mag. gerhard riegler, mitglied der bundesleitung … · 2011 - schülerleistungen in lesen,...

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Der Leistungsstand unserer 10-Jährigen im fokus MAG. GERHARD RIEGLER, VORSITZENDER DES ZENTRALAUSSCHUSSES UND MITGLIED DER BUNDESLEITUNG [email protected] BEOBACHTUNGEN AUS DEN PIRLS 2011- UND TIMSS 2011-ERGEBNISSEN 1 (TEIL 1) 1 Folgende drei Studien wurden von der „International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA)“ am 11. Dezem- ber 2012 veröffentlicht: IEA, „PIRLS 2011 – International Results in Reading“ (2012); im Folgenden als „IEA, PIRLS 2011“ zitiert. IEA; „TIMSS 2011 – International Results in Mathematics“ (2012), im Folgenden als „IEA, TIMSS-M 2011“ zitiert. IEA, „TIMSS 2011 International Results in Science“ (2012); im Folgenden als „IEA, TIMSS-NaWi 2011“ zitiert. Am selben Tag veröffentlichte das BIFIE den Bericht „PIRLS & TIMSS 2011 - Schülerleistungen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft in der Grundschule - Erste Ergebnis- se“ (2012), den ich im Folgenden als „BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011“ zitiere. Wie bei PISA sind bei den 10-Jährigen die AsiatInnen weltweit voran, und Finnlands SchülerInnen erzielen europaweit die besten Leistungen. Der Leistungsvorsprung der finnischen SchülerInnen ist auf der vierten Schulstufe enorm und schmilzt während der Se- kundarstufe I. Deshalb ist es grotesk, wenn Finnland penetrant als Argument für die Gesamtschule strapaziert wird. PolitikerInnen und „ExpertInnen“, die es trotzdem tun, beweisen ihre Immunität gegen- über Daten und Fakten. 15 Foto: lassedesignen - Fotolia.com

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Der Leistungsstand unserer 10-Jährigen

im fokus

Mag. gerharD riegLer, VorsitzenDer Des

zentraLausschusses unD MitgLieD Der BunDesLeitung

[email protected]

BeoBachtungen aus Den PirLs 2011- unD tiMss 2011-ergeBnissen1 (teiL 1)

1 Folgende drei Studien wurden von der „International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA)“ am 11. Dezem-ber 2012 veröffentlicht:• IEA,„PIRLS2011–International

ResultsinReading“(2012);imFolgendenals„IEA,PIRLS2011“zitiert.

• IEA;„TIMSS2011–InternationalResultsinMathematics“(2012),imFolgendenals„IEA,TIMSS-M2011“ zitiert.

• IEA,„TIMSS2011InternationalResultsinScience“(2012);imFolgendenals„IEA,TIMSS-NaWi2011“ zitiert.

AmselbenTagveröffentlichtedasBIFIEdenBericht„PIRLS&TIMSS2011-SchülerleistungeninLesen,MathematikundNaturwissenschaftin der Grundschule - Erste Ergebnis-se“(2012),denichimFolgendenals„BIFIE,PIRLS&TIMSS2011“zitiere.

WiebeiPISAsindbeiden10-JährigendieAsiatInnenweltweit

voran,undFinnlandsSchülerInnenerzieleneuropaweitdiebesten

Leistungen.DerLeistungsvorsprungderfinnischenSchülerInnenist

aufderviertenSchulstufeenormundschmilztwährendderSe-

kundarstufeI.Deshalbistesgrotesk,wennFinnlandpenetrantals

ArgumentfürdieGesamtschulestrapaziertwird.PolitikerInnenund

„ExpertInnen“,dieestrotzdemtun,beweisenihreImmunitätgegen-

überDatenundFakten.

