der einfluß der kompressionsgeschwindigkeit auf die eigenschaften monomolekularer cholesterinfilme

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Der Einflui3 der Kompressionsgeschwindigkeit auf die Eigenschaften monomolekularer Cholesterinfilme" Von W. Baumeister:"" Aus dern Institut fur Biophysik und Elektronenmikroskopie der Universitat Diisseldorf Die Charakteristik der DruddFlachen-Isothermen monomole- kularer Cholesterinfilme an Wasser-Luft Grenzflachen hangt empfindlich von der Kompressionsgeschwindigkeit ab. Es wird gezeigt, daD zur Gleichgewichtseinstellung zwischen koexistie- renden molekularen Anordnungen untersmiedlichen Flachen- bedarfs sowohl vor wie auch nach dem Kollaps Relaxations- zeiten von mehreren Minuten erforderlim sind. Bei kontinu- ierlicher Kompression sind die Cholesterin-Monolayer unterhalb und oberhalb des Gleichgewichtsspreitungsdrudts metastabil. Kollaps- und Nach-Kollapsverhalten sowie Filmreversibilitat werden detailliert hinsichtlich der damit verbundenen Anderun- gen der Filmstruktur interpretiert. I. Einleitung Biomembranen sind nach heutigem Verstandnis dyna- mische Systeme, die am ehesten als quasi-zweidimen- sional organisierte viskose Fliissigkeit charakterisiert wer- den konnen, in die stochiometrisch definierte Lipid-Pro- tein-Komplexe eingebettet sind l. Cholesterin ist eine fast ubiquitare Komponente biologischer Membranen. deren Anteil am Gesamtlipidgehalt bis zu ca. 4Oo/o be- tragen kann*. Allgemein wird dem Cholesterin die Kon- trolle der Fluiditat der Lipidmatrix und damit der funktionellen Koharenz dieser aui3erst komplexen su- pramolekularen Systeme zugeschrieben, wiewohl auch andere Regulationsmechanismen denkbar und notwendig sind. Wenn auch bislang eine Analyse der tatsachlich realisierten individuellen Molekulartopographie biolo- gischer Membranen aus methodischen Griinden nicht moglich ist, so konnten doch vor allem durch Unter- suchungen an Modellsystemen, die das Verhalten von Membrankomponenten an Grenzflachen simulieren, einige generell giiltige Strukturvorstellungen entwickelt werden 4. Von den bekannten Modellsystemen bieten monomole- kulare Filme die vielfaltigsten und definiertesten Mog- lichkeiten, Teilsysteme zu rekonstituieren und dabei un- ter Bedingungen, die denen im naturlichen System mog- licherweise analog sind, Molekiilorientierungen sowie '$ Vortrag anlal3lich der DGF-Vortragstagung in Berlin am 2. Oktober 1973. ':." Anschrift des Verfassers: Dr. W. Baumeister, Institut fur Bio- physik und Elektronenmikroskopie der Universitat, 4 Dus- seldorf, MoorenstraGe 5. S. J. Singer u. G. L. Nicolson, Science 175, 720 [1972]. S. Schreier-Muccillo, D. Marsh, H. Dugas, H. Schneider u. J. C. P. Smith, Chem. Phys. Lipids 10, 11 [1973]. /. F. Danielli u. H. Davson, J. cellular comparat. Physiol. 