufserfolg abändern, um ihren Profit auch in Zukunft maximieren zu können. Die
Strategiewechsel sind damit zu begründen, dass die zuvor langfristig ausgerichteten
Banken aufgrund der niedrigeren Preise der kurzfristigen Banken einen großen
Kundenabgang erfahren haben. Denn die Kunden können die Qualität der Banken nicht
im Vorhinein bewerten und orientieren sich wegen ihrer Preissensibilität nur am Preis.
Ferner verringern sich durch den Wechsel auf eine kurzfristige Strategie die
Beratungskosten, die zuvor, bedingt durch den hohen Beratungsaufwand zur
Sicherstellung der Nutzenmaximierung der Kunden, eher hoch ausgefallen sind. Durch
die geringeren Kosten kann die Bank in der Folge die Preise senken und wird dadurch
wieder konkurrenzfähig. Wir folgern daraus, dass in der Situation, in der sowohl Banken
kurzfristig als auch langfristig ausgerichtet sind, all jene Banken, die noch langfristig
fokussiert sind, zu einem Wechsel auf die kurzfristige Strategie gezwungen werden, um
sich letztendlich wieder besser zu stellen. Jedoch verdienen nun in dieser Konstellation
alle Banken weniger, als in der Konstellation, in welcher alle Banken langfristig agieren.
Es ergibt sich somit eine „Lose-Lose“-Situation für alle Banken.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
18 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
2.2.4. Retailbanking im Gefangenendilemma Somit endet die Analyse schlussendlich in einer Situation, bei der alle Banken eine
Strategie des kurzfristigen Verkaufserfolgs verfolgen. Jedoch könnten alle Banken
deutlich mehr erwirtschaften, wenn sie alle eine Strategie des langfristigen
Kundennutzens anwenden würden. Somit ist dieses Ergebnis pareto-ineffizient. Alle
Banken könnten sich besser Stellen, ohne jeweils die anderen zu verschlechtern.
Jedoch haben alle Banken eine dominante Strategie (siehe Anhang) kurzfristig zu
handeln. Denn alle Banken erwirtschaften mit einer kurzfristigen Strategie immer mehr
Gewinn, egal ob alle anderen Banken eine kurzfristige oder langfristige Strategie
verfolgen. Somit kommt es in der Konstellation, in welcher alle Banken kurzfristig
agieren, zu einem Nash Gleichgewicht (siehe Anhang) in Form von einem
Gleichgewicht in dominanten Strategien. Ferner ist es für jede Bank besser kurzfristig zu
handeln, auch wenn sich die Gegenspieler irrational verhalten und eine langfristige
Strategie anwenden. Denn dominante Strategien sind auch immer gleichzeitig Maximin-
Strategien (siehe Anhang). Somit ist die Konstellation, bei der alle Banken die Strategie
des kurzfristigen Verkaufserfolgs verwenden, sowohl ein Nash Gleichgewicht als auch
ein Gleichgewicht in Bezug auf Maximin-Strategien. Umso rationaler ist es für alle
Banken kurzfristig zu handeln (Vgl. Pindyck/Rubinfeld 2005 S.631). Die Banken
erfahren somit dasselbe Dilemma wie die Banditen im Gefangenendilemma (siehe
Anhang). Beide Verbrecher könnten sich besser stellen, indem sie beide nicht gestehen
und alle Banken könnten sich besser stellen, indem sie alle langfristig agieren. Jedoch
haben sowohl die zwei Banditen als auch alle Banken in dieser Situation einen hohen
Anreiz die Strategie zu wechseln und somit ihre Pay Offs hochzutreiben. Dies führt
schlussendlich zu einem ineffizienten Ergebnis, bei dem die beide Ganoven gestehen
und alle Banken kurzfristig agieren. In unserer spieltheoretischen Analyse mit den
Banken ist somit die einzig rationale Lösung, dass alle Banken die Strategie des
kurzfristigen Verkauferfolgs anwenden. In dieser Wettbewerbssituation macht es für
keine Bank einen Sinn die Strategie des langfristigen Kundennutzens zu verfolgen.
Interessant ist jedoch die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, welche die Banken aus dem
Gefangenendilemma befreien und sie zugleich zum Optimum zurückbringen könnten.
Diese Frage wollen wir im nächsten Kapitel dieser Arbeit analysieren.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
19 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 2. 1BURetailbanking in der spieltheoretischen Analyse
2.2.5. Payoff-Matrix
Banken
Kurzfristige Strategie Langfristige Strategie
Banken Kurzfristige Strategie Lose / Lose Win much / Lose much
Langfristige Strategie Lose much / Win much Win / Win
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
20 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
3.
3.1. Spieltheoretische Lösungsansätze
Wege aus dem Gefangenendilemma
Die Abbildung der Payoff-Matrix im vorigen Kapitel zeigt, dass beide Banken nur eine
kurzfristige Strategie wählen würden, da diese die anderen Möglichkeiten dominiert. Ein
langfristiger Kundennutzen wird ignoriert und analog wird der Gewinn der Banken nicht
maximiert. Überdies hinaus entstehen weitere Verluste, da der Wettbewerb im Retail-
Geschäft verschärft wird: Beide Banken versuchen, im selben Marktsegment und mit
ähnlichen Strategien, – kurzfristige Gewinnmaximierung! – Neukunden zu akquirieren.
Dennoch ist aus den Zahlen ersichtlich, dass eine Bank ihre Strategie nicht einfach so
ändern wird: Geht eine einzelne Bank zu einer langfristigen Strategie über, wird dies
durch den Wettbewerb ausgenutzt, da die anderen Marktteilnehmer verstärkt auf die
kurzfristige Strategie setzen. Die Konsequenz ist folglich, dass alle Banken an ihrer
Maximin-Strategie festhalten und beide versuchen, ihren kurzfristigen Gewinn zu
maximieren, ein Abweichen einer einzelnen Bank wäre für diese nachteilig.
Jedoch muss man auch noch weitere Faktoren in unserem spieltheoretischen Modell
berücksichtigen. Bislang zeigt sich das Gefangenendilemma als Status Quo. Es ist
offensichtlich, dass die Banken nicht nur einmal ihre Strategie festlegen, sondern immer
wieder überprüfen müssen, wie sie sich auf dem Markt mit seinen Wettbewerbern
verhalten sollten. Das hier dargestellte Problem kann, wie schon angesprochen, als
Gefangenendilemma angesehen werden, das sich unendlich oft wiederholt. Es ist davon
auszugehen, dass ein Manager zwar nur bestimmte Zeit in einer Bank verbleibt und
somit nicht unendlich lange an der Strategiefindung teilhaben kann. Doch selbst bei
zeitlich befristeten Verträgen ist niemals klar, ob sich nicht die Situation einer Bank oder
die Situation auf dem gesamten Markt verändert. Analog ist in der Realität nicht davon
auszugehen, dass alle beteiligten Parteien vollkommen rational handeln, wie es im
spieltheoretischen Modell der Fall ist (Vgl. Pindyck/Rubinfeld 2009, S.638). Im Modell
gibt es einige klare Lösungsansätze des Gefangenendilemmas. In seiner berühmten
Studie veranstaltete Robert Axelrod ein Turnier, um optimale Strategien in einem
wiederholten Gefangenendilemma zu finden. Es stellte sich heraus, dass die
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
21 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
erfolgreichste Strategie ein eher kooperativer Ansatz war: „Tit for Tat“ („Wie du mir, so
ich dir“) sieht vor, im ersten Durchgang stets zu kooperieren und dann immer die
Strategie des Konkurrenten aus der vorherigen Runde anzuwenden (Vgl. Axelrod 2000,
S.15). Bezogen auf unser Modell bedeutet dies: Wenn eine einzelne Bank die Strategie
„Tit for Tat“ anwendet, würde sie zu Beginn eine langfristige Strategie anwenden.
