review of fischer: d. obradović, in biblos (2008) · 2010-04-30 · wladimir fischer, dositej...

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Totentrauer – Totenkult PHOIBOS Verlag biblos 1 2008 57 Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift

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Biblos Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift Herausgegeben von der Österreichischen Nationalbibliothek

Herausgeberin Dr. Johanna Rachinger. Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek

Redaktionsteam Christian Gastgeber (verantwortlicher

Redakteur): Michaela Brodl, Ernst Gamillscheg, Eva Hüttl-Hubert, Monika Kiegler-Griensteidl, Bettina Kann, Anton Knoll, Heide Kramer, Daniela Lachs, Gabriele Mauthe, Solveigh Rumpf-Dorner, Alfred Schmidt, Ursula Tichy

Postanschrift Redaktion Biblos, Christian Gastgeber, Österreichische Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, A-1015 Wien

Verlag Phoibos Verlag, Wien

Umschlagbild Initiale E aus Antoine de Févin, Missa

pro fidelibus defunctis, Introitus (Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Mus.Hs. 15497, f. 69v)

Medieninhaberin Österreichische Nationalbibliothek A-1015 Wien, Josefsplatz 1 Herausgeberin: Dr. Johanna Rachinger, Biblos, A-1015 Wien, Josefsplatz 1 (Österreichische Nationalbibliothek) Auslieferung: Phoibos Verlag, Anzengrubergasse 16/4, A-1050 Wien. Tel.: (+ 43 1) 544 03 191; Telefax: (+ 43 1) 544 03 199, e-mail: [email protected]

Bezugsbedingungen Jahresabonnement € 45,- (Inland, ohne Versandspesen): Einzelheft € 25.- (Inland, ohne Versandspesen). Biblos erscheint halbjährlich. Wissenschaftliche Arbeiten in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache werden zur Veröffentlichung angenommen, die noch nicht veröffentlicht oder einem anderen Publikationsorgan angeboten wurden. Der Nach- druck, auch in Auszügen, bedarf der Zustimmung des Herausgebers bzw. der Redaktion. Manuskripte sind auf Disketten einzusenden. Das Inhaltsverzeichnis ist abfragbar unter: http://www.onb.ac.at/biblos

Druck REMAPrint, Druck- und Verlagsgesell-

schaft m.b.H, 1160 Wien, Neulerchen-felder Straße 35

© 2008 by Phoibos Verlag Wien

ISSN 0006-2022

Inhalt

Helga Bock Das Bestattungsmuseum der „Bestattung Wien“

Michaela Brodl, Walter Deutsch Gute Nacht, gute Nacht, o Welt Die Totenwache in Brauch, Lied und Gebet

Christian Gastgeber Trauer um den Kaiser Epikediendichtung zum Ableben Kaiser Maximilians II. (1576)

Thomas Leibnitz Dies irae, dies illa Zur Thematik des Todes in der Kirchenmusik bis Mozart

Gabriele Mauthe Kaiserliche Hoftrauer – eine komplizierte Sache ...

Christoph Steiner Literarische Umgangsformen mit dem Tod Ars moriendi und Totentanz

Stephanie Wodianka Betrachtungen des Todes, Formen und Funktionen der meditatio

mortis in der europäischen Literatur des 17. Jahrhunderts Resümee

Michael Halévy, Gaëlle Collin Forschungsbericht Hebraica Sefarad an der Donau

Murray G. Hall Nachruf Dr. Gerhard Renner

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Autorenverzeichnis

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Inhalt

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Clara Allasia (Ed.): Il Decameron nella letteratura europea. Atti del convegno orga-nizzato dall’Accademia delle Scienze di Torino e dal Dipartimento di Scienze Letterarie e Fi-lologiche dell’Università di Torino. Torino, 17–18 novembre 2005. Roma: Edizioni di storia e letteratura 2006 (Storia e lettera-tura. Raccolta di studi e testi 237) (Daniel Syrovy)

Wladimir Fischer, Dositej Obradović als bürgerlicher Kulturheld. Zur Formierung eines serbischen bürgerlichen Selbstbildes durch lite-rarische Kommunikation 1783–1845. Frank-furt am Main u.a.: Peter Lang 2007 (Stu-dien zur Geschichte Südosteuropas 16) (Rudolf Preinerstorfer)

