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Roberto Capone

Kostenrechnung für Elektrotechniker

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Roberto Capone

Kostenrechnungfür ElektrotechnikerZielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation:Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

Mit 42 Abbildungen und 203 Tabellen

PRAXIS

Page 5: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 2011

Alle Rechte vorbehalten© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Lektorat: Reinhard Dapper | Maren Mithöfer

Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.viewegteubner.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Ur heber rechts ge set zes ist ohneZustimmung des Verlags unzuläs sig und straf bar. Das gilt ins be sondere für Vervielfältigungen, Über setzun gen, Mikro verfil mungen und die Ein speiche rungund Ver ar beitung in elek tro nischen Syste men.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergTechnische Redaktion: FROMM MediaDesign, Selters/Ts.Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, BerlinGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-8348-1318-3

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Vorwort

Kann es tatsächlich einen Menschen geben, der das tiefe Bedürfnis verspürt, ein Buch zu schreiben? Das Phänomen der literarischen Welt in Deutschland scheint wirklich bemerkens-wert zu sein. In der Hoffnung, dass Marcel Reich-Ranicki dieses epochale Werk niemals in die Hände bekommen wird, hatte auch ich den unglaublichen Tatendrang, dieses Buch zu schrei-ben. Für viele Dinge im Leben fehlt die Zeit. Man setzt Prioritäten und hofft, dass es auch mal Zeiten geben wird, an denen man sich intensiver um seine Familie, Freunde und alte Hobbies kümmern kann. Dieses Buch war ein Herzenswunsch. Da ich nicht über einen Assistentenstab von einigen Personen verfüge, habe ich tatsächlich vom ersten bis zum letzten Wort alles in eigener Arbeit geleistet. Das Projekt Buch erwies sich als besondere Herausforderung in einer Lebensphase, die bereits von einigen außergewöhnlichen Besonderheiten geprägt war. Es gab beglückende Momente, wenn es Gedanken gab, die sich schnell umsetzen ließen und zu eini-gen wirklich guten Seiten und Kapiteln verhalfen. Es gab aber auch genauso zermürbende Momente, Momente des Selbstzweifels, Momente des Scheitern-Wollens, wenn nach einem langen und arbeitsreichen Tag nur drei oder vier Seiten in der Tagesbilanz erschienen. Dann kann man am Abend nicht mit gutem Gewissen verkünden: „Erfolgreich“, sondern muss in diesem Moment auch mal gute Miene zum „bösen Spiel“ machen. Ich habe lange Jahre sehr ernsthaft überlegt, ob ich die Komplexität der Betriebswirtschaft, oder der Wirtschaft allgemein verstehe. Bislang kann ich diese Frage noch nicht mit einem entschiedenen „Ja“ beantworten. Ich möchte nicht vorgeben, alle Zusammenhänge des wirt-schaftlichen Lebens zu kennen, ich positioniere mich nicht als „Harvard auf Reisen“, sondern als einen Menschen mit einem gesunden Menschenverstand, der auszog, um Herausforderun-gen zu erkennen und dem Unternehmen bei der Umsetzung der aktuellen Herausforderungen zu helfen. Ich halte das Setzen von Prioritäten im wirtschaftlichen, aber auch privaten Leben von entscheidender Bedeutung. Hier können wirklich entscheidende Vorteile und ein „gerüttelt Maß an Wohlsein“ erarbeitet werden. Mit dem vorliegenden Buch möchte ich Grundlagen der Kostenrechnung, besonders in der Elektrotechnik, aber auch betriebswirtschaftliche Zusammenhänge darlegen. Durch die zahlrei-chen, zum Teil recht umfangreichen Fallstudien habe ich ein wenig „Fleisch an das Skelett der Theorie“ angefügt. Ich hoffe, dass es Freude bereitet und freue mich über Verbesserungs-oder Veränderungsvorschläge. Mein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an Herrn Diplom Kaufmann Jan Sommerer, der in unermüdlichen Nachtschichten einen wertvollen Beitrag zu Korrektur und Umsetzung geleistet hat. Ebenfalls ganz oben auf der Dankesliste steht der Vieweg+Teubner-Verlag, der mir mit diesem Buch einen Vertrauensvorschuss erbracht hat und stets beratend und unterstützend Einfluss nahm. Ich danke meiner Frau Irene für ihre Unterstützung in guten und besonders in schlechten Zeiten. Immer wenn ich kurz davor stand, von der Erde abzuheben, hat sie mich an die wahren Werte im Leben erinnert. Immer wenn ich kurz vor einer Depression stand, hat sie mich mit einer unglaublichen Selbstlosigkeit motiviert und zum Ziel gecoacht. Ihr an dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank, dass sie an vielen Tagen, die wir zusammen hätten verbrin-gen können, verzichtet und meiner Arbeit Priorität eingeräumt hat. Dafür liebe ich sie. Meinen Freunden, die auch lange auf mich verzichten mussten, sei gesagt „I’ll be back“. Bad Soden-Salmünster, Dezember 2010 Roberto Capone

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Inhalt

1 Stellenwert der Elektrotechnik in Deutschland .............................................................. 1 1.1 Geschichte der Elektrotechnik in Deutschland (www.kfz-tech.de) .................... 1 1.2 Stellenwert der Elektrotechnik am gesamten Bruttoinlandsprodukt

in Deutschland .................................................................................................... 1

2 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick .......................................................................... 3 2.1 Betriebliche Teilbereiche und deren Zusammenwirken ...................................... 3 2.2 Prozess- und kostenorientierte Unternehmensführung ....................................... 8 2.3 Auswirkungen von volkswirtschaftlichen Ereignissen auf den Betrieb .............. 9 2.4 Erfahrungen in der Wirtschaftskrise ................................................................. 11 2.5 Überlebensstrategien in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten ........................ 12

3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen ........................................................ 13 3.1 Definition von Liquidität .................................................................................. 14 3.2 Möglichkeiten der Risikokompensation ........................................................... 16 3.3 Definition von Cash Flow ................................................................................. 16 3.4 Kostenrechnung im Betrieb .............................................................................. 20

3.4.1 Einige Grundbegriffe der betrieblichen Kostenrechnung ...................... 20 3.4.2 Was war zuerst: das Huhn oder das Ei? ................................................. 23 3.4.3 Zielsetzung der betrieblichen Kostenrechnung ...................................... 28 3.4.4 Die Zuschlagskalkulation ...................................................................... 29 3.4.5 Die Divisionskalkulation ....................................................................... 35 3.4.6 Kostenträgerzeit- und Ergebnisrechnung ............................................... 37 3.4.7 Deckungsbeitragsrechnung und relativer DB ........................................ 40

3.5 Deckungsbeitrag und Gewinne optimieren ....................................................... 46 3.6 Management des Angebotswesens .................................................................... 48

3.6.1 Grundverständnis des Angebotes und des abgegebenen Preises ........... 48 3.6.2 Wie wird der Angebotsprozess initiiert?................................................ 48

4 Neues Unternehmensverständnis im dynamischen Wettbewerbsumfeld ..................... 53 4.1 Ganzheitliches Qualitätsmanagement und der Nutzen

für das Unternehmen ......................................................................................... 53 4.2 Übersicht über Qualitätsmodelle ....................................................................... 55

5 Prozesskostenrechnung ................................................................................................ 59 5.1 Warum Prozessmanagement und warum Prozesskostenrechnung .................... 59 5.2 Prozesskostenrechnung am Beispiel eines klassischen

Gemeinkostenprozesses .................................................................................... 60 5.3 Zuschlagskalkulation vs. Prozesskostenrechnung ............................................. 65

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VIII Inhalt

6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb ....................................................... 69 6.1 Die Elektro Hein GmbH ................................................................................... 69

6.1.1 Analyse der Ist-Situation ....................................................................... 70 6.1.2 Strategischer Entwicklungsansatz für die Hein GmbH ......................... 73 6.1.3 Umsatzentwicklung durch Marktentwicklung ...................................... 76 6.1.4 Kostensituation bei Umsatzentwicklung bis 2016 ................................ 78 6.1.5 Realisierungsmöglichkeiten .................................................................. 79 6.1.6 Kennzahlen des Unternehmens ............................................................. 81

6.2 Unternehmenssituation der MMM GmbH ....................................................... 82 6.2.1 Die Marktsituation für hochwertige Produktionsmaschinen

in den jeweiligen Marktsegmenten ....................................................... 84

7 Der Delphin Vertriebsnavigator .................................................................................. 89 7.1 Die finanzwirtschaftliche Seite mit ROI-Orientierung ..................................... 89 7.2 Die Kundenseite ............................................................................................... 97

7.2.1 Das Scoringmodel am Beispiel ............................................................. 97 7.2.2 Die ABC-Analyse am Beispiel ............................................................. 99 7.2.3 Das Navigator-Kundenportfolio ......................................................... 101 7.2.4 Die Kundenzufriedenheitsermittlung .................................................. 104

7.3 Prozessorientierung und Optimierung im Vertrieb ........................................ 109

8 Business Development International ......................................................................... 115 8.1 Die Ausgangssituation der Tin GmbH ........................................................... 115

8.1.1 Das Produkt......................................................................................... 115 8.1.2 Der Supply Chain-Prozess .................................................................. 117

8.2 Das Ziel .......................................................................................................... 120 8.2.1 Ein möglicher Produktionsstandort ..................................................... 121 8.2.2 Bewertung der Lieferantensituation .................................................... 125 8.2.3 Produktion in Polen ............................................................................ 125 8.2.4 Die Markt- und Absatzsituation in PL, SK und CZ ............................ 126 8.2.5 Die Wettbewerbsanalyse ..................................................................... 135 8.2.6 Soll Umsätze pro Land und pro Verkaufsregion ................................. 138 8.2.7 Risikokompensation eines Zahlungsausfalls ....................................... 140 8.2.8 Supply Chain Pricing .......................................................................... 140

8.3 Aufgaben ........................................................................................................ 142

9 Marketing Controlling ............................................................................................... 143 9.1 Grundlagen und Notwendigkeit des Marketing Controllings ......................... 143 9.2 Die Marktsituation ......................................................................................... 145 9.3 Innerbetriebliche Komponente ....................................................................... 151

9.3.1 Das Organigramm der Marketing-Abteilung ...................................... 152 9.3.2 Produktmanagement der Messi GmbH ............................................... 153 9.3.3 Promotion der Messi GmbH ............................................................... 159 9.3.4 Produkterweiterung der Messi GmbH ................................................ 162 9.3.5 Der Vertrieb als Profit Center Organisation ........................................ 165

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Inhalt IX

9.4 Aufgaben ......................................................................................................... 168

10 Fallstudiensammlung ................................................................................................. 169 10.1 Kaffeevollautomaten in Deutschland .............................................................. 169

10.1.1 Der Markt .......................................................................................... 169 10.1.2 Die Produkt- und Preissituation am Markt ........................................ 170 10.1.3 Aufgaben ........................................................................................... 170

10.2 Prosecco in Dosen ........................................................................................... 171 10.2.1 Die Ausgangslage .............................................................................. 171 10.2.2 Marktforschung ................................................................................. 172 10.2.3 Ihr Unternehmen - Ihr Produkt .......................................................... 172 10.2.4 Preis/Place ......................................................................................... 174 10.2.5 Aufgaben ........................................................................................... 174

10.3 Espresso - Eine Neuprodukteinführung .......................................................... 174 10.3.1 Der Hintergrund ................................................................................ 174 10.3.2 Die Marktsituation ............................................................................. 175 10.3.3 Aufgaben ........................................................................................... 176 10.3.4 Promotionaufwendungen und Art der Promotion .............................. 176 10.3.5 Vertriebsalternative ........................................................................... 177 10.3.6 Zusätzliche Marktinformationen ....................................................... 178

11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben ................................................................. 179 11.1 Zu Kapitel 3.4.4 Zuschlagskalkulation ........................................................... 179 11.2 Zu Kapitel 3.4.5 Divisionskalkulation ............................................................ 183 11.3 Zu Kapitel 3.4.6 Kostenträgerzeit- und Ergebnisrechnung ............................. 184 11.4 Zu Kapitel 3.4.7 Leitungsschutzschalter im Salzburger Land ........................ 184 11.5 Zu Kapitel 5.2 Prozesskostenrechnung ........................................................... 187 11.6 Zu Kapitel 8.2.7 Fallstudie Business Development ........................................ 189

Quellen ............................................................................................................................... 191

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1 Stellenwert der Elektrotechnik in Deutschland

1.1 Geschichte der Elektrotechnik in Deutschland (www.kfz-tech.de)

Sicherlich ist jeder von Ihnen sehr stolz darauf, ein Teil eines dominanten Wirtschaftszweiges in Deutschland zu sein. Einleitend möchte ich auf einige epochalen Daten hinweisen, bzw. diese noch einmal in Erinnerung bringen, um zum einen die positive Identifikation mit der Elektrotechnik in Deutschland und zum anderen noch einmal die Wahrnehmung zu haben, dass die Meilensteine der Elektrotechnik die deutsche und die globale Wirtschaft nachhaltig beeinf-lusst und geprägt haben. – 1800 Einfache galvanische Batterie – 1826 Entwicklung des Ohmschen Gesetzes – 1832 Entwicklung der Telegraphie – 1835 Elektrisches Licht – 1889 Elektrischer Stuhl – 1897 Braunsche Röhre, Grundlage des Fernsehers – 1913 Glühlampen mit Wolframdrahttechnik – 1926 Verkehrsampel, elektrischer Rasenmäher – 1935 Tonbandgerät – 1946 Lokales Mobiltelefonnetz – 1947 Transistor, Grundstein der Elektronik – 1966 Telefonate über Lichtwellenleiter – 1993 Plasma-Farbbildschirm

1.2 Stellenwert der Elektrotechnik am gesamten Bruttoinlandspro-dukt in Deutschland

Tabelle 1.1 Der Anteil der Elektrotechnik am BIP in Deutschland (Der Fischer Weltalmanach, 2007)

Faktor/Jahr 2007 2008 2009 Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen Mrd. € 2.428,20 2.495,80 2.407,20 Erwerbstätige Inland in Mio 39.724 40.279 40.265 Anteil der Elektrotechnik am BIP 3,6% n.A n.A. Erwerbstätige der Elektrotechnik Erwerbstätige Inland 2,6% n.A. n.A.

Verschiedene Faktoren der Tabelle 1.1 sind interpretationswürdig: Die Wirtschaftskrise, die sich in Deutschland seit dem dritten Quartal 2008 intensiv bemerkbar macht und als die schlimmste seit dem beginnenden 20.Jahrhundert gilt, hatte Auswirkungen auf die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland genauso, wie in anderen Staa-ten der Welt. Das Statistische Bundesamt hat eine Entwicklung des BIP seit 1950 aufgezeich-net. Dabei fällt auf, dass 2009 das erste Jahr war, an dem es nicht zu einer Steigerung des BIP gekommen ist. Immerhin gibt es seit 1990 fast eine Verdoppelung des Bruttoinlandsproduktes.

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_1,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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2 1 Stellenwert der Elektrotechnik in Deutschland

Mit einer negativen Tendenz von 2008 auf 2009 um 3,5% sollten wir auch nicht allzu lange den Kopf in den Sand stecken und auf bessere Zeiten hoffen. Es gibt Unternehmen und Unter-nehmer, die auch in Zeiten einer „gesamtwirtschaftlichen Seitwärtsbewegung“ eine beeindru-ckende unternehmerische Leistung erbringen und im Branchenvergleich Maßstäbe setzen. Ich habe in der wirtschaftlichen Krise, die hoffentlich die erste und letzte mit einem solch dra-matischen Ausmaß für mich und Personen meiner Generation war, zwei Dinge gelernt: a) Es gibt immer Raum und Möglichkeiten zur positiven Entwicklung, wenn man es möchte,

und die Ziele, die man sich setzt, kontinuierlich an die Gegebenheiten des Marktumfeldes anpasst. Das heißt nicht, dass die Zielsetzung variabel sein sollte, sondern, dass zu Beginn einer Periode eine Business-Planung erstellt wurde und die Zielerreichung möglicherweise auf eine variable Art und Weise zu erfolgen hat, wenn man mit den ursprünglichen Mitteln nicht den gewünschten Erfolg hat.

b) Investitionen gliedern sich in private und öffentliche Investitionen. In wirtschaftlich anges-pannten Zeiten halten private Investoren, Häuslebauer, aber auch Maschinenbauunterneh-men die Hände auf den Kassen und investieren nicht, um Liquidität zu erhalten. Die Aus-gaben von staatlicher Seite (Ausschreibungen bei verschiedenen öffentlichen Projekten) werden aber weiterhin auf hohem Niveau erhalten bleiben. Mit einem zusätzlichen zeitli-chen Investment und einer intensiveren Beschäftigung mit diesem Umsatzbereich können also potentielle Umsatzeinbußen im privaten Bereich kompensiert werden. Auch in wirt-schaftlich anspruchsvollen Zeiten sollte eine zielgerichtete Akquise erfolgen. Wenn der A-Kunde zurzeit nicht investieren kann, weil seine Umsätze fraglich sind, Kurzarbeit vor der Türe steht oder im Unternehmen bereits besteht , gibt es andere Bereiche, in die man ge-danklich investieren sollte. Basis des Unternehmenserfolges sind also zwei Dinge, die im Laufe des Buches vertieft werden sollen. Marketing, verbunden mit einem intensiven Preis- und Produktmanagement, sowie ein konsequentes Kostenmanagement und Controlling über den gesamten Supply-Chain-Prozess. Hier werden die Weichen für ein Unternehmen und dessen erfolgreiche Zukunft gesetzt.

Nach Tabelle 1.1 hat die Elektrotechnik einen Wert von 3,6% von 2.428,20 Mrd. am BIP. Das entspricht einem absoluten Wert von 87,42 Mrd. €. Der Anteil der Elektrotechnik an dem Ge-samtanteil der Erwerbstätigen beträgt 2,6% und damit einem absoluten Wert von 1,0328 Mio. Erwerbstätigen. 2007 betrug der Wert der exportierten Leistungen 786,2 Mrd. € (Der Fischer Weltalmanach). Addiert man die beiden Werte Elektronik 7,5% und Elektrotechnik 5,9%, so belegt die Elektrotechnik, nach dem Bereich KFZ und KFZ-Teile (19%) einen sehr stolzen zweiten Platz, noch vor chemischen Erzeugnissen. Krisenzeiten und Kernkompetenzen anderer Nationen sollen und dürfen die Branche, die wir lieben, in der wir leben, der wir alles zu verdanken haben, nicht nachteilig beeinflussen. Mit diesem ambitionierten Ziel ist das vorliegende Buch entstanden. Es soll zur „geistigen Freiheit“ beeinflussen, dass auch Dinge, die früher absolut normal und richtig erschienen und De-ckungsbeiträge und Gewinne erwirtschaftet haben, in der Gegenwart und in der Zukunft hinter-fragt werden sollen und müssen. Wir haben in den letzten 24 Monaten unglaublich viel gelernt, haben erfahren, wie dynamisch die Weltwirtschaft Veränderungen unterlegen ist und dass am Ende nur der Positives leisten kann, der diese Veränderungen auch betriebswirtschaftlich um-setzt.

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2 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick

In diesem Kapitel sollen Sie einen Überblick über die unterschiedlichen Bereiche der Be-triebswirtschaft erhalten, das Zusammenwirken Teilbereiche verstehen und ein Grundlagenver-ständnis für ganzheitliche Unternehmensführung entwickeln. Bereits vor meinem Studienab-schluss begeisterte mich die ganzheitliche Unternehmensführung. Damals wusste ich noch nicht wirklich, dass zu einem ganzheitlichen Verständnis auch ein „gerüttelt Maß“ an Ver-ständnis in allen Bereichen gehört. Erst mit einem zunehmenden Kenntnisstand der Teilberei-che, die im Rahmen der Aus- und Weiterbildung ja meist recht sauber voneinander getrennt sind und von Personen vermittelt werden, die absolute Speziallisten auf diesem Gebiet sind, wird man die Vielfalt der ganzheitlichen Betriebswirtschaft verstehen. Mir stellte sich auch im Rahmen der Seminarvorbereitung und – Durchführung häufig die Notwendigkeit, unterschied-liche Teilbereiche, primär die Kostenrechnung, das Controlling und das Marketing, den Ver-trieb und die Unternehmensführung miteinander zu verknüpfen. In der angelsächsischen Lite-ratur werden komplexe unternehmerische Abläufe simplifiziert, um die Verständlichkeit von komplexen Systemen zu erfassen und zu begreifen. So gibt es eine Handvoll wirklich guter Methoden und Management Tools, die keine ausgefallenen Namen tragen, keine Wunderwir-kung bei der Anwendung prophezeien, aber Probleme und Lösungsmöglichkeiten visualisieren und somit praktische Anwendung finden können und finden sollen.

2.1 Betriebliche Teilbereiche und deren Zusammenwirken

Abbildung 2.1: Darstellung der betriebswirtschaftlichen Teilbereiche

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Kostenrechnung/Controlling

Qualitätsmanagement

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_2,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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4 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick

Die vertikalen Bausteine stellen einen zeitlich befristeten Prozess dar, der einen externen oder internen Lieferanten und einen externen oder internen Empfänger hat. Die horizontalen Berei-che oder Bausteine stellen einen Prozess dar, der von der ersten Minute der betriebswirtschaft-lichen Organisation bis zu dem Zeitpunkt der letzten betriebswirtschaftlichen Handelns, der Entsorgung des Produktes, der Kommunikation des Ersatzbedarfes Anwendung findet. Das Marketing ist von der Marketingforschung, der Definition der potentiellen Kunden, der Definition der Zielmärkte, der Zielmarktsegmente über die Bedarfsanalyse zur Produktent-wicklung, Produktmodifikation bis zur Auslieferung des Produktes und der Betreuung des Kunden über den gesamten Prozess gefordert. Sie kennen aus anderer Literatur, bzw. Marke-ting-Grundlagenliteratur die Umschreibung der operativen Aufgaben des Marketings, die in der angelsächsischen Literatur gerne mit den 4 P´s umschrieben werden. Diese sind Price (Preis-mangement), Product (Produktmanagement), Promotion (alles was wir unter Werbung verste-hen) und Place (Distributionspolitik, wo soll das Produkt angeboten werden). Hier möchte ich, als einzige Ausnahme von dem Ansatz des Simplifizierens abrücken und die 4 P´s durch ein fünftes P, den Prozess, ergänzen, denn ich halte die Konzentration, die Analyse und die ständi-ge Notwendigkeit der Veränderung und Verbesserung des Prozessablaufs für derart wichtig, dass es eine Marketingaufgabe darstellen soll. Die Hauptaufgabe des Marketings besteht, und da wird auch kein Guerilla-Marketing Begriff jemals etwas dran ändern, in der Definition der eigenen Kernkompetenzen und der Ausarbeitung und der Kommunikation dieser Strategie. Eine Kernkompetenz kann aber sehr wohl, auch neben dem potentiell starken Image, einer ausgezeichneten Produktqualität, einem, im Vergleich zum Wettbewerb, deutlich wahrnehmba-ren Mehrwerts, oder einfach eines bestechend günstigen Preises, sehr wohl auch der Prozess sein. Im weiteren Verlauf möchte ich diesen Gedanken noch vertiefen und anschaulicher dar-stellen. Die Unternehmensführung ist, wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, für die Leitung des Unternehmens zuständig. Die Führung ist, ähnlich wie die Marketingorganisation, strategisch als auch operativ ausgerichtet. So sind die Aufgaben der Unternehmensleitung vielfältig. Jack Welch, der frühere visionäre Manager von General Electric sagte einmal, eine leitende Person muss nicht notwendigerweise alle fachlichen Kompetenzen in sich vereinen. Es können und sollen Personen in sein Team integriert sein, die fachlich seine Kompetenz übertreffen, die leitende Funktion hat aber die Aufgabe, auch mittels sozialer und emotionaler Kompetenz das Ziel zu visualisieren, zu motivieren und zu kontrollieren. Für uns ist auch das Verständnis wichtig, dass hinter der Unternehmensleitung jemand steht, der am Ende der Wirtschaftsperio-de Erwartungen in Bezug auf die Rendite der Einlagen haben wird. Dies sind in aller Regel die Anteilseigner eines Unternehmens. Die Rechtsform hat dabei eine untergeordnete Rolle. Damit sind wir auch schon bei der Hauptaufgabe der Unternehmensleitung. Diese besteht darin, dass Unternehmen auf Kurs und überlebensfähig zu halten und eine Mindestverzinsung der Kapital-einlagen den Anteilseignern zu garantieren. Es soll abschießend noch erwähnt werden, dass es eine solche Garantie der Mindestverzinsung leider nicht geben kann, denn weder die Unter-nehmensleitung noch ein Wirtschaftswissenschaftler, der für einen Nobelpreis nominiert ist, wird jemals wissen, wie die hochkomplexen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Faktoren ineinander passen, wie sich der Wettbewerb verändern wird, wie schnell sich die Anforderungen des Marktes ändern und wie gut oder wie schlecht die Marktleistung sein wird. Genau dieses ist es, was die Unternehmensleitung ausmacht. Das nachhaltige Management der Ungewissheit und dies besser, als der direkte Wettbewerber. Die Kostenrechnung und das Controlling beschäftigen sich mit dem Management von internen Kosten. Darunter ist freilich nicht nur eine Art von „number crunshing“, Buchführung, Bilan-zierung und die Erstellung der Gewinn und Verlustrechnung zu verstehen, sondern auch das

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2.1 Betriebliche Teilbereiche und deren Zusammenwirken 5

Anliegen und das Management der Kostenreduktionspotentiale und die optimale Verrechnung der unterschiedlichen Kostenarten auf den Kostenträger. Der Begriff Kosten klingt in unserem Sprachgebrauch immer ein wenig negativ belegt. Jeglicher Umsatz wird immer auch, ganz gleich in welcher betrieblichen Organisationsform mein Unternehmen angesiedelt ist, Kosten verursachen. Es wird also unser Anliegen sein, die Kosten zu kennen und möglichst zu reduzie-ren, um unsere Deckungsbeiträge und unsere Gewinne zu optimieren, ohne den Preis zu verän-dern. Dies ist also ein notwendiger und absolut wichtiger Bereich, der unserer uneingeschränk-ten Aufmerksamkeit bedarf. Wir werden uns in späteren Kapiteln ausführlicher mit der Kosten-rechnung beschäftigen. Das Qualitätsmanagement, als letzte horizontale Instanz, stellt in sich einen unglaublich span-nenden Unternehmensbereich dar. Vom ersten Moment der Produktentwicklung bis zur Ent-sorgung des Produktes ist das Qualitätsmanagement in den betrieblichen Leistungserstellungs-prozess integriert. Beginnend mit der Auswahl und den qualitativen Prüfungen der Bauteile, der Zulieferteile, der Lieferanten, über dem gesamten betrieblichen Input, verbunden mit den einzelnen Qualitätskriterien für Produktleistungen, aber auch Servicekomponenten, wie z. B. eine technische Hotline und deren Erreichbarkeit. Die umweltschonende Entsorgung oder ein energieeffizientes Recyclingsystem sind ebenfalls Bausteine des betrieblichen Qualitätsmana-gements. In unserer aktuellen wirtschaftlichen Situation stellt der Kunde sehr große Anforde-rungen an Qualität. Ein konsequentes Qualitätsmanagement sollte Kosten reduzieren. Ziel ist es, dass der Kunde wieder kommt, nicht das Produkt. Es besteht eine enge Verzahnung mit dem Marketing-Management und der Kostenrechnung. In den betrieblichen Teilbereichen, die in der Abbildung 2.1 vertikal dargestellt sind, gibt es in der Regel einen Vorgänger im Prozessablauf, wie im Einkauf der Lieferant, und einen Nach-folger, im Einkauf ist dies die Eingangslogistik, die Kommissionierung von Bauteilen und Aufträgen. In diesem Prozessablauf sollte ebenfalls ständig das Bestreben einer Optimierung stattfinden. So hat der Einkauf zum Beispiel die Aufgabe, die Lieferanten nach A, B und C-Lieferanten zu gliedern, Informationen über das Einkaufsvolumen pro Lieferant zu erhalten, die Preise zu optimieren und optimale Bestellzeitpunkte auszuwählen, um die Läger möglichst klein zu halten und somit einen Beitrag zur Rendite des Unternehmens zu liefern. In der Pro-duktion ist dieser Beitrag in der Reduktion der Durchlaufzeiten ohne eine Reduktion der Quali-tät gegeben. Als Zielansatz für die Produktion gilt der mit dem Kunden vereinbarte Lieferzeit-punkt. Dieser kann im Rahmen einer Netzplantechnik über die verschiedenen Produktionsstu-fen bis zum Bestellzeitpunkt der Ware optimiert werden. Hier besteht eine enge Verzahnung mit der Verkaufsplanung, dem Qualitätsmanagement und dem Einkauf bzw. der Arbeitsvorbe-reitung. Bei der Unternehmensdarstellung in Abbildung 2.1 werden in aller Regel Zielkonflikte zwi-schen den einzelnen betrieblichen Teilbereichen entstehen. Der Verkauf möchte zum Beispiel Umsatz generieren und den Marktanteil ausbauen. Dies kann durch günstigere Preise und somit einem gestiegenen wahrnehmbaren Nutzen für den Kunden entstehen. Günstigere Preise wären auch durch höhere Rabatte zu realisieren. Dem steht das Ziel der Kostenrechnung und des Controllings gegenüber, eine möglichst gute Rendite pro verkaufte Einheit zu generieren. Nun wird im Unternehmen, ganz gleich, ob es sich um eine Einpersonenunternehmung (EPU), eine klein- und mittelständische Gesellschaft (KMU) oder eine börsennotierte Aktiengesell-schaft handelt, die Zielsetzung diskutiert. Als sinnvolles Zielsystem kann das ROI-Manage-ment-Model (auch als Dupont-Baum bekannt) angesehen werden.

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6 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick

Abbildung 2.2: ROI-Baum als betriebliches Zielsystem

Mit dem ROI-Baum kann also, wie vorher bereits erwähnt, ein Zielwert für den ROI (Return on Investment) festgelegt werden. Betrachten wir zunächst einmal den oberen Zweig des ROI-Baumes, mit der diagonalen Schraffierung. Nennen wir diesen Zweig „Umsatzzweig“. Begin-nen wir rechts oben mit dem Bruttoumsatz. Der Bruttoumsatz eines Unternehmens ist in der Regel der Wert, der sich aus einer Multiplikation von Preisen der Bruttopreisliste mit dem Absatz ergeben. Nun stellen wir in der Kostenrechnung und im Controlling leider häufig fest, dass dieser Bruttoumsatz durch verschiedene Faktoren geschmälert wird. Diese Reduktionsfak-toren sind z. B. der Rabatt, mit dem der Hersteller von elektrotechnischen Produkten in den Elektrohandelsbetrieb hinein verkauft. Die Bruttopreisliste ist somit eine Preisliste für den Endkunden. Der Absatzmittler, der Handelsbetrieb erhält einen Rabatt auf diese Bruttopreise. Eine andere Möglichkeit besteht, bei einem direkten Verkauf an den Endkunden, dass der Hersteller dem A-Kunden, einem großen Automobilzulieferunternehmen, einen Rabatt ge-währt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Andere Differenzen zwischen Bruttoumsatz und Nettoumsatz entstehen durch die Zahlungskonditionen. So ist es bereits fast gängige Praxis in Deutschland, eine Rechnung mit einem Zahlungsziel von 10 Tagen bei 3 % Skonto und 30 Tagen Netto zu erstellen. Diese 3 % Skonto, die wir dem Kunden für eine zeitige Überweisung unserer Forderungen gewähren, stellen auch einen Preisnachlass dar, den wir vom Bruttopreis abziehen.

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2.1 Betriebliche Teilbereiche und deren Zusammenwirken 7

Somit erhalten wir den Nettoumsatz. Dieser ist das Geld, das wir real einnehmen. Durch eine Subtraktion von Nettoumsatz und variablen Kosten (variable Kosten sind solche Kosten, die direkt mit dem Auftrag in Beziehung gebracht werden können, z. B. Materialaufwendungen für eine Kundenbestellung) erhalten wir den sogenannten Deckungsbeitrag, auch kurz als DB bezeichnet. Der Deckungsbeitrag gibt schon einmal die erste Information über die potentielle Rendite eines Produktes, einer Produktgruppe. Um die Effizienz genauer untersuchen zu können, müssen aber die gesamten Kosten auf den Kostenträger umgelegt werden. Hier werden also von dem Deckungsbeitrag noch die Fixkosten (Kosten, die in jedem Fall für das Unternehmen entstehen, z. B. Lohnkosten für Verwaltung und Vertrieb, Zinsaufwendungen für Fremdkapital, Kalkulatorische Kosten für Grundstücke und Gebäude) abgezogen und somit erhalten wir den Gewinn pro Produktgruppe. Wenn es in einem Betrieb unterschiedliche Produktgruppen gibt, ist es sinnvoll, eine solche ROI-Planung pro Produktgruppe zu erarbeiten, um eine genaue Übersicht über die Gewinnanteile und die Renditeanteile der einzelnen Produkte zu erhalten. Verlassen wir nun den diagonal schraffierten Bereich und wenden uns dem vertikal schraffier-ten Bereich, dem unteren Zweig des ROI-Baumes zu. Nennen wir diesen „Kapitalzweig“. Unten rechts im Kapitalzweig sehen wir, dass sich das investierte Kapital aus dem Anlagever-mögen (Grundstücke, Gebäude, Geschäftsausstattung, Maschinen zur Produktion, Informatio-nen, die unter den einer Bilanz zu finden sind) und dem Umlaufvermögen (Vorräte, Forderun-gen, flüssige Mittel, ebenfalls auf der Aktiva-Seite der Bilanz zu finden), errechnet. Die Summe der Faktoren Anlagevermögen und Umlaufvermögen ergibt das in das Unterneh-men investierte Kapital. Nun hören wir seit vielen Jahren die Diskussion über „lean producti-on“, die Notwendigkeit einer schlanken Produktion. Genau dort befinden wir uns nun. Mit möglichst wenig investiertem Kapital gilt es die größtmögliche Rendite zu erwirtschaften. Die Angelsachen haben einen Begriff dafür entwickelt, der diesen Sachverhalt recht gut beschreibt. Sie nennen das „sweating the assets“. Frei übersetzt könnte man das als ein maximales Aus-pressen der Aktiva bezeichnen. Hier ist also darauf zu achten, dass das Unternehmen die eige-nen Kapazitätsgrenzen optimal managt. Bei der abschließenden Betrachtung der Abbildung 2.2 ermitteln wir den Kapitalumschlag aus einer Division von Nettoumsatz und investiertem Kapital. Zum besseren Verständnis fügen wir noch die Rechnung am Umsatzzweig bei. Die Umsatzrendite ergibt sich aus einer Division von Gewinn (vor Steuern) und dem Nettoumsatz. Aus diesen beiden Faktoren ergibt sich somit durch eine Multiplikation der Return on Investment (ROI %). Das System ist recht einfach zu handhaben, da alle relevanten Daten in der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung zu finden sind. Für die letzte Rechnung, der Kalkulation des ROI, stehen somit zwei Hauptfakto-ren zur Verfügung: der Kapitalumschlag aus einer Division aus Nettoumsatz und dem inves-tierten Kapital und auf dem Umsatzzweig die Umsatzrendite als eine Division aus Gewinn und Nettoumsatz. Es ist ersichtlich, dass ein Discounter wie Aldi ein anderes ROI-Management hat, als beispielsweise ein Autohandelsbetrieb. Der Discounter hat einen hohen Kapitalumschlag, aber in der Regel eine niedrige Umsatzrendite. Bei dem Autohandel ist es umgekehrt; d. h. das neue Fahrzeug wird vom Hersteller beschafft, für Kundenpräsentationen aufbereitet, dem Kun-den angeboten, es vergeht eine Weile, bis dieses Angebot auch einen entsprechenden Nachfra-ger finden wird. Die Umsatzrentabilität ist in der Regel recht hoch, der Kapitalumschlag aber recht gering. Nun können beide Betriebe aber, so unterschiedlich sie auch sein mögen, die einzelnen Faktoren so gestalten und beeinflussen, dass sie den Return on Investment aktiv managen und optimieren.

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8 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick

Bei jeder Form einer betrieblichen Zielsetzung ist es immer wichtig zu sehen, wie ist meine Leistung, gemessen an der Leistung von anderen Betrieben. Man nennt diesen Vorgang in der Fachsprache „benchmarking“. Dies bedeutet, dass ich meine eigene Leistung mit verschiede-nen Ebenen vergleichen kann und muss, um meine Zielsetzung ständig, aber auch kritisch, zu hinterfragen. Dazu gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten: Ein Intra Company Benchmark: Hier wird innerhalb einer Dachgesellschaft, dies kann ein Autohandelsbetrieb mit unterschiedlichen Niederlassungen oder eine Großbank mit internatio-nalen Standorten sein, Leistungen miteinander verglichen. Ein transparenter Faktor ist Umsatz pro Mitarbeiter oder Gewinn pro Mitarbeiter. Intra Branch Benchmark: Hier wird innerhalb einer Branche die Leistung verglichen. So kann Toyota, als japanische Automarke seine Kennzahlen mit deutschen Herstellern, oder eine deutsche Großbank ihre Leistung mit einer indischen Großbank vergleichen. Best Practise Benchmark: Hier wird die Leistung meines Betriebes mit der besten Leistung verglichen. So kann man die Nutzerfreundlichkeit der Hotline bei der Deutschen Telekom mit der Nutzerfreundlichkeit der Hotline eines Maschinenbauunternehmens vergleichen. Das betriebswirtschaftliche Zielsystem mit einer Anwendung des ROI-Baumes aufzubauen macht eine Konzentration auf die bzw. das wesentliche Ziel, den ROI, möglich. Durch die Vorgabe der Geschäftsleitung, verbunden mit den Anforderungen der Anteilseigner an eine Kapitalverzinsung, reicht es somit, einen Zielwert für den ROI zu definieren. Die unterschied-lichen betrieblichen Teilbereiche werden ihre individuellen Zielwerte definieren und auf dem Zielerreichungsweg kontrollieren. Somit sollte die Problematik eines innerbetrieblichen Ziel-konfliktes geglättet werden können.

2.2 Prozess- und kostenorientierte Unternehmensführung In der Abbildung 2.1 symbolisiert der Pfeil den betrieblichen Leistungserstellungsprozess. Eine der wichtigsten Fragen und Aufgaben, mit denen sich das Management konfrontiert sieht, ist die, wie man die Prozesse möglichst kosteneffizient gestalten kann. In der Produktion ist schon seit vielen Jahren hinreichend bekannt, dass man die Durchlaufzeiten kontrollieren und opti-mieren muss, um auf der einen Seite interne Kosten und Durchlaufzeiten zu reduzieren und auf der anderen Seite die Produkte zu einem wettbewerbsfähigen Preis am Markt anbieten kann. Es stellt sich aber die Frage nach einer konsequenten Prozessorientierung im Unternehmen viel komplexer dar, als dass wir dieses Thema nur auf die Produktion beschränken könnten. Die Qualität innerhalb der Prozesse und der Teilprozesse ist zu hinterfragen. In wirtschaftlich anspruchsvolleren Zeiten werden Budgets im Marketing als erste Kostenreduktionsmaßnahme gekürzt. Die Aktivitäten des Marketing in Bezug auf die Erstellung von Hochglanzbroschüren, die Messeorganisation und Durchführung sowie Erste-Klasse-Reisen zu potentiellen Partnerun-ternehmen stehen also auf dem Prüfstand. Alle Handlungen im Unternehmen haben somit einen Einfluss auf den ROI. So kann man argumentieren, dass durch die Teilnahme an Messen neue internationale Partnerschaften akquiriert werden können, dass eine Bestandskundenpflege und eine gute Darstellung des Unternehmens eine positive Wirkung auf das Image eines Un-ternehmens haben wird, und mit einem höheren Image sind auch höhere Umsätze und damit ein höherer ROI denkbar. In der Kostenrechnung unterscheiden wir zwischen variablen und fixen Kosten. Die Fixkosten, jene Kostenarten also, die im Bereich Verwaltung und Vertrieb anfallen, können und sollten genauso in eine prozessorientierte Betrachtung einfließen, wie die variablen Kosten. Nur wenn

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2.3 Auswirkungen von volkswirtschaftlichen Ereignissen auf den Betrieb 9

der Prozess, verbunden mit dem einzelnen Teilprozess, bekannt ist, können Optimierungsan-sätze erfolgen und erfolgreich installiert werden. Um diesen Prozess aber auch optimieren zu können, ist eine Kenntnis der Anforderungen des Marktes notwendig. Hier ein Beispiel: Ein Autohandelsbetrieb investiert in zwei Fahrer und zwei Fahrzeuge, um die wartenden Kun-den entweder in die nahegelegene Einkaufsmeile oder im Stadtgebiet nach Hause zu fahren. Nun ist es aber für die Kunden nicht von primärer Wichtigkeit, bei einem Werkstatttermin einen Shuttle Service zu haben. Die Wartezeit, die in der Regel zwischen 30 und 90 Minuten beträgt, kann man sich auch mit einer Zeitschrift und einer Tasse Kaffee, die vom Autohandel gerne spendiert wird, versüßen. Das heißt, ich investiere hier am falschen Ort. Nun hat eine Kundenbefragung aber ergeben, dass im Falle eines intensiveren Schadens die Abwicklung über die Euro Assistance schnell und kundenorientiert abgewickelt werden muss, um den Kun-den auch in Zukunft noch bedienen zu dürfen. Hier muss eine klare Differenzierung zwischen dem Management von Firmenkunden und der Organisation von Privatkunden entstehen. Hier sollte also der Betrieb investieren, denn es gibt ein von Kunden wahrnehmbares Differenzie-rungspotential. Kostenorientierung kann und sollte in allen betrieblichen Teilbereichen in Form einer Prozess-darstellung erfolgen. Es ist zu hinterfragen, wer macht was, warum, wie oft und wie lange. Die Tätigkeiten der unterschiedlichen betrieblichen Teilbereiche sind somit zu strukturieren. Kos-teneinsparungen sind immer dort vorzunehmen, wo ich zunächst mit einem übersichtlichen Aufwand den größten Erfolg erwarte. Hier ist also direkt eine A-B-C-Kostenstruktur zu erhal-ten. Die A-Kosten, also die Teilbereiche mit betrieblichen Aufgaben, die die intensivsten Kos-ten verursachen, können somit direkt optimiert werden. Dies kann zum Beispiel durch eine neue Software oder einen veränderten Gesamtprozess erfolgen. Die Mitarbeiter können durch Schulungen Dinge kostenreduziert erarbeiten. Zwei Faktoren haben hier einen entscheidenden Einfluss: � Aktivitätsgrad, damit ist gemeint, wie intensiv ist der Mitarbeiter bereits in den Leistungs-

erstellungsprozess des Unternehmens integriert. � Organisationseffizienz, damit ist gemeint, dass es Phasen geben kann und wird, an denen

eine gewisse Unterorganisation durchaus in Ordnung erscheint, auf mittlere und lange Sicht gilt es aber wieder ein Organisationsniveau zu finden, bei dem der Prozess reibungslos funktioniert und auch durch andere, dritte Personen, übernommen werden kann.

Gerade leitende Mitarbeiter in Unternehmen werden immer einen Spagat hinbekommen müs-sen, zwischen der Notwendigkeit, sich und die Arbeitsleistung operativ einzubringen, und der Notwendigkeit, den Prozess zu leiten und ihre Leitungs- und Führungsfunktion wahrzuneh-men. Die beiden genannten Faktoren können eine Lösung finden. Operative Aufgaben können und müssen von leitenden Funktionen delegiert werden. Ist der Aktivitätsgrad bei den Kollegen bereits ausgeschöpft, gilt es Ressourcen umzulegen, Kapazitäten frei zu bekommen oder neue Mitarbeiter zu rekrutieren.

