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Umgang mit solchen minimiert und den individuellen Bedürfnissen des Patienten optimal gerecht wird.

Die Sicherheit, Praktikabilität und Vereinfachung der klinischen Routine durch Anwendung solcher „all-in-one Lösungen“ in Form eines Dreikam-merbeutels wird beispielhaft in einem gesonderten Abschnitt dieser Ausgabe erläutert.

Ernährung des Intensivpatienten

Es herrscht allgemeiner Konsens darü-ber, dass auch bei kritisch Kranken eine Enterale Ernährung (EE) – wenn immer möglich – zu bevorzugen ist. Zur Erhaltung der intestinalen Integri-tät und Abwehrfunktion sowie zur Vermeidung von Infektionen aufgrund intestinaler Keimtranslokation, ist eine luminale Substratzufuhr notwendig. Da bei kritisch Kranken eine bedarfs-deckende EE oftmals nicht möglich ist, muss zumindest additiv eine Parenterale Ernährung (PE) vorge-nommen werden, um eine optimale Zufuhr von Nährstoffen zu gewähr-leisten.

Fakten und Hintergründe zu den ESPEN-Guidelines 2009

Eine Totale Parenterale Ernährung (TPE) beinhaltet alle notwendigen Nahrungsbestandteile in ausrei-chender Menge und in einer für den Organismus optimalen Zusammen-setzung (Tab. 1). So sollten Mangel-erscheinungen auch nach längerer Applikationsdauer nicht in Erschei-nung treten4.

Metabolismus bei Akutpatienten

Oft wird vom sogenannten Post-aggressionsstoffwechsel gesprochen. Dabei handelt es sich um katabole Zustände bei ICU-Patienten (z. B. bei

Die PE bei ICU-Patienten sollte nach den Empfehlungen der ESPEN-Guidelines 24 bis 48 Stunden nach Aufnahme auf einer Intensivstation (ICU) begonnen werden, wenn ab-sehbar ist, dass eine EE binnen der nächsten drei Tage nicht bedarfs-deckend stattfinden kann1. Gründe dafür sind die Intoleranz einer EE, beispielsweise aufgrund von Kontra-indikationen (Tab. 2)4.

Leitthema Nr. 36

SIRS und Sepsis oder nach großen Operationen). Deren Gefahren gilt es zu erkennen.

Die Schockphase bei Akutpatienten (ebb-phase) dauert ca. 24 Stunden nach Traumata, Operationen oder einer Pankreatitis an. Erhaltung der Vitalfunktionen, Kreislaufstabilisierung sowie Flüssigkeits- und Elektrolytaus-gleich stehen hier im Vordergrund. In der danach folgenden hypermetabolen Phase (flow-phase), dem Postaggres-sionssyndrom, ist die Ernährungsthe-rapie von entscheidender Bedeutung. Diese Phase kann Tage bis mehrere Wochen andauern und von verschie-denen Erkrankungen wie Nieren- oder Leberversagen durch Stoffwechsel-störungen überlagert sein.

Die Anpassung des menschlichen Organismus an Traumata, Operati-onen und schwere systemische Infek-tionen gehen mit charakteristischen Veränderungen der Hämodynamik, der Immunologie und des Metabolis-mus einher.

Energie-Substrate

Kohlenhydrate (Glukose)

Fett (langkettige Triglyceride [LCT], mittelkettige Triglyceride [MCT], w-3-Fettsäuren)

Aminosäuren

Essenzielle und nicht-essenzielle

Elektrolyte

Natrium

Kalium

Phosphat

Calcium

Magnesium

Vitamine

Fettlösliche (A, D, K, E)

Wasserlösliche (B1, B2, B6, B12, C, Folsäure, Niacin, Pantothen-säure)

Spurenelemente

Eisen

Jod

Kupfer

Zink

Fluor

Chrom

Selen

Molybdän

Mangan

Absolute Kontraindikationen

Akutphase unmittelbar nach Operation oder Trauma

Mechanischer Ileus

Akutes Abdomen

Gastrointestinale Blutung

Hypoxie (pO2 < 50 mmHg)

Schock, schwere Azidose (pH < 7,2, pCO2 > 75 mmHg)

Relative Kontraindikationen

Schwere Diarrhoen

Paralytischer Ileus

Starker Reflux

Enterokutane Fistel mit hoher Sekretion

Akute Pankreatitis (außer Jejunalsonde)

Tabelle 1: Obligate Komponenten einer TPE (mod. nach 4)

Tabelle 2: Kontraindikation Enterale Ernährung (mod. nach 4)

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im Serum und weitestgehend auch für den gesteigerten Energieumsatz kri-tisch kranker Patienten.

