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SEITE 22 · FREITAG, 20. FEBRUAR 2015 · NR. 43 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen FRANKFURT, 19. Februar S eit 1. April 2009 ist Werner Stein- müller im erweiterten Vorstand der Deutschen Bank. Anders als mancher seiner Vorstandskollegen hat er kaum Aufsichtsratsmandate in ande- ren Unternehmen übernommen – genau genommen nur eins: Kurz nach Beginn sei- ner Vorstandstätigkeit in der Deutschen Bank rückte Steinmüller in den Aufsichts- rat der Postbank. Dieses Mandat schien lange wenig brisant zu sein – doch jetzt wird es Thema einer juristischen Ausein- andersetzung zwischen Postbank-Aktionä- ren und Deutscher Bank, die seit Jahren tobt. Darin geht es um die Frage, ob die Deutsche Bank nicht mehr Geld – die Rede ist von bis zu 1,6 Milliarden Euro – für die Postbank hätte zahlen müssen. Nun stellt sich zusätzlich die Frage, ob Steinmüller im Aufsichtsrat der Postbank die Interessen der Deutschen Bank schon in einer Zeit durchgesetzt hat, in der die Deutsche Bank nur Minderheitsgesell- schafter war und die Postbank noch nicht zu ihrem Konzern gehörte. Zur Erinnerung: Die Deutsche Bank hat- te den Einstieg in die Postbank im Septem- ber 2008 bekanntgegeben – kurz vor Be- ginn der Finanzkrise. Damals war die Deut- sche Bank bereit, der Deutschen Post für 29,75 Prozent der Postbank-Aktien 57,25 Euro je Stück zu zahlen. In Nachverhand- lungen gelang es ihr später, den Preis zu drücken. Im ersten Quartal 2009 erwarb die Deutsche Bank dann knapp 23 Prozent und zahlte dafür der Post 23,92 Euro je Ak- tie. Damit zahlte sie der Post deutliche Auf- schläge auf den Börsenkurs. Zudem sicher- te sie sich über Termingeschäfte praktisch die Mehrheit an der Postbank. Bis Jahresende 2009 aber stockte die Deutsche Bank ihre offizielle Beteiligung an der Postbank nur vorsichtig mit geziel- ten Aktienkäufen an der Börse auf 29,88 Prozent auf. Aus gutem Grund: Nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmege- setz muss allen Aktionären ein Pflichtan- gebot unterbreitet werden, sobald ein neu- er Eigentümer die Kontrolle über das Un- ternehmen erworben hat. Kontrolle be- deutet nach dem Gesetz: Der neue Eigner muss mindestens 30 Prozent der Stimm- rechte besitzen. Das Überschreiten dieser Schwelle mied die Deutsche Bank bis zum Oktober 2010 wie der Teufel das Weihwasser. Erst dann nutzte sie den günstigeren Aktienkurs der Postbank, die zuvor erst aus dem Dax und dann aus dem M-Dax geflogen war. Statt 57,25 Euro, die sie ursprünglich für die ersten Aktien hätte zahlen sollen, oder mehr als 40 Euro – der Börsenkurs im September 2008 – musste die Deutsche Bank nun nur noch 25 Euro zahlen. Denn bei einem Übernahmeangebot ist gesetzlich vorge- schrieben, dass der Aufkäufer mindestens den Drei-Monats-Durchschnittskurs zah- len muss. Mehr gab es für die Postbank- Aktionäre dann auch nicht. Seither hat eine Reihe von Klägern ver- sucht, der Deutschen Bank nachzuwei- sen, dass sie nur mit einem komplizierten Kaufkonstrukt so lange die Kontrollaus- übung verschleiert habe. Sie hätte, so die Forderung, schon viel früher ein Übernah- meangebot abgeben müssen. Schließlich hatte sich die Deutsche Bank de facto mit Hilfe von Optionsgeschäften und Anleihe- geschäften schon 2009 die Mehrheit an der Postbank für die Zukunft gesichert. Die Deutsche Post AG als Verkäufer er- hielt daher im Zuge dieser Geschäfte zwi- schen Februar 2012 und Februar 2013 im- merhin zwischen 45,45 und 49,42 Euro je Postbank-Aktie für eine insgesamt 39,5 Prozent große Beteiligung. Damit zahlte die Deutsche Bank der Post fast doppelt so viel je Postbank-Aktie wie später den