2.3 Auswirkungen von volkswirtschaftlichen Ereignissen auf den Betrieb

Um die Auswirkungen von volkswirtschaftlichen Ereignissen auf ein Unternehmen beurteilen zu können, werden wir zunächst einen Blick auf den Zielprozess des Unternehmens werfen . Im Vordergrund steht die Vorstellung, beziehungsweise die Zielvereinbarung der Unterneh-mensführung in Bezug auf den ROI. Mit diesem Hauptziel werden Business- Pläne erstellt, die

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10 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick

Informationen liefern sollen, wie viel Umsatz in welchen Regionen mit welchen Produkten infolge welcher Aktivitäten generiert werden soll. Das ist in der Regel alles mit einem Mittel-maß zu versehen. Es kann auch eine Unterscheidung der Geschäftsplanung in Hinsicht auf bestes Szenario, mittleres Szenario und schlechtestes Szenario stattfinden. Nun hat sicherlich auch der noch so gute Geschäftsplaner die Ereignisse 2008, die primäre mit der Finanzkrise verbunden waren, nicht voraussagen können. Es gibt recht unterschiedliche Auswirkungen auf die unterschiedlichen Wirtschaftsbereiche. Die Konsumgüterindustrie hatte nicht so starke Einbußen wie die Investitionsgüterindustrie. Im Investitionsbereich, das heißt im Firmenkun-dengeschäft, sind zunächst jegliche Investitionen eingefroren worden. Umsätze blieben auf eine drastische Art und Weise aus oder wurden auf ein Mindestmaß reduziert. Die Unsicherheit am Markt war greifbar und ständig präsent. Mit dem erarbeiteten ROI-Baum können wir diese Veränderungen also erklären. Umsätze werden reduziert, Deckungsbeiträge pro Einheit können sehr gering sein, aber mit einer hohen Anzahl von produzierten Einheiten (Automobilzuliefer-industrie) können immer noch gute absolute Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden. Hier wird die Ausbringungsmenge reduziert, die Kostendegressionseffekte bleiben aus, die Situation mit den Fixkosten bleibt unverändert. Plötzlich müssen mit einem weit geringeren Deckungs-beitrag die gleichen Fixkosten gedeckt werden. Hier ist also direkt (zunächst auf dem Umsatz-zweig) eine negative Gesamtleistung zu verbuchen. Wenn wir dann noch einen kurzen Blick auf den Kapitalzweig unseres ROI-Baumes werfen, stellen wir fest, dass im Quartal 4 des Jah-res 2008 nochmals Investitionen in Rohstoffe getätigt wurden. Nun haben wir unser Lager mit Rohstoffen, Kupfer, Aluminium für die Herstellung von elektrischen Leitungen und Kabeln aufgefüllt, in der Hoffnung, dass das Geschäft weiterhin so laufen wird und der Rohstoffpreis sich weiterhin nach oben entwickelt. Wenige Tage später brechen die Rohstoffmärkte zusam-men, und unser Einkauf ist plötzlich nur noch 80 % unserer Ausgaben wert. Hier ist also zum einen ein Überbestand der Lagerkapazität im Verhältnis zur Nachfrage ein-getreten, und der Bestand an unfertigen Erzeugnissen (im Herstellungsbetrieb) oder an Fertig-waren (Handelsbetrieb) ist zu hochpreisig eingekauft worden. Zu den Einkaufspreisen kann ich das Material, Kupfer oder Aluminium, nicht mehr verkaufen, da der Gleichgewichtspreis zwi-schen Angebot und Nachfrage derzeit erheblich niedriger liegt, als zur Zeit der Beschaffung. Der Kapitalumschlag verlangsamt sich, und der ROI wird auch von der zweiten Zweighälfte, dem Kapitalzweig, negativ betroffen. Je nach Branche, wird die volkswirtschaftliche Entwicklung Einfluss auf die Absatzfähigkeit unserer Produkte haben. Dies könnte in der Realität folgendermaßen gestaltet sein: Die Unternehmen der Automobilindustrie und der Automobilzulieferindustrie arbeiten auf Kurzarbeit. Die Kurzarbeit hat einen negativen Einfluss auf das private Haushaltseinkommen. Die Konsumausgaben im Haushalt werden reduziert, um mit den verfügbaren reduzierten Fi-nanzmitteln den Haushalt wirtschaftlich gestalten zu können. In weitentwickelten Volkswirt-schaften wie der Bundesrepublik Deutschland könnten dies beispielsweise Konsumausgaben für eine private Rentenversicherung oder einen Zweiturlaub an der Ostsee sein. Durch eine Reduktion der Produktionsleistung hat die Investionsgüterindustrie ein reduziertes Ersatz-Beschaffungspotential. Dies führt zu einer negativen wirtschaftlichen Spiralbewegung. Investi-tionen können im privaten, industriellen und gewerblichen und auch im öffentlichen Bereich stattfinden. In der jüngsten Vergangenheit haben wir realisieren können, dass die Investitionen der Regierungen der Republik Österreich oder auch der Bundesrepublik Deutschland antizyk-lisch durchgesetzt wurden, um die Wirtschaft zu stützen. Dies kann beispielsweise bei der Realisierung von öffentlichen Bauvorhaben erwirkt werden. Die Investitionen in neue Anlagen und Gebäude bleiben in diesem Zeitraum in der privaten und industriellen Wirtschaft aus, der Staat fragt aber auch in dieser Zeit Projekte bei den Baugesellschaften nach, baut Autobahnen

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2.4 Erfahrungen in der Wirtschaftskrise 11

und andere öffentliche Bauprojekte und gewährleistet somit eine weitere Aktivität im Bauge-werbe Eine vergleichbare staatliche Investition ist im Rahmen der staatlichen Abwrackprämie entstanden. Der Staat hat hier gezielt wirtschaftliche Anreize in Form von Vergünstigungen beim Neuwagenkauf, unter bestimmten Voraussetzungen, geschaffen. Meiner Meinung nach werden gerade in solchen Krisenzeiten – und ich wehre mich ja immer von einer Krise zu spre-chen, aber die Ausmaße im Jahr 2008 und 2009 hatten schon zumindest krisenähnliche Größen – gibt es einen wahren Sturm auf die Buchhandlungen. Alle wollen die neue Strategie erlernen, um auch in einer Krise das Unternehmen auf Kurs zu halten und im Rahmen eines modernen „stewardship“ auch bei rauem Seegang das fragile Boot sicher mit Fracht und Besatzung in den Hafen zu manövrieren. Begriffe wie Turnaround Management kannte ich in meinem Studium jedenfalls noch nicht. Seien Sie aber sicher, dass auch diese Literatur bereits vor der Krise bekannt war. Doch war es leichter, solange der Umsatz erzielt wurde und Gewinne verbucht werden konnten.

2.4 Erfahrungen in der Wirtschaftskrise Betrachten wir diesen Punkt doch einmal aus einer praktischen Sicht: Ein mittelständisches-Unternehmen, das sich im dem Gebiet der Elektroinstallation auf Hausinstallationen, kombi-niert mit der Installation von Solaranlagen und dem Verkauf von elektrischen Bauteilen, wie Kühlschränken, Waschmaschinen, Staubsauger oder Fernsehgeräte spezialisiert hat. Das Un-ternehmen hatte in der Vergangenheit immer gute Umsatzanteile mit öffentlichen Projekten erzielen können. Der Preisdruck ist hier zwar hoch, die möglichen Deckungsbeiträge niedrig, aber 35 % des gesamten Umsatzes werden in diesem Bereich generiert. Dem Unternehmen stehen 96 Mitarbeiter zur Verfügung. Diese müssen auch effektiv, d. h. produktionsintensiv eingesetzt werden. Nun mag man eine klassische Dienstleistung nicht so sehr in die Produktion einstufen, dennoch ist diese Zeit, die der Elektriker beim Kunden dazu benötigt, technische Produkte zu installieren oder zu programmieren, Produktionszeit. Diese Kosten sind also, ver-gleichbar mit einem Produktionsprozess in einem industriellen Unternehmen, direkt dem Kun-den zurechenbar. Ab dem letzten Quartal 2008 sieht die Situation so aus, dass sich die Banken und Kreditinstitute bei der Vergabe von Krediten zurück halten. Es wird hier noch viel intensi-ver überprüft, wie die Liquidität des Kunden oder des potentiellen Kunden aussieht, wie lange er bei einem Unternehmen bereits arbeitet, wie hoch das verfügbare Haushaltseinkommen ist und viele Dinge mehr. Die Folge ist, dass das Projekt Hausbau für viele junge Familien derzeit eine „mission impossible“ ist. Der Staat reduziert die Förderungen für Solaranlagen, die Nach-frage geht zurück, der Elektroinstallationsbetrieb verliert wertvolle Installationszeit beim Kun-den sowie eine zusätzliche Umsatzquelle in Form eines Handelsproduktes. Der Bedarf an „weißer Ware“ wie Kühlschränke oder „brauner Ware“ wie Fernsehgeräte hat auch aktuell keine großen Einbußen zu verzeichnen. Zeitweise sollte man offenen Auges durch den Media Markt gehen und wahrnehmen, welche Produkte man doch so dringend braucht, um sich das Leben zu verschönern. Es wird aber der Fall sein, dass sich der Konsument, der gestern noch bei unserem Elektriker um die Ecke eingekauft hat, heute seinen Fernseher bei Media Markt kauft, streng nach dem Motto: „Geiz ist geil“. Vielleicht ist auch das additive Angebot des Fernsehers bei Media Markt so attraktiv, dass man das Produkt mit angenehmen Monatsraten finanzieren kann. Möglicherweise kann unser Elektriker um die Ecke diesen Service nicht anbieten, denn es fehlt an qualifiziertem Personal, oder man beurteilt den Markt falsch und betrachten die Nachfrage nach Finanzierung als nicht so interessant, dass man diesen Zusatz-nutzen zusätzlich anbietet. Es bleibt festzuhalten, dass das Management eines Betriebs, einer Unternehmung bei weitem keine einfache Sache darstellt. Die Führung eines Unternehmens

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12 Betriebswirtschaft – ein Kurzüberblick

studiert oft mehrere Jahre Betriebswirtschaft, sicherlich nicht eines der leichtesten Inhalte eines Studiums, dennoch kann man sich dem Optimum immer nur annähern. Aus einer Vielzahl von Risiken und einer Vielzahl von Entscheidungen muss man innerhalb kurzer Zeit eine Entschei-dung fällen, die das Unternehmen in die Zukunft führen soll. Abhängigkeit von einem Kunden bedeutet immer ein hohes Risiko. Kann man den Umsatz kompensieren, wenn dieser Kunde ausfällt? Wir haben in der Vergangenheit – auch am Beispiel Holzmann AG – gesehen, welche Auswirkungen die Insolvenz eines solch großen Unternehmens haben kann. Den Kunden ak-quirieren, Produkte und Dienstleistungen erfolgreich platzieren, Umsätze generieren und For-derungen aus Leistungen und Lieferungen erheben. Das ist eine vereinfachte Prozesskette eines Kundenvorganges. In jeder Phase der Weltwirtschaft ist aber auch das betriebswirtschaftliche Risiko der Kundenbetreuung zu analysieren und zu optimieren. Ein potentieller Umsatzwert von 30 % des avisierten Jahresumsatzes bringt nichts, wenn die Forderung nicht eingebracht werden kann. Hier ist also auch ein Forderungsverkauf (Factoring oder Forfaitierung) eine Möglichkeit, das Risiko zu kompensieren. Wichtig ist, dass sowohl mein Kundenportfolio, wie auch mein Produktportfolio ausgeglichen ist und es bei beiden Betrachtungsansätzen Entwick-lungen und Potentialoptimierungen gibt.

2.5 Überlebensstrategien in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten Selbst das Wort „Überlebensstrategie“ suggeriert, dass es sich hier um eine Art Dschungel-camp handelt, wo nur diejenigen, die Dinge tun, welche die meisten ekelig finden würden, einen Anspruch auf Überleben, zumindest bis zur nächsten Serie haben. In der Betriebswirt-schaft gibt es eine Menge martialische Ausdrücke, wie „Kampf“ oder „Beute“ und viele ande-re. Wer es aber in den Kampfkünsten über eine mittlere Graduierung hinaus gebracht hat, wird einsehen, dass es in der Betriebswirtschaft, genauso, wie in den Kampfkünsten darum geht, zu siegen, ohne zu kämpfen. Aber wie soll diese Methode in der Wirtschaft funktionieren? Siegen, ohne zu kämpfen, damit ist gemeint, dass man seine eigene, individuelle Marktnische findet und sich in dieser Nische entsprechend positioniert und durch Kundenorientierung, Produkt- und Serviceentwicklung einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil verschafft. Wie in einer realen Kampfsituation hat man schon verloren, bevor der Kampf beginnt. Das Unternehmen kann und sollte sich nicht auf kostspielige Preisreduktionen im Kampf mit dem Wettbewerb einlassen, auch wenn der Vertrieb häufig die Notwendigkeit einer Preisreduktion sieht. Wir kennen nicht die Kostenstruktur der anderen Anbieter am Markt. Unsere Positionierung sollte eine Differenzierung zu den anderen Angeboten, nicht nur über den Preis, haben. Diese müssen wir, gemeinsam mit unseren Kunden und unseren Lieferanten heraus arbeiten und stetig weiter entwickeln. Genau wie in den Kampfkünsten geht es auch hier weniger um eine direkte Konf-rontation mit einem Gegner, sondern um eine Verfeinerung der eigenen Technik. Das können wir, nicht nur in Krisenzeiten, von uralten Theorien des großen Schwertkämpfers, Miyamoto Musashi lernen.

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3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

In den Wirtschafswissenschaften wird immer viel über Strategie gesprochen. Grundsätzlich geht es immer darum, eine bessere Rendite, vgl. ROI-Management, zu erwirtschaften. Ein unternehmerisches Wachstum kann auf zweierlei Art erfolgen: a) Organisches Wachstum

Das Unternehmen wächst aus eigener Kraft und hat die Möglichkeiten, Absatz, Umsatz und Marktanteil zu erhöhen.

b) Anorganisches Wachstum Das Unternehmen wächst durch eine Marktkonsolidierung. Der kumulierte Liquiditätsge-winn gegenüber dem Wettbewerber ermöglicht es einem Unternehmen, ein anderes entwe-der vollständig zu übernehmen oder sich teilweise an einem anderen Unternehmen finanzi-ell zu beteiligen.

Die Gesamtwirtschaftliche Situation hat uns in den Jahren 2008 und 2009 gelehrt dass auch diese Grundstrategie vorsichtig zu verwenden ist. So gab es einige Spieler am Markt mit elekt-rotechnischen Produkten, die bis einschließlich 2008 eine expansive Unternehmenspolitik geführt haben. Das heißt, dass sie die hohen Aktienkurse und Unternehmensbewertungen ge-nutzt haben, um ihr spezifisches Wachstum voran zu treiben. Dann kam es im letzten Quartal 2008 zu einer drastischen Reduktion des Aktienkurses, die Absätze und die Umsätze blieben aus, bzw. wurden drastisch reduziert, und die nachhaltige Finanzierung der expansiven Unter-nehmensstrategie blieb aus. Es steht sicherlich außer Frage, dass ein strategischer Zusammen-schluss von Unternehmen Synergien erwirken kann und muss. Aus den Augen eines Kosten-rechners betrachtet könnte man argumentieren, dass es Synergien aufgrund einer kumulierten Produktionsmenge gibt, die Chargen und Losgrößen lassen sich optimieren, die Arbeitsabläufe besser strukturieren, die Einrichtungskosten für Werkzeuge werden auf mehr Teile verteilt, damit sinkt der Kostenanteil pro Teil, der Deckungsbeitrag steigt. Intensive Synergieeffekte sind auch im klassischen Fixkostenbereich, dem Verwaltungs- und Vertriebsbereich zu erwar-ten. Wo bislang noch zwei oder drei Außendienstmitarbeiter beim gleichen Kunden akquiriert und verkauft haben, kann dies nun von einer gemeinsamen Vertriebsmannschaft erfolgen. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass es Mitarbeiter gibt, die nun nicht mehr benötigt werden, sondern, dass man mit einer Modifikation des Vertriebssystems und der gleichen (kumulierten) Anzahl von Vertriebsmitarbeitern (im Innen- und Außendienst) eine signifikante Marktpenetra-tion, eine Erhöhung der Marktdurchdringung erreichen wird. Der Innendienst kann Angebote effizienter erfassen, nacharbeiten und Auftragsvolumina kumulieren und positive Auswirkun-gen auf die Liquidität erreichen. Strategische Allianzen sind heutzutage eine sehr gern gesehe-ne Strategie des unternehmerischen Wachstums. Diese Synergien können auf der gleichen Ebene der Wertschöpfung (Anteilsverknüpfung von Daimler, Renault und Nissan) oder auch durch Synergien im Rahmen der Wertschöpfungskette (Swarowski, der österreichische Produ-zent von Kristallen, der eigene Outlets in Stadtgebieten betreibt) entstehen. Die Vergangenheit hat uns aber gelehrt, dass ganz sicher nicht alle guten Vorsätze bei einer strategischen Partner-schaft auch in die richtige Richtung verlaufen. Es gibt eine Vielzahl von sehr prominenten Beispielen, die zwar vom strategischen Ansatz her sehr clever waren, aber nicht die Wirkung hatte, die man sich grundsätzlich erhofft hatte. So steht zum Beispiel die Zusammenarbeit von BMW und Rover oder die gewünschte Synergie von Daimler und Chrysler als prominentes Beispiel. Man geht davon aus, dass mittel- und langfristig nur 10 Unternehmen in der automo-bilen Produktion überlebensfähig sein werden. Diese Überlebensfähigkeit wird nicht einmal

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_3,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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14 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

notwendigerweise von der puren Größe, der Absatzmenge eines Unternehmens abhängen, sondern von der Art und Weise, wie sich dieses Unternehmen am Markt positioniert hat, eine individuelle Marktnische etabliert hat und sich dort gegenüber dem Wettbewerb positiv absetz-ten kann. In dem ROI-Modell haben wir gesehen, dass im Unternehmen immer eine Person oder eine Personengruppe, ganz gleich, wie die Rechtsform auch sein mag, Investitionen in das Unter-nehmen eingebracht hat. Liquidität kann nun als kurzfristiges Ziel gesehen werden und an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Das Unternehmen sollte allerdings keine „kurzfristige Spielwiese“ sein. Der erfolgreiche Unternehmer Warren Buffett sagt, dass er an einem Unter-nehmen langfristig Interesse hat, wenn er dort investiert. Diese sehr ehrenhafte Grundeinstel-lung können wir heute jedoch nicht immer uneingeschränkt feststellen. Um ein Unternehmen mittel- und langfristig managen zu können, bedarf es eines „gerüttelt Maß“ an Liquidität, um zeitnah auf die Anforderungen des Marktes reagieren zu können. Eben in diesem Punkt haben sich die erfolgreichen Unternehmen von den weniger erfolgreichen ab 2008 unterschieden. Ganz entscheidende Bedeutung hatte in der Phase 2008 und 2009 der Zeitpunkt des möglichen Investments in eigene oder in fremde Anlagen, denn der Preis, auch bedingt durch einen Ak-tienkurs des Unternehmens, fluktuierte erheblich.

3.1 Definition von Liquidität

Liquidität 1. Grades = Flüssige Mittel

(3.1) Kurzfristiges Fremdkapital

Die flüssigen Mittel bestehen vorwiegend aus den Positionen Bankguthaben, Kasse, Schecks und Wechsel. Das kurzfristige Fremdkapital beinhaltet Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Kredite und Darlehn mit einer Laufzeit < 1 Jahr und kurzfristige Rückstellungen. Die Liquidität ersten Grades gibt also an, wie hoch der Anteil der flüssigen Mittel an dem kurz-fristigen Fremdkapital ist. Eine Liquidität ersten Grades in Höhe von 25 % sagt demnach aus, dass nur 25 % der kurzfristigen Verbindlichkeiten mit den flüssigen Mitteln beglichen werden können. Der kalkulierte Wert der Liquidität ersten Grades sollte also > 1 oder größer 100 % sein, denn sonst kann ich meine kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht mehr von meiner Liquidität aus-gleichen, d. h. dass neue Quellen angezapft werden müssen. Diese Quellen könnten Gesell-schafter oder allgemein ausgedrückt Anteilseigner des Unternehmens sein, oder eine Fremdfi-nanzierung durch Banken oder Kreditinstitute.

Liquidität 2. Grades = Flüssige Mittel + Forderungen

(3.2) Kurzfristiges Fremdkapital

Im Unterschied zur Liquidität ersten Grades beinhaltet die Liquidität zweiten Grades noch die Position Forderungen aus Leistungen und Lieferungen und sonstige Forderungen, wie z. B. kurzfristige Darlehnsgewährung an Mitarbeiter. Eine Sensibilisierung hat hier zu erfolgen, welche Faktoren fix, d. h. sicher und welche Faktoren variable, d.h. unsicher sind. Wie auch die Anwendung der Formel (3.1) zeigt, sind Kassenbestände und Bankguthaben Größen, die man zählen kann, bzw. die in der Buchhaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt unveränderlich gebucht werden können. Mit den Forderungen aus Leistungen und Lieferungen verhält es sich aber ein wenig anders. Unser Unternehmen hat Forderungen aus Leistungen und Lieferungen in Höhe von 375.000 €. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass 99 % dieser Forderungen auch

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3.1 Definition von Liquidität 15

als Umsatzerlöse, als Zahlungseingang verbucht werden können. Nun stehen aber besonders in Krisenzeiten zwei Faktoren als Risiko gegenüber: a) Zahlungskonditionen und Zahlungsziel: 10 Tage 3 %, 30 Tage netto.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde nach 10 Tagen unter Ausnutzung von 3 % Skonto den Rechnungsbetrag anweist? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde, selbst in einem Liquiditätsengpass, den Rechnungsbetrag nicht nach 30 Tagen, son-dern erst nach der 2. freundlichen Zahlungserinnerung, nach 90 Tagen anweist?

b) Zweifelhafte Forderungen bzw. uneinbringbare Forderungen Auf welcher Basis ist mein Kundenrating erfolgt, wie habe ich das Risiko eines Zahlungs-ausfalls zum Zeitpunkt des Auftrages beurteilt, wie vergangenheitsbezogen war meine In-formation der Wirtschaftsauskunft, wie wäge ich Kosten für die Kompensation eines Forde-rungsausfalls und die Reduktion meines Deckungsbeitrages einander ab? Stellen Sie sich vor, Sie bekommen die Chance in Ungarn zur Mitte 2008 einen größeren Auftrag zu plat-zieren. Wie gehen Sie damit um? Auf der einen Seite sollten Sie Ihrem Kunden entgegen kommen und verhandlungsbereit sein und bleiben. Auf der anderen Seite haben Sie die Zielsetzung der Kostenrechnung und des Controlling zu beachten, die besagen kann, dass Umsätze gut sind, Deckungsbeiträge und Gewinne besser, aber sichere Zahlungseingänge unser Ziel darstellen. Gerne wird jeder in Ihrer betrieblichen Kommunikationskette ein oder zwei Prozentpunkte des Deckungsbeitrages reduzieren, wenn der Zahlungseingang abgesi-chert ist. In diesem Fall gibt es also einen engen Zusammenhang zwischen betrieblichem Risikomanagement und Liquidität.

In aller Regel beschäftigen sich die Analysten bei der Bewertung, dem Rating eines Unterneh-mens mit den in Formel (3.1) und (3.2) beschriebenen Kennzahlen. Dies erfolgt meist aufgrund des idealen Kommunikationsflusses nach der Veröffentlichung der Bilanz (bei einer AG). Die Werte in einer Bilanz sind immer auf einen bestimmten Stichtag bezogen. Hier kann es also innerhalb des Geschäftsjahres zu erheblichen Abweichungen kommen. Liquidität und das Ra-ting eines Neukunden stehen in engem Zusammenhang. Hier gibt es keine Formel, die einen Nobelpreis verdient hätte. Grundsätzlich sollte man darauf achten, in welchen Ländermärkten man seine Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Wie lange das Unternehmen am Markt ist und wie dessen Reputation ist. Verkauf und Kostenrechnung sollten hier kooperieren und – gemeinsam mit dem Kunden – im Rahmen von Verhandlungen auf Augenhöhe eine Lösung gefunden werden, mit der beide Parteien leben können. Leider muss man in seiner beruflichen Laufbahn auch mal einem Kunden vermitteln, dass man das Geschäft gerne machen würde, speziell in einer Region, in der wir noch unterrepräsentiert sind, aber zu den vorgeschlagenen Konditionen und unter den aktuellen Umständen davon leider Abstand nehmen möchte. Wenn der Kunde wirklich an Ihnen, an Ihren Leistungen und an Ihrem Unternehmen Interesse hat, wird er, gemeinsam mit Ihnen und Ihrer Geschäftsleitung, eine Möglichkeit erarbeiten, die eine mittel- und langfristige Partnerschaft auf einem stabilen Fundament aufbaut. Bedenken Sie bitte bei Ihrer Risikobewertung auch, dass es nicht nur potentielle Risiken mit Neukunden im In- und Ausland, sondern auch Risiken mit Bestandskunden gehen kann. Wie wäre die Situation, wenn plötzlich einer Ihrer A-Kunden finanzielle Schwierigkeiten hat? Auch eine Aufgabe im Vertrieb, speziell dem Key Account Management, sich mit der wirtschaftli-chen Lage und der Entwicklung des A-Kunden zu beschäftigen. Die kontinuierliche Analyse kann verschiedene Vorteile mit sich bringen: – Im Falle eines wirtschaftlichen Abschwungs eines A-Kunden stärken Sie Ihre Verhand-

lungsmacht, wenn Sie über die Zusammenhänge informiert sind und eine kundenindivi-duelle Lösung anbieten können

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16 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

– Sie haben die Möglichkeit, das Risiko des Zahlungsverlustes für Ihr Unternehmen zu redu-zieren.

– Sie können gemeinsam mit Ihrer Vertriebs- und Geschäftsleitung eine Lösung finden, die beide Parteien zufrieden stellen soll.

– Bei einem positiven wirtschaftlichen Verlauf Ihres A-Kunden können Sie im Idealfall wirt-schaftlich daran partizipieren und Ihre Absatzmengen, Umsätze und eventuell auch Cross-Selling-Potentiale erhöhen.

3.2 Möglichkeiten der Risikokompensation – Vorauskasse zu 100 % – Anzahlung in Höhe der Summe der Aufwendungen ggf. in Höhe der Herstellkosten – 1/3 Anzahlung, 1/3 bei Lieferung, 1/3 30 Tage nach Rechnungsdatum – Kreditversicherung – Forderungsverkauf (Factoring, Forfaitierung) – und weitere Durch die Anwendung der Möglichkeiten der Risikokompensierung können wir die Erfolgs-wahrscheinlichkeit der Realisierung des Zahlungseingangs erhöhen und einen Totalverlust der Forderungsposition weitgehend vermeiden. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es hier einen signifikanten Zielkonflikt zwischen dem Verkauf und der Kostenrechnung, dem Controlling gibt. Denken Sie aber bitte daran, wo die Hauptzielsetzung des Unternehmens liegt. ROI ist zu optimieren, und dies kann nur sinnvoll gemanagt werden, wenn Forderungen auch realisierbar sind. Die Verkaufsprovision eines Vertriebsmitarbeiters erfolgt auch erst nach Zahlungsein-gang dieser bestimmten Position, bzw. nach Erreichung einer bestimmten Größe der Zielver-einbarung. Somit haben alle Beteiligten im Unternehmen ein großes Interesse, dass der Kunde die Forderung auch zeitnah begleicht. Wenn Sie mit Ihrem Kunden über Zahlungskonditionen verhandeln, könnte es auch wertvoll sein, Informationen über seine Möglichkeiten der Liquidi-tätsbeschaffung zu sammeln. Ich nenne diesen Vorgang gerne „Supply Chain Payment“. Ge-stalten Sie diesen Prozess möglichst so, dass Sie Ihren Kunden fakturieren, wenn dieser den Zahlungseingang bereits verbucht hat. Über diese Zusammenhänge sollte der Key Accounter auch informiert sein. Die einfachste Möglichkeit scheint mir, einfach den Kunden danach zu fragen. So sind Zahlungskonditionen und Zahlungsmoral in unterschiedlichen Ländern und Kulturen unterschiedlich. Die Standardzahlungsbedingungen, die für nationale Geschäfte gilt, können im internationalen Geschäftskontakt vollkommen anders sein. Auch die Zahlungskon-ditionen können ein entscheidendes Kaufkriterium für den Kunden darstellen. Diese Informa-tionen gilt es also in Erfahrung zu bringen.

3.3 Definition von Cash Flow Definition (laut Gabler Wirtschaftslexikon, online): Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen im Unternehmen, der je nach Abgren-zung der betrachteten Zahlungsgrößen unterschiedlich ermittelt wird. Der Net Operating Cash-flow bezieht sich aus der Produktions- und Absatztätigkeit der Unternehmung, der gesamte Cashflow berücksichtigt zusätzlich Zahlungen aus Finanzierungs- Investitions- und Ausschüt-tungsentscheidungen.

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3.3 Definition von Cash Flow 17

Nun mag der Laie sagen, nun gut, aber das uneingeschränkte Verständnis ist noch nicht vor-handen. Dem versuche ich in den nächsten Sätzen und Ausführungen gerecht zu werden. Auf-wendungen sind solche Größen in der betrieblichen Kostenrechnung, wie z. B. Verbindlichkei-ten a. L. L. werden als solche verbucht. Nach dem Ablauf der Skontofrist werden diese unter-schiedlichen Aufwendungen (für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) zu Auszahlungen. Es gibt auch Aufwendungen, die in der betrieblichen Kostenrechnung als „kalkulatorische Aufwen-dungen“ bezeichnet werden. Darunter fallen zum Beispiel kalkulatorische Zinsen (für Eigen-kapital), kalkulatorisches Unternehmergehalt, kalkulatorische Abschreibung auf Anlagegüter. Die Aufwendungen für Abschreibung sind ein gutes Beispiel. In der Gewinn und Verlustrech-nung (GuV) erscheinen diese Aufwendungen als Position, getrennt nach den einzelnen Werten (Grundstücke und Gebäude, Geschäftsausstattung, Maschinen, Fuhrpark) Diese kalkulatori-schen Aufwendungen reduzieren am Ende des Geschäftsjahres den steuerpflichtigen Gewinn eines Unternehmens. Diese Arten von Aufwendungen führen nicht zu einer Auszahlung, son-dern sind buchhalterisch erfasste Werte. In der Anlagenbuchhaltung werden die Anschaf-fungswerte der entsprechenden Positionen um die Abschreibungswerte pro Periode reduziert. Eine Art der Bestimmung des Cashflows ist nach Begutachtung der GuV und der Bilanz eines Unternehmens der operative Gewinn plus die Summe der Aufwendungen für Abschreibung (im operativen Bereich)

Operativer Cash-Flow = Operativer Gewinn + AfA (operativer Bereich) (3.3)

Unser Anliegen in der betrieblichen Kostenrechnung sollte es also unter anderem sein, den Cash-Zyklus, also die Periode von dem Zeitpunkt der Überweisung (Auszahlung) an unseren Lieferanten bis zum Zahlungseingang (Einzahlung) unseres Kunden möglichst klein zu halten, bzw. ständig zu optimieren. Diese Definition richtet sich an das Umlaufvermögen, also jene Aufwendungen, um Material-, Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe zu beschaffen, den Produkti-onsvorgang zu bearbeiten, die Ware an den Kunden zu verbringen, die Ausgangsrechnung zu schreiben und den Zahlungseingang zu verbuchen.

Abbildung 3.1: Cash Management

Rohstoff-einkauf

Lieferung der Roh-stoffe/Rechnung

Rechnung anweisen

Kundenauftrag

Produktionsstart

Produktionsende

Lieferung, Rechnung

Soll-Zahlung

Ist-Zahlung

Kre

dito

ren

Zah

lung

szie

l

Lager- & Produktionszeit

Kapitalbindungszeit

Debitoren Zahlungsziel

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18 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Mit der Abbildung 3.1 ist recht anschaulich zu erkennen, in welchen Bereichen die Optimie-rungsansätze wirken können. Es bestehen die folgenden Möglichkeiten: – Verhandlungen mit dem oder den Lieferanten, um das Zahlungsziel zu verlängern. Mit

einer Verlängerung (hier in der Abbildung als Kreditoren Zahlungsziel dargestellt), reduzie-re ich die Kapitalbindungszeit. Dies ist mein Ziel.

– Es gibt Überlegungen, ob der Zeitraum von der Materialbestellung bis zum Kundenauftrag reduziert werden kann. Nun weiß man in der Regel nicht, wann ein Kunde die Bestellung einbringt. Die Liefersituation des Lieferanten und die Branchensituation sowie eine Min-destmenge an Bestand, die nicht unterschritten werden darf, ist zu berücksichtigen.

– Die Zeit zwischen Produktionsstart und Produktionsende kann optimiert werden. Prozess-veränderungen und optimale Losgrößen sowie eine möglichst optimierte Stand- und Lager-zeit sind in die Überlegung einzubeziehen.

– Der Zeitpunkt der Lieferung und der Zeitpunkt der Rechnung sollten unmittelbar in nachge-lagerten Prozessschritten erfolgen.

– Eine Reduktion des Debitoren Zahlungsziels ist in aller Regel immer schwierig zu verkau-fen. Wenn wir unseren Kunden einmal mit einem mittelfristigen Zahlungsziel bedient ha-ben, werden wir die Konditionen nur im Rahmen von zusätzlichen Verhandlungen verän-dern können.

– Bei der Differenz zwischen Soll-Zahlungseingang und Ist-Zahlungseingang kann mit einem kundenfreundlichen Skontowert nachgeholfen werden. Oft reicht auch ein Anruf beim Kunden, um die möglicherweise vergessene Ausgangsrechnung anzuweisen. In diesem Be-reich sei noch einmal darauf hingewiesen, dass ein Telefonanruf eines Kundenbetreuers immer eine wesentlich bessere Kundenwirkung und auch einen wesentlich schnelleren Zah-lungseingang zur Folge hat, also eine „freundliche Erinnerung“, einer „ersten Mahnung“ der Buchhaltung vorziehen. Bitte beachten Sie auch hier, dass wir in einem Unternehmen arbeiten und die Prozesse verzahnt sein müssen und Informationen an die jeweiligen Kun-denbetreuer im Vorfeld einer „freundlichen Erinnerung“ erfolgen müssen, damit auch kun-denfreundlich auf diese Dinge reagiert werden kann.

Tabelle 3.1: Kalkulationsbeispiel eines Cash Zyklus

Bestand 2009/€ 2010/€ Durchschnitt/€ €/Tag Rohmaterial 23.500 24.380 23.940 Unfertige Erzeugnisse 9.450 10.230 9.840 Fertige Erzeugnisse 8.420 9.370 8.895 Kreditorenbestand 10.450 12.390 11.420 Debitorenbestand 32.000 33.600 32.800 Umsatzerlöse 146.000 151.000 148.500 406,85 Rohmaterialeinkauf 98.000 105.000 101.500 278,08 Verrechnung Fertige Erzeugnisse 137.000 149.000 143.000 391,78

a) Rohmaterialumschlag = 23.940 / 278,08 � 86 Tage b) Unfertige Erzeugnisse Umschlag = 9.840 / 391,78 � 25 Tage c) Fertigproduktumschlag = 8.895 / 391,78 � 23 Tage d) Kreditoren Tage = 11.420 / 278,08 � 41 Tage e) Debitoren Tage = 32.800 / 406,85 � 81 Tage Aus diesen Werten errechnet sich der Kapitalbindungszyklus wie folgt:

(86+25+23-41+81) Tage � 215 Tage

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3.3 Definition von Cash Flow 19

215 Tage klingen vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so negativ. Dieser Wert bedeutet aber, dass ich für meine Leistungserstellung ca. 8,5 Monate Kapital vorlegen muss. Im Rahmen der Abbildung 3.1 wurde bereits erläutert, wie dieser Zyklus zu optimieren ist. Unterschiedli-che Branchen haben sehr unterschiedliche Anforderungen an das Cash Management. Weitge-hend optimal erscheint der Bereich der Discounter oder der Cash and Carry-Märkte. Hier zahlt der Kunde noch bevor er das Haus verlässt einen bestimmten Betrag. Hier erfolgt also sofort ein Cash-Inflow. Seinerseits hat der Discounter ein Kreditorenzahlungsziel von 30 Tagen. Die Ware ist also längst verkauft und Barmittel in der Kasse, wenn die Lieferantenrechnung ange-wiesen werden muss. Sehr viel komplexer sind die Darstellung und damit verbunden die An-forderungen im Maschinenbau. Dort entstehen oft kundenindividuelle Lösungen. Materialien werden beschafft, Lieferungen und Teillieferungen optimiert, lange und aufwendige Produkti-onszeiten sowie möglicherweise ein langes Debitoren-Zahlungsziel verlängern den Cash-Zyklus. Sicherlich ist auch in dieser Größe eine Art Benchmark, ein Vergleich mit anderen Unternehmen der gleichen Branche ratsam. Als abschließendes Beispiel in Bezug auf Cash Flow Management sei ein Beispiel des Auto-mobilhandels genannt. Der Händlerbetrieb kauft bei einer neuen Produktoffensive 10 neue Mittelklassefahrzeuge in unterschiedlicher Farbe und mit unterschiedlicher Ausstattung. Ein Mittelklassefahrzeug kostet heutzutage 30.000 €. Die Rechnung in Höhe von 300.000 € ist nach 120 Tagen fällig. Der Autohändler hat nun 4 Monate Zeit, um die Fahrzeuge an seine Kundschaft zu vermarkten. Hier wird ihm die Werbung seiner Marke im Fernsehen, Rundfunk und in den Printmedien, Testberichte des neuen Fahrzeuges, aber auch eigene Promotionaktivi-täten des Autohauses, wie zum Beispiel die gezielte Einladung von potentiellen Kunden oder Bestandskunden zur Modellvorstellung zugutekommen. Sollte es dem Autohändler nicht ge-lingen, diese 10 Fahrzeuge in 120 Tagen zu verkaufen, muss er sich Liquidität bei der Bank, oder bei Gesellschaftern beschaffen. Hier wird in der Regel ein Zins fällig, entweder für das Fremdkapital oder ein kalkulatorischer Zins für die Einlagen der Gesellschafter. Diese Beispie-le sollen noch einmal verdeutlichen, dass immer ein ganz enger Bezug zwischen Marketing- und Vertriebsaktivtäten und betrieblicher Kostenrechnung, Liquiditätsmanagement und Cash Flow Management besteht. Eine neue Produktentwicklung verursacht zunächst Kosten für unterschiedliche Aufwendungen: – Aufwendungen für Forschung und Entwicklung – Aufwendungen für Marketing- und oder Marktforschung – Aufwendungen für Promotion (Printunterlagen, Veranstaltungen, Road Shows, Messen

u.a.) – Aufwendungen für direkte Kundenansprachen Marketing Management, speziell das Produktmanagement verbunden mit einem zielgerichteten Preismanagement haben einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens. Eine konsequente Planung der Aktivitäten ist unbedingt notwendig, um zum richtigen Zeit-punkt „frische Liquidität“ in das Unternehmen zu bringen und im Verlauf eines Produkt-Lebenszyklus positive Deckungsbeiträge für ein Produkt zu bekommen und mit dieser Liquidi-tät neue Produktentwicklungen zu finanzieren und unternehmerisch zu investieren. 2008 und 2009 sind wiederum gute exemplarische Jahre. Wenn es hier Unternehmen gibt, die eine soge-nannte antizyklische Investition in Forschung und Entwicklung investieren, dann treten diese in der Regel als Innovatoren aus einer wirtschaftlichen Flaute heraus und können am Markt zu-sätzlich Marktanteile gewinnen. Genau das ist mit einem konsequenten Cash Flow Manage-ment und Liquiditätsmanagement zu erreichen. Oftmals verliert man in unserer hochdynami-schen Welt den Blick für die primären Ziele. Bereichsebenen versuchen leider viel zu häufig, am gemeinsamen Strick zu ziehen und das Unternehmen und die Unternehmensziele gemein-

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20 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

sam weiter zu entwickeln. Ein Verständnis der grundlegenden Zusammenhänge der betriebs-wirtschaftlichen Bereiche ist dazu notwendig. Bereits auf den Universitäten wird eine Art Silo-denken, ein Denken in den jeweiligen betrieblichen Teilbereichen Kostenrechnung, Control-ling, Marketing, Verkauf, Produktion, gelehrt. Ein Verständnis der Zusammenhänge wird bei kompakten Ausbildungen wie dem Master of Business Administration vermittelt. Hier erhält der Teilnehmer oft in einer komprimierten Form Kenntnisse, wie ein Unternehmen erfolgreich gemanagt werden kann.

3.4 Kostenrechnung im Betrieb

3.4.1 Einige Grundbegriffe der betrieblichen Kostenrechnung Die nachfolgenden Begriffe der betrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung sollen einen allgemeinen Überblick geben. Er hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Fixe Kosten: Unter den fixen Kosten werden im Unternehmen jene Kosten verstanden, die produktions-unabhängig anfallen, ob nun der Betrieb an seiner Kapazitätsgrenze arbeitet oder einige Zeit keinen Auftrag zu bearbeiten hat. Hier werden in aller Regel Kosten zusammengefasst, die Verwaltungs- und Vertriebskosten betreffen, Zinsaufwendungen für Fremdkapital, eine Größe, die in jedem Fall anfällt, Aufwendungen für Lohn und Gehalt, Leasing für Produktionsmaschi-nen, Miete für Gebäude u.ä. Variable Kosten In der betriebswirtschaftliche Literatur wird man häufig auf den Gedanken stoßen, dass in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten, sei es nun betriebswirtschaftlich oder volkswirtschaft-lich anspruchsvoll, die Möglichkeit bestünde, die Preis bis maximal zur Basis der variablen Kosten zu senken. Ich rate von dieser Strategie auch oder besonders in wirtschaftlich anges-pannten Situationen dringend ab. Denn die Krise würde sich mit einer solchen Strategiereali-sierung nur noch verschlimmern. Weiterhin wäre auch zu berücksichtigen, dass im Falle einer Preisreduktion es äußerst schwer fallen wird, dem Kunden von einem höheren Preis in Kenn-tnis zu setzen und diesen auch zu vermarkten. Unter variablen Kosten versteht man im Allge-meinen jene Kostenarten, die direkt produktionsspezifisch und auftragsspezifisch anfallen. Einige Kostenarten, die unter dem Punkt fixe Kosten genannt wurden, sind im Falle einer pro-duktionsabhängigen Betrachtung variable Kostenarten, wie zum Beispiel Lohn und Gehalt in der Produktion. Hier werden die Aufwendungen den jeweiligen Aufträgen zugeordnet. Ebenso der Einsatz der Maschinen, die zur Erstellung unserer Produkte benötigt werden. Gemeinkosten: Gemeinkosten sind in aller Regel jene Kostenarten, die im Verwaltungs- und Organisationsbe-reich anfallen, Heizungskosten, Wasser, Strom und andere Kostenarten, die anschießend nach einem gewissen Verteilungsschlüssel auf die Kostenträger, auf die Aufträge zugerechnet wer-den. Einzelkosten: Einzelkosten können direkt dem Kostenträger, dem Auftrag zugerechnet werden. Dies sind Material, Maschineneinsatz, direkte Produktionsleistung u. a.

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 21

Kostenträger: Als Kostenträger sind interne oder externe Aufträge zur Erstellung der primären Leistung ge-meint. Deckungsbeitrag Der Deckungsbeitrag wird in der Literatur auch häufig mit DB abgekürzt. Man spricht auch von DB I, DB II und DB III. Die Kalkulation erfolgt nach der Formel:

DB I = Umsatz – variable Kosten (3.4)

DB II = DB I – fixe Kosten (3.5)

Es reicht vollkommen aus, sich mit DB I und DB II zu beschäftigen, wenn wir uns in intensiver Weise mit einem Controlling für den Vertrieb und das Marketing beschäftigen. Der nachgela-gerte Kostenblock, die Verwaltungskosten, wären verursachungsgerecht den Kostenträgern zuzuordnen. . Teilweise erfolgt eine weitere Untergliederung der Deckungsbeiträge durch eine feinere Strukturierung der Fixkosten in unterschiedliche Kostenblöcke. Durch eine entspre-chende Subtraktion erhält man somit auch weiter untergliederte Deckungsbeiträge. Es gibt hier, wie so häufig, eine Ausnahme der Regel: In nachfolgenden Kapiteln untersuchen wir die Um-satzrentabilität nach DB II auf Vertriebs- und Marketingebene. Hier sind alle Aufwendungen beinhaltet, die dem Vertrieb, dem Marketing direkt zuzurechnen sind. Es ist wichtig, dass sich das jeweilige Unternehmen stark um die Deckungsbeitragsstruktur kümmert. Der Vertrieb (Innen- und Außendienst) sollte vorzugsweise am Deckungsbeitrag variable entlohnt werden, nicht am Umsatz. Das veranlasst den Vertrieb, aus Unternehmens-sicht sorgfältiger mit Rabattforderungen der Kunden umzugehen und somit ein intensiveres betriebswirtschaftliches Verständnis zu entwickeln. Wenn dem Kunden Rabatte eingeräumt werden, dann belastet das zwei Geldbörsen, die des verantwortlichen Vertriebsmitarbeiters und die des Unternehmens. In der zweiten Phase ist der DB II eine entscheidende Steuergröße für das Produktmangement und die Produktionswirtschaft. Wir erkennen also bereits hier, dass eine genaue Zuordnung, eine genaue Allokation der Fixkosten auf die einzelnen Produktgrup-pen aus betriebswirtschaftlicher Sicht äußerst sinnvoll ist. Bezugskosten: Sind Kosten für Produkte oder Teilprodukte, die bei Lieferanten bezogen werden. Kalkulato-risch korrekt wäre es, Aufwendungen für die Verbringung der Waren mit einzurechnen. Einstandspreis: Hier handelt es sich um die Summe der Aufwendungen für ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung. Im Verlauf der supply chain (Lieferantenkette, oder besser Produktentste-hungsprozess) werden alle produktspezifischen oder auftragsspezifischen Kosten addiert. Die Summe stellt dann den sogenannten Einstandspreis dar. Dieser wird heutzutage mit der elekt-ronischen Datenverarbeitung schnell und transparent ermittelt. Bei kundenspezifischer Auf-tragsfertigung wird die Geschäftsleitung oder die Vertriebs und Marketingleitung einen Soll-Deckungsbeitrag vorgeben; mit diesem Faktor kann der Vertrieb dann den untersten Verkaufs-preis kalkulieren. Break Even Point: Hier handelt es sich um einen Bereich, an dem die Summe der Aufwendungen der Summe der Umsätze entspricht. Das Unternehmen erwirtschaftet in diesem Punkt keine Gewinne, keine positiven Deckungsbeträge (II). Es kann einen projektspezifischen, einen produktspezifischen

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22 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

oder einen unternehmensspezifischen Break Even Point geben. Im Rahmen einer Existenz-gründung oder aber auch bei der Erstellung eines wiederkehrenden Business Plans wird es einen Punkt geben, von dem an das Unternehmen mit der wirtschaftlichen Tätigkeit in den positiven Bereich gerät. Das ist der Break Even Point. Soll-Kosten vs. Ist-Kosten: Nachfolgend werden wir noch ein Beispiel der Zuschlagskalkulation sehen. Um diese Zu-schlagssätze auf die einzelnen Kostenarten bilden zu können, bedarf es einer gewissen Erfah-rung der Kostenverläufe über die Periode. Die Zuschlagssätze beziehen sich also auf Erfah-rungswerte der vergangenen Perioden. Am Ende der Periode erfolgt ein Vergleich, ob die Ist-Kosten auch den Soll-Kosten entsprechen. Schauen wir uns dies an einem aktuellen Beispiel an: Aufwendungen für Heizung, Streusalz und den Einsatz von Schneeräumfahrzeugen verlau-fen bei der Fraport AG nach einem vergleichbaren Prinzip. Erkenntnisse der Vergangenheit werden zu einem gewissen Wert zusammengefasst. Nun ist der Winter 2009/2010 ein wirklich strenger Winter gewesen; d. h. alle Kostenarten, die meine Heizung oder die Reduktion von Schnee und Eis auf den Start- und Landebahnen sowie an Fracht- und Passagierflugzeugen, sind im Verhältnis zu den letzten Jahren signifikant gestiegen. Wegen einer Abweichung der Soll- und Ist-Kosten sind die Kalkulationsgrundlagen zu diskutieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Kostenarten: Teilweise unbewusst ist schon häufiger der Begriff Kostenarten gefallen. Die unterschiedlichen Kosten im Unternehmen werden in einer gewissen Struktur zusammengefasst. So zum Beispiel die Aufwendungen für Lohn und Gehalt, Strom, Miete u.a. Kostenstellen: Eine Abteilung stellt in der Regel eine Kostenstelle dar. Verantwortlich ist der jeweilige Abtei-lungs- oder Bereichsleiter. Die Struktur kann entsprechend verfeinert und enger gefasst wer-den, so dass einzelne Personen, mit einer klar definierten Verantwortung, eine Kostenstelle darstellen können. Ein Projekt kann auch als Kostenstelle definiert werden. Nun klingt Kosten-stelle immer so, als würde es sich hier ausschließlich um die Generierung von Kosten drehen. Im Ziel einer jeden Kostenstelle sollte die Renditeorientierung stehen. Mit diesem Verständnis sind Profit-Center entstanden. So stellt eine Niederlassung eines Unternehmens nicht primär eine Kostenstelle, sondern ein Profit-Center dar. Wenn innerbetrieblich Leistungen, Teilpro-dukte oder Fertigprodukte transferiert werden, sind diese auch zu verrechnen. Kostenstellen sind nicht personengebunden. Eine Maschine in der Produktion kann auch eine Kostenstelle darstellen. Teilkostenrechnung Die Teilkostenrechnung beschäftigt sich mit der Betrachtung der Umsätze und der variablen Kosten. Eine Konzentration auf die fixen Kosten bleibt in detaillierter Form aus. Es besteht eine Kenntnis der Höhe der Fixkosten, ohne sich mit der verursachungsgerechten Zuordnung auf die Kostenträger oder auf die Produktgruppen zu beschäftigen. Vollkostenrechnung Im Gegensatz zur Teilkostenrechnung integriert die Vollkostenrechnung alle Kosten in die betriebswirtschaftliche Kosten- und Leistungsrechnung. Die besondere Herausforderung be-steht darin, die Fixkosten verursachungsgerecht auf die einzelnen Kostenträger und auf die Produkte, die Produktgruppen zurechnen zu können.