Sollten die anderen Banken kurzfristig orientiert handeln, würde die Bank, die am
Anfang langfristig agierte, dies in der Folge ebenfalls tun und zu einer Strategie
tendieren, die nicht den langfristigen Nutzen als Ziel hat, sondern ausschließlich nach
kurzfristigem Gewinn strebt. Ein weiterer Strategiewechsel – eine Großzahl an
Wettbewerbern orientiert sich langfristig – hätte zur Folge, dass eine Bank mit einer „Tit
for Tat“-Einstellung mit etwas Verzögerung einen Wechsel der Strategie vornimmt. Die
Resultate der axelrodschen Studie ergaben, dass in einer solchen spieltheoretischen
Situation kooperative Strategien eindeutig von Vorteil sein können (Vgl. Axelrod 2000,
S.173ff.). Es sei betont, dass eine „kooperative Strategie“ in unserem Modell einer
Orientierung der Banken hin zu langfristigen Zielen entspricht. Gemäß unseren
Annahmen würde dies in höheren Gewinnen für die Banken resultieren und gleichzeitig
auch den Kundennutzen vergrößern.
Wenn man für eine Bank eine „Tit for Tat“-Strategie zugrunde legt, ist es klar, dass der
höchste Nutzen für alle entsteht, wenn die Wettbewerber darauf vertrauen, dass die
Banken immer weiter kooperieren und langfristig planen. Unabhängig von
spieltheoretischen Strategien lässt sich hier folglich konstatieren, dass das gegenseitige
Vertrauen der Banken zu einem höheren Nutzen für alle Marktteilnehmer führen kann.
In sämtlichen Situation in der Wirtschaft ist ein gewisses Grundvertrauen der einzelnen
Parteien zueinander unabdingbar. Verträge könnten niemals zustande kommen, wenn
eine Partei nicht darauf vertrauen kann, dass die Gegenpartei ihren Teil der
vertraglichen Pflichten erfüllt. Ohne diese Voraussetzung würde die globale Wirtschaft
höchstwahrscheinlich zusammenbrechen. Allerdings sieht man in unserem Modell, dass
die Banken sich nicht soweit vertrauen, dass sie automatisch die nützlichere langfristige
Strategie wählen. In einem Interview betont der Psychologe Gerd Gigerenzer, dass ein
erhöhtes Maß an Transparenz das Vertrauen in eine Institution erheblich steigern kann.
Übertragen auf die Situation der beiden Banken würde dies bedeuten, dass zum
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
22 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
Beispiel Strategievorgaben zur Kundenbindung in einem weitaus erhöhten Maß publik
gemacht werden müssten, als es bislang der Fall ist. In der Realität ist es natürlich mehr
als fraglich, ob die Retailbanken eine solche Selbstbindungsstrategie zumindest im
Ansatz verfolgen würden (Vgl. Gigerenzer, 2008).
Auch wenn Gigerenzer ein sehr erfolgreiches Beispiel anführt - die „Bank of England“
stieg durch Implementierung transparenterer Vorgehensweisen zu einem der Institute
auf, zu dem die Briten am meisten Vertrauen haben - sehen wir dennoch einige
Probleme darin, dass alleine Transparenz das Vertrauen der Banken zueinander
erhöhen kann. Im Vergleich zum Turnier von Robert Axelrod muss im realen
Privatkundenmarkt davon ausgegangen werden, dass ein Wechsel von der kurzfristigen
Strategie hin zur langfristigen nicht ohne gewisse Komplikationen vollzogen werden
kann. In unserem Szenario würde eine langfristige Strategie auch bedeuten, dass die
Kundenbetreuung erheblich umfangreicher wird, zum Beispiel durch ausführlichere –
und demnach für die Bank kostenintensivere – Gespräche mit den Beratern. Folglich
müssten strukturelle Veränderungen vollzogen werden, wie zum Beispiel die
Neueinstellung und Weiterbildung von Beratern. Die Kosten für das Front-Office sind
also höher. Hierin besteht also ein gewisses Hindernis für eine Bank, die derzeit auf
kurzfristige Profite aus ist: Ein Strategiewechsel würde zu möglicherweise erheblichen
Switching Costs führen. Ein nochmaliger Wechsel der grundliegenden Strategie würde
abermals Wechselkosten mit sich bringen, zum Beispiel müssten die neu eingestellten
Berater entlassen und somit abgefunden werden.
Gleichzeitig sind die Banken aber nicht nur von ihren eigenen Switching Costs betroffen,
sondern müssen auch berücksichtigen, dass Kunden relativ leicht ihre Bank wechseln
können: Eine Bank, die auf kurzfristigen Gewinn abzielt könnte mit aggressivem
Marketing Kunden an sich binden, und so eine Bank in Schwierigkeiten bringen die
höhere Beratungskosten hat. Vor allem im Passivgeschäft können die Kunden sehr
schnell ihren Anbieter wechseln (Vgl. Andrulis/Ender 2010, S.86f). Exemplarisch sei an
dieser Stelle der harte Wettkampf um kostenfreie Gehaltskonten und attraktive
Tagesgeldkonten im Retailbanking erwähnt. Das oben angesprochene
„Vertrauensproblem“ wäre auch hier wieder präsent. Alles in allem kann man hier
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
23 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
konstatieren, dass eine einvernehmliche „Verpflichtung“ der marktteilnehmenden
Banken hin zu einer langfristigen Strategie als relativ unrealistisch angesehen werden
kann. Das Modell von Axelrod, das kooperierende Strategien als vorteilhaft ansieht,
kann hier zunächst nicht zur vollen Entfaltung gebracht werden, zu viele praktische
Hindernisse sprechen dagegen.
3.2. Staatliche Regulierungen Bislang wurden in diesem Modell nur zwei Hauptakteure (eine Bank und all ihre
Wettbewerber) genannt, die vollkommen frei zwischen den beiden Strategien des
kurzfristigen Verkaufserfolgs und des langfristigen (Kunden-)Nutzens wählen konnten.
Es stellt sich nun die Frage, ob durch etwaige externe Vorschriften das Nash-
Gleichgewicht so verschoben werden kann, dass alle Banken die langfristige Strategie
wählen.
Im Jahr 2004 erließ die Europäische Union die „Richtlinie über Märkte und
Finanzinstrumente“ („Markets in Financial Instruments Directive“, MiFID). Ziel der
Richtlinie war unter anderem, private Anleger besser zu schützen. In Artikel 21 ist
demnach vorgeschrieben, dass
„Wertpapierfirmen bei der Ausführung von Aufträgen […] aller […] für die Auftragsausführung relevanten Aspekte alle Maßnahmen ergreifen, um das bestmögliche Ergebnis für den Kunden zu erreichen“ (Richtlinie 2004/39/EG, S.18).
Die Umsetzung dieser Richtlinie erfolgte in Deutschland ab dem ersten November 2007.
Der Schutz von Privatanlegern wird hier insofern vorgeschrieben, als ihre Aufträge zu
ihrem bestmöglichen Resultat realisiert werden sollen. Dies sieht vor allem vor, dass die
Auftragsausführung in dem für den Kunden günstigsten Handelsplatz und möglichst
zeitnah durchgeführt wird (Vgl. Richtlinie 2004/39/EG, S.18f). Es wird also bei der
Auftragsausführung vor allem das „wie“ berücksichtigt. Die Frage nach dem „was“ und
somit die Frage danach, welche Produkte überhaupt verkauft werden, bleibt in der
MiFID demnach gänzlich unberücksichtigt. Der generelle Kundennutzen beim Verkauf
eines Finanzprodukts wird im Rahmen der MiFID nicht weiter hinterfragt. Für unser
Modell bedeutet das, dass Banken weiterhin ihre eigenen kurzfristigen Verkaufserfolge
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
24 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
in den Vordergrund stellen. Die Wahrung des langfristigen Kundennutzens bleibt von
der EU-Richtlinie weitestgehend nicht erfasst.