Die metabolischen Merkmale bei SIRS sind:

Ein SIRS („systemic inflammatory response syndrome“) wird in der Akut-phase der intensivpflichtigen Erkran-kung zum einen durch die Freisetzung bakterieller Endotoxine hervorgerufen. Zum anderen werden vermehrt Stress-hormone (Adrenalin, Noradrenalin, Glu-kagon, Cortisol) und inflammatorische Zytokine (TNFa, IL-1) ausgeschüttet.

Insgesamt kommt es zu einer Mobi-lisierung der Energiedepots, unter-halten durch Proteolyse und Lipolyse. Letztere stellt den eigentlich größten Beitrag in der Energiebereitstellung dar, indem es zur Spaltung von Tri-glyceriden (Tg) – aus den Fettdepots durch die hormonsensitive Lipase – in Glycerin (Gn) und freie Fettsäuren (FS) mit anschließender Ausschwem-mung in die Blutzirkulation kommt. Das Gn findet in der Leber im Prozess der Glukoneogenese im Rahmen des Citratcyclus Verwendung. Die freien FS werden in geringem Maße verestert und als VLDL wieder in die Blutzir-kulation abgegeben. Hauptsächlich werden sie aber der β-Oxidation zuge-führt, dem cyclischen Abbau-Prozess der FS in der Mitochondrien-Matrix.

Der Abbau von Strukturproteinen durch Proteolyse führt u. a. zur Frei-setzung der glukogenen Aminosäuren (AS) Alanin und Glutamin, welche in der Leber zur Glukoneogenese benötigt werden.

Der Glukosemetabolismus bei SIRS bewirkt aufgrund der peripheren Insulinresistenz in Verbindung mit der Glukoneogenese aus glukogenen AS, welche durch Zytokine und hepa-tische Insulinresistenz fixiert ist, eine Hyperglykämie bei kritisch kranken Patienten. Mehrere Studien zeigten diesbezüglich eine erhöhte Mortalität und Morbidität bei den ICU-Patienten, deren Blutglukosekonzentration deut-lich über 110 bis 145 mg/dl lag – dies allerdings auch bei Patienten, deren Blutzuckerwerte strikt unter 110 mg/dl gehalten wurden1,5 –7.

Zudem ist der o. g. Mechanismus verantwortlich für den Anstieg der Tg

LeitthemaNr. 36

sekundäre Insulinresistenz als Ausdruck einer gestörten peripheren Glukoseverwertung

gesteigerte Lipolyse und Fettoxidation

Glukoneogenese aus Aminosäuren

Synthesesteigerung von Akute-Phase-Proteinen

aktivierter Proteinkatabolismus (hepatische Glukoneogenese aus Aminosäuren)

Erhöhte Harnstoff/Stickstoff-Bildung und -Ausscheidung

Proteinkatabolismus

Das Merkmal der Stickstoff-Freiset-zung bestimmt maßgeblich den Krankheitsverlauf und die Prognose der ICU-Patienten mit.

Normalerweise liegt die Freisetzung von Stickstoff (N) bei ca. 15 g/Tag. Im Rahmen eines septischen Pro-zesses beispielsweise kann diese auf mehr als das Doppelte pro Tag ansteigen. Aus dem Proteinabbau wird die Aminogruppe zu mehr als 85 % verstoffwechselt. Der Proteinkatabo-lismus lässt sich somit anhand der Harnstoff/Stickstoff-Produktionsrate (UN-Pr) abschätzen (Tab. 3):

UN-Pr (g/dl) = (UUN x V) + (BUN2 – BUN1) x KG x F/100 + Δ (KG) x BUN2/100

UN = Harnstoff/Stickstoff, UUN = UN im Urin, V = Urinvolumen, BUN1 = Blut-UN am Beginn, BUN2 = Blut-UN am Ende der Periode, Δ KG = Körpergewicht, F = Faktor für den UN-Verteilungsraum (Körperwas-ser): bei Frauen 0,55 – bei Männern 0,60

Tabelle 3: Berechnung der Harnstoff/Stickstoff-Produktionsrate (mod. nach 8)

Ein Schätzwert für die N-Bilanz lässt sich somit aus der Kenntnis der N-Zufuhr durch die PE und der N-Aus-scheidung ermitteln.