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aktueLLste FinnLanD-Daten: FinnlandhatbeiTIMSS2011sowohlaufderviertenalsauch auf der achten Schulstufe teilgenommen.• In Mathematik erzielten Finnlands SchülerInnen

derviertenSchulstufe545Punkte,diederachtenSchulstufe514,also31Punkteweniger.2

• In den Naturwissenschaften erreichten FinnlandsSchülerInnen der vierten Schulstufe 570 Punkte,die der achten Schulstufe 552, also immerhin 18Punkteweniger.3

Die finnischen SchülerInnen verlieren von dem enorm großenVorsprung,densienachihremerstenLebens-jahrzehnt aufweisen, von der fünften bis zur achtenSchulstufe etwa ein halbes Lernjahr. Dasselbe giltfür den traditionsreichen Gesamtschulstaat England sowieItalien,indessenGesamtschulsystemsichzuletztder Tiroler Landeshauptmannund seine Bildungslan-desrätinverliebthaben.4

Der FaMiLiäre BackgrounD entscheiDet Mehr aLs aLLes anDere:FürÖsterreichs 10-Jährigegilt: „In LesenundMathe-matik liegt die Gruppe der Kinder mit Eltern, diemaximaleinenPflichtschulabschlusshaben,etwa80Punktezurück;inNaturwissenschaftsindessogarrund100Punkte.“5

Die PIRLS 2011- und die beiden TIMSS 2011-Studienbelegen neuerlich nicht nur für Österreich, sondernfüralleStaaten,dassdieLeistungenderSchülerInnensehrstarkvomsozioökonomischenStatusihrerFamilieabhängen,nämlichvon

1. den Bildungsressourcen im Elternhaus 2. derSprachförderungvordemSchuleintritt3. derLesefreudederEltern4. derSprache

1 . BiLDungsressourcen iM eLternhaus 6:IminternationalenMittelerreichen10-Jährige,denenimElternhaus„manyresources“zurVerfügungstehen,beimLesenum123Punktemehralsdie10-Jährigen,bei denen es nur „few resources“ sind. Das ist eine Differenz, die den Einfluss aller anderen Faktoren inden Schatten stellt.Die vier skandinavischen Staaten, die an PIRLS teil-genommenhaben (Finnland, Schweden,DänemarkundNorwegen),zeichnensichdurchbesondershoheBildungsressourcen im Elternhaus aus: Unter den 45 PIRLS-Teilnehmern belegen sie die Plätze 1 (Norwe-gen),3(Schweden),4(Dänemark)und7(Finnland).InSkandinavienwirddenKindernvonihrenElterneinbildungsförderndesAmbientegeboten,dasnichtnureuropaweit,sondernweltweitherausragt.InSkandinaviensindmehralsdoppeltsovieleKinderin ihrem Elternhaus von vielen Bildungsressourcen umgeben, als dies für Österreich der Fall ist. Unsere10-JährigenlandenbezüglichderBildungsressourcenin ihremElternhauszwischenSlowenienundRusslandimweltweitenMittelfeld.Im internationalen Mittel haben 36 % der 10-Jäh-rigen zumindest einen Elternteil, der ein gehobe-nes beruflichesNiveau7 aufweist. In Finnland sind es 50 % (in Dänemark 57 %, in Schweden 59 % und in

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okusNorwegen sogar 66 %), in Österreich dagegen nur

27%.8AuchbeiALLENanderenindenStudienabge-fragtenBildungsressourcenfindenÖsterreichs10-Jäh-rigeschlechtereBedingungenvoralsdie10-JährigenALLERskandinavischenStaaten.EinvergleichenderBlickinsElternhausder10-JährigenFinnlands und Österreichs9:• Höchstens25KinderbücherimHaushalthabennur

12%der10-JährigenFinnlands; inÖsterreichsindesdoppeltsoviele(24%).

• Mehrals100Bücher imHaushalthaben38%der10-JährigeninFinnland;inÖsterreichbefindensichdagegen nur bei 28 % der 10-Jährigenmehr als100BücherimHaushalt.

• AuchwasdaseigeneZimmerundeinenInternet-zuganganlangt, sinddie 10-JährigenÖsterreichsden SchülerInnen aller skandinavischen Staatenunterlegen.

2 . sPrachFörDerung Vor DeM schuLeintritt:

Im internationalenMittelerreichen10-Jährige,derensprachlicheEntwicklungoftdurchVorlesen,Geschich-tenerzählen, Liedersingen etc.10 gefördert wurde,beim Lesen um 99 Punktemehr als die 10-Jährigen,die nie oder fast nie derart gefördert wurden.