Erhöhte Transparenz soll auch durch ein standardisiertes Informationsblatt für
Finanzprodukte geschaffen werden. Dieses Formular, das am 26.02.2010 vom
Bundesverband Deutscher Banken e.V. vorgestellt wurde, soll dem Ziel näherkommen,
„flächendeckend über standardisierte Produktinformationen die Transparenz und Vergleichbarkeit der oft schwer verständlichen Anlageprodukte zu verbessern“ (Pressemitteilung 040 BMELV, 26.02.2010),
so Ilse Aigner in einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz.
Dennoch sind direkte staatliche Eingriffe auf unser Modell sind durch die derzeitigen
Richtlinien nicht realisierbar. Allenfalls indirekte Eingriffe in denen das Verhältnis
zwischen Bank und Kunde reglementiert wird gewinnen verstärkt an Einfluss. Beispiele
hierfür seien die oben erwähnte MiFID und das Informationsformular des deutschen
Bankenverbandes. Den Banken kann von Staatenseite nicht direkt auferlegt werden,
ihre derzeitigen kurzfristig ausgerichteten Strategien auf langfristig orientierte Ziele
abzuändern. Das pareto-optimale Gleichgewicht bleibt somit unerreicht.
3.3. Interne Lösungsansätze der Banken Noch im Dezember 2007 übte der Vorsitzende der Geschäftsführung von Bosch, Franz
Fehrenbach, heftige Kritik an der Politik und öffentlichen Meinung: die Gehälter von
Spitzenmanagern zu begrenzen sei „schlicht Unsinn“ (Buchenau/Herz, 2007). Dass
dieser Standpunkt nicht mehr tragbar ist, zeigen gegenwärtige Diskussionen.
Weitgehend herrscht Konsens darüber, dass – vor allem im Finanzsektor – die Gehalts-
und Bonuszahlungen überprüft werden sollten. Matthias Kopetzky sieht Probleme, wenn
sich die Zahlungen der Boni an kurzfristigen Erfolgskennzahlen orientieren. Er kritisiert,
dass Manager bereits Bonuszahlungen erhalten, obwohl die Konsequenzen ihres
Handelns noch vollkommen unklar sind. Des Weiteren wirft er ein, dass die Zeitspanne,
in der sich Manager in einem Unternehmen aufhalten zu kurz ist. Auch hier werden aber
schon Boni ausgezahlt, Kopetzky spricht von einer „Take the money and run“-Mentalität
(vgl. Kopetzky, 2008). Im Privatkundengeschäft der Banken hat die starke Fokussierung
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
25 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
auf den kurzfristigen Erfolg oftmals die Konsequenz, dass Berater versuchen, dem
Kunden möglichst viele Finanzprodukte „unterzujubeln“, ohne Rücksicht drauf, ob dieser
diese Produkte auch wirklich benötigt. Die Berater versuchen einzig und allein,
beispielsweise die Vorgaben des Vorstandes zu erfüllen („Verkaufe X Produkte vom Typ
A“) und seine Bonuszahlungen und Prämien zu sichern. Sobald die Produkte an den
Mann gebracht sind und der Bankangestellte sein Ziel erreicht hat, entfällt für den
Berater jegliche Motivation weg, den Kunden weiterhin zu umsorgen – es sei denn, er
kann ihm noch weitere Finanzprodukte verkaufen, was nur im Glücksfall zu einer
Verbesserung des Kundennutzens führt.
Die Kritik an den Zahlungsmethoden für Manager ruft Fragen auf den Plan, die vor allem
an die Eigentümer der Banken gerichtet sind, da diese für die langfristige strategische
Ausrichtung ihrer Institute als auch für die Entlohnung der Mitarbeiter verantwortlich
sind. Die Entlohnungspolitiken und ein möglicher staatlicher Eingriff in die
Zahlungsmodalitäten von Boni werden von Inderst und Pfeil aufgegriffen. Sie gehen
zunächst davon aus, dass Kundenberater vor allem nach der Anzahl und der Qualität
ihrer Vertragsabschlüsse bezahlt werden, konkret: Verkauft ein Berater ausreichend
viele Finanzprodukte, die für das Institut gewinnbringend sind? Grundsätzlich sehen die
Autoren ein internes Agency-Problem, da ein Banker selten persönlich für den
Abschluss eines Bankgeschäfts haftet. Das oben definierte Spannungsfeld zwischen
Kunden und Retailbanken wird also eher verschärft. Darüber hinaus existiert ein
externes Agency-Problem: Die jeweilige Bank kann eventuelle, mit dem Abschluss eines
Geschäfts verbundene, Risiken weiterverbriefen und sich somit Ausfallsrisiken
entledigen. Dessen ungeachtet kassieren die Berater weiter Boni. Inderst und Pfeil
kommen zu dem Resultat, dass verzögerte Bonuszahlungen diesen Konflikten
entgegensteuern können. Bevor die Zahlungen erfolgen, kann über einen längeren
Zeitraum fundierter kontrolliert werden, ob sich der jeweilige Deal auch auszahlt – für
Banken und Kunden. So könnte gewährleistet werden, dass der Berater – auch für den
Kunden – „hochwertige“ Geschäfte abschließt. Jedoch kann dieser Effekt auch
möglicherweise erfolglos bleiben, wenn höhere verzögerte Bonuszahlungen einer nur
sehr geringen Qualitätssteigerung der abgeschlossenen Geschäfte gegenüberstehen
(Vgl. Inderst/Pfeil 2009, S.3f).
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
26 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
Analog zu den Anreizsystemen sollten aber auch die von den Bankeigentümern
vorgegebenen Basisstrategien hinterfragt werden. Die Sparkassen und Landesbanken
werden von Städten, Kreisen und Bundesländern getragen, die direkt Einfluss auf ihre
Institute hätten. Vor allem bei den Privatbanken ist mit der Finanzkrise aber ein enormer
Vertrauensverlust entstanden. Dieser entstand vor allem durch mangelnde Transparenz
der Privatbanken. Als Negativbeispiel ist Sal. Oppenheimer an erster Stelle anzuführen.
Profiteure sind die als konservativ geltenden Sparkassen, die ihr Privatkundengeschäft
ausbauen konnten (Vgl. Köhler/Landgraf 2010). Für die Eigentümer der Privatbanken
hingegen ist es unabdingbar ihre Strategien zu hinterfragen. In einem Online-Artikel vom
28. April 2009 merkt die Wirtschaftswoche an, die Aussage des Vorstandssprechers von
Sal. Oppenheimer, Matthias Graf von Krockow, das Bankenhaus würde seinen Kunden
empfehlen, nur in Produkte zu investieren, die das Haus auch selber im Portfolio habe,
müsse man eher als „Drohung“ und nicht als Sicherheitsgarantie verstehen (Vgl. Welp
2009). Sal. Oppenheimer erlitt – bedingt durch seine Investmentstrategie – hohe
Verluste im Zuge der Finanzkrise, vor allem durch Beteiligungen an Arcandor und an
dem Immobilienfinanzierer IVG. Unserer Meinung nach müssen also schon die
Bankeigentümer einen Paradigmenwechsel in Bezug auf ihre Strategien vornehmen.