5, 495 [ 19351. * J. S. O'Brien, J. Theoret. Biol. 15, 307 [1967]. Compression Rate Dependent Properties of Cholesterol Mono- layers The dependence of pressure/area-isotherm characteristics of cholesterol monolayers at water-air interfaces on the rate of compression has been investigated. It has been shown that equilibration between coexisting molecular arrange- ments in the pre- und post collapse region requires relaxation times of several minutes. Continously compressed cholesterol monolayers are metastable below and above the equilibrium spreading pressure. Collapse and post collapse behaviour and monolayer reversibility are interpreted in detail in terms of structural changes in the monolayer. intermolekulare Wechselwirkungen zu untersuchen 5, 6. Mit einer von I. Langmuir 7 entwickelten Apparatur kann der Filmdruck F (= Erniedrigung der Grenzflachenspan- nung des reinen Substrats durch den Film) direkt als Funktion der mittleren Besetzungsdichte der Substrat- oberflachen mit Filmmolekulen bzw. als Funktion des mittleren Flachenangebots pro Filmmolekiil (A) gemes- sen werden. Unter biologisch relevanter Variation eini- ger Parameter kann somit durch F/A-Isothermen die Thermodynamik dieser quasi zweidimensionalen Sy- steme beschrieben werden. Es darf allerdings nicht ubersehen werden, dai3 einige Parameter, die den Verlauf von F/A-Isothermen gra- vierend beeinflussen konnen, bislang aus meiitechnischen Griinden kaum kontrolliert oder gar gezielt variiert worden sind. So verursachen exogene horizontale Boden- schwingungen und endogene Querbeschleunigungen der Meflapparatur, verursacht vor allem durch unzureichend entkoppelte Vorschubmechanismen, Wellenbewegungen des Substrats, die in unerwiinschter Weise den Kollaps- druck der Filme erniedrigen. Es ist daher unbedingt not- wendig, endogene und exogene Schwingungsursachen durch geeignete konstruktive Mafinahmen auf ein Mini- mum zu reduzieren s. Vergleichbare F/A-Isothermen kon- nen nur bei vergleichbarem Schwingungsniveau gemes- sen werden. Ein anderer Parameter, der, obwohl von genereller Bedeutung fur die Beurteilung von F/A-Isothermen, fast vollig aufier acht gelassen wird, ist die Kompressions- und Expansionsgeschwindigkeit. Durch Verwendung regi- strierender Filmwaagen mit iiber einen weiten Bereich variabler Vorschubgeschwindigkeit konnte ein Einflufi der Kompressionsgeschwindigkeit auf den Verlauf der F/A- 5 G. Colacicco, J. Anier. Oil Chemists' SOC. 47, 428 A [1969]. 7 I. Langrnuir, J. Amer. chem. SOC. 39, 1848 [1917]. 8 W. Baumeister, 11th World Congress ISF, Abstracts of pa- W. Baumeister u. M. Hahn, Cytobiologie 7, 244 [1973]. pers, No. 105, Goteborg, 1972. 109

