einfluß der thixotropie-mittel auf die rheologischen eigenschaften von anstrichstoffen

5
Oberflachenspannung zusammengestellt. Je kleiner die Teilchen und je hoher die Oberflachenspannung, um so groder wird der Kapillardruck. Tabelle 2 Teilchen- durchmesser P (kg/cm*) [PI 6 = 30 6 = 70 1 0.1 0.01 7.9 79 790 18 180 1800 Die fur die mikroskopischen Aufnahmen verwendete Esterwachs-Polystyrol-Mischung hatte eine Oberflachen- spannung von 30 dyn/cm. Der 'l'eilchendurchmesser be- tragt - wie schon erwahnt - beim Esterwachs 70 bis 100 A = <0.01 p, beim Polystyrol N 340 A = - 0.054 p. Theoretisch mudte also ein Druck von einigen 100 kg/ cm2 auftreten. In Wirklichkeit wird der Kapillardruck allerdings durch Unregelmadigkeiten, wie Schollen- oder Aggregatbildung, herabgesetzt; aber diese Oberschlags- rechnung zeigt doch, dad bei der Filmbildung grode Krafte wirksam werden. Plastische Polymerteilchen ver- schweiflen unter Einwirkung dieses Druckes und bilden ein makroskopisch homogen erscheinendes Gebilde, einen Film. Obertragt man diese Filmbildungstheorie auf den Filmbildungsvorgang bei den vorerwahnten Wachs- Polystyrol-Mischungen, dann sieht das folgendermagen aus: Die ,grot3en" harten Polystyrolkugeln und die kleineren weichen Wachskugelchen liegen statistisch verteilt in dichtester Kugelpackung nebeneinander. Unter der Wirkung des Kapillardruckes werden die Teil- chen aneinander gedruckt. Die Polystyrolkugeln sind starr und geben nicht nach; infolgedessen werden die dazwischen liegenden weichen Wachsteilchen so zu- sammengepredt, dai3 sie die Zwischenraume gleichmaflig ausfullen. Risse und grodere Unebenheiten, die eine diffuse Streuung des Lichtes bewirken wurden, konnen nicht entstehen. Auf diese Weise wird auch verstandlich, dai3 nur bei einem begrenzten Mischungsverhaltnis fur Wachs und Polystyrol glanzende Filme gebildet werden. Einerseits mu8 der Wachsanteil groi3 genug sein, um die Zwischen- raume zwischen den Polystyrolkugeln auszufullen; an- dererseits mud der Polystyrolanteil grot3 genug sein, urn ein ,,starres Geriist" zu bilden, in das die Wachskugel- chen eingepret3t werden. Man darf also wohl sagen, dai3 der bei der Filmbildung auftretende hohe Kapillar- druck bei den aus Wachs-Polystyrol-Mischungen be- stehenden Selbstglanz-Emulsionen die Arbeit des Boh- nerns ubernimmt. EinfluB der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschafien von Anstrichstoffen" Von Obeying. M. Gi e s e n In Fa. Deiitschs Advance Produktion GmbH., Maricnberg bei Hcmsheim Durch Verwendung geeigneter Zusatzstoffe wird versucht, das Flieherhalten der Anstrichstoffe so zu steuern, daB thixotrope Systeme entstehen. Die Wirkungsweise dieser thixotropen Zusatz- stoffe ist von einigen Faktoren (Ulgehalt, Pigment-Zusammen- setzung, Fullstoffteilchen usw.) der Lack-Rezeptur abhangig. Influence des agents thixotropes sur les proprigtds rhkologiques des vernis On tente, au moyen d'adjuvants convenables, de regler le comportement fluide des vernis de telle sorte qu'il se forme des systemes thixotropes. La maniere d'agir de ces adjuvants thixo- tropes est fonction de certains facteurs (teneur en huile, com- position des pigments, particules de la charge, etc.) de la formulation du vernis. Die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen sind von groi3er praktischer Bedeutung. Um z. B. Lacke und Lackfarben mit dem Pinsel oder der Spritzpistole aufbringen zu konnen, durfen sie nicht allzu viskos sein, aber auch nicht so fluid, dai3 sie von dem lackierten Gegenstand, namentlich an vertikalen Flachen, wieder ablaufen. Sie mussen eine zusammenhgngende Schicht von genugender Dicke, Haftung und Widerstandsfahig- keit liefern. Diese Grundforderung setzt bestimmte Fliedeigenschaften der Anstrichmittel voraus. Nach ihrem Fliedverhalten lassen sich alle fliedenden Stoffe in vier Hauptsysteme einteilen: * Vortrag anlaBlich des VI. FATIPEC-Kongresses in Wies- badcn vom 21. bis 25. Mai 1962; Erstveroffentlichung im FATIPEC-Kongrefibuch, Verlag Chemie GmbH, Wcinheim/ Bergstr. 1962, S. 3i4. Influence of Thixotropic Substances on the Rheological Properties of Paints and Varnishes By using suitable added substances, the flow behaviour of paints and varnishes is so regulated, that thixotropic systems arise. The mode of operation of these thixotropic added substances is dependent on some of the lacquer-reception factors (oil content, pigment composition, filler particles etc.). BnMslHkie TMKCOTPOnHhlX CpenCTi3 H a I)eOzIOFI.lqeCIClle CBOg- CTBR KpaC3IlllTiX BeqeCTB. npMMeHemeM noxxo,qmpix AO~ZLBOK nocTMraerca T amn pery.nMponKa TelcyliecTM ~pacnupm newewu, YTO obpa- 3YH)TCSI TMKCOTpOnHhle CMCTehllJ. ~efiCTRlI€! 3THX TRKCM- TPOnHbIX BeIIJeCTB 3BBIICHT OT IIAKOTOPLIX l[)a.KTOpOB / CO- aepxame Ma.(:m,, cowan nMrnlema, sncTriqhi HanmHo- Teax I peqen'rypbr naiia. 1. Newtonsche Flussigkeiten. 2. strukturviskose Flussigkeiten (auch pseudoplastische Fliissigkeiten genannt; hierher gehoren auch die thixotropen Systeme), 3. plastische Systeme (Bi?zghamsche Korper) und 4. dilatante Systeme. Diese Gruppen unterscheiden sich insbesondere in ihrem Viskositatsverhalten. Fur die erste Gruppe gilt das Newtonsche Reibungs- bzw. Viskositatsgesetz ' : 7xv.D z = Schubspannvnp 11 = Viskositat bzw. Viskositatskoeffizient D = Geschwindigkeitsgefallc P. Grassmann, Physikalisdle Grundlagen der Chemie-Ing. Technik, Aarau (Schweiz) 1961, 1. FETTE . SEIFEN . ANSTRICHMITTEL 64. Jahrgang Nr. 7 1962 615

