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Diplomarbeit Therapie von Dentinhypersensibilitäten unter Berücksichtigung des Er:YAG Lasers Eine Literaturarbeit eingereicht von Ursula Hersch zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der klin. Abt. für Zahnerhaltung unter der Anleitung von Univ.-Prof. Dr. Karl Glockner Graz, 21.09.2015

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Diplomarbeit

Therapie von Dentinhypersensibilitäten

unter Berücksichtigung des Er:YAG Lasers

Eine Literaturarbeit

eingereicht von

Ursula Hersch

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der Zahnheilkunde

(Dr. med. dent.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt an der

klin. Abt. für Zahnerhaltung

unter der Anleitung von

Univ.-Prof. Dr. Karl Glockner

Graz, 21.09.2015

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1

Eidesstaatliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde

Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die

den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche

gekennzeichnet habe.

Graz, am 21.09.2015 Ursula Hersch eh

Page 3: E r :YAG Lasers

2

VORWORT

Der empfindliche Zahnhals (Dentinhypersensibilität) ist ein häufig beobachtetes

Problem in jeder Zahnarztpraxis. Dentinhypersensibilitäten (DHS) beeinträchtigen

das Wohlempfinden der betroffenen Patiententeilweise stark und stellen für die

Zahnärzteoft eine große Herausforderung dar, zumal für die Therapie eine Vielfalt

an Behandlungsmethoden zur Verfügung steht.

Das Wissen über die Entstehung dieser Erkrankung und deren klinisches

Erscheinungsbild sind wesentlich für die richtige Diagnosestellung und in weiterer

Folge für die Therapiewahl. Die Vielzahl an Therapiemöglichkeiten optimal zu

nutzen setzt Kenntnisse über die gesamte Bandbreite der konventionellen, aber

auch speziellen Therapien voraus. Das Verstehen chemischer Eigenschaften von

medizinisch wirksamen Substanzen ist Voraussetzung für einen korrekten und

effektiven Einsatz in der Therapie. Der Einsatz von Lasern im medizinischen

Bereich setzt nicht nur die Kenntnis und Einhaltung der gesetzlich

vorgeschriebenen Maßnahmen zum Schutz von PatientIn, Personal und

BehandlerIn voraus, ebenso sollten Begriffe wie Emission und Absorption,

Frequenz und Wellenlänge, Energieniveau und vor allem Leistungsdichte und

Laserstrahlleistung unbedingt von jedem/jeder Laseranwender/-in verstanden

worden sein, um eine Fehlbenutzung des Lasers und einen daraus folgenden

Schaden zu vermeiden. (Berlien H.P., 2000 S. II-2.3. S.3)

An dieser Stelle sei erwähnt, dass neben dem Er:YAG-Laser der CO2-Laser, ein

Gaslaser, in der Zahnmedizin einen hohen Stellenwert einnimmt. Insbesondere

zur Behandlung von Präkanzerosen im Mund-, Kiefer- u. Gesichtsbereich kommt

er häufig zum Einsatz. Sowohl Er:YAG als auch CO2-Laser, sowie Therapien mit

Softlasern werden an der Medizinischen Universität Graz mit gutem Erfolg

eingesetzt.

Page 4: E r :YAG Lasers

3

Danksagungen

An erster Stelle möchte ich meinem Sohn Ben danken, der sich durch seine

Zuverlässigkeit und Selbstständigkeit ausgezeichnet hat und mir dadurch die teils

anstrengende Studienzeit erleichtert hat.

Großer Dank geht an meine Eltern, meinen Großvater und meine Tante, die mir durch

finanzielle Unterstützung das Studium ermöglicht haben.

In Gedenken an meine Großmutter möchte ich auch ihr an dieser Stelle für die

Ermutigungen mein Ziel beharrlich zu verfolgen speziell danken

Ich bedanke mich bei allen Vorgesetzten und Kollegen der Medizinischen Universität

Graz, die mir das fachliche Wissen und praktische Können für meinen zukünftigen Beruf

vermittelt haben. Insbesondere gilt mein Dank Herrn Univ.-Prof. Dr. Walther

Wegscheider, Herrn Univ.-Prof. DDr. Norbert Jakse, Herrn Univ.-Prof. Dr. Karl Glockner

und Frau Ass. Prof. Dr. Margit Pichelmayer. Allen Mitarbeitern der Zahnklinik Graz, die

mich während meiner Praktikumszeit bei meinen Tätigkeiten am Patienten tatkräftig

unterstützt haben, möchte ich ebenso herzlich danken.

Ein besonderer Dank geht auch an Herrn Dr. Thomas Frühwirth, der mich über viele

Jahre im Studium der Zahnheilkunde oft motivierte, ermutigte und mich an seinem

Wissen und seiner Erfahrung als Zahnarzt großzügig teilhaben ließ.

Zuletzt sage ich „Danke“ an jeden, der mich in irgendeiner Weise während meiner

Ausbildung unterstützt hat auch wenn hier nicht alle namentlich erwähnt werden

können.

Page 5: E r :YAG Lasers

4

Inhaltsverzeichnis

1.: ZUSAMMENFASSUNG……………………………………………………………...6

1.: ABSTRACT (English) ..……………………………………………………………...7

2.: EINLEITUNG …………………………………………………………………………8

2.1.: DENTINHYPERSENSIBILITÄTEN ………………………………………8

2.1.1.: Ätiologie …………………………………………………………...8

2.2.2.: Ursachen ………………………………………………………...10

2.1.3.: Klinik ……………………………………………………………...11

3.: MATERIAL/METHODIK …………………………………………………………...13

3.1.: FLOURIDE ………………………………………………………………...13

3.1.1.: Chemische Grundlagen ………………………………………..13

3.1.2.: Anwendung in der Zahnheilkunde ……………………………15

3.1.3.: Toxizität – chronische und akute ……………………………...16

3.2.: LASERTECHNOLOGIE ………………………………………………….17

3.2.1.: Einführung/physikalische Grundlagen ……………………….17

3.2.2.: Laserarten ……………………………………………………….24

3.3.: ER:YAG LASER …………………………………………………………..27

3.3.1.: Technische Grundlagen/Wirkweise …………………………..27

3.3.2.: Einsatz in der Zahnheilkunde …………………………………28

4.:ERGEBNIS …………………………………………………………………………..33

4.1.: KONVENTIONELLE THERAPIE ……………………………………….33

4.2.: SPEZIELLE THERAPIE MIT Er:YAG – LASER ……………………....44

5.: DISKUSSION ……………………………………………………………………….47

6.: CONCLUSIO ………………………………………………………………………..49

LITERATUR-/QUELLENANGABE ……………………………………………………50

Page 6: E r :YAG Lasers

5

ABBILDUNGS- und TABELLENVERZEICHNIS

Abbildung 1 [Quelle: Schroeder et al.]..................................................................8

Abbildung 2 [Quelle: Berlien et al.]………………………………………………....18

Abbildung 3 [Quelle: Trautwein et al.]……………………………………………...19

Abbildung 4 [Quelle: Berlien et al.]………………………………………………....22

Abbildung 5 [Quelle: Berlien et al.]………………………………………………....22

Abbildung 6 [Quelle: Berlien et al.]………………………………………………....23

Abbildung 7 [Quelle: Berlien et al.]………………………………………………....23

Abbildung 8 [Quelle: Berlien et al.]………………………………………………....24

Abbildung 9 [Quelle:Bamise et al.]……………………………...…………………..38

Abbildung 10 [Quelle: Bamise et al.]………………………………………………...38

Abbildung 11 [Quelle: 3M® Espe]…………………………………………………....40

Abbildung 12 [Quelle: Botzenhart et al.]…………………………………………....44

Tabelle 1…………………………………………………………………………………25

Tabelle 2…………………………………………………………………………………26

Tabelle 3…………………………………………………………………………………26

Tabelle 4…………………………………………………………………………………28

Tabelle 5………………………………………………………………………………... 43

Page 7: E r :YAG Lasers

6

1. ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Dentinhypersensibilitäten (DHS) sind definiert als kurzer, heftiger

Zahnschmerz, ausgehend von freiliegendem Dentin als Reaktion auf einen Reiz,

der keiner anderen Form von Zahndefekten oder Pathologien zuzuschreiben ist

(Aranha A.C., 2011). DHS gehören in Zahnarztpraxen zu den am meisten

beobachteten schmerzhaften und chronischen Beschwerden. (Aranha C.C., 2011)

Eine Vielzahl unterschiedlichster Ursachen, teils beeinflussbar aber auch nicht

beeinflussbare Faktoren, werden in der Literatur beschrieben. Material/Methodik:

Die Effekte von Fluoriden auf Schmelz und Dentin sind schon lange und anhand

einer großen Anzahl an Studien belegt. Als Zusatz in Zahnpasten,

Mundspülungen, Gelen und Lacken stehen sie für den häuslichen Gebrauch zur

Unterstützung der Therapie von empfindlichen Zahnhälsen zur Verfügung. In

office kommen meist Präparate mit einer wesentlich höheren Konzentration zur

Anwendung. Laser werden neben anderen Anwendungen in der Zahnheilkunde

auch zur Behandlung von Dentinhypersensibilitäten verwendet. Aufgrund seiner

physikalischen Eigenschaften wird speziell zu diesem Thema häufig der Er:YAG

Laser in der Literatur beschrieben. Ergebnisse: Sowohl Entstehung als auch

Progression sind weitestgehend vermeidbar und so steht die Prävention an erster

Stelle der (konventionellen) Therapiemethoden. Für die non invasive Therapie

steht mittlerweile eine Vielzahl an desensibilisierenden Substanzen mit

unterschiedlichen Wirkmechanismen und teils guter, anhand zahlreicher

Untersuchungen belegter, langanhaltender Wirkung zur Verfügung. Mehrere

Vergleichsstudien kamen zu dem Ergebnis, dass Desensitizer mit HEMA einen

länger anhaltenden desensibilisierenden Effekt aufweisen als die Fluoride. Die

Anwendung von Lasern bei Dentinhypersensibilität wird bereits länger untersucht

und zeigt für die Anwendung von Er:YAG-Laser gute Ergebnisse. Conclusio: Die

gute Wirksamkeit von Fluoriden ist schon lange bekannt und so sind sie ein fixer

Bestandteil in der Therapie von sensiblen Zahnhälsen. Neuere Produkte mit

HEMA als Wirkstoff zeigen jedoch einen wesentlich länger anhaltenden Effekt und

sind daher in der konventionellen Therapie eine gute Alternative. Als spezielle

Therapieform ist der Er:YAG aufgrund der Ergebnisse wiederum durchaus als

Alternative zu den konventionellen Therapien zu sehen.

Page 8: E r :YAG Lasers

7

1. ABSTRACT

Introduction: Dentinehypersensitivity (DHS) is a common complaint in adults.

Dentinhypersensitivity is defined as a short, sharp toothpain arising from exposed

dentine in response to a stimulus that cannot be ascribed to any other form of

dental defect or pathology (Aranha A.C., 2011) It is one of the most painful and

chronic problems reported in dental offices (Aranha C.C., 2011) A variety of

diverse causes, partly influenced, but also factors beyondt heir control, is

described in the literature. Method and Materials: The effects of fluoride on

enamel and dentine are occupied for a long time and on the base of a large

number of studies. As an additive in toothpastes, mouthwashes, gels and

varnishes they are available for homeuse to support the treatment of sensitive

teeth. In office there are mostly products with a much higher dosage for use.

Among other applications in dentistry Lasers are also used for the treatment of

DHS. Because of ist physical properties the Er:YAG laser is often described in the

literature specifically on this topic. Results: A correct diagnosis and the

identification of predisposing factors establish the base for an adequate therapy.

Formation and progression are both preventable and so prevention is the top

priority of the (conventional) therapeutic measures. Several comparative studies

conclude that Desensitizer which contain HEMA have a longer lasting

desensitizing effect than fluorides. The use of lasers in the treatment of

dentinehypersensitivity is examined for a longer time and shows good results for

Er:YAG-Laser. Conclusion: The effectiveness of fluorides has been known since

a long time and so they are an integral part in the treatment of sensitive tooth.

Newer products with HEMA as an active ingredient show a much longer lasting

effect and so they are a good alternative in conventional therapy. As a special

form of therapy because of ist results the Er:YAG is an alternative to conventional

therapies.