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Page 1: Der Einfluß der Kompressionsgeschwindigkeit auf die Eigenschaften monomolekularer Cholesterinfilme

Der Einflui3 der Kompressionsgeschwindigkeit auf die Eigenschaften monomolekularer Cholesterinfilme"

Von W . B a u m e i s t e r : " " Aus dern Institut f u r Biophysik und Elektronenmikroskopie der Universitat Diisseldorf

Die Charakteristik der DruddFlachen-Isothermen monomole-

kularer Cholesterinfilme an Wasser-Luft Grenzflachen hangt empfindlich von der Kompressionsgeschwindigkeit ab. Es wird gezeigt, daD zur Gleichgewichtseinstellung zwischen koexistie-

renden molekularen Anordnungen untersmiedlichen Flachen- bedarfs sowohl vor wie auch nach dem Kollaps Relaxations- zeiten von mehreren Minuten erforderlim sind. Bei kontinu- ierlicher Kompression sind die Cholesterin-Monolayer unterhalb und oberhalb des Gleichgewichtsspreitungsdrudts metastabil. Kollaps- und Nach-Kollapsverhalten sowie Filmreversibilitat werden detailliert hinsichtlich der damit verbundenen Anderun- gen der Filmstruktur interpretiert.

I. E i n l e i t u n g

Biomembranen sind nach heutigem Verstandnis dyna- mische Systeme, die am ehesten als quasi-zweidimen- sional organisierte viskose Fliissigkeit charakterisiert wer- den konnen, in die stochiometrisch definierte Lipid-Pro- tein-Komplexe eingebettet sind l. Cholesterin ist eine fast ubiquitare Komponente biologischer Membranen. deren Anteil am Gesamtlipidgehalt bis zu ca. 4 O o / o be- tragen kann*. Allgemein wird dem Cholesterin die Kon- trolle der Fluiditat der Lipidmatrix und damit der funktionellen Koharenz dieser aui3erst komplexen su- pramolekularen Systeme zugeschrieben, wiewohl auch andere Regulationsmechanismen denkbar und notwendig sind. Wenn auch bislang eine Analyse der tatsachlich realisierten individuellen Molekulartopographie biolo- gischer Membranen aus methodischen Griinden nicht moglich ist, so konnten doch vor allem durch Unter- suchungen an Modellsystemen, die das Verhalten von Membrankomponenten an Grenzflachen simulieren, einige generell giiltige Strukturvorstellungen entwickelt werden 4 .

Von den bekannten Modellsystemen bieten monomole- kulare Filme die vielfaltigsten und definiertesten Mog- lichkeiten, Teilsysteme zu rekonstituieren und dabei un- ter Bedingungen, die denen im naturlichen System mog- licherweise analog sind, Molekiilorientierungen sowie

'$ Vortrag anlal3lich der DGF-Vortragstagung in Berlin am 2. Oktober 1973.

':." Anschrift des Verfassers: Dr. W. Baumeister, Institut fur Bio- physik und Elektronenmikroskopie der Universitat, 4 Dus- seldorf, MoorenstraGe 5. S. J . Singer u. G . L . Nicolson, Science 175, 720 [1972].

S . Schreier-Muccillo, D . Marsh, H. Dugas, H. Schneider u. J . C . P . Smith, Chem. Phys. Lipids 10, 11 [1973]. /. F. Danielli u. H. Davson, J. cellular comparat. Physiol. 5, 495 [ 19351.

* J . S. O'Brien, J. Theoret. Biol. 15, 307 [1967].

Compression Rate Dependent Properties of Cholesterol Mono- layers

The dependence of pressure/area-isotherm characteristics of cholesterol monolayers at water-air interfaces on the rate of compression has been investigated. It has been shown that equilibration between coexisting molecular arrange- ments in the pre- und post collapse region requires relaxation times of several minutes. Continously compressed cholesterol monolayers are metastable below and above the equilibrium spreading pressure. Collapse and post collapse behaviour and monolayer reversibility are interpreted in detail in terms of structural changes in the monolayer.

intermolekulare Wechselwirkungen zu untersuchen 5, 6.

Mit einer von I . Langmuir 7 entwickelten Apparatur kann der Filmdruck F (= Erniedrigung der Grenzflachenspan- nung des reinen Substrats durch den Film) direkt als Funktion der mittleren Besetzungsdichte der Substrat- oberflachen mit Filmmolekulen bzw. als Funktion des mittleren Flachenangebots pro Filmmolekiil (A) gemes- sen werden. Unter biologisch relevanter Variation eini- ger Parameter kann somit durch F/A-Isothermen die Thermodynamik dieser quasi zweidimensionalen Sy- steme beschrieben werden.

Es darf allerdings nicht ubersehen werden, dai3 einige Parameter, die den Verlauf von F/A-Isothermen gra- vierend beeinflussen konnen, bislang aus meiitechnischen Griinden kaum kontrolliert oder gar gezielt variiert worden sind. So verursachen exogene horizontale Boden- schwingungen und endogene Querbeschleunigungen der Meflapparatur, verursacht vor allem durch unzureichend entkoppelte Vorschubmechanismen, Wellenbewegungen des Substrats, die in unerwiinschter Weise den Kollaps- druck der Filme erniedrigen. Es ist daher unbedingt not- wendig, endogene und exogene Schwingungsursachen durch geeignete konstruktive Mafinahmen auf ein Mini- mum zu reduzieren s. Vergleichbare F/A-Isothermen kon- nen nur bei vergleichbarem Schwingungsniveau gemes- sen werden.