Friedrich C. Heller: Die bunte Welt. Handbuch zum künstlerisch illustrierten Kin-derbuch in Wien 1890–1938. Wien: Chri-stian Brandstätter 2008 (Susanne Blu-mesberger)

Giovanna Murano, Opere diffuse per exemplar e pecia. Turnhout: Brepols 2005 (Textes et études du moyen âge 29) (Franz Lackner)

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20 Cardini schreibt: “[l’]ultima speranza è il ricordo delle virtù taumaturgiche di san Sebastiano” (89).

21 Die Absicht Cardinis ist hier auch, die litera-rischen Einflüsse (speziell der Historia Langobardum) nachzuweisen und eine mögliche Fiktion des Altars zu vermuten.

22 Cardini stellt p. 92f. die wenigen bislang bekannten Daten seines Lebens zusammen.

23 Interessant ist vor allem, dass er schon zuvor zum Bischof gewählt wurde, doch die Wahl nach dem Tode Benedikts XII von seinem Nachfolger Clemens VI. nichtig erklärt worden war, was sich selbstverständlich nach dem „Wunder“ schlagartig ändert.

24 Vgl. p. 110: “percorrendo giorno dietro giorno questo cammino catartico”. Daneben gibt es allerlei bekannte topoi, wie den Garten als locus amoenus etc.

Daniel Syrovy

Wladimir Fischer, Dositej Obradović als bürgerli-cher Kulturheld. Zur Formierung eines serbischen bür-gerlichen Selbstbildes durch literarische Kommunikation 1783–1845. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2007 (Studien zur Geschichte Südosteuropas 16), 322 Seiten, ISBN 978-3-631-54214-9

„Es gibt zwei Epochen der serbischen Kulturgeschichte: Die alte, vom heiligen Sava bis Dositej und die neue, von Dositej bis in unsere Tage. Sava [1171–1236] ist der erste serbische Schriftsteller und Dositej [um 1740–1811] ist der erste moderne serbische Schriftsteller.“ So schätzt ein Lesebuch für serbische Mittelschulen die Be-deutung Dositej Obradović’ ein, dessen Werk tatsächlich zu einer Wende in der Entwicklung der serbischen Prosa und deren Sprache ansetzt. Den weiterführenden Reformweg für Sprache und Rechtschreibung wies Vuk Karadžić.

Im damals habsburgischen, heute rumänischen Banat als Dimitrije geboren, trat er in das Kloster Hopovo in der Vojvodina ein und trug fortan den Mönchsnamen Dositej. Sein religiöser Eifer wur-de aber enttäuscht, er verließ das Kloster, um auf Reisen quer durch den Kontinent mit längeren und kürzeren Aufenthalten an vielen Orten zwi-schen London und Smyrna als Fremdsprachen-lehrer zu unterrichten und gleichzeitig, wie in Leipzig und Halle, zu studieren, sich selbst weiter zu bilden und seine von der europäischen Aufklä-rung geprägten Schriften herauszugeben. Nach dem ersten serbischen Aufstand 1804 übernahm Obradović in Belgrad die Funktion eines Unter-richtsministers.

Dem vorliegenden Buch liegt die Dissertation des Verfassers Dositej Obradović im Kontext des 18. Jahrhunderts und seine Rezeption bei den serbischen Eliten im frühen 19. Jahrhundert, Wien 2002 (ÖNB: 1684241-C. Neu Mag) zu Grunde. Die Änderungen in der Titelfassung scheinen eine gewisse Neu-akzentuierung der Themenstellung anzudeuten. Der bürgerliche Kulturheld macht neugierig, die Eliten sind einem bürgerlichen Selbstbild gewichen, Rezeption wurde durch literarische Kommunikation ersetzt und die untersuchte Zeitspanne auf 1783–1845 präzisiert. Unabhängig von diesen äußeren Unterscheidungen ist es wesentlich, sich durch die Ausführungen der Einleitung (11–21) über die Beweggründe des Autors für seine Arbeit, seine Zielsetzung, seine Innovationen sowie die ver-wendeten Begriffe zu orientieren. Auch Literatur-verzeichnis und Index (295–316) sind bei der Lektüre sehr hilfreich.