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Page 1: Einfluß der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen

Oberflachenspannung zusammengestellt. Je kleiner die Teilchen und je hoher die Oberflachenspannung, um so groder wird der Kapillardruck.

Tabelle 2 Teilchen-

durchmesser P (kg/cm*) [PI 6 = 30 6 = 70

1 0.1 0.01

7.9 79

790

18 180

1800

Die fur die mikroskopischen Aufnahmen verwendete Esterwachs-Polystyrol-Mischung hatte eine Oberflachen- spannung von 30 dyn/cm. Der 'l'eilchendurchmesser be- tragt - wie schon erwahnt - beim Esterwachs 70 bis 100 A = <0.01 p, beim Polystyrol N 340 A = - 0.054 p. Theoretisch mudte also ein Druck von einigen 100 kg/ cm2 auftreten. In Wirklichkeit wird der Kapillardruck allerdings durch Unregelmadigkeiten, wie Schollen- oder Aggregatbildung, herabgesetzt; aber diese Oberschlags- rechnung zeigt doch, dad bei der Filmbildung grode Krafte wirksam werden. Plastische Polymerteilchen ver- schweiflen unter Einwirkung dieses Druckes und bilden ein makroskopisch homogen erscheinendes Gebilde, einen Film.

Obertragt man diese Filmbildungstheorie auf den Filmbildungsvorgang bei den vorerwahnten Wachs- Polystyrol-Mischungen, dann sieht das folgendermagen aus: Die ,grot3en" harten Polystyrolkugeln und die kleineren weichen Wachskugelchen liegen statistisch verteilt in dichtester Kugelpackung nebeneinander. Unter der Wirkung des Kapillardruckes werden die Teil- chen aneinander gedruckt. Die Polystyrolkugeln sind starr und geben nicht nach; infolgedessen werden die dazwischen liegenden weichen Wachsteilchen so zu- sammengepredt, dai3 sie die Zwischenraume gleichmaflig ausfullen. Risse und grodere Unebenheiten, die eine diffuse Streuung des Lichtes bewirken wurden, konnen nicht entstehen.

