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SEITE 22 · FREITAG, 20. FEBRUAR 2015 · NR. 43 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGUnternehmen

FRANKFURT, 19. Februar

Seit 1. April 2009 ist Werner Stein-müller im erweiterten Vorstandder Deutschen Bank. Anders alsmancher seiner Vorstandskollegen

hat er kaum Aufsichtsratsmandate in ande-ren Unternehmen übernommen – genaugenommen nur eins: Kurz nach Beginn sei-ner Vorstandstätigkeit in der DeutschenBank rückte Steinmüller in den Aufsichts-rat der Postbank. Dieses Mandat schienlange wenig brisant zu sein – doch jetztwird es Thema einer juristischen Ausein-andersetzung zwischen Postbank-Aktionä-ren und Deutscher Bank, die seit Jahrentobt. Darin geht es um die Frage, ob dieDeutsche Bank nicht mehr Geld – dieRede ist von bis zu 1,6 Milliarden Euro –für die Postbank hätte zahlen müssen.Nun stellt sich zusätzlich die Frage, obSteinmüller im Aufsichtsrat der Postbankdie Interessen der Deutschen Bank schonin einer Zeit durchgesetzt hat, in der dieDeutsche Bank nur Minderheitsgesell-schafter war und die Postbank noch nichtzu ihrem Konzern gehörte.

Zur Erinnerung: Die Deutsche Bank hat-te den Einstieg in die Postbank im Septem-ber 2008 bekanntgegeben – kurz vor Be-ginn der Finanzkrise. Damals war die Deut-sche Bank bereit, der Deutschen Post für29,75 Prozent der Postbank-Aktien 57,25Euro je Stück zu zahlen. In Nachverhand-lungen gelang es ihr später, den Preis zudrücken. Im ersten Quartal 2009 erwarbdie Deutsche Bank dann knapp 23 Prozentund zahlte dafür der Post 23,92 Euro je Ak-tie. Damit zahlte sie der Post deutliche Auf-schläge auf den Börsenkurs. Zudem sicher-

te sie sich über Termingeschäfte praktischdie Mehrheit an der Postbank.

Bis Jahresende 2009 aber stockte dieDeutsche Bank ihre offizielle Beteiligungan der Postbank nur vorsichtig mit geziel-ten Aktienkäufen an der Börse auf 29,88Prozent auf. Aus gutem Grund: Nach demWertpapiererwerbs- und Übernahmege-setz muss allen Aktionären ein Pflichtan-gebot unterbreitet werden, sobald ein neu-er Eigentümer die Kontrolle über das Un-ternehmen erworben hat. Kontrolle be-deutet nach dem Gesetz: Der neue Eignermuss mindestens 30 Prozent der Stimm-rechte besitzen. Das Überschreiten dieserSchwelle mied die Deutsche Bank biszum Oktober 2010 wie der Teufel dasWeihwasser. Erst dann nutzte sie dengünstigeren Aktienkurs der Postbank, diezuvor erst aus dem Dax und dann ausdem M-Dax geflogen war. Statt 57,25Euro, die sie ursprünglich für die erstenAktien hätte zahlen sollen, oder mehr als40 Euro – der Börsenkurs im September2008 – musste die Deutsche Bank nun nurnoch 25 Euro zahlen. Denn bei einemÜbernahmeangebot ist gesetzlich vorge-schrieben, dass der Aufkäufer mindestensden Drei-Monats-Durchschnittskurs zah-len muss. Mehr gab es für die Postbank-Aktionäre dann auch nicht.

Seither hat eine Reihe von Klägern ver-sucht, der Deutschen Bank nachzuwei-sen, dass sie nur mit einem kompliziertenKaufkonstrukt so lange die Kontrollaus-übung verschleiert habe. Sie hätte, so dieForderung, schon viel früher ein Übernah-meangebot abgeben müssen. Schließlichhatte sich die Deutsche Bank de facto mitHilfe von Optionsgeschäften und Anleihe-geschäften schon 2009 die Mehrheit ander Postbank für die Zukunft gesichert.Die Deutsche Post AG als Verkäufer er-hielt daher im Zuge dieser Geschäfte zwi-schen Februar 2012 und Februar 2013 im-merhin zwischen 45,45 und 49,42 Euro jePostbank-Aktie für eine insgesamt 39,5Prozent große Beteiligung. Damit zahltedie Deutsche Bank der Post fast doppeltso viel je Postbank-Aktie wie später denMinderheitsaktionären.

