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Der Rechenschieber von «Iwan Bally»

26.10.2019 RST 35, in Kitzingen, Hans Kordetzky 1

Einleitung

• Rechenschieber ersteigert im Schweizerischen Online-Auktionshaus «www.ricardo.ch»

• Konzentration beim Ersteigern auf dem Rechenschieber

• Dem Etui keine Aufmerksamkeit geschenkt

• Erst beim Erhalt des Rechenschiebers war die Besonderheit des Etuis ersichtlich

• Jetzt begann eine interessante Forschungsarbeit mit nicht vorherseh-barem Ergebnis. Es galt herauszufinden, welcher Mensch oder welche Firma hinter diesem Rechenschieber steckt und in welchem Umfeld diese Menschen gelebt haben.


Das Etui des Rechenschiebers


Zum Rechenschieber-Etui ergeben sich folgende Gedanken: • Im Allgemeinen tragen Etuis den Namen des Herstellers, oder• der Vertriebsgesellschaft, beispielsweise «Gebr. Wichmann», oder • den Namen des Verkaufsgeschäftes, oder• den Namen des Auftragsgebers, beispielsweise «Siemens AG», oder• kein Aufdruck.• Das Etui hat ausserdem eine aufwendige Streifen-Prägung, an sich nicht üblich



Die Seitenansichten des Rechenschieber-Etuis ergeben weitere Fragen:

• Das Etui ist dem Rechenschieber in der Form angepasst, d.h., die normalerweiserechtwinklige Seite ist schräg und stimmt mit dem Winkel der cm-Skala überein.

• Wurde der Rechenschieber ohne Etui geliefert und das Etui separat hergestellt? • Pappe mit Lederüberzug? War das üblich?• Seit wann wurden Rechenschieber mit einem Etui vom Hersteller ausgeliefert?



Aber was bedeutet «Iwan Bally» und das Wappen?• Iwan, russischer männlicher Vorname, übersetzt: Johannes, Hans• Konnte sich eine Privatperson seinen Namen auf das Etui drucken lassen? • Ich denke ja, wenn er dafür entsprechend bezahlt hat. • Dies konnte sich aber nicht jeder leisten. Also musste die Person über entsprechende Geldmittel verfügen.• Eine Internet- und Bibliothek-Recherche ergab folgendes:


Carl Franz Bally

Eduard Bally

Helene Bally

Iwan Bally

Marguerite Bally Liselotte Bally Gertrud Bally Alice Bally

Ernst Otto BallyEduard

BallyArthur

BallyJulia Bally Max Bally

Arthur Bally

Stammbaum der Familie Bally (Auszug)

Stammvater der Bally ist der1778 aus dem Vorarlberg eingewanderte Franz Ulrich Bally, Maurer verändert sichZum Seidenbandverkäufer. Eigener Laden in Schönen-werd + Bandfabrikation. Sohn Peter übernimmt dasGeschäft. Er hat 14 Kinder. Das 11. Kind ist Carl Franz Bally, der Gründer der Schuh-Fabrik.

Franz Carl Bally • * 24.10.1821 in Schönenwerd/So, † 05.08.1899 in Basel

• Sohn von Urs Peter Bally und Annemarie Bally, geborene Herzog

• 1846 ꚙ Cécile Rychner, Tochter des Friedrich Kaufmanns von Aarau, zwei Söhne Arthur und Eduard

• Kantonsschule Aarau, Sprachaufenthalt in Nyon

• 1837 Eintritt ins väterliche Geschäft, 1849 Übernahme der Elastik- und Hosenträgerfabrik mit seinem Bruder Fritz

• 1851 Gründung der Schuhfabrik «Bally & Co.», dank der Mechani-sierung wuchs sie zum grössten Schuhersteller der Welt, 1916 wurden 3,9 Millionen Paar Schuhe hergestellt, Bally hat 7’159 Mitarbeiter

• Gemeinderat von Schönenwerd, solothurnischer Kantonsrat, Nationalrat (Verfechter eines eidg. Patentschutzes), Engagement zugunsten von Bildung, Wohlfahrt und Kirche, Synodalrat der christkatholischen Kirche der Schweiz


Gebäude der Firma Bally, Schönenwerd/So,


1837, das «Neue Haus» bzw. die«Werkschule» in Schönenwerd.Erstes Gewerbehaus der FamilieBally. Das Gebäude diente als Kon-tor, Ferggstube und Ausrüsterei.

