thromboseprophylaxe in der schwangerschaft

2
Leser fragen – Experten antworten D. Fischer · M. Friedrich Frauenklinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft Gynäkologe 2004 · 37:1142–1143 DOI 10.1007/s00129-004-1615-7 Online publiziert: 16. November 2004 © Springer Medizin Verlag 2004 ? Frage Bei welchen Patientinnen ist während der Schwangerschaft ein Thromboseprophyla- xe indiziert und welche Antikoagulantien sind hierbei bevorzugt einzusetzen? : Antwort In den Fachgremien wird die Frage kont- rovers diskutiert. Die Arbeitsgruppe „Thrombophiles Risiko in der Schwanger- schaft“ der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung hat klare Emp- fehlungen erarbeitet. Bei der Entscheidung, ob eine Throm- boseprophylaxe in der Schwangerschaft durchgeführt werden soll, ist die Bestim- mung des individuellen Thromboserisi- kos der Schwangeren notwendig. E Eine generelle Thromboseprophylaxe ist in der Schwangerschaft nicht zu empfehlen. Bei Frauen mit einem mittleren Throm- boserisiko (z. B. mit einer Thrombose in der Anamnese ohne hereditäres thrombo- philes Risiko) werden niedermolekulare Heparine empfohlen. Frauen mit einem Antithrombindefekt, einer akuten Throm- bose in der Schwangerschaft oder einer mechanischen Herzklappe gehören in die Gruppe der Patientinnen mit hohem Thromboserisiko. Hierfür werden geson- derte Empfehlungen ausgesprochen []. Heparin-Moleküle sind nicht plazen- tagängig und werden bezüglich uner- wünschter Wirkungen beim Fetus als si- cher eingestuft. Niedermolekulare Hepari- ne werden seit >0 Jahren in der Schwan- gerschaft angewendet. Sie werden insbe- sondere deshalb eingesetzt, da sie eine längere Halbwertszeit als unfraktionier- te Heparine aufweisen und seltener zu ei- ner Heparin-induzierten Thrombozytope- nie (HIT II) oder einer Osteoporose füh- ren [2, 3]. E Orale Antikoagulantien sind in der Schwangerschaft für Mutter und Fetus problematisch. Kumarine passieren die Plazentaschran- ke und wirken teratogen. Eine Therapie mit Kumarin-Derivaten kann zwischen der 6. bis 2. Schwangerschaftswoche (SSW) zu charakteristischen Fehlbildun- gen führen. Unter der sog. Warfarin-Em- bryopathie werden eine nasale Hypopla- sie sowie kalkspritzerartige Veränderun- gen der Epiphyse verstanden. Auffällig- keiten im Bereich des zentralen Nerven- systems (ZNS, Mikrozephalie) und der Augen (Optikusatrophie) sowie Entwick- lungsverzögerungen finden sich insbe- sondere dann, wenn die Therapie mit Ku- marinen im 2. und 3. Trimenon weiterge- führt wurde. Teratogene Schäden werden insgesamt bei bis zu zwei Drittel der Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Kumari- ne eingenommen haben, beobachtet. Ei- ne Studie ergab unter Bereinigung der Frühgeburten und mütterlichen Erkran- kungen, die nicht im Zusammenhang mit der Antikoagulation standen, eine Komplikationsrate von 26% für Kumari- ne [4]. In den ersten 6 SSW soll die Ein- nahme von Kumarinen eher nicht proble- matisch sein, die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon muss jedoch berücksich- tigt werden. E Die Antikoagulation bei Schwangeren mit mechanischen Herzklappen wird kontrovers diskutiert. Tatsächlich ist die mütterliche Komplikati- onsrate bei oraler Antikoagulation in der Schwangerschaft niedriger als bei der Ga- be von unfraktioniertem Heparin. Aller- dings müssen orale Antikoagulantien hö- her dosiert werden, ein INR von 3–4,5 soll erreicht werden. Dies führt zu einer höhe- ren Fehlbildungsrate [5]. Die Arbeitsgrup- pe „Thrombophiles Risiko in der Schwan- gerschaft“ der Gesellschaft für Thrombo- se und Hämostaseforschung empfiehlt da- her, auch bei Schwangeren mit einer me- chanischen Herzklappe niedermolekula- re Heparine zu verwenden – auch wenn die Sicherheit und die Wirksamkeit für die Schwangere noch nicht abschließend geklärt ist. Fazit für die Praxis In jedem Fall sind orale Antikoagulanzi- en im 1. Trimenon nur nach eingehender Beratung der Schwangeren einzusetzen und sollten lediglich im Einzelfall gege- ben werden. Die Gabe von niedermoleku- larem Heparin ist bei gleicher Effektivität Redaktion K. Diedrich, Lübeck M. Friedrich, Lübeck 1142 | Der Gynäkologe 12 · 2004