Das Aufgreifen dieser Kritikpunkte könnte zu einer Entschärfung in unserem
zugrundeliegenden Gefangenendilemma führen. Unserer Ansicht nach könnte ein
Umdenken in Bezug auf die Interpretation von Kennzahlen zu einer Verbesserung der
Situation führen. Um zu erreichen, dass die Banken im Modell nicht mehr kurzfristig
agieren, sollte in Betracht gezogen werden, die kurzfristigen Ziele der Bank als
unwichtig zu erachten. Die Wichtigkeit von Quartalszahlen müsste in den Hintergrund
gerückt werden, Verkaufszahlen pro Monat müssten an Bedeutung verlieren. Geschähe
dieses Umdenken, hätte der schnelle Verkauf von Produkten, die ausschließlich der
kurzfristigen Gewinnsteigerung dienen, nicht mehr oberste Priorität. Stattdessen würde
man sich darauf konzentrieren, möglichst langfristige Finanzprodukte zu verkaufen. Dies
hätte zur Konsequenz, dass Kosten im Back-Office gesenkt werden könnten. Die
Implementierung von Produkten, die auf eine lange Laufzeit ausgerichtet sind, erfordert
nur zu Beginn einen erhöhten Aufwand. Bezogen auf die längere Laufzeit können die
Prozesse aber zunehmend automatisiert werden. Die Bevorzugung von langfristiger
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
27 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
Kundenbindung verschärft natürlich den Kampf der Banken um ihre Klienten. So können
die Einsparungen im Back-Office genutzt werden, um im Front-Office eine verbesserte
Kundenbetreuung zu gewährleisten. Da die gesamte Kundenbetreuung auf einen
langfristigeren Zeithorizont ausgerichtet ist, ist es nur logisch auch die Bonuszahlungen
für Berater längerfristig zu orientieren: Die Auszahlung von Boni sollte somit erst nach
mehreren Jahren ausbezahlt werden, wie bereits im Modell von Inderst und Pfeil
dargestellt.
Unter diesen stark idealisierten Voraussetzungen wäre es demnach möglich, dass die
Banken im Modell die langfristig orientierte Strategie bevorzugen würden. Im Endeffekt
entstünden höhere Gewinne für Banken sowie ein gesteigerter Kundennutzen. Es ist
allerdings mehr als problematisch, diese Annahmen wirklich in der Realität umzusetzen.
Das Ausbleiben kurzfristiger Gewinne bei einem Strategiewechsel könnte
beispielsweise zu Liquiditätsengpässen führen. Generell würden Zahlungszuflüsse
tendenziell eher in die fernere Zukunft verlagert, so dass eine erhöhte Unsicherheit
besteht, ob die Zahlungen auch wirklich realisiert werden. Schließlich ist es aus unserer
Sicht derzeit unrealistisch, anzunehmen, dass Banken im umkämpften Retail-Geschäft
dazu tendieren, kurzfristige Erfolge zu ignorieren. Eine Nische, in der der kurzfristige
Profit von Finanzinstituten in den Hintergrund rückt, stellt das „Social Banking“ dar.
3.4. Exkurs: Social Banking Eine Tendenz hin zu mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor beschreibt das Konzept des
„Social Banking“. Social Banking soll eine Verknüpfung herstellen zwischen den
weiterhin im Vordergrund stehenden Renditezielen einer Finanzinstitution und ethischen
oder ökologischen Aspekten in einer Gesellschaft. Finanzdienstleistungen sollen
dahingehend verstärkt angewendet werden als dass sie die Entwicklung dieser sozialen
Punkte in den Vordergrund stellen. Dies geht weit über die hierzulande üblichen
Sponsorenaktivitäten wie zum Beispiel der Sparkassen hinaus. Das Konzept des Social
Banking hat seinen Ursprung in den 1980ern in den Vereinigten Staaten, wo versucht
wurde, regionale Kreditvergaben und somit die Sicherung der Weiterentwicklung
einzelner Regionen und Stadtteile zu gewährleisten. Vor allem in Bereichen der klein-
und mittelständischen Existenzgründung und Eigenheimfinanzierung kann von Social
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
28 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 3. 2BUWege aus dem Gefangenendilemma
Banking gesprochen werden, da der oftmals risikofreudige Kreditnehmer über einen
langen Zeitraum mit dem Finanzinstitut verbunden ist. Social Banking ist aber bei
weitem nicht auf die Vergabe von privaten Krediten limitiert. Auch öffentliche
Institutionen oder generelle soziale, ökologische oder ethische Projekte werden mit
diesem Bankensektor assoziiert (vgl. Reifner 1997, S.5ff).
Das Prinzip des Social Banking liegt nahe an den Annahmen und Anforderungen an
Banken, um sich mehr am langfristigen Nutzen ihrer Strategien zu orientieren. Soziale
und ökologische Nachhaltigkeit haben beim Social Banking Einfluss auf die Politik der
Finanzinstitute. Somit wird hier auch der langfristige Kundennutzen vergleichsweise
stark betont. Eine extreme Form des Social Banking stellt das P2P lending dar. Hierbei
findet eine Kreditvergabe über Privatpersonen statt. Laut einer Studie des
Marktforschungsinstituts Gartner besteht die Möglichkeit, dass P2P-Kredite in wenigen
Jahren den Massenmarkt erreichen können. Die Prognosen besagen, dass das P2P-
Kreditvolumen von derzeit drei auf fünf Milliarden US-Dollar ansteigen wird.
(gartner.com 2010).
Diese Tendenzen legen nahe, dass das Social Banking ein immer wichtigeres Modell im
Bankensektor werden könnte. Die Voraussetzungen hierfür sind ähnlich wie das
Verfolgen der langfristig orientierten Strategie in unserem spieltheoretischen Modell. In
der Realität jedoch ist es unrealistisch, dass die Marktteilnehmer ihre Strategien der
kurzfristigen Gewinnmaximierung aufgeben werden. Die Bedeutung des Social Banking
ist viel zu stark in eine Nische gedrängt, als dass es sprunghaften Zuspruch erlangen
könnte. In einer Studie, in der der spanische Retail-Markt untersucht wurde, kamen die
Autoren zu dem Ergebnis, dass Kunden bei Finanzprodukten nicht nur an der reinen
Profitabilität interessiert sind. Vielmehr veranschaulichen die Ergebnisse, dass Banken
und vor allem Sparkassen, die erhöhte soziale Verantwortung zeigen, höhere
Zinseinnahmen haben, niedrigere Zinsausgaben verzeichnen und auch einen höheren
Marktanteil besitzen als vergleichbare Banken, die nicht bestimmten sozialen Aktivitäten
nachgehen (Callado-Muñoz/Utrero-Gonzàlez 2009, S.29).
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
29 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
4. Unsere spieltheoretische Analyse der vorherigen Kapitel führt vom sozialen Optimum
über einen Zwischenschritt, bei dem Banken kurzfristig und langfristig agieren, zu einem
suboptimalen Gleichgewicht, in dem alle Banken sich auf den kurzfristigen
Verkaufserfolg konzentrieren. Die theoretischen Ansätze, die ein soziales Optimum
ermöglichen würden, wurden ebenfalls von uns diskutiert und haben gezeigt, dass
deren Umsetzung in die Praxis mit großen Problemen verknüpft ist und daher aufgrund
plausibler Überlegungen nicht durchführbar sein wird. Ausgehend von dieser
Konstellation stellt sich auch die Frage, ob es in der Zwischenphase für langfristig
agierende Banken möglich ist, ihre Situation zu verbessern, ohne den Strategiewechsel
zur Kurzfristigkeit durchzuführen.
Retailbanking in der informationstheoretischen Analyse
4.1. Die Ausgangssituation Grundsätzlich muss bei den Banken zwischen der Strategie, die der Öffentlichkeit
gegenüber suggeriert und kommuniziert wird, und der intern verfolgten Strategie
unterschieden werden. Jede Bank kommuniziert den Kunden, dass die Optimierung des
langfristigen Kundennutzens und die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der
Kunden im Vordergrund stehen. Das Ziel hinter dieser Kommunikationsstrategie ist die
Generierung von Vertrauen und dadurch die Akquirierung von Kunden. Intern kann die
verfolgte Strategie jedoch davon abweichen.
Im Folgenden bezeichnet „Bad Banks“ jene Banken, die intern den kurzfristigen
Verkaufserfolg verfolgen und somit den Kundennutzen vernachlässigen, und „Good
Banks“ jene Banken, die sich intern auf den langfristigen Kundennutzen konzentrieren.
