reise durch die zeit – weg zum nobelpreis. von ahmed zewail

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MAGAZIN | 268 | © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2006, 40, 268 BÜCHER | Die Entdeckung der Femtochemie 1999 erhielt der am California Institu- te of Technology tätige Ahmed Ze- wail in Anerkennung seiner Leistun- gen zur Untersuchung von Über- gangszuständen mittels der von ihm entwickelten Femtosekunden-Spek- troskopie ungeteilt den Nobelpreis für Chemie. In der vorliegenden Au- tobiographie skizziert Zewail die Sta- tionen seiner „Lebenswanderungen“ und nimmt den Leser dabei mit auf eine Zeitreise. Es ist dies vor allem die persönliche Zeitreise des jungen Ägypters Ahmed, der nach dem Ende seines Chemiestudiums nach Ame- rika übersiedelt, dort einen Weg be- schreitet, der ihn zum Doktortitel, zur Entwicklung der Femtosekunden- Spektroskopie und schließlich zum Nobelpreis führt. Zewail schildert seine Jugend in Damanhur, einer Stadt in der Nähe Alexandrias, und seine Studienzeit an der Universität von Alexandria in den Jahren 1963 bis 1969 mit der den ori- entalischen Erzählern eigenen Erzähl- freude. Man erfährt einiges über die Kultur Ägyptens, seine ältere und neuere Geschichte und auch die Or- ganisation des Bildungssystems des Landes in den 60er Jahren. Zewails Zeit in Ägypten endet mit dem Ab- schluss seiner Masterarbeit und den Bemühungen um die Ausreisegeneh- migung nach Amerika. Mit der Beschreibung seines neu- en Lebens in Amerika ändert sich Ze- wails Erzählstil: Der Ton ist nüchter- ner und die Freude am Erzählen ist an manchen Stellen sogar einem un- angenehm selbstsicheren Ton gewi- chen. Seine Anfangszeit in Amerika beschreibt der Nobelpreisträger als von wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Schwierigkeiten cha- rakterisiert. Deutlich zeigt er dabei die Unterschiede zwischen dem Wis- senschaftsland Amerika und dem Wis- senschaftsentwicklungsland Ägypten auf. Besonders interessant sind hier beispielsweise die Vorgänge um die Berufung vielversprechender Kandi- daten an die berühmten amerikani- schen Institute. Neben dem Nacherleben seiner persönlichen Reise als Naturwissen- schaftler auf dem Weg zum Nobel- preis ermöglicht Zewail seinen Le- sern auch eine Reise durch die Ge- schichte der wissenschaftlichen Zeit- messung vom ersten Kalender bis zur Spektroskopie mit Femtosekun- denskala. Diese historischen Hinter- gründe stellt der Autor im Zusam- menhang mit der Erklärung seiner wissenschaftlichen Arbeiten in den drei zentralen Kapiteln des Buchs dar. Obwohl Zewails Buch zehn Kapi- tel enthält, finden die „Lebenswande- rungen“ mit Kapitel 8 („Auf dem Weg zum Nobelpreis“) ihren Abschluss. Kapitel 9 („Eine persönliche Sicht. Die Welt der Habenichtse“) und Kapi- tel 10 („Wege in die Zukunft. Meine Hoffnungen für Ägypten und Ameri- ka“) sind dem Buch wenig dienlich, denn sie hinterlassen von ihrem Ver- fasser den Eindruck einer Person, die aus ihrer behaglichen und sicheren Situation heraus den mahnenden Zei- gefinger erhebt. Abschließend sei noch auf die großzügige Ausstattung des Buchs mit vielen farbigen Fotos und dem 40seitigen Anhang (enthalten sind u. a. die Pressemitteilung der Schwedi- schen Akademie zur Preisverleihung, die Würdigung Zewails durch ein Mit- glied des Nobelkomitees sowie Ze- wails Ansprache anlässlich der Preis- verleihung) hingewiesen. Thomas Schneider, Mannheim SACHBUCH Schutzgruppen Das Buch von P.J.Kocienski ist an- ders als das bekannte und weit ver- breitete (Nachschlage-)Werk von Greene und Wuts sehr gut zur Lektüre geeignet, da es deutlich mehr bietet als eine schlichte Aneinanderreihung von Schutzgruppen und den dazu- gehörigen Herstellungs- bzw. Spal- tungsbedingungen. Der Einsatz der Schutzgruppen wird hier nämlich in fast allen Fällen an sehr interessan- ten, meist aus dem Bereich der Natur- stoffsynthese ausgewählten Beispie- len demonstriert (Saragossa-Säuren, FK 506,Vancomycin, etc.). Dies ge- schieht in didaktisch sehr geschick- ter Weise,wobei die Verwendung von zweifarbigen Schemata dem Leser hilft, auch an komplexen Molekülen den Blick für das Wesentliche zu be- wahren. Die gewählte Strategie zur Vermittlung des Wissens anhand komplexer Beispiele bringt den Leser erfreulicherweise auch ganz zwang- los mit Gefahren, die beim Einsatz von Schutzgruppen lauern, in Kon- takt. So können oft z.B. unerwartete Nachbargruppeneffekte oder eine Be- einflussung der Konformation und Stereo- oder Regioselektivitäten von Reaktionen durch Schutzgruppen auftreten. Neben diesen besonders lehrreichen Abschnitten sind auch die im Buch teilweise diskutierten Reaktionsmechanismen von z.B. Ab- spaltungsreaktionen zu erwähnen, die dem Leser sozusagen nebenbei interessantes mechanistisches Wissen vermitteln.Auch werden Gefahren beim Umgang mit α-Halogenethern (carcinogen) nicht verschwiegen und sogar für viele Schutzgruppen cha- rakteristische NMR-Daten angegeben, was dem Praktiker im Labor sicher- lich sehr hilft. Abschließend bleibt noch zu bemerken, dass am Ende eines jeden Kapitels ausführliche Literaturhinweise mit besonderer Berücksichtigung von Review-Arti- keln zu allen behandelten Schutz- gruppen zu finden sind. Insgesamt bietet das vorliegende Werk also weit mehr als man viel- leicht von einem Buch über Schutz- gruppen erwarten würde, weshalb es allen an Organischer Synthesechemie interessierten Studenten, Diploman- den und Doktoranden wärmstens zu empfehlen ist. Prof. Dr. Sven Doye, Heidelberg Reise durch die Zeit – Weg zum Nobel- preis. Von Ahmed Zewail. Übersetzt von Hans-Jürgen Hansen. Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich 2006. 370 Seiten. 49,00 EUR. ISBN 3-906390-32-2. Protecting Groups Von Philip J. Kocienski. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005. 3. Auflage, 680 Sei- ten, 1200 Abb., Gebunden, 69,90 Euro. ISBN 3-13-135603-0