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 23

Prozesskostenrechnung Ein Thema, dessen Berücksichtigung sich auch hier kurz finden sollte. Traditionell wurde das Verständnis einer Prozessorganisation auf den klassischen Produktionsbereich beschränkt. Hier wurden Taktzeiten ermittelt und Abläufe strukturiert und organisiert. Nun ist aber, auch infolge von einer immer zunehmenden Konzentration auf kundenindividuelle Auftragsbearbeitung, der Bereich der traditionellen Fixkosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten sprungartig gestiegen. Damit macht eine zunehmende Konzentration – auch in Form einer Prozesskostenrechnung – für den Bereich der Fixkosten zunehmend Sinn. Die Vorgehensweise ist vergleichbar mit der Prozessorganisation in der Produktion. Man zerlegt den Prozess in verschiedene Teilprozesse, bringt Zuständigkeiten in den Prozess ein, unterlegt die einzelnen Teilprozesse mit Zeiten und Kosten und hat somit eine mehr als brauchbare Grundlage, um Kosten zu reduzieren und Pro-zesse zu optimieren. An dieser Stelle sei noch einmal der Hinweis erlaubt, dass eine enge Be-ziehung zwischen Kostenrechnung und Marketing Management besteht. Die nachhaltige Kon-zentration auf Prozessoptimierung kann zwei entscheidende Vorteile verbinden: – Eine Analyse der bestehenden Kosten im kundenorientierten Prozessablauf und damit ver-

bunden die Möglichkeit einer konsequenten und nachhaltigen Reduktion der A-Kosten, je-ne Kosten also, die einen großen Teil der analysierten Kosten ausmachen. Verbunden mit einer Reduktion dieser Kosten besteht die Möglichkeit, bei gleichem Deckungsbeitrag die Preise zu reduzieren, mehr Umsatz, mehr Absatz, eine bessere Verteilung der Fixkosten pro Einheit, mehr Marktanteil und eine nachhaltigere Position im Wettbewerb.

– Eine Konzentration und ein aktives Management der Prozesskosten kann der Unterneh-mung eine „unique selling proposition“ (USP), ein Alleinstellungsmerkmal im brachendy-namischen Wettbewerb einbringen. Dies kann ebenso wie die Konzentration auf die tradi-tionellen vier Marketing P’s (Preis, Promotion, Place und Product) eine wirkliche Kern-kompetenz des Unternehmens sein oder werden. In diesem Zusammenhang sei kurz TPS, das Toyota Production System, angesprochen. Es ist auch in der bundesdeutschen Automo-bilbranche hinreichend bekannt, dass Toyota die Automarke ist, die am effektivsten wirt-schaftet. Die Deckungsbeiträge und die Gewinne sind besser, als die von Wettbewerbern. Ein Grund dafür wird sicherlich sein, dass Toyota ein konsequentes Qualitätsmanagement-system hat und sich mit den Prozesskosten beschäftigt. Die Orientierung der Betriebe sollte nicht nur in angespannten wirtschaftlichen Zeiten erfolgen, denn eine Optimierung hat im-mer Platz im unternehmerischen Denken und Handeln.

3.4.2 Was war zuerst: das Huhn oder das Ei? Diese Frage hat sicherlich auch schon Charles Darwin beschäftigt. Wir untersuchen nicht den evolutionstechnischen Hintergrund oder die Entstehungsgeschichte der Erde und die damit verbundene Vielfalt der Arten, uns interessiert vielmehr, welche Zusammenhänge aus be-triebswirtschaftlicher Sicht zwischen Kosten und Preisen besteht. In der betriebswirtschaftli-chen Literatur, speziell in der Literatur des Marketings werden verschiedene Preisstrategien unterschieden. Es handelt sich dabei um die folgenden: – Prämienpreise stellen eine Hochpreispolitik dar, verbunden mit einem Premium-produkt

und einem hohen kommunizierten Kundennutzen – Promotionspreise richten sich auf eine Niedrigpreis- und Massenwarenpolitik – Penetrationspreise sollen bei der Produkteinführung schnell Marktanteile gewinnen. Der

Preis ist niedrig, es werden Eintrittsbarrieren für potentielle Wettbewerber aufgebaut, denn ein Kunde, der einmal zufrieden bedient wurde und von dem Produkt überzeugt ist, wird auch wieder bei unserem Unternehmen nachfragen. Im Ablauf des Produkt-Lebenszyklus

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24 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

wird der Preis kontinuierlich erhöht. Voraussetzung ist, dass loyale Kunden mittlerweile generiert wurden. Deren Preissensibilität ist nicht mehr so groß, da sie andere Dinge schät-zen, wie die gute persönliche Beziehung oder den guten Service.

– Skimming-Preise sind Preise, die beim Markteintritt hochpreisig angesetzt werden, um gerade in der Einführungsphase eines neuen Produktes schnell positive Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Der hochwertige Preis wird mit zunehmendem Wettbewerb und zuneh-mendem Lebenszyklus gesenkt. Kosten, die entwicklungsspezifisch sind, sind zu diesem Zeitpunkt bereits über die Verkaufserlöse wieder der Produktgruppe zugeflossen; d. h. dass in späteren Zeiteinheiten eine niedrigere Kostenbasis besteht und schneller (mit einem nied-rigeren Preis) ein positiver Deckungsbeitrag (DB II) erwirtschaftet werden kann.

Ich denke, um das Problem des Huhns und des Eies zu verstehen, sollten wir diese Zusammen-hänge genauer betrachten. Der grundsätzliche betriebswirtschaftliche, speziell der marketingspezifische Gedanke muss immer auf dem Markt, d. h. auf der Kundenseite beginnen. Daher möchte ich die Struktur der Preisstrategien in primäre und sekundäre Preisstrategien verändern: Primäre Preisstrategien Marktpreisorientierte Preisstrategie Hier ist wichtig, dass ich die Zielgruppe für mein Produkt oder meine Dienstleistung kenne und diese im Rahmen der Marketingforschung befrage, was ein solches Produkt kosten darf, wel-chen Preis der Markt dafür zu zahlen bereit ist. Hier können sehr wohl Argumente einfließen, wie Service, wie technische Hotline, wie Montage beim Kunden, wie Leihgeräte bei Defekten, wie persönliche Erreichbarkeit, wie Finanzierung oder Leasingangebote und partnerschaftli-ches Geschäftsgebaren. Für die genannten Faktoren werden potentielle A-Kunden gerne einen höheren Preis zahlen, verbunden mit der Sicherheit, dass man nicht im Regen stehen gelassen wird. Der marktpreisorientierte Ansatz stellt eine gängige Variante für eine Markterweite-rungsstrategie dar. Möchte ich meine Produkte im kommenden Geschäftsjahr in Polen, Tsche-chien, der Slowakei oder Bulgarien und Rumänien verkaufen? Die Frage nach dem Marktpreis wird uns hier ebenso beschäftigen, wie bei einer Produktneueinführung auf nationaler Ebene. In der betriebswirtschaftlichen Forschung wird der Begriff der Kaufkraftparitäten (KKP) be-stimmt. Dies wird auch mit dem Big Mac Index verglichen. In jüngster Zeit wurde sogar ein iPod Index entwickelt. Diese Faktoren oder Indizes sollen ein klar definiertes Produkt weltweit beschreiben und einen entsprechenden Preis festlegen. Es wäre schwer verständlich, wie in Rumänien oder Bulgarien eine Dose Red Bull an einer Tankstelle 3,50 EUR kosten sollte. Dies bedeutet, dass wir uns bei unserer primären Preisstrategie danach ausrichten müssen, was der Kunde (im B2C Bereich) an verfügbarem Haushaltseinkommen hat und wie z. B. der Nutzen einer Dose Red Bull im Verhältnis zu einem Pfund Jakobs Krönung gesehen wird. Im Business to Business-Bereich ist die Situation vergleichbar. Niedrigpreisregionen sind anfälliger für niedrigpreisige Anbieter. In Ländern, in denen die Menschen noch ein niedriges monatliches Einkommen haben, werden vielfach die Preise mit dem Einkommen verglichen und der Nutzen gegeneinander abgewägt. Kostenorientierte Preisstrategie Nachfolgend werden wir die Methode der Preisermittlung mittels der Zuschlagskalkulation kennen lernen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass ich im Rahmen meiner betriebli-chen Kostenrechnung die gesamten Kosten addiere, einen gewissen Gewinnzuschlag inklusive dem unternehmerischen Risiko kalkuliere und so den niedrigsten Preis für mein Produkt und meine Markteinführung ermittele. Eine kritische Würdigung sei an dieser Stelle erlaubt: Grundlage der Vorgehensweise (mag es nun das Huhn oder das Ei sein) muss in jedem Fall der

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 25

Markt sein. Mein Vorschlag wäre also der, dass es sinnvoller Weise eine Kombination aus dem marktpreisorientierten Ansatz und der kostenorientierten Methode sein sollte. Ich ermittele also im ersten Schritt einen absatzfähigen Preis am Markt. Mit diesem Preis sehe ich mir im Rah-men der kostenorientierten Strategie meine Kostenfaktoren an. Sollte eine positive Differenz zwischen dem avisierten Marktpreis und der Summe meiner Aufwendungen sein, dann muss die Überlegung folgen, ob dieser Gewinnzuschlag den Anteilseignern im Unternehmen aus-reicht, um diesen Schritt zu realisieren. Zu bedenken ist dabei auch, dass ich mit einer Auswei-tung meiner Marktpräsenz auch meine Stückzahlen in der Produktion ausweite, meine Absätze vergrößere, Kapazitäten national oder international auslaste, mich um Kunden kümmere und Kundenbeziehungen pflege, Informationen über den Markt und die Zielgruppen aktiv gestalten kann, und vor allem scheint ein niedriger Deckungsbeitrag sinnvoller, als einen gewissen Markt für eine längere Zeit nicht zu bearbeiten und das Feld meinem Wettbewerb zu überlas-sen. In Bezug auf das zuvor erwähnte Prozessmanagement, verbunden mit dem Gedanken der Prozesskostenrechnung, ist es an dieser Stelle interessant, die Kostenstrukturen zu verändern, dass international und national eine Optimierung eintritt. Wettbewerbsorientierte Preisstrategie Diese Variante der primären Preisstrategie wird in der Literatur immer wieder kommuniziert. Verabschieden Sie sich bitte nachhaltig von dem Gedanken, in irgendeiner Weise die Preise der Wettbewerber zu kopieren. Für den Vertrieb, das Marketing und die Unternehmensleitung wird es immer Bedeutung haben, die Preise der Wettbewerber zu kennen. Nun ist es aber an Ihnen eine Differenzierung Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung zu erreichen. Positionie-rung heißt hier das Zauberwort. Kommunizieren Sie konsequent Produktleistung und Produkt-nebenleistung, informieren Sie sich, welche Produktmerkmale für den Kunden welche Bedeu-tung haben und entwickeln Sie diese nachhaltiger, als der Wettbewerb; Sie werden nicht am Preis gemessen, sondern am Nutzen. Sie haben keine Informationen über die Kostensituation des Wettbewerbs. Ich halte es nicht einmal für realistisch, bei einer publikationspflichtigen Aktiengesellschaft eine spezifische Kenntnis über die Kostenstruktur pro Produktgruppe zu erhalten. Hier könnte es also zu einer Situation kommen, dass Ihr Wettbewerber seine Produkte und Dienstleistungen hoch profitabel anbieten kann, eine schlanke Kostenstruktur hat und Sie mit dem gleichen Preis nicht in der Lage sind, einen positiven Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Also noch einmal die Bitte: verabschieden Sie sich nachhaltig von diesem Gedanken. Mit der Analyse meiner primären Preisstrategie, also der Fragestellung, mit welchem Preis ich in den Markt einsteigen kann, erfolgt ein Feintuning in den Bereich der sekundären Preisstrate-gien. Hier kann also eine differenzierte Betrachtung der Marktsituation und der marketingpoli-tischen Zielsetzungen erfolgen. Sekundäre Preisstrategien Als sekundäre Preisstrategien würde ich die eingangs erwähnte Strategie des Marketing Mana-gements zur Preisfestsetzung sehen und derart definieren. Die soll bedeuten, dass es zunächst von elementarer Bedeutung ist, ob ich in einem bestimmten Markt meine Produkte oder Dienstleistungen mit der aktuellen Kostensituation anbieten kann oder eben nicht. Ist diese Grundsatzentscheidung einmal getroffen, ist es eine Art von Feintuning, darüber zu entschei-den, ob mein Angebot so gut und so innovativ ist, dass ich mit einer Hochpreisstrategie den Markteintritt wagen kann und dann im Laufe des Produktlebenszyklus meinen Preis reduziere oder eine andere Strategie verfolge. In jedem Fall sollte aber der von der Geschäftsleitung vorgegebene Mindestdeckungsbeitrag nicht unterschritten werden. Marketing-Profis könnten nun argumentieren, dass es zeitweise notwendig sei, um den Markt überhaupt entwickeln zu

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26 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

können. Dieser Aussage möchte ich widersprechen. Es kann und wird nicht sinnvoll sein, wenn nationale Produkte, nationale Absatzmärkte, internationale Marktentwicklung subventionieren und entwickeln sollen. Zu den derart definierten sekundären Preisstrategien zählen somit die folgenden: Prämienpreise, Promotionpreis, Penetrationspreise und Skimming Preise. Wir wollen dies mit einem kleinen Beispiel dokumentieren und erklären: Ein Unternehmen möchte Leitungsroller, die auch als Kabeltrommel bezeichnet werden, in den rumänischen Wirtschaftsmarkt einführen. Die Vertriebspolitik ist indirekt, d.h. man vertreibt über einen sogenannten Absatzmittler, der die Sprache spricht und die Verhältnisse vor Ort besser kennt, als wir dies könnten. Durch eine Vertriebsvereinbarung erhält der Absatzmittler eine Provision von 25 % auf den avisierten Preis. Nun ist es zunächst unsere Aufgabe, einen realistischen Marktpreis zu ermitteln und der Geschäftsführung unseres Leitungsrollerherstellers einen Marktpreis vorzuschlagen. Schauen wir uns diese Situation einmal in der Praxis an:

Tabelle 3.2: Ansatz zur marktpreisorientierten Preispolitik

Produkt Marktpreis Deutschland €

Marktpreis Rumänien €

Index/ Kalku-lation

Elektronisches Vorschaltgerät für Leuchtstoffröhre 55 W

25,00 17,50 0,7

Baustellenleuchte 36W mit Leuchtstoffröhre

250,00 95,00 0,38

Baustellenverteiler mit 2 mal 300V, 16A bzw. 2 mal 230 V, 10 A

371,00 219,00 0,59

Durchschnitt: 0,56

Tabelle 3.3: Kostenorientierte Preispolitik am Beispiel eines Leitungsrollers

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Materialeinzelkosten Stahlgestell, Vollgummikörper, Leitung, 4 mal 230 V Schuko-Steckdosen

52,78

+ Materialgemeinkosten 3 % von MEK 1,56 + Fertigungseinzelkosten 17,90 + Fertigungsgemeinkosten 2,5 % von FEK 0,45 = Herstellkosten pro Leitungsroller 72,69 + Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten 67 % von HK 48,70 = Selbstkosten des Auftrages 121,39 Soll Gewinnzuschlag 72 % Soll – Netto-Verkaufspreis 433,54 Unverbindlicher Endkundenpreis 578,05

In der Tabelle 3.3 gehen selbstverständlich Überlegungen wie eine ideale Chargengröße in der Fertigung mit in die Kostenrechnung ein. Gängige Produkte können also in einer idealen Char-gengröße gefertigt werden, und wenn nicht in der Gesamtzahl ein Auftrag gegenüber steht, gehen die Produkte auf Lager, und nachfolgende Aufträge werden direkt vom Lager ausgelie-fert. Die Tabelle 3.3 ermittelt die Selbstkosten am Beispiel eines Leitungsrollers aus Vollgum-mimaterial zu Einsatz auf Baustellen mit dem zusätzlichen Nutzen einer kundenspezifischen Robustheit. Mit der Kalkulation des Soll- Gewinnzuschlages wird der nationale Soll-Netto-verkaufspreis ermittelt. Nun stellt sich die Frage, ob unser Anbieter von elektrotechnischen

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 27

Spezialartikeln auch in Rumänien nach unserer Analyse in der Tabelle 3.2 die Leitungsroller anbieten kann und sollte.

Tabelle 3.4: Zielwerttabelle Preiskalkulation RO

Kostenart Zielpreis Rumänien Herstellkosten pro Leitungsroller 72,69 + Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten 48,70 = Selbstkosten des Auftrages 121,39 Gewinnmarge RO 0,50 Soll – Nettoverkaufspreis 242,78 Soll – Bruttoverkaufspreis 323,71

Die Werte Herstellkosten, Vertriebs- und Verwaltungsgemeinkosten und die Addition dieser Werte werden aus der Tabelle 3.3 übernommen. Dann vervollständigen wir die Tabelle mit der Kalkulation der letzten Zeile, den Soll-Bruttoverkaufspreis in Rumänien, der dem Wert der unverbindlichen Preisempfehlung entspricht.

Soll-Bruttoverkaufspreis = Endkundenpreis * Ø Index (3.6)

Der Soll-Nettoverkaufspreis ergibt sich durch die Kenntnis der Händlermarge wie folgt

Soll-Nettoverkaufspreis = Soll-Bruttoverkaufspreis * (1 – Händlermarge) (3.7)

Die für uns an dieser Stelle wichtigste Größe folgt nun, die Kalkulation der Gewinnmarge in Rumänien.

Gewinnmarge = 1 - Selbstkosten des Auftrages (3.8) Soll-Nettoverkaufspreis Durch Einsetzen der Werte in die Formel (3.8) erhalten wir 0,5. Das heißt, dass wir bei den vorliegenden Verhältnissen immerhin noch 50 % Gewinnmarge erwirtschaften. In der Tabelle 3.3 sehen wir, dass die Gewinnmarge in Deutschland mit 67% um einiges höher ist, als in un-serem neuen Zielmarkt. Wichtig ist hier, eine Verbindung zwischen avisiertem Absatz pro Verkaufskanal und pro Produktgruppe und der Kostensituation zu erwirken. Es gibt bei meiner Betrachtung grundsätzlich immer zwei Möglichkeiten. Es besteht die Möglichkeit, zu dem Zielpreis des Marktes die Produkte anzubieten oder eben nicht. In zweitem Fall ist die Kosten-struktur unseres Produktes zu analysieren und zu optimieren, um in einem zweiten Schritt den Eintritt in den avisierten Markt dennoch zu realisieren.

Tabelle 3.5: Optimierung der Kostenstruktur I

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Prozent von Gesamt Materialkosten 54,34 74,76 % v.HK Fertigungskosten 18,35 25,24 % v. HK Herstellkosten 72,69 59,88 % v. SK Verwaltungs- und Vertriebsge-meinkosten

48,70 40,12 % v. SK

Selbstkosten des Auftrages 121,39 Unser Optimierungsansatz muss also wie folgt organisiert werden: Zunächst schauen wir uns die Kostenstrukturen an und erkennen, dass die Herstellkosten 60 % der Selbstkosten des Auf-trages ausmachen. Hier ist also schon mal unsere erste Erkenntnis der Optimierung. Innerhalb

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28 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

der Herstellkosten macht das Material ca. 75 % aus. Hier besteht also unser Ansatz zur Opti-mierung. Es ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob ich auch einen Lieferanten im neuen Ver-triebsmarkt bekommen kann. Wir erinnern uns daran, dass ein Stahlgestell und ein Vollgum-mikörper, elektrische Leitung und Schutzkontaktsteckdosen in das Fertigprodukt eingehen. Schauen wir uns doch einmal an, wie sich die Situation auswirkt, wenn es uns gelingt, die Materialkosten um 20 % zu reduzieren. Tabelle 3.6: Optimierung der Kostenstrukturen II

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Prozent von Gesamt Materialkosten 43,47 Fertigungskosten 18,35 29,68 % v. HK Herstellkosten 61,82 59,89 % v. SK Verwaltungs- und Vertriebsge-meinkosten

41,42 40,11 % v. SK

Selbstkosten des Auftrages 103,24 Mit diesem ersten Optimierungsansatz reduziere ich meine Selbstkosten des Auftrages um ca. 15 %. Bei gleicher Gewinnmarge (0,5) kann ich also meinen Nettopreis auf 206,48 € reduzie-ren. Diese Möglichkeit der Kostenreduktion habe ich auch für meine Absatzvolumina im na-tionalen Markt. Das heißt, dass ich, je nach Preiselastizität der Nachfrage, meinen Absatz international ausbauen kann, Marktanteile erweitere und erfolgreicher am Markt auftrete, als meine Wettbewerber. Internationale Einkaufs- und Beschaffungspolitik ist für eine Prozessop-timierung genauso wichtig wie eine Konzentration auf Marketing, den Markt, die Zielgruppen und deren Bedarfe und Bedürfnisse. Ein kleiner Zielkonflikt mag in diesen Zusammenhang schon mal zwischen der Beschaffung und dem Qualitätsmanagement entstehen. Der Einkauf ist dazu angehalten, die Konditionen der A-Lieferanten stetig zu hinterfragen und in Verhandlun-gen zu Gunsten beider Seiten zu verändern. Im Rahmen von internationalen Beschaffungs-märkten kann es zu Schwierigkeiten bei der Qualität oder der Prozesskommunikation kommen. Dies ist zu berücksichtigen. Ein nachhaltiges Management ist hier also unbedingt notwendig.

3.4.3 Zielsetzung der betrieblichen Kostenrechnung In der betrieblichen Kostenrechnung geht es darum, die Summe der Kosten zu ermitteln. Man könnte nun interpretieren, dass diese Aufgabe gar nicht so schwer ist , denn mit einem Blick in die Gewinn und Verlustrechnung (GuV) kann man leicht die Summe der Aufwendungen pro Periode ablesen. Dies ist richtig und schnell durchgeführt. Die spezielle Herausforderung der betrieblichen Kostenrechnung besteht aber darin, eine Unterscheidung in fixe Kosten und va-riable Kosten zu unternehmen. Traditionell haben wir in der Betriebswirtschaft immer ein starkes Auge auf die variablen Kosten (jene Kosten, die grundsätzlich in der Produktion, in der Erstellung der primären betrieblichen Leistung entstehen). Nun ist aber, wie wir bereits aus anderen Quellen wissen, der Anteil der fixen Kosten an den Gesamtkosten immer gößer. Dies ist u. a. damit zu erklären, dass der Kundenbearbeitungsprozess immer individueller und komp-lexer wird. Es geht also um eine Differenzierung in Einzelkosten, jene Kosten, die direkt einem Kostenträger, einem Auftrag zurechenbar sind, und Gemeinkosten, Kosten, die im Rahmen der Leistungserstellung entstehen und die möglichst verursachungsgerecht auf die einzelnen Kos-tenträger, die einzelnen Aufträge umzulegen sind. Damit sind zwei Zielsetzungen verbunden: – Deckungsbeitragsrechnung und Gewinnrechnung nach Produktgruppe und Produkt als

wichtige betriebswirtschaftliche Entscheidung im Rahmen der Produktionswirtschaft, aber besonders im Rahmen der Produkt- und Preispolitik.

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 29

– Eine Verteilung oder Einbringung der betrieblichen Ressourcen (finanzielle und humane) in die Produktgruppen, die wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Dies kann in der letzten Kon-sequenz auch eine Veränderung der betrieblichen Prozesse zur Folge haben. Eine Prozess-flussanalyse ist nicht nur im Produktionsprozess, sondern auch im gesamten betrieblichen Verwaltungsprozess notwendig und ratsam, um die Kosten verursachungsgerechter den je-weiligen Kostenträgern zurechnen zu können.

In der betrieblichen Praxis gibt es nun verschiedene Möglichkeiten, wie die Gemeinkosten den Kostenträgern zugerechnet werden können. Schauen wir uns zunächst einmal eine Möglichkeit an, die recht einfach ist und die man sich gut merken und bei Bedarf auch ableiten kann.

3.4.4 Die Zuschlagskalkulation Die Struktur der Zuschlagskalkulation gefällt mir sehr gut, da es sich um eine einfache und klare Struktur handelt, die man sich jederzeit schnell ableiten kann und somit auch Grundla-genverständnis zum Beispiel im Rahmen einer Seminardurchführung in Marketing für Kosten-faktoren und Preisentstehungstrategien herstellen kann. Dies werden wir uns in der nachfol-genden Tabelle genauer ansehen.

Tabelle 3.7: Beispiel für eine Zuschlagskalkulation

Kostenart Höhe der Kosten in € Materialeinzelkosten (MEK) (Bestellungen, wie Edelstahl, Kunststoffe, Elektronik die an eine Maschine montiert werden)

3.210,00

Materialgemeinkosten (MGK) Schrauben, Nieten, Leim, sonsti-ges Berechnungsgrundlage: MGK = 10% von MEK

321,00

Fertigungseinzelkosten (FEK) (Aufwendungen für Arbeit, Maschinenstundensätze)

4.521,00

Fertigungsgemeinkosten (FGK) Berechnungsgrundlage: FGK = 125% von FEK

5.651,25

Herstellkosten (HK) Berechnungsgrundlage: HK= MEK+MGK+FEK+FGK

13.703,25

Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten Berechnungsgrundlage: VWVGK = 278% von HK

38.095,04

Selbstkosten des Auftrages (SK) Berechnungsgrundlage: HK+VWVGK

51.798,29

Die Übersichtlichkeit dieser Struktur ist das Charmante an dieser Zuschlagskalkulation. Nun sehen wir haben auch, dass in jeder zweiten Zeile ein gewisser Prozentsatz dem jeweiligen Basiswert zugerechnet wird. Um diesen Prozentwert zu erhalten, müssen einige Vorperioden wirtschaftlicher Tätigkeit bereits vorhanden sein. Mit den Erfahrungswerten diesen Perioden kommen wir zu einem Annäherungswert der Prozentsätze, die als Zuschlagssätze für die jewei-ligen Einzelkosten gelten und dem System den Namen geben. Anschließend wird im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs die Höhe der Zuschlagssätze überprüft. Schlanke und möglichst akku-rate Zurechnung der Kostenarten hat eine niedrige Selbstkostenbasis und damit (bei gleichem Soll-Gewinnzuschlag) einen niedrigen Preis zur Folge. Niedrige Preise können den Umsatz und den Marktanteil entsprechend ausbauen. Nun versuchen wir aber mit dieser Struktur auch Informationen über unser Preisangebot zu erhalten. In der Literatur der Wirtschaftswissen-schaften wird einiges über mögliche Preisentstehungsstrategien geschrieben. Nicht alles, was

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30 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

geschrieben steht, kann auch Anwendung finden. Die Preisorientierung mit der Basis der Kos-tenstruktur scheint mir eine sehr einfache und praktisch anwendbare Möglichkeit, die Preise zu kalkulieren. Unterscheiden wir hier doch die Nettopreise (im Business to Business-Geschäft ist dies der kundenindividuelle Preis, d. h. Bruttopreis minus potentieller Rabatte) und die Brutto-preise (in der Regel erstellt ein Unternehmen eine Bruttopreisliste, die zum Beispiel auch über den Elektrogroßhandel an den Elektriker und/oder den Endkunden gehen kann; die einzelnen Partnerunternehmen im Vertriebsprozess erhalten eine kundenindividuelle Rabattstaffel). Diese Methode hat den großen Vorteil, dass der Hersteller eines technischen Erzeugnisses nur eine Preisliste erstellen und dem Markt zur Verfügung stellen muss. Die einzelnen Rabatte, die im Rahmen der Supply Chain gewährt werden, sind versteckt und werden in der Regel in das Customer Relationship System des Unternehmens eingetragen und die jeweiligen kundenindi-viduellen Nettopreise automatisch kalkuliert. Für die Kalkulation unserer Nettopreise kann die Tabelle 3.2 dienen. Ausgangslage ist die Summe unserer Selbstkosten des Auftrages (SK). Hier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkei-ten. Entweder handelt es sich bei der Kundenbestellung um eine Einheit (Sonderfertigung, wie zum Beispiel im Maschinenbau, um eine Kleinserie oder um größere Stückzahlen, die aber immer noch einen Nischenmarkt betreffen können). Die avisierten Absatzzahlen werden durch die Marketingabteilung ermittelt. So erhält man auch die Selbstkosten pro Stück. Die Vorgabe der Geschäftsleitung kann nun lauten, verkaufen Sie das Produkt mit einem Ge-winnzuschlag von 7 % auf die Selbstkosten des Auftrages. Daraus ergibt sich die folgende Formel:

Nettopreis = Selbstkosten des Auftrages

(3.9) 1 – Soll-Gewinnzuschlag

Daraus ergeben sich mit den Werten der Tabelle 3.2: 51.798,29 / (1-0,07) � 55.697,09 € Der von der Geschäftsführung kommunizierte Wert für den Gewinnzuschlag ist verständlicher Weise ein Netto-Gewinnzuschlag. D. h. der soeben kalkulierte Wert von 55.697,09 € stellt also meinen niedrigst möglichen Nettoumsatz dar. Nun verkaufe ich mit einem Rabatt von 40 % auf meine Bruttopreisliste in den Elektrogroßhandel. Ihre Aufgabe als Produktmanager einer Ge-sellschaft kann also darin bestehen, die Werte für die Bruttopreisliste zu ergänzen. Hier lautet die Anwendung der Formel wie folgt:

Bruttopreis = Nettopreis

(3.10) 1 - Rabatt

55.697,09 € / (1-0,4) � 92.828,48 € Zur Kontrolle können wir die Aufgabe noch mal anders herum rechnen. Beginnen wir mit dem Bruttopreis 92.828,48 € * (1-0,4) � 55.697,09 € 55.697,09 *(1-,007) � 51.798,29 Kalkulieren Sie bitte mit der nachfolgenden Tabelle die Herstellkosten, die Selbstkosten des Auftrages, den Nettopreis und den Bruttopreis.

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 31

Tabelle 3.8: Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation I

Kostenart Höhe der Kosten in € Materialeinzelkosten (MEK) (Bestellungen, wie Edelstahl, Kunststoffe, Elektronik die an eine Maschine montiert werden)

5.473,00

Materialgemeinkosten (MGK) Schrauben, Nieten, Leim, Sonstiges Berechnungsgrundlage: MGK = 13,5 von MEK

Fertigungseinzelkosten (FEK) (Aufwendungen für Arbeit, Maschinenstundensätze)

11.215,00

Fertigungsgemeinkosten (FGK) Berechnungsgrundlage: FGK = 131 % von FEK

Herstellkosten (HK) Berechnungsgrundlage: HK= MEK + MGK + FEK + FGK

Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten Berechnungsgrundlage: VWVGK = 287 % von HK

Selbstkosten des Auftrages (SK) Berechnungsgrundlage: HK+VWVGK

Nettopreis Bei einem Gewinnzuschlag von 8,5 % auf die Selbstkosten

Bruttopreis 38,2 % Rabatt auf den Bruttopreis

Tabelle 3.9: Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation II

Kostenart Höhe der Kosten in € Materialeinzelkosten (MEK) (Bestellungen, wie Edelstahl, Kunststoffe, Elektronik, die an eine Maschine montiert werden)

7.212,00

Materialgemeinkosten (MGK) Schrauben, Nieten, Leim, Sonstiges Berechnungsgrundlage: MGK = 12,75 von MEK

Fertigungseinzelkosten (FEK) (Aufwendungen für Arbeit, Maschinenstundensätze)

23.789,00

Fertigungsgemeinkosten (FGK) Berechnungsgrundlage: FGK = 143 % von FEK

Herstellkosten (HK) Berechnungsgrundlage: HK= MEK + MGK + FEK + FGK

Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten Berechnungsgrundlage: VWVGK = 212 % von HK

Selbstkosten des Auftrages (SK) Berechnungsgrundlage: HK + VWVGK

Nettopreis Bei einem Gewinnzuschlag von 8,5 % auf die Selbstkosten

Bruttopreis 25,0 % Rabatt auf den Bruttopreis

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32 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Bei der Anwendung der Zuschlagskalkulation kann es zu Abweichungen kommen. Die Ge-meinkostensätze, die pro Kostenart zugerechnet wurden, variieren von den Erfahrungswerten der Vergangenheit. Hier erfolgt eine Nachkalkulation, verbunden mit der Errechnung des tat-sächlichen Erfolges eines Auftrages. Es sind zwei Möglichkeiten vorhanden. Eine Kostenüber-deckung, d. h. es wurden dem Auftrag zu viele Kosten berechnet. Das ist positiv für das Ergeb-nis, die reale Kostensituation ist geringer, als zunächst mit den Zuschlagssätzen kalkuliert, der Nettoverkaufspreis ist mit dem Kunden vereinbart, der Deckungsbeitrag steigt. Dies sollte allerdings keine Entschuldigung für eine „nachlässige Verrechnung“ der Gemeinkostensätze sein, denn falls die niedrigere Kostenstruktur zu erahnen gewesen wäre, wäre eine Preisreduk-tion ebenfalls mit unveränderten Deckungsbeiträgen möglich gewesen. Die zweite Möglichkeit wäre eine Kostenunterdeckung. Hier wurde dem Kunden ein Produkt oder eine Dienstleistung für einen zu niedrigen Nettoverkaufspreis angeboten. Der Verkaufspreis wurde mittels der zu diesem Zeitpunkt bekannten Zuschlagssätze kalkuliert, diese sind aber, wie sich in der Nach-kalkulation herausstellt, zu niedrig angesetzt worden. Die Kostenbasis steigt somit ungeahnt, der Nettoverkaufspreis ist fix und somit sinkt der Deckungsbeitrag. Unser Soll-Deckungs-beitrag und unser Soll-Gewinn kann nicht mehr erzielt werden. Ziel der Vor- und Nachkalkula-tion soll es sein, sich einem realistischen Wert anzunähern. Dieser entwickelt sich meist erst innerhalb von einigen Wirtschaftsperioden. Hierzu ein Beispiel zur besseren Übersicht und Verständlichkeit: Aufgabe: In einem Unternehmen, das Werkzeuge für den gehobenen Bedarf produziert, fallen in der Fertigung die nachstehenden Kosten an. Es soll eine Gewinnmarge von 16 % erwirt-schaftet werden. Kalkulieren Sie bitte die Selbstkosten des Auftrages und pro Einheit, wenn für diese Bestellung 32.000 Seitenschneider mit einer Isolierung bis 1.000 Volt produziert werden sollen. Errechnen Sie im zweiten Schritt den Soll-Verkaufspreis pro Auftrag und pro Einheit.

Tabelle 3.10: Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation III (Vorkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten (€) Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 42.000,00 Materialgemeinkosten 5 % von FM

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 7.850,00 Fertigungsgemeinkosten I 120 % von FK I

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 6.200,00 Fertigungsgemeinkosten II 145 % von FK II

Fertigungslöhne in Produktionsprozess III 3.840,00 Fertigungsgemeinkosten III 170 % von FK III

Summe der Herstellkosten: Verwaltung 17,8 % von HK Vertriebsgemeinkosten 7,8 % von HK Soll-Netto-Verkaufspreis:

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 33

Nun haben wir die Aufgabenstellung dahingehend verändert, dass es eine Vorkalkulation mit derzeit als realistisch eingeschätzten Zuschlagssätzen gibt. In der Tabelle 3.11 sind die realis-tisch angefallenen Kosten- und Verrechnungssätze eingetragen. Die jeweiligen Einzelkosten sind unverändert. Der prozentuale Verrechnungswert der Gemeinkosten nach Kostenstelle innerhalb des Produktionsprozesses variiert aber von den Soll-Werten. Nun ist es an uns, die Differenz dafür zu bestimmen und ob es sich um eine Kostenüberdeckung (es werden mehr Kosten verrechnet) oder eine Kostenunterdeckung (es werden weniger Kosten verrechnet) handelt. Übertragen Sie bitte den Soll-Nettoverkaufswert, den Sie in der Tabelle 3.10 errechnet haben, in die Tabelle 3.11, denn ein einmal mit dem Kunden vereinbarten Preis wird auch nach der Nachkalkulation nicht mehr variabel sein. Bestimmen Sie für die Tabelle 3.11 bitte die jeweiligen Zuschläge in absoluten Werten und kalkulieren Sie die Gewinnmarge für unseren Werkzeugbauer.

Tabelle 3.11: Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation IV (Nachkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten (€) Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 42.000,00 Materialgemeinkosten 4,25 % v FM

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 7.850,00 Fertigungsgemeinkosten I 112 % von FK I

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 6.200,00 Fertigungsgemeinkosten II 130 % von FK II

Fertigungslöhne in Produktionsprozess III 3.840,00 Fertigungsgemeinkosten III 156 % von FK III

Summe der Herstellkosten: Verwaltung 17,4 % von HK Vertriebsgemeinkosten 8,2 % von HK Soll-Netto-Verkaufspreis:

Aufgabe: In einem produzierenden Betrieb, der im hessischen Spessart, wo energiesparende Glühlampen hergestellt werden, die folgenden Kosten und Normalzuschlagssätze kalkuliert. Die Glühlampen werden über den Elektrogroßhandel mit einem Rabatt auf den Bruttopreis in Höhe von 35 % vertrieben. Der Kunde erhält zusätzlich 3 % Skonto. Die Gewinnmarge soll 12,8 % betragen. Bitte kalkulieren Sie mit der nachstehenden Tabelle die Selbstkosten für die Produktion der energiesparenden Glühlampen, wenn 1.000 Einheiten mit diesem Auftrag ge-fertigt werden, und bestimmen Sie den Brutto- und Nettoverkaufspreis der Glühlampen. In der Nachkalkulation haben sich einige (reale) Gemeinkostenzuschläge leicht verändert. Kalkulie-ren Sie bitte diese Veränderungen, erklären Sie, warum es zu diesen Unterschieden kommt und welche Kostenarten bzw. Kostenstellen zu überprüfen sind.

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34 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Tabelle 3.12: Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation V (Vorkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten (€) Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 726,00 Materialgemeinkosten 12 % von FM

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 15 Std. á 42,30 €

Fertigungsgemeinkosten I 135 % von FK I

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 17 Std á 39,48 €

Fertigungsgemeinkosten II 70 % von FK II

Summe der Herstellkosten: Verwaltung 11 % von HK Vertriebsgemeinkosten 8,8 % von HK Soll-Netto-Verkaufspreis: Soll-Brutto-Verkaufspreis

Tabelle 3.13: Tabelle Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation V (Nachkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten (€) Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 726,00 Materialgemeinkosten 10 % von FM

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 17 Std. á 42,30 €

Fertigungsgemeinkosten I 145 % von FK I

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 21 Std á 39,48 €

Fertigungsgemeinkosten II 73 % von FK II

Summe der Herstellkosten: Verwaltung 12 % von HK Vertriebsgemeinkosten 9,2 % von HK Soll-Netto-Verkaufspreis: Soll-Brutto-Verkaufspreis

Bei der Nachkalkulation wurde im Unternehmen eine Differenz zwischen den erwarteten und den tatsächlich angefallenen Kosten wahrgenommen. In dem nachfolgenden Fall sind nur die Einzelkosten für den Materialeinkauf bzw. den Materialverbrauch konstant geblieben. Die Fertigungslöhne haben sich verändert, da eine abweichende Arbeitszeit benötigt wurde. Bitte erstellen Sie die Tabelle 3.13 für die Nachkalkulation entsprechend den Angaben in der Tabel-

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 35

le. Den Soll-Brutto und somit auch den klar definierten Soll-Netto-Verkaufspreis nehmen Sie bitte aus Ihrer Kalkulation der Tabelle 3.12, denn unsere getätigte Zusage dem Kunden gege-nüber können wir bei einer veränderten Kostensituation nicht auf einmal einen höheren Preis verlangen. Es hätte ja auch zu einer Kostenreduktion in diesem Fall kommen können, dann hätten wir dem Kunden auch keine Gutschrift erstellt. Kalkulieren Sie bitte die neue (reale) Gewinnmarge.

3.4.5 Die Divisionskalkulation Die Divisionskalkulation gibt es in zwei Varianten: a) die einstufige Divisionskalkulation: Das Unternehmen hat nur ein Produkt am Markt. Dies hat im Rahmen der betrieblichen Kos-tenrechnung den großen Vorteil, dass eine Aufsplitterung der Kosten in Einzel- und Gemein-kosten entfällt. Ohne diese Aufsplitterung in Einzel- und Gemeinkosten müssen die anfallen-den Gemeinkosten auch nicht mittels umständlicher, aufwendiger oder hoch wissenschaftlicher Verfahren auf die Kostenträger umgelegt werden. Die Summe der anfallenden Kosten pro Wirtschaftsperiode wird lediglich durch die Summe der produzierten Einheiten dividiert, um die Selbstkosten des Auftrages zu erhalten.

Selbstkosten des Kosten-trägers =

Gesamtkosten der Wirtschaftsperiode (3.11)

Summe der produzierten Einheiten

Schauen wir uns dies einmal an einem Beispiel aus der betrieblichen Praxis an: Beispiel: Das Unternehmen „Easy“ in der bayrischen Rhön hat als Gründungsunternehmen zunächst ein Produkt, mit dem der Elektriker einfach und schnell, und vor allem auch ohne die Isolation zu verletzen, eine elektrische Leitung isolieren kann. „Easy“ nennt dieses Produkt „Easy knife“. In der Marketingforschung hat Easy in Erfahrung gebracht, dass man eine Sum-me von ca. 450.000 Einheiten im ersten Wirtschaftsjahr absetzten kann. Die Gesamtkosten dieser Wirtschaftsperiode betragen 320.000,00 €. Die Geschäftsführung hält das Produkt für so gut und so innovativ, dass mit einer Gewinnmarge von 27 % in den Elekt-rogroßhandel verkauft werden soll. Der Elektrogroßhandel hat wiederum eine Handelsmarge in Höhe von 18 %. Bitte kalkulieren Sie a) die Selbstkosten pro Einheit, b) den Nettoverkaufs-preis und c) den Bruttoverkaufspreis bei den angegebenen Gewinn- bzw. Handelsmargen.

Tabelle 3.14: Einstufige Divisionskalkulation

Produzierte Einheiten: 450.000 Gesamtkosten der Wirtschaftsperiode: 320.000,00 € Selbstkosten pro Einheit (450.000 / 320.000)

1,41 €

Nettoverkaufspreis pro Einheit 1,41 / (1 - 0,27)

1,93 €

Bruttoverkaufspreis (Handelsverkaufspreis) 1,93 / (1 - 0,18)

2,35 €

b) Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern: Der Unterschied zwischen der einstufigen Divisionskalkulation und der Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern liegt darin, dass die Anwendung von Äquivalenzziffern bei Unterneh-men Anwendung findet, die mehr als ein Produkt am Absatzmarkt anbieten. Basis stellt dabei

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36 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

immer das Produkt mit dem höchsten Absatzvolumen dar. Die Basis – das Hauptprodukt – hat die Äquivalenzziffer 1. Die anderen Produkte werden bezüglich der Kostenverursachung > oder < 1 bewertet, und die Gesamtkosten des Unternehmens werden dann in diesem Verhältnis auf die Äquivalenzziffern aufgeteilt. Schauen wir uns dies auch wieder an einem Beispiel an, um den Zusammenhang besser zu verstehen und die Kalkulation nachvollziehen zu können: Beispiel: Das Unternehmen „light for less“ produziert Glühlampen, die auf LED-Basis funktionieren und weniger Energie verbrauchen, als die herkömmlichen Glühlampen mit traditionellem Wolfram-faden. Es ist eine gängige Praxis, dass man die Leuchtmittel mit den Leistungsangaben versieht und vermarktet, die eine vergleichbare traditionelle Leuchte hätte, da der Konsument die Hel-ligkeit einkauft. In zweiter Linie wird beim Nachfrager auf die Kosten- und die Energieeffi-zienz geachtet. Daher stehen bislang beide Leistungsangaben, die alte und die neue, auf der Packungsangabe des Herstellers. Es werden in der Summe 98.500 Leuchtmittel mit vier ver-schiedenen Leistungsangaben gefertigt. Die Selbstkosten dieser Abrechnungsperiode betragen 32.833,00 €. Es wurde ein Verhältnis der Kostenzuordnung der einzelnen Produkte ermittelt, welches wie folgt angegeben wurde: 1: 0,75: 1,3: 1,1. Es sind nun die Selbstkosten für eine Einheit eines Typs zu berechnen.

Tabelle 3.15: Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern

Leistung/ Produkt

Produktions-menge

Äquivalenz-ziffer

Umrechnungs-zahlen

Selbstkosten pro Einheit

Selbstkosten je Typ

40 W 30.000 1,00 30.000 0,327 9.818,00 60 W 27.500 0,75 20.625 0,245 6.750,00 80 W 23.000 1,30 29.900 0,425 9.785,00

100 W 18.000 1,10 19.800 0,360 6.480,00 Summe: 98.500 - 100.325 - 32.833,00

Aus den Definitionen und Erklärungen der vorangegangenen Kapitel und Abschnitte wissen wir, dass sich die Selbstkosten aus den Herstellkosten (Materialkosten und Fertigungskosten) sowie den Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten zusammensetzen. In der Spalte Selbstkos-ten pro Einheit erfahren wir also unsere Selbstkosten und können mit einer Vorgabe oder Kenntnis einer Soll-Gewinnmarge auch unseren Soll-Nettoverkaufspreis kalkulieren. Eine kritische Würdigung dieser Methode ist eine einfache und übersichtliche Anwendung. Aller-dings – und hier kommt der entscheidende Unterschied – enthalten die Äquivalenzziffern keine Information darüber, welcher Art die jeweiligen Kosten sind. Handelt es sich um Einzel- oder Gemeinkosten? Ist das Material für eine 40 Watt Leuchte ein anderes, als für eine 80 Watt Leuchte oder benötige ich für die Vermarktung der unterschiedlichen Produkte unterschiedlich intensive Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten? Dies könnte z. B. damit erklärt werden, dass die Akquise-Tätigkeit unterschiedlich ist. Es könnte auch der Fall sein, dass der Produkti-onsaufwand unterschiedlich ist und die Differenzen der Äquivalenzziffern daraus resultieren. Wichtig an dieser Stelle bleibt, dass die Übersichtlichkeit auch hier im Vordergrund steht. Die Bildung der einzelnen Äquivalenzziffern ist nicht statisch, sondern wird nach jeder Abrech-nungsperiode (Monat, Quartal und Jahr) neu verglichen. Entscheidend ist hier auch der Markt-preis, den ich für die jeweiligen Produkte am Markt erzielen kann. Sollte es Engpässe in der Produktion geben, werden zunächst die Produkte und Sorten gefertigt, die den besten De-

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 37

ckungsbeitrag bringen. Wir werden dieses Thema bei der Deckungsbeitragsrechnung und der Kalkulation des relativen Deckungsbeitrages näher betrachten. Übungsaufgabe: Das Unternehmen „Tube-lighting“ produziert Leuchtstoffröhren. Die Einzelkosten werden je nach Sorte in Fertigungsmaterial und Fertigungslöhne getrennt. Die Gemeinkosten sollen mit-tels der Äquivalenzziffernmethode umgerechnet werden. Kalkulieren Sie bitte die folgenden Werte: a) Fertigungskosten b) Gemeinkosten als Basis der nach der Äquivalenzziffermethode zu verrechnenden Kosten c) Die Selbstkosten pro Sorte und pro Einheit d) Den Soll-Nettoverkaufspreis, wenn Sie von der Geschäftsleitung die Vorgaben erhalten

haben, mit einer Gewinnmarge von 27 % in den Großhandel zu verkaufen. e) Den Bruttoverkaufspreis einer Einheit, wenn der Elektrogroßhandel mit einer Handelsmar-

ge von 25 % arbeitet.