Auf diese Weise wird auch verstandlich, dai3 nur bei einem begrenzten Mischungsverhaltnis fur Wachs und Polystyrol glanzende Filme gebildet werden. Einerseits mu8 der Wachsanteil groi3 genug sein, um die Zwischen- raume zwischen den Polystyrolkugeln auszufullen; an- dererseits mud der Polystyrolanteil grot3 genug sein, urn ein ,,starres Geriist" zu bilden, in das die Wachskugel- chen eingepret3t werden. Man darf also wohl sagen, dai3 der bei der Filmbildung auftretende hohe Kapillar- druck bei den aus Wachs-Polystyrol-Mischungen be- stehenden Selbstglanz-Emulsionen die Arbeit des Boh- nerns ubernimmt.

EinfluB der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschafien von Anstrichstoffen" Von Obeying. M. Gi e s e n

In Fa. Deiitschs Advance Produktion GmbH., Maricnberg bei Hcmsheim

Durch Verwendung geeigneter Zusatzstoffe wird versucht, das Fl ieherhal ten der Anstrichstoffe so zu steuern, daB thixotrope Systeme entstehen. Die Wirkungsweise dieser thixotropen Zusatz- stoffe ist von einigen Faktoren (Ulgehalt, Pigment-Zusammen- setzung, Fullstoffteilchen usw.) der Lack-Rezeptur abhangig.

Influence des agents thixotropes sur les proprigtds rhkologiques des vernis

On tente, au moyen d'adjuvants convenables, de regler le comportement fluide des vernis de telle sorte qu'il se forme des systemes thixotropes. La maniere d'agir de ces adjuvants thixo- tropes est fonction de certains facteurs (teneur en huile, com- position des pigments, particules de la charge, etc.) d e la formulation du vernis.

Die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen sind von groi3er praktischer Bedeutung. Um z. B. Lacke und Lackfarben mit dem Pinsel oder der Spritzpistole aufbringen zu konnen, durfen sie nicht allzu viskos sein, aber auch nicht so fluid, dai3 sie von dem lackierten Gegenstand, namentlich an vertikalen Flachen, wieder ablaufen. Sie mussen eine zusammenhgngende Schicht von genugender Dicke, Haftung und Widerstandsfahig- keit liefern. Diese Grundforderung setzt bestimmte Fliedeigenschaften der Anstrichmittel voraus.

Nach ihrem Fliedverhalten lassen sich alle fliedenden Stoffe in vier Hauptsysteme einteilen:

* Vortrag anlaBlich des VI. FATIPEC-Kongresses in Wies- badcn vom 21. bis 25. Mai 1962; Erstveroffentlichung im FATIPEC-Kongrefibuch, Verlag Chemie GmbH, Wcinheim/ Bergstr. 1962, S. 3 i 4 .

Influence of Thixotropic Substances on the Rheological Properties of Paints and Varnishes

By using suitable added substances, the flow behaviour of paints and varnishes is so regulated, that thixotropic systems arise. The mode of operation of these thixotropic added substances is dependent on some of the lacquer-reception factors (oil content, pigment composition, filler particles etc.).

B n M s l H k i e TMKCOTPOnHhlX C p e n C T i 3 H a I)eOzIOFI.lqeCIClle C B O g - CTBR KpaC3Il l lTiX B e q e C T B .

n p M M e H e m e M noxxo,qmpix A O ~ Z L B O K n o c T M r a e r c a T a m n p e r y . n M p o n K a T e l c y l i e c T M ~ p a c n u p m newewu, YTO obpa- 3YH)TCSI T M K C O T p O n H h l e CMCTehllJ . ~ e f i C T R l I € ! 3 T H X T R K C M - T P O n H b I X BeIIJeCTB 3BBIICHT OT IIAKOTOPLIX l[)a.KTOpOB / C O - a e p x a m e Ma.( :m, , cowan nMrnlema, s n c T r i q h i H a n m H o - T e a x I peqen'rypbr naiia.

1. Newtonsche Flussigkeiten. 2 . strukturviskose Flussigkeiten (auch pseudoplastische

Fliissigkeiten genannt; hierher gehoren auch die thixotropen Systeme),

3. plastische Systeme (Bi?zghamsche Korper) und 4. dilatante Systeme.

Diese Gruppen unterscheiden sich insbesondere in ihrem Viskositatsverhalten. Fur die erste Gruppe gilt das Newtonsche Reibungs- bzw. Viskositatsgesetz ' :

7 x v . D z = Schubspannvnp 11 = Viskositat bzw. Viskositatskoeffizient D = Geschwindigkeitsgefallc

P . Grassmann, Physikalisdle Grundlagen der Chemie-Ing. Technik, Aarau (Schweiz) 1961, 1.