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268 | © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2006, 40, 268

B Ü C H E R |Die Entdeckung derFemtochemie

1999 erhielt der am California Institu-te of Technology tätige Ahmed Ze-wail in Anerkennung seiner Leistun-gen zur Untersuchung von Über-gangszuständen mittels der von ihmentwickelten Femtosekunden-Spek-troskopie ungeteilt den Nobelpreisfür Chemie. In der vorliegenden Au-tobiographie skizziert Zewail die Sta-tionen seiner „Lebenswanderungen“und nimmt den Leser dabei mit aufeine Zeitreise. Es ist dies vor allemdie persönliche Zeitreise des jungenÄgypters Ahmed, der nach dem Endeseines Chemiestudiums nach Ame-rika übersiedelt, dort einen Weg be-schreitet, der ihn zum Doktortitel,zur Entwicklung der Femtosekunden-Spektroskopie und schließlich zumNobelpreis führt.

Zewail schildert seine Jugend inDamanhur, einer Stadt in der NäheAlexandrias, und seine Studienzeit ander Universität von Alexandria in denJahren 1963 bis 1969 mit der den ori-entalischen Erzählern eigenen Erzähl-freude. Man erfährt einiges über dieKultur Ägyptens, seine ältere undneuere Geschichte und auch die Or-ganisation des Bildungssystems desLandes in den 60er Jahren. ZewailsZeit in Ägypten endet mit dem Ab-schluss seiner Masterarbeit und denBemühungen um die Ausreisegeneh-migung nach Amerika.

Mit der Beschreibung seines neu-en Lebens in Amerika ändert sich Ze-wails Erzählstil: Der Ton ist nüchter-ner und die Freude am Erzählen istan manchen Stellen sogar einem un-angenehm selbstsicheren Ton gewi-chen. Seine Anfangszeit in Amerikabeschreibt der Nobelpreisträger alsvon wissenschaftlichen, politischenund kulturellen Schwierigkeiten cha-rakterisiert. Deutlich zeigt er dabeidie Unterschiede zwischen dem Wis-senschaftsland Amerika und dem Wis-senschaftsentwicklungsland Ägyptenauf. Besonders interessant sind hier

beispielsweise die Vorgänge um dieBerufung vielversprechender Kandi-daten an die berühmten amerikani-schen Institute.