Wir nehmen an, dass sowohl die „Bad Banks“ als auch die „Good Banks“ davon
überzeugt sind, dass ihre jeweiligen verfolgten Strategien funktionieren und unter der
Berücksichtigung der Strategien aller anderen Banken für sie die bestmögliche
Vorgangsweise darstellt.
Das Problem, das sich in dieser Konstellation aus Kundensicht ergibt, ist auf die
asymmetrisch verteilte Information über die wirklich verfolgte Strategie der Banken
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
30 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
zurückzuführen. Die Kunden können im Vorhinein nicht feststellen, auf welche Strategie
die Banken sich wirklich konzentrieren, da ihnen der Einblick und das Fachwissen
fehlen.
4.2. Das Modell von Akerlof im Retailbanking Mit seinem bahnbrechenden Werk „The Markets for Lemons“ zeigte George Akerlof im
Jahre 1970, dass aufgrund von asymmetrischer Informationen und unter
Extrembedingungen eine adverse Selektion entsteht, welche zu einem Zusammenbruch
des Marktes führen kann (Vgl. Akerlof 1970, S.489). Umgelegt auf den
Retailbankingmarkt und das Beispiel mit „Good Banks“ und „Bad Banks“, können die
Kunden vor dem Kauf nichts über den ihnen dadurch entstehenden Nutzen aussagen,
da ihnen die intern verfolgten Strategien der Banken nicht bekannt sind und jede Bank
ihnen erklärt, dass ihr Nutzen im Vordergrund steht. Dieses Problem kommt bei
Bankdienstleistungen besonders zum Tragen, da Bankdienstleistungen als
Vertrauensgüter, sog. „Credence Goods“ angesehen werden. Die Verkäufer von
„Credence Goods“ besitzen explizit ein höheres Wissen über die Eigenschaften der
Produkte und können dieses Wissen zu ihrem Vorteil ausnützen (Vgl.
Dulleck/Kerschbamer 2006, S.5f)
Wir nehmen an, dass sich der Bankenmarkt in dieser Analyse dadurch auszeichnet,
dass überwiegend „Bad Banks“ vorzufinden sind, wohingegen die „Good Banks“ eine
Minderheit darstellen. Diese Verteilung ist den Kunden bekannt. Die Kunden können bei
ihren Kaufentscheidungen nur vom Preis auf die Qualität der Bank schließen. Zudem
sind die Kunden der Überzeugung, dass der Wert und der dahinter liegende Nutzen der
Produktportfolios der „Good Banks“ höher einzustufen sind, als der Wert der Portfolios
der „Bad Banks“. Aus dem Wissen der Verteilung der Banken und den Werten, welche
sie den Portfolios zuschreiben, werden die Kunden bedingt durch das Unwissen über
die verfolgten Strategien der Banken einen Erwartungswert für ihren Reservationspreis
bilden. Ebenso werden die Banken für ihre angebotenen Portfolios intern einen Preis
festsetzen, welcher deren Grenzkosten entsprechen wird. Die „Bad Banks“ werden
aufgrund ihrer Strategie niedrigere interne Preise festsetzen als die „Good Banks“.
Sollte der Reservationspreis der Kunden unter dem festgelegten Preis der „Good
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
31 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
Banks“ liegen, nehmen die Kunden an, dass nur „Bad Banks“ am Markt sind und
werden nur bereit sein maximal jenen Wert zu bezahlen, welchen sie den Portfolios von
„Bad Banks“ zuschreiben. In der Folge werden „Good Banks“ keine Portfolios mehr
anbieten, da die Kunden nicht bereit sind, den Preis für diese Portfolios zu bezahlen.
Daher werden „Good Banks“ auf lange Sicht vom Markt verdrängt und es entwickelt sich
eine Situation, in der nur mehr „Bad Banks“ agieren (Vgl. Akerlof 1970, S.488ff; Vgl.
Kreps 1990, S.625ff).
Somit verhindert das asymmetrische Informationsverhältnis zwischen Kunden und
Banken bei einem langfristigen Betrachtungshorizont und die daraus entstehende, zu
pauschale Bewertung der Portfolios von Seiten der Kunden (Vgl. Spremann 1990,
S.574f), dass die Strategie der „Good Banks“ funktionieren kann. Folglich wären auch
die „Good Banks“ gezwungen, ihre Strategie zu ändern und sich auf den kurzfristigen
Verkaufserfolg zu konzentrieren, um am Markt überhaupt teilnehmen zu können.
Neben dem Wechsel der Strategie ist es für die „Good Banks“ auch möglich, zu
versuchen, die vorhandene Informationsasymmetrie zwischen Kunden und Banken zu
überwinden. Falls dies gelingt, schaffen sie damit ein neues Gleichgewicht am Markt,
das neben den schlechten Produktportfolios, die den Kundennutzen vernachlässigen,
auch Portfolios berücksichtigt, die den Kundennutzen maximieren.
4.3. Pfirsiche im Retailbanking Zur Lösung des Problems der adversen Selektion, die aufgrund der asymmetrischen
Informationsverteilung entsteht, und zur Wiederherstellung eines Gleichgewichtes
können Signaling, Mechanismen zur Selbstselektion und Screening verwendet werden.
Durch Signale können die Marktteilnehmer den Informationslevel des Marktes
verbessern. Damit die Verbesserung eintritt, ist es notwendig, den Informationsgehalt
und die Glaubhaftigkeit des Signals zu bestimmen. Durch die Mechanismen der
Selbstauswahl ist es möglich, Marktteilnehmer zur Offenbarung von Informationen zu
zwingen. Screening beschreibt die Idendifizierung von qualitativen Unterschieden durch
Individuen. Die klassische Literatur dazu stammt von Michael Spence (Vgl. Spence
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
32 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
1973, S.355ff), von Michael Rothschild und Joseph Stiglitz ( Vgl. Rothschild/Stiglitz
1976, S.629ff) und von Joseph Stiglitz (Vgl. Stiglitz 1975, S.283ff).
Die Modelle von Spence, Rothschild/Stiglitz und Stiglitz über den Arbeits- bzw.
Versicherungsmarkt und Problemen durch unterschiedliche Produktivitätsniveaus
zeigen die unterschiedlichen Ausprägungen, die sich durch den Versuch des
Überwindens der asymmetrischen Information entwickeln können. Durch die
Überwindung des asymmetrischen Informationsverhältnisses gelingt es von einem
Pooling-Gleichgewicht, in dem die Qualität der Marktteilnehmer nicht erkennbar ist, zu
einem Separating-Gleichgewicht zu gelangen, in dem die Marktteilnehmer anhand ihrer
Qualität differenzierbar sind (Vgl. Spence 1973, S.361ff). Angewandt auf die
Retailbankingbranche kann beim Vergleich von Signaling, Abzielen auf Mechanismen
der Selbstselektion und Screening nur Signaling zum Ziel führen. Selbstauswahl kommt
zwischen Kunden und Bank nicht zum Tragen, da das Machtverhältnis zwischen Kunde
und Bank zu verschoben ist. Der Kunde ist nicht in der Lage, den Banken mehrere
Verträge vorzulegen, um die Qualität der Banken durch deren Wahl abzuschätzen.
Außerdem würde der Kunde dadurch mehrere gleichartige Bankdienstleistungen von
verschiedenen Banken erhalten und dies ist sicherlich auch nicht seine Intention. Für ein
aussagekräftiges Screening fehlt den Kunden zum Großteil das bankspezifische
Wissen. Darüber hinaus wird der Aufwand, der durch das Screening besteht, viele
Kunden von dieser Strategie abbringen.
4.4. Signaling der „Good Banks“ Signaling bietet Banken die Möglichkeit, den Kunden über die wirkliche, in der Bank
verfolgte Strategie zu informieren. Wenn der Kunde durch das Signaling der Bank die
wahre Qualität der Bankdienstleistung erkennt, entsteht dadurch Nachfrage nach
Produkten der „Good Banks“, die zuvor durch das asymmetrische Informationsverhältnis
verhindert wurde. Damit ein potentielles Signal ein wirksames Signal darstellt, muss es
bestimmte Anforderungen erfüllen. Das Signal muss Kosten verursachen, da kostenlose
Signale keinen Aussagegehalt besitzen, weil sie von jedem gesendet werden können.