3 . LeseFreuDe Der eLtern:Im internationalenMittelerreichen10-Jährige,derenElterngernelesen,beimLesenum48Punktemehralsdie10-Jährigen,derenElternnichtgernelesen.11

4 . sPrache:10-Jährige, die die Unterrichtssprache12 schon vor BeginnihrerSchullaufbahngesprochenhaben,weiseniminternationalenMitteleinenVorsprungvon37Punk-ten auf die SchülerInnen auf, die erst während derSchulzeitdieUnterrichtsprachezusprechenbeginnen.In Österreich besucht jeder sechste 10-Jährige eineSchule,andernichteinmaldieHälfteder SchülerIn-nendieUnterrichtssprachealsErstsprachegelernthat.In Finnland trifft dies nur bei jedem hundertsten zu.InÖsterreich sprechen inzwischen 23% der 10-Jähri-gen zuHausenichtdieUnterrichtssprache –ein Pro-zentsatz, der kaum in einem anderen Land erreichtwird. Österreichs 10-Jährige, die zu Hause nicht dieUnterrichtssprache sprechen, weisen beim Lesen iminternationalenVergleicheinendergrößtenLeistungs-rückständeauf.13

kinDergartenBesuch:Zwischen Kindern, die den KindergartenmindestensdreiJahrelang,unddenen,dieihnhöchstenseinJahrlang besucht haben, liegt im internationalen MitteleineLeistungsdifferenzvon26Punktenzugunstender

Kinder,diedenKindergarten längerbesuchthaben.Mit69%besucheninÖsterreichweitmehrKinderdenKindergartenmindestens drei Jahre lang als in Finn-land(46%).IminternationalenMittelsindes42%.14

enorMer rückstanD aM start Der schuLLauFBahn („earLy Literacy skiLLs“ 15 unD „earLy nuMeracy skiLLs“ 16) :Österreichs Kinder beginnen ihre Schullaufbahn mitderiminternationalenVergleichgeringstenLese-undSchreibkompetenz.17 Kaum besser sieht es hinsicht-lich grundlegender mathematischer Kenntnisse aus:Österreichlandetunterallen50TeilnehmerstaatenanTIMMSaufdemdrittletztenPlatz18.

DisziPLinäre ProBLeMe 19:VondisziplinärenProblemenistderUnterrichtanÖster-reichs Volksschulen deutlichmehr betroffen, als diesinternationalüblich ist.UnterallenTeilnehmerstaatenEuropas ist der Unterricht an Österreichs Volksschu-len denmeisten disziplinären Problemen ausgesetzt.Amehesten„mithalten“könnendiesbezüglichnochDeutschlands Schulen.20

In Österreich und Deutschland hat die SchulpolitikoffensichtlichmitOrdnung undDisziplin noch immerein (wohl auch historisch erklärbares) Problem undnimmtdafür ausgebrannte LehrerInnen in Kauf.WerLehrkräften das Unterrichten vorsätzlich erschwert,sollte sich weder scheinheilig über vermehrte Burnout-FällewundernnochüberiminternationalenVergleichschwacheLernerfolgebeklagenodergardieLehre-rInnenoder„dasSchulsystem“dafüranprangern.(Fortsetzung folgt.)� n

2IEA,TIMSS-M2011,S.40-423IEA,TIMMS-NaWi2011,S.38-404IEA,TIMSS-M2011,S.665BIFIE,PIRLS&TIMSS2011,S.616BildungsniveauundberuflichesNiveauderEltern,BücherimElternhaus,eigenesKinderzimmer…(exakteDefinition:IEA,PIRLS2011,S.113)7„Includescorporatemanagerorseniorofficial,professional,andtechni-cianorassociateprofessional.“(IEA,PIRLS2011,S.114)8IEA,PIRLS2011,S.1149IEA,PIRLS2011,S.11410VollständigeListederKriterien:IEA,PIRLS2011,S.12711IEA,PIRLS2011,S.12012exakt:dieTestsprache13BIFIE,PIRLS&TIMSS2011,S.5014IEA,PIRLS2011,S.12815Buchstabenerkennen,Buchstabenschreibenkönnen,einigeWörterlesenkönnen,einigeWörterschreibenkönnen,Sätzelesenkönnen16Bis100zählenkönnen,dieZiffernerkennen,dieZiffernschreibenkönnen17IEA,PIRLS2011,S.14618IEA,TIMSS-M2011,S.22219Unpünktlichkeit,unentschuldigtesFernbleiben,StörendesUnterrichts,Schwindeln,Diebstahl,Vandalismus,verbale,physischeundpsychischeGewaltgegenüberMitschülerInnenundLehrkräften…(sieheIEA,PIRLS2011,S.179)20IEA,PIRLS2011,S.178;IEA,TIMSS-M2011,S.270;IEA,TIMSS-NaWi2011, S. 272