So finden wir die Erklärung der Begriffe Raum und Besiedlung (16–17). Aber auch später in Kapi-tel 5, Erste Besiedlung: Dositejs Selbstdarstellung und Programm, wo es heißt: „Dositej Obradović eröffnete eigenhändig den Raum in serbischen Diskursen, den es zu besiedeln galt, indem er über sich selbst schrieb und diese Schriften im Druck veröffentlichte.“ (73). Mit der Einleitung erklärt der Verfasser, dass und wie er in seiner Arbeit, angeregt von den Theorien Michel Foucaults, Jurij M. Lotmans u.a., diese – erstmals – auf Dositej Obradović anwendet (20–21). Dazu gehören die neuen Aspekte der Funktion einer Heldenfigur, die Wirkungsweise literarischer Texte und der Sprachgebrauch in der gesellschaft-lichen Kommunikation, aber auch eine neue Be-trachtungsweise der serbischen Kulturgeschichte und Dositejs Rolle in ihr (17–18).

Kapitel 2, Dositej als historische Person (43–46) be-rührt kurz einige biografische Angaben gefolgt von einem tabellarischen Lebenslauf, der einige unsichere oder unrichtige Daten enthält, da sie Obradović selbst „falsch angab“ (45), während Kapitel 3, Zu Editionsgeschichte und Inhalt von Dositejs Hauptwerk dem ersten Teil von Život i priključenija Dimitria Obradovića, narečenago u kaludjerstvu Dosi-thea: nim’ istim spisat i izdat. Prva čast’. U Laipsiku: u tipografii Braitkopfa 1783 (Leben und Abenteuer des Dimitrije Obradović, als Mönch Dosithej genannt: geschrieben und herausgegeben von ihm selbst. Erster Teil. Leipzig: in der Druckerei Breitkopff 1783) gewidmet ist. Ein zweiter Teil ist nicht er-schienen, jedoch brachte Dositej 1788, ebenfalls in Leipzig, seine Basne (Fabeln) heraus, denen er eine Sammlung von 12 Briefen von seinen Reisen aus den fünf vergangenen Jahren hinzureihte. Erst 1833 wurden beide Teile von Gligorije Vozarević (1790–1848) zusammenhängend ediert, wobei die Briefe (Pisma) ausdrücklich „als Fortsetzung seines Lebens und seiner Abenteuer“ bezeichnet sind und

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seither als „zweiter Teil“ von Život i priključenija gelten. Kapitel 4, Von Gil Blas bis Rousseau: Der lite-rarische Kontext (61–70), verweist auf die Anhalts-punkte für Berührungen und Beeinflussungen Do-sitejs nicht nur von Le Sage, sondern auch durch Fénelons Télémaque und Marmontel, andererseits auf Bezüge zu orthodoxen byzantinischen, serbi-schen und russischen Texten – traditionellen wie aufklärerischen – sowie zur Bibel.