Minderheitsaktionären. Doch deren Forderungen nach einem Preisnachschlag prallten lange an den Richtern ab. Erst im Sommer 2014 gab es für die Kläger – angeführt vom Magazin „Effecten-Spiegel“ – einen ersten Teil- erfolg. Der Bundesgerichtshof wies das Verfahren zurück an das Oberlandesge- richt Köln. Es muss nun prüfen, ob die Deutsche Bank nicht doch schon früher die Kontrolle über die Postbank besaß – nicht durch Überschreiten der 30-Pro- zent-Schwelle, sondern durch mittelbare Einflussnahme im Wege abgestimmter Verhaltensweisen. Juristen nennen dies „Acting in Concert“. Wenn dieser Ver- dacht sich erhärtet, wäre die Postbank schon in ihrer unternehmerischen Aus- richtung durch die Deutsche Bank verän- dert worden, als sie noch gar nicht zum Konzern gehörte und noch als eigenstän- diges Unternehmen galt. Unbestritten hat die Deutsche Bank mit Steinmüller und Tessen von Heydebreck (ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Bank) schon im April 2009 zwei Vertreter in den Aufsichtsrat entsen- det. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein maßgeblicher Aktionär dies tut. Durch bis- her geheime Dokumente über Steinmül- lers Aufsichtsratstätigkeit könnte aber der Verdacht des „Acting in Concert“ bald stärker untermauert werden. Darauf hof- fen zumindest die Postbank-Minderheits- aktionäre, die sich von der Deutschen Bank beim Kauf der Postbank ungerecht behandelt fühlen. Auf den ersten Blick mag es absurd klingen: Während die Deut- sche Bank in diesen Tagen prüft, ob und wie sie aus der Postbank wieder aussteigt, werfen hartnäckige Minderheitsaktionäre mit umtriebigen Anwälten ihr vor, durch Steinmüller im Aufsichtsrat früher als bis- her gedacht Einfluss auf das Geschäft der Postbank genommen zu haben. Rund zwanzig Klagewillige vertritt nach eigenen Angaben der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Schirp. Mit ei- gentlich vertraulichen Unterlagen, die dem Anwalt offenbar aus der Postbank zu- gespielt wurden, wirbt er um weitere Kla- gewillige. Die Deutsche Bank hat Schirp schon mit Briefen malträtiert. Den Brief- wechsel hat der Anwalt nun dieser Zei- tung zur Verfügung gestellt. Darin wirft Schirp Steinmüller und damit der Deut- schen Bank vor, als Vorsitzender des Kre- ditausschusses des Aufsichtsrates „massi- ve Einflussnahme auf die Kreditvergabe- praxis des Zielunternehmens“ in den Jah- ren 2009 und 2010 genommen zu haben. Beispielhaft verweist Schirp auf die voll- ständige Ablehnung eines Kreditantrags des Unternehmens Scandferries, die Steinmüller im Mai 2010 gegen den Wil- len der eigentlich zuständigen Mitarbei- ter der Postbank durchgesetzt habe. Aus internen Unterlagen aus der Post- bank will Schirp wissen, dass die Darle- hensvergabe an Scandferries bereits vom Vorstand der Postbank genehmigt wor- den war und dass diese Genehmigung auch dem Kunden schon mitgeteilt wor- den sei. „Erst aufgrund der Intervention von Herrn Steinmüller musste die Geneh- migung zurückgezogen worden“, schreibt Schirp und legt den entsprechenden, ei- gentlich geheimen Beschluss des Kredit- ausschusses bei. Schirp zeigt an einem weiteren Beispiel, dass er über weitere in- terne Unterlagen aus der Postbank ver- fügt, und schreibt der Deutschen Bank: „Aus unserer Sicht offenbaren diese Do- kumente massive Einflussnahmen Ihres Hauses auf die Kreditvergabe der damals (angeblich) rechtlich noch selbständigen Postbank AG. Diese Eingriffe wurden aus- weislich der Faxkennung von Herrn Stein- müllers Büro von Ihrem Hause aus vorge- nommen, die Weisungen wurden sodann per Fax zur Postbank AG übertragen.