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Mag. gerhard riegler, Mitglied der Bundesleitung

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der leistungsstand unserer 10-JährigenBeobachtungen aus den Pirls 2011- und tiMss 2011-ergebnissen(teil 2)

Besondere BegaBungen Mit 10 :Im Alter von 10 Jahren sind in Österreich besondere Begabungen nur mehr sehr spärlich gesät. Im inter-nationalen Vergleich erwies sich die Leistungsspitze Österreichs am Ende der Volksschule schon wieder-holt als extrem dünn. Diesbezügliche Ergebnisse frü-herer Durchgänge von PIRLS und TIMSS hätten schon alle Alarmglocken läuten lassen müssen. Politik und Medien ergingen sich aber lieber in sinnlosen und zum Glück gescheiterten Gesamtschuloffensiven im Bereich der 10- bis 14-Jährigen. Eine Schulpolitik, der Gleichheit wichtiger ist als die optimale Entfaltung eines jeden Individuums, bekam mit den Ergebnissen von PIRLS 2011 und TIMSS 2011 eine saftige Rechnung unter den Weihnachtsbaum gelegt:Die Leistungsspitze wird von der IEA als die Gruppe der 10-Jährigen ausgewiesen, die den „Advanced International Benchmark“ von 625 Punkten erreicht oder übertroffen haben. • BeimLesenerreicheninSingapur24%der10-Jähri-

gen den „Advanced International Benchmark“, in Finnland(ebensowieinEngland)18%,inÖsterreichnur5%.1

• InderMathematikerreichen inSingapurunglaub-liche 43 % den „Advanced International Bench-mark“. Auf Singapur folgen die anderen Teilnehmer Ostasiens (Korea 39 %, Hongkong 37 %, Taiwan34%…). ImVergleichzudenErgebnissenderOst-as iatInnen nimmt sich Finnlands Leistungsspitze mit 12 % bescheiden aus, ist aber noch immer sechsMal so breit wie die Mathematik-Leistungsspitze Österreichs,zudernurmehrbeklemmende2%der10-Jährigen gehören.2

• In denNaturwissenschaften umfasst die Leistungs-spitze Singapurs 33%,gefolgt vonKoreamit 29%

und Finnland mit 20 %. In Österreich schaffen8%der10-Jährigenden„Advanced InternationalBenchmark“.3

Die Entwicklung der Leistungsspitze unserer 10-Jähri-gen im Lauf der letzten eineinhalb Jahrzehnte:Den „Advanced International Benchmark“ erreichten von Österreichs 10-Jährigen …

War die Leistungsspitze unter Österreichs 10-Jährigen im Jahr 2006 noch fast halb so groß wie in Singapur, das an der Weltspitze liegt, so ist sie inzwischen auf ein Fünftel (!) geschrumpft.

Immer mehr Spitzenbegabungen verkümmern in Österreich. Der Rückstand unserer 10-Jährigen auf die Weltspitze wird kontinuierlich größer. Unsere Politike-rInnen scheinen zu glauben, dass eine Gesellschaft sie nicht benötigt. Wenn wir uns zur Werkbank Ost - as iens entwickeln, wird die Rechnung aber nicht von ihnen beglichen, sondern in erster Linie von den jun-gen Menschen, mit denen dieses verantwortungslose „Spiel“ getrieben wird.

… im LesenPIRLS 20064 PIRLS 2011

8% 5%

… in der Mathematik

TIMSS 1995

TIMSS 2007

TIMSS 2011

10% 3% 2%

… in den Natur-wissenschaften

TIMSS 1995

TIMSS 2007

TIMSS 2011

13% 9% 8%

gute MatheMatikleistungen:Was bei den ostasiatischen Teilnehmerländern drei Viertel der 10-Jährigen in Mathematik schaffen, schafft in Österreich nur mehr ein Viertel von ihnen: Den „High Benchmark“ (550 Punkte) erreichen inMathematikin…5

