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Prävention und Therapie der Osteoporose: Was gibt es Neues? Dr. Katharina Schiessl Klinik für Reproduktions- Endokrinologie UniversitätsSpital Zürich

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Page 1: Prävention und Therapie der Osteoporose: Was gibt es Neues? Dr. Katharina Schiessl Klinik für Reproduktions-Endokrinologie UniversitätsSpital Zürich

Prävention und Therapie der Osteoporose:

Was gibt es Neues?

Dr. Katharina SchiesslKlinik für Reproduktions-Endokrinologie

UniversitätsSpital Zürich

Page 2: Prävention und Therapie der Osteoporose: Was gibt es Neues? Dr. Katharina Schiessl Klinik für Reproduktions-Endokrinologie UniversitätsSpital Zürich

Osteoporotische Frakturen

Klassische Frakturorte: Hüfte (Schenkelhals) Wirbelsäule Vorderarm (Radius) Proximaler Humerus

Inzidenz von 3 häufigen Frakturen bei der Frau (pro 100 Frauen/Jahr in jeder Altersgruppe)

Hüftfrakturen

Vorderarm- frakturen

Wirbelfrakturen

Alter (Jahre)

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1. Raisz LG. J Clin Invest 2005;115:3318–3325 2. Lanham-New SA. Proc Nutr Soc 2008;67:163–176. 3. Burger H et al. Am J Epidemiol 1998;147:871–879. 4. Recker R et al. J Bone Miner Res 2000;15:1965–1973. 5. Sambrook P et al. Baillieres Clin Rheumatol 1993;7:445–457. 6. Weaver CM et al. Primer on the Metabolic Bone Diseases and Disorders of Mineral Metabolism. 7th ed. 2008:206–208.

Veränderung der Knochenmasse im Verlauf des Lebens

Aufbau der max. Maximale Knochenmasse KnochenverlustKnochenmasse Menopause

Aufbau>

Abbau

Abbau>

Aufbau

Kno

chen

mas

se

Alter (Jahre)

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Knochenmodellierung durch Auf- und Abbau

• Osteoklasten resorbieren älteren oder beschädigten Knochen

Osteoklast Osteoblast

Seeman E et al. New Engl J Med 2006;354:2250–2261.

• Osteoblasten bilden neuen Knochen nach der Resorption durch die Osteoklasten

Form follows function (Julius Wolff 1836-1902)

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Knochen-Remodelling

Monocyte

Präosteoklast

Osteoklast

Makrophage

Präosteoblast

Osteoblast

Bone-lining cell

Alter Knochen

Osteozyt

Osteoid

Neuer Knochen

Mesenchymale Stammzellen

Hämatopoetische Stammzellen

Ruhe Resorption Umwandlung Formation Mineralisation Ruhe

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Entwicklung Osteoblast-Osteozyt

Exprimierte Marker

Bonewals L. Journal of bone and Mineral Research 201;26(2):229-38; Oester M et al. Calcif Tuss Int 2010,87:99

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Ca. 80% des adulten Skelettes besteht aus kortikalem, ca. 20% aus trabekulärem Knochen

Kortikaler Knochen

Knochenstabilität

KnochenstabilitätKnochenqualitätKnochendichte

Trabekulärer Knochen

+ =

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Einflussfaktoren

Genetik Ernährung

• Vitamine und Mineralien• Protein• Mangelernährung• Schadstoffe

Lebensführung (lifestyle)• Noxen (Alkohol, Nikotin)• Bewegung

Hormonelle u. metabolische Faktoren

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WHO Fracture Risk Assessment Tool

http://www.shef.ac.uk/FRAX/index.jsp?lang=en

Evaluiert das 10-Jahres-Frakturrisiko auf der Basis epidemiologischer Daten für verschiedene Länder

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Vorangegangene Frakturen (Wirbelfrakturen) Signifikante Risikofaktoren

• Alter• Geschlecht• Tiefer BMI• Familienanamnese• Rauchen• Alkohol

Sekundäre Ursachen

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Vorangegangene Frakturen

Kanis JA et al. Bone 2004;35:375–382. 2. Klotzbuecher CM et al. J Bone Min Res 2000;15:721–739.