“ Die Deutsche Bank hat Schirp auf seine Briefe hin einmal geantwortet, der Brief ist unterschrieben vom Leiter der Rechts- abteilung, Christof von Dryander. Dies wertet Schirp als Zeichen dafür, dass „der Vorgang im Hause der Deutschen Bank eine gewisse Aufmerksamkeit genießt“. Die Deutsche Bank gibt sich allerdings ge- lassen. In dem Brief an Schirp zeigt sie sich zwar „sehr verwundert, dass Ihnen sol- che Unterlagen vorliegen“. Dann heißt es weiter: „Unabhängig davon scheinen uns die in den Unterlagen wiedergegebenen Aussagen und Hinweise typisch für die Wahrnehmung einer Kontroll- und Bera- tungsaufgabe zu sein, wie sie dem Kredit- ausschuss einer Bank obliegt.“ Ein Spre- cher der Deutschen Bank wollte mit Blick auf das laufende Verfahren keinen weite- ren Kommentar abgeben. Steinmüller ist in Frankfurt als unbe- scholtener Banker bekannt. Menschen, die ihn kennen, können sich nur vorstel- len, dass er sein Mandat im Kreditaus- schuss der Postbank strikt von seiner Vor- standstätigkeit in der Deutschen Bank ge- trennt hat. Faxe habe er vielleicht aus sei- nem Büro in der Deutschen Bank ver- schickt, aber bestimmt eigene Assisten- ten für die Postbank abgestellt und inso- fern Vorstands- und Aufsichtsratstätig- keit organisatorisch so getrennt, dass es keine Überschneidungen gebe. Genau das bezweifelt Schirp. Vielmehr glaubt der Anwalt, der Kredit an den Kun- den Scandferries sei deshalb durch Stein- müller abgelehnt worden, weil auch die Deutsche Bank schon an dieses Unterneh- men Kredite vergeben habe. Steinmüller, so der Vorwurf, habe sich bereits Gedan- ken über ein künftig gemeinsames Kredit- portfolio gemacht, obwohl Deutsche Bank und Postbank zu diesem Zeitpunkt formal noch selbständige Unternehmen gewesen seien. Diese Betrachtung von addierten Einzelrisiken beider Banken sei ein klares Indiz für „Acting in Concert“, also ein ab- gestimmtes Verhaltens, meint Schirp. Während die Deutsche Bank argumen- tieren könnte, Steinmüller sei als Zustän- diger im Vorstand für Zahlungsverkehr eher weit entfernt vom Kreditgeschäft der Deutschen Bank, unterstellt Schirp „intime Kenntnisse, Einschätzungen und Zuarbeiten Ihres Hauses“, so dass Stein- müllers Aufsichtsratsmandat in der Post- bank nicht mehr als persönlich betrachtet werden könne. „Daneben war eine ge- naue Kenntnis der inhaltlichen Festlegun- gen und Eigenkapitalanforderungen Ih- res Hauses zu den künftigen Einzelrisi- ken erforderlich“, schreibt Schirp und be- hauptet, er habe dafür Zeugen unter den Mitarbeitern. Ohne qualifizierte Zuarbeit wären die Entscheidungen Steinmüllers „willkürlich und substanzlos gewesen, zu- mal sie bereits getroffene Entscheidun- gen des Vorstandes der Postbank AG revi- dierten“, schreibt der Anwalt. Schirp gibt sich überzeugt, dass die Funktion von „Steinmüller als Vorsitzen- der des Kreditausschusses der Postbank AG eine ganz besondere Bedeutung“ hat, die in den bisherigen Verfahren – insbeson- dere im Verfahren des „Effecten-Spiegels“ – nicht thematisiert worden sei. Allerdings war die Tätigkeit Steinmüllers als Vorsit- zender des Kreditausschusses der Post- bank der Bankenaufsicht natürlich be- kannt, und sie nahm daran keinen Anstoß. Wer aber vor Gericht recht erhält, muss sich noch zeigen. Womöglich hat Steinmül- ler nur das getan, was ein Aufsichtsrat und erst recht der Vorsitzende des Kreditaus- schusses tun muss: den Vorstand, den er zu kontrollieren hat, in der Kreditvergabe bremsen, gerade mitten in der Finanzkrise, gerade bei Unternehmen aus Branchen, die in schwerem Fahrwasser sind. Auch entschied Steinmüller im Kreditausschuss nicht allein, sondern fand bei der Ableh- nung von Kreditengagements Zustimmung bei den anderen fünf Mitgliedern. Gleichwohl steht für