Tabelle 3.16: Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern (Übung)

Leistung Produkt

Produktions-menge Stk.

Fertigungs-material €

Fertigungs-löhne €

Äquivalenz-ziffern

Gemein-kosten

7 W 220.000 50.000 23.000 1,30 78% der Fertigungs-

kosten 25 W 350.000 70.000 31.000 0,95 60 W 650.000 125.000 110.000 1,0,

Summe: 1.220.000 245.000 164.000

3.4.6 Kostenträgerzeit- und Ergebnisrechnung Die Kostenträgerzeitrechnung ist die Grundlage zur Berechnung der Herstellkosten, der Selbstkosten und des Betriebsergebnisses einer Abrechnungsperiode. Es sind also zwei Möglichkeiten denkbar: a) Es wurden zu viele Kosten verrechnet, die Ist-Kosten liegen unter den Normalkosten. Es ist

eine Kostenüberdeckung vorhanden. Es entsteht ein zusätzlicher Beitrag zum Betriebser-gebnis.

b) Es wurden dem Kostenträger zu wenig Kosten real verrechnet, die Ist-Kosten liegen über den Normalkosten. Es ist eine Kostenunterdeckung vorhanden. Es entsteht eine Reduktion des Betriebsergebnisses.

Nun ist schon ein wenig der Zielkonflikt zwischen der Marketing- und Vertriebsabteilung und der Kostenrechnung erkennbar. Der Vertrieb hat natürlich Interesse, die Selbstkosten möglichst präzise bestimmen zu können und darüber verlässliche Angaben von der Kostenrechnung zu erhalten. Dies ist aber, wie wir auch in nachstehenden Beispielen sehen werden, nicht immer möglich. Bei einer Kostenüberdeckung hätte der Vertrieb im harten Verhandlungsfalle oder im Projektgeschäft die Möglichkeit einer zusätzlichen Preisreduktion, ohne eine Reduktion des Soll-Deckungsbeitrages oder der Soll-Gewinnmarge. Es besteht die Möglichkeit, dass eben diese zusätzliche Spanne der entscheidende Punkt war, wo der Kunde ausgestiegen ist. Je nach Preiselastizität der Nachfrage ist dieses Verhältnis also durchaus spannend zu betrachten. Für das Beispiel der nachfolgenden Tabelle wurden die folgenden Normalzuschlagssätze kal-kuliert: Materialgemeinkosten: 17 % v. MK, Fertigungsgemeinkosten 84 % von FK, Verwal-tungsgemeinkosten 12 % v.HK, Vertriebsgemeinkosten 9 % v. HK

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38 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Die Grundlagen für diese Kalkulation bieten auch hier wieder die Einzelkosten: Fertigungsma-terial: 17.850.000 €, Fertigungslöhne: 6.740.000 €. Es wurde im Rahmen der Nachkalkulation eine Summe der Herstellkosten des Umsatzes in Höhe von 33.286.100 € errechnet.

Tabelle 3.17: Betriebsabrechnungsbogen mit Normal- und Ist-Gemeinkosten

Kosten (€) Material Fertigung Verwal-tung

Vertrieb Summe

Ist-Gemeinkosten 2.499.000 5.324.600 3.661.471 3.495.041 14.980.112 Verrechnete Normal-Gemeinkosten

3.034.500 5.661.600 3.994.332 2.995.749 15.686.181

Überdeckung der Gemeinkosten

535.500 337.000 332.861 -1.205.361

Unterdeckung der Gemeinkosten

499.292 +499.292

14.980.112 Es ergibt sich in der Nachkalkulation ein Ist-Gemeinkostensatz von 14 % für die Materialge-meinkosten. Für die Fertigungsgemeinkosten werden in der Summe 5.324.600 € kalkuliert. Dies entspricht 79 % der Fertigungslöhne, die mit 6.740.000 € angegeben sind. Die Verwal-tungsgemeinkosten betragen 11 % der Herstellkosten und die Vertriebsgemeinkosten werden mit 10,5 % von den Herstellkosten als Ist-Gemeinkostenzuschlagssätze kalkuliert. In der Summenspalte ganz rechts in Tabelle 3.16 sehen wir also die entsprechenden Summenwerte und eine Kostenüberdeckung oder eine Kostenunterdeckung. Bei einer Kostenüberdeckung wurden dem Kostenträger zu viel Kosten belastet; d.h. das reale Betriebsergebnis wird höher ausfallen, als zuvor geplant. Bei einer Kostenunterdeckung werden dem Kostenträger zu gerin-ge Kosten berechnet; d.h. das reale Betriebsergebnis wird niedriger ausfallen, als zuvor ge-plant. Erinnern wir uns an die einleitenden Worte in diesem Buch. Was stellt das Hauptziel des Unternehmens dar? Eine gewisse Mindestverzinsung oder eine Mindestrendite des investierten Kapitals. In der nachfolgenden Tabelle werden wir uns diese Zusammenhänge noch einmal genauer ansehen.

Tabelle 3.18: Kostenträgerzeit- und Ergebnisrechnung

Nr. Kostenarten verrechnete Normalkosten in € 1 Fertigungsmaterial 17.850.000,00 2 Materialgemeinkosten 3.034.500,00 3 Materialkosten 20.884.500,00 4 Fertigungslöhne 6.740.000,00 5 Fertigungsgemeinkosten 5.661.600,00 6 Fertigungskosten 12.401.600,00 7 Herstellkosten 33.286.100,00 8 Verwaltungsgemeinkosten 3.994.332,00 9 Vertriebsgemeinkosten 2.995.749,00

10 Selbstkosten des Umsatzes 40.276.181,00 11 Nettoumsatzerlös 80.552.362,00 12 Umsatzergebnis 40.276.181,00 13 + Überdeckung lt. Tabelle 3.16 706.069,00 14 Betriebsergebnis 40.982.250,00

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 39

Schauen wir uns dieses Beispiel noch einmal genauer an, um das Verständnis ein wenig besser zu entwickeln: Die Materialkosten in Zeile 3 ergeben sich aus einer Summe aus Materialein-zelkosten und Materialgemeinkosten. Der Zuschlagssatz der Materialgemeinkosten ist mit einem Normalzuschlagssatz von 17 % auf die Materialeinzelkosten angegeben. Die Ferti-gungskosten in Zeile 6 errechnen sich als Summe aus den Fertigungseinzelkosten und den Fertigungsgemeinkosten. Der Normalzuschlagssatz der Fertigungsgemeinkosten wurde mit 84 % auf die Fertigungseinzelkosten angegeben. Die Herstellkosten in Zeile 7 ergeben sich aus einer Summe aus Materialkosten und Fertigungskosten. Durch eine Addition der Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten erhält man die Basis für die Selbstkosten des Umsatzes (Zeile 10). Nun haben wir von der Geschäftsleitung die Vorgabe erhalten, unsere Produkte mit einer Ge-winnmarge von 50 % zu verkaufen. Daraus errechnet sich der Nettoumsatzerlös aus „Selbst-kosten des Umsatzes / (1 - Gewinnmarge)“. Nun haben wir aber, wie wir in der Tabelle 3.17 gesehen haben eine geringere Ist-Kostenbasis, als wir bei den Normalkostenzuschlagssätzen verrechnet haben. Das bedeutet, dass wir die Kostenüberdeckung hier noch zu dem Betriebser-gebnis addieren müssen. Dieser Rechengang erfolgt in Zeile 13 und 14 der Tabelle 3.18. Jetzt ist für uns abschließend ebenfalls wichtig, den realen Ertragsanteil dieses Auftrages am gesam-ten Betriebsergebnis zu kalkulieren. Aufgrund der Einfachheit und der Übersichtlichkeit gehen wir hier davon aus, dass im Unternehmen eine Auftragsfertigung vorhanden ist. Die produzier-ten Einheiten sind also bestellt. Es gibt auch keine Differenzen zwischen Bestellmenge und optimaler Losgröße in der Produktion, sonst käme es hier noch zu Differenzen im Fertigwaren-bestand. Also die reale Gewinnmarge ist zu errechnen:

Reale Gewinnmarge = 1 - Selbstkosten - Kostenüberdeckung

(3.12) Nettoumsatz

� 51%; d.h. wir können die Vorgaben der Geschäftsleitung für diesen Auftrag übererfüllen. Wir erwirtschaften nicht die vorgegebenen 50% Gewinnmarge, sondern immerhin 51%. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, kann eine Kostenüberdeckung Vorteile bieten, die einfach darin liegen, dass eine gewisse Unsicherheit bezüglich der realen Kostensituation angenommen wird und in die Kalkulation der Normalzuschlagssätze einfließt. In der Tabelle 3.18 sind so ziemlich alle Größen variabel und veränderbar. Selbst die Materialkosten unterliegen ständigen Verhandlungen, und besonders bei den A-Produkten macht es Sinn, die Verhandlungen auch entsprechend nachhaltig zu führen. Der Umsatz ist eine Größe, die in aller Regel nach der Zusage eines Preises nicht mehr zu verändern ist. Wenn in unserem Betrieb also auftragsspezi-fisch angeboten und produziert wird, sollte eine möglichst realitätsnahe Information über die Kostenbasis vorhanden sein, damit der Vertrieb die Produkte und Dienstleistungen entspre-chend anbieten kann. Eine Kostenüberdeckung hätte also, wie wir hier gesehen haben – bei gleichbleibender Gewinnmarge – zur Folge, dass die Preisbasis niedriger angesetzt werden könnte. Dies könnte, je nach Verhandlungsmacht des Einkäufers, ein entscheidender Vorteil bei den Verkaufsverhandlungen sein. Schauen wir uns dies noch einmal in einer Übungsaufgabe an.

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40 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Tabelle 3.19: Übungsaufgabe

Nr. Kostenarten Verrechnete Normalkosten in € 1 Fertigungsmaterial 22.250.000,00 2 Materialgemeinkosten

14% v. FEK

3 Materialkosten 4 Fertigungslöhne 6.780.000,00 5 Fertigungsgemeinkosten

62% v. FEK

6 Fertigungskosten 7 Herstellkosten 8 Verwaltungsgemeinkosten

7,5 % v. HK

9 Vertriebsgemeinkosten 11% v. HK

10 Selbstkosten des Umsatzes 11 Nettoumsatzerlös 12 Umsatzergebnis 13 + Überdeckung lt. Angaben 690.280,00 14 Betriebsergebnis

Kalkulieren Sie bitte die folgenden Kosten: a) Materialkosten b) Fertigungskosten c) Herstellkosten d) Selbstkosten des Auftrages e) Nettoumsatzerlöse, wenn die Gewinnmarge 35 % betragen soll f) Umsatzergebnis g) Betriebsergebnis h) reale Gewinnmarge des Auftrages.

3.4.7 Deckungsbeitragsrechnung und relativer DB Unter diesem Gliederungspunkt sehen wir uns die Deckungsbeitragsrechnung als Teilkosten-rechnung an. Wie die Bezeichnung bereits ausdrückt, werden bei dieser Betrachtung lediglich ein Teil der Gesamtkosten, die variablen Kosten, bei der Kalkulation berücksichtigt. 2008 und 2009 hat eine bislang neue oder zumindest bis zu diesem Zeitpunkt nicht viel beachtete be-triebswirtschaftliche Disziplin auf den Markt gebracht, das Turnaround Management. Hier wird dem Betrieb – vor der Insolvenz – eine Möglichkeit aufgezeigt, wie man den Turnaround erreichen kann und den Betrieb mittel- und langfristig auf Kurs hält. Diese Lösungsansätze haben eine Kombination aus Marketing und Kostenrechnung. Entscheidend für den Ansatz ist eine Übersicht über Kostenstrukturen nach Produkt, d.h. ich muss von meiner Teilkostenrech-nung ein gutes Stück abweichen und meine gesamten Kosten in einer Vollkostenrechnung betrachten und auf deren Grundlage betriebswirtschaftliche Entscheidungen fällen. Auch im Marketing Management sprechen wir häufig von Produktentscheidungen, die im Rahmen des Lebenszyklus getroffen werden müssen. Diese Entscheidungen sind aber immer auch abhängig von zwei Faktoren:

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 41

a) Wie verändert sich der Gesamtmarkt. b) Wie verändern sich mein Umsatz und mein Marktanteil sowie der Gewinn im Ablauf des

Lebenszyklus. Schauen wir uns die Deckungsbeitragsrechnung einmal an einem Beispiel an: Beispiel: Im rheinland-pfälzischen Boppard, einer Region, die für ihren außergewöhnlich guten Wein bekannt und von Touristen gerne frequentiert wird, hat sich ein Unternehmen mit der Produktion von Türsprech- und Videotürsprechsystemen niedergelassen. Dieses Unternehmen ist die door GmbH. Es werden unterschiedliche Produkte gefertigt, die analog zur Automobil-industrie einfache und leicht zu merkende Bezeichnungen haben. Im abgelaufenen Quartal wurden für die Erzeugnisse A1, A2, V1 und V2 die nachfolgenden Daten ermittelt:

Tabelle 3.20: Daten der door GmbH

A1 A2 V1 V2 Summe: Verkaufspreis € 235,00 325,00 578,00 718,00 - variable Stückkosten € 117,00 211,00 320,00 458,00 - Fixkosten € 1.691.978,00 Absatzmenge in Stück 4.750 3.250 2.780 1.247 12.027

Wir können nun die folgenden Daten kalkulieren: a) Den Deckungsbeitrag gesamt pro Produktgruppe und pro Einheit einer Produktgruppe:

Deckungsbeitrag = Umsatz – variable Kosten (3.13)

Der Umsatz errechnet sich aus dem Nettoumsatz (auch hier sei noch einmal in Erinnerung gerufen, dass diese Produkte in aller Regel über den Großhandel vertrieben werden. Der Verkaufspreis des Elektrohandwerkers an den Endkunden, den Hausbesitzer oder die Wohnbaugesellschaft stellt den Bruttopreis dar, der auch vom Hersteller in den Verkaufs-unterlagen kommuniziert wird. Der Nettopreis ist hier relevant, da dies also wirklich den Nettoumsatz des Unternehmens ausmacht, pro Einheit multipliziert mit der Absatzmenge.

b) Die Fixkosten sind nur als Summe angegeben. Hier ist es also unsere Aufgabe, uns zu-nächst einmal darüber Gedanken zu machen, wie wir einen Verteilungsschlüssel für diese Kosten ermitteln können. Nun haben wir außer der Summe der Fixkosten (1.691.978 €) und den produzierten Einheiten pro Produktgruppe keine weiteren Informationen. Bilden wir also hier zunächst eine Division der Summe der Fixkosten mit der Summe der ver-kauften Einheiten. 1.691.978 / 12.027 � 14,068. Wenn wir die Absatzmenge pro Produktgruppe mit der soe-ben gebildeten Verrechnungszahl multiplizieren, erhalten wir die Fixkosten pro Produkt-gruppe. In einem weiteren Rechenschritt können wir auch die Fixkosten pro Einheit einer jeden Produktgruppe bestimmen.

c) Den Deckungsbeitrag (DB) als Subtraktion aus Umsatz und den variablen Kosten pro Produktgruppe und pro Einheit einer jeden Produktgruppe.

d) Den Gewinn pro Produktgruppe Schauen wir uns die Ergebnisse einmal in einer weiteren Tabelle an.

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42 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Tabelle 3.21: Ergebnistabelle door GmbH

A1 A2 V1 V2 Summe: Verkaufspreis € 235 325 578 718 - variable Stückkosten € 117 211 320 458 - Fixkosten € 68.823 45.721 39.109 17.543 1.691.978 Absatzmenge in Stück 4.750 3.250 2.780 1.247 12.027 Umsatz in € 1.116.250 1.056.250 1.606.840 895.346 4.674.686 DB pro PG in € 560.500 370.500 717.240 324.220 1.972.460 DB pro Einheit € 118 114 258 260 - Gewinn pro PG € 491.677 324.779 678.131 306.677 1.801.264 Gewinn pro Einheit € 104 100 244 246 -

Hier können wir mit den vorhandenen Angaben eine weitere Kennzahl schön errechnen.

Umsatzrentabilität = Gewinn

(3.14) Umsatz

1.801.264 / 4.674.686 � 0,385 oder 38,5% Ein entscheidender Nachteil unsere Zuordnung der Fixkosten auf die einzelnen Produktgrup-pen ist, dass es eine proportionale Zuordnung mit einer Verhältniszahl gegeben hat. Es sind keine Informationen vorhanden, ob die Produktion und/oder der Verwaltungsaufwand für eine Produktgruppe von den anderen signifikant abweicht. Festzuhalten bleibt also, dass eine Voll-kostenrechnung einer Teilkostenrechnung vorzuziehen ist, um Entscheidungen auf Basis der Gewinne pro Produktgruppe treffen zu können. Die Deckungsbeitragsrechnung ist eine häufig vereinfachte Darstellung, wie sie zum Beispiel auch im Vertrieb Anwendung finden kann, um eine rasche Entscheidung für den Kunden herbei zu führen. Für uns als Manager eines Industrie- oder Dienstleistungsunternehmens ist es von Bedeutung, das Verhältnis der Kosten pro Produkt oder Dienstleistung möglichst verursachungsgerecht zu ermitteln und mit diesen Informationen strategische Entscheidungen für unser Produkt- und/oder Dienstleistungsangebot zu treffen. Der Deckungsbeitrag pro Einheit ist schon einmal eine gute und wichtige Kennzahl für unsere Entscheidungen in der Gegenwart und in der mit-tel- und langfristigen Zukunft. In Situationen, in denen ich mein Produktionsprogramm auf-grund von Kapazitätsengpässen optimieren muss, spielt auch der sogenannte relative De-ckungsbeitrag eines Produktes eine wichtige Entscheidungsgrundlage. In allen Phasen wirt-schaftlicher Tätigkeit, also nicht speziell 2008 und 2009, in Zeiten, in denen eine wirtschaftli-che Zurückhaltung zu spüren war, ist es wichtig, das optimale Produktionsportfolio zu definie-ren und entsprechend der vorhandenen Kapazitäten einzusetzen. Nun kann es durchaus sein, dass man in Phasen, in denen die Produktion nicht ausgelastet ist, auch Produkte mit einem niedrigeren Deckungsbeitrag ins Produktionsprogramm aufnimmt, um die Kapazitäten auszu-lasten und die Mitarbeiter zu beschäftigen. Schauen wir uns diese Zusammenhänge einmal näher an. Beispiel: Ein Hersteller für elektrische Unterputzverteiler, zur Anwendung in industriellen, gewerbli-chen, kommunalen und privaten Haushalten, hat die folgenden Produkte mit dem folgenden DB im Produktangebot:

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 43

Tabelle 3.22: UP-Verteiler

UP-Verteiler Netto-Verkaufs-preis (€)

Variable Kosten/ Einheit (€)

DB/Einheit (€)

Slim E3 138,00 72,00 66,00 Slim E7 198,00 102,00 96,00 Max T4 245,00 147,00 98,00 Max T8 278,00 159,00 119,00

Wenn wir also bei der aktuellen Betrachtung nur von dem Deckungsbeitrag pro Produkt ausge-hen, weil wir unter Umständen gar keine weiteren Angaben haben, würden wir in der folgen-den Reihenfolge unsere Produktionskapazitäten auslasten:

Max T8 – Max T4 – Slim E7 – Slim E3 Das Thema der Zeiterfassung, der Zeitaufnahme für einen bestimmten Prozess oder Teilpro-zess, ist nun nichts ganz aufregend Neues mehr in der betriebswirtschaftlichen Praxis. Bil-dungs- und Beratungsunternehmen wie die REFA haben hier seit Generationen ihre wahrge-nommene Kernkompetenz am Markt. Sollten Sie also in Ihrem Betrieb keine Informationen über die Durchlaufzeit bzw. die reine Produktionszeit eines Produktes haben, so können Sie auch diese externen Dienstleister in Anspruch nehmen, die die einzelnen Produktionsschritte zeitlich erfassen und darstellen und Ihnen somit wertvolle Informationen über die variablen Kosten liefern können. Gehen wir nun bei unserem Produzenten für Unterputzverteiler davon aus, dass die unterschiedlichen Produkte die gleiche Produktionsanlage durchlaufen. Ihre ma-ximale Nettoproduktionszeit beträgt 15.000 Stunden.

Tabelle 3.23: Produktionszeit pro Produkt in Minuten

Slim E3 Slim E7 Max T4 Max T8 Produktions- und Montage-zeit in Minuten

4 7 9 12

Relativer DB = ( 60 Minuten

) * DB pro Einheit (3.15) Bearbeitungszeit pro Einheit

Tabelle 3.24: UP-Verteiler mit relativen DB

UP-Verteiler Netto-Ver-kaufspreis (€)

Variable Kos-ten/Einheit (€)

DB/Einheit (€) Relativer DB

Slim E3 138,00 72,00 66,00 990,00 Slim E7 198,00 102,00 96,00 823,00 Max T4 245,00 147,00 98,00 653,00 Max T8 278,00 159,00 119,00 595,00

Wir haben in der Tabelle 3.24 den Deckungsbeitrag ausgerechnet, der pro Produkt in einer Stunde erwirtschaftet werden kann. Nun stehen wir abschließend vor der Frage, wie wir unsere Produktion nutzenmaximierend bzw. nutzenoptimierend einsetzten können, um die Produkte nachhaltig am Markt zu platzieren. Schauen wir uns die abschließenden Zusammenhänge noch einmal in einen Tabelle an:

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44 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Tabelle 3.25: Lösungstabelle optimale Produktion von UP-Verteilern

UP-Ver-teiler

€ VK Netto

€ var. Kosten

DB € Relati-ver DB

Produk-tion/Std.

Absetzbare Menge

Summe Montagezeit

Slim E3 138 72 66 990 15,00 60.000 4.000 Slim E7 198 102 96 823 8,57 37.800 4.411 Max T4 245 147 98 653 6,67 40.020 6.000 Max T8 278 159 119 595 5,00 15.700 589 Summe: 15.000

Nun haben wir einige Tabellen und noch mehr Informationen und Werte erarbeitet. Was sollen uns diese Informationen sagen? Hier eine kleine Anleitung, wie eine solche Aufgabe zu lösen ist: – Der Nettoverkaufspreis und die variablen Kosten sind primär gegeben. – Mit diesen Informationen kann der Deckungsbeitrag pro Produkt errechnet werden. – Mit den Informationen in der Tabelle 3.23, den Produktions- und Montagezeiten pro Pro-

dukt, kann dann auch mittels der Formel (3.15) der relative DB, als der Deckungsbeitrag eines Produkten pro Stunde (im direkten Vergleich mit den anderen Produkten, die eine Produktionsalternative bilden könnten), gebildet werden.

– Wenn wir die Angaben der Tabelle 3.23 kennen, wissen wir auch, wie viele Einheiten wir in der Stunde produzieren können.

– Die absetzbare Menge, die in der Tabelle 3.25 angeben ist, ist ein Wert, der von unserer Marketing- und Vertriebsabteilung kommuniziert wurde. Im Idealfall stehen Aufträge im gleichen Wert gegenüber.

– In der Aufgabenstellung war die Information vorhanden, dass wir eine maximale Produkti-onskapazität von 15.000 Stunden haben.

– Nun gilt es, eine Rangfolge, ein Ranking für die Produkte zu bilden, die vorrangig zu pro-duzieren sein werden. Diese Rangfolge richtet sich ausschließlich nach dem relativen DB pro Produkt. Nun ist die Tabelle so aufgebaut, dass die Reihenfolge von oben nach unten abnimmt; d. h. die Produkte in den ersten Zeilen haben einen hohen relativen DB und sind somit vorrangig zu produzieren.

– Bei den Produkten in Zeile eins bis drei werde ich also so viele Einheiten produzieren kön-nen, wie Nachfrage oder potentielle Nachfrage am Markt vorhanden ist. Durch eine Kumu-lierung der bereits vergebenen Produktionskapazitäten stelle ich beim letzten Produkt fest, dass ich nur 2.945 Einheiten produzieren kann. Dann ist meine Produktionskapazität zu 100 % erfüllt. Die Marketingabteilung hat uns aber im Vorfeld darüber informiert, dass 15.700 Einheiten am Markt absatzfähig seien. Hier ist der Kapazitätsengpass der Produkti-on also erreicht. Durch eine Kumulierung der Produktionszeiten ist keine additive Produk-tion mehr möglich.

Es mag sich die Frage stellen, was ist nun mit den 12.755 Einheiten des Produktes Max T8, welche ich noch am Markt absetzen könnte. Zu Beginn wurde schon einmal erwähnt, dass es unter Umständen zu Zielkonflikten zwischen der Kostenrechnung und dem Vertrieb und Mar-keting kommen kann. Kommunizieren Sie dem Vertrieb, dass das Produkt Max T8 eine länge-re Lieferzeit hat. In der nächsten Periode wird voraussichtlich weniger von Slim E3 und E7 produziert, so dass der Bedarf des T8 auch produziert werden kann. Es bestünde auch die Mög-lichkeit der Mehrarbeit. Nun ist aber betriebswirtschaftlich zu hinterfragen, ob dies die einzig sinnvolle Entscheidung ist, denn eines ist gewiss: Die Zukunft ist ungewiss. Das soll heißen, dass ich selbst mit einem an Perfektion grenzenden Business Planning nicht weiß, was in der nächsten Periode real nachgefragt und produziert wird. Dann ist es fraglich, ob ein Produkt

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3.4 Kostenrechnung im Betrieb 45

oder ein Dienstleistungsangebot mit einem vergleichbar geringen relativen DB im Verhältnis zu den anderen Produktangeboten die überproportionalen Mehraufwendungen einer Kapazi-tätsausweitung rechtfertigen würden. In der betriebswirtschaftlichen Praxis müssen wir diese Herausforderung wieder differenzierter betrachten. Um ein besseres Verständnis für diese Zusammenhänge zu erhalten, wollen wir eine weitere Übungsaufgabe zu diesem Thema rechnen: Übungsaufgabe: Am Wallersee im Salzburger Land ist eine Unternehmung ansässig, die Leistungsschutzschal-ter für verschiedene Nennströme produziert. Nun ist seit einiger Zeit die Nachfrage auch auf-grund des dynamischen Ost- und Projektgeschäftes sehr gut verlaufen. Der Betrieb stößt an seine Kapazitätsgrenzen in der Produktion. Die Produktionsanlage verfügt über maximal 24.000 Produktionsstunden. Aufgrund der schönen Landschaft und dem hohen Freizeitwert ist an eine nachhaltige Ausweitung der aktuellen Arbeitszeit nicht zu denken.

Tabelle 3.26: Produktionszeiten und absetzbare Mengeneinheiten pro LS

Leistungsschutzschalter (1-phasig)

Produktions- und Montagezeit pro Einheit in Minuten

Absetzbare Mengen-einheiten

LS 10 A 6 5.916 LS 16 A 10 72.000 LS 20 A 12 30.000 LS 25 A 15 37.500

Tabelle 3.27: Preise und variable Kosten pro LS

Leistungsschutzschalter (1-phasig)

Nettoverkaufspreis € Variable Kosten €

LS 10 A 4,99 3,18 LS 16 A 2,49 1,39 LS 20 A 5,15 3,25 LS 25 A 5,25 3,30

Kalkulieren Sie nun bitte mit den vorhandenen Angaben die folgenden Werte: a) Den Deckungsbeitrag pro Einheit/pro Art und Stromstärke des Leistungsschutzschalters b) Den relativen DB mit den Angaben der Tabelle 3.26 c) Das optimale Produktionsprogramm unter Berücksichtigung des relativen DB und der Pro-

duktionskapazität. d) Die Vorgaben für die Umsatzrentabilität betragen 5,5%; kalkulieren Sie bitte den Gewinn

für dieses Geschäftsjahr. e) Die Fixkosten ergeben sich aus einer Differenz aus Umsatz, variablen Kosten und Gewinn. f) Wie würden Sie ein sinnvolles Verteilungsschema für die Fixkosten entwerfen? Kalkulie-

ren Sie die Fixkosten und die Gesamtkosten pro Produkt.

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46 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

3.5 Deckungsbeitrag und Gewinne optimieren Aus aktuellem Anlass sei wieder die Wirtschaftsperiode 2008/2009 genannt. Umsätze sind eingebrochen, sodass Aufwendungen für Investitionen von den meisten Unternehmen aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage zunächst eingefroren wurden. In Kapitel zwei haben wir bereits festgestellt, dass der Gewinn, bzw. die Optimierung des Gewinns nicht das betriebliche Haupt-ziel darstellt, sondern der Return on Investment. Sicherlich sind wir an dieser Stelle auch im-mer offen für potentielle Verbesserungsvorschläge, wie man die betriebliche Performance einfach und dennoch nachhaltig managen kann. Der ROI ist dabei eine gute, transparente und sehr übersichtliche Möglichkeit. Vergleichen wir also die nun folgende Tabelle mit der Abbil-dung 2.2, dem ROI-Baum.

Tabelle 3.28: DB und Gewinnoptimierungsansatz

in TEUR

Brutto-umsatz

Erlösschmä-lerung

Netto-umsatz

Variable Kosten

DB I Fixe Kosten

DB II

2008 2.250 553 1.697 750 947 832 115 2009 2.025 403 1.622 690 932 765 167

In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird häufig von „supply chain“-Management gespro-chen. Ich denke, dass dieser Begriff gut ist. Man kann aber auch den deutschen Begriff „Wert-schöpfungskette“ benutzen , mit dem Ziel diesen Prozess nachhaltig zu managen. Die Tabelle 3.28 stellt eine Umsatz- und Werteveränderung einer fiktiven Unternehmung in der Elektro-technik dar. Das Unternehmen produziert elektronische Vorschaltgeräte aller Art. Im Jahr 2008 macht das Unternehmen einen Bruttoumsatz von 2.250.000 €. In der Sparte 2 sind die Erlös-schmälerungen mit 553.000 € angegeben. Das Unternehmen vertreibt 70 % seines Umsatzes über den Fachhandel, dieser erhält einen Nachlass auf den Bruttopreis in Höhe von 30 %. Die übrigen 30 % des Umsatzes werden direkt an A-Kunden (industrielle Kunden) vertrieben. Da es sich hier meist um Key Accounts handelt, wird hier mit einem durchschnittlichen Nachlass in Höhe von 12% gearbeitet. Der Wert 553.000 € ergibt sich somit aus der Berechnung: (2.250.000 * 0,7) * 0,7 + (2.250.000 * 0,3) * 0,88 Mit diesem Wert gelingt es uns, durch eine Subtraktion des Bruttoumsatzes mit dem Rabatt einen Nettoumsatz zu kalkulieren. Die variablen Kosten in Höhe von 750.000 € kommen aus der Kostenrechnung. Durch eine Subtraktion Nettoumsatz und variable Kosten erhalten wir unseren Deckungsbeitrag I (hier im Jahr 2008: 947.000 €). Die fixen Kosten kommen ebenfalls aus der Kostenrechnung und gehen in unsere Ergebnisrechnung ein. Eine Subtraktion des DBI mit den fixen Kosten ergibt unseren DB II oder hier unseren Gewinn (vor Steuern). In der nachfolgenden Zeile der Tabelle 3.28 haben wir die Werte für das Geschäftsjahr 2009 eingetragen. Im Jahr 2009 gab es eine negative Umsatzentwicklung. Es wurde ein Umsatz-rückgang in Höhe von 10% festgestellt. Daraus folgt der Umsatz für 2009 wie folgt: 2.250.000 € * 0,9 = 2.025.000 € In der Spalte der Erlösschmälerung arbeiten wir hier mit unserem ersten Zielwert. Der Fach-handel erhält nun einen reduzierten Rabatt von 25 % und unsere Direktkunden werden mit einem durchschnittlichen Rabatt von 8% kalkuliert. Daraus ergibt sich unser Nettoumsatz für 2009 wie folgt: (2.025.000 * 0,7) * 0,85 + (2.025.000 * 0,3) * 0,92 = 1.622.000 €. Für die variablen Kosten (Material, Arbeitslohn, Maschineneinsatz u. a.) sowie für die fixen Kosten ergibt sich wieder als Zielwert eine Kostenreduktion um jeweils 8 %. Bei den variablen

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3.5 Deckungsbeitrag und Gewinne optimieren 47

Kosten ist dies 750.000 * 0,92 = 690.000 € und bei den fixen Kosten 832.000 * 0,92 = 765.000 €. Durch die erneute Subtraktion des DB I mit den fixen Kosten erhalten wir einen DB II (hier Gewinn) in Höhe von 167.000 € im Vergleich hatten wie in 2008 bei 10 % mehr Umsatz ca. 45 % weniger Gewinn. Also sei noch einmal festzuhalten, dass immer ein Optimierungsansatz besteht. In wirtschaft-lich schwierigen Zeiten genauso, wie in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität. Nun mag der Betrachter möglicherweise kritisch anmerken, dass es schwierig sein wird, die Konditionen im Verkauf, speziell im indirekten Vertrieb sowie im Key Account Management zu verschlechtern. Verpacken Sie Ihre Leistungsreduktion auf der monetären Seite mit einer Leistungserhöhung auf der nicht-monetären Seite. Vermitteln Sie dem Handelsunternehmen beispielsweise einige gute Ideen, wie man das Lager schlank halten und dennoch den Endkun-den zeitnah bedienen kann und verpacken Sie Leistungen, die bislang unentgeltlich waren, als Kompensation der Rabattreduktion. Sie sollten in jedem Fall an einer langfristigen Partner-schaft mit Ihrem Unternehmen interessiert sein. In einer differenzierten Betrachtung könnten wir uns hier noch das Rabattverhalten der Vertriebsmitarbeiter gegenüber Bestandskunden und gegenüber Neukunden ansehen. Neukunden sollten also mit niedrigeren Rabatten in die Kun-dendatei übernommen werden. Eine weitere Differenzierung des Rabattverhaltens sollte auch hinsichtlich A, B und C-Kunden erfolgen. Trainieren Sie mit Ihrem Vertrieb auch die Mög-lichkeiten, ein hartes Preis- und Rabattgespräch mit einem Großkunden unbeschadet zu über-stehen. Es wird vielfach in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur darüber gesprochen, dass Stillstand Rückschritt bedeutet. Dass dies nicht nur eine rhetorische Floskel ist, haben wir eindringlich in den letzten Monaten gesehen. Eine ständige Entwicklung der eigenen Leis-tungsfähigkeit steht also im Fokus unserer unternehmerischen Tätigkeit. Dabei gibt es derart viele Faktoren und Einflüsse zu berücksichtigen, dass zeitweise schon einmal der Überblick auf das Wesentliche abhanden zu gehen droht. Wir versuchen uns also auch in den folgenden Kapiteln, auf die Adlerperspektive zu konzentrieren, um den Gesamtüberblick zu behalten. Bitte denken Sie bei einer kritischen Betrachtung Ihrer unternehmensinternen Leistung immer daran, dass, wie oben beschrieben, nicht ausschließlich der Verkauf und die Marketingabtei-lung für eine Steigerung der betrieblichen Performance zuständig sein kann, sondern dass alle Bereiche, alle Abteilungen und alle Mitarbeiter im gleichen Boot sitzen, und um das Ziel zu erreichen, müssen alle rudern und den vorgegebenen Kurs einhalten. Wenn wir einen nachhal-tigen Blick auf unser ROI-Modell legen, werden wir erkennen, dass die Schritte, die wir in diesem Kapitel zur Gewinnorientierung gesagt haben, nur ein Teil des ROI-Managements darstellen. Betrachten wir also die zweite Möglichkeit, den Gewinn und den ROI zu beeinflus-sen und zu optimieren. Eine entscheidende Größe in diesem Modell ist das investierte Kapital, das sich aus dem Umlaufvermögen (Forderungen aus Leistungen und Lieferungen, Vorräten und Flüssigen Mitteln zusammen setzt) und dem Anlagevermögen besteht. Es ist zu beachten, dass der Kapitalumschlag erhöht wird. Dies könnte zum Beispiel ein gutes Argument für den Handelspartner sein. Hier besteht Ihre Aufgabe darin, dass Sie den Kapitalumschlag im Rah-men der Wertschöpfungskette managen und somit einen deutlichen Mehrwert für potentielle Absatzhelfer schaffen.

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48 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

3.6 Management des Angebotswesens In diesem Kapitel werden wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Kosten und Preisen be-fassen. Wenn sich die Grundlage der Kosten sich verändert, können sich auch die Preise, bei gleichem Deckungsbeitrag nach unten verändern. Dies kann positive Auswirkungen auf die Absatzmenge und den Umsatz haben.

3.6.1 Grundverständnis des Angebotes und des abgegebenen Preises In der betriebswirtschaftlichen Praxis gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Preisbe-stimmung. a) Ausgabe einer Bruttopreisliste (für den Endkunden), gemeinsam mit einer Vereinbarung,

die in aller Regel vom Kundenbetreuer zu erfolgen hat, über die kundenindividuelle Ra-battgestaltung. Hier scheint der Prozess im Angebot relativ einfach. In einem elektroni-schen Produktkatalog werden die Artikel, die der Kunde für sein Angebot benötigt, selek-tiert und in das individuelle Kundenangebot übernommen. Die Differenz von Brutto- und kundenindividuellem Nettopreis erfolgt direkt vom System aus. Hier ist, zumindest bei B- und C-Kunden nicht viel zu berücksichtigen. Bei A-Kunden könnte dies anders aussehen. Diese Art der Preis- und Angebotsermittlung kann in aller Regel mit standardisierter Ware oder Serienartikeln erfolgen.

b) Wenn es sich bei der Kundenanfrage aber um eine kundenspezifische Fertigung handelt, dann können wir die Kalkulationsgrundlage der Zuschlagskalkulation anwenden, um einen Angebotspreis zu kalkulieren. Wie in dem Beispiel der Tabelle 3.7 beschrieben, erarbeiten wir uns zunächst die Selbstkosten des Auftrages. Dann erhalten wir in der Regel von Seiten der Geschäftsleitung eine Information über einen Soll-Gewinnzuschlag, bzw. über eine Soll-Gewinnmarge. Mit diesem Zielwert können wir, wie in der Tabelle 3.7, den Netto-Verkaufspreis errechnen. Da der Kunde sicherlich einen Rabattsatz gewöhnt ist, sollte auch in diesem Fall (auch beim direkten Vertrieb) ein Bruttoverkaufspreis kalkuliert werden.

3.6.2 Wie wird der Angebotsprozess initiiert? Auch hier gibt es wieder zwei elementare Möglichkeiten: a) Im Rahmen eines Verkaufsgesprächs wird der konkrete Kundenbedarf in Erfahrung ge-

bracht. Diesen Vorgang würde ich als „aktiven Angebotsprozess“ beschreiben. D. h. im Verlauf des normalen Kundengesprächs eines Außen- oder Innendienstmitarbeiters fällt ir-gendwann die Frage nach den geplanten Projekten, die mit unseren Produkten realisiert werden. Dies nur am Rande: Ein guter Key Accounter weiß natürlich auch am Ende eines jeden Geschäftsjahres die Planungszeiträume für die Projekte, die in der kommenden Pe-riode pro Kunde anstehen werden, da dies selbstverständlich die Grundlage für den Busi-ness Plan des Unternehmens darstellt.

b) Die Kundenanfrage kommt ohne unser Zutun auf unseren Schreibtisch. Diesen Vorgang würde ich als „passiven Angebotsprozess“ bezeichnen. Sollte dieser Prozess ohne Kenntnis des jeweiligen Kundenbetreuers erfolgen, so wurde die Bedarfsanalyse bzw. das Jahresge-spräch und die Umsatzplanung nicht korrekt durchgeführt. Sicherlich gibt es auch hier zwei Möglichkeiten. Erstens ist die Angebotsanfrage von einem Bestandskunden erfolgt oder aber zweitens von einem Neukunden. Sollte es sich um einen Neukunden handeln, interes-siert uns natürlich, wie dieser Kunden auf unser Angebot und speziell auf uns, als Anbieter für elektrotechnische Sonderprodukte kommt. Dies sollten wir in Erfahrung bringen, um damit auch eine Art Effektivitätscontrolling für unseren Kundenprozess ableiten zu können.

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3.6 Management des Angebotswesens 49

Mein Tipp an dieser Stelle: Sollten Sie eine Anfrage von einem potentiellen Neukunden er-halten, greifen Sie bitte zum Telefonhörer und rufen Sie die zuständige Person an. Erkundi-gen Sie sich nach den Dingen, nach den Informationen, die für Sie wichtig sind. Prüfen Sie und vergewissern Sie sich, ob Sie in der Kundenanfrage alles richtig verstanden haben und erfragen Sie den zuständigen Ansprechpartner in der Fachabteilung. Sollte ein Außen-dienstkollege in der Nähe des Anfragers sein, würde es sicherlich einen äußerst guten Ein-druck vermitteln, wenn der Außendienst den Kontakt aufnimmt und schnell einmal beim Anfrager vorbei fährt und sich, die Produkte und das Unternehmen vorstellt. Dies wird si-cherlich schon im Angebotsvorfeld einen guten Eindruck machen und den Verkaufsberater positiv positionieren.

Bei einer Kundenanfrage ist es immer sinnvoll, zu hinterfragen und zu analysieren, wie wichtig und wie dringend für den Kunden eine zeitnahe Bearbeitung der Anfrage ist. Ich selbst habe stets versucht, den Kunden entweder am gleichen Tag oder innerhalb von 24 Stunden nach dem Erhalt der Anfrage zu bedienen. Auch hier muss das Telefon oder der persönliche Kontakt klar vor einen E-Mail-Kontakt stehen. Es gibt durchaus Kundenanfragen, speziell im Projekt-geschäft, die nicht die allerhöchste Dringlichkeit besitzen. Hier ist es also anzuraten, einen groben zeitlichen Ablauf mit dem Kunden zu vereinbaren, denn hier gilt auch, der Betrieb, der als erster das Angebot abgibt, muss nicht notwendigerweise der Beste sein. Also ruhig einen Tag mehr Zeit nehmen, um alle Details nochmals zu überdenken, ggf. Rücksprache mit ande-ren Abteilungen zu treffen und dann dem Kunden ein individuelles Angebot maßzuschneidern. In jedem Unternehmen sollte es Soll-Zeiten der Bearbeitung von Kundenanfragen geben. In einer anschließenden Fallstudie möchte ich auf dieses Thema weiter eingehen. Eine sinnvolle Darstellung des Angebotsprozesses wäre auch eine Integration der Nachfassaktion, also ein weiterer Kontakt des anbietenden Unternehmens, ob das Angebot den Vorstellungen des Nach-fragers entspricht und vor allem auch, wann denn mit einem Auftrag zu rechnen sei. In dieser Phase könnte es zu Korrekturbedarf des Angebots kommen. Um dies zu vermeiden, sollten Sie im Vorfeld alle Bedarfe des Kunden genau in Erfahrung gebracht haben. Der Angebotsprozess ist eine relativ aufwendige innerbetriebliche Angelegenheit. Stellen Sie also in der Bedarfsana-lyse genau fest, was der Kunde möchte. Wenn Sie eine technische Zeichnung erstellen, lassen Sie sich zusichern, dass dies genau das Produkt ist, das der Kunde erwerben möchte, denn dies ist eine kundenindividuelle Produktion. Seit einiger Zeit geht fast die gesamte Korrespondenz eines Unternehmens über Internet beziehungsweise über E-Mail. Wenn Sie die Angebotskor-respondenz starten, ist eine schriftliche Form, in Form eines kurzen, personalisierten Anschrei-bens zusammen mit einem individuellen Angebot zu empfehlen. Dies ist im europäischen Wirtschaftsraum meine Empfehlung. Diese schriftliche Form sollten Sie mit einer Vorab-E-Mail begleiten, um dem Kunden auch elektronisch Ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Sollten Sie auch Geschäfte im nicht europäischen Wirtschaftsraum eingehen, so würde ich in diesem Fall ebenfalls eine schriftliche Variante in Verbindung mit einer Vorab-E-Mail wählen. Ein entscheidender Unterschied sollte aber unbedingt eingehalten werden: Verbringen Sie Ihr An-gebot unbedingt mit einem Parcel Service (TNT, DHL oder andere). Der entscheidende Vorteil dieser Art der Verbringung ist, dass es schnell und zuverlässig geht. Sie erhalten eine Tra-ckingnummer, mit der Sie genau wissen wann, wo und bei wem Ihre Post abgegeben wurde. In einigen Ländernder Erde funktioniert die nationale Post nicht so schnell und zuverlässig wie in Deutschland.