risikoschüler/innen:WoraninOstasiennuretwa5%inMathematikschei-tern („Intermediate Benchmark“), überfordert bei unseren 10-Jährigen dreißig Prozent. In Finnland ist diese Risikogruppe nur halb so groß wie in Österreich. Nicht einmal den „Intermediate Benchmark“ (475Punkte)erreicheninMathematikin…6

selBstvertrauen:Über eine Gruppe von Kontextfragen wurde in allen drei Bereichen abgefragt, wie sehr die 10-Jährigen in ihr Können vertrauen. Im Selbstvertrauen belegen Österreichs SchülerInnen unter allen europäischen Teilnehmerstaaten den Platz 1, während diejenigen der erfolgreichsten PIRLS- und TIMSS-Staaten ihrem Wissen und Können am wenigsten vertrauen:

Großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben von den 10-Jährigen in …7

Ein gesundes Selbstvertrauen ist für die Persönlichkeits-entwicklung zweifelsohne wertvoll. Wenn in Staaten, in denen mehr als drei Viertel der 10-Jährigen gute Leistungen erbringen, nicht einmal jede/r vierte Schü-lerIn auf das eigene Können vertraut, stimmt das nach-denklich. SchülerInnen aber, die ihr Können so wenig realistisch einschätzen können wie viele von Österreichs 10-Jährigen, fehlt eine sehr wichtige Kompetenz.Auch der BIFIE-Bericht9 merkt folgende Auffälligkeiten an:• „ObwohlÖsterreichinderLese-GesamtleistungdenletztenRangunterden14Vergleichsländern10 ein-nimmt,istfastjedeszweiteVolksschulkindvonseinergutenLeseleistungüberzeugt(48%).“

• „InÖsterreichfälltauf,dass10%derösterreichischenKinder, die von ihrer guten Leseleistung überzeugtsind, zudenLeistungsschwächstenzählen– inFinn-landundDänemark istdieserAnteilmit jeweils 3%deutlichgeringer.“

• „InÖsterreichfälltwiederumauf,dasswenigKindermiteinemhohenSelbstkonzepttatsächlichleistungs-starkinMathematiksind(4%)und15%vonihnenzudenLeistungsschwächstenzählen.“

• „InÖsterreich istderAnteilanVolksschulkindernmithohem Vertrauen in ihre naturwissenschaftlichenFähigkeitenmitAbstandamgrößten(59%).“

• „In Österreich gibt es in allen drei Kompetenzbe-reichen sehr viele Schüler/innenmit hohem Selbst-konzept.DerUmstand,dass inallendrei Bereichennur wenige dieser Schüler/innen aber tatsächlichzu den Leistungsstärksten zählen und viele zu denLeistungsschwächsten, ist ein österreichspezifischesPhänomen.“ (Fortsetzung folgt.) n

1 IEA, PIRLS 2011, S. 682 IEA, TIMSS-M 2011, S. 903IEA,TIMSS-NaWi2011,S.864 erstmaliges Antreten Österreichs5 IEA, TIMSS-M 2011, S. 906 IEA, TIMSS-M 2011, S. 907IEA,PIRLS2011,S.208;IEA,TIMSS-M2011,S.336;IEA,TIMSS-NaWi2011,S.3448 Japan und Korea haben an PIRLS 2011 nicht teilgenommen.9BIFIE,PIRLS&TIMSS2011,Seite5710 Österreichs PIRLS- und TIMSS-Ergebnisse werden im BIFIE-Bericht immer wieder mit 13 EU-Staaten verglichen, „dieÖsterreichaufgrundihrerökonomischenodergeo-grafischenLagebesondersnahestehen,dasiezudenzehnreichstenEU-Ländernzählenund/odereinNachbarlandsind.Darüberhinaushabensie2011sowohlanPIRLSalsauchanTIMSSteilgenommen.“(BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, Seite 9). Es sind Dänemark,Deutschland,England,Finnland,Irland,Italien,Niederlande,Nordirland,Schweden, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn.