die Deutsche Bank einiges auf dem Spiel bei der Postbank. Falls sie alle Aktionäre gleich – das heißt wie die ersten mit 57,25 Euro statt später mit 25 Euro je Aktie – für die Übernahme der Postbank auszahlen müsste, droht ihr eine Nachzahlung von wohl rund 1,6 Milli- arden Euro. Dann gäbe es vermutlich auch weiteren Ärger mit der amerikanischen Wertpapieraufsicht SEC, mit der die Deut- sche Bank ohnehin schon im Clinch liegt. Denn die SEC könnte die Nichtbilanzie- rung der weiteren Übernahmekosten von 1,6 Milliarden Euro monieren. Wurden beim Kauf der Postbank Aktionäre unfair behandelt und mit einem zu niedrigen Preis abgespeist? Jetzt tauchen neue, geheime Dokumente auf, die den Verdacht erhärten. Es geht um Einflussnahme und 1,6 Milliarden Euro. Von Hanno Mußler Neuer Ärger für die Deutsche Bank Spielte die Deutsche Bank bei der Übernahme der Postbank unfair? 2008 2009 2011 2010 2012 2013 2014 2015 Foto Postbank/ F.A.Z.-Grafik Brocker Quellen: Bloomberg; F.A.Z.-Archiv Gemäß Nachtragsvereinbarung kauft Deutsche Bank 22,9 Prozent der Postbankaktien zum Stückpreis von 23,92 Euro. (Aufstockung bis Jahresende auf knapp unter 30 Prozent.) Die übrigen Anteile der Post an der Postbank sollen zwischen Februar 2012 und Februar 2013 übernommen werden. September 2008 Nach Ablauf der Übernahmefrist hält die Deutsche Bank 52 Prozent der Postbankaktien. November 2010 Deutsche Bank macht freien Aktionären Übernahme- angebot zu 25 Euro je Aktie. September 2010 Deutsche Bank bekommt über Pflichtumtauschanleihe und Optionen die restlichen 39,5 Prozent der Post an der Postbank zum Stückpreis von 45,45 Euro, 48,85 Euro und 49,42 Euro. (Durch weiteren Zukauf an der Börse steigt der Aktienanteil auf 93,7 Prozent.) Februar 2012 bis Februar 2013 BGH verweist die zunächst abgewiesene Klage einer Postbank-Aktionärin auf Nachzahlung n das OLG Köln zu ück Juli 2014 Gemäß Nachtragsvereinbarung kauft Deutsche Bank 22,9 Prozent der Postbankaktien zum Stückpreis von 23,92 Euro. (Aufstockung bis Jahresende auf knapp unter 30 Prozent.) Die übrigen Anteile der Post an der Postbank sollen zwischen Februar 2012 und Februar 2013 übernommen werden. Januar / Februar 2009 Deutsche Bank kündigt Einstieg bei Postbank an. Laut Ursprungsvertrag wird sie 2009 knapp unter 30 Prozent der Anteile zum Stückpreis von 57,25 Euro von Deutscher Post übernehmen. Zusätzlich K ufoption für di restlichen Aktien v n der Post für 42 80 Eur je Akti (binnen drei Jahren) Deutsche Bank kündigt Einstieg bei Postbank an. Laut Ursprungsvertrag wird sie 2009 knapp unter 30 Prozent der Anteile zum Stückpreis von 57,25 Euro von Deutscher Post übernehmen. Zusätzlich Kaufoption für die restlichen Aktien von der Post für 42,80 Euro je Aktie (binnen drei Jahren). September 2008 Nach Ablauf der Übernahmefrist hält die Deutsche Bank 52 Prozent der Postbankaktien. November 2010 Deutsche Bank macht freien Aktionären Übernahme- angebot zu 25 Euro je Aktie. September 2010 Deutsche Bank bekommt über Pflichtumtauschanleihe und Optionen die restlichen 39,5 Prozent der Post an der Postbank zum Stückpreis von 45,45 Euro, 48,85 Euro und 49,42 Euro. (Durch weiteren Zukauf an der Börse steigt der Aktienanteil auf 93,7 Prozent.) Februar 2012 bis Februar 2013 BGH verweist die zunächst abgewiesene Klage einer Postbank-Aktionärin auf Nachzahlung an das OLG Köln zurück. Juli 2014 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Postbank-Aktie Kurs in Euro © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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SEITE 22 · FREITAG, 20. FEBRUAR 2015 · NR. 43 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGUnternehmen