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50 3 Liquidität als Erfolgsgeheimnis im Unternehmen

Tabelle 3.29: Angebotscontrolling I

Angebotswert (€)

1.000 bis 2.000

2.001 bis 5.000

5.001 bis 10.000

10.001 bis 15.000

15.001 bis 20.000

Anzahl der An-gebote (Stück)

30 18 12 11 8

Summe (€): 45.000 63.000 90.000 137.000 140.000 Cluster (€) 108.000 367.500 Prozent von Total 23% 77%

Tabelle 3.30: Angebotscontrolling II

Angebotswert (€) 1.000 bis 2.000

2.001 bis 5.000

5.001 bis 10.000

10.001 bis 15.000

15.001 bis 20.000

Anzahl der Ange-bote (Stück)

30 18 12 11 8

Summe (€): 45.000 63.000 90.000 137.000 140.000 Erfolgsquote vom Anzahl

20% (6)

23% (4)

16% (2)

45% (5)

55% (4)

Erfolgsquote Volumen

9.000 14.490 14.400 61.650 77.000

Gehen wir bei den Angaben in den Tabellen 3.29 und 3.30 einmal von der folgenden Aus-gangslage aus: Ein mittelständisches Unternehmen im hessischen Spessart produziert Leuchten und Stative für den industriellen Bedarf sowie für die Anwendung im Freien, wie auf Baustellen oder auch für die Bahn. In der Produktgruppe LED-Leuchten kommen die in Tabelle 3.29 genannten Anfra-gen innerhalb von einer Woche in das Unternehmen ein. Nun ist bekannt, dass die Mitarbeiter des Vertriebsinnendienstes neben der Angebotsnachverfolgung auch andere Dinge zu erledigen haben. Zum Beispiel kümmert man sich um die Angebotserstellung, die Kalkulation, die Kommunikation mit der Technik bezüglich Machbarkeit der Kundenanforderungen, der Ver-fügbarkeit des Materials, der Kommunikation mit dem Partner im Vertriebsaußendienst, mit organisatorischen Dingen und mit einer gewissen Zeit für Selbstorganisation. In diesen strate-gischer Geschäftseinheit, der LED-Leuchten, sind drei Personen angestellt. Es ist ein Durch-schnittswert von 20 Minuten pro Angebotsnachverfolgung eingeplant. Eine Summenbildung aus der Anzahl der Angebote (pro Auftragswert) und des Zeitbedarfs für die Nachverfolgung des jeweiligen Angebotes ergibt einen Wert von 1.580 Minuten. Dies entspricht 26,33 Stunden Zeitbedarf zur Angebotsnachbearbeitung (Teil eins). 3 Mitarbeiter sind in dieser Abteilung, die durchschnittlich 38,5 Stunden pro Woche arbeiten. Dies ergibt also 115,5 Mannstunden, d.h. jeder Mitarbeiter muss sich einen Tag pro Woche nur um die Angebotsnachverfolgung (Teil eins) kümmern. Nun wissen wir aus beruflicher Praxis, dass es schon einmal Differenzen zwi-schen Soll- und Ist-Werten geben kann. Hier sind also Prioritäten zu setzen. In der Tabelle 3.29 haben wir eine Zeile mit „Cluster“ bezeichnet. Die soll einfach nur verdeutlichen, dass hier verschiedene Werte der Spalten zu einer gemeinsamen Analyse zu einem sogenannten Cluster zusammengefasst wurden. Als Erkenntnis sehen wir hier, dass Angebote bis 5.000 € nur 23% des gesamten Angebotsvolumens ausmachen. Als Zielwerte sollten für uns zwei Kriterien Wichtigkeit haben:

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3.6 Management des Angebotswesens 51

a) Humanressourcen: Durch knappe Humanressourcen sowie durch eine nicht priorisierte Allokation von Tätigkeiten kann es dazu kommen, dass meine Zielwerte nicht erreicht wer-den können.

b) Angebots-Auftragsquote: Jeder Betrieb weiß, wie hoch mein Angebotswert im Verhältnis zu meinem Auftragseingang ist. Dieser Wert ist zu optimieren und als Zielvorgabe zu kommunizieren.

Wir sehen in der Tabelle 3.30, dass es grundsätzlich auch zwei Arten von Auftragsquoten gibt. Die nach Anzahl der Angebote und die nach Volumen der Angebotswerte. Schauen wir uns zunächst einmal die Angebotsquote nach Anzahl (Tabelle 3.30) an. Es ist zu erkennen, dass ich von 68 geschriebenen Angeboten 21 Aufträge erhalten habe. Dies entspricht einer Auftragsquote von 0,3 bzw. 30 % nach der Anzahl der Angebote. Als nächstes haben wir einen Blick auf die Quote nach Angebotsvolumen. In der betrachteten Arbeitswoche haben wir einen Angebotswert in Höhe von 475.500 € an die Kunden kommuniziert und ein Auftragsvo-lumen von 176.540 € erhalten. Dies entspricht ca. 37 % unseres Angebotswerts. Aus diesem Grunde scheint auch eine Art Clusterbildung wie in Tabelle 3.29 sinnvoll. Wir fassen zunächst die Angebote in Werteklassen zusammen und haben dann einen Blick darauf, wie viele Ange-bote wir pro Cluster haben und wie hoch das Volumen dieser Cluster ist. Um die oben genann-ten Faktoren Humanressourcen und Auftragsquote zu optimieren, ist es sinnvoll, sich mit Prio-rität auf die höherwertigen Angebote zu konzentrieren, die 77% des Angebotsvolumens aus-machen. Es geht es um 31 Angebote, die zu kontrollen sind. Wir erinnern uns, dass die Nach-verfolgung von einem Angebots 20 Minuten dauert. Wir haben lediglich einen Zeitbedarf von 10,33 Stunden. Dieser Vorgang ist zunächst einmal mit Priorität zu versehen, denn hier bringe ich relativ geringe Ressourcen ein und habe gute bis sehr gute Möglichkeiten, erfolgreich zu sein. Die Konzentration auf diese A-Angebotswerte ist mit Nachhaltigkeit zu betreiben. Schauen wir uns einmal an, wie sich unsere Auftragsquote verändert, wenn das Cluster, das wir als A-Angebotscluster bezeichnet haben sich in den drei Spaltenwerten jeweils um 4% nach oben verändert.

Tabelle 3.31: Angebotscontrolling III

Angebotswert (€) 1.000 bis 2.000

2.001 bis 5.000

5.001 bis 10.000

10.001 bis 15.000

15.001 bis 20.000

Anzahl der Ange-bote (Stück)

30 18 12 11 8

Summe (€): 45.000 63.000 90.000 137.000 140.000 Erfolgsquote Volumen

20% 23% 20% 49% 59%

Erfolgsquote Volumen

9.000 14.490 18.000 67.130 82.600

Mit der Veränderung von jeweils 4% als Zielwert für die A-Angebote, erhalten wir einen Auf-tragswert von 191.220 €. Dies entspricht einer Auftragsquote von ca. 40%. Die Differenz im Volumen entspricht (191.220 – 176.540) 14.680 €. Wir halten fest, dass eine Untergliederung der Angebotswerte nach Volumen ähnlich der Tabelle 3.29 – 3.31 zu erfolgen hat, um die Übersicht nicht zu verlieren und um die Ressourcen nutzenmaximal zu managen. Dann sollte man eine Entscheidung über eine Art Clusterbildung treffen, um die A-Angebotswerte gut nachzuarbeiten. Wenn dies erfolgt ist, ist eine Zielwertbildung nach Volumen vorzunehmen und entsprechend zu bearbeiten.

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4 Neues Unternehmensverständnis im dynamischen Wettbewerbsumfeld

4.1 Ganzheitliches Qualitätsmanagement und der Nutzen für das Unternehmen

Als erstes werden Sie sich fragen, welchen Bezug hat ein ganzheitliches Qualitätsverständnis im Unternehmen und Kostenrechnung bzw. eine Konzentration auf den Return on Investment. Ein ganzheitliches Qualitätsverständnis geht weit über die reine Produktqualität hinaus und zieht die Prozesse und die soziale Komponente im Unternehmen mit ein. Von entscheidender Bedeutung ist die Orientierung an einem Alleinstellungsmerkmal, einer Unique Selling Propo-sition (USP). Dies geschieht nicht durch qualitätsaffines Handeln, sondern durch eine Konzent-ration auf die Marktanforderungen, verbunden mit der Wahrnehmung, die entscheidenden Entwicklungsschritte nachhaltiger und qualitativ hochwertiger zu erledigen als die direkten Wettbewerber. Entstehungszeitpunkt dieses Buches ist die zweite Jahreshälfte 2010. Zu Beginn des Jahres hätte noch jeder, der tiefere Einblicke in die Automobilindustrie hat, Toyota als den Branchenmaßstab, als den Benchmark, in der automobilen Qualität genannt. Nun wissen wir aber, dass auch Toyota in jüngster Vergangenheit einige Fahrzeuge infolge von Qualitätsprob-lemen in die Werkstätten zurück rufen musste. Fragt man aber die Verantwortlichen im Ver-trieb von BMW oder Audi, vor welchem Anbieter sie derzeit am meisten Respekt haben, so wird sicherlich der Name Lexus, die Premiummarke von Toyota genannt werden. Nicht quali-tätsaffines Handeln, sondern eine Konzentration auf qualitativ hochwertige Ausführung und Handlungen über den gesamten Wertschöpfungsbereich mit dem Ziel, die finanzwirtschaftliche Leistung des Unternehmens zu steigern. Laut manager magazin online vom 02.02.2010 liegt das Ziel von Volkswagen, die aktuelle Umsatzrendite von 1,6% mittelfristig auf 5% zu erhö-hen. Hier läge VW in einem guten Mittelfeld zwischen Fiat, PSA Citroën und den nationalen Premiummarken BWM und Audi. Toyota hatte im Jahr 2007 eine Umsatzrendite von 11,3%. Der zweite in diesem Ranking ist BMW mit einem Wert von 7,2%, berichtet das online Portal mobile.de. Das weltbekannte und renommierte Massachusetts Institut of Technology, MIT hat ein Benchmark mit verschiedenen Faktoren für die Automobilproduktion in Japan, in den USA und in Europa aufgestellt. Drei der wichtigsten Faktoren möchte ich an dieser Stelle nennen: � Als Kennzahl für die Produktivität wird die Produktionszeit pro Fahrzeug in Stunden ange-

geben. In Japan beträgt diese Kennzahl 16,80 und in Europa 36,20. � Die Verbesserungsvorschläge pro Arbeitnehmer werden in Japan mit 61,60 und in Europa

mit 0,40 Verbesserungsvorschlägen pro Mitarbeiter und Wirtschaftsjahr angegeben. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Es könnte der Fall sein, dass sich europäische Mitar-beiter nicht so sehr darum bemühen, Prozesse und Abläufe zu überdenken und aufgrund ih-rer Kenntnis im Prozessablauf Dinge verbessern zu wollen. Primär ist also die Bereitschaft der Mitarbeiter zu diesen Verbesserungsschritten notwendig, dann erfolgt eine Wirtschaft-lichkeitsprüfung, eine Umsetzung bei Vorschlägen, die wirtschaftlich sinnvoll und eine Verbesserung darstellen sollten sowie eine wirtschaftliche Beteiligung des Mitarbeiters an dem additiven Mehrwert.

� Als dritten signifikanten Faktor habe ich die Trainingszeit pro neuen Mitarbeiter und Jahr heraus gegriffen. Diese ist in Japan 380,30 und in Europa 173,30 Stunden.

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_4,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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54 4 Neues Unternehmensverständnis im dynamischen Wettbewerbsumfeld

Ein bayrischer Automobilproduzent mit einem signifikanten weiß-blauen Logo hatte 2009 seine Mitarbeiter, die ein Fremdfabrikat fuhren, gefragt, ob sie mit ihrem Arbeitsplatz und ihrer Entlohnung zufrieden seien und warum sie dennoch eine Fremdmarke fahren würden. Wir erinnern uns, dass 2009 die Weltwirtschaft noch in eine etwas ungewisse Zukunft tendierte. Die Moral der Frage wird sicherlich kontrovers diskutiert werden, entscheidend sollte aber sein, dass es sicherlich keine andere Automarke gibt, die eine so interessante Produktbreite anbietet. Die Frage scheint mir an dieser Stelle also nicht nur äußerst interessant, sondern auch sinnvoll. In allen Bereichen der wirtschaftlichen Wertschöpfung von BMW ist der Mitarbeiter ganz und gar mit der Aufgabe, eine Premiummarke zu produzieren und zu vermarkten, be-schäftigt. Ist das Identifikationspotential so gering, dass ich nicht selbst die Marke fahren möchte, ist das Bedürfnis nicht so groß, selbst das Gefühl der „Freude am Fahren“ zu erleben, das Produkt an dessen Erstellung man maßgeblich beteiligt ist zu nutzen und als „Missionar“ die Freude am Fahren zu erleben und allen, die es wissen möchten mit einem breiten Grinsen im Gesicht von dem Erlebnis, einen BMW zu fahren, berichten zu können.

Abbildung 4.1 Reduktion der Gesamtkosten durch Qualitätsmanagement

Der amerikanische Physiker, Statistiker und Wirtschaftspionier William Edwards Deming hat eine Wertkette definiert, die in der Literatur gemeinhin als Deming Value Chain bezeichnet wird: � Qualitätsverbesserungen � Verbesserung der Produktivität � Reduktion der Kosten � Reduktion des Preises � Höhere Marktanteile � Stärkere Marktposition � Sicherstellung von Arbeitsplätzen � Return on Investment

Fehlerkosten

Kosten für Testprozesse

Fehlervermei-dungskosten

Fehlerkosten

Test

Fehlerver-meidungs-kosten

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4.2 Übersicht über Qualitätsmodelle 55

4.2 Übersicht über Qualitätsmodelle

Abbildung 4.2 Malcom Baldrige Award Model

In einer kritischen Würdigung beider o.g. Modelle bleibt festzustellen, dass beide eine gute Grundlage für ein kompetentes Qualitätsmanagement liefern. Ein Vorteil des EFQM Modells ist, dass eine Trennung in Befähiger (Enabler) und Ergebnisse (Results) erfolgt. Die Wichtig-keit der einzelnen Bausteine wird mit den jeweiligen Prozentwerten angegeben. Beide Seiten, die der Befähiger und die der Ergebnisse, halten sich mit jeweils 50% der Gewichtung die Waage. Für Ihr Unternehmen wird es in einer praktischen Umsetzungsphase wichtig sein, welche Faktoren zu bearbeiten sein werden und welchen Stellenwert Sie zum Beispiel einem Benchmark beifügen. Innerhalb von Europa gibt es einige Unternehmen, die sich nach dem EFQM, dem Modell der European Foundation for Quality Management zertifizieren lassen. Ein Zertifikat, ein Quality Award oder eine Hochglanzseite in einer Qualitätszeitschrift sollten aber nicht das Ziel des Qualitätsmanagements sein, sondern eine konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf die Kunden- und Marktbedürfnisse, verbunden mit dem Wunsch einer kon-tinuierlichen Verbesserung von unternehmerischen Abläufen. Wir sehen in beiden Modellen eine Konzentration auf die Markt- und Kundenbedürfnisse, die Mitarbeiterorientierung und die

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56 4 Neues Unternehmensverständnis im dynamischen Wettbewerbsumfeld

Orientierung an den gesellschaftlichen Einflüssen. Um diese Faktoren in einer Ist-Analyse zu bestimmen, sind die entsprechenden Kunden- und Mitarbeitergruppen zu befragen. An genau dieser Stelle steigt der bundesdeutsche klein- und mittelständische Betrieb gerne aus dem Qua-litätsmanagement aus, da eine Befragung immer eine Menge Arbeit für interne Mitarbeiter, aber auch für externe Beratergruppen bedeuten kann. Die alles entscheidende Frage wird aber sein, ob sich das Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil am Markt verschaffen möchte. Dies ist nun mal nur über die Aufnahme einer Ist-Analyse, einem Zielwert und einer konsequenten Zielerreichungsstrategie möglich. Nicht umsonst wird Total Quality Manage-ment auch als Management by Facts bezeichnet. Es gab in der Vergangenheit immer mal wie-der esoterische Strömungen in der Betriebswirtschaft, Bauchentscheidungen und andere kör-perliche Empfindungen standen vor der rationalen Entscheidungsgrundlage, die für einen jeden Manager, für jeden Unternehmer Grundlage des täglichen Handelns sein muss. Also an dieser Stelle die Bitte: Vertrauen Sie zeitweise auf Ihren Bauch, Ihr Gefühl oder sonst etwas, aber in betriebswirtschaftlichen Dingen sollten wir den Zahlen, Daten und Fakten vertrauen. Diese sind nachvollziehbar aufzubereiten und entsprechend als Entscheidungsgrundlage nutzbar.

Abbildung 4.3 Das EFQM Model für Business Excellence

Gerd F. Kamiske sagt (Kamiske, Gerd F., Qualitätsmanagement von A-Z, Hanser-Verlag, München, 1999), dass jede Aktivität im Unternehmen als Prozess aufgefasst und entsprechend verbessert werden kann. In der Kostenrechnung ist der Bereich der Prozesskostenkalkulation ein zunehmend wichtiger Bestandteil der innerbetrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung. Hintergrund ist, dass es zu einer signifikanten Veränderung der Zurechnung der Gemeinkosten,

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4.2 Übersicht über Qualitätsmodelle 57

aufgrund einer fehlerhaften Gemeinkostenallokation, kommen kann. Die Auswirkungen sind eine veränderte Kostenstruktur und veränderte und fehlerhafte Deckungsbeiträge pro Produkt-gruppe. Die Folge ist ein Verlust an Übersichtlichkeit, welche Produkte Prioritäten in der Pro-duktion (siehe unsere Aufgabenstellung der relativen Deckungsbeiträge) haben sollen und mit welchen Produkten welcher Anteil am Gewinn erwirtschaftet werden kann.

Abbildung 4.4 Die Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard ist ein Model, das auch die amerikanischen Unternehmensberater Kaplan und Norton zurückgeht. Hier wurde die Bezeichnung „Balanced“ gewählt, da traditio-nelle Controlling-Modelle in der Regel vergangenheitsbezogen sind. Eine Gewinn- und Ver-lustrechnung, eine Bilanzanalyse sind vergangenheitsbezogende Größen. Die BSC soll sowohl Daten und Informationen der Vergangenheit sowie der Gegenwart und der Zukunft beinhalten. Wichtig ist die Strategie und die kompromisslose Unterstützung des Top Managements bei der Einführung eines solchen ganzheitlichen System- und Controllingansatzes. Bei allen Systemen ist die folgende Reihenfolge der Bearbeitung notwendig: � Analyse der Ist-Situation � Vergleich der Ist-Situation mit den Branchenbesten, um den eigenen Status besser beurtei-

len (benchmarken) zu können. � Ableiten von Zielwerten aufgrund der Ist-Analyse � Erarbeiten einer Zielerreichnungsstrategie mit Festlegung der Verantwortlichkeitsbereiche � Kurz- mittel- und langfristige Ziele formulieren, kommunizieren und kontrollieren � Konsequentes Zielcontrolling � Unterstützung und Coaching durch externe Berater und das Top Management

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5 Prozesskostenrechnung

5.1 Warum Prozessmanagement und warum Prozesskostenrechnung

Ein betriebswirtschaftliches Verständnis und ein Verständnis des Marktes und der Kundenan-forderungen scheint eine komplexe Angelegenheit zu sein. Das Grundverständnis sollte in die Richtung gehen, dass Prozesse nach der Wertigkeit, d.h. der Wahrnehmung der Wichtigkeit auf Kundenseite strukturiert werden. Prozesse und Teilprozesse, die der Kunde als wichtig und werthaltig erachtet, sind entsprechend zu finanzieren und zu unterstützen. Prozesse und Teil-prozesse, die vom Kunden als nicht wertig erachtet werden, sind im Idealfall zu reduzieren, und die Ressourcen, in Form von Human- und Finanzressourcen, sind entsprechend umzulei-ten. Soweit ist das Grundverständnis der Prozessorganisation. In den Unternehmen gibt es, wie bereits angesprochen, schon einmal Zielkonflikte zwischen den einzelnen Bereichen und Ab-teilungen. Der Wertschöpfungsprozess kann so schon einmal ins Stocken geraten. Die Bearbei-tungszeit, die Lagerzeit und die Durchlaufzeit eines Produktes oder einer Dienstleistung kön-nen sich erhöhen und die Produktivität und die nachhaltige Marktstellung sinken. Für uns, als Kaufleute, oder als Techniker mit einem kaufmännischen Verständnis ist an dieser Stelle von Interesse, wie es zu dieser Veränderungstendenz gekommen ist. Uns ist bekannt, dass wir bis in die 70er Jahre von einem Verkäufermarkt gesprochen haben. Hier wurden Din-ge produziert, am Markt angeboten und abgesetzt. Es bestand ein Nachfrageüberangebot. Diese Zeiten haben sich doch – leider- geändert. Nun besteht ein Produktüberangebot. Das hergestell-te Gut findet nicht mehr automatisch einen Nachfragemarkt. Die Anbieter investieren verstärkt in Marketingforschung, um die Bedarfe der Zielgruppen besser zu verstehen und in der Pro-duktentwicklung nachhaltiger als der direkte Wettbewerb zu befriedigen und somit eine Vorteil am Markt zu erhalten. Durch diese zunehmende Konzentration auf tendenziell gemeinkostenar-ten orientierter Unternehmensführung, kann die Gewichtung der Gemeinkosten ein Vielfaches der Einzelkosten ausmachen. Um hier eine möglichst realitätsnahe Zuordnung der Gemeinkos-ten zu erreichen, beschäftigen wir uns mit der Prozesskostenrechnung. Die Online- Enzyklopä-die wikipedia schreibt, dass die Prozesskostenrechnung auf die Grundlagen der ABC, der acti-vity based costing-Methode, die in den USA entwickelt und verfeinert wurde,zurück geht. Dieser Ansatz wird auch in Wikipedia recht kontrovers diskutiert. Wichtig scheint mir an die-ser Stelle, dass beide Ansätze das gleiche Ziel verfolgen: die Zuordnung der Gemeinkosten nach der realen Aufwendung der jeweiligen Ressource zu berechnen. Die REFA beschreibt in ihrem Modul Kostenrechnung und Kalkulation mit Prozesskosten den Ablauf für eine Einfüh-rung einer Prozesskostenrechnung wie folgt: Phase 1: Vorbereitungsphase � Projektorganisation schaffen � Untersuchungsziele beschreiben � Untersuchungsbereiche auswählen � Betriebsrat, Führungskräfte und Mitarbeiter informieren Phase 2: Planungsphase � Tätigkeitsanalyse durchführen, kostentreibende Prozesse bestimmen � Teilprozesse zu Hauptprozessen zuordnen und eine Prozesshierachie aufstellen

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_5,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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60 5 Prozesskostenrechnung

� Teilprozesse nach leistungsmengeninduzierten (lmi) und leistungsmengenneutralen (lmn) klassifizieren

� Plankosten je Kostenstelle ermitteln � Plankosten auf Teilprozesse aufteilen � Prozesskostensätze errechnen � Kalkulation durchführen Phase 3: Durchführungs- und Realisierungsphase � Leistungsmengenneutrale Gemeinkosten budgetieren und kontrollieren � Soll- und Ist-Kosten ermitteln � Soll-Ist-Vergleich durchführen � Maßnahmen zur Behebung der Abweichung durchführen.

5.2 Prozesskostenrechnung am Beispiel eines klassischen Gemein-kostenprozesses

Die Logistik und der Einkauf/Beschaffung sind klassische betriebliche Bereiche, die zu den Gemeinkosten kalkuliert werden. In der o.g. Phase 2 sehen wir, dass eine Tätigkeitsanalyse durchzuführen ist, ein Bereich, in dem die REFA als Dienstleister für Zeitaufnahme in der Produktion wahrgenommen wird. Nun ist die Situation aber nicht in der Produktion, sondern im kaufmännischen Bereich durchzuführen. Hier wird es unter großer Wahrscheinlichkeit zu Widerständen der Abteilungs- und Bereichsleitung kommen. Ein jeder Mitarbeiter hat bis über beide Ohren Arbeit, möchte aber ungern darüber befragt, oder gar kontrolliert werden, welche Tätigkeiten oder Prozesse im Einzelnen im täglichen Geschäft anfallen. In meiner betriebswirt-schaftlichen Tätigkeit habe ich feststellen können, dass die Leistungskraft eines Betriebes an zwei elementaren Faktoren nachhaltig zu kontrollieren ist. Diese sind: � Organisationseffizienz � Aktivitätsgrad Nun wird sich die normale Situation im Unternehmen einstellen, dass die Mitarbeiter in allen Bereichen und auf allen Arbeitsplätzen einen Aktivitätsgrad von 100% haben. Dem ist in aller Regel auch nicht zu widersprechen. Unsere Aufgabe in einer leitenden Managementfunktion ist es aber, den Arbeitsplatz dieser Damen und Herren auch nachhaltig zu garantieren und das Unternehmen und deren Produkt- und Dienstleistungsangebote am Markt zu positionieren. Damit ist die Anwendung und die Notwendigkeit der Prozessanalyse auch schon erklärt. Die Definition des Prozesses und die Aufteilung in Teilprozesse sowie die Hinterlegung von Kos-ten und Aufwendungen pro Teilprozess ist eine sinnvolle Ausgangsbasis auf dem Weg zur Kostenanalyse und Kostenreduktion. Kostenreduktion heißt in keinster Weise, dass die Mitar-beiter nicht mehr gebraucht werden, nein, das heißt vielmehr, dass wir uns um eine höhere Organisationseffizienz bemühen und ein Kostenreduktionsprogramm im Bereich der Gemein-kosten anstoßen. Wir erinnern uns auch daran, dass eine nachhaltige Konzentration auf den innerbetrieblichen Prozessablauf durchaus ein komfortabler Wettbewerbsvorteil sein kann. Eine niedrige Kostensituation kann zu niedrigen Angebotspreisen und einem hohen Marktan-teil führen. In dem nachfolgenden Beispiel sind 6,5 Mitarbeiter in der Abteilung beschäftigt. Eine Teilzeit-stelle wird von einer jungen Mutter, 31 Jahre, wahrgenommen, die vormittags im Unternehmen ist. In unserer Betrachtung gehen wir aus der Sicht des Unternehmens von den Bruttolohnauf-

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5.2 Prozesskostenrechnung am Beispiel eines klassischen Gemeinkostenprozesses 61

wendungen plus Anteil für Sozialaufwendungen für den Arbeitgeber aus. In der Abteilung Einkauf und Beschaffung haben wir Bruttolohnaufwendungen in Höhe von 723.937,50 €. Die Tätigkeiten und die Prozesse, sowie deren Dauer wurden analysiert.

Tabelle 5.1 Mannjahre pro Teilprozess

Prozess / Teilprozess Ist Kapazität in % der Mannjahre

Kumulierte Prozent-werte

Angebote einholen 12% 12% Verträge abschließen 25% 37% Bestellungen aufgeben 18% 55% Reklamationen bearbeiten 22% 77% Kontakte zu Lieferanten pflegen 12% 89% Organisation und Leitung 11% 100% Summe: 6,5 Mitarbeiter

Tabelle 5.2 Aufteilung der Prozessgesamtkosten auf die einzelnen Teilprozesse

Prozess / Teilprozess Ist- Kosten in € Grundlage Messgröße Angebote einholen 86.872,50 lmi Anzahl Angebote Verträge abschließen 180.984,38 lmi Anzahl Verträge Bestellungen aufgeben 130.308,75 lmi Anzahl Bestellungen Reklamationen bearbeiten 159.266,25 lmi Anzahl Reklamationen Kontakte zu Lieferanten pflegen 86.872,50 lmn Qualitativ Organisation und Leitung 79.633,13 lmn Qualitativ Summe: 723.937,50

Wir haben zunächst in der Tabelle 5.1 die Zeiten, die wir für die einzelnen Teilprozesse benö-tigen, analysiert und in der Tabelle 5.1 als Prozentwert von Gesamt, hier im Beispiel 6,5 Mann-tage. Als Grundlage für die Tabelle 5.2 dient uns die Information über die gesamten Aufwen-dungen für den Prozess Einkauf und Beschaffung, der hier mit einer Summe von 723.937,50 angegeben ist. Die Summe der Aufwendungen wird mit dem jeweiligen Prozentwert je Zeile und Teilprozess multipliziert, und wir erhalten unsere Kosten und Aufwendungen für die je-weiligen Teilprozesse. Die Spalte, die mit Grundlage bezeichnet ist, beinhaltet Informationen, die lmi = leistungsmengeninduziert und lmn = leistungsmengenneutral bezeichnet werden. Dies klingt ein wenig kompliziert, ist aber die am häufigsten in der Fachliteratur anzutreffende Bezeichnung. Davon möchten wir hier nicht abweichen. Die Zeilen, die leistungsmengenindu-ziert sind, haben eine klare und eindeutige Messgröße, wie die Anzahl der Angebote, die An-zahl der Reklamationen. Leistungsmengenneutrale Faktoren, wie die Leitung der Abteilung oder die Kontaktpflege zu Lieferanten, können nicht direkt als Messgröße bestimmt werden. Daher bezeichnen wir diese als leistungsmengenneutral. Die erfolgversprechende Aufgabe der Prozesskostenrechnung wird es also sein, möglichst viele Teilprozesse als leistungsmengenin-duziert zu analysieren, um somit ein gutes Kostenverhältnis zwischen lmi und lmn-Faktoren zu haben. Die lmn-Faktoren werden in einer abschließenden Kalkulation auf die lmi-Prozesskostensätze zugeschlagen, und wir erhalten als Ergebnis die gesamten Kosten pro Teil-prozess. Ratsam scheint es auch hier, eine Kontrollrechnung am Ende der Tabelle durchzufüh-ren, um zu sehen, ob die Summe der Verrechnungssätze, multipliziert mit der Menge/Jahr, die Gesamtsumme (723.937,50 €) ergeben.

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62 5 Prozesskostenrechnung

Tabelle 5.3 Kalkulation der Prozesskostensätze

Prozess / Teilprozess

Menge/ Jahr

Prozesskostensatz € pro Vorgang lmi

Umlage-satz lmn €

Gesamtkos-tensatz €

Kontrolle €

Angebote einholen

7.150 12,15 3,63 15,78 112.821,43

Verträge abschließen

1.950 92,81 27,72 120,54 235.044,64

Bestellungen aufgeben

4.290 30,38 9,07 39,45 169.232,14

Reklamatio-nen bearbei-ten

10.725 14,85 4,44 19,29 206.839,29

Kontakte zu Lieferanten pflegen

n.a.

Organisation und Leitung

n.a.

Summe: 723.937,50 Die Werte in der Tabelle 5.3 ergeben sich wie folgt: Die erste Spalte ist eine Einheit, die innerbetrieblich gezählt werden muss. Das bedeutet, dass ich die Summenwerte der einzelnen Zeilen aus den Ordnern, ob die Ablage elektronisch oder als Papierordner organisiert ist, zu bilden habe. Die Zeilen Kontakte zu Lieferanten und die Organisation und Leitung sind leistungsmengenneutrale Teilprozesse. Hier ist keine Mengen-einheit vorhanden. Die Prozesskosten pro Vorgang ergeben sich aus den Kosten, die wir in der Tabelle 5.2 pro Teilprozess errechnet haben, und einer Division der Mengeneinheiten. Für die Zeile „Angebote einholen“ in Tabelle 5.3 ist dies: 86.872,50 € / 7.150 = 12,15 €

lmi Prozesskosten pro TP = Summe der Kosten pro TP

(5.1) Mengeneinheiten pro Jahr

TP gibt in dieser Formel den Teilprozess an. Nun haben wir bereits eine recht gute Information über die aktuelle Kostensituation. In der Tabelle 5.2 sehen wir, dass die Summe der lmn-Prozesse 166.505,63 € beträgt. Diese Kosten sind natürlich auch mit zu berücksichtigen. Wir haben also als folgenden Rechenschritt einen Umlagesatz für die leistungsmengenneutralen Teilprozesse zu kalkulieren.

Umlagesatz lmn = Prozesskostensatz lmi * � der Kosten lmn

(5.2) � der Kosten lmi

Als Beispiel für den Teilprozess „Angebote einholen“ ist die Kalkulation wie folgt: (166.505,63 € / 557.431,88 €) * 12,15 � 3,63 Die nahfolgende Spalte gibt den gesamten Prozesskostensatz an. Dies ist eine Addition aus Prozesskostensatz lmi und dem Umlagesatz lmn.

Gesamtkostensatz = Prozesskostensatz lmi + Umlagesatz lmn (5.3)

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5.2 Prozesskostenrechnung am Beispiel eines klassischen Gemeinkostenprozesses 63

Übungsaufgabe 5.1: Die Einkaufsabteilung der Elektro AG verursacht Gemeinkosten in Höhe von 1.980.000 €. Eine Beratungsgesellschaft wurde damit beauftragt, die Prozesse in Teilprozesse zu zerlegen, das Verhalten in leistungsmengeninduzierte und leistungsmengenneutrale Teilprozesse zu bestimmen, die Prozessmengen und die nachfolgenden Prozesskosten zu kalkulieren. Bitte rechnen Sie, als zuständiger externer Berater, die fehlenden Zeilen- und Spaltenwerte der nach-folgenden Tabelle aus. Führen Sie am Ende der Kalkulation eine Rechenkontrolle an.

Tabelle 5.4 Mannjahre pro Teilprozess-Ü 1

Prozess / Teilprozess Ist Kapazität in % der Mannjahre

Kumulierte Prozentwerte

Angebote einholen 27% Bestellungen aufgeben 26% Rechnungen prüfen 35% Leitungsfunktion 12% Summe: 20 Mitarbeiter

Tabelle 5.5 Aufteilung der Prozessgesamtkosten auf die einzelnen Teilprozesse –Ü 1

Prozess / Teilprozess Ist- Kosten in € Grundlage Messgröße Angebote einholen Lmi Anzahl Angebote Bestellungen aufgeben Lmi Anzahl Bestellungen Rechnungen prüfen Lmi Anzahl Rechnungen Leitungsfunktion Lmn Qualitativ Summe: 1.980.000 €.

Tabelle 5.6 Kalkulation der Prozesskostensätze –Ü 1

Prozess / Teilprozess

Menge/ Jahr

Prozesskostensatz € pro Vorgang lmi

Umlage-satz lmn €

Gesamtkos-tensatz €

Kontrolle €

Angebote einholen

25.000

Bestellungen aufgeben

18.000

Rechnungen prüfen

19.500

Leitungsfunk-tion

n.a.

Summe: Übungsaufgabe 5.2: In dieser Übung soll die innerbetriebliche Logistik als Prozesskostenrechnung organisiert wer-den. Es arbeiten 9 hauptberufliche Mitarbeiter in dieser Abteilung. Es fallen Gemeinkosten in Höhe von 869.000 € an. Bitte kalkulieren Sie die fehlenden Zeilen- und Spaltenwerte.

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64 5 Prozesskostenrechnung

Tabelle 5.7 Mannjahre pro Teilprozess-Ü 2

Prozess / Teilprozess Ist Kapazität in % der Mannjahre

Kumulierte Prozentwer-te

Lieferungen annehmen 15% Ausgangslieferungen packen und versenden

12%

Einlagern von Teilen 19% Konfektionierung von Teilen 22% Innerbetrieblicher Transport 18% Leitungsfunktion 14% Summe: 9 Mitarbeiter

Tabelle 5.8 Aufteilung der Prozessgesamtkosten auf die einzelnen Teilprozesse –Ü 2

Prozess / Teilprozess Ist- Kosten in € Grundlage Messgröße Lieferungen annehmen Lmi Anzahl der Lieferungen Ausgangslieferungen packen und versenden

Lmi Anzahl der Lieferungen

Einlagern von Teilen Lmi Anzahl der Teile Konfektionierung von Teilen Lmi Anzahl der Aufträge Innerbetrieblicher Transport Lmn n.a. Leitungsfunktion Lmn n.a. Summe: 869.000

Tabelle 5.9 Kalkulation der Prozesskostensätze – Ü 2

Prozess / Teil-prozess

Menge/ Jahr

Prozesskostensatz € pro Vorgang lmi

Umlage-satz lmn €

Gesamtkos-tensatz €

Kon-trolle €

Lieferungen annehmen

16.000

Ausgangsliefe-rungen packen und versenden

14.000

Einlagern von Teilen

140.000

Konfektionie-rung von Teilen

9.000

Innerbetriebli-cher Transport

n.a.

Leitungs-funktion

n.a.

Summe: Abschließend bleibt die Feststellung, dass es durchaus sinnvoll ist, dass der Hersteller oder der Dienstleister weiß, wofür die Tätigkeiten anfallen, die unseren Tagesablauf – auch im Bereich der Gemeinkosten – bestimmen. In der Produktion wird in aller Regel vor Beginn der Produk-tion eines Auftrages der entsprechende Auftrag gescannt, nach Bearbeitung ein zweites Mal

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5.3 Zuschlagskalkulation vs. Prozesskostenrechnung 65

„Fertig“ gescannt. Hier habe ich also klare Informationen über die Produktionszeit und kann die Werte mit meinen Soll-Kalkulationen vergleichen und ggf. eine Analyse für zu viel oder zu wenig verrechnete Kosten folgen lassen. Ziel der Aktion ist es, zum einen mehr Transparenz in die Prozesse zu bekommen (Wer tut was, wie lange und warum, bzw. für wen) und Informatio-nen darüber zu erhalten, was mich die einzelnen Tätigkeiten oder Teilprozesse kosten. So kann die unternehmerische Richtlinie bestehen, bei jeder neuen Aktion, einer neuen Auswahl eines Lieferanten, 5 Angebote einzuholen. Wir haben die Gemeinkosten der Beschaffung miteinan-der kalkuliert. Es stellt sich also die Frage, kann es eine Änderung bezüglich der Quantität ohne eine signifikante Verschlechterung der Qualität geben. Genügen 3 Angebote, kombiniert mit einem Lieferanten-Scoring. Um diese Optimierungsfragen zu stellen, muss ich primär Kenntnisse über die Struktur meiner Prozesse, der Teilprozesse und der hinterlegten Kosten haben, um die Optimierung auch hier wieder bei meinen A-Kosten zu beginnen. Die Kostensi-tuation ist entlang der Supply Chain eines Betriebs bekannt Aus diesem Grund findet eine zunehmende Kombination und Verknüpfung von vor- und nachgelagerten Prozessschritten statt. E-Procurement ist die elektronische Weiterentwicklung eines Supply Chain Management und die elektronische Bestellmöglichkeit, die kostenreduzierende Wirkungen hat. Um die Diskussion in Wikipedia, nochmal aufzugreifen, dass die Prozesskostenrechnung auf der in den USA entwickelten Activity Based Costing-Methode (ABC) beruht, ist durchaus nachzuvollziehen. Neben der Bestimmung der Teilprozesse sind die Kosten für die einzelnen Teilprozesse zu bestimmen. Und nun würde ein wichtiger, abschließender Teil folgen, die Allokation der Kosten pro Teilprozess auf die einzelnen Kostenträger, um hier eine sinnvolle und verursachungsgereichte Zuordnung der Kosten zu erhalten und entsprechend die gewonne-nen Informationen im Preis- und Angebotsmanagement des Herstellers zu verarbeiten. Schauen wir uns diese Zusammenhänge in einer beispielhaften Darstellung der Kostenzuordnung an:

5.3 Zuschlagskalkulation vs. Prozesskostenrechnung

Tabelle 5.10 Zuschlagskalkulation mit zwei Produkten

Kostenart / Grundlage Produkt A Produkt B Anteil an Produktionskapazität 65% 35% Materialeinzelkosten 120.000 € 185.000 € Materialgemeinkosten 36.000 € 46.250 € Fertigungskosten (Einzel +Gemein) 128.050 € 68.950 € Summe Herstellkosten 284.050 € 300.200 € Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten 1.139.287,50 € 613.462,50 € Soll- Gewinnmarge 9% (Netto) VK Preis 1.564.107,14 € 1.004.024,73 €

Die Aufwendungen für den Kostenblock „Vertriebs- und Verwaltungsgemeinkosten“ wurde nach einem transparenten und nachvollziehbaren Verteilungsschlüssel auf die einzelnen Kos-tenträger umgelegt. Als Verteilungsschlüssel dient die Produktionskapazität der beiden Kosten-träger. Für das Produkt A werden 65% und für das Produkt B 35% der gesamten Produktions-kapazität benötigt. Die Gesamtkosten für Verwaltung und Vertrieb wurden also mit diesem Prozentsatz auf die Produkte zugeschlagen. In einem weiteren Analyseschritt haben wir die Kosten der Verwaltung und des Vertriebs in drei Hauptprozesse untergliedert und haben die Kosten pro Teilprozess anteilig auf die Kosten-

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66 5 Prozesskostenrechnung

träger A und B verteilt, um somit eine genauere Information über die Gesamtkosten pro Pro-dukt und nähere Informationen über die Deckungsbeitragsstruktur im Unternehmen zu erhal-ten.

Tabelle 5.11 Prozesskostengliederung Abteilung Beschaffung

Teilprozess Kapazität Mannjahre

Ist-Kosten von Gesamt

davon Pro-dukt A

davon Pro-dukt B

Angebot einholen 25% 131.456,25 € 32.864,06 € 98.592,19 € Bestellung aufgeben 32% 168.264,00 € 75.718,80 € 92.545,20 € Rechnung prüfen 30% 157.747,50 € 63.099,00 € 94.648,50 € Leistungsfunktion 13% 68.357,25 € 30.760,76 € 37.596,49 € Summe: 100% 701.100,00 € 202.442,63 € 323.382,38 €

Tabelle 5.12 Prozesskostengliederung Abteilung Logistik

Teilprozess Kapazität Mannjahre

Ist-Kosten von Gesamt

davon Pro-dukt A

davon Pro-dukt B

Lieferungen anneh-men

25% 197.184,38 € 78.873,75 € 118.310,63 €

Ausgangslieferungen 27% 212.959,13 € 89.442,83 € 123.516,29 € Teile einlagern 9% 70.986,38 € 26.264.96 € 44.721,42 € Konfektionierung von Teilen

25% 197.184,38 € 88.732,97 € 108.451,41 €

Transport 8% 63.099,00 € 25.239,60 € 37.859,40 € Leitungsfunktion 6% 47.324,25 € 18.456,46 € 28.867,79 € Summe: 100% 1.051.650,00 € 327.010,57 € 461.726,93 €

Tabelle 5.13 Prozesskostengliederung Abteilung; Marketing

Teilprozess Kapazität Mannjahre

Ist-Kosten von Gesamt

davon Pro-dukt A

davon Pro-dukt B

Produktmodifikation 15% 65.728,13 € 28.920,38 € 36.807,75 € Werbung & Ver-kaufsförderung

25% 109.546,88 € 72.300,94 € 36.150,47 €

Information & Kom-munikation

30% 131.456,25 € 63.099,00 € 68.357,25 €

Koordinierungsauf-gaben

30% 131.456,25 € 42.066,00 € 89.390,25 €

Summe: 100% 584.250,00 € 206.386,31 € 230.705,72 € Die Vorgehensweise in der Prozesskostenanalyse in Tabellen 5.11–5.13 ist wie folgt: � Die gesamten Aufwendungen für Verwaltung und Vertrieb werden zunächst auf die drei zu

untersuchenden Kostenstellen aufgeteilt. � 30% von den Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten in Höhe von 1.752.750 € entfallen

auf den Beschaffungsbereich. � 45% auf den Logistikbereich � 25% auf den Bereich Marketing

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5.3 Zuschlagskalkulation vs. Prozesskostenrechnung 67

� Diese Summenwerte werden entsprechend des Ressourceneinsatzes auf die einzelnen Teil-prozesse aufgeteilt. Soweit hatten wir die Informationen auch in den Tabellen 5.1 ff gehabt.

� Nun kommt als weiterer Bearbeitungsschritt hinzu, dass wir die Kosten pro Teilprozess auf die einzelnen Kostenträger aufteilen.

� Eine Klassifizierung in leistungsmengenindizierte (lmi) und leistungsmengenneutrale (lmn) Teilprozesse haben wir aufgrund der Übersichtlichkeit an dieser Stelle nicht vorgenommen.

� Schauen wir uns als Vergleich die Kostensituation nach der Prozesskostenrechnung an:

Tabelle 5.14 Neue Kostenverrechnung nach der Prozesskostenmethode

Kostenart / Grundlage Produkt A Produkt B Anteil an Produktionskapazität 65% 35% Materialeinzelkosten 120.000 € 185.000 € Materialgemeinkosten 36.000 € 46.250 € Fertigungskosten (Einzel +Gemein) 128.050 € 68.950 € Summe Herstellkosten 284.050 € 300.200 € Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten 735.840 € 1.016.910 € Selbstkosten d. Auftrages 1.019.890 € 1.317.110 € Soll- Gewinnmarge 9% (Netto) VK Preis 1.120.758 € 1.447.374,17 €

Nun sollten wir vor lauter Wald noch die Bäume sehen können, bzw. diese nicht aus dem Fo-kus unserer Aufmerksamkeit verlieren. Wir haben in der Tabelle 5.10 nach der Methode der Zuschlagskalkulation die Selbstkosten des Auftrages für zwei unterschiedliche Produkte be-stimmt. Die Summe der Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten, 1.752.750 €, wurde nach einem Umlagesatz, der im gleichen Verhältnis mit der benötigten Produktionskapazität pro Kostenträger, 65 % für Produkt A und 35% für Produkt B auf die einzelnen Kostenträger kal-kuliert. Bei Produkt A handelt es sich um ein Premiumprodukt mit hochwertigen Materialien, einer niedrigen Stückzahl und einer aufwendigeren Verarbeitung. Produkt B hingegen ist ein Produkt, dass intensiver in der Breite angeboten wird. Es wird eine höhere Stückzahl angebo-ten, die Produktionsprozesse sind automatisiert und die Herstellkosten sind verhältnismäßig gering. Bis zu diesem Punkt in der Analyse haben wir keine Informationen über die reale Res-sourcenallokation pro Produkt. Wir addieren also im nächten Rechenschritt die anteiligen Ver-waltungs- und Vertriebsgemeinkosten auf die einzelnen Produkte und ermitteln unsere Selbst-kosten des Auftrages. Bei Produkt A sind dies 1.423.337,50 €, bei Produkt B sind es 913.662,50 €. Nun haben wir von der Geschäftsführung oder von den Anteilseignern unseres Betriebes die betriebswirtschaftliche Vorgabe, die Produkte mit einer (Netto-) Gewinnmarge von 9% zu vermarkten. Hieraus ergibt sich:

(Netto-) Verkaufspreis = Selbstkosten des Auftrages / (1-Soll-Gewinnmarge) (5.4)

Netto-Verkaufspreis für das Produkt A = 1.564.107,14 € und Netto-Verkaufspreis für das Pro-dukt B = 1.004.024,73 € (Stückzahlen und indirekter Absatz wird zunächst einmal vernachläs-sigt). Vergleichen wir also die betriebswirtschaftliche Performancerechnung und die zugrundelie-genden Aussagen miteinander.

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68 5 Prozesskostenrechnung

Tabelle 5.15 Performancevergleich

Kostenart / Grundlage Zuschlagskalkulation Prozesskostenrechnung Produkt A Produkt B Produkt A Produkt B Anteil an Produktions-kapazität

65% 35% 65% 35%

Materialeinzelkosten 120.000 € 185.000 € 120.000 € 185.000 € Materialgemeinkosten 36.000 € 46.250 € 36.000 € 46.250 € Fertigungskosten (Einzel + Gemein)

128.050 € 68.950 € 128.050 € 68.950 €

Summe Herstellkosten 284.050 € 300.200 € 284.050 € 300.200 € Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten

735.840 € 1.016.910 € 1.139.287 € 613.462 €

Selbstkosten d. Auftrages 1.019.890 € 1.317.110 € 1.423.337 € 913.662 € Soll-Gewinnmarge 9% (Netto-) VK Preis 1.120.758 € 1.447.374 € 1.564.107 € 1.004.025 €

Die nun folgende Erkenntnis ist, dass ich im Rahmen meiner Zuschlagskalkulation dem Pro-dukt A zu viele Kosten zugerechnet habe und dem Produkt B zu wenig. Die Folge ist, bei einer Vorgabe, eine Gewinnmarge von 9% zu erwirtschaften, dass das Produkt A zu hochpreisig und das Produkt B zu niedrigpreisig angeboten wird. Die Differenz 1-(1.120.758 / 1.564.107) � 28% ist nun nicht unerheblich für den Erfolg des Produktes A am Wirtschaftsmarkt. Die primä-re betriebswirtschaftliche Überlegung muss also zunächst lauten: Welchen Preis kann ich auf-grund welcher signifikanten Produkteigenschaften am Markt erzielen? Dann folgt in der zwei-ten Stufe die Fragestellung, ob ich auch mit einer branchenüblichen Gewinnmarge zu diesem Preis mittel- und langfristig mit dem avisierten Absatzvolumen anbieten kann. Im Rahmen des Prozessmanagements und der Prozesskostenrechnung habe ich hier die Möglichkeiten, meine Kostensituation durch prozessuale Verbesserungen zu reduzieren und so entweder einen stabi-len Preis oder eine kontinuierliche Reduktion des Preises mit zunehmendem Lebenszyklus anzubieten.