• Eine Fraktur kann das Risiko für eine erneute Fraktur verdoppeln1

• Eine Wirbelfraktur vervierfacht das Risiko für eine erneute Wirbelfraktur2

Relative Risikozunahme bei Patienten mit vorgängiger Fraktur

Alter (Jahre)

Rel

ativ

e Zu

nahm

e de

s Fr

aktu

rris

iko

(%)

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Frakturen erhöhen das Mortalitätsrisiko

Bliuc D et al. JAMA 2009;301:513–521.

Mortalitätsraten von Frauen mit Fraktur vs. gesunde Population in Abhängigkeit des Alters

Eine weitere Fraktur ist mit einer zusätzlichen/weiteren Erhöhung des Mortalitätsrisikos während der nächsten 5-10 Jahre verbunden

Alter (Jahre)

Mor

talit

ätsr

ate/

100

Pers

onen

-Jah

re

Gesunde Population Patienten mit vorgängier Fraktur

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Vorausgegangene Fraktur: im Erwachsenenalter spontan oder als folge eines inadäquaten Traumas

Glukocortikoide: derzeit oder früher während mindestens 3 Monaten oral ≥ 5mg Prednisolon-Äquivalent

Rheumatoide Arthritis muss bestätigt sein, Arthrose wäre Schutzfaktor

Sekundäre Osteoporose bei Vorhandensein von • Typ I Diabetes • Osteogenesis imperfecta• Hyperthyreose langjährig unbehandelt• Hypogonadismus/frühe Menopause• Chronische Mangelernährung/Malabsorption• Chronische Lebererkrankung

Knochendichte: DEXA Referenzmessung, Schenkelhals absoluten Wert in g/cm² oder T-score, wenn nicht durchgeführt: leer lassen

Antwort unbekannt: nein eingeben

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Wichtig: Nur bei unbehandelten PatientInnen einsetzbar Nur ausgelegt für PatientInnen 40-90 Jahre Berücksichtigt ethnische Minderheiten (ausser USA)

nicht Unterschätzt Situation bei frühen Wirbelkörperfrakturen Berücksichtigt nicht Knochendichte Wirbelsäule Dosiseffekt Nikotin, Alkohol, Glukokortikoide nicht erfasst

(Bei tiefer oder hoher Exposition wird Effekt über- oder unterschätzt)

Stürze nicht berücksichtigt

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Wie lange dauert es bis zur Fraktur?

Normaler BMD (T-score ≥-1): > 20 Jahre Leichte Osteopenie (T-score -1.01-1.49): ~14 Jahre Mittlere Osteopenie (T-score -1.5-1.99): ~ 5 Jahre Fortgeschr. Osteopenie (T-score -2-2.49): ~ 5 Jahre

Gourlay et al. ASBMR 2011, 1059

Frauen ohne Osteoporose, Hüft- oder Wirbelfraktur ≥67y15 Jahre follow up mit DXAAdjustiert nach Alter, BMI, Östrogeneinnahme, Fraktur >50,

Rauchen, orale Glucocorticoide, Rheumatoide ArthritisAusschluss bei Biphosphonaten, Calcitonin, RaloxifenEndpunkt: 2% der Frauen haben Hüft- oder Wirbelfraktur

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Ernährung

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Proteine

Täglich fettarme Produkte bevorzugen bei

Übergewicht Empfohlene Tagesmenge: 0.8-0.9 g/kgKG ≈ 52-58g bei 65 kg ≈ 60-68g bei 75 kg

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Proteine

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Vitamin D25-OH-D Blutspiegel:Normalbereich >20 μg/lEmpfohlen: >30 μg/l

Kontrolle bei Adipositas BMI >35 Lichtmangel Hohes Alter, Heimbewohner Epilepsie Chronische Störungen