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Hongkong: 80%Korea: 80%Singapur: 78%

Taiwan: 74%

Japan: 70%Finnland: 49%Österreich: 26%

Korea: 3%Hongkong: 4%Singapur: 6%Japan: 7%Taiwan: 7%Finnland: 15%Österreich: 30%

Lesen8 MathematikNaturwissen-

schaftenÖsterreich: 48% 43% 59%Finnland: 48% 35% 38%Taiwan: 21% 20% 44%Singapur: 26% 21% 26%Hongkong: 20% 24% 25%Japan: --- 9% 17%Korea: --- 11% 15%

den „advanced international BenchMark“ erreichten von den 10-Jährigen BeiM lesen:

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Der Leistungsstand unserer 10-JährigenBeoBachtungen aus Den PIRLs 2011- unD tIMss 2011-eRgeBnIssen1 (teIL 3)

DIe LIeBe zuR MatheMatIkOstasiatische Staaten, deren SchülerInnen in Mathe-matik besonders gut abschneiden, zeichnen sich nicht gerade dadurch aus, dass sie Mathematik lieben. Aus den aktuellen TIMSS-Ergebnissen und auch früheren derartigen Studien kann keinesfalls ein positiver Zusammenhang zwischen der „Liebe zur Mathematik“ und der „mathematischen Kompetenz“ geschlossen werden:

Der Umkehrschluss gilt allerdings nicht! Es ließen sich Staaten aufzählen, deren SchülerInnen Mathematik gar nicht mögen und sehr schwache Ergebnisse erzielen. Auffallend ist aber, dass sich Europas „PISA-Wunderland“ Finnland in der ostasiatischen Bandbrei-te befindet: Nur 34 % der 10-Jährigen Finnlands lernen gerne Mathematik. Diese ausgeprägte Ablehnung

betrifft nicht nur die Mathematik: Nur 36 % der 10-Jäh-rigen Finnlands mögen den Unterricht in Naturwis-senschaften, womit Finnland Europas Schlusslicht ist. In Österreich sind es immerhin 53 %, was exakt dem internationalen Mittel entspricht.3

Mit 14 erreicht die „Begeisterung“ der SchülerInnen Finnlands für Mathematik und naturwissenschaftliche Gegenstände endgültig spektakuläre Werte:4

Finnland fällt unter Europas TIMSS 2011-Teilnehmer-staaten nicht nur durch die geringe Begeisterung der SchülerInnen für den Unterricht auf, sondern auch dadurch, dass Finnlands 14-Jährige den Unterricht für derart wertlos halten, wie dies in keinem anderen Staat Europas der Fall ist:6

Mag. geRhaRD RIegLeR, MItgLIeD DeR BunDesLeItung

[email protected]

Anteil der 10-Jäh-rigen, die gerne

Mathematik lernen2

TIMSS 2011-Ergebnis

Korea: 23 % 605 Punkte

Japan: 29 % 585 Punkte

Taiwan: 34 % 591 Punkte

Österreich: 44 % 508 Punkte

Finnland Internationaler Mittelwert5

„Like learning …“

Physik: 9 % 26 %

Mathematik: 10 % 26 %

Chemie: 13 % 25 %

Biologie: 15 % 36 %

Geographie: 18 % 33 %

uMgekehRtes staDt-LanD-gefäLLeEs ist international üblich, dass die Ergebnisse der Schü-lerInnen immer besser werden, je größer die Anzahl der EinwohnerInnen des Schulstandortes ist. SchülerIn-nen, die im städtischen Ballungsraum leben, erbringen bei derartigen Leistungsüberprüfungen im Durchschnitt bessere Leistungen. Dies ist auf die im Mittel bessere Ausstattung des Elternhauses mit Bildungsressourcen und den sozioökonomisch stärkeren Background im Elternhaus zurückzuführen. Dieser Konnex ist, wie ich im ersten Teil meines Artikels dargelegt habe, enorm stark – und zwar in allen Staaten und nicht nur, wie uns „ExpertInnen“ weismachen wollen, in Österreich. Die Leistungen der SchülerInnen in Städten mit einer Bevölkerungsanzahl von über 100.000 waren bei den PIRLS- und TIMSS-Testungen des Jahres 2011 im inter-nationalen Mittel denen der SchülerInnen in Orten mit maximal 15.000 EinwohnerInnen beim Lesen um 25 Punkte, in der Mathematik um 24 Punkte und in den