Des Weiteren kann ein Signal nur dann wirksam sein, wenn es nicht mit einfachen
Mitteln durch andere imitiert werden kann. Außerdem muss das Signal einen wirklichen
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
33 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
Informationsgehalt übermitteln. Wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kann auf Grund
des Signals die Qualität der Bank vom Kunden abgeleitet werden und ein neues
Gleichgewicht entsteht.
Das Problem der „Good Banks“ ist nun das Finden von aussagekräftigen und
glaubhaften Signalen, die den Kunden die wahre Strategie der Bank offenbaren. Das
einfache Kommunizieren der Kundennutzenmaximierungsstrategie wird nicht zum Ziel
führen, da die „Bad Banks“ dem Kunden dasselbe mitteilen. Dieses Signal ist daher in
dieser einfachen Form ohne Aussagekraft.
4.4.1. Transparenz Ein mögliches Signal, das den Kunden von der wahren Qualität der „Good Banks“
überzeugen könnte, ist die Transparenz der Strategie. Die Idee hinter diesem Signal ist
das Offenlegen der Verkaufspolitik. Bankberater stehen in der jetzigen
Branchensituation oft unter enormen Druck. Sie müssen für ihre Banken eine bestimmte
Anzahl von Bankprodukten an die Kunden bringen. Dadurch kommt es vor, dass sie mit
ihrer Beratung nicht immer die Bedürfnisse der Kunden berücksichtigen können. Dieses
Anreizsystem findet in der Strategie des kurzfristigen Verkaufserfolgs seine höchste
Ausprägung. Die „Good Banks“ haben bereits ihr Anreizsystem an den langfristigen
Kundennutzen angepasst. Um dadurch eine glaubhafte Signalwirkung zu erreichen,
muss diese Anpassung dem Kunden bestmöglich kommuniziert werden. So muss der
Öffentlichkeit klar gemacht werden, dass die Bankberater nicht nur nach der Anzahl der
Abschlüsse entlohnt werden. Damit diese Entwicklung auf der Ebene der Bankberater
stattfinden kann, muss auch auf Ebene des Managements die langfristige Zielsetzung
bestimmend sein. In diesem Zusammenhang muss auch das Entlohnungsschema des
Managements in Richtung des langfristigen Nutzens, sowohl auf Banken- als auch auf
Kundenseite, transparent gehandhabt werden. Diese genannten internen Strukturen der
Banken müssen den Kunden offen argumentiert werden, um die wirkliche Qualität der
Banken für den Kunden zu begründen. Dazu ist beispielsweise ein gezieltes Marketing
inkl. einer transparenten Informationspolitik notwendig. Diese transparente Politik der
„Good Banks“ ist mit Kosten für diese Banken verbunden und kann auch nicht mühelos
von „Bad Banks“ imitiert werden, da die dafür notwendigen, und auch überprüfbaren,
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
34 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
organisatorischen Grundlagen, wie die genannten Entlohnungsschemata, fehlen. Der
wirkliche Informationsgehalt des Signals ist auch zu bejahen, wodurch das Signal einer
Offenlegung der Verkaufspolitik ein wirksames Signal für die „Good Banks“ darstellt.
4.4.2. Qualitätsüberprüfungen Ein weiteres Signal, das die positiven Aspekte der „Good Banks“ hervorheben würde,
sind externe, objektive Beurteilungen und Tests der Qualität der Banken. Als Beispiel ist
hier die Stiftung Warentest zu nennen, die regelmäßig die Beraterqualität der Banken
testet. Diese Tests lassen für die Kunden auch Rückschlüsse über die Qualität der
Banken zu. Durch diese positiven Tests würden die „Good Banks“ an Reputation
gewinnen, was wiederum zur Unterscheidbarkeit im Vergleich zu „Bad Banks“ beitragen
würde. Um bei objektiven Tests gute Beurteilungen zu erhalten, müssen die Banken von
sich aus Geld und Zeit investieren. Die Imitation dieses Signals durch „Bad Banks“ ist
nicht möglich, das dieses Signal von einem objektiven Dritten stammt, der sich durch
eine hohe Reputation auszeichnet. Der Informationsgehalt ist dadurch ebenfalls
gegeben. In dieselbe Richtung geht die Zertifizierung von Bankdienstleistungen durch
den TÜV, durch die sich Banken beispielsweise die Beratungsqualität oder die
Servicequalität bescheinigen lassen können (Vgl. www.tuv.com). Denkbar wäre auch
eine externe Rating Agentur, die die Qualität der Retailbanken in diesem Bereich
bewertet, wobei die Kostenfrage in diesem Zusammenhang Probleme aufwirft.
4.4.3. Reputation Neben der durch objektive Tests erlangten höheren Reputation tragen auch die Kunden
der „Good Banks“ zur weiteren Entwicklung der Reputation bei. Der höhere Nutzen, der
sich den Kunden im Laufe der Bankbeziehung zeigt, verbessert den Ruf der Bank
ebenfalls nachhaltig. Gleichzeitig steigt mit der höheren Reputation auch das Vertrauen
der Kunden in die „Good Banks“. Sie sehen sich bestätigt, die richtige Entscheidung bei
der Wahl der Bank getroffen zu haben.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
35 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
4.5. Probleme des Signalings
4.5.1. Glaubhaftigkeit Die Grundprobleme bei einem Signal sind die Glaubhaftigkeit und die Aussagekraft der
dahinter liegenden Information. Die „Good Banks“ können Signale senden, die ihre
Qualität aufzeigen soll, die Wirksamkeit und die Rückschlüsse, welche die Kunden aus
diesen Signalen ziehen, können jedoch nicht mit 100-prozentiger Sicherheit
vorhergesagt werden. Das durch die Finanzkrise verloren gegangene Vertrauen in die
Bankbranche als solche hat auch einen Einfluss auf die Glaubhaftigkeit von Banken und
deren gesendete Signale. Kunden werden sich mehr Gedanken über die gesendeten
Signale der Bank machen und diese kritischer hinterfragen. Dadurch steigert sich der
Aufwand, den die „Good Banks“ betreiben müssten, um mit dem Signaling den
gewünschten Effekt zu erzielen.
Durch diesen gesteigerten Aufwand kann die Situation entstehen, dass der durch das
Aussenden des Signals gesteigerte Nutzen für die „Good Banks“ durch die höheren
Signaling-Kosten wieder zunichte gemacht wird. Folglich würden die „Good Banks“
Signaling nicht betreiben, da sie dadurch in Summe schlechter gestellt wären, als ohne
das Signaling.
4.5.2. Preissensibilität Das größte Problem zur Überwindung der asymmetrischen Information mit Signaling
stellt im Bereich des Retailbankings die hohe Preissensibilität der Kunden und die hohe
Standardisierung der Produkte dar. Bankdienstleistungen im Retailbanking sind
substituierbar, da sich die Grundprodukte sehr ähneln. Aus diesem Grund werden die
meisten Kunden als erstes Kriterium bei der Wahl ihrer Bank den Preis heranziehen.
Durch die kaum unterscheidbaren Produkte am Markt ist es für die Kunden schwer, die
Preisunterschiede, die durch die höhere Qualität der Beratung gerechtfertigt sind, zu
verstehen und damit auf die Qualität der Banken und in der Folge auch auf den
gesteigerten Nutzen für sie selbst zu schließen. Die Kunden sehen nur standardisierte
Produkte, die sie bei der einen Bank zu einem billigeren Preis erhalten. Somit
entscheiden sich Kunden zum Großteil nur auf Grund des Preises für eine Bank. Die
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
36 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
Signaling-Kosten erhöhen sich durch diese hohe Preissensibilität der Kunden, wodurch
der Aufwand möglicherweise den Nutzen übersteigt.