Page 9: E r :YAG Lasers

8

2.: EINLEITUNG

2.1.: DENTINHYPERSENSIBILITÄTEN

2.1.1.: Ätiologie

Dentin besitzt eine sehr hohe nozizeptive Sensibilität (Gängler P., 2005; 2. Auflage

S. 42). Aus dem subodontoblastischen Nervenplexus (Raschkowscher

Nervenplexus), der den Pulpanerven entspringt, gelangen Zweige sensibler

Nervenfasern zu den Odontoblasten im Prädentin. Diese setzen sich über die

odontoblastischen Fortsätze in die peripheren Anteile des Dentins (Manteldentin)

fort. Jene Fortsätze verlaufen in Kanälen (Dentintubuli), welche mit Dentinliquor

gefüllt sind. [Abb.1]

Abbildung 1 Quelle: Schroeder et al.

Rasterelektronenmikroskopische Ansicht (Vergrößerung.: 360x) der peripheren Verzweigungen der Odontoblastenfortsätze und Tubuli im zirkumpulpalen Dentin (ZPD) und im Manteldentin (MD) bis an die Schmelz (S) – Dentin – Grenze. Einsatz: Ansicht der Tubulusverzweigungen (Vergrößerung.: 3800x)

(Schroeder, 2000; 5. Auflage S. 94)

Page 10: E r :YAG Lasers

9

Physiologischerweise ist das gesamte Manteldentin in dem den ständigen

mechanischen, chemischen und/oder thermischen Reizen der Mundhöhle

ausgesetzten Bereich der Zahnkrone von Schmelz bedeckt. Die Grenze zur

Wurzel im Zahnhalsbereich, die sog. Schmelz-Zement-Grenze, wird zur Gänze

von Gingivagewebe umgeben. Unter diesen Bedingungen werden jegliche Reize

am vitalen Zahn zwar wahrgenommen, jedoch nicht als schmerzhaft empfunden.

Schmelzdefekte etwa durch Abrasion, Attrition, Erosion oder sog.

„keilförmigen Defekten“, welche durch falsches bzw. aggressives Putzverhalten

entstehen können, oder das Fehlen gesunder Gingiva im Bereich der zirkulären

Schmelz-Zement-Grenze durch Rezession (siehe Kapitel 2.2.2.) führt zu

exponiertem Kronen- bzw. Wurzeldentin. Offene Dentintubuli sind folglich den

äußeren Einflüssen direkt ausgesetzt.

Zu der so ausgelösten Hypersensibilität postulierte BRÄNNSTRÖM bereits im

Jahre 1972 die, heute noch weitestgehend anerkannte und in der Literatur häufig

beschriebene, hydrodynamische Theorie. Nach BRÄNNSTRÖM wird durch

chemische und physikalische Reize ein Flüssigkeitsstrom in Gang gesetzt und

über Barorezeptoren zur Pulpa weitergeleitet. (Brännström M., 1972)

Daneben finden sich noch eine Hypothese, die den Odontoblasten selbst als

Rezeptor beschreibt (Transduktionstheorie) und die Theorie der direkten

Innervation (Konduktionstheorie) (Bamise C.T., 2011).

Alle drei Theorien betrachten Dentin und Pulpa als Komplex.

In zahlreichen klinischen Studien wurde festgestellt, dass nicht nur das Vorliegen

offener Dentinkanälchen allein, sondern ebenso die Anzahl der freiliegenden

Tubuli eine wesentliche Rolle für die Ausprägung der Schmerzintensität spielt. An

hypersensiblen Zähnen konnte eine 8mal höhere Anzahl an Dentintubuli pro

Flächeneinheit im Vergleich zu solchen, die keine pathologische Sensibilität

aufwiesen nachgewiesen werden. (Aranha C.C., 2011)

Eine Vielzahl an Ursachen ist für anatomische Veränderungen der Gingiva mit der

Folge exponierten Wurzeldentins und den daraus resultierenden, unterschiedlich

ausgeprägten Hypersensibilitäten zu nennen.

.

Page 11: E r :YAG Lasers

10

2.1.2.: Ursachen

Wie bereits oben erwähnt ist eine erhöhte Sensibilität bedingt durch das Freiliegen

von Wurzeldentin, welches unter physiologischen Bedingungen vollständig von

Gingivagewebe bedeckt ist. Ursachen für einen Rückgang bzw. den Verlust von

Saumepithel sind folgende, häufig in Kombination auftretende, Faktoren,

verantwortlich:

a) Endogene Faktoren:

Systemische Erkrankungen (Autoimmunerkr., Diabetes mellitus, HIV)

Genetische Faktoren (Interleukin 1, Syndrome)

HormonelleFaktoren (Osteoporose)

b) Exogene Faktoren:

Hygiene (chronisch-mechanische Traumatisierung durch unsachgemäßen

Gebrauch der Zahnbürste, Zahnpasten mit hohem RDA)

Ernährung (Erosion)

Rauchen

Medikamente

Stress (Attrition durch Bruxismus)

Habits, Piercing

c) Bakterielle Faktoren:

Entzündungsreaktion durch koronale, marginale bzw. subgingivale

Plaqueakkumulation (Gingivitis, Parodontitis)

d) Iatrogene Faktoren:

Kieferorthopädie (zu rasche Zahnbewegungen, zu viel Kraft)

Überstehende Füllungsränder (Begünstigung der Plaqueakkumulation)

Restaurationen deren Ränder nicht exakt an der Präparationsgrenze liegen

Partielle Prothesen (Abrasion durch Halteelemente im marginalen Bereich)

Verletzungen der marginalen Gingiva durch Präparationen

Bleaching (Verätzungen)

Parodontalchirurgie

Page 12: E r :YAG Lasers

11

e) Sonstige Faktoren:

Einstrahlende Lippen- u. Wangenbändchen

Flaches Vestibulum

Altersbedingter Rückgang (Atrophie)

Morphologie des Alveolarfortsatzes

Morphologie der Gingiva (fragiler SH-Typ, ungünstige Breite keratinisierter

Gingiva)

Okklusales Trauma (selbst keine parodontale Gewebezerstörung, kann

jedoch als Cofaktor für das Fortschreiten destruktiver Prozesse fungieren)

2.1.3.: Klinik

Eine umfangreiche Anamnese zur Symptomatik ist einerseits für die

Differentialdiagnose und andererseits für die Erkennung und Beseitigung

möglicher Ursachen (Putztechnik, Ernährungsgewohnheit, Allgemeinerkrankungen

etc.) unabdingbar.

Die Inspektion zeigt freiliegendes (kariesfreies) Wurzeldentin (Rezession) in

unterschiedlicher Ausprägung. Laut klinischen Studien sind am häufigsten die

Eckzähne und die ersten Prämolaren, gefolgt von den Inzisiven und zweiten

Prämolaren betroffen. Außerdem wird beschrieben, dass Hypersensibilitäten

vermehrt im Oberkiefer auftreten.(Gernhardt C.R., 2011). Die Rezession ist meist

bukkal lokalisiert, seltener auch palatinal, dies führt aber weniger zu erhöhter

Sensibilität.

Unter physiologischen anatomischen und morphologischen Bedingungen ist das

Wurzeldentin vollständig von Gingivagewebe bedeckt. Das Saumepithel der

Gingiva umschließt zirkulär den Zahnhals, ist ca. 2mm hoch und endet apikal an

der Schmelz-Zementgrenze. Jede der Zahnoberfläche anliegende

Saumepithelzelle bildet Hemidesmosomen mit deren Hilfe die Zelle adhäsiv an der

internen Basallamina und über diese an der Zahnoberfläche haftet. (Rateitschak

K.H, 1989 S. 5) Häufig ist der Verlust des Saumepithels mit keilförmigen Defekten

vergesellschaftet.

Page 13: E r :YAG Lasers

12

Für die Erfassung des Schweregrades, dies ist für die Wahl einer eventuell

angestrebten chirurgischen Therapie vonnöten, hat sich die Einteilung (Grade I –

IV) nach Miller etabliert.

Durch das freiliegende Wurzeldentin kommt es zu schmerzhaften Symptomen.

Diese sind differentialdiagnostisch von Beschwerden aufgrund insuffizienter

Füllungen, Frakturen oder Traumata bzw. kariesinduzierter pulpitischer

Sensationen abzugrenzen.

Die Schmerzsymptomatik äußert sich, in Abhängigkeit der Anzahl der offenen

Dentintubuli, in leichtem Mißempfinden bis hin zu starken, stechenden oder

ziehenden Schmerzen in Verbindung mit einem mechanischen, thermischen oder

chemischen Reiz. Der Schmerz lässt sich durch den/die Behandler/-in mit der

Sonde (mechanisch) oder einem Luftstrom (thermisch) provozieren und sollte

nach Einwirken des Reizes rasch wieder abklingen.

Radiologisch zeigen sich an der Zahnhartsubstanz keine Auffälligkeiten. Hier kann

jedoch als Ursache für die Rezession(en) ein möglicherweise vorliegender

Attachmentverlust diagnostiziert werden. Dies ist für die weiteren Therapie-

maßnahmen von Bedeutung.

Ein Parodontalstatus gibt Aufschluss über das eventuelle Vorhandensein einer

Parodontalerkrankung als mögliche Ursache für den Verlust von Gingivagewebe.

Diese muss begleitend zur symptomatischen Therapie dementsprechend

behandelt werden.

Page 14: E r :YAG Lasers

13

3.: MATERIAL/METHODIK

3.1.: FLUORIDE

3.1.1.: Chemische Grundlagen

Fluoride, wie das in der Zahnmedizin häufig angewandte Natriumfluorid [NaF2],

entstehen aus Verbindungen des Elements Fluor [F]. Es gehört neben den

Elementen Chlor [Cl], Brom [Br], Iod [I] und dem radioaktiven Astat [At] zur Gruppe

der Halogene (=Salzbildner), welche eine hohe Elektronenaffinität und

Elektronegativität besitzen, da ihnen als Elementen der VII. Nebengruppe im

Periodensystem der Elemente nur ein Elektron in der Valenzschale zur

Edelgaskonfiguration fehlt. Aufgrund dieser Tatsache zählen die Halogene zu den

reaktionsfreudigsten Elementen und kommen aufgrund ihrer hohen Reaktivität in

der Natur nicht in elementarer Form vor.

Fluor kommt als F2 vor, ist ein farblos bis gelbliches, extrem giftiges, aggressives,

Gas und wirkt auch in starker Verdünnung ätzend auf Haut und Schleimhäute. Es

ist das am stärksten elektronegative Element und reagiert daher praktisch mit

allen Elementen (Wachter H., 2002; 8. Auflage S. 210) und damit nicht mit den in

der Zahnheilkunde verwendeten Fluoriden zu verwechseln!

Fluoride [F-] sind die Salze der Fluorwasserstoffsäure oder Flusssäure (die

wässrige Lösung von Fluorwasserstoff [HF]), welcher aus der Reaktion von

Calciumfluorid oder Flussspat [CaF2] (in der Natur vorkommende,

gesteinsbildende Form von F) mit Schwefelsäure [H2SO4] entsteht: (Kaiser E.,

1985 S. 141)

CaF2 + H2SO4 → 2HF + CaSO4

Fluoride haben in der medizinischen Anwendung katalysatorische Wirkung. Ein

Katalysator, in biologischem Sinne, ist definiert als Element od. Verbindung,

welches Reaktionsabläufe im Körper beschleunigt oder verlangsamt ohne selbst

an ihnen beteiligt zu sein.

Am Zahn setzen sie einerseits den kritischen pH-Wert, der den Schmelz auflöst

herunter und verlangsamen so den Demineralisierungsprozess (Kariesbildung).

Page 15: E r :YAG Lasers

14

Andererseits beschleunigen sie die Apatitbildung des Zahnschmelzes und die

Einlagerung von Mineralstoffen. Dies begünstigt die Remineralisierung.

Dieser Mechanismus wurde von J. EINWAG als Ionenwippe bezeichnet und ist für

die Anwendung von Fluoriden in der Zahnheilkunde von wesentlicher Bedeutung.

Ionenwippe nach EINWAG

Hydroxylapatit [Ca3(PO4)2]3Ca(OH)2 ist ein wesentlicher Bestandteil der

Zahnhartsubstanz. Durch Fluoridionen wird das Hydroxylion (OH-) im

[Ca3(PO4)2]3Ca(OH)2 im kristallinen Gerüst des Zahnes durch ein Fluoridion (F-)

ersetzt. So kommt es zur Bildung von Fluorapatit [Ca3(PO4)2]3Ca(F)2.