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6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

6.1 Die Elektro Hein GmbH Die Elektro Hein GmbH ist eine klein- und mittelständische Unternehmung, die seit 3 Genera-tionen im Familienbesitz elektrotechnische Komponenten fertigt und ausschließlich über eine Handelspartnerorganisation vertreibt. Nach seinem Abschluss an einer führenden europäischen Wirtschaftsuniversität möchte Hein jun. den Betrieb fit für den zunehmend dynamischen Wett-bewerb machen. Da er sich mit Kennzahlen und Marketing sowie der angewandten Marketing-forschung auszukennen glaubt, lässt er sich, als seine erste Amtshandlung im väterlichen Be-trieb, von seiner Assistentin die Gewinn- und Verlustrechnung für den Januar 2011 ausdru-cken, um diese mit seinem Fachwissen zu analysieren und Möglichkeiten einer Veränderung und nachhaltigen Verbesserung der betrieblichen Situation aufzuzeigen. Im Unternehmen gibt es eine spezielle Form der GuV-Übersicht. In dieser sind, wie nachste-hend dargestellt, einige zusätzliche Faktoren enthalten, die dem Management die Entschei-dungsgrundlage vereinfachen sollten.

Tabelle 6.1: Umsatzrentabilität pro Produktgruppe

Produkt Umsatz € Gewinn € Umsatzrentabilität Hohlwanddose 25.000 3.809 0,15 Schukosteckdose 105.000 6.546 0,06 FI Einrichtung 97.000 7.736 0,08 Schalter 74.000 12.181 0,16

Schauen wir uns zu einem besseren Verständnis einmal gemeinsam die Tabelle 6.1 an. Hier sind die vier Produkte, die von der Hein GmbH gefertigt werden, mit den Absatz-, Preis- und Umsatzwerten angegeben. Das Produkt eins ist eine Hohlwanddose, die für elektrische Installa-tionen in Leichtbauwänden Anwendung findet. Die Hein GmbH hat seit 7 Jahren ein Patent-recht auf die Art der Fertigung und das Produkt. Bei dem zweiten Produkt bzw. Produktgruppe handelt es sich um eine, im deutschen Sprachgebrauch, sogenannte Schuko-Steckdose (Steck-dose mit Schutzkontakt für 230 Volt). International kann und sollte man diese Produktart bes-ser als geerdete Steckdose bezeichnen, da andere Länder ein vom Schukosystem abweichendes Produktverständnis und Produktanwendung haben. Unter dieser Produktgruppe werden alle Unterputz- und Aufputzvarianten für 230 V zusammengefasst. Der Preis wird als Durch-schnittspreis errechnet, um eine bessere Übersicht zu erhalten. Die dritte Produktgruppe stellen die FI Schutzeinrichtungen dar. Dies sind Fehlerstromschutzorgane mit unterschiedlichen Nennströmen, Auslöseströmen und Zeiten. In der letzten Produktgruppe wird ausschließlich Schaltermaterial für 230-Volt Anwendungen zusammengefasst. Die Werte der einzelnen Zeilen ergeben sich wie folgt: � Zeile 4 „Umsatzanteile von Total“: Eine wichtige Grundlage, für nachfolgende Entschei-

dungen. � „Kosten“ und „Kostenanteile in Prozent von Total“ drücken meine variablen Kosten pro

Produktgruppe aus. Um Optimierungsansätze bilden zu können, sollte auch eine Informa-tion über den Anteil der Kosten (variable Kosten) am Gesamt (variablen Kosten) vorhanden sein.

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_6,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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70 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

� Das in der GuV bezeichnete Bruttoergebnis drückt den Deckungsbeitrag aus, den wir in den vorangegangenen Kapiteln bereits berechnet und analysiert haben.

� Vertriebs- und Verwaltungskosten können je nach Produktgruppe einen unterschiedlich starken prozentualen Anteil an den Gesamtaufwendungen, an den gesamten Fixkosten und an den gesamten Gemeinkosten haben.

� Sonstige betriebliche Aufwendungen werden von meinem Ergebnis subtrahiert und sonsti-ge betriebliche Erträge addiert.

� Das operative Ergebnis ist ein echter Benchmark a) innerhalb des eigenen Unternehmens, b) innerhalb der Branche und c) ein Best Practise Benchmark. Im internationalen Vergleich ist diese Größe direkt zu vergleichen. Wir sehen uns, wie die Kennzahl auch beschrieben ist, nur den Gewinn bzw. Verlust der operativen Tätigkeit an. Ist ein Unternehmen mit der Herstellung und dem Vertrieb von elektrotechnischen Erzeugnissen im Handelsregister ein-getragen, ist davon auszugehen, dass ein entscheidender Anteil des Unternehmensergebnis-ses von dieser Kernkompetenz herrührt. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre ernsthaft zu hinterfragen, mit welchen Aktivitäten mittel- und langfristig Geld verdient werden soll. In der angelsächsischen Literatur, oder auch in internationalen Geschäftsberichten wird diese Größe als „Net Operating Profit“ bezeichnet und dient als Leistungsmesser oder Ver-gleichswert für Analysten und Anleger.

� Erträge und Aufwendungen aus Finanzierungsbereichen können durchaus von betriebswirt-schaftlicher Bedeutung sein. Jedoch haben sie nicht direkt etwas mit dem Kerngeschäft, den operativen Tätigkeiten, zu tun.

6.1.1 Analyse der Ist-Situation

Abbildung 6.1: Verteilung des Umsatzes auf die einzelnen Produktgruppen

Die Hohlwanddose hat 8 %, die Produktgruppe der Schukosteckdosen hat 35 %, das Schalter-material hat 25 % und die FI Einrichtungen haben 32 % Umsatzanteil am Gesamtumsatz.

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6.1 Die Elektro Hein GmbH 71

Abbildung 6.2: Verteilung der variablen Kosten auf die einzelnen Produktgruppen

Die Hohlwanddose hat einen Anteil in Höhe von 14 % an den gesamten variablen Kosten, die Schukosteckdose 54 %, die Fehlerstromschutzeinrichtungen 20 % und die Schalter 12 %.

Abbildung 6.3: Verteilung des Deckungsbeitrages auf die einzelnen Produkte

Die Hohlwanddose hat einen Anteil in Höhe von 6% an dem gesamten Deckungsbeitrag, die Schukosteckdose 25%, die Fehlerstromschutzeinrichtungen 38% und die Schalter 31%

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72 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Abbildung 6.4: Verteilung des Gewinns (v. St.) auf die einzelnen Produkte)

Die Hohlwanddose hat einen Anteil in Höhe von 13 %, die Schukosteckdose 22 %, die Fehlerstromschutzeinrichtungen 26 % und die Schalter 40 % an Gesamtgewinn. Soweit zunächst einmal die reine Ist-Analyse. Nun ist es wichtig, eine Priorität in die vorlie-genden Informationen hinein zu interpretieren bzw., da wir Kaufleute sind, ist eine kaufmänni-sche Analysegrundlage, in Form einer Kalkulation oder Tabelle, immer besser als irgendwel-che Interpretationen. In der Aussage – Gewinn geht vor Deckungsbeitrag geht vor Umsatz – beziehen wir uns auf das Volumen, d. h. die Summe der Deckungsbeiträge pro Produktgruppe, nicht pro Einheit. a) Schalter haben einen Anteil von 40 % am gesamten Gewinn, machen aber mit nur 25 %

einen relativ kleinen Anteil am gesamten Umsatz aus. D. h. hier ist ein „gesundes Verhält-nis“ aus Umsatz und Gesamtaufwendungen pro Produktgruppe und somit auch eine gute Umsatzrentabilität pro Produktgruppe gegeben.

b) Schutzkontaktsteckdosen haben einen Gewinnanteil in Höhe von 22 % und sind mit einem Anteil von 35 % am Gesamtumsatz auch noch recht profitabel.

c) Die Fehlerschutzeinrichtungen sind mit 26 % am Gewinn beteiligt, aber nur mit 32 % am Umsatz. Hier ist also zu erkennen, dass – im Verhältnis zu den anderen Produkten – ein weniger ausgewogenes Verhältnis aus Umsatz und Kostenallokation besteht.

d) Die Hohlwanddose macht 13 % des gesamten Gewinns aus und liegt damit, im Verhältnis zu 8 % Umsatzanteil auch noch recht gut im Gewinnanteilsportfolio.

Ein Optimierungsansatz ist also eine Bildung von einfachen, verständlichen und für alle Betei-ligten nachvollziehbaren Kennzahlen, wie die der Umsatzrentabilität in der Tabelle 6.2. Mit den vorliegenden Daten trifft Hein Junior die folgende Entscheidung für die Zukunft und den nachhaltigen Bestand seines Unternehmens: 1. Produkt 1 und 4, die Hohlwanddose und das Schaltermaterial wird (zunächst) unverändert

produziert und angeboten. Die Kostenstrukturen und der Marktpreis sind durchaus ange-messen. Mit einer Umsatzrentabilität von 15 bzw. 16 % liegt die Hein GmbH gut im natio-nalen Vergleich.

2. Produkt 2 und 3 ist auf Seiten der Kostenorientierung zu optimieren. Wir werden uns diese Zusammenhänge, bei der Hein GmbH, differenzierter betrachten müssen.

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6.1 Die Elektro Hein GmbH 73

3. Die Vertriebssituation ist nach Meinung von Hein Junior noch nicht zufriedenstellend. Herr Hein ist der Meinung, dass der Vertrieb auf nationaler Ebene, über einen Ausschließlich-keitspartner im Handel, nicht mehr zeitgemäß ist. Der Absatzmittler der Hein GmbH hat ein dichtes Filialnetzwerk in Rheinland-Pfalz, Hessen und in Baden-Württemberg, ist aber in den neuen Bundesländern sowie im Süden und Norden fast gar nicht präsent. Diesen Zu-stand möchte Hein Junior ändern und beginnt neue Vertriebspartner auf nationaler Ebene zu akquirieren.

4. Hein Junior ist auch zu Ohren gekommen, dass die Länder in Mittel- und Osteuropa derzeit einige interessante Projekte im Bau- und Baunebenbereich planen und realisieren. Er möch-te Polen, Slowakei und Tschechien als Auslandscluster 1 zu den nationalen Absatzgebieten hinzuführen. Der Vertrieb soll auch in diesen Ländern über nationale Absatzmittler (ein Absatzmittler pro Land) erfolgen. Er verspricht sich von einer derartigen Clusterbildung den Einstieg in einen Wirtschaftsmarkt von ca. 64 Millionen Konsumenten. Er wählt be-wusst diese drei Länder aus, da alle das gleiche Stecksystem bei 230 Volt Streckverbindern haben. Es handelt sich um ein französisch-belgisches Stecksystem, das sich von unserem Schutzkontaktsystem unterscheidet. Hier würde also eine vollkommen neue Produktreihe entstehen, die in einem zweiten Schritt auch andere potentielle Absatzmärkte hätte (Frank-reich und Belgien).

6.1.2 Strategischer Entwicklungsansatz für die Hein GmbH

Tabelle 6.2: Marketingstrategie nach Ansoff

Bestehende Märkte Neue Märkte Bestehende Produkte Marktdurchdringung Markterweiterung Neue Produkte Produktentwicklung Diversifikation

Tabelle 6.3: Marktpotential auf nationaler Ebene

Bundesland BIP in Mrd. €

BIP in %

€ Umsatz Hein GmbH aktuell

Soll-Verände-rung 2012

Soll-Umsatz 2012

Baden-Württemberg

330,70 14,70 2.553.540 + 15 % 2.936.571,00

Bayern 403,70 18,0 - BIP Anteil 4.792.320,00 Berlin 79,60 3,50 - BIP Anteil 944.931,00 Brandenburg 48,10 2,10 - BIP Anteil 570.994,00 Bremen 24,50 1,10 - BIP Anteil 290.839,00 Hamburg 80,00 3,60 - BIP Anteil 949.679,00 Hessen 197,80 8,80 1.541.760 + 15 % 1.773.024,00 Mecklenburg-Vorpommern

31,30 1,40 - BIP Anteil 371.562,00

Niedersachsen 188,40 8,40 - BIP Anteil 2.236.495,00 Nordrhein-Westfalen

489,10 21,80 - BIP Anteil 5.806.103,00

Rheinland-Pfalz

97,50 4,30 722.700 + 15 % 831.105,00

Saarland 27,50 1,20 - BIP Anteil 326.452,00 Sachsen 85,80 3,80 - BIP Anteil 1.018.531,00

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74 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Sachsen-Anhalt

48,10 2,10 - BIP Anteil 570.994,00

Schleswig Holstein

69,00 3,10 - BIP Anteil 819.098,00

Thüringen 44,70 2,00 - BIP Anteil 530.633,00 Summe: 4.818.000 24.769.338,0

0 Von der strategischen Ausrichtung möchte sich die Hein GmbH also in den Bereich der Markt-durchdringung (man hat die strategische Unternehmensentscheidung getroffen, mit mehr als einem Vertriebspartner in Deutschland zusammen zu arbeiten) und den Bereich der Markter-weiterung entwickeln. . Die Planung des Unternehmens geht dahin, dass 2011 die Analyse abgeschlossen sein soll und ab 2012, im Falle einer positiven Beurteilung aller im Management beteiligten Damen und Herren, die Veränderung realisiert werden soll. Es ist an Hein Junior, einen Business-Plan für die geplante Marktdurchdringung auf nationaler Ebene und einen zweiten Business-Plan für den Markteintritt in den drei neuen Ländern aufzu-stellen. Um einen Business-Plan für das Vorhaben gestalten zu können, geht es zunächst ein-mal um die Analyse des Marktpotentials auf nationaler Ebene. Statistische Quelle ist der Fi-scher Weltalmanach 2007. In der vierten Spalte der Tabelle 6.3 steht der Wert „Umsatz Hein GmbH“. Diese Spalte soll den Soll-Umsatz für 2011 ergeben und stellt eine Grundlage für unser weiteres Vorgehen dar. Nun wissen wir, aus den Angaben, dass im Januar 2011 ein Umsatz von 301.000 € erwirtschaf-tet wurde. Die Hein GmbH ist schon seit einigen Jahrzehnten am Markt und weiß sehr wohl, dass im Januar die Nachfrage nur relativ gering ausfällt. Urlaub und die kalte Jahreszeit lassen die Kunden- und Projektbedarfe geringer ausfallen. Der Januar wurde deshalb mit 75 % des durchschnittlichen Monatsumsatzes gerechnet. Nun ist für uns und die Kalkulation in der Spal-te 4 wichtig, den durchschnittlichen Umsatzwert zu bestimmen und den avisierten Jahreswert zu analysieren.

Durchschnittlicher Monatswert =

Umsatz (Januar) (6.1)

Faktor (0,75)

301.000/0,75 � 401.500 € als Durchschnitt pro Monat. Die Hein GmbH ist aktuell in drei Bundesländern vertreten. Hier habe ich die BIPs der jeweili-gen Bundesländer addiert und auf 100 % gesetzt und somit den kalkulatorisch nachvollziehba-ren Wert pro Bundesland erhalten. In der Realität ist dies viel einfacher zu gestalten, da die Zahlen direkt aus dem Vertriebsinformationssystem analysiert werden können. Kritisch be-trachtet, denke ich, dass es sehr wohl einen direkten Bezug zum BIP und dem Bedarf gibt. Es scheint mir auch eine statistische Größe zu sein, die transparent ist und als Grundlage für eine Businessplanung durchaus dienen kann und sollte. Es ist unser Ziel, unsere Soll-Vorgaben schrittweise bis zum Jahr 2016, d. h. innerhalb von vier Jahren nach der Veränderung, zu reali-sieren. In den Bundesländern, in denen wir bereits durch unseren Handelspartner vertreten sind, gehen wir von einer gewissen Marktsättigung aus. Wir erwarten, dass aufgrund einer besseren und intensiveren POS-Werbung und einer guten Schulung der neuen Vertriebspartner in den aktuell tätigen Umsatzgebieten ein Umsatzwachstum von 15 % (innerhalb von vier Jahren) zu realisieren sein sollte. Diese Werte scheinen angesichts der bestehenden Situation recht bescheiden. Für die anderen Bundesländer soll eine dem BIP angepasste Umsatzkalkula-

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6.1 Die Elektro Hein GmbH 75

tion erfolgen. Zunächst können also die Werte der Bundesländer, die wir bereits beliefern, relativ einfach kalkuliert werden:

Soll-Umsatz (bestehender Vertriebsgebiete) = Ist-Umsatz (2011) * Faktor (1,15) (6.2)

Wenn wir diese Werte kalkuliert haben, können wir die BIP-Tabelle erneut betrachten und kalkulieren die avisierten Umsatzwerte (zunächst für 2016) analog zu den Verteilungen am BIP pro Bundesland. Dazu müssen die BIP-Anteile der drei Bundesländer, in denen wir bereits unsere Produkte erfolgreich vermarkten, subtrahiert werden. Die Summe der Bundesländer minus der BIP-Anteile von Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ergeben 1.618,90 Mrd. €. Dieser Wert wird wiederum auf 100 % gesetzt und die Soll-Kalkulation kann fortgeführt werden. In der nachfolgenden Tabelle 6.4 errechnen wir den Soll-Umsatz für die Jahre 2011 bis 2016. Innerhalb des Planungszeitraums von 5 Jahren soll unser Ziel erreicht sein. Die Kalkulation erfolgt in folgenden Rechenschritten: a) Verteilung der Umsätze nach Produktgruppe gemäß der Information in Abbildung 6.1 für

die Jahre 2011 und 2016. Den Summenwert des Umsatzes für das Geschäftsjahr 2016 ent-nehmen wir unserer Kalkulation der Tabelle 6.4

b) Gehen wir von einem linearen Umsatzanstieg ab 2011 aus, so interessieren wir uns im nächsten Schritt für den Wert der jährlichen Umsatzveränderung.

Jährliche Umsatz-veränderung =

� Umsatz (2016) - � Umsatz (2011) (6.3)

Jahre (2016 – 2011 = 5)

c) Der Umsatzwert für 2012 errechnet sich also nach der Formel: Umsatzwert

(2012) = Umsatz (2011) + jährliche Umsatzveränderung (6.4)

Hier können wir also zunächst in der Zieltabelle unsere Summenwerte pro Geschäftsjahr ein-tragen und dann nach der gegebenen Umsatzverteilung die Umsätze pro Produktgruppe kalku-lieren.

Tabelle 6.4: Soll-Umsatzwerte (2011 bis 2016)

Produkt Soll-Um-satz 2016

Soll-Um-satz 2015

Soll-Um-satz 2014

Soll-Um-satz 2013

Soll-Um-satz 2012

Soll-Um-satz 2011

Hohl-wanddose

1.981.847 1.662.325 1.343.104 1.023.883 704.661 385.440

Schuko-steckdose

8.669.268 7.272.674 5.876.080 4.479.787 3.082.894 1.686.300

FI Ein-richtung

7.926.188 6.649.302 5.372.417 4.095.531 2.818.646 1.541.760

Schalter 6.192.334 5.194.767 4.197.201 3.199.634 2.202.067 1.204.500 Summe: 24.769.338 20.779.070 16.778.802 12.798.535 8.808.267 4.818.000

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76 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

6.1.3 Umsatzentwicklung durch Marktentwicklung Kleine und mittelständische Unternehmen tun gut daran, kleine aber kontinuierliche Schritte in Richtung nachhaltiger Unternehmenspositionierung zu gehen. Für einen einzigen großen Schritt fehlt es meist an Zeit und finanziellen Ressourcen. Wir hatten in der Tabelle 6.3 grund-sätzlich zwei Möglichkeiten der Umsatz- und Gewinnentwicklung definiert. Die Eine ist eine Marktdurchdringung in Deutschland, verbunden mit der erfolgreichen Akquise von zusätzli-chen Handelsunternehmen. Die Andere ist die Marktentwicklung in den mittel- und osteuropä-ischen Wirtschaftsraum, den wir mit ca. 64 Mio. Konsumenten als effektives Marktcluster definiert haben, da in allen drei Wirtschaftsräumen, der Slowakei, Tschechien und Polen die gleiche Art von Steckkontakt, die von unserem deutschen Schutzkontakt abweichend ist, An-wendung findet. Bei einer Absatzprognose in anderen Ländermärkten spielt immer auch der aktuelle Preis unserer Produkte im Vergleich zum Wettbewerb eine entscheidende Rolle. Wei-terhin sind Produktleistungen und potentielle Produktnebenleistungen von unserem Markter-folg abhängig. Die Hein GmbH hat die Entscheidung getroffen, den Preis im Auslandsmarkt konstant, auf nationalem Niveau, zu halten. Also werden wir im ersten Schritt eine Grundana-lyse analog zu den Erfahrungen der Tabelle 6.3 erarbeiten:

Tabelle 6.5: Marktpotential - Neue Wirtschaftsmärkte

Land BIP in Mrd. € Umsatzpotenzial in € Polen 194,879 1.499.883 Slowakei 33,052 254.384 Tschechien 86,073 662.468 Summe: 314,005 2.416.735

Die Kalkulation der Werte in der Tabelle 6.5 ist auf US Dollar Basis geschehen. Die Angaben in US Dollar wurden mit einem Kurs-Mittelwert über das gesamte Wirtschaftjahr auf Euro-Basis umgerechnet. Die Hein GmbH muss hier bei den Markteintritten in Polen und Tsche-chien darauf achten, dass beide Wirtschaftsregionen den EUR als Währung noch nicht einge-führt haben. Polen zahlt und kalkuliert weiterhin mit Zloty und Tschechien mit der Tschechi-schen Krone. Die Slowakei war als dynamisches, kleines Land mit ca. 5,4 Millionen Einwoh-nern zu Beginn 2009 in der Lage, den EUR als Zahlungsmittel einzuführen. Ein strategisch wertvoller Zeitpunkt, da die anderen europäischen Währungen zu dieser Zeit aufgrund der volkswirtschaftlichen Unsicherheiten negativ gegenüber dem EUR tendierten. Uns interessiert zunächst das „unbereinigte Umsatzpotenzial“. Nehmen wir wieder die Grundangaben der Ta-belle 6.4 zu Hilfe, so erfahren wir, dass wir im Wirtschaftsjahr 2011 einen Soll-Wert von 4.818.000 € in den aktuellen Bundesländern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben. Unser „unbereinigtes Umsatzpotenzial“ errechnet sich somit mit der folgenden Formel:

� unbereinigtes Umsatzpotenzial (MOE) = � Umsatz BW H Rh-Pf. *

� BIP (MOE) (6.5)

� BW, H, Rh-Pf.

MOE soll in der Formel die mittel-osteuropäischen Länder angeben. Somit erhalten wir als „unbereinigten Umsatzwert“ 2.416.735 € als Summe für die neue Wirt-schaftsregion. Die unbereinigten Umsatzwerte können wir anschließend mit den jeweiligen Prozentwerten der Länder am BIP vom gesamten MOE-BIP errechnen. Es wird dem aufmerksamen Leser aufgefallen sein, dass wir hier von einem sogenannten „un-bereinigten Umsatzpotenzial“ sprechen. Der Markteintritt in Regionen, in denen man die in Deutschland renommierte Hein GmbH nicht kennt und auch nicht wahrnimmt, ist um ein Viel-

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6.1 Die Elektro Hein GmbH 77

faches schwerer und aufwendiger, als dies zunächst den Anschein hat. Wir haben uns auf eine kleine, undifferenzierte Preispolitik verständigt. Der Absatz wird noch von verschiedenen anderen Faktoren abhängig sein, die wir nachfolgend kurz nennen und uns dann auf eine An-näherung der „bereinigten Umsatzwerte“ verständigen. Der Umsatz in neuen Ländern ist auch abhängig von: � Der Kaufkraftparität, was bekomme ich für einen Euro in der Slowakei im Verhältnis zu

Deutschland � Der Markenwahrnehmung, dem Branding, dem Wiedererkennungswert der Marke � Dem Image des Anbieters � Den Möglichkeiten, den Vertriebsweg nachhaltig zu managen, und managen ist hier derart

zu verstehen, dass man den Absatzmarkt aktiv entwickelt und diese Entwicklung nicht ei-nem neuen Handelspartner überlässt.

� Den nationalen Anbietern, die in aller Regel im eigenen Wirtschaftsmarkt Teilleistungen oder Gesamtleistungen fertigen und daher eine bessere Kostenbasis haben.

� Den internationalen Anbietern, deren Produkt- und Dienstleistungsangebot wir ggf. nicht auf nationaler Ebene wahrgenommen haben.

� Den Anforderungen der Vertriebspartner und unseren Möglichkeiten, den Anforderungen nach zu kommen.

Wollen wir es einmal einfach halten und zwei weitere Faktoren bestimmen, um den in der Tabelle angegebenen „unbereinigten Umsatzwert“ nach bestem Wissen und Gewissen derart zu verändern, dass eine möglichst realistische Umsatzzahl pro Land kalkuliert werden kann. Konzentrieren wir uns also auf den Faktor der Kaufkraftparitäten und einen Faktor, den wir „Barriere des bestehenden Marktsystems“ nennen wollen. Unter „Barriere des bestehenden Marktsystems“ ist der natürliche Widerstand des Auslandmarktes zu verstehen, eine Marke oder ein Produkt mit bundesdeutschem Ursprung in die jeweilige Marktsituation des Wirt-schaftsmarktes zu integrieren. Dieser Faktor hängt von dem bestehenden Produkt- und Dienst-leistungsangebot ab, sowie mit der Grundeinstellung der Marktteilnehmer gegenüber einer deutschen Marke. Diesen Faktor kann und sollte ich zumindest teilweise zu beeinflussen ver-suchen, indem ich mich im Vorfeld des Markteintritts mit den Marktteilnehmern, deren spe-ziellen Bedürfnissen bezüglich Produktleistung und Produktnebenleistung und den Anbietern bzw. Wettbewerbern am Markt intensiver auseinander setze. Im ersten Schritt des Marktein-tritts würde ich diesen Faktor, auch aus Gründen der vorsichtigeren Kalkulation, mit einem tendenziell niedrigeren Wert ansetzen. In der nachfolgenden Tabelle haben wir diesen Wert mit 0,7 pro Wirtschaftsmarkt angenommen. In der Realität sind hier die Möglichkeiten zu bewerten in dem jeweiligen Marktsegment erfolgreich zu sein. Man wird sich also einem mathematisch und betriebswirtschaftlich sinnvollen und nachvollziehbaren Wert annähern können. Daraus ergibt sich das „bereinigte Umsatzpotenzial“ wie folgt:

Tabelle 6.6: Marktpotential - Neue Wirtschaftsmärkte (bereinigte Daten)

Land Umsatzpotenzial unbereinigt

KKP Barriere des Markteintritts

Umsatzpotenzial bereinigt

PL 1.499.883 0,586 0,7 615.252 SK 254.384 0,737 0,7 131.237 CZ 662.468 0,706 0,7 327.392 Summe: 2.416.735 1.073.881

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78 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Die Werte der Kaufkraftparitäten sind dem Eurostat entnommen. Dort ist eine übersichtliche Tabelle vorhanden, mit der ein direkter Vergleich der Kaufkraft innerhalb der 27 EU-Länder vorgenommen werden kann. Aus diesen Informationen können wir nun analog zu der nationalen Soll-Umsatzentwicklung bis zum Jahr 2016 die Analyse und Kalkulation für die neuen Ländermärkte vornehmen. Gehen wir aber einmal davon aus, dass die Hein GmbH sich wirklich an den gut gemeinten Ratschlag hält und die Expansion nicht in zu kurzen Zeitabständen wählen wird. Wichtig ist auch, eine Organisation langsam, aber stetig wachsen zu lassen. Mit der geplanten Umsatzentwicklung des Unternehmens sind auch Expansionen vielfältiger Art verbunden. Diese Zusammenhänge werden wir uns im nächsten Gliederungspunkt genauer ansehen. Seit der Öffnung der Ostmärkte stellen sich klein- und mittelständische Unternehmen immer wieder die Frage, ob sie den Zeitpunkt eines Markteintritts nicht schon verpasst haben. Meine Antwort darauf lautet: Nein, der Erfolg in einem Markt hängt nicht primär mit dem Zeitpunkt zusammen, sondern damit, wie gut oder wie schlecht sich das Produkt von den anderen unter-scheidet. Die eigene Marktpositionierung ist in jedem Fall der erfolgversprechende Faktor in unserer Überlegung. So kann die Hein GmbH zunächst aus strategisch sinnvollen Überlegun-gen die nationalen Märkte, die Bundesländer, in denen man derzeit noch nicht vertreibt, bear-beiten, und hat, je nach Umfang der realen Entwicklungstätigkeit immer noch, zu jedem belie-bigen Zeitpunkt die Möglichkeit den Markteintritt in MOE Länder zu wagen. Ein altes Sprich-wort sagt, “Das Hemd sitzt näher, als der Rock!“. Diese Weisheit gilt auch für das Marketing bzw. für die Unternehmensentwicklung.

6.1.4 Kostensituation bei Umsatzentwicklung bis 2016 Fassen wir die Informationen, die uns bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen, noch einmal zusam-men: Die Hein GmbH hat zunächst den Vorsatz getroffen, auf nationaler Ebene zu wachsen. Dies soll durch die zusätzliche Akquise von Handelspartnern, die die Produkte flächendeckend in allen Bundesländern anbieten, geschehen. Die Hein GmbH hat, da es nahe liegend und recht transparent ist, die Bruttoinlandsprodukte der jeweiligen Bundesländer als Grundlage für eine Marktpotenzial- und Absatzprognose genommen. Nun wird jeder Geschäftsführer sagen: “Nun gut, aber was kostet mich das?“ Schauen wir uns nachfolgend die aktuelle und die mögliche Kostensituation der Hein GmbH näher an, um somit nicht nur Informationen über die potenzielle Umsatzentwicklung, sondern auch Informationen über die potenzielle Kostensituation, verbunden mit einer Deckungsbei-trags- und Gewinnermittlung, zu erhalten. a) In der Tabelle 6.1 sind die Kosten des Umsatzes mit 99.330,00 € angegeben. Den Kosten

des Umsatzes stehen Umsätze in Höhe von 301.000,00 € entgegen. Erinnern wir uns hier in unserem praktischen Beispiel noch einmal daran, welche Bestandteile in den Kosten des Umsatzes enthalten sind: � Materialeinzelkosten � Materialgemeinkosten � Fertigungseinzelkosten � Fertigungsgemeinkosten � Sondereinzelkosten der Fertigung

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6.1 Die Elektro Hein GmbH 79

Diese Kostenarten stellen also meine variablen Kosten dar, die ich direkt dem Kostenträger zurechne. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kostenhöhe mit zunehmendem Umsatz unterproportional verändert. Dies ist mit der folgenden Begründung untermauert: � Mit zunehmender Produktionsmenge steigt die Erfahrung, und die Prozessorganisation

kann entsprechend optimiert werden. � Mit zunehmendem Absatz sinkt der Einkaufswert pro Einheit, da Mengenrabatte beim

Lieferanten erwirkt werden können. � D. h. wir werden eine Reduktion bei den Materialkosten sowie bei den Fertigungskosten

erzielen können, unser DB pro Einheit wird also steigen. Es ist aber auch davon auszugehen, dass die Situation auf der Fixkostenseite explosionsartig nach oben tendiert. Die Fertigungsanlagen müssen neu ausgerichtet, der Materialdurchfluss optimiert und neue Mitarbeiter eingestellt werden. Nun können wir nach den vorliegenden Informationen einmal davon ausgehen, dass die Marktanalyse der Hein GmbH nachvollziehbar und seriös ist. Eine Analyse bezüglich einer Marktentwicklung, eines Business Development, einer Umsatz- und Absatzentwicklung hat immer etwas von dem Vorgang des Kristallkugel-Lesens. In einem realen Entwicklungsplan sind sicherlich noch andere Dinge zu berücksichti-gen, die wir uns aber auch strategisch erarbeiten können. Es hat immer einen Vorteil, externe Berater und Coaches für diesen Prozess zu rekrutieren, denn diese haben zum einen etwas analytischen Abstand vom Unternehmen und beschäftigen sich mit diesen oder ähnlichen Din-gen als Kernkompetenz.

6.1.5 Realisierungsmöglichkeiten Hein Sen. ist die Planung seines Juniors aber ein wenig zu ehrgeizig. Er hält den Entwick-lungsprozess zwar für realisierbar, glaubt aber, dass die Zeitschiene ein wenig knapp bemessen ist. Eine signifikante Steigerung erfolgt in dem Wirtschaftsjahr 2011. Wir werden uns also im Folgenden mit der Fragestellung beschäftigen, wie wir den Markt in der avisierten Zeit bear-beiten und gleichzeitig das Risiko der zusätzlichen Investition klein halten können. Die Hein GmbH kann sich mit einer Outsourcing-Strategie einen kompetenten Produktionspartner an Land ziehen. Hier entstehen also variable Kosten, die entsprechend einzupreisen sind. Einzup-reisen ist hier nicht mit einer Erhöhung des Endkundenpreises, sondern mit einer Kalkulation auf der Kosten- und Deckungsbeitragsseite zu verstehen. Die Leistung der Hein GmbH verrin-gert sich und somit ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich auch der Soll-Deckungsbeitrag pro produzierte Einheit verringert. Eine mögliche Herausforderung ist es einen qualitativ hochwertigen Prozess sicher zu stellen. Hier ist es notwendig, dass sowohl die Leistungen und Produkte der Lieferanten, wie der Verarbeitungsprozess und der Lager- und Lieferprozess nach den Anforderungen des Marktes und der Hein GmbH strukturiert und organisiert werden. Um in einem entscheidenden Schritt für das Unternehmen weitere Fixkosten zu reduzieren, kann man auf der Vertriebs- und Verwaltungsseite die Diskussion über den Einsatz von Handelsver-tretern und weitere externe Dienstleister wie Call-Center für die Betreuung von C-Kunden führen. Also bleibt festzuhalten, dass der Entwicklungsansatz der Hein GmbH, „Wir wollen in den bestehenden Bundesländern nicht nur mit einem Vertriebspartner zusammen arbeiten, sondern flächendeckend präsent sein!“, mittels Marktdurchdringung gewählt wurde. Hier erhö-hen wir also unseren Distributionsgrad. Die Markterweiterungsstrategie nach der strategischen Vorgabe in Tabelle 6.5 ist zunächst unter einer möglichen Reduktion der Investitionen auf die nationalen Gebiete auszudehnen und im weiteren Schritt, ab 2016, international auszuweiten. In der Tabelle 6.5 kann eine weitere Strategie diskutiert werden: die Produkterweiterung. Schauen wir uns die Produkte und die aktuellen Kernkompetenzen der Hein GmbH an. Die

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80 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Produkte, die hergestellt werden, sind alle für den einphasigen Betrieb vorgesehen. Denkbar wäre zunächst eine Produktentwicklung, die sich an diese Kernkompetenzen anlagert, wie zum Beispiel die Folgenden: a) Hohlwanddosen werden zunächst nur für Leichtbauwände hergestellt. Eine Produktmodifi-

kation bzw. eine neue Produktentwicklung könnte auch Dosen für den elektrotechnischen Einsatz in Unterputz- oder Betonanwendungen hervor bringen. Hier ist mit einem großen Marktpotential zu rechnen, aber auch mit einem intensiven und niedrigpreisigen Wettbe-werb.

b) Die Schuko-Steckdosen könnten eine Geschwisterserie erhalten. Hier könnte die Entwick-lung zum einen in den Bereich der mobilen Stecksysteme für 230 V oder zum anderen in den Bereich der 400 V-Steckverbinder gehen. Durch eine Unterscheidung in Stromstärken, Spannungen und Materialien kann es zu einer Vielzahl von Produktvariationen kommen.

c) Für das Schaltermaterial gilt das Gleiche, wie für die Stecksysteme. Hier kann ebenfalls eine Produktentwicklung in den 400 Volt-Bereich und eine Variation in andere Materialien oder eine andere Art der Anwendung kommen.

d) Der Bereich der Fehlerstromschutzschalter kann unter ähnlichen Gesichtspunkten betrach-tet werden, wie b) und c).

In allen vier potentiellen Entwicklungsbereichen für die Produktentwicklung ist ebenfalls zu überlegen, ob eine eigene Produktion erfolgen kann und muss, oder ob ein Produkt oder eine Produktgruppe eines ausländischen Herstellers mit einer guten Reputation übernommen wird und entweder im Exklusivvertrieb oder unter dem Markennamen „Hein GmbH“ in Deutsch-land vertrieben und vermarktet wird. Sollten Sie sich in einer Entwicklungsphase Ihres Unter-nehmens dazu entschließen, einen nationalen oder internationalen Partner zu akquirieren, soll-ten Sie auch sicherstellen, dass der Prozess aus Sicht des Marktes gut und reibungslos funktio-niert. Dies wird schon mal vernachlässigt, und die Folgen für das entwickelnde Unternehmen sind Imageverlust, Verlust an Reputation, Verlust an Marktanteilen und komparativen Wettbe-werbsvorteilen. Die weiteren potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Denken wir einfach nur daran, welche Vielzahl von Produkten in der privaten oder industriel-len Haustechnik Anwendung findet. Diese Überlegungen sollten immer in Bezug auf die Kern-kompetenzen des Unternehmens und der Chancen und Risiken am nationalen oder internatio-nalen Wirtschaftsmarkt analysiert und umgesetzt werden. Für mich ist die Bezeichnung Unternehmensentwicklung oder Business Development gar nicht so eindeutig klar, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Was genau möchte Business Development? Zunächst könnte man meinen, dass man als Hauptaufgabe die Vertriebserweite-rung in andere Wirtschaftsregionen dieses Planeten hat. Meiner Meinung nach aber ist diese Aufgabe viel zu differenziert, um eine einzelne Abteilung oder gar eine einzelne Person damit zu beauftragen. Business Development soll und muss eine Veränderung aller Abteilungen im Unternehmen beinhalten. In den einleitenden Seiten dieses Buchs haben wir über den Return on Investment gesprochen. Mit diesem Model kann ebenfalls in anschaulicher und einfacher Weise ein Model für ein Business Development dargestellt werden. Mit diesem Hinweis möch-te ich nur zum Ausdruck bringen, dass auch ein Business Development ohne eine Markt- oder Produktentwicklung möglich ist. Hierzu sollten wir die Abbildung 6.4 näher betrachten: Es ist eine Darstellung der Gewinne pro Produktgruppe. Im weiteren Verlauf wird sich die Frage stellen, wie ich den Gewinn meines Unternehmens optimieren kann. Dies wirft auch die Frage nach der Motivation oder den Incentives im Vertriebsablauf auf. Hier sollte ein Vorgehen so ausfallen, dass die Produkte mit einer guten Gewinnmarge vorrangig zu verkaufen sind. Dies wäre ebenfalls eine äußerst interessante Art des Business Development, denn hier habe ich die

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6.1 Die Elektro Hein GmbH 81

Möglichkeit, mein Produktions- und Absatzportfolio gewinnorientiert zu optimieren. Die Folge ist eine erhöhte Liquidität und damit eine sinnvolle Art des Business Developments.

6.1.6 Kennzahlen des Unternehmens Der österreichische Ex-Finanzminister Alois Schumpeter ist einmal gefragt worden, wo er den Unterschied zwischen Unternehmern und Managern sehen würde, und sagte sinngemäß: „Ma-nager sind angestellte Unternehmer“. Im angelsächsischen Sprachgebrauch wurde diese Dis-kussion mit einer anderen Bezeichnung, die des „Entrepreneurs“ ergänzt. Ein Entrepreneur ist jemand, der etwas verändern möchte und darin die Hauptaufgabe seines Lebens sieht. In dieser Fallstudie haben wir einen Einblick erhalten, welche Möglichkeiten einem Unternehmen offen stehen, um ein Geschäft zu entwickeln. Es muss das Herzblut eines jeden Managers sein, die Kernkompetenzen des Unternehmens zu entwickeln und die Marktleistung zu verbessern. Im Rahmen der unternehmerischen Entwicklungsschritte ist auch der Finanzpartner, die Bank des Vertrauens frühzeitig von den Entwicklungsplänen zu unterrichten, um eine gemeinsame Finanzierung zu planen und zu realisieren. Eine wichtige Größe ist immer die Eigenkapitalquo-te. Diese können wir mit einem Blick auf die Bilanz, Tabelle 6.2 relativ einfach kalkulieren:

Eigenkapitalquote = Eigenkapital

(6.6) Gesamtkapital

Die Werte, die wir benötigen sind auf der Passivseite, der Seite die auch als Kapitalherkunft bezeichnet wird, eingetragen. 580.000/945.500 = 0,613 oder 61 % Eigenkapitalquote. Die Umsatzrentabilität haben wir uns bereits pro Produktgruppe angesehen. Werfen wir ab-schließend noch einen Blick auf den Return on Investment, den wir zu Beginn des Buches als eine sinnvolle unternehmensspezifische Steuerungsgröße definiert haben.

Kapitalumschlag = Umsatz pro Geschäftsjahr

(6.7) Gesamtkapital

Den Umsatzwert entnehmen wir aus der GuV, der Tabelle 6.1, in Verbindung mit den Jahres-werten, die in der Tabelle 6.3 angegeben sind. 301.000/945.500 = 0,318 oder 32 % Kapitalumschlag

Umsatzrentabilität = Gewinn pro Geschäftsjahr

(6.8) Umsatz pro Geschäftsjahr

Den Wert für den Gewinn und den Umsatz entnehmen wir wieder unserer GuV-Tabelle. 33.191/301.000 = 0,11 oder 11 % Umsatzrentabilität

ROI = Kapitalumschlag * Umsatzrentabilität (6.9)

0,318 * 0,11 = 0,035 oder 3,5 % ROI Mit der Analyse des ROI habe ich also eine Aussage darüber, in welcher Höhe das gesamte Kapital eines Betriebes in einer Wirtschaftsperiode Gewinne erwirtschaftet. Nun sprechen wir häufiger über Benchmarking und Möglichkeiten, unsere Unternehmensleistung mit anderen Marktteilnehmern zu vergleichen. Ein ROI-Vergleich ist relativ einfach und transparent. Hier ist die Bilanz und die GuV des zu vergleichenden Unternehmens zu beschaffen und die Ver-gleichswerte gegenüber zu stellen. Kritiker werfen häufiger ein, dass nur die Geschäftsberichte

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82 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

von Aktiengesellschaften leicht zugänglich sind. Ja, das ist sicherlich richtig, wir haben aber auch die Möglichkeiten über neutrale Beratungsgesellschaften die Daten zu beschaffen und einem Pool von teilnehmenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dies wird einen Mehr-wert für Ihre Unternehmensanalyse bedeuten. Ein solcher Unternehmenspool kann sich bran-chenspezifisch oder branchenübergreifend bilden und zusammensetzten. Die Planung in die Zukunft ist immer nur so gut, wie die Nachhaltigkeit, mit der ich meine gesteckten Ziele auch verfolge. In eine gesunde Geschäftsplanung gehört somit auch die Aussage über eine Zielrendi-te pro Geschäftsjahr.

6.2 Unternehmenssituation der MMM GmbH Das Unternehmen „Maschine Mensch und Mehr“, kurz die MMM GmbH genannt, produziert in Mittelfranken kunden- und zielgruppenorientierte Produktionsmaschinen. Das Unternehmen kann auf eine lange und traditionsreiche Geschichte zurückblicken. Gründungsjahr war 1823. Seit dieser Zeit hat MMM (damals noch unter der Firmierung Albert Grundlach KG firmiert) sich stark verändert. In den Gründerjahren fertigte das Unternehmen zunächst in Lizenz für Arkwright Spinnmanufakturen, dann investierte man in neue Produktionsmethoden und neue Produkte, partizipierte an der Entwicklung der Dampfmaschine, verhielt sich in den Kriegszei-ten opportun gegenüber dem Kaiser und dem 3. Deutschen Reich. 1945 wurde das Unterneh-men von den Alliierten zerschlagen, und die Anlagen wurden deportiert. 1948 erfolgte ein systematischer Neuaufbau mit Fokus auf die Produktionsmaschinen für drei unterschiedliche Zielgruppen. Seit 2007 wird unter der jetzigen Firmenbezeichnung MMM GmbH firmiert. Seit ca. dem 4. Quartal 2008 läuft das Geschäft ein wenig angespannt. Man hat derzeit noch volle Auftragsbücher. Der Auftragseingang ist aber um 35 % im Volumen des Umsatzes zu-rück gegangen. Die Anlagen, die derzeit produziert werden, stammen noch aus den Auftrags-eingangsbeständen von 2008 und teilweise 2009. Im Rahmen der angespannten Situation wurde ein Expertenteam der Generation Consulting GmbH damit beauftragt, Kernkompetenzen der Unternehmung MMM GmbH herauszuarbeiten und den Vertrieb zu strukturieren. Der derzeitige Vertriebsleiter ist ein reiferer Herr, der vor 45 Jahren seine Tätigkeit als Schlosser bei MMM begonnen hat. Die Geschäftsführung und die Marketingabteilung sind stark vertriebsorientiert, ihnen fehlt aber das Wissen, um hier wirklich Ziele zu setzen und diese auch nachhaltig zu erreichen. MMM GmbH hat drei Geschäftsbereiche (Strategic Business Unit = SBU) � Anlagen für die Sportindustrie, vorwiegend zur Ski und Snowboardproduktion (Kunststoff-

produktion) �U1 � Anlagen für die Holzindustrie �U2 � Anlagen für die Automobilzulieferindustrie (Kunststoffe, wie das komplette Cockpit) �U3 Nachfolgend erhalten Sie Informationen über die Situation der drei Geschäftsbereiche. In den Tabellen fehlen bewusst einige Angaben. Dies dient als Einladung an Sie, Ihren Taschenrech-ner zu greifen und mitzumachen und die Lücken in den Tabellen zu füllen. Anschließend kön-nen Sie Ihre Ergebnisse dann mit den Lösungsvorschlägen vergleichen.