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 64. Jah rgang Nr. 7 1962 615

Page 2: Einfluß der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen

Hierzu gehoren Gase, Flussigkeiten oder Losungen von Stoffen init niedrigem Molekulargewicht, deren Vis- kositat in allen Bereichen der Schubspannung konstant ist, d. h. dai3 die Schubspannung t dem Geschwindig- keitsgefalle D streng proportional ist. Eine Viskositats- anderung tritt nur bei Druckeinwirkung auf, und zwar nimmt die Viskositat mit dem Druck linear ab, ohne dai3 die Substanz strukturelle Veranderungen erfahrt. Daneben gibt es aber Stoff e, deren FlieBeigenschaften nicht mehr durch dieses einfache Gesetz beschrieben werden konnen. Hierzu gehoren die plastischen, die strukturviskosen bzw. thixotropen und die ein anoma- les Verhalten zeigenden dilatanten Stoffe. Hier ist die Viskositat von der jeweiligen Veranderung des Ver- haltnisses der Schubspannung z zum Geschwindigkeits- gefalle D abhangig. Nach B. Suppan und P. Wertlzei- merZ gilt fur solche Substanzen allgemein die Grund- gleichung

v 1

Y '1 - = - (t- f )n ,

worin f die Fliei3grenze und der Exponent n die Ab- weichung vom Idealfall einer Newtonschen Flussigkeit angibt. Man mui3 demnach eine gewisse Kraft aufwen- den, um das FlieGen eines plastischen Stoffes zu bewir- ken. Hierzu ist eine Grenzschubspannung notwendig, die als Fliei3grenze bezeichnet wird. Ober den weiteren Ver- lauf der Fliei3kurve wird zunachst nichts ausgesagt. Nach Oberschreiten der FlieBgrenze konnen solche Stoffe Newtotisches oder auch Nicht-Newtonsches Verhalten zeigen.

Zu den strukturviskosen oder pseudoplastischen Syste- men gehoren hauptsachlich Losungen von Hochpoly- meren, deren Molekule geknauelt oder gestreckt sind. Unter der Einwirkung eines aui3eren Druckes orientieren sich die Makromolekule in Richtung der Kraft. Dies bedeutet, dai3 bei Erhohung der Schubspannung die Viskositat zunachst nicht linear abfallt. Erst nachdem die Molekule sich der Stromungsrichtung angepai3t ha- ben, tritt ein konstantes Geschwindigkeitsgefaille auf. Dieses Verhalten zeigen teilweise Klarlacke, vor allem aber die meisten pigmentierten Lacke.

Eine besondere Art der Strukturviskositat ist die Thixotropie. Freundlidz und Peterfi haben die Thixo- tropie als eine isotherme reversible Gel-Sol-Umwand- lung definiert. Es ist jedoch sehr selten, dal3 eine Sto- rung von aui3en zu einem vollkommenen Zusammenbruch der Gel-Struktur fuhrt. Bengt JarseS schlagt als kor- rektere Definition vor: dai3 Thixotropie eine isotherme, voll reversible S t r u k t u r u m w a n d 1 u n g ist, wobei der Zerstorungsgrad von der Energie abhangt, die dem System zugefuhrt wird. Somit mui3 die Thixotropie als ein besonderer Fall der Strukturviskositat betrachtet werden. Die zur Zerstorung benotigte Energie ist relativ gering und die Zeit bis zum Wiederaufbau der ursprung- lichen Struktur daher ebenfalls sehr kurz. Strukturvisko- sitat und Thixotropie konnen gleichzeitig auftreten. Da die Fliei3kurve einer thixotropen Substanz stets der FlieBkurve einer strukturviskosen Substanz ahnelt, ist eine Unterscheidungsmoglichkeit nur dadurch gegeben, dai3 man entweder mehrere Fliegkurven in verschie- denen Konzentrationsbereichen oder eine sog. Hysteresis- kurve aufnimmt. Dabei wird die Geschwindigkeitsande-

2 Farbe u. La& 62, 187 [1956]. Kolloid-Z. 178, No. 1, 35 [1961].

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 64. Jahrgang Nr. 7 1962

rung D bei steigender Schubspannung und sofort an- schliei3end bei entsprechend fallender Schubspannung gemessen. Bei thixotropen Korpern sind beide Kurven nicht identisch. Dai3 die Abwartskurve anders verlauft, ist darauf zuruckzufuhren, dai3 der Zeitbedarf fur den Aufbau des Systems hoher ist als der fur die Zer- storung.