Links das Kontor des Gründers

Die 1963 vollendete Herrenschuh-fabrik war das letzte grosse Bauvor-haben von Bally. Neben dem Hoch-haus entstand eine moderne Shed-halle.

Eduard Bally • * 11.08.1847 in Schönenwerd, † 24.07.1926 in Schönenwerd

• ältester Sohn von Carl Franz Bally und Cécile Bally, geb. Rychner

• 1874 Marie Prior, Tochter des Pastors Johann Friedrich Karl, von ꚙMeppen (D)

• Schulen in Aarau, technische Ausbildung in Schönenwerd, Banklehre in Genf, 1869-70, 1872, 1876 Aufenthalt in England und USA zwecks Studiums der amerikanischen Schuhindustrie

• 1892 Übernahme der Leitung des Unternehmens mit seinem Bruder Arthur, Rücktritt 1924

• Präsident des Solothurner Handels- und Industrievereins und der Handelskammer, Verwaltungsrat des EW Olten-Aarburg, Vorstandsmitglied des Vereins schweiz. Schuhindustrieller, des Zentralverbands Schweizer. Arbeitgeber-Organisationen, Solothurner Nationalrat

• Gründer der evang.-ref. Kirchgemeinde Schönenwerd,


Iwan Bally • * 13.12.1876 in Schönenwerd, † 02.08.1965 in Schönenwerd

• ältester Sohn von Eduard Bally und Frau Marie Bally, geb. Prior

• 1901 ꚙ Clara Wissmann, Tochter des Ludwig, Molkereibesitzer von Frankfurt am Main

• Gemeinde- und Bezirksschule Schönenwerd, Gymnasium in Aarau, Studium an der ETHZ und Universität, Banklehre in Paris

• 1897 Eintritt ins väterliche Geschäft, Aufenthalt in England, mehrere Reisen in die USA. Als Mitglied des Direktoriums der C.F. Bally AG leitet er die Rationalisierung nach amerikanischem Vorbild

• 1921-54 Verwaltungsratspräsident der Bally-Schuhfabriken und der Wiener Schuhfabrik

• 1918-44 Vizepräsident des Verbands schweiz. Schuhindustriel-ler, Mitglied der Solothurner und schweiz. Handelskammer,1929 Mitinitiant des Betriebswissenschaftlichen Institutes der ETH, Präsident der Schulkomm. und Bezirksschulpflege Schönenwerd

• 1921-33 Solothurner Kantonsrat, 1937-43 Ständerat


Das Wappen bzw. Ornament


Es ist kein Wappen der Familie Bally, sondern ein «Aldusblatt», benannt nach dem italienischen Verleger und Typografen Aldus Manutius (dem Älteren, 1449-1515).Es ist ein Synonym für das «Hederablatt» (lat. Hedera für Efeu bzw. hedera folium für Efeublatt. Umgangs-sprachlich auch als «Druckerherz» oder «Druckerblume» bezeichnet. Es ist kein Weinblatt.Es wurde als eine Art Interpunktionszeichen, das einen neuen Absatz bzw. einen Sinnschritt kenntlich machte, verwendet. Oder zur Zierde von Titelblättern.