Neben dem Nacherleben seinerpersönlichen Reise als Naturwissen-schaftler auf dem Weg zum Nobel-preis ermöglicht Zewail seinen Le-sern auch eine Reise durch die Ge-schichte der wissenschaftlichen Zeit-messung vom ersten Kalender biszur Spektroskopie mit Femtosekun-denskala. Diese historischen Hinter-gründe stellt der Autor im Zusam-menhang mit der Erklärung seinerwissenschaftlichen Arbeiten in dendrei zentralen Kapiteln des Buchsdar.

Obwohl Zewails Buch zehn Kapi-tel enthält, finden die „Lebenswande-rungen“ mit Kapitel 8 („Auf dem Wegzum Nobelpreis“) ihren Abschluss.Kapitel 9 („Eine persönliche Sicht.Die Welt der Habenichtse“) und Kapi-tel 10 („Wege in die Zukunft. MeineHoffnungen für Ägypten und Ameri-ka“) sind dem Buch wenig dienlich,denn sie hinterlassen von ihrem Ver-fasser den Eindruck einer Person, dieaus ihrer behaglichen und sicherenSituation heraus den mahnenden Zei-gefinger erhebt.

Abschließend sei noch auf diegroßzügige Ausstattung des Buchsmit vielen farbigen Fotos und dem40seitigen Anhang (enthalten sind u. a.die Pressemitteilung der Schwedi-schen Akademie zur Preisverleihung,die Würdigung Zewails durch ein Mit-glied des Nobelkomitees sowie Ze-wails Ansprache anlässlich der Preis-verleihung) hingewiesen.

Thomas Schneider, Mannheim

SAC H B U C H

SchutzgruppenDas Buch von P. J. Kocienski ist an-ders als das bekannte und weit ver-breitete (Nachschlage-)Werk von Greene und Wuts sehr gut zur Lektüregeeignet, da es deutlich mehr bietet

als eine schlichte Aneinanderreihungvon Schutzgruppen und den dazu-gehörigen Herstellungs- bzw. Spal-tungsbedingungen. Der Einsatz derSchutzgruppen wird hier nämlich infast allen Fällen an sehr interessan-ten, meist aus dem Bereich der Natur-stoffsynthese ausgewählten Beispie-len demonstriert (Saragossa-Säuren,FK 506,Vancomycin, etc.). Dies ge-schieht in didaktisch sehr geschick-ter Weise, wobei die Verwendung vonzweifarbigen Schemata dem Leserhilft, auch an komplexen Molekülenden Blick für das Wesentliche zu be-wahren. Die gewählte Strategie zurVermittlung des Wissens anhandkomplexer Beispiele bringt den Lesererfreulicherweise auch ganz zwang-los mit Gefahren, die beim Einsatzvon Schutzgruppen lauern, in Kon-takt. So können oft z.B. unerwarteteNachbargruppeneffekte oder eine Be-einflussung der Konformation undStereo- oder Regioselektivitäten vonReaktionen durch Schutzgruppenauftreten. Neben diesen besonderslehrreichen Abschnitten sind auchdie im Buch teilweise diskutiertenReaktionsmechanismen von z.B.Ab-spaltungsreaktionen zu erwähnen,die dem Leser sozusagen nebenbeiinteressantes mechanistisches Wissenvermitteln.Auch werden Gefahrenbeim Umgang mit α-Halogenethern(carcinogen) nicht verschwiegen undsogar für viele Schutzgruppen cha-rakteristische NMR-Daten angegeben,was dem Praktiker im Labor sicher-lich sehr hilft.Abschließend bleibtnoch zu bemerken, dass am Ende eines jeden Kapitels ausführliche Literaturhinweise mit besondererBerücksichtigung von Review-Arti-keln zu allen behandelten Schutz-gruppen zu finden sind.

Insgesamt bietet das vorliegendeWerk also weit mehr als man viel-leicht von einem Buch über Schutz-gruppen erwarten würde, weshalb esallen an Organischer Synthesechemieinteressierten Studenten, Diploman-den und Doktoranden wärmstens zuempfehlen ist.

Prof. Dr. Sven Doye, Heidelberg

RReeiissee dduurrcchh ddiiee ZZeeiitt–– WWeegg zzuumm NNoobbeell--pprreeiiss.. Von AhmedZewail. Übersetztvon Hans-JürgenHansen. Verlag Helvetica ChimicaActa, Zürich 2006.370 Seiten. 49,00 EUR. ISBN 3-906390-32-2.

PPrrootteeccttiinngg GGrroouuppssVon Philip J. Kocienski. GeorgThieme Verlag,Stuttgart 2005. 3. Auflage, 680 Sei-ten, 1200 Abb.,Gebunden, 69,90 Euro. ISBN 3-13-135603-0