Ein anderer Parameter, der, obwohl von genereller Bedeutung fur die Beurteilung von F/A-Isothermen, fast vollig aufier acht gelassen wird, ist die Kompressions- und Expansionsgeschwindigkeit. Durch Verwendung regi- strierender Filmwaagen mit iiber einen weiten Bereich variabler Vorschubgeschwindigkeit konnte ein Einflufi der Kompressionsgeschwindigkeit auf den Verlauf der F/A-

5 G. Colacicco, J. Anier. Oil Chemists' SOC. 47, 428 A [1969].

7 I . Langrnuir, J. Amer. chem. SOC. 39, 1848 [1917]. 8 W. Baumeister, 11th World Congress ISF, Abstracts of pa-

W. Baumeister u. M . Hahn, Cytobiologie 7, 244 [1973].

pers, No. 105, Goteborg, 1972.

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Isothermen fur Proteine J, Fettsauren Triglyceride la,

synthetische Phospholipide 14 sowie Cholesterin 15 nach- gewiesen werden. Dennoch ist bei den meisten Unter- suchungen der Einflufi der Kompressionsgeschwindigkeit auf das Verhalten monomolekularer Filme unberucksich- tigt geblieben und es steht aui3er Zweifel, dai3 nur in wenigen Fallen Gleichgewichtsisothermen gemessen wor- den sind.

stimmung mit friiheren Befunden l5 davon ausgehen, daD die Cholesterinmolekule mit der Hydroxylgruppe in der Wasseroberflache verankert, nahezu senkrecht zur Grenz- flache orientiert, in dichter monomolekularer Packung vorliegen.

11. B e s c h r e i b u n g d e r V e r s u c h e

Fur die Versuche benutzten wir Cholesterin (99 t ' / o

pure der Fa. Supelco, Bellefonte, Pa., USA) nach diinn- schichtchromatographischer Kontrolle ohne weitere Reini- gung. Losungen von ca. 0.25 mg Cholesterin/ml Benzol (Uvasol, Merck) wurden auf aqua bidest. gespreitet. Die registrierende Filmwaage, die auf dem Prinzip des Lang- muir-Troges basiert, ist bereits an anderer Stelle detail- liert beschrieben worden @. Um bei konstanten, auch fur die Grenzflache definierten Temperaturen messen zu konnen, haben wir die gesamte Apparatur in einer Klimapruftruhe aufgebaut. Die Flachenanderungsge- schwindigkeit der Apparatur ist zwischen 0.025 O i o + sec-I und 3.3 " / o . sec-l stufenlos regelbar. Unmittelbar nach AbschluD der Kompression werden die Filme mit der gleichen Geschwindigkeit expandiert.

Kompressionsgeschwindigkeit (V,) und Expansionsge- schwindigkeit (V,) werden im folgenden in A2 + sec-'. Molekiil-1 angegeben, wodurch sie unabhangig von den Trogdimensionen unmittelbar vergleichbar werden. Um den Einflui3 des Schwingungsniveaus auf den Verlauf der F/A-Isothermen zu minimalisieren, sind aui3er der sorgfaltigen Entkopplung des Trogs von endogenen und exogenen Schwingungsursachen alle Messungen nachts bei einheitlich niedrigem Schwingungsniveau durchge- fuhrt worden. Der Effektivwert der horizontalen Boden- schwingungen ist dabei mit einer an anderer Stelle be- reits beschriebenen Schaltung iiberwacht worden.

111. V e r s u c h s e r g e b n i s s e

Abb. 1 zeigt die 28OC F/A-Isotherme von Cholesterin (V, = 0.1 A2. sec-l. Molekiil-I). Bis zu einem mittleren molekularen Flachenbedarf von 43 A*/Molekul ist Cho- lesterin ohne erkennbaren Anstieg des Filmdrucks kom- primierbar. Bei weiterer Kompression zeigt die F/A-Iso- therme einen fur kondensierte Filme charakteristischen Filmdruckanstieg, der in Punkt C, dem Kollapspunkt, endet. Der gemessene molekulare Flachenbedarf im Punkt C (37.8 A2/Molekiil) stimmt aukrordentlich gut uberein mit dem von anderen Autoren I @ kalkulierten minimalen Projektionsquerschnitt eines Cholesterinmole- kiils (37.0 A2/Molekul). Man kann daher in Oberein-

D. G. Dervichian, Kolloid-Z. 126, 15 [1952]. 1'' S. Heller, Kolloid-Z. 136, 120 [1954]. 11 W. Rabinovitch, R. F . Robertson u. S. G. Mason, Canad.