Nachdem die beiden Teile von Dositejs auto-biografischen Texten (Kapitel 3) als Grundlage für die weitere Untersuchung vorgestellt sind, beginnt in den Kapiteln 5, Erste Besiedlung: Dosi-tejs Selbstdarstellung und Programm (73–153), und 6, Spieglein, Spieglein, an der Wand: Kommunikation mit dem Bürgertum (155–193), das Hauptstück der innovativen Analyse des Verfassers. Dabei bleibt unbestritten, dass Obradović sich die Ziele der eu-ropäischen Aufklärung zu eigen gemacht hat und sie in seinen Schriften vertrat, ebenso das Streben nach Bildung und Erziehung, wenn auch ein kon-kretes Programm in Život i priključenija „nur in Um-rissen erkennbar“ ist. (78) Politisch stand Obradović wohl für Reformen, jedoch völlig im Rahmen des aufgeklärten Absolutismus, wie ihn Josef II. ver-körperte, setzte sich aber nicht für die Rechte der Unterschichten ein sondern meinte mit Volk eigentlich die serbischen urbanen Eliten. „Das Volk ist zahlreich und wir sind wenige“: Josefinismus und bürgerliche Normen (97–107). Mit Rücksicht auf seine Leserschaft war die Sprache Dositejs nicht die reine Mundart der Vojvodina und nicht das Russisch-Kirchenslawisch, sondern eine Mischung aus beiden und einigen weiteren Beimischungen. Die Entwicklung seiner Sprache verlief auch nicht zur einfachen Volkssprache hin, vielmehr weist der „zweite Teil“ (Pisma) von Život i priključenija mehr konservative Züge auf als der erste. In dieser Hinsicht war er kein Vorläufer Vuk Karadžić’, wie er auch der Orthographiereform wenig Aufmerk-samkeit schenkte. Daher die Einschätzung des Verfassers: „Wenn Obradović etwas dazu beigetragen hat, dass es im 19. Jahrhundert eine Schriftsprachreform gab, dann nicht so sehr durch seinen eigenen schriftlichen Sprachgebrauch, sondern vielmehr durch die Tatsache, dass er ‚Volk‘ und ‚dessen Sprache‘ als positive Begriffe in den Diskurs einführte.“ (137–138). Dass Dositej für die „Überwindung der konfessionellen bzw. religiösen Schranken“ gewesen ist, wurde sehr verschieden ausgelegt. Etwa, wenn es um die Sprache geht; be-zog sich bei ihm doch „rein serbisch“ auf das ganze Gebiet, auf dem Neuštokavisch gesprochen wird. Außerdem ändert er gelegentlich seine Sprachbe-zeichnungen, zieht aber auf seiner imaginären Landkarte keine politischen Grenzen, ausgenom-men die des Habsburgerreiches. Obwohl kein Na-tionalist wollte er doch „die linguistischen Kategorien über die konfessionellem stellen“ (144).

Im Kapitel 6 geht es auch um das Zielpublikum, das sich in Dositejs Schriften wie im Spiegel wie-der erkennt und wodurch sein Život i priključenija an einen Kulturheldenmythos erinnert. In den Heldenstatus hat ihn erst die Rezeption versetzt, denn: „Was Dositej tatsächlich belegtermaßen getan hat, außer Absichten zu erklären, war, sich Wissen an-zueignen, Bücher zu schreiben und an der serbischen Re-volution im Kultursektor teilzunehmen.“ (163). Darauf folgt die ausführliche Untersuchung der sozialen Zusammensetzung seiner Lesergemeinde in den Abschnitten „Wie spricht der Autor ‚das Bürgertum’ an?“ (181ff.), „Zielgruppe Priester“ (186 ff.) und „Ziel-gruppe Elitenfrauen“ (188 ff.). Die in seinem Roman als selbstverständlich geschilderten Lebensfor-men sind die „von Kaufleuten Priestern, Lehrern und Beamten“, Bauern kommen höchstens im Gespräch vor (181). Da Obradović oft Zustände in Kirchen und Klöstern angegriffen und Priester in seinen Erzählungen lächerlich gemacht hat, konnte er Zustimmung nur bei den von ihm als aufgeschlos-sen und fortschrittlich dargestellten Priestern und Mönchen erwarten. Dagegen mussten sich Lehrer vom Helden des Romans ganz besonders positiv angesprochen fühlen. Den – natürlich bür-gerlichen – Frauen wies Dositej als Eigenschaften und Aufgaben Schönheit, Häuslichkeit, Kinder und deren Erziehung zu und bot dafür Bildung, gesellschaftliche Anerkennung und die Rolle von Integrationsfiguren an (188).

Das Kapitel 7, Umbrüche und Blockaden im post-os-manischen Serbien 1800–1842 (195–209), betrachtet Serbien auf seinem Weg in die Unabhängigkeit nach den Aufständen von 1804 und 1814 als ein Land auf bislang osmanischem Gebiet. In dem jungen Staat konnte von einer Bildungspolitik wohl erst unter Fürst Miloš (1817–1839) gespro-chen werden. Dositej Obradović eröffnete aber schon 1808 die Velika škola in Belgrad und war als Erziehungsminister kurz vor seinem Tod Mitglied des Regierenden Rates. Die Schule musste jedoch mit dem Ende des ersten Aufstandes geschlossen werden. Sie hatte 40 Schüler ausgebildet. Einer der ersten war Vuk Karadžić. 1804–1813 gab es in anderen Orten Volksschulen, in denen 1500 Kin-der, ausschließlich Knaben, unterrichtet wurden (207). Für 1834 schätzte man, dass von ca. 670.000 Einwohnern 3000 lesen konnten. Gemessen an Subskriptionsziffern bestand das Lesepublikum aus etwa 1000 Personen (208).