4.5.3. Switching Costs Im Zusammenhang mit der Preissensibilität der Kunden sind auch die Switching Costs
der Kunden zu nennen, die im Retailbanking sehr gering sind. Kunden sind daher in der
Lage, ihre Bank sehr einfach zu wechseln, wenn sie nicht mehr mit ihrer Leistung
zufrieden sind. Außerdem erlaubt es den Kunden, bei der Auswahl der Banken weniger
gründlich vorzugehen und nur auf den Preis zu achten, da die Produkte standardisiert
sind und ein Wechsel zu einer anderen Bank sehr einfach ist.
4.6. Zitronen im Retailbanking Somit ist Signaling im Retailbanking unserer Ansicht nach zwar möglich, doch mit
erheblichen Problemen verbunden. Die Folge daraus ist, dass sich die „Good Banks“ mit
ihrer Strategie des langfristigen Kundennutzens mit einer schwierigen Marktposition
konfronitiert sehen und unter Umständen sogar vom Markt verdrängt werden. Das
Pooling-Gleichgewicht bleibt bestehen. Daher werden auch die „Good Banks“ ihre
Strategie an die der „Bad Banks“ und dem kurzfristigen Verkaufserfolg anpassen.
Dadurch verbessert sie ihre eigene Situation, die Situation der Kunden wird hingegen
verschlechtert, da sich der Nutzen für die Kunden durch die Verkaufstaktik der Banken
verringern wird.
4.7. Exkurs: Erhöhung des Nutzens durch den Kunden Neben der Berücksichtigung des Kundennutzens durch die Banken, besteht auch für die
Kunden selbst, unabhängig von den Banken, die Möglichkeit ihren Nutzen, der ihnen
durch die Bankprodukte entsteht, zu maximieren. Zur Erhöhung ihres Nutzens müssen
sich die Kunden mehr bankspezifisches Wissen aneignen, um dadurch ihre
Screeningfähigkeit zu verbessern. Wenn sie die Grundlagen des Bankgeschäfts
verstehen und sich im Klaren sind, was sie kaufen möchten und was für ihre
Verhältnisse nicht in Frage kommt, dann wird sich ihr Nutzen, den sie aus den
Produkten der Bank ziehen, erhöhen. Denn in dieser Situation ergreifen die Kunden
selbst die Initiative und lassen sich von den Banken nicht jedes Produkt verkaufen. Die
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
37 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
Folge aus diesem größeren Wissen der Kunden ist, neben dem für sie höheren Nutzen,
auch eine größere Zufriedenheit und somit auch eine längere Bindungsdauer. Dies
bedeutet, dass das gesteigerte Wissen nicht nur den Kunden zu Gute kommt, sondern
auch die Banken davon profitieren können. Sie werden zwar kurzfristig weniger Erträge
generieren können, durch die längere Bindung steigert sich jedoch der Wert der Kunden
auf lange Sicht. Diese Verschiebung von kurzfristig zu langfristig entsteht in dieser
Konstellation ohne Zutun der Banken. Die Banken müssen auf die neuen
Voraussetzungen beim Umgang mit den Kunden reagieren, da sich das Machtverhältnis
zwischen Kunden und Banken verschoben hat. Somit wäre es durchaus denkbar, dass
das größere Vorwissen der Kunden zu einer beidseitigen Verbesserung führen könnte.
Das Problem dabei ist, dass viele Kunden nicht die Intention haben werden, sich mehr
bankspezifisches Fachwissen anzueignen. Daher wird diese Entwicklung wohl eine
Wunschvorstellung bleiben.
4.8. Zusammenfassung In der Konstellation von „Good Banks“, die den Kundennutzen in den Vordergrund
stellen, „Bad Banks“, die den kurzfristigen Verkaufserfolg als Strategie gewählt haben,
und Kunden besteht das Problem einer asymmetrischen Informationsverteilung. Für die
Kunden ist es schwierig festzustellen, welche Bank welche interne Strategie verfolgt. In
der Folge dieser asymmetrischen Informationssituation kann unter den genannten
Voraussetzungen die Nachfrage nach den „Good Banks“ komplett einbrechen. Diese
adverse Selektion am Markt können die „Good Banks“ mit Hilfe von Signaling
abwenden. Signaling zielt auf die Vermittlung der wahren Strategie und der dadurch
erreichten Abgrenzung zu den „Bad Banks“ ab. Somit wären die Kunden in der Lage,
zwischen den Banken zu differenzieren und jene Banken zu wählen, die ihren
Vorstellungen entsprechen.
Die „Good Banks“ haben verschiedene Möglichkeiten, mit denen sie Signale an die
Kunden übermitteln können. Als Beispiele sind hier die Transparenz der Berater- und
Managerentlohnung zu nennen. Darüber hinaus sind externe, objektive Prüfungen der
Qualität eine Alternative zur Erhöhung der Reputation und des Vertrauens. Probleme
entstehen beim Signaling durch fehlende Glaubhaftigkeit und Aussagekraft der Signale.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
38 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 4. 3BURetailbanking in der informationstheoretischen Analyse
Des Weiteren besteht im Retailbanking die Gefahr, dass der erhöhte Nutzen durch die
Kosten des Signals wiederum zu Nichte gemacht wird. Die vorherrschende
Preissensibilität der Kunden von Retailbanking Produkten erschwert dieses Problem
zunehmend. Das primäre Auswahlkriterium ist der Preis, da die Produkte der Branche
mittlerweile zu einem großen Teil standardisiert sind. Außerdem tragen die niedrigen
Switching Costs dazu bei, dass Kunden sehr einfach ihre Bank wechseln können und
sie dadurch bei der Auswahl ihrer Bank noch mehr nur auf den Preis achten.
Somit ist das Spannungsfeld zwischen kurzfristigem Verkaufserfolg und langfristigem
Kundennutzen auch von Banken, die von ihrer langfristigen Strategie überzeugt sind,
nur schwer zu überwinden. Banken haben zunehmend den Anreiz sich auf den
kurzfristigen Erfolg zu fokussieren, da die Auflösung der vorherrschenden
asymmetrischen Information durch Signaling in diesem Bereich der Bankindustrie nur
schwer möglich ist. Daher kommen wir in dieser Analyse zum Schluss, dass es im
Retailbanking sehr schwer ist, eine am langfristigen Kundennutzen ausgerichtete
Strategie zu verwirklichen.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
39 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 5. 4BUSchlussfolgerung
5. Der Retailbanking-Markt, welchen wir heute in der Praxis vorfinden, weist ein hohes
Maß an Wettbewerbsintensität auf. Die Banken agieren in einem interdependenten
System, in welchem Entscheidungen Auswirkungen auf andere Marktteilnehmer haben.