Bedarf an Aminosäuren

Bei Akutpatienten ist der Bedarf an AS höher anzusetzen als bei gesun-den, stoffwechselstabilen Patienten. Ist eine PE indiziert, wird nach ESPEN eine Zufuhr von 1,3 bis 1,5 g/kg KG/Tag empfohlen, in Komple-mentierung einer adäquaten Energie-zufuhr.

In der Reparationsphase nach Akuter-krankungen oder nach Verbrennungen kann bedarfsweise mehr, bis 2,5 g/kg KG/Tag, verabreicht werden. Darüber hinaus wird bei der TPE die Supple-mentierung mit Glutamin (0,2 bis 0,4 g/kg KG L-Glutamin) empfohlen. Die Proteinsynthese ist ein Energie verbrauchender Prozess. Die optimale Nutzung der AS wird demnach nur bei zeitgleicher Zufuhr von Energie (Glu-kose/Lipide) gewährleistet. Zu beach-ten ist, dass eine positive N-Bilanz bei Akuterkrankungen auch durch eine überhöhte AS-Zufuhr nicht erreicht wird.

Energiebedarf bei Akutpatienten

Der Umsatz an Energie bei Akutpati-enten liegt zwischen 100 und 130 % nach der von HARRIS-BENEDICT berechneten Formel (Tab. 4) des Ruheumsatzes. Für die klinische Routine kann durch Multiplikation des Ruheumsatzes mit einem Kor-rekturfaktor eine ausreichend genaue Abschätzung des Bedarfs an Energie vorgenommen werden.

Als Faustregel wird – auch nach den ESPEN Leitlinien – eine tgl. Energie-zufuhr von etwa 25 kcal/kg/Tag emp-fohlen1.

Eine überhöhte Zufuhr an Energie (Hyperalimentation) kann schwere Nebenwirkungen verursachen, wie etwa eine respiratorische Azidose, Leberverfettung, Infektionsgefähr-

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dung. Sie sollte bei ICU-Patienten vermieden werden. Eine hypokalo-rische Ernährung ist selten indiziert und dient vor allem einer einfachen, standardisierten, postoperativen Nähr-stoffzufuhr. Sie wird empfohlen bei adäquater AS-Zufuhr unter der Vorstel-lung, dass endogene Energiereserven, vor allem Fett, besser ausgenutzt werden.

Leitthema Nr. 36

Tabelle 4: Abschätzung des Energiebedarfes (mod. nach 9)

Kohlenhydrate

Das wichtigste Energiesubstrat, welches auch unter der Bedingung einer Hypoxie von allen Geweben verstoffwechselt werden kann, ist die Glukose. Sie wird zu H20 und C02 oxidiert. Bei Überschuss erfolgt die Umwandlung in Glykogen bzw. Trigly-ceride. Da bei ICU-Patienten nur die oxydative Verwertung wünschenswert ist, muss eine überschießende Zufuhr von KH vermieden werden. Die „mini-male“ Menge an erforderlichen KH beträgt nach den ESPEN-Leitlinien 2 g Glukose/kg/Tag1,10. Eine Hyperglykämie (BZ > 10 mmol/l = 180 mg/dl) trägt zur erhöhten Mortalität bei Akutpati-enten bei und sollte ebenso vermieden werden wie infektiöse Komplikationen. Dagegen berichtet ESPEN von einem Absinken der Mortalitätsrate bei einer dauerhaften Blutzuckereinstellung im Serum von 80 bis 110 mg/dl (4,5 bis 6,1

mmol/l), einheitliche Empfehlungen dazu stehen noch aus1.

Um Komplikationen einer Hypergly-kämie zu vermeiden, ist im Rahmen einer TPE eine normoglykämische Stoffwechsellage aufrechtzuerhalten, mit einem Blutglukose-Spiegel von 110 mg/dl bis max. 150 mg/dl. Zu beachten ist, dass unter einer TPE der Insulinbedarf etwa um 25 % höher liegt als unter einer EE.

Lipide – Jeder bekommt sein Fett

Von den drei organischen Grundsub-straten haben die Nahrungsfette den höchsten kalorischen Brennwert. Die Verabreichnung von Fett in der PE hat zahlreiche Vorteile. Dazu gehören u. a. die Erhaltung der endogenen Lipolyse, die Zufuhr von essenziellen FS und die verminderte Gefahr zur Induktion einer Steatosis hepatis. Zudem stellt die Deckung eines Teils des Energiebe-darfs durch Fett ein alternatives Nähr-substrat bei Glukoseverwertungsstö-rungen dar mit hohem spezifischem Energiegehalt bei Senkung der CO2-Produktionsrate11. Wenn keine Kontra-indikation gegen die Fettgabe vorliegt (Tab. 5), sollten bei Akutkranken Fettemulsionen verwendet werden.