[Ca3(PO4)2]3Ca(OH)2 → [Ca3(PO4)2]3Ca(F)2

Durch den Einbau von [Ca3(PO4)2]3Ca(F)2 in das Kristallgitter weist der

Zahnschmelz eine geringere Löslichkeit gegen Säure auf.

Außerdem enthält der menschliche Speichel Calcium (Ca), welches unter Beisein

von Fluoridionen Calciumfluorid (CaF2) bildet. Durch die topische Applikation von

Fluoriden lagert sich so eine schützende Calciumfluoridschicht an den

behandelten Oberflächen, insbesondere an porösen Bereichen, an.

Ca2+ + 2F- → CaF2

Page 16: E r :YAG Lasers

15

Die Absorption von Hydrogenphosphationen stabilisiert die CaF2-Schicht

zusätzlich. (Fischer C., 1995)

Bei einem neutralem pH-Wert ist die CaF2-Schicht schwer löslich und kann über

einen langen Zeitraum auf den Zähnen verbleiben.(Dijkmann A.G., 1983) Unter

sauren Bedingungen, z.B. bei der Aufnahme von Kohlenhydraten und deren

bakterielle Verstoffwechselung, setzt die CaF2-Schicht Fluorid- und Calciumionen

frei, welche sich wiederum im Kristallgitter der Zahnhartsubstanz an freien Stellen

ablagern. Dabei wird neben Fluorapatit noch säureresistenter Fluorhydroxylapatit

gebildet. So bildet die Calciumfluoridschicht nicht nur einen Schutz an der

Zahnoberfläche, sondern auch noch zusätzlich ein pH-wertkontrolliertes F- -

Reservoir.

Diese Abläufe entsprechen dem Mechanismus der Ionenwippe nach EINWAG.

3.1.2.: Anwendung in der Zahnheilkunde

In der Zahnheilkunde werden Fluoride sowohl präventiv als auch therapeutisch,

vorwiegend in Form von Natriumfluorid (NaF), Zinnfluorid (SnF) und Aminfluorid

(AMF), in verschiedenen Darreichungsformen, Dosierungen und Kombinationen

besonders in den Bereichen Kariologie und Kinderzahnheilkunde eingesetzt.

Insbesondere die Kariologie macht sich die Bedeutung der Ionenwippe

nach EINWAG schon lange zunutze. Die Fluoride werden sowohl systemisch als

auch lokal angewandt. Sie besitzen eine bakterizide Wirkung (AMF und SnF),

hohe Bioverfügbarkeit und katalysatorische Wirkung bei der Remineralisation von

Schmelz und Dentin, wodurch initiale kariöse Läsionen an ihrer weiteren

Progression gehemmt werden können. Daher sind sie ein wichtiges Tool für die

Kariesprävention. In Form von fluoridhaltigen Zahnpasten, Spüllösungen und

Gelen stehen sie für den täglichen Gebrauch in der häuslichen Anwendung zur

Verfügung.

In der Kinderzahnheilkunde werden Fluoride auch in Form von Tabletten

(Zymafluor® ¼ mg = 0,25mg/250ppm; 1mg = 1mg/1000ppm) zusätzlich zur

Kariesprävention eingesetzt.

In office werden Gele und Lacke mit höheren Fluoridgehalten (z.B.: Duraphat®-

Lack: 22600ppm; 2,26% Fluorid; 5% NaF) angewandt.

Page 17: E r :YAG Lasers

16

Die Therapie der Zahnhalsempfindlichkeit mit hoch dosierten Gelen und Lacken,

welche durch den/die Behandler/-in lokal appliziert werden, kann durch die

häusliche Anwendung spezieller Zahnpasten und Spüllösungen mit erhöhtem

Fluoridgehalt oft in Kombination mit weiteren desensibilisierenden Substanzen

unterstützt werden (siehe Kap.: 4.1.). Natriumfluorid (NaF) besitzt eine

desensibilisierende Wirkung und ist daher speziell für den Gebrauch auf diesem

Gebiet besonders geeignet.

Bei den medizinischen Anweisungen für die tägliche Anwendung von Fluoriden

zur Kariesprävention müssen die Patienten aufgeklärt werden, dass die

empfohlene Tagesdosis zur Kariesprävention keinesfalls überschritten werden

darf. Eine Überdosierung kann sowohl zu lokalen als auch zu systemischen

Schäden führen. (Siehe Kapitel 3.1.3.)

Angaben zu empfohlenen Fluoridierungsmaßnahmen mit aktuellen epidemiologischen

Daten zur Kariesprävention finden sich beispielsweise in den Leitlinien der ZZQ. Die

aktuellen Werte der Fluoridgehalte im Grundwasser etwa für die Steiermark sind auf

www.umweltsteiermark.at einzusehen.

3.1.3.: Toxizität – chronische und akute

Eine Überdosierung von Fluorid während der Schmelzausbildungsphase kann zu

einer Veränderung der Mikrostruktur des Zahnschmelzes, der sog. Dentalfluorose,

führen. Klinisch stellt sich diese in Form von veränderter Transluzenz und bei

starker Ausprägung auch als verringerte Härte des Schmelzes dar.

Differenzialdiagnostisch ist die Dentalfluorose von einer (initialen) kariösen Läsion

durch das Auftreten an für Karies untypischen Stellen abzugrenzen.(Gängler P.,

2005; 2. Auflage S. 367)

Ab einer massiven Überschreitung der empfohlenen Flouridzufuhr (z.B.: durch

einen stark erhöhten Trinkwasser – Fluoridgehalt) von 8ppm kommt es zu einer

Skelettfluorose (morphologische Veränderung der Knochen). (Gängler P., 2005; 2.

Auflage)

Page 18: E r :YAG Lasers

17

Eine akute Toxizität äußert sich in leichten Fällen durch Symptome wie Übelkeit,

Erbrechen, Durchfall und Magenschmerzen (Dosen ab 3-5mg/kg Körpergewicht).

Durch die Reaktion von Natriumfluorid mit der Magensäure zu Flusssäure kommt

es bei hohen Dosen zu einem direkt erosiven Geschehen an der

Magenschleimhaut. Eine schwere Symptomatik wie Herz-Kreislaufversagen

und/oder eine zentrale Atemlähmung kann bei sehr hoher Dosierung sogar zum

Tod führen (die letale Dosis für Erwachsene liegt im Bereich von 30-65mg/kg

Körpergewicht, bei Kindern bereits ab 16mg/kg Körpergewicht). (Gängler P., 2005;

2. Auflage S. 367)

3.2.: LASERTECHNOLOGIE

3.2.1.: Einführung/physikalische Grundlagen

Elektromagnetische Strahlung, also Licht, induziert aufgrund seiner

Wechselwirkung mit Materie photochemische Prozesse (Fercher, 1999 S. 797),

die sich die Heilkunde schon lange als Therapeutikum zu nutzen macht.

Die, auf Erfindung des sog. Masers (Microwave amplification by stimulated

emission of radiation) durch GORDON, ZEIGLER und TOWNES 1955 aufbauende

Weiterentwicklung und Realisierung des Lasers (Light amplification by stimulated

emission of radiation) durch MAIMAN im Jahre 1960, erweiterte die Möglichkeiten

immens. Sein Einsatz ist aus den einzelnen Fachgebieten der modernen Medizin

nicht mehr wegzudenken. Bereits unmittelbar nach der Konstruktion des ersten

funktionstüchtigen Lasers, ein Rubinlaser von MAIMAN (1960), begann man mit

der Untersuchung der klinischen Einsetzbarkeit, zunächst vorwiegend in den

Fachdisziplinen Dermatologie und Ophthalmologie (Berlien H.P., 2000 S. Band I,

I-1).

Vereinfacht ausgedrückt basiert das Prinzip des Lasers darauf elektromagnetische

Wellen mit bestimmter Wellenlänge zu erzeugen und zu verstärken. Um diesen

Mechanismus zu verstehen folgen hierzu die Grundlagen aus der Physik:

Page 19: E r :YAG Lasers

18

Das elektromagnetische Feld des Lichts setzt sich zusammen aus einem

elektrischen Feld, welches sich periodisch ändert, und einem magnetischen Feld,

welches dazu senkrecht verläuft.(Berlien H.P., 2000 S. Bd.I; II-1 S.2)[Abb.2]

Elektromagnetische Wellenfelder sind in der Lage Energie, die sog. Feldenergie,

zu transportieren und breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. (Trautwein A,

1999 S. 240).

Die maximale Geschwindigkeit, die

Lichtgeschwindigkeit, ist eine konstante

Größe und gilt für alle elektromagnetischen

Wellen. Sie beträgt:

c = 299 792 458 m/s

Abbildung 2 Quelle: Berlien et al.

Weitere wichtige Größen stellen die Wellenlänge λ und die Frequenz ν dar. Beide

können sich ändern und stehen mit der Lichtgeschwindigkeit c in folgendem

Zusammenhang:

c = λ • ν

Jede elektromagnetische Welle besteht aus Teilchen, den sog. Photonen.

Umgekehrt kann jedem Photon eine Welle zugeordnet werden, das wird in der

Physik als Welle-Teilchen-Dualismus oder Dualität bezeichnet.

Aufgrund dieser Beschreibungsweise des Lichts lässt sich die Fähigkeit zu

Absorptions- und Emissionsvorgängen, also die Wechselwirkung mit Materie und

somit Grundlage der Laseranwendung in der Medizin, erklären.

Page 20: E r :YAG Lasers

19

Um Strahlung zu erzeugen ist eine bestimmte Energie E notwendig. Sie entsteht,

wenn ein Elektron e- im Atom aus seinem Grundzustand von einem niedrigen

Energieniveau auf ein höheres angehoben wird (Emission) oder umgekehrt in ein

niedrigeres übergeht (Absorption). Diese Zustände werden als angeregte

Zustände bezeichnet. Die Fähigkeit von e- aus seinem Grundzustand in einen

angeregten Zustand überzugehen und dabei Energie abzugeben bzw.

aufzunehmen kann anhand des Atommodells von Niels BOHR (1913) erklärt

werden.

Anhand des H+- Atoms

beschreibt das Bohrsche

Atommodell den

Energiezustand der Elektronen

e- folgendermaßen:

n = 1 hat hier die niedrigste

Energie.

Im Grundzustand befindet sich

e- in n = 1. Alle anderen

Zustände bedeuten, dass sich

e- in angeregtem Zustand

befindet.

Abbildung 3 Quelle: Trautwein et al.

Bohrsches Atommodell eines H+-Atoms (maßstabsgetreu; gezeichnet bis n = 5). Pfeile zeigen die möglichen Übergänge des Elektrons von einer Bahn zu einer anderen. (Trautwein A, 1999 S. 244)

Die Differenz zwischen den Energien jener Bahnen ∆E wird in Form eines Quants

elektromagnetischer Strahlung vom Atom abgegeben bzw. aufgenommen. Diese

„Energieportionen“ (Photonen od. Lichtquanten) stehen in einem proportionalen

Zusammenhang mit der Frequenz ν und der Wellenlänge λ. D.h.: je größer die

Energiedifferenz ∆E, desto größer ist ν der Strahlung, und desto kleiner ist λ.

Page 21: E r :YAG Lasers

20

∆E ist die Quantenenergie des emittierten Strahlungsquants hν wobei h das

Planksche Wirkungsquantum ist. In der Gleichung stellt sich dies wie folgt dar:

∆E = hν = h 𝑐

𝜆

Aufbauend auf diesen physikalischen Grundprinzipien und Gesetzmäßigkeiten

sind drei spezielle Prozesse fundamentale Elemente für das Laserprinzip und

spiegeln sich im Grundaufbau jedes Lasers wieder:

Es sind dies:

a) Lichtverstärkung durch Besetzungsinversion mit Hilfe von elektrischen oder

optischen „Pumpen“.

b) ein laseraktives Medium

c) Verstärkung durch Resonatoren

zu a) Um Laserstrahlung erzeugen zu können ist es notwendig e- nicht nur in das

nächsthöhere Energieniveau E2 zu bringen sondern noch ein Niveau höher in E3

(Dreiniveausystem) bzw. in E4 (Vierniveausystem) anzuheben. Das angeregte

Elektron hat sonst das Bestreben wieder in seinen Grundzustand zurückzukehren,

das entspricht der Absorption. So wäre die induzierte Emission nicht intensiv

genug um die hohe, für den Laser erforderliche Strahlungsintensität, zu erreichen.