Page 94: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

6.2 Unternehmenssituation der MMM GmbH 83

Tabelle 6.7: Mitarbeiter nach Unternehmensbereich

SBU MA Produktion & Fertigung

MA Verwaltung & Vertrieb

MA After Sales Service

U1 85 15 4 U2 55 23 3 U3 32 7 2 Summe: 172 45 9

Tabelle 6.8: Vertriebsmitarbeiter nach Geschäftsbereich

SBU MA Vertriebs Außendienst MA Vertriebs Innendienst U1 6 3 U2 12 4 U3 4 2 Summe: 22 9

Tabelle 6.9: Aufwendungen für Löhne und Gehälter der Mitarbeiter

SBU MA Produktion & Fertigung

MA Verwaltung & Vertrieb

MA After Sales Service

Monatsgehalt 2.500 3.200 2.400 Anzahl der Monate

14 14 14

Multiplikator für AG-SV-Anteil

1,36 1,36 1,36

Summe: Im vergangenen Wirtschaftsjahr wurde ein Nettoumsatz in Höhe von 24.080.938 € ausgewie-sen.

Tabelle 6.10: Umsatzstruktur nach SBU

SBU Umsatz Deckungsbeitrag Gewinn U1 8.900.000 U2 8.230.938 U3 5.500.000 Summe: 22.630.938

Als variable Kosten gehen die Mitarbeiter in der Produktion und Fertigung, die Maschinen-stundensätze, gemäß der nachfolgenden Tabelle und das Material in die Rechnung mit ein.

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84 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Tabelle 6.11: Materialkosten nach SBU

SBU Materialkosten U1 3.078.277 U2 2.418.646 U3 1.832.308 Summe:

Tabelle 6.12: Struktur der Fixkosten

SBU MA Verwaltung und Vertrieb

MA Service

Abschreibung (AfA) Produktion

Abschreibung (AfA) Gebäude

Sum-me:

U1 U2 U3 Summe:

Die Anschaffungskosten für die Produktionsgebäude betrugen 5,4 Mio. Euro. Dieser Betrag wird auf 20 Jahre linear abgeschrieben. Die Anschaffungskosten für Grundstücke, Gebäude und Sonstiges betrugen 1,3 Mio. Euro und werden auf 20 Jahre abgeschrieben. Die Anlagenda-tei zeigt einen aktuellen Stand der Maschinen und Anlagen in Höhe von 2.560.000 € (Der An-schaffungspreis betrug 3.200.000 €). Der aktuelle Wert für die Geschäftsausstattung beträgt 2.200.000 € (die Anschaffungskosten betrugen 2.750.000 €). Die Positionen Maschinen , An-lagen und Geschäftsausstattung werden auf Basis der jeweiligen Anschaffungskosten auf 10 Jahre abgeschrieben. Die Zuordnung der Kosten erfolgt nach 40:30:30 auf U1, U2, U3. Sie erhalten nun, als Expertenteam der Generation Consulting GmbH, von der Unternehmens-leitung der MMM GmbH den Auftrag, die Rendite zu steigern. Man geht davon aus, dass eine konsequentere Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse zu einem erhöhten Umsatz, DB und einer erhöhten Rendite führen wird.

6.2.1 Die Marktsituation für hochwertige Produktionsmaschinen in den jewei-ligen Marktsegmenten

Geschäftsbereich U1 (Sportanlagen): Es gibt in Europa nur eine Handvoll namenhafte Ski- und Snowboardproduzenten, die sich in den österreichischen Bundesländern „Salzburger Land“ und „Oberösterreich“ befinden. Der Vertrieb und das gesamte Marketing-Konzept kon-zentriert sich derzeit zu 75 % auf den deutschsprachigen Wirtschaftsraum (Österreich, die deutschsprachige Schweiz, Südtirol und Bayern). Neben den Skiproduzenten werden auch die Skigebiete als Kunden gelistet. In diesen Gebieten werden vorwiegend kleinere Bauteile ange-boten, mit denen die Skiwerkstätten die Ski warten, wachsen und die Bindungen bearbeiten können. Es handelt sich um eine Werkbank, die speziell für diese Zielgruppe entwickelt wurde. Die Unternehmen Kneisel, Völkl und Atomic sowie der spezialisierte Hersteller für Snow-boards „white powder“ werden von jeweils einem Schlüsselkundenbetreuer bearbeitet. Mit diesen drei Unternehmen macht die MMM GmbH 70 % des Umsatzes in diesem speziellen Marktsegment. Die Aufgabe der Key Accounts ist es auch, die B-Kunden zu betreuen und Informationen über neue Skiprojekte zu bekommen, um auch bei Ausschreibungen Ihre Pro-dukte bei der Erstausstattung einer Werkstatt platzieren zu können. Als strategische Zielmärkte hat man Kanada (geschätztes Marktvolumen ca. 250 % der deutschsprachigen Regionen), Norwegen (Potential ca. 10 % der deutschsprachigen Regionen), Polen, die Slowakei und

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6.2 Unternehmenssituation der MMM GmbH 85

Tschechien (mit einem Potential von ca. 20 % der deutschsprachigen Regionen) identifiziert. Die Umsätze, die bislang auf internationaler Basis getätigt werden, sind ausschließlich passive Geschäfte; d.h. der Interessent nimmt den Kontakt mit MMM auf. Es wurde bereits analysiert, dass die Internationalität des Unternehmens nicht gut ist. Die Ver-triebsmitarbeiter, die technischen Mitarbeiter, die intensiv bei der Forschung und Entwicklung einer wirklich kundenindividuellen Produktionsmaschine mitwirken, die Auftragsbearbeitung, die Angebotsbearbeitung, die gesamte Darstellung des Unternehmens, auch in Hinsicht auch Anschauungsmaterial für Kunden, ist vorwiegend auf nationale Belange ausgerichtet. MMM hat in diesem Marktsegment nur einen Wettbewerber, der so groß ist, dass man sich näher mit ihm beschäftigen muss. Die Firma Grill AG aus der Schweiz betreut 3 weitere A-Kunden im deutschsprachigen Raum. Man schätzt das Potential dieser 3 Kunden auf ca. 2,2 Mio. Euro pro Jahr. Die Kunden sind: „Magic Ski“ in Bad Hofgastein im Salzburger Land, „Mittermeier“ Skiproduktion in Ruhpolding und „Chiemsee“ in Bernau am Chiemsee. Die Schlüsselkundenbetreuer, oder auch Key Accounts genannt, haben zusätzlich die Informa-tion erhalten, dass MMM bei Kneisel 60 % des gesamten Bedarfs, bei Völkl 53 % des gesam-ten Bedarfs und bei Atomic 49 % des gesamten Bedarfs geliefert wird. Die Umsatzentwicklung ist hier rückläufig, die Anteile am gesamten Bedarf des Unternehmens sind rückläufig, obwohl die Umsatz- und Absatzwerte der Skiproduzenten stabil geblieben sind. Diese Tendenz gilt es zu analysieren und entsprechend zu reagieren.

Tabelle 6.13: Umsatzstruktur der A-Kunden

(Bestandskunden)A-Kunden Prozentuale Umsatzverteilung A-Kunden Kneisel 20% Atomic 50% Völkl 30%

Mögliche Optimierung der Unternehmens-Performance für den Vertrieb von U1: � Erhöhung der Einkaufssumme der A-Kunden auf X % � Erhöhung der Angebots-Auftragsquote auf Y % � Erhöhung des Marktanteils (deutschsprachig) auf W % � Veränderung der Produktion, der Durchlaufzeiten � Akquise der Wettbewerbskunden � X Anteile der gesamten Bestellung der Produktgruppe,

die bislang vom Wettbewerber realisiert wird.

Tabelle 6.14: Angebots-Auftragsquote nach SBU

SBU Angebots-Auftragsquote U1 0,61 U2 0,43 U3 0,17

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86 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Tabelle 6.15: Marktanteile nach SBU

SBU Marktanteil in % von Gesamt in Deutschland U1 22 % U2 17 % U3 2 %

Geschäftsbereich U2: Die Produktionsanlagen für die Holzindustrie werden zu 65 % ebenfalls in den deutschsprachi-gen Regionen vermarktet. Man sieht hier Entwicklungsmöglichkeiten im skandinavischen Wirtschaftsraum und in Kanada. Skandinavien hat in der Holz- und Papierverarbeitung eine Schlüsselrolle in Europa. Das Marktvolumen wird mit ca. 350 % des deutschsprachigen Mark-tes beurteilt. Kanada wird mit ca. 420 % des deutschsprachigen Wirtschaftsvolumens beurteilt. Im Holzverarbeitungsmarkt ist die Situation komplexer, als bei U1. Es gibt 287 Unternehmen, die als A-Kunden (80 % des Umsatzes des deutschsprachigen Marktes) klassifiziert werden. Die Vertriebsleitung geht davon aus, dass man den Umsatz für Produkte, Service (Wartungs-intervalle) und Ersatzteile pro Kunden im Durchschnitt auf 25.000 € erhöhen kann. B-Kunden gelten in diesem Markt nur als Mitnahmekunden, deren Akquise einmal zu aufwendig und die Konzentration zu intensiv und unrentabel wäre. Es ist allerdings auch hier bekannt, dass die stärksten Wettbewerber das Unternehmen Holz-Fertigungs AG und die Fima Holzwurm zu-sammen im deutschsprachigen Raum 378 A-Kunden betreuen. Dieses Potential (10,25 Mio. Euro) möchten wir neben dem internationalen Markt intensiver bearbeiten. Mögliche Optimierung der Unternehmens-Performance für den Vertrieb von U2: � Erhöhung des durchschnittlichen A-Kundenumsatzes in den deutschsprachigen Regionen

auf X %. � A-Kunden des Wettbewerbs Y € umsetzen � Exportmarkt: nur Skandinavien, im ersten Jahr soll 5 % des Marktvolumens erreicht wer-

den. Indirekter Vertrieb, Handelspartner erhält 15 % Rabatt auf den Bruttopreis. Verbinden Sie bitte mit Ihrer jeweiligen Zielsetzung auch eine Zielrealisierungsstrategie.

Der Geschäftsbereich U3: Dieser Geschäftsbereich ist die neuste Entwicklung von MMM. MMM GmbH hat ein Produk-tionswerkzeug entwickelt, dass bei nur einem Spannvorgang mehrere unterschiedliche Arbeits-gänge bearbeiten kann. Der Kundennutzen, die optimierte Zeit der Produktion des Fertigungs-teils steht im Vordergrund der Kundenkommunikation und Akquise. Da der Automobil-Sektor in Deutschland allerdings ein sehr spezieller ist und die Unternehmen bereits bestehende Liefe-rantenverträge in guter Qualität haben, dauert die Phase der Kundenakquise in der Regel zwi-schen 2 und 5 Jahren. Eine realistische Schätzung geht in diesem Marktsegment von einem Umsatzpotenzial von 28.000.000 € innerhalb der nächsten 5 Jahre aus. Das Potential wird vorwiegend in Deutsch-land realisiert. Basis der Akquise ist Deutschland. Die Unternehmen, die z. B. VW zugeordnet sind und Produktionsstätten im (EU27) Ausland haben, werden zusätzlich akquiriert (z. B. Trencin, Bratislava für VW). 85 % des Umsatzes wird im deutschsprachigen Raum erwirtschaftet. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund von Produktionsverlagerungen ein höherer Anteil von (EU27) Kunden zu bedie-nen sein wird. MMM hat bereits 35 A-Kunden, die 80 % des deutschsprachigen Umsatzes machen. B-Kunden werden in einem Umsatzbereich ab 50.000 € definiert. Als primäre Märkte für den EU27-Export werden die Slowakei, Tschechien und Rumänien identifiziert.

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6.2 Unternehmenssituation der MMM GmbH 87

Mögliche Optimierung der Unternehmens-Performance für den Vertrieb von U3: � Im vergangen Wirtschaftsjahr hat Ihr Vertreib dem A-Kundensegment durchschnittlich

23 % Rabatt gewährt. Reduzieren Sie diesen Wert auf 19 % und zeigen Sie die direkten Re-sultate für den DB und den Gewinn auf.

� Bei der B-Kundenakquise ist Ihr Zielwert, 14 Unternehmen innerhalb eines Jahres > 50.000 € zu akquirieren. Formulieren Sie die Zielerreichungsstrategie innerhalb der Ak-quise.

� Im B-Kundensegment wurde in der Vergangenheit 15 % Rabatt gewährt. Ihr Ziel ist nun ein durchschnittlicher Rabatt von 5 %. Analysieren Sie die Auswirkungen auf den DB und den Gewinn.

Die Mitarbeitersituation: Die Geschäftsbereiche, die sich intensiver mit dem Export beschäftigen, sollten Ihre Mitarbei-ter, die im direkten oder indirekten Kundenkontakt stehen, in der englischen Sprache trainie-ren. Definieren Sie also bitte, welche Mitarbeiter Bedarf an Fachenglisch (Technik oder Wirt-schaft) haben und stellen Sie einen Trainingsplan auf.

Tabelle 6.16: Mitarbeiter nach betrieblichen Bereichen und SBU

SBU Produktion Vertrieb Außendienst

Vertrieb Innendienst

Verwaltung After-Sales

Summe

U1 85 6 3 6 4 104 U2 55 12 4 5 3 79 U3 32 4 2 1 2 41

Summe 172 22 9 12 9 224

Tabelle 6.17: Bilanz der MMM GmbH

Aktiva Passiva Grundstücke 1.170.000 Eigenkapital 4.438.192 Gebäude 4.860.000 Technische Anlagen 2.560.000 Geschäftsausstattung 2.200.000 Fremdkapital 13.314.577 Rohstoffe 2.931.692 Hilfsstoffe 732.923 Fertige Erzeugnisse 3.298.154 Summe: 17.752.769 17.752.769 Eigenkapitalquote: 25 %

Im Folgenden werden wir nun gemeinsam versuchen, die Lage des Unternehmens mit der Vielzahl der vorhandenen Informationen zu analysieren. Unser Ziel sollte und muss eine Ren-diteerhöhung sein. Wir erinnern uns an unser ROI-Modell oder den Dupont-Baum und nutzen diesen nun zur praktischen Umsetzung unserer Performance-Parameter. Der Return on Investment ergibt sich als eine Multiplikation aus Kapitalumschlag und Umsatz-rentabilität. Der Kapitalumschlag wiederum ergibt sich aus einer Division aus Umsatz und dem investierten Kapital. Die Umsatzrentabilität ist aus einer Division aus Gewinn und Umsatz zu ermitteln.

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88 6 Fallstudien zur Leistungsoptimierung im Betrieb

Tabelle 6.18: Umsatzrentabilität nach SBU

SBU Umsatzrentabilität U1 (275.946/8.900.000) � 0,031 oder 3,1 % U2 (1.409.648/8.230.938) � 0,17 oder 17 % U2 (1.332.067/5.500.000) � 0,24 oder 24 %

Tabelle 6.19: Kapitalumschlag, Umsatzrentabilität und ROI der MMM GmbH

Kapitalumschlag Umsatzrentabilität ROI (22.630.938/17.752.769)� 1,27 oder 127 %

(3.017.661/22.630.938)� 0,133 oder 13,3 %

1,27 *0,133 � 0,17 oder 17 %

Tabelle 6.20: Umsatz und Aufwendungen nach SGE

Umsatz/Aufwendungen U1 U2 U3 � Umsatz 8.900.000 8.230.938 5.500.000 22.630.938 % von Total 40 % 32 % 24 % 100 % Kosten des Umsatzes 7.240.857 5.124.081 3.442.943 15.807881 % von Total 46 % 32 % 22 % 100 % Bruttoergebnis (DBI) 1.659.143 3.106.857 2.057.057 6.823.057 % von Total 24 % 46 % 30 % 100 % Vertriebskosten 661.089 1.093.848 484.568 2.239.505 Verwaltungskosten 704.688 590.296 227.356 1.522.341 � Verwaltung und Ver-triebskosten

1.365.777 1.684.144 711.925 3.761.846

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7 Der Delphin Vertriebsnavigator

7.1 Die finanzwirtschaftliche Seite mit ROI-Orientierung Der Delphin Vertriebsnavigator ist ein innovatives Managementinstrument, welches Licht in das Dunkel bringt. Mit Hilfe des Navigators untersuchen wir unterschiedliche Bereiche, die unsere Unternehmensperformance bzw. die Performance eines betrieblichen Teilbereichs ana-lysieren und optimieren soll. Als betrieblichen Teilbereich haben wir uns an dieser Stelle den Vertrieb ausgesucht, da dieser in vielen Unternehmen und unterschiedlichen Branchen die gleichen Herausforderungen und Probleme hat. Analog zum Vertrieb können wir mit den vor-liegenden Informationen auch einen Navigator für den Einkauf, die Logistik, die Produktion und andere betriebliche Teilbereiche erstellen. Grundlage für die Anwendung dieser Methode ist zunächst eine Bestimmung der Faktoren, die in den Navigator einfließen sollen und die unsere Managementtätigkeit bestimmen soll. Ich habe diese Entscheidung hier sehr subjektiv getroffen und die folgenden Faktoren bestimmt: � Finanzwirtschaftliche Kennzahlen � Informationen über die Kundenseite und den Wettbewerb � Informationen über den Einsatz der Ressourcen � Entwicklung der Organisation Beginnen wir also mit dem ersten Faktor, der ersten Dimension, den finanzwirtschaftlichen Kennzahlen. Wir erinnern uns, dass der Return on Investment von zwei Zweigen, dem Um-satzzweig und dem Kapitalzweig, bestimmt wird. Unterstellen wir einmal, dass der Vertrieb hier unmittelbaren Einfluss auf den Umsatzzweig hat.

ROI = Umsatzrentabilität * Kapitalumschlag (7.1)

Die Umsatzrentabilität ist also eine Größe, die wir näher untersuchen sollten, wenn wir uns innerbetrieblich mit dem ROI-Modell als Managementtool beschäftigen.

Umsatzrentabilität = Gewinn/Umsatz (7.2)

Der Umsatz wird als Nettoumsatz verstanden. Bruttoumsatz minus Erlösschmälerungen (kun-denindividuelle Rabatte, Skonti u.a.)

Nettoumsatz = Bruttoumsatz – Erlösschmälerungen (7.3)

Der Gewinn errechnet sich aus dem Umsatz minus den variablen Kosten minus den Fixkosten.

Gewinn = Umsatz minus variable Kosten minus fixe Kosten (7.4)

Nun wird Ihnen von Seminaranbietern immer mal wieder kommuniziert werden, was denn mit dem Gewinn passiert, wenn es uns gelingt, die Rabatte um 3% zu reduzieren. Diese und andere Fragen sind natürlich keine Meisterwerke der Betriebswirtschaft. Mit dem Navigator können wir diese Zusammenhänge leicht nachvollziehen und ausrechnen.

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_7,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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90 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Abbildung 7.1 Finanzwirtschaftliche Kennzahlen, Teil – ROI, der Umsatzzweig

Was haben wir in diesem Arbeitsschritt verändert? Zunächst haben wir nur die durchschnittli-che Rabatthöhe von derzeit 35% auf durchschnittlich 32% reduziert. Der Bruttoumsatz bleibt konstant, der Nettoumsatz steigt um 120.000 €. Es wird die gleiche Menge mit den gleichen Personen in der gleichen Zeit mit dem gleichen Einsatz der Aktiva produziert. Das bedeutet, dass die Kostensituation gleich bleibt. Dies würde einen Anstieg des Gewinns um ebenfalls 120.000 € bedeuten. Wir haben also mit einer optimierten Rabattpolitik und einer Reduktion des durchschnittlichen Rabattes die Produktivität signifikant erhöht. Der Gewinn erhöht sich durch diese einfach anmutende Maßnahme um 57% zum aktuellen Stand. Die Umsatzrentabili-tät erhöht sich um 50% von 8% auf nun 12%. Wir sprechen hier über ein Controlling- und Managementinstrument, das im Vertrieb Anwendung finden soll. Wir müssen also intensiver in die Unterpunkte unseres Navigators eintauchen. An dieser Stelle sollten wir uns kritisch fragen, welche Faktoren wir in unserem Navigator, beschränkt auf den Vertrieb, aktiv beeinflussen können. Dies sind in der Abbildung 7.1 die Faktoren Erlösschmälerung; lassen wir hier auf-grund der Übersichtlichkeit Skonti und eventuell andere Faktoren unbeachtet. Eine Reduktion der Rabatte bzw. der Nachlässe ist immer eine höchst sensitive Angelegenheit im Unterneh-men. Es hat allerdings, wie wir in der Anwendung des ROI-Baumes sehen, erhebliche Auswir-kungen auf die unternehmerische Performance. Als zusätzliches Verkaufsargument sollte der loyale Kunde dazu bereit sein, bei einem gleichbleibenden Umsatzvolumen und keinen Preis-erhöhungen, eine Reduktion der Rabattsituation zu akzeptieren. Tendenziell ist die Reduktion der Rabatte analog der Kundenstruktur zu erhöhen. Eine Reduktion der Nachlässe bei einem A-Kunden und einem B-Kunden mit Potential ist sicherlich sensibler als bei Neukunden oder bei B-Kunden ohne Potential und C-Kunden. Dies gilt es bei der Anwendung des o.g. Zielsystems zu berücksichtigen.

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7.1 Die finanzwirtschaftliche Seite mit ROI-Orientierung 91

Tabelle 7.1 Mitarbeitersituation im Unternehmen

Abteilung Mitarbeiter Einkauf 2 Logistik 1 EDV 1 Arbeitsvorbereitung 2 Produktion 5 Marketing 3 Vertrieb Innendienst 3 Vertrieb Außendienst 3 Summe 20

Unser Ziel wird es im Verlauf der Fallstudie sein, den Prozessablauf zwischen dem Kunden, dem Vertriebsinnendienst und dem Vertriebsaußendienst zu optimieren, um so die Zeit des Außendienstes auf die wichtigen Kundengespräche zu fokussieren und den Innendienst mit in die Verantwortung zu nehmen. Der Vertriebsinnendienst hat somit eigene Kundenverantwor-tung für B-Kunden ohne nennenswerte Potentialentwicklung und für C-Kunden. Der Einsatz der gesamten Humanressourcen hängt zunächst von der Kundenstruktur des jeweiligen Außen-dienstes ab. Verfügt der jeweilige Vertriebsmitarbeiter im Außendienst über eine hohe Anzahl von A-Kunden, so ist davon auszugehen, dass die Zeit, die benötigt wird, um die Gesamtzahl der A-Kunden zu betreuen, recht groß sein wird. Dort sollte dann also der Vertriebsinnendienst Kunden und Umsatzverantwortung übernehmen. In unserer Fallstudie haben wir drei Ver-triebsmitarbeiter, die jeweils mit einen Partner im Innendienst zusammen arbeiten. Die nachhaltige Anwendung des Vertriebsnavigators erfolgt nach dem folgenden Schema: a) Im ersten Schritt untersuchen wir den aktuellen Ressourceneinsatz der Außendienstmitar-beiter. Dies analysieren wir nach Außendienstmitarbeiter, bzw. nach Verkaufsgebiet.

Tabelle 7.2 Analyseschritt 1, aktueller Ressourceneinsatz für AD I

Analyse nach Verkaufsgebiet (AD I) Prozent kumuliert Tage Arbeitstage 100% 220,00 Innendienst-Tage (Freitags) Terminierung 20% 20% 44,00 Schulung, Information, Kommunikation 5% 25% 11,00 Integration Angebot 2% 27% 4,40 Neukundenakquise (Desk Research) 5% 32% 9,90 Technische Detailplanung (Absprache) 5% 37% 11,00 Integration im After Sales-Bereich 5% 42% 11,00 Sonstige Tätigkeiten 10% 52% 22,00 Summe: 52% 113,30 verbleibende aktive AD-Zeit 49% 106,70 Summe der Businesskontakte/Jahr 1.200,00

In dieser Tabelle analysieren wir eine kundenindividuelle Situation im jeweiligen Verkaufsge-biet. Wir gehen zunächst davon aus, dass der Mitarbeiter 220 Tage arbeitet. Dann erfolgt eine Befragung, wie lange der Mitarbeiter für die einzelnen Tätigkeiten benötigt, die nicht direkt den Außendienst und das direkte (persönliche) Kundengespräch betreffen. So planen die meis-ten Kollegen im Außendienst den Freitag fix als Home Office-Tag ein, um sich hier für die kommende Woche zu reorganisieren, Kontakte für die kommende Kalenderwoche zu fixieren und Abstimmungen mit dem Innendienst vorzunehmen. Die Abfrage erfolgt in Prozentwerten

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92 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

der gesamten Arbeitszeit. In der dritten Spalte werden diese Tätigkeiten prozentual kumuliert. Wir erfahren somit, wie die Summe der Tätigkeiten ist, die der Mitarbeiter mit anderen Tätig-keiten verbringt. In der Tabelle 7.2 sind es 52% von 220 Tagen. Dies entspricht einer Summe von 113,30 Tagen. Somit errechnet sich die verbleibende effektive Zeit für Außendienstkon-takte durch eine Subtraktion aus den gesamten Arbeitstagen pro Jahr und der Summe der Tage, die für andere Tätigkeiten aufgewendet werden (113,30). Als Ergebnis erhalten wir den Wert 106,70. Das bedeutet, dass wir nun den Kollegen im Außendienst ca. 107 Tage effektiv im Außendienst einsetzen können. Die Summe der Businesskontakte, die hier in der Tabelle mit 1.200 Kontakten pro Jahr angegeben ist, kann durch zwei Arten ermittelt werden. Zum einen haben wir die Summe der Kontakte pro MA und Verkaufsgebiet in unserem VIS, dem Ver-triebsinformationssystem gespeichert, und zweitens haben oder sollten wir eine Zusammenfas-sung und eine Art Benchmark der einzelnen MA in einem monatlichen Vertriebsprotokoll haben. Mit der Summe der Business-Kontakte pro Jahr und der Kenntnis der aktiven Außen-dienstzeit, können wir an dieser Stelle die durchschnittlichen Besuche pro Tag und die durch-schnittliche (Brutto) Zeit für einen Kundenkontakt ausrechnen. Ich habe hier bewusst die Be-zeichnung (Brutto) Zeit für einen durchschnittlichen Kundenkontakt gewählt, denn letztendlich gilt es diesen Faktor zu optimieren. Eine optimale Routenplanung wird sicherlich nur marginal praktisch Anwendung finden können. Dessen ist sich jeder bewusst, der schon einmal im Ver-triebsaußendienst gearbeitet hat.

Tabelle 7.3 Analyseschritt 1, aktueller Ressourceneinsatz für AD II

Analyse nach Verkaufsgebiet Prozent kumuliert Tage Arbeitstage 100% 220,00 Innendienst-Tage (Freitags) Terminierung 10% 10% 22,00 Schulung, Information, Kommunikation 3% 13% 6,60 Integration Angebot 2% 15% 4,40 Neukundenakquise (Desk Research) 10% 25% 22,00 Technische Detailplanung (Absprache) 8% 33% 17,60 Integration im After Sales-Bereich 6% 39% 13,20 Sonstige Tätigkeiten 10% 49% 22,00 Summe: 49% 107,80 verbleibende aktive AD-Zeit 51% 112,20 Summe der Businesskontakte/Jahr 1.150,00

Tabelle 7.4 Analyseschritt 1, aktueller Ressourceneinsatz für AD III

Analyse nach Verkaufsgebiet Prozent kumuliert Tage Arbeitstage 100% 220,00 Innendienst-Tage (Freitags) Terminierung 15% 15% 33,00 Schulung, Information, Kommunikation 12% 27% 26,40 Integration Angebot 2% 29% 4,40 Neukundenakquise (Desk Research) 5% 34% 11,00 Technische Detailplanung (Absprache) 10% 44% 22,00 Integration im After Sales-Bereich 3% 47% 6,60 Sonstige Tätigkeiten 5% 52% 11,00 Summe: 52% 114,40 verbleibende aktive AD-Zeit 48% 105,60 Summe der Businesskontakte/Jahr 1.300,00

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7.1 Die finanzwirtschaftliche Seite mit ROI-Orientierung 93

b) Im zweiten Schritt analysieren wir die Kontakte pro Tag und die durchschnittliche Brutto-zeit pro Businesskontakt.

Tabelle 7.5 Durchschnittlicher Zeitaufwand pro Außendienstkontakt AD I

Durchschnittliche Besuche pro Tag: 11,2 Durchschnittliche Arbeitszeit pro Tag (h) 8,0 (Brutto) Aufwand /Zeit pro Kunde (h) Durchschnittliche (Brutto) Besuchszeit 0,7

Tabelle 7.6 Durchschnittlicher Zeitaufwand pro Außendienstkontakt AD II

Durchschnittliche Besuche pro Tag: 10,2 Durchschnittliche Arbeitszeit pro Tag (h) 8 (Brutto) Aufwand /Zeit pro Kunde (h) Durchschnittliche (Brutto) Besuchszeit 0,8

Tabelle 7.7 Durchschnittlicher Zeitaufwand pro Außendienstkontakt AD III

Durchschnittliche Besuche pro Tag: 12,3 Durchschnittliche Arbeitszeit pro Tag (h) 8 (Brutto) Aufwand /Zeit pro Kunde (h) Durchschnittliche (Brutto) Besuchszeit 0,7

Die durchschnittlichen Besuche pro Tag errechnen sich aus einer Division aus der Summe der Business Kontakte pro Jahr (1.200) und den verbleibenden Tagen für reine Außendiensttätig-keit (106,70). Der (Brutto) Zeitaufwand pro Kundentermin errechnet sich somit aus der Ar-beitszeit dividiert durch den durchschnittlichen Besuchen pro Tag. c) Im dritten Schritt kommt es zu einer Integration der aktuellen Kundenstruktur, verbunden mit einem Zielportfolio für den optimalen Einsatz der Humanressourcen im Außendienst.

Tabelle 7.8 Soll-Zeiten-Allokation für AD I pro Kundengruppe

Soll-Mehraufwand nach Kundenstruktur & Potential

A-Kunde B-Kunde mit Poten-tial

B-Kunde ohne Poten-tial

C-Kunde Ø (Brutto) Besuchszeit (h)

15% 10% 0% -20% 0,7

Unser Vertriebsmitarbeiter im Verkaufsgebiet I hat also einen durchschnittlichen (Brutto) Zeit-bedarf von 0,7 Stunden pro Geschäftskontakt. Durch unsere Gebiets- und Kundenstrukturana-lyse wissen wir, welche Kunden mit welchen Potentialen zu kalkulieren sind. Diese Informati-on wenden wir in der Tabelle 7.3 an, indem wir Soll-Zeiten pro Kundenstruktur vergeben. Bei einem A-Kunden werde ich mich in aller Regel länger aufhalten, als bei einem B-Kunden mit Potential. Die hier in der Zeile zwei eingetragenen Prozentwerte beziehen sich auf die durch-schnittliche Zeit, die der Außendienst für einen Kontakt benötigt. Als Beispiel ist es das Ziel, für einen A-Kunden 1,15 * 0,7 Stunden pro Verkaufskontakt zu verwenden. Wie alle Informa-tionen in dieser Datei oder bei dieser Rechnung fällt auch dieser prozentuale Aufschlag nicht vom Himmel, sondern ist beim Kunden in Verbindung mit dem Außendienstmitarbeiter zu erfragen und in der Tabelle einzutragen. Zur notwendigen Vorbereitung auf diese Tabelle be-

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94 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

nötigen wir also die Kundenstrukturanalyse. Im Vorfeld der Kundenstrukturanalyse müssen wir uns Gedanken darüber machen, mit welchen Werten ich das Potential und den Wert des Kunden bestimmen kann. Nur durch die Allokation von Bewertungsfaktoren werde ich in der Lage sein, Prioritäten im Vertrieb und an anderen betrieblichen Teilbereichen setzen zu können und ein System wie den Navigator zu einer Optimierung der betrieblichen Performance an-wenden zu können. Nachdem wir detaillierte Kenntnisse der Kundenstruktur pro Außendienst und pro Gebiet ge-sammelt haben, setzen wir ein zweites Ziel, das ebenso zum ROI-Baum passt. Als zweites Ziel haben die Vertriebsmitarbeiter den Umsatz für A-Kunden um 5% und den Umsatz für B-Kunden mit Potential um 7,5% zu steigern. Die Kalkulationen und die einzelnen Ergebnisse sehen wir in den nachfolgenden Tabellen. Dort haben wie eine Spalte mit einer Klassifikation der Kunden nach Kundenwert. Um diese Spalte eintragen zu können, müssen wir uns im Vor-feld Gedanken über die Faktoren machen, die den Kundenwert darstellen. Dies haben wir in dem nachfolgenden, bzw. parallelen Teil erarbeitet, der ebenfalls in den Vertriebsnavigator mit einigen Kennzahlen einfließen wird. Wir haben in den nachfolgenden Tabellen ebenfalls den Umsatz pro Kundengruppe dargestellt, sowie die Anzahl der Kunden pro Kundengruppe (Gruppe ist hier im Sinne der A, B, C-Kundenstruktur zu verstehen) ermittelt. Wir haben ebenfalls die aktuelle und die zukünftige Rabattsituation eingetragen. Eine zielführende Erkenntnis ist an dieser Stelle die Veränderung des Nettoumsatzes pro Mitarbeiter und pro Verkaufsgebiet. Die Tabellen 7.9 bis 7.14 sind nachfolgend dargestellt.

Tabelle 7.9 Soll- Struktur Rabatte AD I

1. Ziel Redukti-on des durch-schn. Rabatts auf 32% AD I

An-zahl

Ø Brutto-umsatz in €

Ø Ra-batt

Summe Rabatte in €

Ø Ist-Netto-umsatz in €

Soll-Summe Rabatte

Ø Soll-Netto-umsatz in €

A-Kunde 16 960.000 38% 364.800 595.200 35% 620.400 B- Kunde mit Potential

35 84.000 33% 27.720 56.280 30% 58.800

B- Kunde ohne Potential

74 96.000 21% 20.160 75.840 15% 81.600

C-Kunde 220 60.000 12% 7.350 52.650 8% 55.200 Summe: 345 1.200.000 420.000 780.000 384.000 € 816.000

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7.1 Die finanzwirtschaftliche Seite mit ROI-Orientierung 95

Tabelle 7.10 Soll- Struktur Rabatte AD II

1. Ziel Reduk-tion des durch-schn. Rabatts auf 32% AD II

An-zahl

Ø Brutto-umsatz in €

Ø Ra-batt

Summe Rabat-te in €

Ø Ist-Netto-umsatz in €

Soll-Summe Rabatte

Ø Soll-Nettoum-satz in €

A-Kunde 20 1.184.000 38% 449.920 734.080 35% 765.160 B- Kunde mit Potential

19 103.600 33% 34.188 69.412 30% 72.520

B- Kunde ohne Potential

58 118.400 21% 24.864 93.536 15% 100.640

C-Kunde 320 74.000 12% 9.065 64.935 8% 68.080 Summe: 417 1.480.000 518.000 962.000 473.600 € 1.006.400

Tabelle 7.11 Soll- Struktur Rabatte AD III

1. Ziel Redukti-on des durch-schn. Rabatts auf 32% AD III

An-zahl

Ø Brut-toumsatz in €

Ø Ra-batt

Summe Rabatte in €

Ø Ist-Netto-umsatz in €

Soll-Summe Rabatte

Ø Soll-Netto-umsatz in €

A-Kunde 19 1.056.000 38% 401.280 654.720 35% 682.440 B- Kunde mit Potential

39 92.400 33% 30.492 61.908 30% 64.680

B- Kunde ohne Potential

42 105.600 21% 22.176 83.424 15% 89.760

C-Kunde 411 66.000 12% 8.085 57.915 8% 60.720 Summe: 511 1.320.000 462.000 858.000 422.400 € 897.600

Tabelle 7.12 Soll- Umsatz AD I

2. Ziel Erhöhung Um-satz A- und B-Kunden Rabatts auf 32% AD I

Anzahl Ø Ist-Brutto-umsatz in €

Ø Rabatt Ø Soll-Brutto-umsatz in €

Ø Soll-Netto-umsatz in €

A-Kunde 16 960.000 35% 1.008.000 651.420 B- Kunde mit Potential 35 84.000 30% 90.300 63.210 B- Kunde ohne Potenti-al

74 96.000 15% 96.000 81.600

C-Kunde 220 60.000 8% 60.000 55.200 Summe: 345 1.254.300 1.254.300 851.430

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96 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Tabelle 7.13 Soll- Umsatz AD II

2. Ziel Erhöhung Um-satz A- und B-Kunden Rabatts auf 32% AD II

Anzahl Ø Ist-Brutto-umsatz in e

Ø Rabatt Ø Soll-Brutto-umsatz in €

Ø Soll-Netto-umsatz in €

A-Kunde 20 1.184.000 35% 1.243.200 803.418 B- Kunde mit Potential 19 103.600 30% 111.370 77.959 B- Kunde ohne Potential 58 118.400 15% 118.400 100.640 C-Kunde 320 74.000 8% 74.000 68.080 Summe: 417 1.546.970 1.050.097

Tabelle 7.14 Soll- Umsatz AD III

2. Ziel Erhöhung Um-satz A-Kd & B-Kunden Rabatts auf 32% ADIII

Anzahl Ø Ist-Bruttoum-satz in €

Ø Rabatt Ø Soll-Brutto-umsatz in €

Ø Soll-Netto-umsatz in €

A-Kunde 19 1.056.000 35% 1.108.800 716.562 B- Kunde mit Potential 39 92.400 30% 99.330 69.531 B- Kunde ohne Potential 42 105.600 15% 105.600 89.760 C-Kunde 411 66.000 8% 66.000 60.720 Summe: 511 1.379.730 936.573

Abbildung 7.2 Veränderung am ROI Baum

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7.2 Die Kundenseite 97

An dieser Stelle sollten wir uns noch einmal daran erinnern, dass wir bislang nur zwei Faktoren aktiv beeinflusst haben. Im ersten Schritt haben wir die Erlösminderung reduziert. Im zweiten Schritt haben wir dann Überlegungen angestellt, wie wir den Nettoumsatz erhöhen können. Im Vertriebsaußendienst ist die durchschnittliche Besuchsfrequenz pro Mitarbeiter immer auch eine Kennzahl, die zum Vergleich heran gezogen wird. Wir sehen in den Tabellen 7.5–7.7, dass die Mitarbeiter im Vertrieb unterschiedlich lange Zeit beim Kunden verbringen (Brutto). Dies kann an verschiedenen Dingen liegen: � Es gibt eine Unterscheidung der Kundenstruktur, der Kundendichte in den unterschiedli-

chen Gebieten. Es kann zu einem Mehr- oder Minderaufwand der Reisetätigkeit zwischen den einzelnen Kundengesprächen kommen.

� Der Mitarbeiter stellt eine eigene Persönlichkeit dar, die gewisse Dinge individuell gestaltet und Gespräche individuell führt. Das ist gut so. Dies möchten wir hier in keinster Weise verändern.

� Es gibt Projekte bei verschiedenen Kunden, die ein längeres Gespräch sinnvoll machen und die Beratungsbedarf haben.

Es ist eine grundsätzliche, positive Korrelation zwischen der Anzahl der Besuchskontakte, der Besuchsfrequenz und dem Umsatz pro Verkaufsgebiet zu erwarten. Diesen Faktor werden wir mit einem Optimierungsansatz für Kundenbesuche nach Kundenstruktur optimieren.

7.2 Die Kundenseite Ohne eine genauere Analyse der Kundenstruktur und einer Kundenbewertung ist es nicht mög-lich, über einen nachhaltigen Einsatz der Mitarbeiterressourcen zu sprechen, da man keine Prioritäten setzen kann. Es wird also im Folgenden unsere Aufgabe sein, die Informationen, die wir über unsere Kunden haben, zu strukturieren, zu visualisieren und daraus eine Handlungsab-leitung zu treffen, die unseren Vertrieb, Innen- und Außendienst betrifft. Wir werden uns zu-nächst mit zwei Themen auf der Kundenseite beschäftigen: a) Durchführung einer Kundenstrukturanalyse. Dabei sehen wir uns unterschiedliche Mög-

lichkeiten an, wie wir den Wert des Kunden bestimmen können. Durch diese Analyse er-fahren wir, wie wir mit dem Kunden bei den nächsten Jahresverhandlungen sprechen, wenn von Kundenseite ein besserer Preis oder additive Leistungen gefordert werden. An dieser Stelle nehmen wir auch eine Potentialanalyse auf Kundenseite vor. Es gibt eine Vielfalt von Fragen, die wir auf Kundenseite beantworten müssen, um auf der einen Seite den Wert un-seres Kunden zu beurteilen und auf der anderen Seite zu wissen, für welchen Kunden wir wie aktiv agieren sollen.

b) In dieser direkten Kommunikationslinie mit dem Kunden ist es ebenfalls wichtig, dass wir Informationen über die Kundenzufriedenheit (im Bezug auf die Prozessqualität und in Be-zug auf die Produktqualität, bestehend aus Produktleistung und Produktnebenleistung) ge-winnen und diese nachhaltig innerbetrieblich nutzen und weiterentwickeln.

7.2.1 Das Scoringmodel am Beispiel Beschäftigen wir uns zunächst mit der Strukturanalyse der Kunden Das erste Model ist ein sogenanntes Scoringmodel. Wir bilden Faktoren, die die Intensität der Kundenbearbeitung darstellen. In der nachfolgenden Tabelle 7.15 haben wir Faktoren bestimmt, die den Aufwand pro Kun-denauftrag bestimmen. Je höher der Aufwand ist, den wir benötigen, um den Kunden indivi-

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98 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

duell zu bedienen, desto niedriger ist der ermittelte Scoringwert. Die Werte werden innerhalb des Geschäftsbereichs, innerhalb des Unternehmens zu bestimmen sein, da es hier auch zu erheblichen Differenzen kommen kann. Die Höhe der Bewertung pro Faktor, die zwischen +10; -10 und +20; -20 variiert, stellt gleichzeitig die Gewichtung der einzelnen Unterfaktoren dar. Als Beispiel habe ich hier unseren Vertriebsmitarbeiter I genommen. Durch die Vielzahl von Kunden ist es ein wenig schwierig, einen Überblick zu bekommen. Aus diesen Zweck habe ich eine Art Cluster für die Kunden eingeführt. Dieses ist in der Tabelle 7.16 zu sehen. Hier habe ich also eine Vielzahl von Kunden erhalten, die in die Bandbreiten meines Scoringmodels hinein passen.

Tabelle 7.15 Möglichkeiten zur Anwendung eines Scoringmodels

Faktorengröße Beratungsbedarf in der Pre-Sales Phase > 5 Stunden 2-5 Std. 1-2 Std

0,5 bis 1 Std. < 0,5 Std.

Bewertung: -10 -5 0 5 10 Delta Zeitpunkt Be-stellung und Zeitpunkt der Soll-Lieferzeit 60-90 Tage 30-60 Tage 20-30 Tage 10-20 Tage < 10 Tage Bewertung: 20 10 0 -10 -20 Technische Kd-spezi-fische Besonderheiten

sehr auf-wendig aufwendig mittel

weniger aufwendig

nicht auf-wendig

Bewertung: -10 -5 0 5 10 Inanspruchnahme von After-Sales > 20 Einh. 10-20 Einh. 5-10 Einh. 1-5 Einh. bis 1 Einh. Bewertung: -20 -10 0 10 20 Integration Schulung, Bedienung > 4 Tage 2-4 Tage 1-2 Tage bis 1 Tag Null Bewertung: 20 10 0 -10 -20

Zahlungsverhalten

Skonto-Zeit 100% pünktlich

75% pünkt-lich

50% pünkt-lich

25% pünkt-lich

0% pünkt-lich

Bewertung: 20 10 0 -10 -20

Tabelle 7.16 Strukturierung nach dem Scoring Model

Klassifizie-rung/Bandbreiten

Bandbreiten von bis Klassenmitte Anzahl

A-Kunden 100 75 87,5 6 A-Kunden 74 50 62,0 10 B-Kunden mit Potential 49 25 34,5 21 B-Kunden mit Potential 24 0 12,0 14 B-Kunden ohne Potential -1 -24 -12,0 52 B-Kunden ohne Potential -25 -49 -37,0 22 C-Kunden -50 -74 -62,0 66 C-Kunden -74 -100 -87,0 154

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7.2 Die Kundenseite 99

Das Ziel in diesem Portfolio ist recht einfach darzustellen. Bringen Sie möglichst viele Kunden in den rechten Quadranten der Matrix. Nun kann man argumentieren, dass Faktoren, wie das Zahlungsverhalten des Kunden über den Vertrieb nicht unmittelbar zu steuern ist. Dieser Aus-sage kann ich voll entsprechen. Es ist aber wichtig, dass die innerbetriebliche Kommunikation im Unternehmen so gut funktioniert, dass der Vertriebsmitarbeiter, der Key Account Manager, Kenntnisse über das Scoring des Kunden und die einzelnen Unterfaktoren hat. Auch die Zah-lungsmoral ist eine Karte, die bei Preisverhandlungen gerne mal ausgespielt werden kann. Die Verhandlungspartner sind sich sicherlich nicht darüber bewusst, dass die Situation eines positi-ven oder eines negativen Ratings gegeben ist. Die kann eine deutliche Veränderung der aktuel-len Verhandlungsposition hervor rufen. Sie können diese Informationen sehr gut für ein flexibles und kundenindividuelles Pricing System verwenden. Dies ist ein Thema, das wir im Rahmen dieses Buches nicht weiter erläu-tern möchten. Nur als kleinen Hinweis: Es gibt einige Anbieter, wie Fluglinien zum Beispiel, die ihre Preise auch nach Zeit und Auslastung steuern. Eine Information, die sicherlich auch in produzierenden Unternehmen genutzt werden kann und sollte.

Abbildung 7.3 Finale Visualisierung des Scoringmodels nach Verkaufsgebiet I

7.2.2 Die ABC-Analyse am Beispiel Die A, B, C-Analyse auf Kundenseite ist eine recht einfache Art und Darstellung der Wichtig-keit des Kunden nach Umsatz. In der vorliegenden Fachliteratur werden wir meist eine Struk-turanalyse nach Umsatz antreffen. Es könnte aber auch durchaus Sinn machen, die Analyse nach Deckungsbeitrag oder nach Gewinn pro Kunde zu erstellen. Tendenziell wird der Kunde mit dem höchsten Umsatz auch den besten Nettopreis erhalten. Aussagekräftig scheint hier also ein kumulierter Deckungsbeitrag oder ein kumulierter Gewinn für die betrachtete Wirtschafts-periode. Das Vorgehen bei der ABC-Analyse ist recht übersichtlich: � Integration der Umsatzwerte pro Kunde in eine Exceltabelle (Daten unstrukturiert) � Strukturierung der Daten nach Umsatzwert absteigend � Integration von kumulierten Prozentwerten � Festlegung der Bandbreiten für A, B und C-Kunden.