Upload: d-fischer

Post on 10-Jul-2016

221 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft

Leser fragen – Experten antworten

D. Fischer · M. FriedrichFrauenklinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft

Gynäkologe 2004 · 37:1142–1143DOI 10.1007/s00129-004-1615-7Online publiziert: 16. November 2004© Springer Medizin Verlag 2004

? Frage

Bei welchen Patientinnen ist während der Schwangerschaft ein Thromboseprophyla-xe indiziert und welche Antikoagulantien sind hierbei bevorzugt einzusetzen?

: Antwort

In den Fachgremien wird die Frage kont-rovers diskutiert. Die Arbeitsgruppe „Thrombophiles Risiko in der Schwanger-schaft“ der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung hat klare Emp-fehlungen erarbeitet.

Bei der Entscheidung, ob eine Throm-boseprophylaxe in der Schwangerschaft durchgeführt werden soll, ist die Bestim-mung des individuellen Thromboserisi-kos der Schwangeren notwendig.

E Eine generelle Thromboseprophylaxe ist in der Schwangerschaft nicht zu empfehlen.

Bei Frauen mit einem mittleren Throm-boserisiko (z. B. mit einer Thrombose in der Anamnese ohne hereditäres thrombo-philes Risiko) werden niedermolekulare Heparine empfohlen. Frauen mit einem Antithrombindefekt, einer akuten Throm-bose in der Schwangerschaft oder einer mechanischen Herzklappe gehören in die Gruppe der Patientinnen mit hohem Thromboserisiko. Hierfür werden geson-derte Empfehlungen ausgesprochen [].

Heparin-Moleküle sind nicht plazen-tagängig und werden bezüglich uner-

wünschter Wirkungen beim Fetus als si-cher eingestuft. Niedermolekulare Hepari-ne werden seit >0 Jahren in der Schwan-gerschaft angewendet. Sie werden insbe-sondere deshalb eingesetzt, da sie eine längere Halbwertszeit als unfraktionier-te Heparine aufweisen und seltener zu ei-ner Heparin-induzierten Thrombozytope-nie (HIT II) oder einer Osteoporose füh-ren [2, 3].

E Orale Antikoagulantien sind in der Schwangerschaft für Mutter und Fetus problematisch.

Kumarine passieren die Plazentaschran-ke und wirken teratogen. Eine Therapie mit Kumarin-Derivaten kann zwischen der 6. bis 2. Schwangerschaftswoche (SSW) zu charakteristischen Fehlbildun-gen führen. Unter der sog. Warfarin-Em-bryopathie werden eine nasale Hypopla-sie sowie kalkspritzerartige Veränderun-gen der Epiphyse verstanden. Auffällig-keiten im Bereich des zentralen Nerven-systems (ZNS, Mikrozephalie) und der Augen (Optikusatrophie) sowie Entwick-lungsverzögerungen finden sich insbe-sondere dann, wenn die Therapie mit Ku-marinen im 2. und 3. Trimenon weiterge-führt wurde.

Teratogene Schäden werden insgesamt bei bis zu zwei Drittel der Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Kumari-ne eingenommen haben, beobachtet. Ei-ne Studie ergab unter Bereinigung der Frühgeburten und mütterlichen Erkran-kungen, die nicht im Zusammenhang

mit der Antikoagulation standen, eine Komplikationsrate von 26% für Kumari-ne [4]. In den ersten 6 SSW soll die Ein-nahme von Kumarinen eher nicht proble-matisch sein, die lange Halbwertszeit von Phenprocoumon muss jedoch berücksich-tigt werden.

E Die Antikoagulation bei Schwangeren mit mechanischen Herzklappen wird kontrovers diskutiert.

Tatsächlich ist die mütterliche Komplikati-onsrate bei oraler Antikoagulation in der Schwangerschaft niedriger als bei der Ga-be von unfraktioniertem Heparin. Aller-dings müssen orale Antikoagulantien hö-her dosiert werden, ein INR von 3–4,5 soll erreicht werden. Dies führt zu einer höhe-ren Fehlbildungsrate [5]. Die Arbeitsgrup-pe „Thrombophiles Risiko in der Schwan-gerschaft“ der Gesellschaft für Thrombo-se und Hämostaseforschung empfiehlt da-her, auch bei Schwangeren mit einer me-chanischen Herzklappe niedermolekula-re Heparine zu verwenden – auch wenn die Sicherheit und die Wirksamkeit für die Schwangere noch nicht abschließend geklärt ist.