• Niereninsuffizienz• Entzündl. Darmerkrankung• Exokrine Pankreasinsuffizienz• Z. n. Magenresektion

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Vitamin D

Mangel korreliert mit MS-Inzidenz und Auftreten maligner

Tumore (Kolon, Mamma) macht anfälliger für bakterielle und virale Erkrankungen korreliert mit Insulinresistenz und Bluthochdruck-Risiko Vitamin D-Polymorphismus-Träger haben erhöhtes

Risiko für AutoimmunerkrankungenEinnahme korreliert mit niedrigerer Inzidenz an Rheumatoider

Arthritis und Diabetes mellitus Typ I

Cave: Hauteigene Kapazität zur Vitamin D-Produktion nimmt im Alter

um das 4fache ab!

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Kann Vitamin D Stürze verhindern?Studie doppelblind placebokontrolliert 2003-8N=2256 Frauen ≥ 70y mit hohem Frakturrisiko (Hüfte) in Australien500.000 IE Cholecalciferol jeden Herbst/Winter über 3-5 Jahre

Sanders, K. M. et al. JAMA 2010;303:1815-1822

Sturzrate vor allem in ersten drei Monaten hoch

15 % mehr Stürze und 26 % mehr Frakturen als Placebogruppe

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Führt zuviel Kalzium zu Verkalkung?Metaanalyse Studiendaten 1966-2010: 15 Studien

 Kumulative Inzidenz Myokardinfarkt, Insult, plötzlicher Tod oder Mischung aus diesen sowie Tod während Behandlung

Bolland M J et al. BMJ 2010;341:bmj.c3691

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Hypothese: Erhöhter Kalziumspiegel führt zu Gefässverkalkung und in Folge zu CVD

Problem: Mechanismus bisher nur für Patientinnen mit chronischem

Nierenversagen nachgewiesen Ereignisserfassung war nicht Studienendpunkt, sondern wurde über

Eigenberichte, Klinikeinweisungen und Totenscheine erfasst Adjustierung bezüglich Risikofaktoren (KHK, Nikotin, Lipidspiegel,

Hypertonie) nicht möglich, da Daten bei der Hälfte der Studien fehlten

Keine Einzelstudie erbringt signifikantes Ergebnis

Keine Konsequenz für den Praxisalltag, ausser

• Vermeidung exzessiv hoher Dosen

• Einbezug der Aufnahme über die Ernährung

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Referenzwerte Einnahme von Kalzium und Vitamin D

- Institute of Medicine -

Ross AC eta al. J Clin Endocinol Metab 2011;96:53-8

LebensabschnittKalzium mg/d

empfohlen ObergrenzeVitamin D mg/d

empfohlen Obergrenze

14-18 Jahre 1300 3000 600 4000

19-30 Jahre 1000 2500 600 4000

31-50 Jahre 1000 2500 600 4000

51-70 Jahre w 1200 2000 600 4000

> 70 Jahre 1200 2000 800 4000

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Die bewegte Frau

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Bewegung als Prophylaxe und Behandlung der Osteoporose

Howe TE et al. Cochrane Library 2011

Statisches Gewichtseinwirkung (z.B. Einbeinstand) Dynamische gewichtsbelastete Bewegung (Walking,

Tai Chi) Dynamische forcierte gewichtsbelastete Bewegung

(Jogging, Tanzen, Langlauf, Vibrationsplattform) Gewichtsentlastetes Training (wenig Gewicht, viele

Wiederholungen) Forciertes gewichtsentlastetes Training (progressiver

Widerstandsanstieg) Kombinationen

Cochrane Neu-Analyse 2011: 43 Studien, 4320 postmenopausale Frauen

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Bewegung als Prophylaxe und Behandlung der Osteoporose

Howe TE et al. Cochrane Library 2011

Effektivste Massnahme bezüglich Knochendichtezunahme: Schenkelhals: Forciertes gewichtsentlastetes Training Wirbelsäule: Kombinationen

Nachbeobachtungszeit für Frakturauswirkungen zu kurzInsgesamt erlitten 11 Frauen ohne Bewegungstherapie

versus 7 Frauen mit Therapie eine Fraktur

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Was ist mit der Power Plate?Hypothese: Vibrationstherapie als Prophylaxe und Therapie Osteoporose oder Stürze

Daten unklar Kanadische Studie mit postmenopausalen

Frauen zeigte nach 1 Jahr power plate Therapie keinen Vorteil, sondern sogar Nachteile (?)