Um Elektronen in E3 oder E4 bringen zu können bedingt, dass sie möglichst lange

in E2 verweilen können, was als metastabiler Anregungszustand bezeichnet wird.

Dieser Vorgang wird als Lichtverstärkung durch Besetzungsinversion bezeichnet.

Die Anregung nach dem Drei- bzw. Mehrniveauprinzip kann auf

verschiedene Arten erfolgen, etwa durch Stöße in einer Gasentladung (z.B.:

Helium-Neon-Laser). Ebenso durch Einstrahlen von Licht (z.B.: Rubin-Laser). Dies

wird mit sog. elektrischen (Anregen in einer elektrischen Gasentladung) oder

optischen (Anregung durch sehr intensives Licht) „Pumpen“ erreicht. Oder durch

direkten elektrischen Strom wie etwa bei den Halbleiterlasern.

Page 22: E r :YAG Lasers

21

zu b) Zur Lichtverstärkung mittels induzierter Emission eignen sich nicht alle

Substanzen sondern nur jene mit sog. metastabilen Niveaus, welche die Fähigkeit

besitzen eine Besetzungsinversion zu erzeugen. Sie werden als laseraktiv

bezeichnet und bestimmen den jeweiligen Lasertyp. (siehe Kapitel 2.1.2)

Folgende Stoffe kommen als laseraktives Medium in Frage:

freie Atome, Ionen, Moleküle od. Molekülionen in Gasen od. Dämpfen

Farbstoffmoleküle, gelöst in Flüssigkeiten

Atome od. Ionen, eingebaut in einem Festkörper

dotierte Halbleiter

freie Elektronen

(Berlien H.P., 2000 S. II-2.2. S.2)

zu c) Wie oben beschrieben ist ein wesentlicher Prozess für das Prinzip Laser,

dass sich Elektronen möglichst lange in E2 befinden. Die Elektronen treten

spontan durch Emission einzeln von E1 in E2 und „versammeln“ sich in diesem

Energieniveau, da ein Anheben in E3 (oder E4) nicht von alleine stattfindet. Bei

diesen spontanen Emissionen treten Photonen mit einer bestimmten Frequenz

auf, die dann durch induzierte Emission verstärkt werden. Diese Strahlung, die

verstärkte spontane Emission oder Superstrahlung ist jedoch noch keine

Laserstrahlung. Diese entsteht erst durch das Zusammenwirken eines

Laserresonators mit dem laseraktiven Medium, welches sich nun in einem

angeregten Zustand befindet.

Die am häufigsten in der Lasertechnologie verwendeten Resonatoren sind sog.

optische Resonatoren. Sie bestehen meist aus zwei Spiegeln, die parallel

angeordnet sind und gekrümmt oder eben sein können. Optische Resonatoren

dienen dem Prozess der Rückkopplung.

Entsprechend den Krümmungsradien und dem Abstand unterscheidet man

verschiedene Resonatortypen (z.B.: plan-parallel, konkav-konvex, sphärisch bzw.

hemisphärisch, konfokal etc.). Das Verhalten der Strahlung in den jeweiligen

Resonatortypen folgt entsprechend den physikalischen Gesetzen der

geometrischen Optik.

Page 23: E r :YAG Lasers

22

Ein wesentliches Merkmal des optischen Resonators, wie sie für Laser verwendet

werden, ist, dass nur Laserfrequenzen verstärkt werden können, deren

Amplituden auf den Spiegeln einen Knoten haben (stehende Wellen). Diese

Bedingung ist nur erfüllt, wenn der Abstand ein ganzes Vielfaches der halben

Wellenlänge beträgt. (Berlien H.P., 2000 S. II-2.2. S. 6)[Abb. 4]

Wie oben beschrieben gilt für den

optischen Resonator:

nur Eigenschwingungen, deren

Vielfache (n) der halben Wellen-

länge exakt mit der geometrischen

Abmessung (L) des Resonators

übereinstimmen, können angeregt

werden.

(Berlien H.P., 2000 S. II-2.2. S. 6)

Daraus ergibt sich folgende Konsequenz für den Laserresonator:

n(λ/2) = L

Zuletzt soll noch die physikalische Eigenschaft der Laserstrahlung beschrieben

werden, welche drei wesentliche Merkmale aufweist:

1.) Kohärenz

Alle Wellenzüge sind exakt in Phase

zueinander, sowohl in der Zeit als

auch im Raum. [Abb.5]

(Berlien H.P., 2000 S. II-2.3. S.1)

Abbildung 4 Quelle: Berlien et al.

Abbildung 5 Quelle: Berlien et al.

Page 24: E r :YAG Lasers

23

2.) Kollimation

Das Strahlenbündel ist fast parallel

zueinander, daher nimmt ein Laser-

strahl auch über große Entfernung nur

wenig im Durchmesser zu. [Abb.:6]

(Berlien H.P., 2000 S. II-2.3. S. 1)

3.) Monochromatie

Alle Wellenzüge haben die gleiche

Wellenlänge, Frequenz und Energie.

[Abb.:7]

(Berlien H.P., 2000 S. II-2.3. S. 1)

Alle diese Merkmale lassen sich einzeln auch mit anderen Lichtquellen erzeugen.

Der Laser ist jedoch die einzige Lichtquelle, bei der alle drei Kennzeichen

gleichzeitig vorhanden sind. (Berlien H.P., 2000 S. II-2.3. S.1)

Außerdem kann man mit einem Laser sehr hohe Strahlungsleistungen erreichen.

Die Laserleistung medizinischer Laser liegt meist zwischen 0,1 und 100 Watt.

Leistungsdichte und Einwirkzeit sind die wesentlichen Parameter, die die Wirkung

auf Gewebe beeinflussen. Für die Leistungsdichte gilt:

Leistungsdichte = Laserstrahlleistung / Strahlquerschnitt

Abbildung 6 Quelle: Berlien et al.

Abbildung 7 Quelle: Berlien et al.

Page 25: E r :YAG Lasers

24

Die folgende Graphik zeigt zusammenfassend die verschiedenen wichtigen

Parameter, die bei der Bestrahlung von Gewebe mit Lasern Einfluss nehmen.

Abbildung 8 Quelle: Berlien et al.

3.2.2.: Laserarten

Aufgrund der Tatsache, dass die Wechselwirkungen von Laserstrahlung mit

biologischer Materie in Zusammenhang mit der Intensität und der Wellenlänge der

Strahlung stark variieren (Trautwein A, 1999 S. 261), wurden seit der Entwicklung

des Lasers von Beginn an unterschiedliche Typen für jeweils spezielle Zwecke

entwickelt.

Die gängigste Einteilung erfolgt nach dem verwendeten aktiven Medium:

Gaslaser

Farbstofflaser

Festkörperlaser

Halbleiterlaser

Excimer-Laser

Page 26: E r :YAG Lasers

25

Eine weitere Einteilung, nämlich nach der Bauform, gibt an in welcher Form das

Lasermedium bzw. der gesamte Resonator vorliegt:

Kristall (Lasermedium: Festkörper – in Form eines Kristallblocks)

Faser (Lasermedium: Festkörper – in Form von Glasfasern)

Geschlossen (Lasermedium: Gas od. Feststoff – versiegelt im Resonator)

Geströmt (Lasermedium: Gas od. Feststoff – kontinuierlich gewechselt)

Slab auch Platten- od. Scheibenlaser (Medium in Form von Platten)

Die gängigsten in der Medizin zur Anwendung kommenden Lasertypen nach der

Einteilung ihres Mediums werden in den Tabellen 1-3 (S. 24-25) mit Namen, anderer

Bezeichnung, Wellenlänge(λ), Puls(p)-oder Dauer(cw)-Betrieb und Bauform angegeben.

Die Einteilung nach DIN EN 60825-1 in Klassen bezieht sich auf

Gefährdungspotential von Mensch und Umwelt und die zu treffenden

Schutzmaßnahmen. Sie unterliegt streng gesetzlich dem Medizinproduktegesetz

(MPG), der Medizingeräteverordnung (MedGV) bzw. der Medizinprodukte-

Betreiberverordnung (MPBetreibV). Jeder Laser ist mit der jeweiligen Klasse

gekennzeichnet, die betriebliche Anwendung ist ausschließlich nach den

Richtlinien der aktuellen Fassung der Verordnungen zulässig.

GASLASER

Name andere

Bez. Medium Bauform p cw λ [nm]

Kohlendioxid- Laser

CO2 – Laser

Gemisch aus: CO2, N2 u. He

geschlossen, Stab • • 10600

Argon-Ionen- Laser

Ar+ - Laser

Argon- Ionen

geschlossen • • 351-488

Helium-Cadmium-Laser

HeCd- Laser

Cadmium- gas u. He

geschlossen • • 325/442

Kupferdampf- Laser

_ Kupfergas geschlossen • 510-578

Golddampf- Laser

_ Goldgas geschlossen • 627,8

Tabelle 1

Page 27: E r :YAG Lasers

26

FESTKÖRPERLASER

Name andere

Bez. Medium Bauform p cw λ [nm]

Er:YAG- Laser

Erbium YAG Laser

Erbium- Ionen in Yttrium-Al-Granat

Kristall • • 2940

Nd:YAG- Laser

Neodym YAG Laser

Neodym-Ionen in Yttrium-Al- Granat

Kristall • • 1064

Yb:YAG- Laser

Ytterbium YAG Laser

Ytterbium- Ionen in

Yttrium-Al-Granat

Kristall • • 1030

Ho:YAG- Laser

Holmium YAG Laser

Holmium- Ionen in

Yttrium-Al-Granat

Kristall • • 2100

Er:Glas- Laser

Erbium- Glas- Laser

Erbium- Ionen in versch.

Glasarten

Kristall, Faser • • 1540

Nd:Glas- Laser

Neodym- Glas- Laser

Neodym- Ionen in versch.

Glasarten

Kristall, Faser • • 1062

Tabelle 2

EXCIMER

Name andere

Bez. Medium Bauform p cw λ [nm]

XeCl- Excimerlaser

308-nm-Excimer-

Laser

Xenon- Chlorid

geschlossen • 308

ArF- Excimerlaser

- Argon- Fluorid

geschlossen • 193

KrF- Excimerlaser

- Krypton- Fluorid

geschlossen • 248

XeF- Excimerlaser

- Xenon- Fluorid

geschlossen • 351

Tabelle 3

Page 28: E r :YAG Lasers

27

3.3.: ERBIUM-YAG – LASER

3.3.1.: Technische Grundlagen/Wirkweise

Bauform, Lasermedium und Wellenlängenbereich sind in Tab. 2 (S. 26) angeführt.

Im folgenden Abschnitt werden die o.a. Daten und weitere Eigenschaften des

Erbium-YAG – Lasers (Er:YAG) genauer betrachtet. Eine Zusammenstellung der

wesentlichen Daten sind in Tab. 4 (S. 28) zusammengefasst.

Der Grundaufbau besteht, wie bei allen Lasern, auch beim Er:YAG aus

Pumpensystem, Resonator und aktivem Medium.

Als Festkörperlaser verwendet der Er:YAG als aktives Medium Erbium-Kristall.

Dieser besteht aus einem Wirtsgitter, in welchem einzelne Ionen durch Ionen der

seltenen Erden ersetzt werden (Dotierung des Laserkristalls). Die Effizienz des

Laserprozesses hängt wesentlich von der Konzentration der eindotierten Ionen ab.

Die Besetzung der Energieniveaus erfolgt beim Er:YAG nach dem 4-Niveau-

Prinzip (siehe Kap. 2.1.1.).

Da es sich bei den Kristallen in Festkörperlasern generell um Nichtleiter handelt

erfolgt die Anregung auf optische Weise (optische Pumpe). Hierzu können

Hochdruckblitzlampen (z.B.: Xenon- oder Kryptonlampen) oder andere Laser

(z.B.: Diodenlaser) verwendet werden. Diese beiden Pumpensysteme haben

einerseits den Vorteil ein breites Anregungsspektrum zu besitzen jedoch arbeiten

sie im Dauerbetrieb (cw). Dies führt durch nicht zur Anregung beitragende

Photonen zu einer Erwärmung des Kristall. Erwärmung wirkt sich negativ auf

Besetzungsinversion und auf die optischen Eigenschaften des Resonators (durch

Ausbildung einer thermischen Linse) aus. Die effizientere Methode ist die

Verwendung von Hochdrucklampen im mittleren Infrarot (IR)-Bereich im gepulsten

Modus (p). Um die Ausgangsenergie zu maximieren werden die beiden Systeme

kombiniert und die meisten Laser dieser Bauform im Multimodemodus betrieben.