Tabelle 5: Kontraindikationen zur Verabreichung von Fett (mod. nach 4)

Die Herstellung von Fettemulsionen i. R. der PE sind Zubereitungen von Triglyce-riden mit Phospholipiden als Emulgator. Frühere Studien haben gezeigt, dass eine zu rasche Infusion von Sojabohnenöl-Emulsionen durch die vermehrte Bildung von bestimmten Prostanoiden pulmonal ungünstige Auswirkungen bei Patienten mit ARDS hervorgerufen haben12.

Formel nach HARRIS-BENEDICT

Frauen: 655,1 + (9,56 x KG) + (1,85 x G) – (4,67 x A)

Männer: 66,47 + (13,75 x KG) + (5 x G) – (6,76 x A)

Berechnung mit Korrekturfaktor:

Fieber: x 1,1 (pro °C Temperaturerhöhung)

Wenig Stress: x 1,2

Mäßiger Stress: x 1,3

Schwerer Stress: x 1,6

A = Alter, KG = Körpergewicht, G = Größe

Verbrauchskoagulopathie

Schwere Azidose (pH < 7,2)

Hyperlipidämie (Tg > 450 mg/dl)

Mikrozirkulationsstörungen

Makrozirkulationsstörungen (Schockzustand)

Lipidemulsionen auf der Basis von Sojabohnenöl, oftmals auch bezeichnet als langkettige Triglyceride (LCT)

Physikalische Mischungen (gewöhnlich 50:50) aus Soja-bohnenöl (LCT) und mittelket-tigen Triglyceriden (MCT) aus Kokosnuss-Öl

Strukturierte Lipide: Mischungen von chemisch modifizierten Tg bei denen an jedem Glycerinmolekül sowohl mittel- als auch langkettige FS verestert sind.

20:80-Mischungen aus Soja-bohnenöl und Olivenöl

Mischungen von Fettemulsionen mit Fischöl (in verschiedenen Anteilen von Sojabohnenöl, MCT, Olivenöl, und Fischöl)

Fischöl-Emulsionen mit hohem Anteil an Omega-3-FS

Hierbei spielt die Tatsache, dass Soja-bohnen-Emulsionen fast ausschließlich aus langkettigen Triglyceriden bestehen (LCT) eine entscheidende Rolle. Die LCT aus Sojaöl enthalten überwiegend mehrfach ungesättigte Omega-6-FS und beinhalten ein hohes Potenzial der Syn-these von proinflammatorischen Leuko-trienen und Prostaglandinen. Die über-wiegende Gabe solcher Fettemulsionen bei kritisch Kranken im Rahmen ihrer systemischen Entzündungsreaktion ist demnach als äußerst problematisch anzusehen.

In Europa werden seit geraumer Zeit industriell gefertigte Fettemulsi-onen entwickelt, die einen deutlich reduzierten Gehalt an Omega-6-FS enthalten. Derzeit stehen mehrere verschiedene Zubereitungsformen von Fettemulsionen zur PE zur Verfügung:

Es ist bekannt, dass der Organismus die Arachidonsäure (AA) für die Bio-synthese der Eicosanoide benötigt. Eicosanoide sind Mediatoren, deren

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LeitthemaNr. 36

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Einfluss auf:

Entzündungsantwort

Schmerzentstehung

Hormon-gesteuerten Lipasen

Thrombozytenaggregation

Kontraktion glatter Muskulatur

Biosynthese von Steroidhormonen

1. Lipide sollten integraler Bestand-teil der PE i. R. der Energieversor-gung sein und für die Bereitstel-lung essenzieller Fettsäuren bei langzeit ICU-Patienten sorgen.

2. Intravenöse Lipid-Emulsionen (LCT, MCT oder gemischte Emul-sionen) können mit einer Rate von 0,7 g/kg bis zu 1,5 g/kg über 12 bis 24 h sicher verabreicht werden.

3. Die Toleranz von gemischten LCT/MCT-Lipid-Emulsionen in der Standard-Anwendung ist ausreichend belegt. Mehrere Studien haben klinische Vorteile gegenüber einer alleinigen Ver-abreichung von Sojabohnen-LCT gezeigt, bedürfen aber einer Bestätigung durch prospektive kontrollierte Studien.