FRANKFURT, 19. Februar

Seit 1. April 2009 ist Werner Stein-müller im erweiterten Vorstandder Deutschen Bank. Anders alsmancher seiner Vorstandskollegen

hat er kaum Aufsichtsratsmandate in ande-ren Unternehmen übernommen – genaugenommen nur eins: Kurz nach Beginn sei-ner Vorstandstätigkeit in der DeutschenBank rückte Steinmüller in den Aufsichts-rat der Postbank. Dieses Mandat schienlange wenig brisant zu sein – doch jetztwird es Thema einer juristischen Ausein-andersetzung zwischen Postbank-Aktionä-ren und Deutscher Bank, die seit Jahrentobt. Darin geht es um die Frage, ob dieDeutsche Bank nicht mehr Geld – dieRede ist von bis zu 1,6 Milliarden Euro –für die Postbank hätte zahlen müssen.Nun stellt sich zusätzlich die Frage, obSteinmüller im Aufsichtsrat der Postbankdie Interessen der Deutschen Bank schonin einer Zeit durchgesetzt hat, in der dieDeutsche Bank nur Minderheitsgesell-schafter war und die Postbank noch nichtzu ihrem Konzern gehörte.

Zur Erinnerung: Die Deutsche Bank hat-te den Einstieg in die Postbank im Septem-ber 2008 bekanntgegeben – kurz vor Be-ginn der Finanzkrise. Damals war die Deut-sche Bank bereit, der Deutschen Post für29,75 Prozent der Postbank-Aktien 57,25Euro je Stück zu zahlen. In Nachverhand-lungen gelang es ihr später, den Preis zudrücken. Im ersten Quartal 2009 erwarbdie Deutsche Bank dann knapp 23 Prozentund zahlte dafür der Post 23,92 Euro je Ak-tie. Damit zahlte sie der Post deutliche Auf-schläge auf den Börsenkurs. Zudem sicher-

te sie sich über Termingeschäfte praktischdie Mehrheit an der Postbank.

Bis Jahresende 2009 aber stockte dieDeutsche Bank ihre offizielle Beteiligungan der Postbank nur vorsichtig mit geziel-ten Aktienkäufen an der Börse auf 29,88Prozent auf. Aus gutem Grund: Nach demWertpapiererwerbs- und Übernahmege-setz muss allen Aktionären ein Pflichtan-gebot unterbreitet werden, sobald ein neu-er Eigentümer die Kontrolle über das Un-ternehmen erworben hat. Kontrolle be-deutet nach dem Gesetz: Der neue Eignermuss mindestens 30 Prozent der Stimm-rechte besitzen. Das Überschreiten dieserSchwelle mied die Deutsche Bank biszum Oktober 2010 wie der Teufel dasWeihwasser. Erst dann nutzte sie dengünstigeren Aktienkurs der Postbank, diezuvor erst aus dem Dax und dann ausdem M-Dax geflogen war. Statt 57,25Euro, die sie ursprünglich für die erstenAktien hätte zahlen sollen, oder mehr als40 Euro – der Börsenkurs im September2008 – musste die Deutsche Bank nun nurnoch 25 Euro zahlen. Denn bei einemÜbernahmeangebot ist gesetzlich vorge-schrieben, dass der Aufkäufer mindestensden Drei-Monats-Durchschnittskurs zah-len muss. Mehr gab es für die Postbank-Aktionäre dann auch nicht.

Seither hat eine Reihe von Klägern ver-sucht, der Deutschen Bank nachzuwei-sen, dass sie nur mit einem kompliziertenKaufkonstrukt so lange die Kontrollaus-übung verschleiert habe. Sie hätte, so dieForderung, schon viel früher ein Übernah-meangebot abgeben müssen. Schließlichhatte sich die Deutsche Bank de facto mitHilfe von Optionsgeschäften und Anleihe-geschäften schon 2009 die Mehrheit ander Postbank für die Zukunft gesichert.Die Deutsche Post AG als Verkäufer er-hielt daher im Zuge dieser Geschäfte zwi-schen Februar 2012 und Februar 2013 im-merhin zwischen 45,45 und 49,42 Euro jePostbank-Aktie für eine insgesamt 39,5Prozent große Beteiligung. Damit zahltedie Deutsche Bank der Post fast doppeltso viel je Postbank-Aktie wie später denMinderheitsaktionären.