Reviews zeigen geringen Anstieg der Knochendichte

Theiler 2011, mündliche Kommunikation von Ergebnissen ASBRM

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Bewegung

tgl. 30 min, mittlere Intensität, am besten im Freien

Walken, Wandern, Tanz, Tai-Chi, Gymnastik, Skilanglauf, Krafttraining

Zusatznutzen: Muskelkraft, Gleichgewicht, Kognition, Koordination

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Diagnostik: wer und wann?

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Knochenscreening

Fehlende Evidenz für den Effekt von Screening auf Frakturverhütung (keine randomisierten kontrollierten klinischen Studien, 1 Beobachtungsstudie positiv)

Klarer Zusammenhang zwischen BMD und Frakturwahrscheinlichkeit

Empfehlungen: Evaluation aller > 50 Jahre auf Risikofaktoren mit einem

entsprechend validen Tool (z.B. FRAX) BMD Frauen ≥ 65, Männer ≥ 70 Jahre oder bei

Risikofaktoren

ACPM (American College of Preventive Medicine) Am J Prev Med 2009:36;366-75

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Indikation zur Diagnostik

Frauen, Alter in Jahren < 50 50-60 >60

Orale Glucocorticoide >5mg Prednisolonäquivalent >3Monate

+ + +

Wirbelfraktur + +

Cushingsyndrom + + +

Primärer Hyperparathyreoidismus + + +

Hypogonadismus, Menopause <42 Jahre + +

Nichtvertebrale Fraktur >50 Jahre +

Aromatasehemmertherapie +

Rheumatoide Arthritis +

Untergewicht +

Glitazontherapie +

Nikotin >10 Zigaretten/die +

Multiple Stürze (>1x in 12 Monaten) +

Immobilität +

Proximale Femurfraktur eines Elternteils +

Diabetes mellitus Typ 1 +

TSH-Wert <0,3 mU/l +

Nach Leitlinien SVGO 2010

Evidenzgrade:

A = randomisierte, kontrollierte Studien Eignung nachgewiesenB = mindestens eine quasi-experimentelle Studie Eignung bedingt belegtC = mindestens eine nicht-experimentelle Studie Eignung wahrscheinlichD = Expertenmeinung Eignung begründet vermutet

Einzelfallentscheidung

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Prophylaxe

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Tägliche Osteoporoseprophylaxe: Mindestens 3 Portionen Milch und –produkte

über den Tag verteilt Ergänzen mit kalziumreichem Mineralwasser

und Gemüse, fettreichem Fisch Mindestens 2-3 x wöchentlich 10 Minuten

Sonneneinstrahlung Arme+Beine oder Hände+Arme+Gesicht

Regelmässige Bewegung Vermeiden von Nikotin, übermässigem Alkohol-

und Kaffeegenuss Vermeiden von Untergewicht BMI <20

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Therapie

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Wann therapieren?

Nach: SVGO Leitlinien 2010

Medikamentöse Therapie, wenn

absolutes 10-Jahres-Frakturrisiko (FRAX) entsprechend dem einer

Gleichaltrigen mit prävalenter Fraktur

T-Score LWS oder Femur (Hals oder total) im osteoporotischen Bereich

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Therapieprinzipien

Antiresorptiv Östrogen, SERM Biphosphonate Denosumab (Calcitonin)