Die optische Energie kann durch Laserpulse genau dosiert und gezielt

eingesetzt werden. Für den therapeutischen Einsatz ist das ein wesentliches

Faktum, da eine Schädigung von nicht betroffenem Gewebe dadurch extrem

niedrig ist.

Page 29: E r :YAG Lasers

28

Der Er:YAG, arbeitet mit einer im nahen IR Emissionswellenlänge von 2940nm,

welche dem Absorptionsspektrum von Wasser entspricht, und besitzt daher eine

extrem hohe Absorption in Wasser. Das bedeutet eine geringe optische

Eindringtiefe und somit eine schmale Schädigungszone.

Die Wirkung von Laserpulsen hängt neben der Wellenlänge der Strahlung auch

noch sehr stark von der Pulsdauer ab. (Berlien H.P., 2000 S. II-3.4.2. S 1) Diese

beträgt beim Er:YAG: 0,1-1ms. Dieser Wert ermöglicht ein sog. „kaltes Schneiden“

und ist besonders für den Einsatz in der Zahnheilkunde von großem Vorteil

insbesondere bei der Anwendung direkt am Zahn. Ein höherer Wert bedeutet

einen höheren thermischen Effekt, der sich auf das sehr temperaturempfindliche

Pulpengewebe schädigend auswirken würde.

Bei der Anwendung von IR, also unsichtbarer Strahlung des Lichtspektrums, ist es

für die Orientierung im Arbeitsbereich notwendig das Feld, auf das der Laserstrahl

auftrifft, zu markieren. Dies geschieht beim Er:YAG durch einen zusätzlich

eingebauten Diodenlaser (Pilotstrahl).

Er:YAG – Technische Daten

Wellenlänge

[nm]

Pulsdauer

[ms]

Pulsenergie pro cm2

[J]

Frequenz

[Hz]

Eindringtiefe (Weichgewebe)

[mm]

Eigensch. d. emitt.

Strahlung

2940

0,1-1

0,2-1,5

1-20

0,001

Wasser- absorption

Tabelle 4

3.3.2.: Einsatz in der Zahnheilkunde

Laser sind in der modernen Medizin ein fixer Bestandteil mit einem breiten

Anwendungsspektrum. Bis dato sind bereits etliche hundert Publikationen zum

Einsatz von Lasern in der Zahnmedizin erschienen. Bei den meisten Lasern traten

nicht tolerierbare Schäden an Pulpa und Hartsubstanz durch starke thermische

Nebenwirkungen auf. (Berlien H.P., 2000)

Aufgrund seiner Emissionswellenlänge von 2940nm treten solche thermische

Nebenwirkungen bei der Anwendung des Er:YAG nicht auf. Das ist einer der

Hauptgründe weshalb sich sein Einsatz in der Zahnmedizin etabliert hat und in

folgenden Disziplinen vielseitig eingesetzt wird:

Page 30: E r :YAG Lasers

29

Konservierende Zahnheilkunde

o minimalinvasive Füllungstherapie

o Behandlung von Dentinhypersensibilitäten

Endodontie

o Wurzelkanalaufbereitung und – desinfektion

Kinderzahnheilkunde

o schmerz- u. geräuscharme Behandlung

Parodontologie

o Entfernung subgingivaler Konkremente

o Parodontalchirurgie

Oralchirurgie

o Socket und Ridge Preservation

o Osteotomie

o Implantatfreilegung

o Explantation

Im Folgenden werden die speziellen Vorteile des Er:YAG für den Einsatz in der

Zahnheilkunde im Vergleich zu den jeweiligen konventionellen Methoden anhand

ausgewählter Beispiele erläutert.

Einerseits entstehen durch kontaktloses Abtragen von Hartgewebe im Gegensatz

zur Präparation mit dem Bohrer keine Vibrationen. Dies ist für die Patienten weit

weniger unangenehm oder schmerzhaft. Auf die Lokalanästhesie (und deren

Nebenwirkungen) kann in den meisten Fällen komplett verzichtet werden.

Andererseits ist Kariesentfernung mit dem Er:YAG äußerst geräuscharm.

Bei konventionellen Behandlungsmethoden führen oft die Angst vor der „Spritze“

oder das Geräusch des „Zahnarztbohrers“ zu einem Behandlungsabbruch durch

die Patienten. Die Möglichkeit der vibrationslosen, schmerz- und geräuscharmen

Präparation rechtfertigt besonders die Anwendung des Er:YAG-Lasers in der

Kinderzahnheilkunde und bei Angstpatienten.

.

Page 31: E r :YAG Lasers

30

In der konservierenden Zahnheilkunde ermöglicht die niedrige Ablationsrate ein

minimalinvasives Vorgehen in der Kariestherapie. Speziell die Präparation

kariöser Läsionen im zervikalen Bereich (Black Klasse V) bzw. jene keilförmiger

Defekte im Rahmen der Behandlung von Dentinhypersensibilitäten (Kap.4.1.)

kann mit dem Er:YAG aufgrund seiner Eigenschaften (geringer Substanzabtrag,

vibrationslos, geräuscharm) äußerst schonend gelingen. Ebenso werden

Schädigungen an der Pulpa durch hohe Temperatur, wie sie beim Präparieren mit

dem herkömmlichen Bohrer („Schleifpulpitis“) entstehen können, vermieden

werden.

Zudem konnte noch ein weiterer Effekt festgestellt werden: Untersuchungen mit

dem Rasterelektronenmikroskop (REM) haben gezeigt, dass die Abtragung von

Schmelz und Dentin mit dem Er:YAG eine auffallend raue und schollige

Oberfläche hinterlässt. (Berlien H.P., 2000). Dies begünstigt die

mikromechanische Retention für Füllungen.

Die bereits erwähnten geringen Auswirkungen auf umliegendes gesundes

Gewebe werden auch in der Oralchirurgie für minimalinvasive Eingriffe

ausgenutzt. So kann beispielsweise eine Implantatfreilegung mithilfe des Er:YAG

besonders schonend durchgeführt werden. Die Freilegung mit Stanze oder

Skalpell bedeutet auch bei noch so vorsichtiger Vorgehensweise den Verlust

gesunden Gewebes. Durch den Druck auf das zu exzidierende Gewebe werden

Zellen geschädigt und die Modellierung des Weichgewebes dadurch oft

beeinträchtigt. Das kann besonders in ästhetischenBereichen zu einem nicht

zufriedenstellenden Ergebnis führen. Eine elektrochirurgische Freilegung schädigt

das Gewebe meist durch Koagulation und ist daher kontraindiziert. Mit dem

Er:YAG lässt sich das Gewebe durch seinen besonderen Ablationsprozess ohne

koagulative Nebenwirkungen entfernen. Untersuchungen haben gezeigt, dass es

mit dem Er:YAG-Laser möglich ist Weichgewebe im direkten Kontakt mit der

Titanoberflächezu entfernen, ohne diese zu beschädigen. (Berlien H.P., 2000).

Das ermöglicht eine schonende Modellation der periimplantären Gingiva und ist

für eine zufriedenstellende Ästhetik in der Implantologie von Vorteil.

Page 32: E r :YAG Lasers

31

Auch die Anwendung am Knochen kann mit dem Er:YAG aufgrund seiner hohen

Absorptionsrate in Wasser außerordentlich schonend erfolgen. Eine notwendige

Entfernung eines osseointegrierten Implantates (etwa durch Fraktur) ist mit den

konventionellen Methoden mit rotierenden chirurgischen Fräsen in der Regel

äußerst aufwendig und mit Verlust von gesundem Knochengewebe verbunden.

Zusätzlich werden, auch bei permanenter Spülung, Titanspäne in den

umgebenden spongiösen Knochen eingespült oder eingeschleudert. Bei einer

Explantation mit dem Er:YAG bleibt die Titanoberfläche vollkommen intakt, es

entstehen keine Titanpartikel, die in den umliegenden Knochen gelangen könnten.

Der Verlust von gesundem Knochengewebe hält sich in Grenzen, somit ist die

Erfolgsaussicht für eine Neuimplantation deutlich verbessert. (Liebaug, 2012)

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit für den Er:YAG bietet sich für die

Wurzelspitzenresektion (WSR). Sie kann mit alleiniger Anwendung geeigneter

Lasersysteme oder in Kombination mit der konventionellen Technik durchgeführt

werden. Anhand eines Fallberichtes beschrieben GOUW-SOARES et al., dass

sich für die Arbeitsschritte Osteotomie und Abtragung der Wurzelspitze sich der

Er:YAG mit λ=2,94μm (gepulst) besonders gut eignet, während die Versiegelung

der Seitenkanäle mit einem Nd:YAG-Laser (λ=1064nm) durchgeführt wurden.

(Berlien H.P., 2000). Eine Erfolgssicherheit wird in der Literatur jedoch kontrovers

diskutiert.

In der Parodontologie zeigen sich die Vorteile in der Anwendung des Er:YAG bei

der Behandlung tiefer parodontaler Taschen. Durch die geringe

Weichgewebsschädigung wird bei der Kürettage mit dem Er:YAG wesentlich

weniger Gewebe, sowohl am Tascheneingang als auch am Taschenfundus, als

mit herkömmlichen Handinstrumenten oder Ultraschallaufsätzen zerstört. Die

Entfernung subgingivaler Konkremente kann äußerst gezielt und ohne bzw. nur

mit geringer Schädigung des Wurzeldentins durchgeführt werden.Untersuchungen

zeigten zudem, dass nach Kürettage einer Zahnwurzel mit einem Er:YAG-Laser

der Smearlayer im Gegensatz zu konventionellen Therapien weitestgehend

entfernt ist und damit der bakteriellen Rekolonialisierung der Oberflächen

entgegengewirkt wird. (Nessler, 2009)

Page 33: E r :YAG Lasers

32

Das gezielte Abtragen mit geringem Substanzverlust spielt auch in der Endodontie

eine wichtige Rolle. Bei einer effizient durchgeführten Wurzelbehandlung mit

herkömmlichen Wurzelkanalinstrumenten geht in der Regel mehr Wurzeldentin

verloren als dies bei der Aufbereitung der Wurzelkanalwände mit dem Er:YAG der

Fall ist. Die Eliminierung der infektiösen Keime aus dem Wurzelkanal ist ein

wesentlicher Faktor für den Erfolg oder Misserfolg einer endodontischen

Behandlung. Daher ist es erforderlich nach Entfernung des infizierten

Pulpagewebes ebenso einen Teil der Kanalwand abzutragen, um das

Vorhandensein ein von Keimen besiedeltes Wurzeldentin weitgehend zu

reduzieren. Folglich wird durch den Substanzabtrag der Zahn, insbesondere bei

geringem Wurzeldurchmesser, geschwächt und so das Risiko einer Fraktur

erhöht. Die schonendere Aufbereitung mithilfe des Er:YAG beruht nicht nur auf der

Tatsache der geringen Gewebeablation sondern vielmehr darauf, dass der Laser

zusätzlich einen desinfizierenden Effekt aufweist, was in zahlreichen Studien

belegt ist. YOSHINORI et al. zeigten anhand einer in vitro Studie, dass bei der

Bestrahlung verschiedener Bakterienkulturen (sowohl An- als auch Aaerobier) bei

Energien von 0,3 J/cm2 und höher (gepulst) das Bakterienwachstum deutlich

gehemmt wird und folgerten, dass der Er:YAG bei niedrigem Energielevel ein

hohes bakterizides Potential aufweist. (Yoshinori A., 1996) So kann mit dem

Er:YAG die Wurzelbehandlung substanzschonend und somit das Risiko der

postendodontischen Fraktur minimierend, mit gleichzeitig guter

Wurzelkanalsterilisation, durchgeführt werden. Technisch realisiert wird die

Behandlungsmethode mit dem Laser mithilfe spezieller Faser-Applikationen, die

auch zur Behandlung in der Parodontologie zum Einsatz kommen.

Die speziellen Einsatzmöglichkeiten des Er:YAG in der Therapie von

Dentinhypersensibilitäten, insbesondere die der Symptomatik, im Vergleich zu

konventionellen Therapien werden in den folgenden Kapiteln beschrieben.