Doch deren Forderungen nach einemPreisnachschlag prallten lange an denRichtern ab. Erst im Sommer 2014 gab esfür die Kläger – angeführt vom Magazin„Effecten-Spiegel“ – einen ersten Teil-erfolg. Der Bundesgerichtshof wies dasVerfahren zurück an das Oberlandesge-richt Köln. Es muss nun prüfen, ob dieDeutsche Bank nicht doch schon früherdie Kontrolle über die Postbank besaß –nicht durch Überschreiten der 30-Pro-

zent-Schwelle, sondern durch mittelbareEinflussnahme im Wege abgestimmterVerhaltensweisen. Juristen nennen dies„Acting in Concert“. Wenn dieser Ver-dacht sich erhärtet, wäre die Postbankschon in ihrer unternehmerischen Aus-richtung durch die Deutsche Bank verän-dert worden, als sie noch gar nicht zumKonzern gehörte und noch als eigenstän-diges Unternehmen galt.

Unbestritten hat die Deutsche Bank mitSteinmüller und Tessen von Heydebreck(ein ehemaliges Vorstandsmitglied derDeutschen Bank) schon im April 2009zwei Vertreter in den Aufsichtsrat entsen-det. Es ist nicht ungewöhnlich, dass einmaßgeblicher Aktionär dies tut. Durch bis-her geheime Dokumente über Steinmül-lers Aufsichtsratstätigkeit könnte aber derVerdacht des „Acting in Concert“ baldstärker untermauert werden. Darauf hof-fen zumindest die Postbank-Minderheits-aktionäre, die sich von der DeutschenBank beim Kauf der Postbank ungerechtbehandelt fühlen. Auf den ersten Blickmag es absurd klingen: Während die Deut-sche Bank in diesen Tagen prüft, ob undwie sie aus der Postbank wieder aussteigt,werfen hartnäckige Minderheitsaktionäremit umtriebigen Anwälten ihr vor, durchSteinmüller im Aufsichtsrat früher als bis-her gedacht Einfluss auf das Geschäft derPostbank genommen zu haben.

Rund zwanzig Klagewillige vertrittnach eigenen Angaben der BerlinerRechtsanwalt Wolfgang Schirp. Mit ei-gentlich vertraulichen Unterlagen, diedem Anwalt offenbar aus der Postbank zu-gespielt wurden, wirbt er um weitere Kla-gewillige. Die Deutsche Bank hat Schirpschon mit Briefen malträtiert. Den Brief-wechsel hat der Anwalt nun dieser Zei-tung zur Verfügung gestellt. Darin wirftSchirp Steinmüller und damit der Deut-schen Bank vor, als Vorsitzender des Kre-ditausschusses des Aufsichtsrates „massi-ve Einflussnahme auf die Kreditvergabe-praxis des Zielunternehmens“ in den Jah-ren 2009 und 2010 genommen zu haben.Beispielhaft verweist Schirp auf die voll-ständige Ablehnung eines Kreditantragsdes Unternehmens Scandferries, dieSteinmüller im Mai 2010 gegen den Wil-len der eigentlich zuständigen Mitarbei-ter der Postbank durchgesetzt habe.

Aus internen Unterlagen aus der Post-bank will Schirp wissen, dass die Darle-hensvergabe an Scandferries bereits vomVorstand der Postbank genehmigt wor-den war und dass diese Genehmigungauch dem Kunden schon mitgeteilt wor-den sei. „Erst aufgrund der Intervention

von Herrn Steinmüller musste die Geneh-migung zurückgezogen worden“, schreibtSchirp und legt den entsprechenden, ei-gentlich geheimen Beschluss des Kredit-ausschusses bei. Schirp zeigt an einemweiteren Beispiel, dass er über weitere in-terne Unterlagen aus der Postbank ver-fügt, und schreibt der Deutschen Bank:„Aus unserer Sicht offenbaren diese Do-kumente massive Einflussnahmen IhresHauses auf die Kreditvergabe der damals(angeblich) rechtlich noch selbständigenPostbank AG. Diese Eingriffe wurden aus-weislich der Faxkennung von Herrn Stein-müllers Büro von Ihrem Hause aus vorge-nommen, die Weisungen wurden sodannper Fax zur Postbank AG übertragen.“