4. Olivenöl-basierte parenterale Ernährung ist gut verträglich bei kritisch kranken Patienten.

5. Eine Addition der EPA und DHA zu Lipid-Emulsionen hat nach-weisbare Auswirkungen auf Zell-membranen und entzündliche Prozesse. Fischöl angereicherte Lipid-Emulsionen verkürzen wahrscheinlich die Dauer des ICU-Aufenthalts von kritisch kranken Patienten.

Vorstufen in nahezu unbegrenzter Menge als Strukturbestandteile der Zellmembran in Form von Lipiden vorliegen.

Durch die Aktivierung der membran-ständigen Phospholipase A2 im Rahmen inflammatorischer Prozesse werden FS, insbesondere die AA, aus dem Membranlipidpool für die Eicosa-noidsynthese mobilisiert.

Die Einflüsse bestimmter AA-Matabo-lite zeigt Tabelle 6.

Tabelle 6: Einflüsse bestimmter AA-Metabolite (mod. nach 9)

Zahlreiche Studien haben mittlerwei-le belegen können, dass durch die gesteigerte Zufuhr von Omega-3-FS aus Fischöl, die Eicosapentaensäure (EPA) und Decosahexaensäure (DHA), das AA/EPA-Verhältnis zugunsten der Omega-3-FS verschoben wird.

Bei inflammatorischer Stimulation werden hier vermehrt EPA anstelle der AA freigesetzt. Die EPA-Metaboliten weisen eine geringere biologische Aktivität auf – eine Immunmodulation wird ermöglicht.

Neuere Daten belegen eine reduzierte Mortalität sowie eine kürzere Liege-dauer von ICU-Patienten durch die parenterale Zufuhr von 0,1 bis 0,2 g/kg KG Fischöl/Tag13. Die parenterale Zufuhr von strukturierten Triglyceriden bei postoperativen ICU-Patienten führte zu einer signifikanten Senkung der Serum-Tg14.

Die perioperative Verabreichung von Omega-3-FS (Omega-3/Omega-6-FS-Verhältnis 1:2 bis 1:3) bei elektiv ope-rierten Patienten führte ebenfalls zu einer Senkung der Mortalität und Ver-kürzung der Krankenhausliegedauer15.

Hinsichtlich der Gabe von Fetten im Rahmen der parenteralen Ernährung bei ICU-Patienten sind die Empfeh-lungen der ESPEN-Guidelines 2009 nachfolgend wiedergegeben:

„Fetter“ Ausblick

Die zeitgemäße und adäquate paren-terale Gabe von Fettemulsionen bei ICU-Patienten steht nach o. g. Aus-führungen sicherlich nicht in Frage.

Neuerliche Berichte zur Behandlung von Intoxikationen, auch i. R. erfolg-reicher Reanimationsmaßnahmen nach kardialen Komplikationen durch Anästhetika, lassen einen weiteren, viel versprechenden Ansatzpunkt zur Gabe von Fettemulsionen erahnen.

Auf der Website www.lipidrescue.org finden sich zahlreiche Berichte zu dem gerade genannten „lebensrettenden Einsatz von Fett“. Hier wird von Pati-enten berichtet, die nach Bolusgabe einer 20%igen LCT-Fettemulsion binnen weniger Sekunden die Wieder-erlangung ihrer Herzleistung erlebten. Beschrieben werden auch erfolgreich behandelte Fälle mit Arrhythmien, kardiovaskulärem Kollaps, Agitiertheit und Verlust des Bewusstseins nach Applikation verschiedenster Lokala-nästhetika (LA)16. Die britische und irische Gesellschaft der Anästhesisten veröffentlichten unlängst Richtlinien zur Behandlung von schweren Intoxi-kationen mit LA mit der Empfehlung, eine 20%ige LCT-Fettemulsion in Erwägung zu ziehen (www.aagbi.org/publications/guidelines/docs/latoxici-ty07.pdf ).

Auch das Schweizerische Toxikolo-gische Informationszentrum empfiehlt bereits seit April 2008 die Option der Fettemulsionstherapie zur Behandlung von Vergiftungen mit Calciumanta-gonisten oder auch von Betablockern (www.toxi.ch/upload/pdf/Calciumka-nal_Betablocker.pdf ).

Die Frage nach dem Funktionsmecha-nismus bleibt bis heute noch unge-klärt und bedarf weiterer kontrollierter klinischer Studien. Mögliche Erklä-rungsansätze sind die auf mitochond-rialer Ebene intrazelluläre Modulation als auch die Rückverteilung lipophiler Substanzen in das zentrale Kompar-timent („lipid sink“). Jedenfalls hat der Einsatz von Fettemulsionen, über die parenterale Gabe hinaus, nun auch den Eingang in ein breitertes Spektrum der klinischen Toxikologie gefunden.