12 R. E . Heikki la , C . N . Kwong u. D. G. Cornwell, J. Lipid

13 T. Bursh, K. Larsson u. M . Lundytiict, Chem. Phys. Lipids

'4 H . D. Pruss, Dissertation, Koln 1969.

J. Chem. 38, 1881 [1960].

Res. 11, 190 [1970].

2, 102 [196S].

P. Ekwall , R. Ekliolm u. A . Norman, Acta chem. scand. 11, 693 [1957].

I " F. A . V a n d e n h e w e l , J. Amer. Oil Chemists' SOC. 40, 455 [1963].

Abb. 1. 28" C F/A-Isotherme von Cholesterin (V, = 0.1 A*. sec-I . Molekii-1)

Komprimiert man den Film uber den Kollapspunkt hinaus, so erfolgt nach einem anfanglichen Absinken des Filmdrucks ein leicht diskontinuierlicher Filmdruck- anstieg. Bei einem mittleren Flachenbedarf von ca. 12 A'/ Molekiil, also ca. einem Drittel der Flache im Punkt C, setzt ein erneuter schnellerer Druckanstieg ein. Ob dieses Kollapsverhalten des Cholesterin Monolayers in Ana- logie zum Kollapsverhalten von Triglyceriden l' und einigen Gallensauren la als Bildung eines ,triple layers' interpretiert werden darf, ist im Augenblick noch un- klar. Sicher ist nach elektronenmikroskopischen Befun- den Ig an kollabierten Cholesterinfilmen, dai3 im Kol- lapspunkt multiple Faltenbildung einsetzt. Das erklart die Diskontinuitat im Verlauf der F/A-Isotherme bei Kompression uber C hinaus. 12.6 A2/Molekul wurden einem idealen triple-layer entsprechen. Die bei 12 A'/ Molekiil registrierte Kompressibilitatsanderung inufite dann als AbschluB der Bildung von "triple-layer" Schol- len, die moglicherweise sekundar zu einem nahezu konti- nuierlichen "triple-layer" fusionieren, gedeutet werden.

Die unmittelbar im Anschlui3 an die Kompression gemessene Expansionsisotherme des Cholesterins weicht in ihrem Verlauf deutlich von der Kompressionsisotherme ab. Die Reversibilitat (der mit dem Faktor 100 multi- plizierte Quotient aus den Flachen unter der Expan- sions- und der Kompressionsisotherme 14) ist rnit 24 Oio

nur sehr unvollkommen, obgleich die Grenzflachenbeweg- lichkeit von Talkumpartikeln auf eine hohe intermole- kulare Beweglichkeit in Cholesterinfilmen hinweist en.

Bei fortlaufender repetitiver (= zyklischer) Kompres- sion und Expansion eines Cholesterinfilms bleibt die Charakteristik der F/A-Isotherme (Abb. 2) unverandert.

17 K . Larsson, M . Lzcndquist, S . Stallberg-Stenhugen u. E. Stenhagen, J. Colloid Interface Sci. 29, 268 [ 19691.

18 P. Ekwall , R. E k k o l m u. A. Norman, Acta chem. scand. 11, 703 [1957].

l 9 K . Setala, 0. Ayrupi ia , M . Nyholm, L. Stjernval l u. Y. Aha, IV. Int. Kongr. Elektronenmikroskopie, Berlin 1958, W. Bargmann, D. Peters, C . Wolpers , Herausg., Springer- Verlag, Berlin-Gottingen-Heidelberg 1960.

2o D. A. Cadenhead u. M. C. Phillips, J. Colloid Interface Sci. 24, 491 [1967].