Doch deren Forderungen nach einemPreisnachschlag prallten lange an denRichtern ab. Erst im Sommer 2014 gab esfür die Kläger – angeführt vom Magazin„Effecten-Spiegel“ – einen ersten Teil-erfolg. Der Bundesgerichtshof wies dasVerfahren zurück an das Oberlandesge-richt Köln. Es muss nun prüfen, ob dieDeutsche Bank nicht doch schon früherdie Kontrolle über die Postbank besaß –nicht durch Überschreiten der 30-Pro-

zent-Schwelle, sondern durch mittelbareEinflussnahme im Wege abgestimmterVerhaltensweisen. Juristen nennen dies„Acting in Concert“. Wenn dieser Ver-dacht sich erhärtet, wäre die Postbankschon in ihrer unternehmerischen Aus-richtung durch die Deutsche Bank verän-dert worden, als sie noch gar nicht zumKonzern gehörte und noch als eigenstän-diges Unternehmen galt.

Unbestritten hat die Deutsche Bank mitSteinmüller und Tessen von Heydebreck(ein ehemaliges Vorstandsmitglied derDeutschen Bank) schon im April 2009zwei Vertreter in den Aufsichtsrat entsen-det. Es ist nicht ungewöhnlich, dass einmaßgeblicher Aktionär dies tut. Durch bis-her geheime Dokumente über Steinmül-lers Aufsichtsratstätigkeit könnte aber derVerdacht des „Acting in Concert“ baldstärker untermauert werden. Darauf hof-fen zumindest die Postbank-Minderheits-aktionäre, die sich von der DeutschenBank beim Kauf der Postbank ungerechtbehandelt fühlen. Auf den ersten Blickmag es absurd klingen: Während die Deut-sche Bank in diesen Tagen prüft, ob undwie sie aus der Postbank wieder aussteigt,werfen hartnäckige Minderheitsaktionäremit umtriebigen Anwälten ihr vor, durchSteinmüller im Aufsichtsrat früher als bis-her gedacht Einfluss auf das Geschäft derPostbank genommen zu haben.

Rund zwanzig Klagewillige vertrittnach eigenen Angaben der BerlinerRechtsanwalt Wolfgang Schirp. Mit ei-gentlich vertraulichen Unterlagen, diedem Anwalt offenbar aus der Postbank zu-gespielt wurden, wirbt er um weitere Kla-gewillige. Die Deutsche Bank hat Schirpschon mit Briefen malträtiert. Den Brief-wechsel hat der Anwalt nun dieser Zei-tung zur Verfügung gestellt. Darin wirftSchirp Steinmüller und damit der Deut-schen Bank vor, als Vorsitzender des Kre-ditausschusses des Aufsichtsrates „massi-ve Einflussnahme auf die Kreditvergabe-praxis des Zielunternehmens“ in den Jah-ren 2009 und 2010 genommen zu haben.Beispielhaft verweist Schirp auf die voll-ständige Ablehnung eines Kreditantragsdes Unternehmens Scandferries, dieSteinmüller im Mai 2010 gegen den Wil-len der eigentlich zuständigen Mitarbei-ter der Postbank durchgesetzt habe.

Aus internen Unterlagen aus der Post-bank will Schirp wissen, dass die Darle-hensvergabe an Scandferries bereits vomVorstand der Postbank genehmigt wor-den war und dass diese Genehmigungauch dem Kunden schon mitgeteilt wor-den sei. „Erst aufgrund der Intervention

von Herrn Steinmüller musste die Geneh-migung zurückgezogen worden“, schreibtSchirp und legt den entsprechenden, ei-gentlich geheimen Beschluss des Kredit-ausschusses bei. Schirp zeigt an einemweiteren Beispiel, dass er über weitere in-terne Unterlagen aus der Postbank ver-fügt, und schreibt der Deutschen Bank:„Aus unserer Sicht offenbaren diese Do-kumente massive Einflussnahmen IhresHauses auf die Kreditvergabe der damals(angeblich) rechtlich noch selbständigenPostbank AG. Diese Eingriffe wurden aus-weislich der Faxkennung von Herrn Stein-müllers Büro von Ihrem Hause aus vorge-nommen, die Weisungen wurden sodannper Fax zur Postbank AG übertragen.“