Kapitel 8, Zweite Besiedlung: Ein kleines Netzwerk für „Anacharsis“ (211–282) widmet sich der Zeit, als die Verehrung Dositej Obradović’ kultische For-men annahm und beginnt mit: „Im Grunde genom-men war die gesamte Dositej-Verehrung ab 1811 [sein Sterbejahr] nichts anderes als ein Totenkult.“ Darüber hinaus enthält dieses Kapitel eine große Anzahl substantieller Wahrnehmungen der Obradović-

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Rezeption: Der Überblick über die frühe Druck- und Editionsgeschichte der Schriften von Leipzig, Wien und Venedig bis Novi Sad, Kragujevac und Belgrad oder die Zahlen und Herkunft der Pränu-meranten in Edition und Distribution von Dositejs Werken (213–216). Das Netzwerk (216–221, s.a. die Illustration 4, Seite 219) nennt die ersten aktiven Dositej-Anhänger wie Pavle Solarić (1779–1821), der sein erster Herausgeber war, Bartholomäus Kopitar (1780–1844), der durch seine Stellung an der Hofbibliothek in Wien und seine wissen-schaftlichen Kontakte eine fördernde Rolle spielte ,oder Lukijan Mušicki (1777–1837), der eine Ode Seni Dosithea Obradovića (Dem Schatten von Dositej Obradović) anlässlich seines Todes dichtete (236). Über das Netzwerk hinaus ist es nur logisch, dass Kopitar im Sinne seiner Vision des Austroslawis-mus großes Interesse an einem bedeutenden Ba-nater, also österreichischen Serben, hatte. In die-sem Zusammenhang ist es verdienstvoll, dass W. Fischer einen Text, den er mit großer Wahrschein-lichkeit Kopitar zuschreibt, im Wortlaut wieder-gibt, da er im Original nicht leicht zugänglich ist. Es ist die Würdigung „Obradowics, der Erzieher der Söhne des Czerny Georg“ in: Gemeinnütziger Hauska-lender für das österreichische Kaiserthum, vorzüglich für Freunde des Vaterlandes, oder Geschäfts-Unterhaltungs- und Lesebuch. Wien 1820, 40f. Lob und Verehrung für Dositej Obradović gingen bei Widmungen und Aufrufen um Spendenbeiträge für Veranstaltun-gen und Publikationen bald in wahre Werbetexte über (Laudatio 231 ff. und „Gebt, Patrioten, gebt!“ – Aufruf und Anrufung 232 ff.). Weitere Formen der Verehrung finden sich bei der Bestattung: Das Vortragen von Mušickis Ode soll zum Begräbnis-ritual gehört haben. Beim Neubau der Kathedrale wurden Obradovićs Knochen umgebettet und eine neue Inschrift auf der Grabplatte angebracht („Ein aufgeklärter Reliquienkult: Totenrituale“ 235–241). Sodann folgen die literarischen Parallelen und Anspielungen („Odysseus, Sokrates und Anacharsis: Vergleiche und Nacherzählungen“, 243–249). Die Aner-kennung und Verehrung erstreckte sich natürlich über die Leistungen Dositejs hin auf verschiede-nen Gebieten, wo man seine Spuren entdeckte: Verdienste um die serbische Sprache und Litera-tur, um Bildung und Religion, für die Frauen, für „das Volk“ (250–274).