Literaturhinweis auf Seite 8

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Kommentar Nr. 36

einer enteralen Zufuhr, insbesondere auf die intestinale Integrität, nutzen.

Zugangswege und Handhabung

Für die parenterale Ernährung ist auf-grund der erhöhten Osmolarität paren-teraler Ernährungslösungen in der Regel ein zentraler Venenzugang (ZVK) erforderlich. Um bei nur kurzer PE eine negative Energiebilanz zu vermeiden, kann auch ein peripherer Venenzugang für Lösungen mit einer Osmolarität unter 850 mOsmol/L genutzt werden.

Vorteilhaft und bei uns gängige Praxis ist die Anlage eines dreilumigen ZVK zur Simultanverabreichung von PE und anderen Medikamenten, wie z. B. Katecholaminen.

Die PE, bestehend aus Einzelkompo-nenten ist für das Personal wesentlich aufwendiger und fehleranfälliger.

Daher hat sich in der klinischen Praxis der Mehrkammerbeutel sehr gut bewährt. Hierdurch werden nicht nur Dosierungsfehler, sondern auch durch die Vermeidung von meh-reren Infusionsleitungen die Möglichkeit bakterieller Kontami-nationen mit der Folge septischer Komplikationen reduziert. Dadurch ergibt sich schon eine positive Kosten-Nutzen-Relation, die durch den geringeren Arbeits-aufwand für das Pflegepersonal noch erhöht wird. Hinsichtlich der Patientensicher-heit wird ebenfalls ein großer Bei-trag geleistet, der insbesondere in großen Kliniken mit entspre-chender Personalfluktuation und

vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Aus- und Weiter-bildung besonders zum Tragen kommt.

Individueller Energiebedarf

Während der genaue Energiebedarf des Patienten nur durch die indirekte Kalorimetrie gemessen werden kann, diese aber nicht überall verfügbar bzw. aufgrund des Aufwandes nicht praktikabel ist, empfehlen die Leitli-nien1 eine Energiezufuhr von durch-schnittlich 25 kcal/kg/Tag. Damit wird eine negative Energiebilanz, die nach mehreren Studien mit erhöhten infek-tiösen Komplikationen verbunden ist, vermieden. Ist dieser Kalorienbedarf innerhalb von zwei Tagen nicht auf enteralem Weg zu decken, sollte parallel zur enteralen Ernährung eine parenterale Supplementierung erfol-gen. Hinsichtlich der Zusammenset-zung der Ernährung empfehlen die Leitlinien eine minimale Kohlenhy-dratzufuhr von ca. 2 g/kg Glukose/Tag. Auch wenn die Glukosezufuhr respektive die anzustrebenden Blut-zuckerwerte noch kontrovers disku-tiert werden, zeigt sich, dass sowohl Hypo- als auch Hyperglykämien unbedingt vermieden werden müs-sen. Diese enge Blutzuckerkontrolle mit einem Zielkorridor von 4,4 bis 6,1 mmol/l hat sich nach den Daten der VISEP-Studie (N Eng J Med. 2008; 358(2):125-39) und auch auf unserer Station wegen der Gefahr drohender Hypoglykämien nicht durchgesetzt. Fettkomponenten in der PE

Fette in Form von Triglyceriden sind integraler Bestandteil einer parente-ralen Ernährung. Jedoch sind Fette nicht gleich Fette. Wir unterscheiden zwischen den langkettigen und mittel-kettigen Triglyceriden sowie zwischen gesättigten, einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Zu beachten ist hierbei, dass essen-zielle Fettsäuren, wie die Linol- und alpha-Linolensäure, zugeführt werden

ie klinische Bedeutung der Ernährung des Intensivpati-enten wurde lange Jahre in

der Intensivtherapie unterschätzt. Sie hat gerade im Zusammenhang mit der differenzierten Ernährungstherapie, die nicht nur der Kalorienversorgung, sondern auch im Sinne einer Phar-makonutrition den Krankheitsverlauf beeinflussen kann, mehr Aufmerksam-keit erlangt. Erfreulicherweise werden in den gerade erschienenen Leitlinien der „Europäischen Gesellschaft für Parenterale und Enterale Ernährung“ klare Empfehlungen zu den Eckpunk-ten einer modernen Ernährungsthe-rapie gegeben, welche die klinische Implementierung erleichtern1.

Parenterale Ernährung ja oder nein? Und wenn ja, wann?