Die Deutsche Bank hat Schirp auf seineBriefe hin einmal geantwortet, der Briefist unterschrieben vom Leiter der Rechts-abteilung, Christof von Dryander. Dieswertet Schirp als Zeichen dafür, dass „derVorgang im Hause der Deutschen Bankeine gewisse Aufmerksamkeit genießt“.Die Deutsche Bank gibt sich allerdings ge-lassen. In dem Brief an Schirp zeigt siesich zwar „sehr verwundert, dass Ihnen sol-che Unterlagen vorliegen“. Dann heißt esweiter: „Unabhängig davon scheinen unsdie in den Unterlagen wiedergegebenenAussagen und Hinweise typisch für dieWahrnehmung einer Kontroll- und Bera-tungsaufgabe zu sein, wie sie dem Kredit-ausschuss einer Bank obliegt.“ Ein Spre-cher der Deutschen Bank wollte mit Blickauf das laufende Verfahren keinen weite-ren Kommentar abgeben.

Steinmüller ist in Frankfurt als unbe-scholtener Banker bekannt. Menschen,die ihn kennen, können sich nur vorstel-len, dass er sein Mandat im Kreditaus-schuss der Postbank strikt von seiner Vor-standstätigkeit in der Deutschen Bank ge-trennt hat. Faxe habe er vielleicht aus sei-nem Büro in der Deutschen Bank ver-schickt, aber bestimmt eigene Assisten-ten für die Postbank abgestellt und inso-fern Vorstands- und Aufsichtsratstätig-keit organisatorisch so getrennt, dass eskeine Überschneidungen gebe.

Genau das bezweifelt Schirp. Vielmehrglaubt der Anwalt, der Kredit an den Kun-den Scandferries sei deshalb durch Stein-müller abgelehnt worden, weil auch dieDeutsche Bank schon an dieses Unterneh-men Kredite vergeben habe. Steinmüller,so der Vorwurf, habe sich bereits Gedan-ken über ein künftig gemeinsames Kredit-portfolio gemacht, obwohl Deutsche Bankund Postbank zu diesem Zeitpunkt formalnoch selbständige Unternehmen gewesenseien. Diese Betrachtung von addierten

Einzelrisiken beider Banken sei ein klaresIndiz für „Acting in Concert“, also ein ab-gestimmtes Verhaltens, meint Schirp.

Während die Deutsche Bank argumen-tieren könnte, Steinmüller sei als Zustän-diger im Vorstand für Zahlungsverkehreher weit entfernt vom Kreditgeschäftder Deutschen Bank, unterstellt Schirp„intime Kenntnisse, Einschätzungen undZuarbeiten Ihres Hauses“, so dass Stein-müllers Aufsichtsratsmandat in der Post-bank nicht mehr als persönlich betrachtetwerden könne. „Daneben war eine ge-naue Kenntnis der inhaltlichen Festlegun-gen und Eigenkapitalanforderungen Ih-res Hauses zu den künftigen Einzelrisi-ken erforderlich“, schreibt Schirp und be-hauptet, er habe dafür Zeugen unter denMitarbeitern. Ohne qualifizierte Zuarbeitwären die Entscheidungen Steinmüllers„willkürlich und substanzlos gewesen, zu-mal sie bereits getroffene Entscheidun-gen des Vorstandes der Postbank AG revi-dierten“, schreibt der Anwalt.

Schirp gibt sich überzeugt, dass dieFunktion von „Steinmüller als Vorsitzen-der des Kreditausschusses der PostbankAG eine ganz besondere Bedeutung“ hat,die in den bisherigen Verfahren – insbeson-dere im Verfahren des „Effecten-Spiegels“– nicht thematisiert worden sei. Allerdingswar die Tätigkeit Steinmüllers als Vorsit-zender des Kreditausschusses der Post-bank der Bankenaufsicht natürlich be-kannt, und sie nahm daran keinen Anstoß.

Wer aber vor Gericht recht erhält, musssich noch zeigen. Womöglich hat Steinmül-ler nur das getan, was ein Aufsichtsrat underst recht der Vorsitzende des Kreditaus-schusses tun muss: den Vorstand, den er zukontrollieren hat, in der Kreditvergabebremsen, gerade mitten in der Finanzkrise,gerade bei Unternehmen aus Branchen,die in schwerem Fahrwasser sind. Auchentschied Steinmüller im Kreditausschussnicht allein, sondern fand bei der Ableh-nung von Kreditengagements Zustimmungbei den anderen fünf Mitgliedern.