Im Rheogramm der Abb. 1 sind die Flieakurven der besprochenen Systeme dargestellt.

Bekanntlich hat man es gerade bei Anstrichstoffen vielfach mit strukturviskosen oder thixotropen Systemen zu tun. Da fur die Lackfarben-Bereitung viele organische Stoffe (Filmbildner, Lijsungsmittel, Zusatzstoffe) und auch anorganische Stoffe (Pigmente und Fullstoffe) erfor- derlich sind, ist die Kenntnis des FlieGverhaltens der fertigen Lackfarben von fundamentaler Bedeutung.

Abb. 1. Verschiedene Fliefikurven

Alle diese Stoff e konnen das Hiefiverhalten sehr unter- schiedlich beeinflussen. Zur Kontrolle des Fliei3verhal- tens werden in der Praxis verschiedene Typen von Vis- kositatsmei3geraten verwendet, auf die hier aber nicht naher eingegangen werden SOH, zumal hieruber in der Literatur schon haufig berichtet wurde4-8. Fur die vor- liegenden Messungen wurden das Brookfield-Viskosi- meter (Typ LVF) und der Ebfiredzt-Rheomat 15 benutzt.

Wir wollen uns nunmehr den Stoffen zuwenden, die den Lacken und Lackfarben strukturviskose oder thixo- trope Eigenschaften verleihen. Es wird immer mehr an- gestrebt, fur den jeweiligen Anwendungszweck und fur die Verarbeitungsmethoden solche Lackfarben zu ent- wickeln, die ein ideales physikalisches Verhalten in allen Stadien, d. h. bei der Lagerung, der Verarbeitung und der nachfolgenden Filmbildung aufweisen. Ein wesent- licher Fortschritt wurde erzielt, als man Stoffe fand, die gewissen Lacksystemen ein anderes Fliei3verhalten verleihen. Eine Weiterentwicklung sind die sog. thixotro- pen Filmbildner, wie z. B. thixotrope Ule und Alkyd- harze. Zu den wichtigsten Zusatzstoffen, die struktur- viskose oder thixotrope Effekte in einer Lackfarbe ver- ursachen, gehoren im wesentlichen

a) dehydratisiertes, hochpolymerisiertes Ricinusol, b) unter spezifischen Bedingungen hergestelltes uber-

polymerisiertes und modifiziertes trocknendes Pflan- zenol,

c) besonders hergestellte Kieselsauregele mit extrem groi3er Oberflache und Produkte, die aus Mont- morilloniten und organischen Ammoniumbasen aufgebaut sind.

D. Wapler, Dtsch. Farben-Z. 12, 15, 56 [1958]. W. Gotze, Chem. Rdsch. [Solothurn] 13, 101 [1960]. /. Rinse, Paint Varnish Product. 48, No. 8, 25 [1958]. E . Hermann u. E. K a t z , Dtsch. Farben-Z. 12, 397 [1958]. H. H. Weber, Farbe u. La& 65, 127 [1959].

619

Page 3: Einfluß der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen

Solche Zusatzstoffe sind aber bei Anstrichstoff en nicht generell anwendbar, da ihre thixotrope Wirkung von einigen Faktoren der Lackrezeptur abhangig ist und auch die Hohe der Zusatze beschrankt werden mu& um unliebsame Nebenwirkungen, wie z. B. Verlaufstorun- gen, Glanzverlust, Beeintrachtigung der Haftfestigkeit usw., zu vermeiden. Da aber auch die thixotropen Film- bildner nicht fur jeden Verwendungszweck voll geeignet sind, mui3 man in vielen Fallen auf diese Zusatzstoffe zur Erzielung strukturviskoser oder thixotroper Eigen- schaften der Anstrichstoff e zuriickgreifen.