Keine Lobpreisungen erhielt Obradović von Vuk Karadžić, der selbst als serbischer Volksheld gefeiert wurde. Im Gegensatz zu Dositej trat Vuk für die Pflege der ursprünglichen Kultur der bäu-erlichen Bevölkerung ein, an der sich auch die höher Gebildeten orientieren sollten. Konkret hatte Vuk Obradović in einem Pamphlet, das bis 1959 praktisch unbekannt geblieben war, heftig angegriffen. Auch in einem Brief an Lukijan Mušicki schrieb Vuk 1833, er würde den Druck

von Dositejs Büchern verbieten und äußerte sich auch zu anderen Anlässen sehr negativ über Obradović. Er attackierte auch seine Anhänger in teils persönlicher Polemik. Im Vorwort zu seinem serbischen Wörterbuch (Srpski rječnik) von 1818 anerkennt er jedoch, dass Dositej Obradović der erste gewesen ist, „der gesagt hat, man solle so serbisch schreiben, wie das Volk spricht“ („Der Fall Vuk Karadžić“ 274–280). Heute liegen die sterblichen Überreste von Vuk und Dositej nebeneinander bestattet vor der Belgrader Patriarchatskirche.

Im Panoramablick auf das Thema Obradović schimmert der Charme der Kontraste durch: Dem Aufklärer und Rationalisten wurde in rituellen und an religiöse Mystik grenzenden Formen gehuldigt. Nun wird das Kultische und Legendenhafte durch eine Analyse, die sich bildhafter Mittel und der Metaphorik (Raum, Besiedlung) bedient, entzaubert und in teilweise ernüchternder Weise aufgeklärt. Die Arbeit Wladimir Fischers hat dank großer Genauigkeit und sicherer Beherrschung, auch der altertümlichen Sprachvariante, wie auch der gewählten wissenschaftlichen Methode neue Sichtweisen auf Wirken und Nachwirken Dositej Obradović’ eröffnet. Der serbische Aufklärer wird wohl auch weiterhin gefeiert werden. Ein kompe-tentes Echo aus Serbien wäre zu erwarten, und der Dositej-Diskurs könnte fortgesetzt werden. Wird das Buch eine weitere Besiedelung auslösen? Wenn ja, wahrscheinlich nicht die letzte.

Rudolf Preinerstorfer

Friedrich C. Heller: Die bunte Welt. Handbuch zum künstlerisch illustrierten Kinderbuch in Wien 1890–1938. Wien: Christian Brandstätter 2008, 471 Seiten, zahlreiche farbige und schwarzweiße Abbil-dungen, ISBN 078-3-85033-092-3

Eine wahrhaft bunte Welt eröffnet uns Fried-rich C. Heller mit seinem Handbuch, das in der Fachwelt schon mit Spannung erwartet wurde und alle Hoffnungen mehr als erfüllt. Der Umfang des Werkes und die darin enthaltene Fülle an Informa-tionen lassen kaum vermuten, dass sich der Autor auf Wiener künstlerisch illustrierte Kinderbücher aus der Zeit von 1980 bis 1938 beschränkte und vor allem, dass es sich um das Werk einer einzelnen Person handelt. Heller, emeritierter Universitäts-professor und ehemaliger Vorstand des Instituts für Musikgeschichte, beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit einem bisher stark vernach-lässigten Thema, der Erforschung des historischen Kinderbuchs, wofür er im Jahre 2007 mit dem „Brüggemann-Knaben“ – benannt nach dem Ende 2006 verstorbenen Kinderbuchforscher Theodor Brüggemann – ausgezeichnet wurde.

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Autorenverzeichnis

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Dr. Michael Halévydocteur ès-lettresInstitut für die Geschichte der deutschen JudenBeim Schlump 83D-20144 Hamburg

Prof. Dr. Murray G. HallUniversität Wien Institut für GermanistikDr. Karl Lueger Ring 11010 Wien

Dr. Franz LacknerÖsterreichische Akademie der Wissenschaften, Zentrum Mittellalterforschung, Kommission für Schrift- und BuchwesenWohllebengasse 12–14 / 5 1040 Wien

Dr. Thomas LeibnitzÖsterreichische Nationalbibliothek

Dr. Gabriele MautheÖsterreichische Nationalbibliothek

Dr. Rudolf PreinerstorferNikolsdorf 1119782 Nikolsdorf / Osttirol

Dr. Christoph SteinerÖsterreichische Nationalbibliothek

Daniel Syrovyc/o Universität WienInstitut für RomanistikUniversitätscampus AAKH, Hof 8, Spitalgasse 21090 Wien