Page 34: E r :YAG Lasers

33

4.: ERGEBNIS

4.1.: KONVENTIONELLE THERAPIE

Die Behandlung von Dentinhypersensibilitäten teilt sich einerseits in die

Beseitigung der Ursache(n) und andererseits in die Therapie der Symptome,

insbesondere der Schmerzsymptomatik, auf. Ursächliche und symptomatische

Therapie bilden für einen Langzeiterfolg eine unzertrennliche Einheit.

Die Intervention richtet sich nach Ausprägung und Schweregrad. Nach einer

Empfehlung der WHO kann bei persistierender Symptomatik ein Stufenplan

angewandt werden. (Gernhardt C.R., 2011)

Die Therapiemaßnahmen lassen sich grundsätzlich in drei Hauptgruppen

unterteilen:

a) Präventiv

b) Non-invasiv

c) Invasiv

zu a) Mit einer regelmäßigen und korrekt durchgeführten häuslichen Mundhygiene

lassen sich freiliegende Zahnhälse und somit eine mögliche Hypersensibilität

weitestgehend vermeiden. Eine ineffiziente Reinigung der Zähne führt zu

Plaqueakkumulation und fördert so, neben Kariesbildung, die Entstehung

parodontaler Erkrankungen. Die Ansammlung von Plaque führt zu

Entzündungsreaktionen welche sich erst an der marginalen Gingiva ausbreiten

(Gingivitis) und sich weiter in die Tiefe fortsetzend im Parodont manifestieren

(Parodontitis). Attachmentverlust, welcher sich durch Zurückweichen der

marginalen Gingiva als Rezession darstellt, ist die Folge. Verlauf und

Schweregrad stehen dabei in direktem Zusammenhang mit einer Überschreitung

bestimmter Schwellenwerte und der Kombination verschiedener pathogener

Mikroorganismen. Um die Entstehung plaqueinduzierter Erkrankungen, zu

welchen die Parodontitis gehört, zu vermeiden ist, neben einer effizienten

Putztechnik, die Entfernung von Plaque aus den Approximalräumen mit speziellen

Page 35: E r :YAG Lasers

34

Hilfsmitteln (Zahnseide, Zwischenraumbürsten, medizinische Zahnstocher)

angezeigt.

Die richtige Anwendung der Zahnbürste und die spezieller Hilfsmittel sollte in der

Praxis von einer ausgebildeten Prophylaxeassistentin demonstriert und

gemeinsam mit den Patienten geübt werden.

Neben der mechanischen Plaquekontrolle kann die Eradikation parodonto-

pathogener (und kariogener) Keime durch die Anwendung desinfizierender

Mundspüllösungen, besonders beim Vorliegen schwer zugänglicher Stellen (z.B.:

Restaurationen, KFO etc.) noch verbessert werden. Bei der Verwendung

fluoridhaltiger Spülungen für eine antimikrobielle Wirkung ist den Zinn- und/oder

Aminfluoriden der Vorzug zu geben. Sie haben im Vergleich zum Natriumfluorid

eine höhere desinfizierende Wirkung. Die alleinige Anwendung von Spüllösungen

ist kontraindiziert, da sich Biofilm nicht abspülen lässt und somit die Spülung zwar

eine Reduktion aber keine vollständige Eliminierung von Keimen erzielen kann.

Als weitere präventive Maßnahme sollte regelmäßig eine professionelle

Zahnreinigung in der Zahnarztpraxis mit einem auf die Patienten individuell

abgestimmten Intervall stattfinden. Im Sinne einer Prävention steht hier nicht nur

die Reinigung, sondern vielmehr die regelmäßige Kontrolle, Motivation und das

frühzeitige Erkennen und Vermeiden einer parodontalen Erkrankung mit all ihren

Folgen im Vordergrund.

Die Vermittlung der richtigen Putztechnik ist nicht nur im Sinne der

Plaquekontrolle, sondern ebenso ein wesentlicher Faktor zur Vermeidung von

Schäden an der Zahnhartsubstanz. Aggressives Putzverhalten mit zu harten

Bürsten, oft in Kombination mit Zahnpasten mit hohem RDA (radioactive

dentinabrasion), ist eine häufige Ursache für sogenannte keilförmige Defekte im

Zahnhalsbereich, welche zu Hypersensibilitäten führen können. Solche

Putzdefekte entstehen insbesondere durch falsche Haltung der Zahnbürste, zu

hohen Anpressdruck und/oder horizontale „sägende“ Putzbewegungen. Durch

einen hohen RDA-Wert der Zahnpasta wird der Abtrag von Zahnhartsubstanz

zusätzlich begünstigt. Der RDA ist definiert als Dentinabrasionswert im Vergleich

zu einer Standardpaste mit Kreide als Putzkörper und bewegt sich bei

handelsüblichen Zahnpasten in einem Bereich von 20-120. In zahlreichen

Untersuchungen wurden bei einem Wert > 90 Schmelzabrasionen nachgewiesen.

Daher eignen sich Zahnpasten mit solchen Werten generell nicht für den täglichen

Page 36: E r :YAG Lasers

35

Gebrauch. Beispiele hierfür sind Mentadent C® whitesystem (RDA: 96) und

Colgate® sensationwhite (RDA 112). Bei bereits freiliegenden Zahnhälsen ist eine

Zahnpasta mit möglichst niedrigem RDA in Kombination mit einer weichen Bürste

(z.B.: Meridol®-Zahnbürste) unbedingt zu empfehlen.

Ein ebenso wichtiger Teil der präventiven Maßnahmen ist das frühe Erkennen und

Beseitigen exogener Faktoren, die zum Verlust von Zahnschmelz oder gesunder

marginaler Gingiva führen, durch Aufklärung im Rahmen regelmäßiger

zahnärztlicher Kontrollen und Prophylaxesitzungen.

Bei Patienten mit erhöhtem Parodontitisrisiko bzw. während einer

kieferorthophädischen Therapie empfiehlt sich ein kürzeres Intervall. Einer

Entstehung von Rezession(en) durch auf das Parodont einwirkende Kräfte zu

orthodontischen Zwecken mit dosierter Krafteinwirkung vorzubeugen bzw. ein

rasches Entgegenwirken beim Auftreten erster Anzeichen dafür liegt in der

Verantwortung der behandelnden Kieferorthopäden.

So stützt sich die präventive Therapie im Wesentlichen auf folgende Säulen:

häusliche Mundhygiene-maßnahmen

Motivation

ProfesionelleZahnreinigung

Mundhygiene-instruktion

Aufklärung

Page 37: E r :YAG Lasers

36

zu b) Zielort der non-invasiven Therapiemaßnahmen sind direkt die Regionen

freiliegenden Dentins. Durch den Verlust von Schmelz und/oder marginaler

Gingiva sind die nun an der Oberfläche liegenden Dentintubuli schutzlos

mechanischen, thermischen oder chemischen Einflüssen ausgesetzt und lösen so

u.U. schmerzhafte Sensationen in äußerst unterschiedlicher Ausprägung aus.

Hinzu kommt die Tatsache, dass Dentin eine wesentlich geringere Härte als

Schmelz aufweist. Daher kommt es leichter zu den oben genannten Putzdefekten,

was folglich ebenso zu einer Eröffnung der Tubuli führt und die Sensibilität noch

zusätzlich verstärken kann.

Für die Behandlung schmerzempfindlicher Zähne gibt es generell zwei Ansätze.

Einerseits ist es der Verschluss exponierter Dentinkanälchen um eine

Flüssigkeitsbewegung nach der hydrodynamischen Theorie von BRÄNNSTRÖM

zu vermeiden oder die direkte Inhibierung der neuronalen Transmission von

Reizen.

Dazu wurde bereits eine Vielzahl an Untersuchungen vorgenommen um die

Effekte verschiedenster Substanzen mit unterschiedlicher Wirkungsweise zu

erforschen und in zahlreichen Studien publiziert. Nach diesen Erkenntnissen steht

mittlerweile eine Vielzahl an Präparaten zur lokalen Applikation für die Behandlung

von Patienten mit sensiblen Zahnhälsen zur Verfügung. Wirkmechanismus der

meisten heute zur Anwendung kommenden Produkte ist vorwiegend die

Vermeidung von Verschiebungen jener Flüssigkeitssäulen im Dentin-Pulpa-

Komplex über einen direkten Verschluss der Tubuli. Dabei spielen auch sowohl

die Anzahl der offenen Kanälchen als auch der Durchmesser des eröffneten

Tubuluslumen eine wesentliche Rolle.

Zudem postulierte neben der Wirksamkeit an sich GROSSMANN bereits im Jahre

1935 noch weitere Anforderungen an desensibilisierende Substanzen. Diese

wurden im Laufe der Zeit erweitert und so werden aktuell, anlehnend an die von

GROSSMANN, folgende an die angewandten Therapiemittel gestellt:

Sofortiger Wirkungseintritt

schmerzfreie Applikationsmöglichkeit

Schmerzlinderung auch während der zahnärztlichen Behandlung

Page 38: E r :YAG Lasers

37

Langanhaltende Wirksamkeit

Biokompatibilität - keine Irritationen oraler Strukturen (insbes. der vitalen

Pulpa)

Schmerzfreie Applikationsmöglichkeit

Keine ästhetische Beeinträchtigung

Keine Beeinträchtigung prospektiver Restaurationen

Kariesprophylaktische Wirkung

Geschmacksneutral

Lagerung muss möglich sein

Kostengünstig

(Gernhardt C.R., 2011)

Bis zum derzeitigen Zeitpunkt wurde noch kein Agens entdeckt, welches all diese

Kriterien gleichzeitig erfüllt und so gibt es bis dato noch keinen echten

Goldstandard für die Behandlung sensibler Zahnhälse mit desensibilisierenden

Substanzen. (Bamise C.T., 2011)

Für die Behandlung stehen einige Substanzen meist als Zusatz in speziellen

Zahnpasten und Spüllösungen, sowie Gele und Lacke, für die häusliche

Anwendung durch die Patienten, zur Verfügung. Andere werden in der

Zahnarztpraxis (nach den Angaben des Herstellers) lokal appliziert. Um eine

Überdosierung zu vermeiden weisen die durch die Patienten anzuwendenden

Mittel in der Regel einen niedrigeren prozentuellen Gehalt an wirksamen

Inhaltsstoffen auf, als jene, die von Zahnarzt oder -ärztin lokal verabreicht werden.

Laut zahlreicher Studien konnten für die im Folgenden beschriebenen Agenzien

desensibilisierende Effekte nachgewiesen werden. Sie kommen heute als

Inhaltsstoffe in vielen verschiedenen Präparaten unter dem Überbegriff

Desensitizer* zur Anwendung.

*Aus den zahlreichen derzeit am Dentalmarkt erhältlichen Produkten sind einige der am häufigsten

in der Literatur beschriebenen mit ihrem Handelsnamen, Hauptwirkstoff, pH-Wert (soweit vom

Hersteller angegeben) und Darreichungsform(en) in Tab.: 5 (S. 43) aufgelistet.

Page 39: E r :YAG Lasers

38

Fluoride – werden bereits sehr lange, oft in Kombination mit anderen

Substanzen, für die Behandlung von Hypersensibilitäten eingesetzt. Der

genaue Wirkmechanismus ist nicht eindeutig geklärt. (Bamise C.T., 2011)

Mithilfe elektronenmikroskopischer Aufnahmen im Rahmen einer in vitro

Studie konnte jedoch ein Verschluss der Dentintubuli nach Applikation von

Zinnfluoriden (SnF) nachgewiesen werden (Abb.10), was nach der

hydrodynamischen Theorie von BRÄNNSTRÖM eine Reduktion des

Flüssigkeitsstrom zur Pulpa zur Folge hätte und somit eine Hypersensibilität

vermindert. (Bamise C.T., 2011).

Kaliumnitrate– in zahlreichen Untersuchungen konnte eine

desensibilisierende Wirkung bei Kaliumsalzen, - chloriden und – citraten

wissenschaftlich nachgewiesen werden. Sie sind heute in vielen speziellen

Zahnpasten mit desensibilisierendem Effekt (z.B.: Colgate® Senisitive) ein

Hauptbestandteil. Der Vergleich etlicher Studien zeigte, dass Kaliumionen

entlang der Dentintubuli direkt an die Nervenendigungen des Dentin-Pulpa-

Komplexes gelangt und direkt die Nervenleitgeschwindigkeit an den

Axonen beeinflusst. Die Kaliumionen diffundieren rasch durch Schmelz und

Dentin, die Inhibition der Nerven tritt bereits nach Minuten ein. (Bamise

C.T., 2011) Nach der Konduktionstheorie ist die logische Konsequenz eine

Reduktion der Sensibilität. Dieser Effekt ist jedoch nur von kurzer Dauer.