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Page 3: Der Einfluß der Kompressionsgeschwindigkeit auf die Eigenschaften monomolekularer Cholesterinfilme

Der molekulare Flachenbedarf im Punkt C verschiebt sich jedoch sukzessive zu kleineren Flachenwerten hin, wah- rend sich der Kollapsdruck geringfugig (um ca. 1.5 dyn . cm-I) erhoht. Da Cholesterin bei 25OC in Wasser prak- tisch unloslich ist 22 und da der molekulare Flachen- bedarf in C zumindest uber einen Bereich von mehreren

Abb. 2. Bei repetitiver Kompression und Expansion gemes- sene 25" C FiA-Isothermen von Cholesterin

(VJi = 0.1 A 2 . sec-l . Molekiil-I)

Stunden unabhangig ist von der Wartezeit zwischen dem Aufbringen der Substanz und dem Beginn der ersten Kompression, kann die Flachenverkleinerung mit Sicher- heit nicht als Verschwinden von Filmmolekulen in der Subphase oder in der Gasphase gedeutet werden. Vielmehr mul3 man annehmen, dai3 die bei einer Kompression bis auf ca. 1 A2/Molekul zwangslaufig entstehenden mehrschichtigen Aggregate bis zum Beginn der nachsten Kompression nur unvollkommen expandierbar sind und dann als Fehlstellen in den neu formierten Monolayer eingebaut werden. Die Anhaufung von Fehlstellen bei repetitiver Kompression geht, wie die Erhohung des Kollapsdrucks zeigt, einher mit einer Steigerung der tangentialen Druckfestigkeit des Films. Die Tendenz zur Flachenverkleinerung bzw. zur Erhohung des Kollaps- drucks kann umgekehrt werden durch Einfuhrung einer Wartezeit zwischen Expansion und erneuter Kompres- sion.

Bringt man Kristalle einer filmbildenden Substanz auf eine Wasseroberflache, so stellt sich nach einigen Stunden ein temperaturabhangiges Gleichgewicht zwi- schen Kristall und aus dem Kristall spontan gespreitetem monomolekularen Film ein 23, 24. Cholesterin hat bei 25O C auf Wasser einen Gleichgewichtsspreitungsdruck F, von 3 1.5 dyn . cm-'.

Durch intermittierende Kompression ist es moglich, die Stabilitat der unterhalb und oberhalb von F, realisier- ten Filmzustande zu charakterisieren 9, I*. Abb. 3 zeigt in tibereinstimmung mit fruheren Beobachtungen an anderen polycyclischen Systemen 9 5 , dai3 der Filmdruck

?'P. Ekwall u. L. Mandell, Acta h e m . scand. 15, 1404

2% M. Bourgks, D. M. Small u. D . G. Dervichian, Biohim.

2s A . V . Deo, S . B. Kulkarni, M . K. Gharpurey u. A. B.

24 H. Steinbach u. Chr. Sucker, Kolloid-Z. u. Z. Polymere

25 W. D. Harkins, E. F. Carman u. H . E. Rim, J. Amer. chem.

[ 19611.

biophysica Acta [Amsterdam] 137, 157 [1967].

Biswas, J. Colloid Sci. 19, 813 [1964].

251, 236 [1973].

SOC. 58, 1377 [1936].

unterhalb F, bei einer Unterbrechung der Kompression zunachst stark abfallt, bis schliei3lich ein nahezu kon- stantes Filmdruckniveau erreicht wird. Die Relaxations- zeit des Cholesterinfilms liegt im Bereich von 2 bis 3 Minuten. Halt man mit Hilfe einer Nachkompressions- vorrichtung den Filmdruck konstant, so verringert sich der Flachenbedarf des Films. Bei einer Kompressions- geschwindigkeit von ca. 0.1 A*. sec-'. Molekiil-' kommt es also offensichtlich nicht zu einer Gleichgewichtseinstel- lung zwischen den koexistierenden Konfigurationen oder Assoziaten unterschiedlichen molekularen Flachenbedarf s. Die Filmstruktur mui3 als inhomogen angesehen werden, wobei offenbleibt, ob hier ,,gequantelte" Cholesterin- Wasser-Assoziate die gesamte angebotene Flache sta- tistisch belegen, wie es fur verschiedene Fettsauren po- stuliert wird 26, oder ob inselformige, in sich quasi-zwei- dimensional kristallin organisierte Bereiche vorliegen, wie elektronenmikroskopische Befunde an monomoleku- laren Filmen aus Stearinsaure anzudeuten scheinen 27. 28.