Anabol Parathormon Sklerostin-Antikörper

Osteoporosetherapie und ihre Ansatzpunkte an Osteoklasten/Osteoblasten.Src: eine «non-receptor»-Protein-Tyrosin-Kinase, ClCN7: Chloride channel 7, JNK: c-Jun-N-terminale Kinasen, TRAF2: Tumour-necrosis-factor-(TNF-)Rezeptor-assoziierter Faktor 2,RANKL: Rezeptor-Aktivator des nukleären Faktors kB-Ligand, avb3: Integrin, E2:Östrogene, SERM: selektiver Östrogen-Rezeptor-Modulator, SARM: selektiver Androgen-Rezeptor-Modulator, hrPTH: humanes rekombinantes Parathormon, DKK1: Dickkopf-1,ein löslicher Hemmer des «wingless/int (Wnt) signaling» und der Osteoblastogenese.

Kränzlin, Meier Swiss Medical Forum 2011;11(3):21-28

OSTEOKLAST OSTEOBLAST

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Östrogenrezeptormodulatoren SERMs: Raloxifen

Dosierung: 60 mg täglich Zugelassen zur Prävention und Therapie

der Osteoporose (T-score ≤ -1 Wirbelsäule/Vorderarm)

In USA 2007 zugelassen zur Prävention bei Hochrisikopatientinnen für Mammakarzinom (Gail-Score)

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Östrogenrezeptormodulatoren: Raloxifen

Reduziert osteoporotische Frakturen an der WS signifikant

Protektiv bezüglich Mammaca Positiven Einfluss auf Lipidprofil kein endometrialer Effekt (benigne Polypen) Kein Effekt bei vorhandener Arteriosklerose Erhöht Thromboembolie-Risiko: Stopp bei Immobilisation erhöht Risiko für tödlichen Insult bei Patientinnen mit

KHK Verstärkt oder induziert vasomotorische MP-Symptome

Ideale Patientin: postmenopausal ohne Beschwerden 50 - 70 Jahre

mit hohem Risiko für oder Zustand nach Wirbelfraktur und hohem

Mammakarzinomrisiko

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SERM: Bazedoxifen

(Conbriza®)

Indikation: Prävention u. Therapie der Osteoporose bei Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko

Dosierung: 20 mg täglich

Kein Unterschied in MammaCa-Rate Keine proliferative Wirkung auf Endometrium Erhöht signifikant Knochendichte WS u. Hüfte Signifikante Reduktion vertebraler Frakturen Ansteigender Effekt bei vorbestehenden Frakturen Erhöht Thromboembolierisiko (x 5 für TVT) Verstärkt oder induziert vasomotorische Menopausensymptome

Augenblicklich Phase III- Studie in Anwendung mit ÖstrogenGallagher et al. ASBRM 3011, 1133

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Verminderter Östrogen-

spiegel

Regulierung des Knochenumbaus durch RANK/-Ligand/Osteoprotegerin- Wirkmechanismus

DifferenzierterOsteoklast

Osteoblasten

OsteoklastenVorläufer-

zellen

Aktivierter Osteoklast

RANK Ligand Signalprotein TNF-Superfamilie

RANK receptor activator of nuclear factor kB

OPG Osteoprotegerin (Protein)

Boyle WJ et al. Nature 2003;423:337–342. 2. Kostenuik PJ et al. Curr Pharm Des 2001;7:613–635.

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Menopause-bedingter Abfall des Östrogenspiegles führt zu einem RANK Ligand-Anstieg und erhöhtem Knochenabbau

Hofbauer LC et al. JAMA 2004;292:490–495.

RANK Ligand

OPG

Vermehrter Knochenabbau

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Denusomab (Prolia®)

Humaner monoklonaler AK gegen RANKL Senkung vertebraler, nonvertebraler und Hüftfrakturen Linearer Anstieg der Knochendichte unter 8 Jahren

Therapie Schnelle Abnahme der Knochenresorptionsmarker

(1 Monat), langsamer der Knochenformationsmarker (6Monate)

NW selten: Ekzeme, Blähungen, Weichteilinfektionen Wirkung reversibel: 6-12 Monate nach Absetzen

Surrogatmarker wieder auf oder über Ausgangsniveau Anwendungsdauer und Frakturrate nach Absetzen unklar