Warum ist nun ein strukturviskoses oder thixotropes Verhalten bei vielen Anstrichstoffen wiinschenswert? Die meisten Anstrichstoffe sind disperse Mehrstoffsyste- me von einem bestimmten Fliissigkeitsgrad, der sich so- wohl positiv als auch negativ auswirken kann. Nach dern Aufbringen auf den Anstrichtrager ist es notwendig, dai3 das Anstrichmittel fur eine kurze Zeit einen ge- wissen Fliissigkeitszustand behalt, damit vom Ort des Aufbringens die nahere Umgebung durch das Fliei3en mit erfai3t wird. Nur dadurch konnen eine geschlossene Oberflache mit einwandfreiem Verlauf und das Ein- dringen in Poren und Vertiefungen gewahrleistet wer- den. Diese notwendige Fliei3fahigkeit sol1 aber zeitlich begrenzt sein, da sonst andere verarbeitungstechnische Schwierigkeiten auftreten. So kann eine hohe Film- dicke, wie sie heute vielfach angestrebt wird, an verti- kalen FIachen bei zu lange bestehendem FlieBvermogen nicht erreicht werden, da das Material abzulaufen be- ginnt und die unerwunschte "Gardinenbildung" eintritt. Ferner dringt das Bindemittel auf saugfahigen Unter- griinden in die Poren und Kapillaren ein, wahrend die Pigment- und Fullstoffteilchen an der Oberflache zu- ruckgehalten werden. Damit ist zwangslaufig eine An- derung des Verhaltnisses Pigment/Bindemittel gegeben, was sich ebenfalls nachteilig auf die spateren Film- eigenschaften auswirkt. Ein weiterer Nachteil dieser langzeitig fliissigen Systeme ist die Auswirkung der Sedimentation der dispergierten festen Pigment- und Fiillstoffteilchen bei der Lagerung, die teilweise zu star- ken, nicht aufriihrbaren Bodensatzen fiihrt. Um zu einem Kompromii3 zu gelangen, ist es notwendig, das Fliei3- verhalten der Anstrichstoff e durch die Verwendung geeigneter Zusatzstoffe oder entsprechender Bindemittel so zu steuern, dai3 pseudoplastische bzw. thixotrope Anstrichstoffe entstehen. Es sollen nun die Ergebnisse unserer Untersuchungen iiber die Veranderungen der rheologischen Eigenschaften einiger Anstrichmittel durch die erwahnten Zusatzstoff e besprochen werden.

U/rnin

Abb. 2. Leinol-Alkydharz-Lack (A) Pigmentierung: 20.8 O/o TiO, (R)

5.2 O/o ZnO

Das Rheogramm der Abb. 2 gibt die FlieBeigenschaf- ten eines Leinol-Alkydharz-Ladtes A wieder, dem je- weils 2 O i o der Stoffe a-c zugesetzt wurden. Obwohl diese Stoffe allgemein als Thixotropie-Mittel gelten, zeigt sich, dai3 die fur thixotrope Substanzen typische Hysteresiskurve bei der Messung rnit dem Rotations- viskosimeter nicht erhalten wurde. Der starke Viskosi- tatsanstieg beruht auf einer Verdickung des ganzen Systems. Die Kurve a zeigt eine deutliche Struktur- viskositat, wobei sich die Viskositatsab- und -zunahme bei zeitlich gleicher Veranderung des Schergefalles im vollig gleichen Fliesverhalten ausdriickt.

Abb. 3. Hysteresiskurve, Leinol-Alkydharz-Lack (B)

Bei diesen thixotropen Zusatzstoffen ist die Wir- kungsweise von einigen Faktoren der Lackrezeptur ab- hangig. Neben dem Ulgehalt ist hier der Pigment- Zusammensetzung besondere Aufmerksamkeit zu schen- ken, denn hier handelt es sich um ein Alkydharz mit nur 50 O/o Ulgehalt. Die Pigmentierung bestand aus 80 O/o

Titandioxyd (Rutil) und 20 O/u Zinkoxyd. Nimmt man dagegen einen fast gleichen Lack B, bei dem aber ein rnit Stand01 aufgefettetes langoliges Leinol-Alkydharz bei gleicher prozentualer Pigment-Zusammensetzung eingesetzt wurde, so wird ein thixotropes Fliei3verhalten durch die Zusatzstoffe bewirkt, wie dies in den Rheo- grammen der Abb. 3 und 4 deutlich wird.

60

30

12 6 -

U / r n i n b c

Abb. 4. Hysteresiskurven, Leinol-Alkydharz-La& (B)

Um zu beweisen, dai3 es sich um eine echte Thixotro- pie handelt, wurden Parallelmessungen sowohl unter anderen Bedingungen, z. B. bei verschiedenen Tempera- turen, als auch mit einem anderen Rotationsviskosimeter durchgefiihrt. In Abb. 5 ist das Verhalten der im vor- herigen Bild gezeigten Fliei3kurve des Lackes B bei 20°, 30°, 40°, 50° und 100° C wiedergegeben. Dieses Rheo- gramm 1ai3t erkennen, dai3 trotz der Erhohung der Temperatur bei gleicher zeitlicher Veranderung des