Abbildung 9 Quelle: Bamise et al.

Elektronenmikroskopische Aufnahme offener Dentintubuli vor Applikation eines Desensitizers.

Abbildung 9 Quelle: Bamise et al.

Abbildung 10 Quelle: Bamise et al.

Page 40: E r :YAG Lasers

39

Um einen Langzeiteffekt zu erzielen werden die Kaliumnitrate meist mit

Fluoriden kombiniert, welche wiederum auf Dauer nachgewiesenermaßen

den Verschluss der Tubuli erzielen.

Oxalate – laut einer vergleichenden Studie können Oxalate zu 98% eine

Reduktion der Permeabilität von Dentin durch den Verschluss offener

Tubuli erwirken. Die Applikation von 28%igem Kaliumoxalat kann in der

Tiefe der Dentinkanälchen zur Bildung von Calciumoxalat führen und

induziert zumindest kurzzeitig eine Reduktion der Hypersensibiliät (Davari

A.R., 2013). Als Nebenwirkung wurden jedoch Verdauungsstörungen

festgestellt, daher eignen sich Oxalate nicht für eine Anwendung über einen

längeren Zeitraum.

Dentin bonding systeme – sog. Resins erlangen in der Therapie der

Dentinhypersensibilität zunehmend immer größere Bedeutung. Einerseits

modifizieren sie die sog. Schmierschicht (smearlayer) an der Oberfläche

des Zahnes und verwandeln diese direkt in eine Hybridschicht (hybrid

layer). (Davari A.R., 2013) Daher haften sie extrem gut und zeichnen sich

so durch einen langanhaltenden Effekt aus. Ein Vertreter dieser Gruppe

von Hereaus Kulzer (Gluma®) wurde in zahlreichen Studien auf seine

Wirksamkeit untersucht, mit anderen Desensitizern verglichen und erzielte

sehr gute Resultate besonders in Bezug auf den Langzeiteffekt. Während

Oxalate nach 5 Monaten völlig wirkungslos wurden (Bamise C.T., 2011)

wurde nach einer Behandlung mit Gluma® erst nach 1 Jahr eine langsame

Verminderung der Wirksamkeit beobachtet (Bamise C.T., 2011). In einer

klinischen Studie von LOPES et al. (Lopes A. O., 2013) wurde beschrieben,

dass ein fester Verbund und gleichzeitiger Verschluss der Dentintubuli

(tags) bis in eine Tiefe von 200μm erreicht werden kann. Ähnliche Resultate

werden lt. wissenschaftlicher Untersuchungen mit Single Bond® (3M Espe)

erzielt. (Abb. 10) Durch die Ausbildung des Hybrid-Layers weisen Resin-

Systeme im Vergleich zu anderen desensibilisierenden Substanzen einen

Langzeit – bzw. permanenten Effekt auf. (Davari A.R., 2013)

Page 41: E r :YAG Lasers

40

Elektronenmikroskopische

Untersuchung der Dentin-

oberfläche nach Applikation

von Single Bond® (3M

Espe)

Bioglass – wurde entwickelt um die Knochenbildung zu stimulieren (Davari

A.R., 2013) und wird vorwiegend in der Parodontologie eingesetzt. Einige

Studien befassten sich jedoch auch mit den Effekten auf Dentinkanälchen.

Die Hauptkomponente bildet Silikat, welches als ein Kern für die Ausfällung

von Calcium und Phosphat wirkt. (Davari A.R., 2013). In vitro Studien mit

dem Elektronenmikroskop zeigten die Ausbildung einer Kristallschicht nach

Applikation von Bioglass an Dentinoberflächen und somit den Verschluss

der Tubuli.

Neben den Effekten verschiedener desensibilisierender Substanzen wird in der

Literatur zahlreich die Anwendung verschiedener Lasersysteme als non-invasive

Therapiemaßnahme bei schmerzempfindlichen Zähnen untersucht und diskutiert.

Bereits 1993 untersuchten GELSKEY et al. die Wirkung von Lasern zur Reduktion

von Hypersensibilität (Bamise C.T., 2011). Die Ergebnisse einiger Studien mit

besonderem Augenmerk auf den Er:YAG-Laser sind in Kap.: 4.2. beschrieben.

zu c) Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung von Hypersensibilität im

Zahnhalsbereich reichen die derzeit zur Verfügung stehenden non-invasiven

Maßnahmen in seltenen Fällen nicht für eine zufriedenstellende Schmerzreduktion

aus. In solchen Fällen ist nach erfolgloser oder nur teilweise erfolgreicher

Behandlung ein invasives Vorgehen indiziert.

Die Schmerzintensität kann mithilfe einer sog. visuellen Analogskala (VAS)

analysiert und über einen Zeitraum evaluiert werden. Die VAS-Skala dient vor

Abbildung 11 Quelle: 3M®2011

Page 42: E r :YAG Lasers

41

allem zur Messung von subjektiven Empfindungen und wird vorwiegend in der

Schmerzforschung und –therapie eingesetzt. Sie wird den Patienten in

unterschiedlichen Darstellungen (einfache Linie, Gesichter etc.) vorgelegt, wobei

Anfang- und Endpunkte der Skala immer extreme Zustände darstellen („keine

Schmerzen“ und „unerträgliche Schmerzen“). Der/die Befragte markiert selbst

seine subjektive Schmerzempfindung und der Wert wird meist mittels einer

definierten (diskreten) Skala, die der/die PatientIn nicht sieht, von 0-10

quantifiziert.

| |

keine Schmerzen unerträgliche Schmerzen

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

Dentinhypersensibilität kann einen hohen Grad an Schmerzhaftigkeit erreichen. In

solchen Fällen können die Beschwerden oft nicht zur Gänze bzw. nur über einen

kurzen Zeitraum gelindert werden. Für einen dauerhaften Effekt kann der Zervikal-

bereich mithilfe der Säure-Ätz-Technik (SÄT) und Composite abgedeckt werden.

Auf einen Substanzabtrag könnte mit den heute zur Verfügung stehenden

Substanzen für die SÄT rein prinzipiell zwar verzichtet werden, da eine

Präparation rein dem Zweck der Kariesexkavation bzw. der Entfernung mit

Bakterien infizierten Dentins dient. Ein präparationsloses Vorgehen hätte jedoch

zur Folge, dass der Randbereich der „Füllung“ nicht gänzlich glatt verlaufen

würde. Dies begünstigt lokal die Ansiedlung von Keimen und die Entstehung von

Entzündungen an der marginalen Gingiva. Das kann in weiterer Folge wiederum

zu Rezessionen führen. Außerdem ist für einen „unsichtbaren“ Übergang die

Präparation einer Abschrägung notwendig, da es sonst zu unerwünschten

ästhetischen Ergebnissen kommen kann. Hinzu kommt, dass nach

wissenschaftlichen Studien eine reine Dentinhaftung wesentlich schlechter ist, als

die Haftung am konditionierten Schmelz. Diese Gründe führen dazu, dass

zumindest eine minimalinvasive Präparation (auch ohne Vorliegen von Karies) für

den Zervikalbereich indiziert ist.

Page 43: E r :YAG Lasers

42

Die Abdeckung keilförmiger Defekte als Ursache für schmerzhafte Zahnhälse

kann ebenso konservierend mit Compositen erfolgen oder mit sogenannten

Zahnhalsveneers aus Keramik versorgt werden. Wegen des hohen Aufwandes,

Verlust gesunden Zahnhartgewebes durch die Präparationsvorschrift, hoher

Kosten und einem wesentlich schlechteren Randschluss im Vergleich zu direkten

Versorgungen mit Compositen wird die Anfertigung von Keramikveneers für den

Zahnhalsbereich zur Therapie von Dentinhypersensibilitäten in der Literatur

kontrovers diskutiert.

Als chirurgische Intervention zur Abdeckung freiliegenden Wurzeldentins,

besonders dann, wenn neben der Schmerzsymptomatik zusätzlich eine

Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Patienten aufgrund der Ästhetik vorliegt,

können parodontalplastische Maßnahmen zur Wiederherstellung einer

physiologischen Morphologie von Weichgewebe angewandt werden. Rezessionen

oder keilförmige Defekte können mit sogenannten (teil- oder vollmobilisierten)

Verschiebelappen teilweise oder vollständig gedeckt werden. Das bedeutet die

Abtrennung bzw. Abhebung von Gingiva (mit oder ohne Mukosa) und Reposition

in einer anderen Lage, je nach Ausprägung des Defekts. Eine weitere Möglichkeit

zur Gingivaextension bietet ein freies Schleimhaut- oder das

Bindegewebstransplantat. Beide chirurgischen Maßnahmen sind im Falle eines

Attachmentverlustes, meist die Ursache der Rezession, stark abhängig von Lage

und Ausmaß desselben. Hierbei gilt: liegt kein interproximaler Attachmentverlust

vor (Miller Klasse I und II) ist eine vollständige Deckung möglich; bei

interproximalem Attachmentverlust (Miller Klasse III) ist nur noch eine teilweise

bzw. keine Deckung möglich (Rateitschak K.H, 1989). Die Rezessionsdeckung mit

freiem Schleimhauttransplantat ist im Vergleich zur koronalen Positionierung eines

Bingewebstransplantats bis zur Schmelz-Zementgrenze (bei Miller Klasse I und II)

dennoch wesentlich unsicherer. Nach Lehrbüchern der Parodontologie bietet das

Bindegewebstransplantat eine langfristige und stabile Deckung.

Absolute Voraussetzungen für den Erfolg jeglicher chirurgischer mukogingivaler

Therapien sind in jedem Fall eine exakte parodontale Diagnostik, die

abgeschlossene und erfolgreiche Parodontaltherapie, Einhaltung des Recalls,

Page 44: E r :YAG Lasers

43

Reevaluierung, die Einstellung vermeidbarer Risikofaktoren (z.B.: Rauchen) und

nicht zuletzt das chirurgische Können des/der behandelnden Zahnarztes/-ärztin.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass in der Literatur ebenso die vollständige

Devitalisierung (extrem) schmerzempfindlicher Zähne mittels endodontischer

Behandlung als Ultimo ratio (Botzenhart U.U., 2007) in der Therapie der

Dentinhypersensibilität beschrieben wird.

DESENSITIZER

Handelsname Hauptwirkstoff(e) Dosierung pH-Wert

Darreichungsform(en)

Cervitec® (IvoclarVivadent)

NaF 900ppm

0,2% 5,7-6,3

Gel

Fluor Protector® (IvoclarVivadent)

Difluorsilan 0,05 / 0,1 /

0,7% 7,0 Lack, Gel

Duraphat® (GABA)

NaF 22600ppm

5% 7,0 Lack

Elmex® Zahngel NaF+AmF 12500ppm

1,25% k.A. Gel

Gluma®

(HereausKulzer) HEMA,

Glutardialdehyd 36,1% 5,1%

3,5 Gel

TelioCS® (IvoclarVivadent)

Glutaraldehyde

k.A. k.A. Liquid

Super Seal®

(Phoenix Dental) Oxalsäure

Kaliumsalze k.A. k.A. Liquid

Single Bond® (3M Espe)

Dimethylacrylate HEMA

k.A. k.A. Liquid

Tabelle 5

4.2.: SPEZIELLE THERAPIE MIT Er:YAG – LASER

Zahlreiche in vitro als auch klinische Studien befassen sich schon lange mit den

Effekten verschiedener Laser mit unterschiedlichen Energiedichten und

Wellenlängen auf Dentinoberflächen. Während bei Lasern mit niedriger

Ausgangsleistung (lowlevellaser), beispielsweise HeNe-Laser oder Diodenlaser,

eher eine reine biostimulative Wirkung beobachtet wurde, konnte bei CO2–Lasern,

Page 45: E r :YAG Lasers

44

Er:YAG und Nd:YAG noch zusätzlich eine morphologische Veränderung der

Zahnhartsubstanz beobachtet werden.