Gleichwohl steht für die Deutsche Bankeiniges auf dem Spiel bei der Postbank.Falls sie alle Aktionäre gleich – das heißtwie die ersten mit 57,25 Euro statt spätermit 25 Euro je Aktie – für die Übernahmeder Postbank auszahlen müsste, droht ihreine Nachzahlung von wohl rund 1,6 Milli-arden Euro. Dann gäbe es vermutlich auchweiteren Ärger mit der amerikanischenWertpapieraufsicht SEC, mit der die Deut-sche Bank ohnehin schon im Clinch liegt.Denn die SEC könnte die Nichtbilanzie-rung der weiteren Übernahmekosten von1,6 Milliarden Euro monieren.

Wurden beim Kauf derPostbank Aktionäreunfair behandelt undmit einem zu niedrigenPreis abgespeist? Jetzttauchen neue, geheimeDokumente auf, die denVerdacht erhärten. Esgeht um Einflussnahmeund 1,6 Milliarden Euro.

Von Hanno Mußler

Neuer Ärger für die Deutsche Bank

Spielte die Deutsche Bank bei der Übernahme der Postbank unfair?

2008 2009 20112010 2012 2013 2014 2015Foto Postbank / F.A.Z.-Grafik BrockerQuellen: Bloomberg; F.A.Z.-Archiv

Gemäß Nachtragsvereinbarung kauft Deutsche Bank 22,9 Prozent derPostbankaktien zum Stückpreis von 23,92 Euro. (Aufstockung bis Jahresendeauf knapp unter 30 Prozent.) Die übrigen Anteile der Post an der Postbanksollen zwischen Februar 2012 und Februar 2013 übernommen werden.

September 2008

Nach Ablauf der Übernahmefristhält die Deutsche Bank 52 Prozentder Postbankaktien.

November 2010Deutsche Bank macht

freien Aktionären Übernahme-angebot zu 25 Euro je Aktie.

September 2010

Deutsche Bank bekommt über Pflichtumtauschanleihe undOptionen die restlichen 39,5 Prozent der Post an der Postbankzum Stückpreis von 45,45 Euro, 48,85 Euro und 49,42 Euro.(Durch weiteren Zukauf an der Börse steigt der Aktienanteil auf 93,7 Prozent.)

Februar 2012 bis Februar 2013

BGH verweist die zunächst abgewieseneKlage einer Postbank-Aktionärin auf

Nachzahlung n das OLG Köln zu ück

Juli 2014

Gemäß Nachtragsvereinbarung kauft Deutsche Bank 22,9 Prozent derPostbankaktien zum Stückpreis von 23,92 Euro. (Aufstockung bis Jahresendeauf knapp unter 30 Prozent.) Die übrigen Anteile der Post an der Postbanksollen zwischen Februar 2012 und Februar 2013 übernommen werden.

Januar / Februar 2009

Deutsche Bank kündigt Einstieg bei Postbank an. Laut Ursprungsvertrag wird sie 2009 knappunter 30 Prozent der Anteile zum Stückpreis von 57,25 Euro von Deutscher Post übernehmen.Zusätzlich K ufoption für di restlichen Aktien v n der Post für 42 80 Eur je Akti (binnen drei Jahren)

Deutsche Bank kündigt Einstieg bei Postbank an. Laut Ursprungsvertrag wird sie 2009 knappunter 30 Prozent der Anteile zum Stückpreis von 57,25 Euro von Deutscher Post übernehmen.Zusätzlich Kaufoption für die restlichen Aktien von der Post für 42,80 Euro je Aktie (binnen drei Jahren).

September 2008

Nach Ablauf der Übernahmefristhält die Deutsche Bank 52 Prozentder Postbankaktien.

November 2010Deutsche Bank macht

freien Aktionären Übernahme-angebot zu 25 Euro je Aktie.

September 2010

Deutsche Bank bekommt über Pflichtumtauschanleihe undOptionen die restlichen 39,5 Prozent der Post an der Postbankzum Stückpreis von 45,45 Euro, 48,85 Euro und 49,42 Euro.(Durch weiteren Zukauf an der Börse steigt der Aktienanteil auf 93,7 Prozent.)

Februar 2012 bis Februar 2013

BGH verweist die zunächst abgewieseneKlage einer Postbank-Aktionärin auf

Nachzahlung an das OLG Köln zurück.

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Postbank-AktieKurs in Euro

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