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 64. Jahrgang Nr. 7 1962 620

Page 4: Einfluß der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen

Abb. 5. Hysteresiskurven, Thixotropie in Abhangigkeit von der Temperatur, Leinol-Alkydharz-Lack (B)

D S C C ' U / m i n

I

Hysteresiskurve, I

Lack (B) I

I I

I I

Das Fliedverhalten des gleichen Lackes, mit einem praziseren Rotationsviskosimeter gemessen, wird in Abb. 6 gezeigt. Es entstand ebenfalls eine Hysteresis- schleife, wobei sich bei einem Schergefalle von 235.3 sec-' bzw. bei 200 UIMin. eine Viskositat von 9.96 Poise ein- stellte.

200-2353 ' 8 ' Zg3

Abb. 7. Hysteresiskurve,

Leinol-Alkydharz- Lack (B)

In Abb. 7 sind die Viskositaten enthalten, die mit dem gleichen Rotationsviskosimeter bei unterschiedlichen Schergefallen bzw. Umdrehungsgeschwindigkeiten er- mittelt wurden. Die erste Messung U1 bei steigendem

F E T T E ' S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 64. Jahrgang Nr . ? 1962

Schergefalle wurde bis zu iiber 100 Skalenteilen durch- gefiihrt, weshalb es nicht moglich war, die genaue Vis- kositat zu ermitteln. Die Messung bei rucklaufendem Schergefalle erfolgte von U,, (235.3 sec-') an, was einer Viskositat von 7.93 Poise entspricht. Das Rheogramm ladt erkennen, dai3 es sich urn eine Hysterese handelt. Nach 1 Std. und 20 Min. wurde auf ein Schergefalle bei UB (178.8 sec-*) gegangen und eine Viskositat von 9.78 Poise ermittelt. Dann wurde bei fallendem Schergefalle die rucklaufige Kurve ermittelt. Eine dritte Messung erfolgte, nachdem innerhalb von 30 Sek. der Punkt Uc: erreicht war, an dem sich fur das gleiche Schergefalle von 178.8 sec-' diesmal eine Viskositat von 9.23 Poise ergab. Auch hier wurde eine Kurve bei fallendem Scher- gefalle aufgenommen. In jedem Falle zeigte sich, dab dieser Lack mit dem Zusatzstolf' b thixotrope Eigenschaf- ten besitzt.

Es wurde bereits erwahnt, dai3 die Bindemittel die Wirkungsweise solcher Thixotropie-Mittel erheblich beeinflussen. Dies gilt besonders fur die Zeit, die not- wendig ist, um den Endpunkt der Thixotropie zu er- reichen. Als Beispiel miige der Lack C dienen, der als Bindemittel eine Leinol-Holzol-Standol-Phenolharz- Kombination enthalt. Der Pigment-Anteil setzt sich zu- sammen aus 47 " i o Titandioxyd (Rutil), 6.5 O/o Zinkoxyd und 8.5 O/o Schwerspat + Diatomeenerde. Auf Zusatz von I .5 O/o des unter b genannten Thixotropie-Mittels tritt eine thixotrope Struktur bereits nach 20 Min. ein. Wie aber aus dem Rheograrnm der Abb. 8 ersichtlich ist, hat sich beim zeitlichen Verfolg der Veranderung der Viskositat ergeben, dai3 der Endzustand der Thixo- tropie erst nach 20 Std. erreicht war. Dies konnte zu dem Schlui3 fiihren, dad nach dem Zerstoren der Thixotropie

60

30

12 6 -

Abb. 8. Hysteresiskurven, Thixotropie in Abhangigkeit von der Zeit (C)

in der Praxis durch Riihren, Schutteln und dgl. jeweils wieder 20 Std. fur den Aufbau des thixotropen Zustan- des benotigt werden. Durch entsprechende Untersuchun- gen konnte aber festgestellt werden, dai3 die spatere Regenerierung innerhalb von 20 bis 30 Min. erfolgt. Das labt vermuten, dai3 ein gewisser ,,Reifeprozei3" des gesamten Systems notwendig ist, um einen endgiiltigen thixotropen Zustand zu erreichen. Aus der Praxis ist j a bekannt, dad man die meisten Lacke zuerst einem Reifeprozeb von mehreren 'Tagen oder Wochen aussetzt, ehe man durch Hinzufugen von weiteren Losungs- und Verdiinnungsmitteln die endgultige Konsistenz einstellt. Dab aber die drei genannten Thixotropie-Mittel sich in einem solchen Lack unter gleichen Voraussetzungen