Wahrend bei kontinuierlicher Kompression aber nied- riger Kompressionsgeschwindigkeit nahe F, eine noch zu diskutierende charakteristische Anderung der Kom- pressibilitat des Films zu registrieren ist, tritt diese bei Vk > 0.02 A* a sec-'. Molekul-I verzogert oder gar nicht auf. Der Film ist zwischen F, und F, metastabil. Bei intermittierender Kompression uber C hinaus sinkt der Filmdruck stets innerhalb weniger Minuten auf einen Wert ab, der gut mit dem Gleichgewichtsspreitungsdruclc F, ubereinstimmt, d. h. im lokal ,,uberkomprimierten" Film verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten mehr- schichtiger quasi kristalliner Aggregate. Umgekehrt steigt bei intermittierender Expansion der Filmdruck auf einen entsprechenden Wert an.

F ldynkml

- 3min

Abb. 3. Relaxation eines monomolekularen Cholesterinfilms bei intermittierender Kompression

(V, = 0.1 A* . sec-I . Molekiil-1)

Betrachtet man den molekularen Flachenbedarf von Cholesterin im Punkt C in Abhangigkeit von der Kom- pressionsgeschwindigkeit Vg (Abb. 4), so zeigt sich fur die 50 C- wie auch fur die 35" C-Isotherme eine leichte Abnahme des Flachenbedarfs bei Reduzierung der Kom- pressionsgeschwindigkeit von 0.5 bis auf ca. 0.02 A'' sec-' . Molekul-'. Da, wie wir bereits gezeigt haben, die Loslichkeit von Cholesterin in der Subphase vernach- lassigbar klein ist, erscheint die Verringerung des mole- kularen Flachenbedarfs bei Verlangsamung der Kom- pression nur als Abnahme der Fehlstellendichte im Film deutbar. Die drastische Verminderung des molekularen

26 H . Steinbach u. Chr. Sucker. Kolloid-Z. u. Z. Polvmere 251,-653 [1973].

27 H. E. Ries u. W. A . Kimball, Nature [London] 181, 901 [ 19581. B. R. Banerjee, B. Ostrofsky u. H. E. Ries, Nature [Lon- don] 193, 873 [1962].

111

Page 4: Der Einfluß der Kompressionsgeschwindigkeit auf die Eigenschaften monomolekularer Cholesterinfilme

Flachenbedarfs in C bei Kompressionsgeschwindigkeiten < 0.02 A" sec-' . Molekul-' geht einher mit einer deut- lichen Diskontinuitat des Filmdruckanstiegs nahe F, und einer nachfolgenden deutlichen Erhohung der Filmkom- pressibilitat (Abb. 5). Das deutet darauf hin, daB bei

35

30

25

0,025 905 Ql OJ5 92

VK (A2. sec-' . Molekul-I)

Abb. 4. Abhangigkeit des molekularen Flachenbedarfs van Cholesterin im Kollapspunkt (C) van der Kompressions-

geschwindigkeit VI;

sehr langsamer Kompression oberhalb von F, eine Kri- stallisation im dreidimensionalen System einsetzt. Wah- rend also bei Kompressionsgeschwindigkeiten > 0.02 A'. sec-' . Molekiil-' zwischen F, und F, ein metastabiler Zustand des monomolekularen Cholesterinfilms reali- sierbar ist, wobei eine von Vk abhangige Fehlstellen- dichte zu registrieren ist, koexistieren bei Kompressions- geschwindigkeiten < 0.02 A" sec-I . Molekiil-' Kristalle von kolloidaler Dimension und monomolekularer Film.