Naturwissenschaften um 22 Punkte überlegen. Diesem Vorsprung steht bei Österreichs 10-Jährigen ein Rück-stand von 8 (Lesen), 9 (Mathematik) und 17 Punkten (Naturwissenschaften) gegenüber.7 Das bedeutet für Österreich einen Leistungsrückstand der SchülerInnen in Städten mit mehr als 100.000 EinwohnerInnen auf das von ihnen zu erwartende Niveau um 33 – 39 Punkte, was einem knappen Lernjahr entspricht.PIRLS und TIMSS unterscheiden – anders als PISA – bei dieser Aufschlüsselung nicht zwischen Millionenstädten und Städten mit über 100.000, aber unter einer Million EinwohnerInnen, womit Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck gemeinsam ausgewertet werden. Bei PISA 2009 hatten die vier Landeshauptstädte Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck um 31 (Lesen), 25 (Mathematik) und 38 (Naturwissenschaften) Punkte mehr als die Bun-deshauptstadt Wien erzielt.8

1 Folgende drei Studien wurden von der „International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA)“ am 11. Dezember 2012 veröffentlicht:• IEA, „PIRLS 2011 – International Results in Reading“ (2012); im Folgenden als „IEA, PIRLS

2011“ zitiert.• IEA; „TIMSS 2011 – International Results in Mathematics“ (2012), im Folgenden als „IEA,

TIMSS-M 2011“ zitiert.• IEA, „TIMSS 2011 International Results in Science“ (2012); im Folgenden als „IEA, TIMSS-

NaWi 2011“ zitiert.Am selben Tag veröffentlichte das BIFIE den Bericht „PIRLS & TIMSS 2011 - Schülerleistungen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft in der Grundschule - Erste Ergebnisse“ (2012), den ich im Folgenden als „BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011“ zitiere.2 IEA, TIMSS-M 2011, S. 3303 IEA, TIMSS-NaWi 2011, S. 3324 IEA, TIMSS-M 2011, S. 332 bzw. IEA, TIMSS-NaWi 2011, S. 336f5 Ein Vergleich mit Österreich ist nicht möglich, weil Österreich an TIMSS 2011 nur mit den 10-Jährigen teilgenommen hat.6 IEA, TIMSS-M 2011, S. 334 bzw. IEA, TIMSS-NaWi 2011, S. 340f7 IEA, PIRLS 2011, S. 138; IEA, TIMSS-M 2011, S. 208; IEA, TIMSS-NaWi 2011, S. 2068 PISA-Datenbank (http://pisa2009.acer.edu.au/

Finnland Internationaler Mittelwert

„Students value …“

Biologie: 6 % 29 %

Geographie: 6 % 25 %

Physik: 7 % 28 %

Chemie: 7 % 26 %

Mathematik: 15 % 46 %

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DIe 14 ausgewähLten VeRgLeIchsLänDeRÖsterreichs PIRLS- und TIMSS-Ergebnisse werden im BIFIE-Bericht immer wieder mit 13 EU-Staaten verglichen, „die Österreich aufgrund ihrer ökonomischen oder geogra-fischen Lage besonders nahe stehen, da sie zu den zehn reichsten EU-Ländern zählen und/oder ein Nach-barland sind. Darüber hinaus haben sie 2011 sowohl an PIRLS als auch an TIMSS teilgenommen.“9

Es handelt sich bei diesen „14 ausgewählten Vergleichs-ländern“ neben Österreich um Dänemark, Deutsch-land, England, Finnland, Irland, Italien, Niederlande, Nordirland, Schweden, die Slowakische Republik, Slo-wenien, die Tschechische Republik und Ungarn. Dieser interessante Vergleich dokumentiert, wie die Leistun-gen von Österreichs 10-Jährigen im internationalen Vergleich einzuordnen sind, und bringt damit die beim Lesen und in der Mathematik extreme Situation, zu der viele Faktoren beitragen, auf den Punkt:

Lesen:• Bei der Lesekompetenz der 10-Jährigen nimmt

Österreich unter den 14 Vergleichsländern den letz-ten Platz ein.10 Wenig überraschend: „Unter den 14 ausgewählten Vergleichsländern hat Finnland den höchsten Mittelwert.“11

• In die Gruppe der sehr guten LeserInnen schaffen es die meisten SchülerInnen in Nordirland (19 %), England (18 %) und Finnland (18 %). „In Österreich beträgt der Anteil Leistungsstarker nur 5 %, womit es die Schlussposition unter den 14 Vergleichsländern einnimmt.“12