In mehreren prospektiven randomi-sierten Studien konnte klar gezeigt werden: Patienten, die nicht ernährt oder unterernährt werden, weisen eine signifikant höhere Morbidität und Mortalität auf. Deshalb stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir den Intensivpatienten ernähren.

Jeder Patient, der sich nicht innerhalb von drei Tagen wieder ausreichend selbst ernähren kann, sollte künstlich ernährt werden – sofern keine Kontra-indikationen bestehen.

Hierbei ist, sofern möglich, die enterale Zufuhr zu favorisieren. Bei unzureichender Kalorienzufuhr sollte sie jedoch durch eine parenterale Ernährung ergänzt werden. Dadurch kann der individuelle Energiebedarf des Patienten aufrechterhalten werden. Zugleich lassen sich aber die Vorteile

ESPEN-Guidelines on Parenteral Nutrition: Intensive Care– Kommentar –Prof. Dr. med. Thea Koch, Dresden

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KommentarNr. 36

müssen. Diese werden vom mensch-lichen Körper nicht synthetisiert. Des Weiteren sollten nach zahlreichen Studien die langkettigen Triglyceride durch MCT/LCT-Mischungen abgelöst werden, die sich durch eine verbes-serte Verstoffwechslung und positive Effekte auf den Glukosestoffwechsel auszeichnen.

Erst in den letzten 15 Jahren sind auch die Fettsäuremuster in das klinische Interesse gerückt. In epidemiolo-gischen Studien und in zahlreichen experimentellen und klinischen Unter-suchungen wurde deutlich:

Durch die Reduktion von Omega-6-Fettsäuren zugunsten von Omega-3- bzw. Omega-9-Fettsäu-ren können positive Effekte auf die inflammatorische Reaktion und die postoperative Rekonva-leszenz erzielt werden.

Im Organismus konkurrieren je nach nutritivem Angebot die Omega-6- mit den Omega-3-Fettsäuren um die Verstoffwechslung über den Cyclo- und Lipoxygenaseweg. Während die Omega-6-Fettsäuren als proinflamma-torisch zu bewerten sind, haben die Omega-3-Fettsäuren (enthalten in Fischöl) einen immunneutralen Effekt. Vielmehr werden unter Omega-3-Fettsäuren Resolvine freigesetzt, wel-che die Restitutio und Regeneration begünstigen.

Erstmalig werden in den neuen Leitlinien entsprechend auch aus-drücklich die Omega-3-Fettsäuren in Form von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure als Bestandteil von Lipidemulsionen empfohlen (Grad B).

In verschiedenen kleineren prospektiv randomisierten Studien und in einer größeren Observationsstudie haben Fischöl supplementierte Lipidlösungen gegenüber Sojaölemulsionen einen signifikanten Effekt auf die Kranken-hausverweildauer und die Organkom-plikationen nach großen operativen Eingriffen und bei abdomineller

Sepsis. Somit kann allein durch eine Veränderung des parenteralen Fettsäu-remusters ein positiver Effekt auf den Krankheitsverlauf und auf infektiöse Komplikationen erzielt werden. Folge-richtig wurden auf der eigenen Station die herkömmlichen Sojaölemulsionen durch Mischemulsionen mit Fischöl und Olivenölanteil in einem opti-mierten Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren ersetzt.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat sich die Mischung aus Sojabohnen-öl, MCT, Olivenöl und Fischöl in einem prozentualen Verhältnis von 30:30:25:15 als ideales Fettsäuremuster für die Ernährung des kritisch kranken Pati-enten erwiesen. Erfreulicherweise ent-fällt die aufwendige Substitution von Einzelkomponenten durch die Verfüg-barkeit von Fertigemulsionen, welche die verschiedenen Fettkomponenten in dem gewünschten Verhältnis enthalten. Dies erleichtert die optimierte paren-terale Ernährung enorm. Besonders, wenn diese in einem Mehrkammer-beutel mit den Kohlenhydraten und Aminosäuren kombiniert werden. Die Applikation der Lipide sollte kontinuier-lich erfolgen mit einer Rate von 0,7 bis 1,5 g/kg über 12 bis 24 Stunden.