Kränzlin, Meier Swiss Medical Forum 2011;11(3):21-28

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Plastizität des Knochens

Geringere Knochenumbau bedingt nicht unbedingt besseren Knochen, da verstärkte Mineralisation und älteres Kollagen

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Wirkmechanismus Biphosphonate

Drei Wirkmechanismen in Diskussion:Hohe Bindungsaffinität zu Kalzium-Phosphatkristallen des Knochens

Baron et al . Bone 2011; 48(4):677-92

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NW Biphosphonate Kieferosteonekrose

• V.a. Krebspatienten, 1-2%• Therapiepause 6 Wochen vor kieferchirurgischen

Manipulationen Nierentoxizität

• Transsiente Kreatininerhöhung• Nierenfunktionsprüfung vor jeder Infusion

Vorhofflimmern?• Metaanalyse 2010 keine Signifikanz

Ösophagitiden, hämorrhagischen Ulzerationen• Einnahmehinweise morgens nüchtern mit 200 ml Wasser, 30

min nicht mehr hinlegen Atypische Femur-Frakturen ohne adäquates Trauma bei

verdickter Kortikalis ?

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Biphosphonate und atypische Femurfraktur

Keine Risikoerhöhung (Black et al. NEJM 2010) Task force American Society for Bone and Mineral

Research (ASBMR): mögliche leichte Risikoerhöhung, beobachet weiter Schwedische Studie Nationales Patientenregister 12777 Frauen >55 Jahre mit SH-Fraktur 2008 bei 59 Diagnose atypische Femurfraktur, davon 46

(78%) unter Biphosphonaten absolutes Risiko jedoch so klein, dass Nutzen überwiegt (Schilcher et al. NEJM 2011;364:1728-37)

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Biphosphonate

Prolongierte Wirkung durch Inkorporation in Knochen

Patientinnen, die nach 3 Jahren Therapie keinen wesentlichen Erfolg mit Anstieg der Knochendichte zeigen, haben nach Absetzen erhöhte Frakturrate vertebral

Nach 5 Jahren Therapie kein wesentlicher Benefit mehr durch Prolongieren

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Funktion Osteoklast

Protease, die von Osteoklasten sezerniert wird und dem Kollagenabbau dient

Motyckova, Fischer.Curr Mol Med 2002;2(5):407-21

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Cathepsin K

Funktionsverlust Cathepsin K führt zum fehlenden Abbau von Kollagenmatrix bei weiter funtionierender Demineralisation ►vermehrte Knochenmasse von verminderter Stabilität

Knock-out Mäuse haben verminderten trabekulären Knochen Mutationen führen zur Pyknodysostose (Kleinwuchs,

Veränderungen Gesichtsschädel, Spondylolysen WK) prominentes Beispiel: Henri de Toulouse-Lautrec

Neuentwicklung: Antagonisten• Odanacatib in Phase III Studie: BMD steigt wie bei

Biphosponaten, aber es steigt auch die Neuformation (inzwischen 5jahresdaten)

• ONO-5334: Daten unterscheiden sich zu obigem Antagonisten

Motyckova, Fischer.Curr Mol Med 2002;2(5):407-21

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Clopidogrel (Plavix®)

In vitro Hemmung der Osteoblastenfunktion

Mausmodell: negativen Effekt auf trabekulären Knochen, nicht auf Kortikalis

Klinische Bedeutung unklar

Brandao-Burch A et al. ASBRM 2010; Orris I et al. ASBRM 2011

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Und was jetzt wann? Therapieentscheid nach individueller

Risikosituation (FRAX + weitere Faktoren) HT bis 60y oder 7-10 Jahre postmenopausal Dann SERM bis ca. 65-70 Jahre (Insultrisiko!) Denosumab jederzeit, bis ins hohe Alter Biphosphonate jederzeit, aber begrenzt auf 5

Jahre Parathormon altersunabhängig, ev. in

Kombinationen Und immer dabei: individuell angepasste

Bewegung!

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