Dr. Stepanie WodiankaJustus-Liebig-Universität GießenSonderforschungsbereich: ErinnerungskulturKarl-Glöckner-Str. 21, G. 211D-35394 Gießen

Dr. Susanne BlumesbergerInstitut für GermanistikDr. Karl Lueger Ring 11010 Wien

Mag. Helga BockMarketing & KommunikationBestattung WienGoldeggasse 19 1041 Wien

Mag. Michaela BrodlÖsterreichische Nationalbibliothek

Gaëlle CollinAlliance Universelle Israélite 45, Rue La Bruyère F-75428 Paris

Prof. Walter DeutschÖsterreichisches VolksliedwerkOperngasse 61010 Wien

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Peter R. Frank, Johannes FrimmelBuchwesen in Wien 1750–1850Kommentiertes Verzeichnis der Buchdrucker, Buchhändler und VerlegerMit einer um Informationen zur Verteilung der Befugnisse, Adressen und Biographien wesent-lich erweitertern Fassung im PDF-Format auf CD-ROM

XVII, 301 Seiten, 33 Abb., mit 1 CD-ROM ISBN 978-3-447-05659-5Wiesbaden: Harrassowitz 2007

Mit diesem Band liegt zum ersten Mal ein voll-ständiges Verzeichnis aller Buchhandelsfirmen für den Zeitraum von 1750–1850 in Wien vor. Gerade in dieser bislang wenig erforschten Periode erfuhr der Buchhandel in Österreich durch die maria-theresianischen Reformen, vor allem aber durch die Reformen von Joseph II. mit Lockerung der Zensur einen entscheidenden Aufbruch. Einführende Texte zu einzelnen Firmen weisen auf die Breite und Vielfalt der Produktion und des Handels hin, mit deut-schen, griechischen, hebräischen, italienischen, serbischen, tschechischen, ungarischen und anderen Büchern, Almanachen, Zeitschriften und Zeitungen.

Abbildungsverzeichnis

160

S. 6, 8–10, 12, 14, 16, 17: © Bestattung Wien (Wittigo)

S. 11: © Wien Museum

S. 19–21, 24, 26, 27, 29, 31, 34: © Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volkslied-werkes

S. 37, 41, 47, 50, 85, 87–90: © Österreichische National-bibliothek, Handschriften-,

Autographen- und Nachlass-Sammlung

S. 63, 64, 67–70, 72–74: © Österreichische National-bibliothek, Musiksammlung

S. 75, 77–79, 81, 113, 116–122, 125, 126, 131, 132: © Österreichische Nationalbibliothek

S. 83, 84, 95, 99–105, 107–111: © Österreichische Nationalibiblitohek, Bildarchiv

S. 127–130: © Michael Halévy, Gaëlle Collin

S. 137, 139: © Wienbibliothek im Rathaus (Georg Lembergh)

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Wolfgang Hameter, Meta Niederkorn-Bruck, Martin Scheutz (Hrsg.)Freund Hein? Tod und Ritual in der Geschichte (Querschnitte, Bd. 22)

Innsbruck, Wien, Bozen 2007332 Seiten, ISBN: 978-3-7065-4487-0www.studienverlag.at

Der Tod ereilt uns heute entweder unver-mutet oder in klinischer Atmosphäre. Ein Blick zurück in die Geschichte lehrt, wie fern der Gegenwart der früher ironisch-familiär als „Freund Hein“ titulierte Tod geworden ist. Durch lange Jahrhunderte war der Tod ständiger und auch geachteter Begleiter des Menschen, der zwar das Ende einer Lebensform bedeutete, aber nicht das Ende des Lebens schlechthin verkörperte. Die Beiträge werfen aus unterschiedlichen Perspektiven Blicke auf die Vorstellung vom Tod, den Tod selbst und das mit dem Tod verbundene Ritual. Sie zeigen, wie präsent der Tod in vielen Bereichen (Musik, Literatur, Bild) war und noch ist; wie sich Rituale um den Tod herausbil-deten (etwa Leichenpredigten) und wie sich die Einstellung zum Tod historisch bis zur Gegenwart verändert hat und noch verändert.