Die Deutsche Bank hat Schirp auf seineBriefe hin einmal geantwortet, der Briefist unterschrieben vom Leiter der Rechts-abteilung, Christof von Dryander. Dieswertet Schirp als Zeichen dafür, dass „derVorgang im Hause der Deutschen Bankeine gewisse Aufmerksamkeit genießt“.Die Deutsche Bank gibt sich allerdings ge-lassen. In dem Brief an Schirp zeigt siesich zwar „sehr verwundert, dass Ihnen sol-che Unterlagen vorliegen“. Dann heißt esweiter: „Unabhängig davon scheinen unsdie in den Unterlagen wiedergegebenenAussagen und Hinweise typisch für dieWahrnehmung einer Kontroll- und Bera-tungsaufgabe zu sein, wie sie dem Kredit-ausschuss einer Bank obliegt.“ Ein Spre-cher der Deutschen Bank wollte mit Blickauf das laufende Verfahren keinen weite-ren Kommentar abgeben.

Steinmüller ist in Frankfurt als unbe-scholtener Banker bekannt. Menschen,die ihn kennen, können sich nur vorstel-len, dass er sein Mandat im Kreditaus-schuss der Postbank strikt von seiner Vor-standstätigkeit in der Deutschen Bank ge-trennt hat. Faxe habe er vielleicht aus sei-nem Büro in der Deutschen Bank ver-schickt, aber bestimmt eigene Assisten-ten für die Postbank abgestellt und inso-fern Vorstands- und Aufsichtsratstätig-keit organisatorisch so getrennt, dass eskeine Überschneidungen gebe.

Genau das bezweifelt Schirp. Vielmehrglaubt der Anwalt, der Kredit an den Kun-den Scandferries sei deshalb durch Stein-müller abgelehnt worden, weil auch dieDeutsche Bank schon an dieses Unterneh-men Kredite vergeben habe. Steinmüller,so der Vorwurf, habe sich bereits Gedan-ken über ein künftig gemeinsames Kredit-portfolio gemacht, obwohl Deutsche Bankund Postbank zu diesem Zeitpunkt formalnoch selbständige Unternehmen gewesenseien. Diese Betrachtung von addierten

Einzelrisiken beider Banken sei ein klaresIndiz für „Acting in Concert“, also ein ab-gestimmtes Verhaltens, meint Schirp.

Während die Deutsche Bank argumen-tieren könnte, Steinmüller sei als Zustän-diger im Vorstand für Zahlungsverkehreher weit entfernt vom Kreditgeschäftder Deutschen Bank, unterstellt Schirp„intime Kenntnisse, Einschätzungen undZuarbeiten Ihres Hauses“, so dass Stein-müllers Aufsichtsratsmandat in der Post-bank nicht mehr als persönlich betrachtetwerden könne. „Daneben war eine ge-naue Kenntnis der inhaltlichen Festlegun-gen und Eigenkapitalanforderungen Ih-res Hauses zu den künftigen Einzelrisi-ken erforderlich“, schreibt Schirp und be-hauptet, er habe dafür Zeugen unter denMitarbeitern. Ohne qualifizierte Zuarbeitwären die Entscheidungen Steinmüllers„willkürlich und substanzlos gewesen, zu-mal sie bereits getroffene Entscheidun-gen des Vorstandes der Postbank AG revi-dierten“, schreibt der Anwalt.

Schirp gibt sich überzeugt, dass dieFunktion von „Steinmüller als Vorsitzen-der des Kreditausschusses der PostbankAG eine ganz besondere Bedeutung“ hat,die in den bisherigen Verfahren – insbeson-dere im Verfahren des „Effecten-Spiegels“– nicht thematisiert worden sei. Allerdingswar die Tätigkeit Steinmüllers als Vorsit-zender des Kreditausschusses der Post-bank der Bankenaufsicht natürlich be-kannt, und sie nahm daran keinen Anstoß.

Wer aber vor Gericht recht erhält, musssich noch zeigen. Womöglich hat Steinmül-ler nur das getan, was ein Aufsichtsrat underst recht der Vorsitzende des Kreditaus-schusses tun muss: den Vorstand, den er zukontrollieren hat, in der Kreditvergabebremsen, gerade mitten in der Finanzkrise,gerade bei Unternehmen aus Branchen,die in schwerem Fahrwasser sind. Auchentschied Steinmüller im Kreditausschussnicht allein, sondern fand bei der Ableh-nung von Kreditengagements Zustimmungbei den anderen fünf Mitgliedern.