Fazit für die Praxis

In jedem Fall sind orale Antikoagulanzi-en im 1. Trimenon nur nach eingehender Beratung der Schwangeren einzusetzen und sollten lediglich im Einzelfall gege-ben werden. Die Gabe von niedermoleku-larem Heparin ist bei gleicher Effektivität

RedaktionK. Diedrich, LübeckM. Friedrich, Lübeck

1142 | Der Gynäkologe 12 · 2004

Page 2: Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft

sicherer und mit einem geringeren Blu-tungsrisiko verbunden als unfraktionier-tes Heparin.

Korrespondierender AutorPD Dr. M. Friedrich

Frauenklinik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck E-Mail: [email protected]

Interessenkonflikt: Die Autoren versichern, dass keine Verbindungen zu Firmen, deren Pro-dukt in dem Artikel genannt oder dargestellt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt ver-treibt, bestehen.

Literatur

1. Heilmann L, Rath W (2002) Niedermolekulares Heparin in der Schwangerschaft. Dtsch Arztebl A 99(7): 424–432

2. Hach-Wunderle V (2002) Thromboseprophylaxe nach chirurgischen Eingriffen am Venensystem. VASA 31(Suppl): 60

3. Ginsberg JS (1998) Use of antithrombotic agents during pregnancy. Chest 114: 524–530

4. Ginsberg JS, Chan WS, Bates SM, Kaatz S (2003) An-ticoagulation of pregnant women with mechani-cal heart valves. Arch Intern Med 163(6): 694–698

5. Hanania G (2001) Management of anticoagulants during pregnancy. Heart 86: 125–126

1143Der Gynäkologe 12 · 2004 |

Zertifizierte Fortbildung online bei SpringerCME-Punkte sammeln über die Webseite cme.springer.de

Mit dem in 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz sind Vertragsärzte wie auch im Krankenhaus tätige Ärzte verpflichtet sich regelmäßig fachlich fortzubilden. Das CME-Angebot von Springer mit der Zeitschrift und dem Online-Dienst cme.springer.de bie-tet die Möglichkeit, Multiple-Choice-Fragen der Rubrik „Weiterbildung · Zertifizierte Fortbil-dung“ online zu beantworten und somit wichtige Zertifizierungspunkte zu sammeln. Alles, was Sie benötigen ist ein persönliches Abonnement der Zeitschrift, an der Sie teilnehmen möchten, sowie ein Online-Zugang mit einer gültigen E-Mail Adresse.

Neuregistrierung

Bei erstmaliger Teilnahme auf http://cme.springer.de wählen Sie bitte „Neu registrieren las-sen“ (vgl. Abb. 1), wählen dann Ihre Zeitschrift und füllen das Registrierungsformular mit Ihrer Abonnementnummer aus. Unmittelbar danach erhalten Sie eine Bestätigungsmail. Beachten Sie aber bitte, dass wir Ihnen erst nach Prüfung – nach etwa 2-3 Tagen – eine zweite Mail zu-senden mit Ihrem Passwort.

Anmeldung mit Passwort

Nach Erhalt des Passwortes können Sie CME-Module Ihrer abonnierten Zeitschrift absolvieren. Gehen Sie hierzu bitte auf „Anmelden“ (vgl. Abb. 1) und geben dann Ihre Zugangsdaten (Passwort und Abonnementnummer) ein. Sie gelangen somit immer zu den aktuellen CME-Beiträgen Ihrer Zeitschrift.

Und sonst?

Wenn Sie ein den Registrierungs- bzw Anmeldeprozess einmal unabhängig von einem Abonnement durchspielen wollen, klicken Sie unter cme.springer.de auf den Menüpunkt „CMEtesten“. Bis Ende 2004 können Sie auch ohne Abonnement mit der neuen Zeitschrift „Der Pneumologe“ CME-Punkte sammeln.Weitere Informationen finden Sie auf unserer Webseite und unter dem Menüpunkt „Hilfe - FAQs“. Sollten noch Fragen offen bleiben, senden Sie eine E-Mail an [email protected].

Viel Erfolg wünscht Ihnen IhrSpringer CME-Team

cme.springer.de

cme.springer.de – Zertifizierte Fortbildung online bei Springer!

Abb. 1 8 Neuregistrierung – und Anmeldung – unter http://cme.springer.de