• Am wenigsten leseschwache 10-Jährige zählt Finn-land mit 8 %. „Mit 20 % der Schüler/innen auf Stufe 1 oder darunter hat Österreich gemeinsam mit Ungarn (19 %) und Slowenien (21 %) die meisten schwachen Leser/innen unter den Vergleichsländern.“13

Der BIFIE-Bericht fasst die Lesekompetenz der 10-Jäh-rigen ungeschminkt zusammen: „Unter den 14 Ver-gleichsländern hat Österreich den niedrigsten Lese-Mittelwert, es weist den geringsten Anteil an Spitzen-schülerinnen und -schülern auf (5 %) und es hat – nach Slowenien – den zweithöchsten Anteil leistungsschwa-cher Leser/innen (20 %).“14

MatheMatIk:• Nur drei der 14 Vergleichsstaaten schneiden

schlechter als Österreich ab. „Der Mittelwert dieser Länder mit ähnlichen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen beträgt 525 Punkte. Der Österreich-Schnitt liegt mit 17 Punkten Differenz deutlich darunter. […] Vom führenden Vergleichsland Nordirland trennen uns 54 Punk-te.“15

• „In Nordirland – dem Vergleichsland mit dem höchs-ten Mittelwert in Mathematik – befindet sich etwa jedes vierte Kind (24 %) auf der vierten und höchs-

ten Kompetenzstufe. […] In Österreich schaffen es nur 2 % der Kinder aufgrund ihrer Mathematik-leistung bei TIMSS in die höchste Kompetenzstufe. Österreich rangiert damit an 14. und somit letzter Stelle der ausgewählten Vergleichsländer.“16

• „Unter den Vergleichsländern hat Österreich gemeinsam mit Ungarn (30 %), der Slowakischen Republik, Italien und Schweden (je 31 %) den höchs-ten Anteil leistungsschwacher Schüler/innen.“17

• Österreich fällt bei den 10-Jährigen immer weiter zurück: „Österreich und die Tschechische Republik sind die Länder mit dem stärksten Rückgang in Mathematik bezogen auf das Niveau Mitte der 1990er Jahre.“18

Das BIFIE resümiert: „Fast jede/r dritte österreichische Schüler/in hat gegen Ende der Grundschule große Probleme, einfachste mathematische Fragestellun-gen zu lösen. Im Vergleich zu Korea mit 3 % hat Öster-reich daher rund zehnmal so viele leistungsschwache Schüler/innen …“19

Der BIFIE-Bericht erspart der österreichischen Politik auch nicht den Vergleich der Leistungen unserer 10-Jährigen mit denen Finnlands: • „Während in Österreich insgesamt 13 % der Kinder

in mindestens einem Fach zu den Leistungsstarken gehören, gelingt dies in Finnland fast einem Drittel der Kinder.“20

• „In Österreich erreicht 1 % der Kinder die höchste Kompetenzstufe in allen drei getesteten Kompe-tenzbereichen. In Finnland gelingt es 5 % sowohl in Lesen als auch in Mathematik als auch in Naturwis-senschaft zu den Leistungsstarken zu zählen.“21

• „In Österreich haben 10 % der Kinder sehr geringe Kompetenzen in allen drei Kompetenzbereichen. In Finnland ist dieser Anteil mit 3 % deutlich gerin-ger.“22

Die Resonanz auf diese (endlich!) nun auch vom BIFIE erstellte Analyse ist auf politischer Ebene bisher, euphemistisch ausgedrückt, noch etwas verhalten. Es ist eben in mehrfacher Weise billiger, auf „das Schulsys-tem“ und die böse Sekundarstufe I hinzudreschen, als ein Gesamtkonzept für das erste Lebensjahrzehnt zu erstellen und umzusetzen. Wer den PIRLS- und die beiden TIMSS-Berichte gelesen hat und nicht erkennt, dass es in Österreich massi-ven familien-, sozial- und bildungspolitischen Hand-lungsbedarf im ersten Lebensjahrzehnt gibt, an dessen basaler Kompetenz darf wohl zu Recht gezweifelt werden. Österreichs Jugend verdient und Österreichs Zukunft braucht endlich eine kompetente Politik. n

9 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 910 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 1211 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 1312 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 1513 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 1514 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 1515 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 2516 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 2717 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 2718 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 6019 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 6020 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 5521 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 5522 BIFIE, PIRLS & TIMSS 2011, S. 5