Bedeutung von Glutamin

Als weitere Komponente der PE müssen zur Verminderung des Prote-inkatabolismus Aminosäuren als Bau-steine für die Proteinsynthese in einer Menge von ca. 1,3 bis 1,5 g/kg Ideal-körpergewicht und Tag zugeführt wer-den. Unter den Aminosäuren kommt insbesondere dem Glutamin durch seine protektiven zellulären Effekte eine besondere Rolle zu. Dieses wirkt sich in einer Reduktion des Kranken-hausaufenthaltes und in einer vermin-derten Morbidität und Mortalität aus. Nach evidenzbasierten Kriterien sollte Glutamin in einer Dosierung von 0,2 bis 0,4 g/kg und Tag als Bestandteil einer Aminosäurelösung mittlerweile zum Standard gehören (Evidenzgrad A). Vitamine und Spurenelemente werden selbstverständlich zur Vermeidung von Mangelzuständen entsprechend den

Empfehlungen zugeführt. Gerade der kritisch kranke Patient ist einem erhöh-ten oxidativen Stress ausgesetzt und bedarf in erhöhtem Maße der Supple-mentierung von Antioxidantien in Form von Vitaminen und Spurenelementen.Zusammenfassend bieten die neuen ESPEN Leitlinien eine praxisrelevante Orientierung zur Optimierung der PE im klinischen Alltag. Durch die stärkere Beachtung der differenzierten Ernährung und der Umsetzung evi-denzbasierter Konzepte kann ein posi-tiver Einfluss auf das Therapieergebnis bei kritisch kranken Patienten erzielt werden.

Im Überblick:

Die parenterale Ernährung (PE) ist innerhalb von 24 bis 48 Stunden indiziert, wenn:

– eine enterale Ernährung nicht in aus-reichendem Maß toleriert wird (C)

– eine künstliche Ernährung voraus-sichtlich mehr als drei Tage not-

wendig ist (C)

Parenterale Ernährung sollte in vollständigen Mischungen (all-in-one, Mehrkammerbeutel)

verabreicht werden (B)

Die Ernährung im 3-Kammerbeutel setzt sich zusammen aus:

– Glukose zur Bereitstellung von Energie

– Aminosäuren (AS) mit hohem AS-Gehalt und Taurin

– Fettemulsion in Form einer aus-

gewogenen Mischung.

Fettemulsionen bestehen idealer- weise aus: Sojabohnenöl, MCT-fett,

Olivenöl und Fischöl.

Näheres zum klinischen Nutzen von diesem Mix an Fettsäuren lesen Sie

im Leitartikel und im Kommentar.

Für Empfehlungsklasse (C) gilt: Sie basiert auf Berichten und Meinungen von Expertenkreisen und/oder klinischer Erfahrung anerkannter Auto-

ritäten. Klinische Studien guter Qualität fehlen.

Für Empfehlungsklasse (B) gilt: Sie basiert auf gut

durchgeführten, nicht randomisierten Studien.

Anmerkung der Redaktion

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Leitlinien

DGEM

ESPEN-Leitlinien Enterale Ernährung (2006)*,

DGEM-Leitlinien Parenterale Ernährung (2007)

und AKE-Leitlinien Klinische Ernährung (2005/2006)

Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsme-

dizin (DGEM), der Europäischen Gesellschaft für Klinische

Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN, European Society for

Clinical Nutrition and Metabolism) und der Arbeitsgemeinschaft

Klinische Ernährung (AKE) zielen auf eine optimierte Vorge-

hensweise zur Erfassung und Behandlung von Mangel- und

Fehlernährung.

Leitlinien sind evidenzbasierte Empfehlungen mit abgestufter

Empfehlungsstärke (siehe Tabelle), die vom behandelnden

Arzt für jeden Patienten individuell abzuwägen sind. Reine

Ernährungsstudien sind methodisch schwierig durchzuführen,

so dass trotz vielversprechender Ergebnisse die Empfehlungs-

klassen durchschnittlich niedriger ausfallen als für medika-

mentöse Massnahmen.

Einteilung der Empfehlungsklassen

Klasse

A

B

C

Evidenzgrade

I

II, III

IV

Erläuterung belegt durch

Schlüssige Literatur guter Qualität, die mindestens eine randomisierte

und kontrollierte Studie enthält (starke Empfehlung)

Gut durchgeführte, nicht randomisierte Studien (Empfehlung)

Berichte und Meinungen von Expertenkreisen und/oder klinische

Erfahrung anerkannter Autoritäten (Expertenempfehlung)

Lochs H. et al.: ESPEN guidelines on adult enteral nutrition.

Clin Nutr. 2006, 25:117-360

Koletzko et al.: Leitlinie parenterale Ernährung der DGEM. Akt Ernaehr.

Med 2007; 32, Suppl 1

Druml et al.: Empfehlung für die enterale und parenterale Ernährungs-

therapie des Erwachsenen. AKE 2005/2006

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