62 1

Page 5: Einfluß der Thixotropie-Mittel auf die rheologischen Eigenschaften von Anstrichstoffen

Abb. 9. Hysteresiskurven, Leino1-Holzol-Standol/ mod. Phenolharz-Lack (C)

unterschiedlich verhalten, zeigt Abb. 9. Wenngleich die Stoffe a und c auch Veranderungen in der Struktur ver- ursachen, so handelt es sich doch nicht um eine echte Thixotropie. Betrachtet man die Fliei<kurven, so mui3 man zu der Annahme neigen, dai3 hier Thixotropie und Strukturviskositat nebeneinander vorliegen, wahrend bei Stoff b die Messung eine Hysteresisschleife ergab, wie sie nach Pigmentierung auch bei den typischen Gel- Alkydharz-Lacken D in Abb. 10 zu erkennen ist. Die Flieakurven zeigen praktisch die gleichen Hysteresis-

12 6

S kolenleile , i0 410 50 60 70 I I

Abb. 10. Hysteresiskurven, Gel-Alkydharz-Lack (D)

schleifen, die sich fur die Kurven 1 und 2 dadurch unter- scheiden, dai3 eine Veranderung der Pigmentierung vor- genommen wurde. Bei Kurve 1 : 1 7 OIo Titandioxyd (Ru- til) und 4 OIo Zinkoxyd und bei 2 : 17 O i o Titandioxyd (Rutil), 2 OIo Zinkoxyd und 2 OIo China Clay.

Im Rahmen dieser Arbeiten wurden auch die Ein- flusse der verschiedenen Pigment-Zusammensetzungen auf das Verhalten der Thixotropie-Mittel untersucht. Z. B. zeigte sich bei dem Lack A, dem durch die Zusatz- stoffe keine thixotropen Eigenschaften verliehen werden konnten, dai3 durch eine Xnderung des Anteiles von 5.2OIo Zinkoxyd auf 2.6OIo und Erganzung durch 2.6OIo

://up Pigmentierung: Lack (A)

20.8°/o TiO, (R) 2.6OIo ZnO 2.6Oio China Clay

S k d m l n k 25 50 75 100

Abb. 1 1 . Leinol- Alkydharz- J/,77*"

o b c

Lack (A)

Digmentierung: 20.8 O / o TiO, (R) 5.2 O/o ZnO

Skolcnmle f/ 25 50 75 I00

China Clay die Strukturviskositat erheblich zuruckging, wie dies die Rheogramme der Abb. 11 und 12 zeigen. Solche Veranderungen im rheologischen Verhalten tre- ten stets schon bei geringfugigen Anderungen der Binde- mittel-, Pigment- oder Losungsmittel-Zusammensetzung einer Lackfarben-Rezeptur auf. Bei den Losungsmitteln spielt der Anteil polarer Losungsmittel eine wichtige Rolle, da dieser bei einem zu hohen Anteil evtl. keine Thixotropie aufkommen laat.

Abb. 12. Leinol- Alkydharz-

Zum Schlui3 sol1 noch kurz auf eine einfache Priif- methode iiber das Ablaufverhalten von Anstrichstoffen an vertikalen Flachen eingegangen werden. Wie ein- gangs erwahnt, ist hierbei die jeweilige Schichtdicke fur das Fliei3verhalten maagebend. Mit Hilfe eines entspre- chenden Aufziehgerates lassen sich gleichzeitig schmale Anstriche verschiedener Nafl-Schichten x. auf Glas auf- bringen.

Abb. 13. Ablaufneigung des Lackes (B) ohne und mit Thixotropie-Mittel b

In Abb. 13 ist die Ablaufneigung des Lackes B ohne und mit Thixotropie-Mittel b zu sehen. Zum Vergleich wurde der Gel-Alkydharz-Lack D herangezogen. Die Ladre wurden horizontal auigebracht; dann wurden die Platten senkrecht hingestellt und bis zur Trocknung belassen.

Im Rahmen dieser Ausfuhrungen konnte nicht auf alle Einzelheiten eingegangen werden. Trotzdem diirf - ten diese Ausfuhrungen einen gewissen Aufschlui3 iiber den Einflufl von bekannten Thixotropie-Mitteln auf das rheologische Verhalten von Anstrichstoff en gegeben haben. -- * 50.81 76.21 101.61 127.01 152.41 177.81 203.2 p.

F E T T E . S E I F E N ' A N S T R I C H M I T T E L 64. Jahrgang N1.7 1962