1565

Werbeplakate


Bally-Museum


Das ehemalige Wohn-Haus «Zum Felsengarten» von Carl Franz Bally wurde1942 in ein Schuhmuseum umgewandelt

Rechenschieber


Rechenschieber•Typ: Mannheim•Hersteller: Dennert & Pape Altona, im Körperboden•Skalen; A|B, C|D, || S, L, T. cm-Skalen auf beiden Schmalseiten und auf dem

Körperboden. Für die Benutzung von T muss die Zunge gewendet werden, da nur eine Ableseaussparung vorhanden ist. •Baujahr: Zwischen 1888-1890, warum:

- Am 16. Februar 1886 erhält Dennert & Pape das DRP 34 583 für Holzlineale mit Zelluloid-Furnier

- 1888 Rechenschieber aus Mahagoni mit Zelluloid-Furnier lösen die Buchsbaum Stäbe ab- 1890 ersetzt der Metallrahmenläufer den Ganzmetall-Flügelläufer•Material: Mahagoni mit aufgeklebtem Zelluloid-Furnier•Läufer: Ganzmetall-Flügelläufer, auch Nasenläufer genannt. Er besteht aus

Messing und ist Oberflächenbehandelt, evtl. schwarzgebrannt


Rechenschieber-Vergleich

D&P – 1888-1890, Nasenläufer D&P – 1912, Metallrahmenläufer


Praktisch gleiche Skalen, nur die Höhen sind minim unterschiedlich, nach 22 Jahren

Rechenschieber-Vergleich Typemm D&P – 1888-1890,

NasenläuferD&P – 1912,

MetallrahmenläuferDifferenz 22 Jahre

Gesamtlänge 260 281 21

Gesamtbreite 31,9 32,3 0,4

Breite Skalenseite 25,1 26,6 1,5

Höhe des RS 10 11,1 1,1

Zungenbreite 10,8 11 0,2

Zungendicke 5,5 5,4 0,1


Gesamtlänge muss wegen der Rahmenläufer-Breite von 26,4 mm auf mindestens250 mm (Skalenlänge) + 26,4 mm = 276,4 mm verlängert werden.

Schlussfolgerung


Rechenschieber von D&P Schulbesuch von Iwan Bally

1888 Rechenschieber aus Mahagoni mit Zelluloid-Furnier lösen die Buchsbaum-Stäbe ab 1890 Der Metallrahmenläufer ersetzt den Ganzmetall-Flügelläufer, auch Nasenläufer genannt

1876 geb., 1888 war er 12 Jahre alt, bis dahin besuchte er die Gemeinde- und Bezirks-schule

1890 war er 14 Jahre alt und besuchte die Kantonsschule (Gymnasium) in Aarau, danach ETHZ, Universität, Banklehre

Schlussfolgerung = Ergebnis

• Das Alter des Rechenschiebers und das Alter für den Gebrauch des Rechenschiebers von Iwan Bally stimmen überein!

• Sein Vater, Eduard Bally, konnte es sich leisten seinem Sohn einen Rechenschieber zu kaufen

• Evtl. ein Geschenk zum Eintritt ins Gymnasium

• Die Firma Bally hatte eine Kartonage, in der Schuhkartons hergestellt wurden und sie besass Leder

• Die Firma Bally war deshalb in der Lage ein spezielles Etui für den Rechenschieber von Iwan Bally herzustellen


Schlussfolgerung = Ergebnis

• Wo wurde der Rechenschieber gekauft?

• Gibt es einen Schriftwechsel zwischen Bally und D&P?

• Beim Wappen auf dem Etui handelt es sich wahrscheinlich um das «Aldusblatt», dass früher als Schlussstück für einen Text oder als Kennzeichen für die Druckerwerkstatt ver-wendet wurde.

• Der Rechenschieber wurde in dieser Ausführung nur ca. zwei Jahre angefertigt.

• Die Stückzahl dürfte nicht besonders gross gewesen sein.

• Ein recht seltener Rechenschieber.


Der Rechenschieber kam auf Schusters Bally’s Rappen nach Kitzingen


Gute Schuhe tragen uns durchs Leben!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

„Bally Havanna“, ein Long Seller aus den 1980er Jahren – aus meinem Schuhschrank

der rechenschieber von «iwan bally€¦ · bally • * 11.08.1847 in schönenwerd, † 24.07.1926...

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