REM Aufnahme einer Dentin-

oberfläche nach 60 sec. Be-

strahlung mit einem Dioden-

laser (809nm, 1W, 10Hz;

Vergr.: 2000x) Die Oberfläche

weist zum Teil Glasureffekte

auf. (Botzenhart U.U., 2007)

Bei der Anwendung mit dem Er:YAG geht man davon aus, dass es durch seine

hohe Absorption in Wasser und seiner Ablationsrate zu einer Verdampfung der

Dentinflüssigkeit und der Schmierschicht kommt. (Botzenhart U.U., 2007) Ebenso

wird vermutet, dass es durch die Laserapplikation zu einer Ablagerung unlöslicher

Salze in den exponierten Tubuli kommt (Botzenhart U.U., 2007) und den Fluid-flow

im Dentin reduziert (Sgolastra F, 2013).

Eine Vergleichsstudie von SCHWARZ et al. untersuchte die Effektivität der

Behandlung exponiertem, schmerzempfindlichen Dentins mit dem Er:YAG

gegenüber der Wirksamkeit nach Applikation eines Fluoridlackes. Beide

Therapiemaßnahmen brachten unmittelbar nach Anwendung eine signifikante

Verringerung der Symptome. In der Gruppe der Patienten/-innen, die nach der

konventionellen Methode mit Fluoridlack behandelt wurden kam es nach 2 und 6

Monaten jedoch wieder zu einem Anstieg der Desensibilität. Während die

laserbehandelte Gruppe das Niveau, das unmittelbar nach der Laserapplikation

erreicht wurde, behielt. (Botzenhart U.U., 2007)

Der klinische Vergleich zwischen desensibilisierender Wirkung nach topischer

Applikation eines Desensitizers mit 36,1% HEMA und 5,1% Glutaraldehyd

(Gluma®) und der Er:YAG Laserapplikation von EHLERS et al. an 150 Zähnen

über einen Zeitraum von 6 Monaten zeigte einen wesentlich geringeren

Unterschied in den Ergebnissen. Vor Beginn der Versuchsreihe wurde mittels

Abbildung 12 Quelle: Botzenhart et al.

Page 46: E r :YAG Lasers

45

VAS-Skala ein durchschnittlicher Wert von 4,5 notiert. 3 Monate nach Applikation

von Gluma® erreichten die Probanden einen durchschnittlichen Wert von 0,7 und

nach 6 Monaten 1,0. An den Zähnen, die mit Er:YAG behandelt wurden war der

Wert nach 3 Monaten bei 0,6 und nach 6 Monaten bei 0,5.

Eine in vitro Studie von ARANHA et al. befasste sich mit dem Vergleich von

Er:YAG und Er,Cr:YSGG für die Anwendung bei Hypersensibilitäten und

untersuchte diese an 144 Prämolaren. Die Zementschicht an den

Wurzeloberflächen wurde dazu nach Reinigung mechanisch entfernt und die

Dentintubuli an zwei Stellen (mesial und distal) mit 35%iger Phosphorsäure

(Subgruppe A) und EDTA (Subgruppe B) eröffnet. Gruppe 1 wurde anschließend

mit Er:YAG-Laser (KaVo® Key Laser 1243) mit einem Arbeitsabstand von 6mm mit

einer Frequenz von 2Hz und einer realistischen Ausgangsleistung von 32,4mJ vier

mal für 20 sec im Intervall von 1 min bestrahlt. Die Anwendung des Er,Cr:YSGG-

Lasers (Biolase® Technology, Waterlase) erfolgte mit einem Arbeitsabstand von

1mm, einer Frequenz von 20Hz und einer Pulsdauer von 140-200μs. ARANHA et

al. variierten hierbei noch zusätzlich die Energieleistung von 0,25-2W und teilten

sie in Gruppe 2 bis 9 auf. Die Zähne wurden anschließend stereomikroskopisch

untersucht und mit einem speziellen Bildprogramm (Leica®QwinColour) analysiert

und selektioniert, worauf eine elektronenmikroskopische Untersuchung an 40

Zähnen folgte. Trotz der schwierigen Auswertung der Ergebnisse aufgrund der

Unterschiede nach der Vorbehandlung (Subgruppe A und B) und den deutlich

unterschiedlichen Effekten der Laserapplikationen mit verschiedenen Parametern

beim Er,Cr:YSGG-Laser konnten ARANHA et al. den Schluss ziehen, dass zwar

keiner der beiden Laser eine vollständige Obturation der Dentintubuli erzielt, der

Er:YAG im Vergleich jedoch bessere Ergebnisse als der Er,Cr:YSGG erreicht

(Aranha C.C., 2011).

Neben der Wirkung auf die Dentinoberfläche nur durch Laserstrahlung alleine

(direkte Methode) wurde auch die Kombination Fluorid- und Laserapplikation

(indirekte Methode) untersucht. IPCI et al. untersuchten die Wirksamkeit von

Laserapplikation mit Er:YAG und Er:YAG + NaF an 50 Patienten und verglichen

die Ergebnisse miteinander. Direkte und indirekte Methode wurden mit einem

Er:YAG (Versawave®) mit einer Energieleistung von 60mJ/Pulse, einer Frequenz

von 30 Hz und mit einem Arbeitsabstand von 3-4mm zur Dentinoberfläche

Page 47: E r :YAG Lasers

46

durchgeführt. Für die indirekte Methode wurden vor der Laserapplikation 2% NaF-

Gel an den ausgewählten Zähnen aufgetragen und nach 4min mit dem Laser

bestrahlt. Die Sensibilität wurde vor der Versuchsreihe, nach 1 Woche, nach 1

Monat und nach 6 Monaten getestet und evaluiert. IPCI et al. konnten nach der

Auswertung der Ergebnisse zwar generell eine deutliche Reduktion der

Hypersensibilität für den gesamten Zeitraum, jedoch keine signifikanten

Unterschiede zwischen direkter und indirekter Methode feststellen. (Ipci S.D.,

2009)

Page 48: E r :YAG Lasers

47

5.: DISKUSSION

Sowohl zur Wirksamkeit von Desensitizern als auch zur klinischen Anwendung

von Lasern für die Desensibilisierung empfindlicher Zahnhälse liegt eine Vielzahl

an Studien vor. Aufgrund der teils großen Unterschiede in der Ausprägung von

Ursachen und Symptomatik stellt DHS eine zum Teil große Herausforderung für

die Zahnärzte dar.

Die Wirksamkeit, der für die häusliche Anwendung zur Verfügung stehenden

Produkte ist aufgrund der niedrigeren Dosierung der Inhaltsstoffe wesentlich

geringer als die für in office Anwendungen (Palazon M.T., 2013) Die Behandlung

in der Zahnarztpraxis wiederum ist für die Patienten allerdings mit einem höheren

Aufwand und mehr Kosten verbunden. Das führt u. U. dazu, dass die „Wahl der

Therapie“ vom Patienten alleine getroffen wird, zumal die Industrie mit Werbung

teilweise eine hohe Wirksamkeit ihrer Produkte verspricht. Daraus könnte sich der

Nachteil ergeben, dass dadurch eine Progression der Erkrankung bzw. in Frage

kommender Ursachen nicht rechtzeitig erkannt und die Zahnarztpraxis erst

aufgesucht wird, wenn die Hypersensibilität bereits ein hohes Maß erreicht hat.

Das hätte eine Erschwernis der Behandlung zur Folge.

Zur topischen Applikation für die in office Anwendung steht ebenso, wie für die

häusliche Anwendung, eine große Menge an Produkten mit unterschiedlichen

Wirkmechanismen zur Verfügung. Nach den Resultaten aus in vitro und klinischen

Studien unterscheiden diese sich stark in ihrer Wirksamkeit. Fluoride,

Kaliumnitrate und Oxalate zeigen nach einer Vergleichsstudie von BAMISE eine

hohe desensibilisierende Wirkung, die jedoch nur von kurzer Dauer ist und so die

Wiederholung der Behandlung bereits nach nur kurzer Zeit erforderlich macht.

(Bamise C.T., 2011) Ebenso konnten DAVARI et al. einen desensibilisierenden

Effekt für Bioglass nachweisen. Gluma® (Hereaus), ein Desensitizer mit HEMA,

hingegen zeigt in einem Vergleich von BAMISE mit anderen Desinsitizern eine

langanhaltende Wirkung. Es wurde beobachtet, dass erst nach 1 Jahr eine

langsame Verminderung der Wirksamkeit auftrat (Bamise C.T., 2011).

Sogenannte Resin-Systeme, wie Single Bond® (3M Espe) konnten nach DAVARI

et al. ebenfalls einen Langzeit- bzw. einen permanenten Effekt erzielen (Davari

A.R., 2013).

Page 49: E r :YAG Lasers

48

Sowohl in vitro als auch klinische Studien belegen, dass Laserapplikationen neben

einer hohen Effektivität eine vergleichsweise langanhaltende Wirkung in puncto

Schmerzreduktion bewirken. Im Vergleich zu den derzeitigen Desensitizern hat die

Laser-Therapie einen leichten klinischen Vorteil (He S., 2011). Der Vergleich

verschiedener Laserarten von BOTZENHART et al. zeigte, dass lowlevellaser

(z.B.: Diodenlaser) eine biostimulative Wirkung auf Dentin haben. Bei CO2-,

Er:YAG- und Nd:YAG-Lasern konnten sie noch zusätzlich eine morphologische

Veränderung der Zahnhartsubstanz beobachten (Botzenhart U.U., 2007). In einer

in vitro Studie von EHLERS et al. wurde ein desensibilisierender Effekt über einen

Zeitraum von 6 Monaten nach Anwendung eines Er:YAG-Lasers nachgewiesen.

Der Vergleich zwischen der Anwendung von Er:YAG und Gluma® an 150 Zähnen

brachte keinen signifikanten Unterschied im Ergebnis. Eine andere Studie von

ARANHA et al. befasste sich wiederum mit dem Vergleich verschiedener

Laserarten. Sie beobachteten, dass Er:YAG-Laser und Er,Cr:YSGG-Laser einen

ähnlichen Effekt auf Dentin aufweisen. Er:YAG erreichte jedoch (geringfügig)

bessere Ergebnisse (Aranha C.C., 2011). IPCI et al. untersuchten die Effekte

reiner Laserapplikation (direkte Methode) mit Er:YAG und jene nach

Laserapplikation in Kombination mit NaF (indirekte Methode) an 50 Patienten über

einen Zeitraum von 6 Monaten. Sie konnten keinen signifikanten Unterschied

zwischen direkter und indirekter Methode feststellen. (Ipci S.D., 2009)

Page 50: E r :YAG Lasers

49

6.: CONCLUSIO

Eine korrekte Diagnosestellung und die Erkennung prädisponierender Faktoren

bilden die Grundlage für eine adäquate Therapie. Ebenso ist die Kenntnis der

Wirkmechanismen der jeweiligen angewandten Substanzen bzw. die der

Parameter des verwendeten Lasertypseine wichtige Voraussetzung für einen

optimalen Behandlungserfolg.

Aufgrund der großen Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten ist es für die

BehandlerInnen schwierig den Überblick über alle Möglichkeiten zu behalten und

die passende Therapie zu finden.

Die neuere Generation der Desensitizer mit dem Inhaltsstoff HEMA weist im

Vergleich zu den Fluoriden einen deutlich höheren Langzeiteffekt auf und ist

folglich, besonders bei starker Schmerzsymptomatik, den Fluoriden vorzuziehen.

Der Vergleich zahlreicher Studien lässt den Schluss zu, dass die

Behandlung von Dentinhypersensibilitäten mit Lasern (allein oder in Kombination

mit Fluoriden), insbesondere wegen der langanhaltenden Wirksamkeit eine

Alternative zu den konventionellen Therapiemöglichkeiten ist.

Die Ergebnisse der Vergleichsstudien, welche die Wirksamkeit unterschiedlicher

Laserarten zur Desensibilisierung miteinander verglichen, sprechen deutlich für

den Er:YAG-Laser. Durch die Vielzahl in der Literatur aufgelisteten Vorteile des

Er:YAG zeichnet dieser sich durch ein breites Anwendungsspektrum aus und

gewinnt generell immer größere Bedeutung in der Zahnheilkunde.

Das Bestreben einen Langzeiteffekt bei der Reduktion von Dentinhypersensibilität

zu erreichen rechtfertigt daher sicher die Anwendung von Lasern, besonders die

des Er:YAG, auf diesem Gebiet.

Aufgrund der hohen Kosten bei der Anschaffung eines Lasergerätes und der

Notwendigkeit spezielle Schutzmaßnahmen (Patient und Personal) zu treffen wird

jedoch trotz guter Ergebnisse die Anwendung von Lasern für die Behandlung von

Hypersensibilitäten eine spezielle Therapie bleiben.

.

Page 51: E r :YAG Lasers

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