Um diese komplexen Markt zu analysieren und Aussagen über die Realität zu erhalten,
haben wir die Spiel- und Informationstheorie verwendet. Die Spieltheorie ermöglichte es
uns, rational und strategisch agierende Banken in einer Wettbewerbssituation
gegeneinander antreten zu lassen, um so anschließend Aussagen über die Realität
ableiten zu können. Unsere Analyse zeigte sehr deutlich, dass sich Retailbanken in
einem Gefangenendilemma befinden. Für alle Banken wäre es hinsichtlich der
langfristigen Rentabilität höchst wahrscheinlich vorteilhaft, dass sie gemeinsam eine
Strategie des langfristigen Kundennutzens anwenden. Jedoch getrieben vom
Wettbewerb und einer dominanten Strategie des kurzfristigen Verkaufserfolgs, hat jede
Bank einen rationalen Anreiz auszuscheren und die Strategie zu wechseln, um so ihren
Gewinn zu steigern. Diese Dominanz der kurzfristigen Strategie führt schlussendlich zu
einem ineffizienten, jedoch stabilem Gleichgewicht, in welchem alle Banken kurzfristig
agieren und sich im Vergleich zu einer kollektiven langfristigen Strategie weitaus
schlechter stellen. Für die Kunden ist dieses ineffiziente Gleichgewicht hinsichtlich des
Nutzens ebenso das deutlich schlechteste erreichbare Ergebnis. Mit dem Ziel das
Gefangenendilemma aufzulösen, zeigte unserer Analyse, dass Möglichkeiten in Form
von spieltheoretischen Ansätzen, staatlichen Regulierungen und bankeninterne
Lösungsansätzen theoretisch durchaus bestehen, jedoch in der Praxis kaum bzw. nicht
sinnvoll sind. Neben der Spieltheorie ermöglichte uns die Informationstheorie eine
zweite Situation zu analysieren, in welcher alle Banken zwar behaupten, langfristig zu
agieren, jedoch intern eventuell eine kurzfristige Strategie anwenden. Dadurch entsteht
ein asymmetrisches Informationsverhältnis zwischen Kunden und Banken, welches in
der Praxis durchaus beobachtet werden kann. Bedingt durch dieses asymmetrische
Informationsverhältnis sind die Kunden nicht bereit, Produkte der „Good Banks“
nachzufragen, was im Extremfall zu einen Zusammenbruch des „Good Banks“ Marktes
führt und in weiterer Folge diese Banken zu einem Wechsel auf die kurzfristige Strategie
Schlussfolgerung
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
40 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 5. 4BUSchlussfolgerung
zwingt. Signaling von Seiten der Banken würde hierbei eine Möglichkeit darstellen, um
das asymmetrische Informationsverhältnis abzubauen und so wieder einen Markt für die
„Good Banks“ herzustellen. Jedoch dürfte sich Signaling in der Praxis von Retailbanken
als sehr schwierig erweisen, da das fehlende Vertrauen, die erhöhten Kosten sowie die
Standardisierung der Produkte und die Preissensibilität der Kunden, den Nutzen des
Signalings zunichtemachen.
Anhand dieser Ergebnisse unserer Analyse schlussfolgern wir, dass das Spannungsfeld
im Retailbanking zwischen kurzfristigen Verkaufserfolg und langfristigen Kundennutzen
nicht überwunden werden kann, da in der derzeitigen Wettbewerbssituation die
Strategie des kurzfristigen Verkaufserfolgs für die Banken die einzig rationale
Entscheidung darstellt.
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
41 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 5BUAnhang
1.
Anhang
Im Gegensatz zu nicht kooperativen Spielen geben kooperative strategische Spiele den
Akteuren die Möglichkeit, verbindliche Absprachen und Verträge auszuhandeln, wie es
von den Urvätern der Spieltheorie John v. Neumann und Oskar Morgenstern in ihrem
Buch „Theory of Games and Economic Behaviour“ angenommen wurde. Wir
fokussieren uns in dieser Arbeit jedoch auf nicht kooperative strategische Spiele, welche
ihren Ursprung in der Arbeit „Non-Cooperative Games“ von John Nash im Jahre 1951
haben. Die Akteure handeln somit unabhängig und haben keine Möglichkeit Absprachen
oder Verträge auszuhandeln (Vgl. Nash 1951, S.286). Dieser Ansatz entspricht
durchaus auch der Realität, mit welcher Retailbanken im Wettbewerb konfrontiert sind.
Kooperative und nicht kooperative Spiele
2. Ein Nash-Gleichgewicht ist dann gegeben, wenn jeder Entscheidungsträger die für sich
bestmögliche Entscheidung trifft gegeben der Entscheidung der anderen Akteure. Da
jeder Entscheidungsträger die für sich optimale Entscheidung unter Berücksichtigung
der Entscheidungen aller anderen getroffen hat, hat keiner einen Anreiz von seiner
Entscheidung abzuweichen und es entsteht ein Gleichgewicht: das Nash Gleichgewicht
(Vgl. Pindyck/ Rubinfeld 2005, S.626).
Nash-Gleichgewicht
3. Wenn ein Spieler mit einer dominanten Strategie konfrontiert ist, so erzielt er mit einer
bestimmten Strategie immer ein besseres Ergebnis, egal welche Strategie die anderen
Akteure wählen. Wenn alle Akteure eine dominanten Strategie vorliegen haben, spricht
man von einem Gleichgewicht in dominanten Strategien, welches ein Sonderfall des
Nash Gleichgewichts ist und sich sehr einfach lösen lässt, da in diesem Fall die
Aktionen der Konkurrenten nicht beachtet werden müssen (Vgl. Pindyck/Rubinfeld 2005,
S.624f).
Dominante Strategie
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
42 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 5BUAnhang
4. Besonders in der finanzwirtschaftlichen Methodik wird oft angenommen, dass sich
Menschen rational verhalten. Es wird angenommen, dass Menschen jene
Entscheidungen treffen, welche ihren Nutzen maximieren, und Firmen jene
Entscheidungen treffen, welche ihren Profit maximieren. Jedoch ist dies in der Realität
nicht immer der Fall. Menschen und Firmen weisen bei ihren Entscheidungsfindungen
sowohl rationales wie irrationales oder in gewissem Maße irrationales Verhalten auf
(Vgl. Kreps 1990, S.4). In der Spieltheorie wird dieser Irrationalität durch die Maximin-
Strategie Rechnung getragen. Unter der Annahme, dass die Gegenspieler sich nicht
rational verhalten und trotz einer vorliegenden dominanten Strategie diese aufgrund
ihrer Irrationalität vielleicht nicht spielen, sollte der Entscheidungsträger die Maximin-
Strategie verwenden, um große Verluste zu vermeiden. Denn eine Maximin-Strategie
maximiert den minimal zu erreichenden Gewinn (Vgl. Pindyck/Rubinfeld 2005, S.629f).
Maximin-Strategie
5. Ein klassisches Beispiel aus der Spieltheorie ist das Gefangenendilemma. Die Polizei
hält zwei Banditen auf deren Station fest, da die Polizei die beiden beschuldigt,
gemeinschaftlich ein Verbrechen begangen zu haben. Jedoch hat die Polizei zu wenig
Beweise, um die beiden Banditen verurteilen zu können. Daher befragt die Polizei die
zwei Verbrecher einzeln und will jeden von ihnen zu einem Geständnis bringen. Wenn
beide Ganoven das Verbrechen gestehen, so müssen sie beide für fünf Jahre in das
Gefängnis. Sollte keiner der Banditen das Verbrechen gestehen, so wird es aufgrund
mangelnder Beweise schwierig und beide kommen nur für zwei Jahre hinter Gittern.
Sollte einer der Banditen gestehen und der andere nicht, so muss der Geständige nur
eine Haftstrafe von einem Jahr und der andere eine Haftstrafe von zehn Jahren
absitzen. Könnten sich die beiden Verbrecher absprechen, so könnten sie sich darauf
einigen beide nicht zu gestehen und für zwei Jahre hinter Gittern sitzen. Jedoch hat
jeder von ihnen hierbei den Anreiz davon abzuweichen und zu gestehen, um somit nur
ein Jahr im Gefängnis zu verbringen, wohingegen der andere zehn Jahre absitzen
muss. Beide Banditen haben somit eine dominante Strategie zu gestehen, gleichgültig
welche Strategie der andere wählt. Somit kommt es in der Situation, in welcher beide
Gefangenendilemma
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
43 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 5BUAnhang
Banditen gestehen, zu einem Gleichgewicht, welches jedoch ineffizient ist. Beide
Banditen könnten sich besser stellen, ohne den anderen in eine schlechtere Situation zu
versetzen, indem sie beide nicht gestehen. Es entsteht das Gefangenendilemma (Vgl.
Pindyck/Rubinfeld 2005, S.594).
Beitrag zum Postbank Finance Award 2010
44 Die Rationalität des kurzfristigen Verkaufserfolgs 11BULiteraturverzeichnis
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