Gleichwohl steht für die Deutsche Bankeiniges auf dem Spiel bei der Postbank.Falls sie alle Aktionäre gleich – das heißtwie die ersten mit 57,25 Euro statt spätermit 25 Euro je Aktie – für die Übernahmeder Postbank auszahlen müsste, droht ihreine Nachzahlung von wohl rund 1,6 Milli-arden Euro. Dann gäbe es vermutlich auchweiteren Ärger mit der amerikanischenWertpapieraufsicht SEC, mit der die Deut-sche Bank ohnehin schon im Clinch liegt.Denn die SEC könnte die Nichtbilanzie-rung der weiteren Übernahmekosten von1,6 Milliarden Euro monieren.

Wurden beim Kauf derPostbank Aktionäreunfair behandelt undmit einem zu niedrigenPreis abgespeist? Jetzttauchen neue, geheimeDokumente auf, die denVerdacht erhärten. Esgeht um Einflussnahmeund 1,6 Milliarden Euro.

Von Hanno Mußler

Neuer Ärger für die Deutsche Bank

Spielte die Deutsche Bank bei der Übernahme der Postbank unfair?

2008 2009 20112010 2012 2013 2014 2015Foto Postbank / F.A.Z.-Grafik BrockerQuellen: Bloomberg; F.A.Z.-Archiv

Gemäß Nachtragsvereinbarung kauft Deutsche Bank 22,9 Prozent derPostbankaktien zum Stückpreis von 23,92 Euro. (Aufstockung bis Jahresendeauf knapp unter 30 Prozent.) Die übrigen Anteile der Post an der Postbanksollen zwischen Februar 2012 und Februar 2013 übernommen werden.

September 2008

Nach Ablauf der Übernahmefristhält die Deutsche Bank 52 Prozentder Postbankaktien.

November 2010Deutsche Bank macht

freien Aktionären Übernahme-angebot zu 25 Euro je Aktie.

September 2010

Deutsche Bank bekommt über Pflichtumtauschanleihe undOptionen die restlichen 39,5 Prozent der Post an der Postbankzum Stückpreis von 45,45 Euro, 48,85 Euro und 49,42 Euro.(Durch weiteren Zukauf an der Börse steigt der Aktienanteil auf 93,7 Prozent.)

Februar 2012 bis Februar 2013

BGH verweist die zunächst abgewieseneKlage einer Postbank-Aktionärin auf

Nachzahlung n das OLG Köln zu ück

Juli 2014

Gemäß Nachtragsvereinbarung kauft Deutsche Bank 22,9 Prozent derPostbankaktien zum Stückpreis von 23,92 Euro. (Aufstockung bis Jahresendeauf knapp unter 30 Prozent.) Die übrigen Anteile der Post an der Postbanksollen zwischen Februar 2012 und Februar 2013 übernommen werden.

Januar / Februar 2009

Deutsche Bank kündigt Einstieg bei Postbank an. Laut Ursprungsvertrag wird sie 2009 knappunter 30 Prozent der Anteile zum Stückpreis von 57,25 Euro von Deutscher Post übernehmen.Zusätzlich K ufoption für di restlichen Aktien v n der Post für 42 80 Eur je Akti (binnen drei Jahren)

Deutsche Bank kündigt Einstieg bei Postbank an. Laut Ursprungsvertrag wird sie 2009 knappunter 30 Prozent der Anteile zum Stückpreis von 57,25 Euro von Deutscher Post übernehmen.Zusätzlich Kaufoption für die restlichen Aktien von der Post für 42,80 Euro je Aktie (binnen drei Jahren).

September 2008

Nach Ablauf der Übernahmefristhält die Deutsche Bank 52 Prozentder Postbankaktien.

November 2010Deutsche Bank macht

freien Aktionären Übernahme-angebot zu 25 Euro je Aktie.

September 2010

Deutsche Bank bekommt über Pflichtumtauschanleihe undOptionen die restlichen 39,5 Prozent der Post an der Postbankzum Stückpreis von 45,45 Euro, 48,85 Euro und 49,42 Euro.(Durch weiteren Zukauf an der Börse steigt der Aktienanteil auf 93,7 Prozent.)

Februar 2012 bis Februar 2013

BGH verweist die zunächst abgewieseneKlage einer Postbank-Aktionärin auf

Nachzahlung an das OLG Köln zurück.

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