Ob man den Vorgang der Kristallbildung innerhalb des Films als ,,Kollaps" bezeichnet oder ob man als Kol- laps nur die schollenartige Auswanderung von Film- material aus der Wasser-Luft-Grenzflache, auf die sekundar ein Kristallisationsprozefi folgen kann, bezeich- net, ist letztlich eine Definitionsfrage.

Abb. 5 . 5" C F/A-Isotherme von Cholesterin (V, = 0.015 A2 . sec-I . Molekul-')

Auch bei Kompressionsgeschwindigkeiten von 0.0 1 A2 sec-I . Molekiil-' kommt es noch nicht zu einer Gleich- gewichtseinstellung. Bei Kompression iiber F, hinaus tritt weiterhin im Kollapspunkt der fur Schollenbildung charakteristische spontane Abbruch des Filmdruckanstiegs auf. Unter den Vorbehalten, die bei einer makrosko- pischen Phanomenologie molekularer Vorgange allge-

mein geboten ist, kann man annehmen, dai3 in diesem Geschwindigkeitsbereich bei Kompression iiber C hinaus Mikrokristallbildung und makroskopisch sichtbare Schol- lenbildung konkurrieren.

Bei intermittierender Kompression fallt oberhalb von F, der Filmdruck innerhalb weniger Minuten auf kon- stante Werte nahe F, ab. Dreidimensionale Aggregate und Monolayer stehen dann im Gleichgewicht.

Die ausgepragten Diskontinuitaten im Verlauf der F/A-Isotherme bei Kompression uber C hinaus deuten auf die Bildung groBerer Schollen hin, was in Anbe- tracht der geringeren Fehlstellendichte verstandlich er- scheint. Durch die partielle Kristallisation des Film- materials beginnt bei niedrigen Kompressionsgeschwin- digkeiten der fur die Bildung eines "triple-layers" cha- rakteristische Druckanstieg erst bei Flachenwerten, die erheblich kleiner sind als 12 A 2 . Molekiil-' (Abb. 5) .

Der Kollapsdruck monomolekularer Cholesterinfilme nimmt rnit steigender Kompressionsgeschwindigkeit zu. Schon bei der Diskussion der repetitiven Kompression wurde angedeutet, daB sich die laterale Druckfestigkeit der Filme bei hoherer Fehlstellendichte erhoht.

Abb. 6. EinfluB der Kompressions- und Expansionsgeschwin- digkeit (VIC, V,) auf den Verlauf der Expansionsisothermen

van Cholesterin

Betrachtet man die Expansionsisothermen von Chole- sterin (Abb. 6 ) in Abhangigkeit von Temperatur bzw. Kompressions- und Expansionsgeschwindigkeit (VK=VE), so zeigt sich, daB die Filme mit steigender Temperatur reversibler werden, d. h. die Expansionsisotherme weicht weniger von der Kompressionsisotherme ab. Das ist ver- standlich, da die Filmexpansion eine laterale Beweglich- keit der Filmmolekiile erfordert, die gekoppelt ist mit der thermischen translatorischen Bewegung der Wasser- molekiile. Ebenso deutlich nimmt die Reversibilitat bei niedrigen VK und VE ab. Bei 5 O C und V K (= V,) = 0.2 A" sec-' . Molekiil-l betragt die Reversibilitat des Cholesterinfilms 16@/0, bei Vx (= V,) = 0.07 A*. sec-'. Molekiil-I nur noch 3 O / o . Bei 35O C lauten die entspre- chenden Reversibilitatswerte 48 " / o bzw. 32 O h . Das ist konsistent mit der Annahme der Entstehung dreidimen- sionaler kristalliner Aggregate, durch die sich fur einen Teil des Filmmaterials die sterische Zuganglichkeit zur Wasser-Luft-Grenzflache derart verschlechtert, dai3 der Film innerhalb des Expansionszeitraums schlieBlich prak- tisch irreversibel wird.

Eingegangen am 1. April 1974.

112