20���

40���

60���

80���

100���

120���

140���

160���

180���

�100 �50 0 50 100

Profitabilität des Kunden

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100 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Tabelle 7.17 und 7.18 Umsatz unstrukturiert und Umsatz strukturiert

1. Schritt Umsatz unstrukturiert 2. Schritt Umsatz strukturiert Kunde Umsatz € Kunde Umsatz €

A 125.000 P 178.000 B 87.000 J 128.000 C 2.500 A 125.000 D 1.250 F 96.000 E 78 B 87.000 F 96.000 K 78.250 G 3.625 I 62.580 H 15.620 O 56.000 I 62.580 Q 38.000 J 128.000 R 29.000 K 78.250 N 27.800 L 7.890 H 15.620 M 12.502 M 12.502 N 27.800 L 7.890 O 56.000 G 3.625 P 178.000 C 2.500 Q 38.000,00 € D 1.250,00 € R 29.000,00 € E 78,00 €

Summe: 949.095,00 € Summe: 949.095,00 €

Tabelle 7.19 strukturierte Umsätze und kumulierte Prozentwerte

3. Schritt Umsatzstruktur. & kum. Prozentwerte Kunde Umsatz € Prozent

P 178.000 19% J 128.000 32% A 125.000 45% F 96.000 56% B 87.000 65% K 78.250 73% I 62.580 80% O 56.000 85% Q 38.000 89% R 29.000 92% N 27.800 95% H 15.620 97% M 12.502 98% L 7.890 99% G 3.625 100% C 2.500 100% D 1.250 100% E 78 100%

Summe: 949.095 100%

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7.2 Die Kundenseite 101

Abbildung 7.4 Graphische Darstellung der ABC-Kundenstruktur

7.2.3 Das Navigator-Kundenportfolio Das Navigator-Kundenportfolio beruht auf der Grundlage des Boston-Consulting Portfolio. Zur Erinnerung: Das BCG Portfolio ist eine Vier-Feld-Matrix. Diese beinhaltet Begriffe wie „poor dogs“, „stars“ „question marks“ und „cash cows“. Die BCG hat sich hier auf die Lebens-zyklen eines Produktes oder einer Produktgruppe, der Marktattraktivität und dem relativen Marktanteil gestützt. Die komprimierte Aussage dieses Managementmodels ist, dass das Un-ternehmen oder die jeweilige strategische Geschäftseinheit ein ausgeglichenes Portfolio haben sollte. Wichtig ist auch hier wieder die Generierung von positiven Deckungsbeiträgen, die zur Entwicklung von neuen Produkten in interessanten Marktsegmenten dienen. Jene Produkte, die aktuell in dem Quadranten der „cash cows“ sind, finanzieren die Aktivitäten der anderen Quad-ranten mit dem Ziel, dass diese auch mehr relativen Marktanteil gewinnen und selbst zu Stars oder im Verlauf des Lebenszyklus zu „cash cows“ generieren. Die Ableitung der Handlungs-ziele ist im BCG-Portfolio und im Navigator-Kundenportfolio ähnlich. Nun mag sich der eine oder andere Mitarbeiter im Vertrieb oder im Key Account Management fragen, wo man die Vielzahl von Daten denn her bekommt und wie oder wo das finale Ziel liegen mag. Als Moti-vationsanreiz für Sie: Sammeln Sie Informationen über Ihre Schlüsselkunden, analysieren Sie diese systematisch, erkennen Sie Potentiale bei Kunden und Kundengruppen, die Sie bereits im Portfolio haben, und sprechen Sie über eine Entwicklungsmöglichkeit Ihrer Lieferantenpositi-on. Welche Dinge können Sie in der Zukunft nachhaltig besser erledigen als der Wettbewerb, und wie wird es Ihnen in der Zukunft gelingen, Ihren individuellen Lieferanteil um 5% zu erhöhen. Die Pflege und die Weiterentwicklung von Bestandskunden ist eine leichtere Aufgabe als die Akquise von Neukunden. Bedenken Sie bitte auch, dass es sich um mittel- und langfris-tige Partnerschaften handelt. Beschäftigen Sie sich also intensiv mit Ihren Kunden, lesen Sie aufmerksam die Wirtschaftspresse, studieren Sie die Quartals- oder Jahresreports der Unter-nehmen, verfolgen Sie die strategische Entwicklung nach Geschäftsbereich national und inter-national und überlegen Sie, gemeinsam mit Ihrer Marketingabteilung, der Produktentwicklung,

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

0 5 10 15 20

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102 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

welche Produktleistungen und Produktnebenleistungen für Ihr Angebot notwendig sein wer-den, um den Kundennutzen nachhaltig zu verbessern, Ihren Lieferanteil und die Profitabilität zu erhöhen. Der entscheidende Wettbewerbsvorteil, der die Anwendung des Kundenportfolios favorisiert, ist die Tatsache, dass es sich hier um eine zukunftsgerichtete Gegenwartsanalyse handelt. Die anderen Systeme sind vergangenheitsorientiert. Die Vorgehensweise für die Analyse und Darstellung in einem Kundenportfolio verläuft nach den folgenden Arbeitsschritten: � Festlegung der Unterkriterien für a) die Lieferantenposition und b) die Kundenattraktivität � Festlegung von Skalenwerten � Festlegung von Gewichtungsfaktoren nach Unterkriterium � Individuelle Kundenbewertung gemäß der einzelnen Unterpunkte/Kriterien � Eintragung und Darstellung im Navigator-Kundenportfolio � Handlungsempfehlungen bezüglich Ressourceneinsatz und Kundenbetreuung

Tabelle 7.20 Rohwerte und Gewichtungsfaktoren für das Kundenportfolio

Lieferantenposition Gewich-tung

Kun-de A

Kun-de B

Kun-de C

Kun-de D

Kun-de E

Kun-de F

Kundenbindungsinstrumente 0,20 -20 20 10 0 10 10 Kundenzufriedenheit 0,30 20 20 10Anteil Umsatz am ges. Kundenpotential 0,20 -20 10 10 -20 0 10 USP Produkt 0,10 -10 20 10 -10 10 20 USP Dienstleistungen 0,20 -10 20 10 -20 10 20 Kundenattraktivität Integration in F&E 0,15 -20 20 10 -20 -10 20 Profitabilität des Kunden 0,30 20 10 10 -20 -10 10 Wachstum des Kunden 0,20 0 10 0 -20 -10 10 Wirtschaftliche Situation 0,20 0 10 10 -10 10 10 Kooperationsbereitschaft 0,15 -20 20 10 -10 -20 20

In der Tabelle 7.20 haben wir zunächst die Kriterien, die die Achsen unseres Portfolios bilden werden, mit Lieferantenposition und Kundenattraktivität bezeichnet. Diese Hauptfaktoren werden durch 5 Unterkriterien bestimmt. Diskutieren Sie innerhalb Ihres Unternehmens, wel-che Faktoren Sie hier verwenden können und wie und wo Sie die Information des Datenmate-rials erhalten können. Es ist an dieser Stelle nicht ratsam, mehr als 5 Unterpunkte zu bestim-men, da sonst die Übersichtlichkeit verloren geht. Die Lieferantenposition wird in unserem Beispiel bestimmt von: � Kundenbindungsinstrumente: Fühlt sich der Kunde zu Ihnen, Ihrem Produkt, Ihrem Unter-

nehmen emotional oder vertraglich gebunden. Ziel sollte es sein, mit dem Kunden eine mit-tel- und langfristige Partnerschaft zu erarbeiten.

� Kundenzufriedenheit: Wir werden nachfolgend noch sehen, wie wir diese erheben und unternehmens- und kundenspezifisch weiter entwickeln können.

� Anteil am gesamten Einkaufsvolumen für die gelieferte Produktgruppe. Dies ist eine ent-scheidende Information für mich, als Lieferant und als Key Account Manager. Ob ich einen Lieferanteil von 15% oder von 75% habe, bestimmt doch ganz entscheidend meine Position beim Kunden.

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7.2 Die Kundenseite 103

� Unique Selling Proposition für das Produkt und/oder die Dienstleistung. Hier kann auch ein kundenorientiertes Prozessmanagement zu einer USP führen, die so leicht nicht von dem Wettbewerb zu kopieren sein wird. Wichtig auch an dieser Stelle: Verstehen Sie die Abläu-fe und Prozesse Ihres Kunden, um die supply chain zu optimieren.

Die Kundenattraktivität wird ebenfalls von 5 Unterkriterien gebildet: � Integration des Kunden in die eigene Forschung und Entwicklung von Produkten, Dienst-

leistungen oder Materialien. Wenn der Kunde sich auf diesem Gebiet mit einbringt, ist da-von auszugehen, dass er ein sehr großes Interesse an der partnerschaftlichen Weiterent-wicklung und der Fortsetzung der Lieferanten-Kundenbeziehung hat.

� Profitabilität des Kunden: Diesen Wert kann man an dieser Stelle auf zwei verschiedene Arten bestimmen. Entweder kann man sich die Profitabilität pro Wirtschaftsperiode anse-hen, oder man erstellt eine Zukunftskalkulation und ermittelt den Wert der Profitabilität des Kunden auf die avisierte Lebenszeit der Kundenbeziehung.

� Das Wachstum des Kunden ist ebenfalls ein entscheidendes Kriterium für seine Attraktivi-tät. Produkte werden international häufig einheitlich angeboten. Die Anforderung von glei-chen Bauteilen gleicher Art und Güte ist daher auch für verschiedene Standorte eines Kun-den recht hoch. Wachstum kann aber auch in eine andere Branche gehen. Auch bei einer Diversifikation können und sollten Wege und Mittel für eine weitere Kooperation gefunden werden.

� Die wirtschaftliche Situation des Kunden: Erinnern wir uns an den Fall „Philip Holzmann“. Jeder Heizungsbauer oder jeder Elektriker hätte die Attraktivität des Kunden mit einem ho-hen Wert versehen, denn man konnte eine Vielzahl der verfügbaren Mannjahre bei diesem Kunden einsetzten. Nun war aber die wirtschaftliche Situation gar nicht mehr so rosig. Vie-len Forderungen der Lieferanten konnten nicht erfüllt werden. Die Abhängigkeit zu einem Großkunden war also dominant und lebensbedrohlich.

� Kooperationsbereitschaft betrifft auch andere Teile als den Bereich der Forschung und Entwicklung. Hier können Aspekte, wie Integration in Schulung und technischer After Sa-les Service fallen.

Tabelle 7.21 Gewichtete Rohwerte nach Kunde

Lieferantenposition Gewich-tung

Kun-de A

Kun-de B

Kun-de C

Kun-de D

Kun-de E

Kun-de F

Kundenbindungsinstrumente 0,20 -4 4 2 0 2 2 Kundenzufriedenheit 0,30 6 6 0 0 0 0 Anteil Umsatz am ges. Kd.Potential 0,20 -4 2 2 -4 0 2 USP Produkt 0,10 -1 2 1 -1 1 2 USP Dienstleistungen 0,20 -2 4 2 -4 2 4 1,00 -5 18 7 -9 5 10 Kundenattraktivität Integration in F&E 0,15 -3 3 1,5 -3 -1,5 3 Profitabilität des Kunden 0,30 6 3 3 -6 -3 3 Wachstum des Kunden 0,20 0 2 0 -4 -2 2 Wirtschaftliche Situation 0,20 0 2 2 -2 2 2 Kooperationsbereitschaft 0,15 -3 3 1,5 -1,5 -3 3 1,00 0 13 8 -16,5 -7,5 13

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104 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

In der Abbildung 7.4 sehen wir das Kundenportfolio. Ein ausgeglichenes Portfolio ist hier das Ziel. Hier sollte der strategische Ansatz also in eine Entwicklung der Kunden in Richtung Star- und Ertragskunde gehen. Ohne die Informationen, die nötig sind, um das Portfolio zu entwi-ckeln, kann ich keine Erkenntnis meiner aktuellen Situation haben und infolgedessen auch keine strategische Entwicklung betreiben.

Abbildung 7.4 Das Navigator-Kundenportfolio

7.2.4 Die Kundenzufriedenheitsermittlung Im privaten und/oder beruflichen Alltag treffen wir häufiger auf Fragebögen. In Hotels oder bei dem Autohändler unseres Vertrauens werden wir nach dem Grad unserer Zufriedenheit mit dem Produkt und oder der Dienstleistung befragt. Eine solche Befragung vermeidet oft, einige wichtige Unterscheidungen zu treffen. Ich sollte also bei der Strukturierung meiner Fragen die Antworten und die Ergebnisse der Kunden, die mir am wichtigsten sind (A-Kunden) besonders sensibel auswerten und verfolgen. Das Produkt oder die Dienstleistung gibt häufig nicht die ganzen Informationen wieder, die ich intern für eine Optimierung der Kundenorientierung brauche. Ich sollte also, wenn ich gerade dabei bin, den Kunden auch nach seinen Eindrücken bei unserem Leistungserstellungsprozess sowie nach der Wichtigkeit der einzelnen Teilleistun-gen aus seinem Blickwinkel befragen. Mit diesen Information erhalte ich dann die Möglichkeit, Prioritäten in meinem Leistungserstellungsprozess zu integrieren und mir einen wirklichen wahrnehmbaren Mehrwert gegenüber dem Wettbewerb zu erarbeiten. Der Fragebogen ist also in zwei Hauptkategorien Prozessleistung und Produktleistung zu erstellen. Zu beiden Hauptka-tegorien sind Informationen über die Wichtigkeit und die wahrgenommene Leistung unseres Unternehmens zu erfragen. Der entscheidende Unterschied zu den meisten uns bekannten Fra-

Ertragskunden

Starkunden Entwicklungskunden

Mitnahmekunden

A-Kunde

B- Kunde

C-Kunde

D-Kunde

E-Kunde

F-Kunde

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7.2 Die Kundenseite 105

gebogenarten ist, dass ich diese Informationen direkt in eine Optimierungskette einbeziehen und meine Stärken ausbauen und meine Schwächen reduzieren kann. Die Vorgehensweise bei einer Kundenbefragung kann also nach den folgenden Punkten organisiert werden: � Strukturierung der Prozesse in Pre-Sales, Sales und Post-Sales-Prozesse � Eine Untergliederung in 3-5 wichtige Kriterien pro Teilprozess � Diskussion über den Einsatz von Skalen und möglichen Auswertungen � Strukturierung in A,B und C-Kundenbedürfnisse (Wichtigkeit) � Diskussion von Kalkulationswerten, Multiplikatoren nach Wichtigkeit der Kundenanforde-

rungen. Hierfür A-Bewertung 9 Punkte, für B-Bewertungen 6-Punkte und für C-Bewer-tungen 3 Punkte.

� Prioritäten setzten: A-Anforderungen sind zu 100% zu erfüllen (Zielvorgabe); B-Anfor-derungen sind zwischen 50-75% zu erfüllen und C-Anforderungen sind zu erfüllen, wenn sie keinen zusätzlichen Aufwand für das Unternehmen darstellen, denn hier ist kein Wett-bewerbsvorteil zu erarbeiten.

� Durch die Befragung haben wir auch ein ausgezeichnetes Mittel, einen Benchmark unseres Unternehmens und der Zufriedenheit unserer Kunden mit der Leistung des Wettbewerbs zu vergleichen. Der Mehraufwand hält sich bei der Erstellung des Fragebogens in Grenzen und die Nutzbarkeit nimmt für uns zu. Wir sollten den Wettbewerb an dieser Stelle nicht über-treiben. Das heißt wir sollten auch weiterhin die Struktur der A, B und C-Kundenanfor-derungen berücksichtigen und entsprechend managen.

Tabelle 7.22 Kundenbefragung A

Pre-Sales-Prozess Ist mir wichtig Die erbrachte Leistung wird von mir mit…. bewertet Anbieter

Die erbrachte Leistung wird von mir mit…. bewertet Wettbewerber A

Kundenindividuelle Betreuung in der Angebotsphase (1)

A 80 95

Berücksichtigung des Invento-ry Managements (2)

B 100 98

Berücksichtigung der Liefer-wünsche in Menge und Zeit (3)

A 75 98

Produktinformation & Schu-lung (4)

A 68 90

Technische Unterstützung, techn. Pläne (5)

A 97 95

Sales Kompetenz des Ansprechpart-ners (6)

A 90 98

Erweitertes Leistungsangebot Leasing (7)

A 45 98

Partnerschaftliche Verhand-lungsführung (8)

B 75 100

Preis-Leistungs-Verhältnis (9) A 79 85

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106 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

After Sales Unterstützung bei der Installa-tion (10)

A 65 95

Technisches Hand-buch/Qualität und Übersich-tlichkeit (11)

A 55 85

Erreichbarkeit von Servicehot-line (12)

A 50 75

Kompetenz des Serviceperso-nals (13)

B 60 80

Gebrauchtmaschinenverwer-tung (14)

B 65 85

Mit der Tabelle 7.22 haben wir also direkt zwei Analysemöglichkeiten: � Wir können eine Gap-Analyse erstellen, die uns zeigt, wie unsere wahrgenommene Leis-

tung pro Kriterium ist. Ein kostenorientierter Ansatz (Soll-Werte nach Kundenanforderun-gen und Klassifizierung der Kundenanforderungen) wird Informationen liefern, wo unsere finanziellen und personellen Ressourcen intensiviert werden sollen.

� Wir können unsere Leistung mit den vom Kunden wahrgenommenen Leistungen des Wett-bewerbs vergleichen und ebenfalls eine Gap-Analyse erstellen. Zu beachten ist hierbei auch, dass wir B- und C-Anforderungen nicht übererfüllen möchten, sondern Kundenzu-friedenheit ressourcenorientiert nachhaltig entwickeln möchten. In der Abbildung 7.5 sieht man die einzelnen Faktoren (von 1-14) sowie deren individuelle Bewertung A, B oder C.

Abbildung 7.5: Soll-Ist-Vergleich von wahrgenommener Leistung

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7.2 Die Kundenseite 107

Die Abbildung 7.5 zeigt also eine Bestandaufnahme der vom Kunden wahrgenommenen Leistung und einen Soll-Wert, wie nach betriebswirtschaftlich organisierter Betrachtung der Kundenzufriedenheitswert zu steigern ist.

Tabelle 7.23: Kundenbefragung B

Pre-Sales-Prozess

Ist m

ir w

icht

ig

Kal

kula

tion

Gew

icht

ung

I

Die

erb

rach

te L

eist

ung

wird

vo

n m

ir m

it…. b

ewer

tet

Anb

iete

r

Gew

icht

ung

II

Gew

icht

ung

III

CSI

Kundenindividuelle Betreuung in der Angebotsphase

A 9 21% 80 17,14

Berücksichtigung des Inventory Mana-gements

B 6 14% 100 14,29

Berücksichtigung der Lieferwünsche in Menge und Zeit

A 9 21% 75 16,07

Produktinformation & Schulung A 9 21% 68 14,57 Technische Unterstützung, techn. Pläne A 9 21% 97 20,79 Sales � 42 100% 82,86 0,35 29,00 Kompetenz des Ansprechpartners A 9 27% 90 24,55 Erweitertes Leistungsangebot Leasing A 9 27% 45 12,27 Partnerschaftliche Verhandlungsführung B 6 18% 75 13,64 Preis-Leistungs-Verhältnis A 9 27% 79 21,55 After Sales � 33 100% 72,00 0,2 14,40 Unterstützung bei der Installation A 9 23% 65 15,00 Technisches Handbuch/Qualität und Übersichtlichkeit

A 9 23% 55 12,69

Erreichbarkeit von Servicehotline A 9 23% 50 11,54 Kompetenz des Servicepersonals B 6 15% 60 9,23 Gebrauchtmaschinenverwertung B 6 15% 65 10,00 � 39 100% 58,46 0,45 26,31 CSI Prozessqualität � 69,71

Mit der Tabelle 7.23 erhalten wir eine übersichtliche Darstellung der aktuellen Situation. Wenn wir nun ressourcenorientiert den Kundenzufriedenheitswert erhöhen möchten, haben wir dort anzusetzen, wo die Gewichtung den höchsten Wert hat. In unserem vorliegenden Fall wäre dies der Teilprozess After Sales Service. Hier habe ich eine gesamte Gewichtung von 45%. Hier fällt bereits auf, dass ich bei den ersten drei Unterpunkten Handlungsbedarf habe. Meine Zielsetzung kann also direkt abgeleitet werden. Erhöhung der Merkmale „Unterstützung bei der Installation“, „Technisches Handbuch“ und „Erreichbarkeit der Servicehotline“ vom aktuellen Wert auf jeweils 75% im ersten Jahr und eine Erhöhung des CSI Prozessqualität von derzeit 69,71 auf 76,49.

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108 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Abbildung 7.6 Soll-Ist-Darstellung der Kundenzufriedenheit nach Prozessschritt in Prozent

Tabelle 7.24: Kundenbefragung C

Produktleistung

Ist m

ir w

icht

ig

Kal

kula

tion

Gew

icht

ung

I

Die

erb

rach

te L

eis-

tung

wird

von

mir

mit…

. bew

erte

t A

nbie

ter

Die

erb

rach

te L

eis-

tung

wird

von

mir

mit…

. bew

erte

t W

ettb

ewer

ber A

CSI

Elektr. Leistungsaufnahme C 3 5% 75 85 3,95 technischer Wirkungsgrad A 9 16% 95 100 15,00 Zeitintervalle der Wartung B 6 11% 90 95 9,47 Summe der Nebenkosten pro Nutzungsdauer

A 9 16% 85 90 13,42

Einfachheit der Bedienung B 6 11% 75 80 7,89 Lautstärke der Anlage A 9 16% 95 100 15,00 Volumen der Anlage B 6 11% 90 95 9,47 Bedienbarkeit und Übersich-tlichkeit

A 9 16% 85 95 13,42

CSI Produktqualität: 57 100% 87,63 Diese Tabelle zeigt die gleiche Vorgehensweise zur Optimierung wie dievorangegangenen. Wir schauen also zunächst, bei welchem Kriterium die größte Differenz zwischen der Soll-Leistung und der wahrgenommenen Leistung besteht. Dies sind die Merkmale „Summe der Nebenkosten“ und „Bedienung und Übersichtlichkeit“. Diese Werte sind als Zielvorgabe von jeweils 85 auf jeweils 95 zu erhöhen. Damit erhöht sich der CSI für die Produktqualität von derzeit 87,63 auf unseren neuen Soll-Wert von 90,79. Nun haben wir ausreichend Datenmaterial gesammelt, das in unserem Vertriebsnavigator eingesetzt und gemanagt werden kann.

0,00 20,00 40,00 60,00 80,00

Ist�CSI�

Soll�CSI

29,00

31,20

14,40

14,40

26,31

30,89

Pre�Sales�Prozess�

Sales�

After�Sales�

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7.3 Prozessorientierung und Optimierung im Vertrieb 109

7.3 Prozessorientierung und Optimierung im Vertrieb Die Gedanken, Veränderungs- und Verbesserungsvorschläge, die im Rahmen des Vertriebsna-vigators erarbeitet wurden, basieren in aller Regel auf einem ausgeprägten Qualitätsverständ-nis. Erinnern wir uns noch einmal daran, dass die Qualität am Markt von unseren Zielgruppen definiert wird. Wir haben im Rahmen der Kundenumfrage den Kunden nach den von ihm wahrgenommenen Qualitätsmerkmalen unseres Produktes und des Kundenprozesses befragt. Wir haben in unserem ersten Schritt der Betrachtung des Vertriebsnavigators bereits eine Op-timierungsleistung der Ressourcen des Außendienstes analog zu der Wichtigkeit seiner Kunden angeboten. Nun stellt sich uns im Rahmen der Prozessorientierung die Frage, wie ich meine Durchlaufzeit für eine Kundenbestellung verringern, meinen Prozess optimieren und Kosten reduzieren kann. Bleiben wir bei unserem Beispiel des Herstellers von elektrischen Span-nungsverteilern. Dieser Hersteller verfügt über einen Bestellkatalog mit einer Vielzahl von Serienprodukten, die klar in Art, Güte, Arbeitsleistung für die Konfektion und Montage und Soll-Deckungsbeitrag definiert sind. Möchte der Kunde aber anstatt der Seriennummer 4711 ein ähnliches Produkt mit einer Zuleitung von 5 x 4 mm2, andere Vorsicherungen und einen anderen Fehlerstromschutzschalter, dann wir ein Produkt, das wir kalkulieren müssen. Die Konfektions- und Montagezeit wird gleich sein, die Materialkosten werden sich aber anders verhalten. Hier ist das Angebot also kundenindividuell zu berechnen. Aus der Erfahrung wis-sen wir, dass 60% des gesamten Jahresumsatzes mit Serienprodukten erwirtschaftet wird. Der Kunde sollte also, um Missverständnisse zu vermeiden die Seriennummer auf dem Angebots-gesuch eintragen. Oft ist die Preisliste nicht jedem Anfrager verfügbar, oder der Kunde wünscht ein Angebot, um einen Vergleich zu haben und seinen Einkaufs- und Beschaffungs-prozess korrekt zu bearbeiten. Um hier eine übersichtliche Struktur anbieten zu können, kann der Mitarbeiter im Vertrieb bis zu einer Umsatzhöhe von < 20.000 € dem Kunden schnell und unkompliziert ein Angebot erstellen. Die Textbausteine sind hinterlegt, so dass immer das gleiche wording und der gleiche Inhalt erscheint. Bei einer Angebotssumme von 20.000 - < 50.000 € nimmt sich der Vertriebsmitarbeiter zusätzlich eine Unterschrift der Innendienstlei-tung. Dies hat an dieser Stelle den Vorteil, dass die Vertriebsinnendienstleistung unmittelbar Kenntnis von höherwertigen Anfragen erhält und nachgelagerte Prozesse, wie das Nachfassen des Angebotes beim Kunden kontrollieren kann. Ab einem Angebotsvolumen von >50.000 € wird die zusätzliche Unterzeichnung und Kenntnisnahme der Geschäftsführung oder des Pro-kuristen benötigt, um den Prozess zu bearbeiten. Die C-Kunden liegen also in der vollen Ver-antwortung der Mitarbeiter im Vertriebsinnendienst.

Tabelle 7.25: Teilprozesse im Angebotsbereich

Teilprozesse zu-ständig

Zeit (min)

Nutzleis-tung

Stütz-leistung

Blind-leistung

Fehlleis-tung

Kundenanfrage eintragen Ver-trieb

8 X

Interpretation & Rück-sprache mit dem Kunden

Ver-trieb

12 X

Prüfen der Anfrage & Dringlichkeit

Ver-trieb

3 X

Anlage der Angebotsbe-arbeitung im Computer-system

Ver-trieb

5 X

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110 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Vergabe einer Sonder-nummer

Tech-nik

3 X

Erstellung einer techni-schen Zeichnung

Tech-nik

15 X

Kalkulation des benötig-ten Materials

Tech-nik

10 X

Kalkulation des Zeitbe-darfs für Konfektionie-rung und Montage

Tech-nik

8 X

Kalkulation der Ferti-gungskosten

Tech-nik

4 X

Ermittlung des Ange-botspreises

Ver-trieb

4 X

Angebot erstellen Ver-trieb

4 X

Dem Kunden das Ange-bot unterbreiten

Ver-trieb

10 X

Nachbearbeitung des Angebots

Ver-trieb

15 X

Summe: 101 29 61 11 0 Eine mögliche Zielsetzung kann also lauten: Eine Reduktion der Blindleistung von 11 Minuten auf 6 und eine Reduktion der Stützleistung von 61 auf 50 Minuten. Nun versuchen wir diese Tatsache in den nächsten Seiten so zu manifestieren, dass wir direkte Information bezüglich der Vorteile bzw. des Nutzens auf den Return on Investment (ROI) haben werden, denn wir erinnern uns daran, dass die Teilziele, die wir uns setzten, eine positive Relation zu den fi-nanzwirtschaftlichen Gesamtzielen haben soll. Nun haben die drei Mitarbeiter, die wir im Ver-triebsinnendienst haben, Aufgaben zu erfüllen. Zu diesen zählt: � Die Angebots- und Auftragsbearbeitung � Die proaktive Bearbeitung von C-Kunden � Die Informationsauswertung bezüglich Neukundenakquise für den Außendienst nach Ge-

biet und Zielgruppe � Aufbereitung der Angebots-, Umsatz- und Zielerreichungsquoten pro Gebiet und Verkaufs-

team

Tabelle: 7.26: Tätigkeiten des Vertriebsinnendienstes in Prozent von Total

Analyse nach Vertriebsinnendienst Prozent kumuliert Tage Arbeitstage 100% 220,00 Schulung, Messen, Kundentermine 3% 3% 6,6 Information aufbereiten 10% 13% 22,0 Kalkulation von Soll/Ist Vergleichen 5% 18% 11,0 Betreuung von C-Kunden/B-Kunden m. Pot. 35% 53% 77,0 Angebots-und Auftragsbearbeitung 25% 78% 55,0 Kommunikation/Abstimmung Technik 10% 88% 22,0 Neukundenorganisation 12% 100% 26,4 Summe: 220,0

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7.3 Prozessorientierung und Optimierung im Vertrieb 111

Durch die nun nachfolgenden Informationen können wir Prioritäten erstellen. Wir haben zu Beginn dieses Kapitels bereits gesehen, wie und wo der Außendienst seine Ressourcen am sinnvollsten einsetzen kann. Arbeiten wir diese Struktur nun also an der Schnittstelle AD-ID weiter, um zu erfahren, wie viele Ressourcen wir für die Betreuung der Bestandskunden benö-tigen und ob wir überhaupt noch freie Ressourcen haben, um Neukundenakquise zu betreiben. Ein kurzer Blick zurück auf die Allokation der Ressourcen des Außendienstes:

Tabelle:7.27: Optimaler Ressourceneinsatz von AD I

Kundenport-folio AD I

Anzahl Besuchs-frequenz pro Jahr

Zeitbe-darf (h)

Zeitbedarf kumuliert (h)

max. möglich (h)

Optimierung max. Kun-denbetreuung

A-Kunde 16 24 314,12 314,12 314,12 16,00 B-Kunde mit Potential

35 12 328,64 642,76 328,64 35,00

B-Kunde ohne Potential

74 8 421,11 1.063,87 210,84 26,40

C-Kunde 220 4 500,78 1.564,65 0,00 Summe: 345 1.564,65 853,60 77,40

Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, dass der Innen- und Außendienst paarweise zu-sammenarbeitet. Aus der Tabelle 7.27 erfahren wir, welche Prioritäten vom Außendienst ge-setzt werden und welche Kunden nicht mehr vom Außendienst betreut werden können, weil die Zeit nicht mehr vorhanden ist. Der Innendienstpartner hat somit (74-26,4) � 48 B-Kunden ohne nennenswertes Potential sowie 220 C-Kunden zu betreuen. Aus der Tabelle 7.8 wissen wir, wie hoch die durchschnittlich benötigte Zeit für einen Kunden (0,7 h) und der Mehr- oder Minderaufwand für A, B und C-Kunden ist. Nun gibt es einen kleinen aber entscheidenden Unterschied. Der Innendienst benötigt definitiv keine Anreisezeit, um seine Kunden zu kontak-tieren. Dafür ziehen wie also 0,2 h pro Kontakt ab und haben eine durchschnittliche Kontakt-zeit von 0,5 h. B-Kunden ohne nennenswertes Potential werden also mit 0,5 Stunden im Durchschnitt bearbeitet. Bei den C-Kunden erfolgt eine zeitliche Reduktion um 20% laut Ta-belle 7.8. D.h. für einen C-Kunden benötigt man in Durchschnitt 0,5*0,8 � 0,4 h.

Tabelle: 7.28: Zeitbedarf für die direkte Kundenbetreuung von ID I

Kundenport-folio ID I

Anzahl Kontakt-frequenz pro Jahr

Zeitbe-darf (h)

Zeitbedarf kumuliert (h)

max. möglich (h)

Optimierung max. Kunden-betreuung

B-Kunde ohne Potential

48 8 192 192 192 48

C-Kunde 220 4 352 544 424 265 Summe: 268 544 616 313

Die Tabelle 7.28 zeigt, dass der Innendienstkollegen noch freie Kapazitäten für weitere 45 C-Kunden, bei gleicher Betreuungsintensität hätte. Die freien Ressourcen ergeben sich aus (616-544) � 72 h. Hier sollte eine Entscheidung über die Präferenzen fallen.

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112 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Tabelle:7.29: Optimaler Ressourceneinsatz von AD II

Kundenport-folio AD I

Anzahl Besuchs-frequenz pro Jahr

Zeitbe-darf (h)

Zeitbedarf kumuliert (h)

max. möglich (h)

Optimierung max. Kundenbe-treuung

A-Kunde 20 24 430,85 430,85 430,85 20,00 B-Kunde mit Potential

19 12 195,75 626,60 195,75 19,00

B-Kunde ohne Potential

58 8 362,16 988,76 271,00 33,90

C-Kunde 320 4 799,25 1.788,02 0,00 Summe: 417 1.788,02 897,60 72,90

Aus der Tabelle 7.29 folgt, dass der Innendienst (58-34)� 24 B-Kunden ohne nennenswertes Potential und 320 C-Kunden zu betreuen hat. Sehen wir uns sie optimale Ressourcenallokation in der Zusammenarbeit mit dem Außendienstkollegen II an.

Tabelle: 7.30 Zeitbedarf für die direkte Kundenbetreuung von ID II

Kundenport-folio ID I

Anzahl Kontakt-frequenz pro Jahr

Zeitbe-darf (h)

Zeitbedarf kumuliert (h)

max. möglich (h)

Optimierung max. Kunden-betreuung

B-Kunde ohne Potenti-al

24 8 96 96 96 24

C-Kunde 320 4 512 608 616 385 Summe: 344 608 616 409

Der Innendienstkollege für Gebiet II hat ebenfalls freie Ressourcen in Höhe von (616-608) � 8 Stunden.

Tabelle: 7.31 Optimaler Ressourceneinsatz von AD III

Kundenport-folio AD I

Anzahl Besuchs-frequenz pro Jahr

Zeitbe-darf (h)

Zeitbedarf kumuliert (h)

max. möglich (h)

Optimierung max. Kunden-betreuung

A-Kunde 19 24 340,78 340,78 340,78 19,00 B-Kunde mit Potential

39 12 334,54 675,32 334,54 39,00

B-Kunde ohne Potenti-al

42 8 218,35 893,67 169,48 21,20

C-Kunde 411 4 854,68 1.748,35 0,00 Summe: 511 1.748,35 844,80 79,20

Aus der Tabelle 7.30 geht hervor, dass der Innendienst für Gebiet III (42-21) � B-Kunden ohne nennenswertes Potential und 411 C-Kunden zu bearbeiten hat.

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7.3 Prozessorientierung und Optimierung im Vertrieb 113

Tabelle: 7.32 Zeitbedarf für die direkte Kundenbetreuung von ID II

Kundenport-folio ID I

Anzahl Kontakt-frequenz pro Jahr

Zeitbe-darf (h)

Zeitbedarf kumuliert (h)

max. möglich (h)

Optimierung max. Kunden-betreuung

B-Kunde ohne Potential

21 8 84 84 84 21

C-Kunde 411 4 657,60 741,60 532 332 Summe: 432 616 353

Der Innendienstkollege III kann bei gleicher Bearbeitungsqualität nicht alle C-Kunden betreu-en. (411-332)� 79 C-Kunden können mit der vorliegenden Organisationsstruktur nicht bedient werden. Der Innendienstkollege II hat noch Ressourcen für 65 C-Kunden frei. Verlagern wir also diese 65 auf ID II verbleiben (79-65)� 14. Der Innendienstkollege I hat noch freie Kapa-zitäten für 45 C-Kunden. Wir können ihm hier also die restlichen 14 übertragen. Grundsätzlich kann es zu einem Zielkonflikt zwischen der Vertriebsleitung, dem Vertriebsaußendienst und dem Vertriebsinnendienst bezüglich der Anzahl der zu betreuenden Kunden kommen. Ein zusätzlicher Anreiz könnte auch eine Umsatz-Deckungsbeitragsbeteiligung für den Innendienst sein. In der Tabelle 7.25 haben wir Ziele für den Prozess der Angebotsbearbeitung definiert. Sehen wir uns nun an, welche Auswirkungen diese Ziele auf unsere Prozesskosten haben: Gehen wir davon aus, dass die Mitarbeiter im Vertriebsinnendienst und in den vor- und nach-gelagerten Technikbereichen 2.700 € brutto an 13,5 Monaten erhalten. Die additiven Sozial-leistungen für den Arbeitgeber werden mit einem Faktor von 1,36 multipliziert. Hier ergeben sich also 148.716 € an jährlichen Gesamtkosten für den Vertriebsinnendienst. Tabelle 7.26 beinhaltet eine prozentuale zeitliche Allokation der Gesamtressourcen auf die einzelnen Teilbe-reiche. Im Fall der Auftragsbearbeitung handelt es sich um 25%. 25% von 148.716 € � 37.179 €. Pro Jahr habe ich 784 Prozesse (Angebotsbereich) zu bearbeiten. Dies ergibt die Kosten pro Bearbeitungsprozess in Höhe von 47,42 €. Durch die Optimierung der zeitlichen Abläufe und eine Reduktion der Blindleistung können 932 Prozesse bearbeitet werden. Dies würde einem Prozesskostensatz in Höhe von 39,89 € entsprechen. Die Reduktion wäre somit mit 16% nicht gerade unerheblich. Diese und andere Faktoren zur Prozessoptimierung können wir also in unseren Navigator einstellen und nachhaltig entwickeln.

Abbildung: 7.6 Visualisierung der Ziele und der Zielerreichungsgrade

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114 7 Der Delphin Vertriebsnavigator

Abbildung 7.7 Visualisierung der Kundeninformationen

Die Abbildungen 7.6 und 7.7 wurden freundlicherweise von dem Unternehmen Quin Scape GmbH zur Darstellung in diesem Buch freigegeben. Mit dieser Art der Darstellung sehen wir auf einen Blick, wo Handlungsbedarf ist und welche Dinge mit welcher Priorität zu erledigen sind, um eine höhere Rendite des eingesetzten Kapi-tals zu ermöglichen.

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8 Business Development International

8.1 Die Ausgangssituation der Tin GmbH Die Tin GmbH produziert und vertreibt seit 1949 im Gewerbegebiet der Stadt Hanau im Main-Kinzig Kreis, der Geburtsstadt der Gebrüder Grimm, Kabelrinnensysteme für Kabel und Lei-tungen in Gebäuden aller Art und im Freigelände. Der Unternehmensgründer, Helmut Schwarz hat sich bislang nur um den Vertrieb in Deutschland gekümmert. Im Jahr 2011 möchte er sein Unternehmen an seinen Schwiegersohn abgegeben und sich nur noch beratend im Hintergrund halten. Als Einstiegstest für seinen Schwiegersohn hat er ihm die Aufgabe gestellt, ein Konzept für die Zukunftssicherung seines mittelständischen Unternehmens mit 52 Mitarbeitern zu ers-tellen. Der Schwiegersohn, Paul Weiß-Schwarz, möchte seine Konzentration auf den interna-tionalen Bereich legen und sammelt zu einer Entscheidungsvorbereitung einige Daten.

8.1.1 Das Produkt Tabelle 8.1: Produktreihe 1-1

Produktreihe PI-1 35 PI-1 60 PI-1 85 P1-1 110 Design

Materialstärke mm Stahlblech verzinkt, gelocht

0,75 0,75 0,75 0,75

Seitenhöhe in mm 35 60 85 110 Kanalbreite in mm 150 150 150 150 Trennstücke Seitenhöhe mm 35 60 85 110 Tragkraft in kg/m unter Ver-wendung des von der Tin GmbH vorgeschlagenen Wand- oder Deckenhalterabstands

20 20 23 25

Tabelle 8.2 Produktreihe 1-2

Produktreihe PI-2 35 PI-2 60 PI-2 85 PI-2 110 Design

Materialstärke mm Stahlblech verzinkt, gelocht

1,0 1,0 1,0 1,0

Seitenhöhe in mm 35 60 85 110 Kanalbreite in mm 150 150 150 150 Trennstücke Seitenhöhe 35 60 85 110 Tragkraft in kg/m unter Ver-wendung des von der Tin GmbH vorgeschlagenen Wand- oder Deckenhalterabstands

27 27 32 37

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_8,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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116 8 Business Development International

Tabelle 8.3: Produktreihe 2-1

Produktreihe PII-1 35 PII-1 60 PII-1 85 PII-1 110 Design

Materialstärke mm Stahlblech verzinkt, ungelocht

0,75 0,75 0,75 0,75

Seitenhöhe in mm 35 60 85 110 Kanalbreite in mm 150 150 150 150 Trennstücke Seitenhöhe 35 60 85 110 Tragkraft in kg/m unter Ver-wendung des von der Tin GmbH vorgeschlagenen Wand- oder Deckenhalterabstands

26,5 26,5 30 34,5

Tabelle 8.4: Produktreihe 2-2

Produktreihe PII-2 35 PII-2 60 PII-2 85 PII-2 110 Design

Materialstärke mm Stahlblech verzinkt, ungelocht

1,0 1,0 1,0 1,0

Seitenhöhe in mm 35 60 85 110 Kanalbreite in mm 150 150 150 150 Trennstücke Seitenhöhe 35 60 85 110 Tragkraft in kg/m unter Ver-wendung des von der Tin GmbH vorgeschlagenen Wand- oder Deckenhalterabstands

31,5 31,5 35 39,5

Die Tin GmbH hat sich nur auf diese zwei Produkte bzw. auf zwei Produktgruppen in der Herstellung beschränkt. Bei größeren Projekten werden auch Ergänzungsprodukte von anderen Unternehmen angeboten. Die Hauptunterschiede zwischen den Produktgruppen bestehen darin, dass die Produktgruppe eins gelochtes Stahlblech in unterschiedlichen Stärken beinhaltet, wäh-rend die Produktgruppe zwei ungelochtes Stahlblech anbietet. Jeder, der schon einmal eine Kabelrinne installieren durfte, wird auch die Unterschiede im Produktnutzen schnell erahnen. Die gelochte Ausführung ist leichter, leichter zu verarbeiten, Winkel und Höhendifferenzen sind einfacher zu bearbeiten, Verschraubungen und Verbindungen passen eigentlich immer. Der Nachteil ist eine Reduktion der Tragkraft des Systems, da die Materialreduktion auch eine geringe Reduktion der Materialsteifheit zur Folge hat. Je nach Kundenanwendung ist hier also das maximale Gewicht durch eine Kalkulation der benötigten Kabel und Leitungen für diese Anwendung und eine Kalkulation des gesamten Gewichts (Kupfer und Isolation) der Leitungen bei der Planung entsprechend zu berücksichtigen. Sollte einmal weiterer Platz benötigt werden, kann auch der Wand- oder Deckenausleger mehrere Systeme tragen. Eine Nachrüstung ist somit möglich. Die unique selling proposition, das Alleinstellungsmerkmal der Tin GmbH, ist ein besonders guter Kontakt zu Planern und Architekten. Hier gibt es alleine 4 Key Account Manager, die sich zu 60% mit diesen wichtigen Multiplikatoren beschäftigen. Im Marketing

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8.1 Die Ausgangssituation der Tin GmbH 117

und Vertrieb versuchen wir immer wieder die Gruppe der Entscheider und die Gruppe der Beeinflusser, sowie die Nutzer, im Kaufprozess zu identifizieren, was sich nicht immer so einfach darstellt. Die Planer und Architekten gelten hier als Multiplikatoren, deren Zustim-mung der Hersteller im Planungsprozess zu erhalten hat, sonst wird eine Realisierung, eine Anwendung des angebotenen Gutes im Projekt, eine wirklich schwierige Sache. Die Tin GmbH vertreibt über den Elektrogroßhandel. Große Projekte werden direkt abgewickelt, der Großhandel, in dessen Region das Projekt ist, erhält eine Umsatzprovision, die sich in der Hö-he nach dem Anteil des Absatzmittlers am Verkaufs- und Planungsprozess richtet. Die Tin GmbH hat hier eine, zurzeit konkurrenzlose, Planungssoftware für Planer und Architekten, aber auch für die Anwendung von Großhandelspartner entworfen, die zurzeit Maßstäbe in der Branche setzt. Der entscheidende Vorteil, den Tin damit errungen hat, ist, dass auf den Projek-ten, die mit der innovativen Tin-Software geplant werden, die Bezeichnung „Tin P1-1 oder gleichwertig“ steht. Das ist schon ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Wahrnehmung von allen in den supply chain-Prozess involvierten Personen und Unternehmen, eine sehr gute Promotion für die Produkt- und Servicequalität und ein guter Ansatz für nachhaltigen Umsatz.

8.1.2 Der Supply Chain-Prozess

Abbildung 8.1 Der Supply Chain-Prozess

Der Tin GmbH werden fertig verzinkte Stahlbleche von einem Anbieter, der Lappia Steel in Finnland geschickt. Diese Rohlinge haben jeweils eine Länge von 3 Metern, in unterschiedli-cher Breite. Im Rahmen der Eingangslogistik erfolgt eine Differenzierung der Waren in die Produkte P1 und P2. Die Produktionsstraße für die Kabelrinnen P1 haben einen zusätzlichen Produktionsschritt, das Stanzen. Somit gliedern sich die Produktionsschritte in der P1-Produktion in die folgenden Bereiche: � Stanzen � Biegen und Kanten � Entgraten und Qualitätskontrolle in der P2-Produktion entfällt der Teilprozess des Stan-

zens. Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Produktionsprozess für P1. Die verzinkten Stahlbleche laufen zunächst in horizontaler Richtung von der Eingangslogistik in die Stanzanlage. Diese ist dafür ausgelegt, 2 Bleche bis 3 m Länge zeitgleich zu stanzen. Beim Wechsel innerhalb der Produkte der Produktgruppe ist das Werkzeug zu tauschen. Die Stanze hat einen Anschaf-fungspreis von 485.870 €, wird auf 10 Jahre linear abgeschrieben und befindet sich derzeit im dritten Jahr der Nutzung. Der Einzugsprozess der Bleche erfolgt automatisch durch ein Füh-rungssystem, verbunden mit pneumatischen Steuerungs- und Kontrollinstrumenten. Diese

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118 8 Business Development International

Stanzanlage wird von einem Facharbeiter abwechselnd im 2-Schicht-Betrieb bedient. Die Ein-richtzeit und nicht effektive Produktionszeit pro 8–Stunden Schicht beträgt 40 min. Ein Stanz-vorgang mit entsprechender Vor- und Nachlaufzeit beträgt 6 Sekunden. Die Tin GmbH arbeitet an 210 Tagen in der Produktion. Die Wartung der Maschine erfolgt von dem Hersteller der Stanzanlage in schichtfreien Zeiten. Es liegt ein Kauf- und Wartungsvertrag vor; d.h. mit den o.g. Kosten sind auch die Aufwendungen für Wartung bezahlt. Die Summe der Aufwendungen des Produktionsschrittes „Stanzen“ ergeben sich aus der Sum-me der jährlichen Abschreibungen für die Stanze, benötigte elektrische Energie, die mit einer jährlichen Summe von 1.980,- € angegeben ist, Aufwendungen für Schmier- und Betriebsstof-fe, hier wird die jährliche Summe mit 1.540,- € angegeben, Kosten für den Produktionsraum, die jährlich mit 8.000 € zu Buche schlagen sowie einen Faktor, den wir hier kalkulatorische Zinsen nennen. Die kalkulatorischen Zinsen werden mit 5% des jährlichen Abschreibungsbe-trages berechnet. Die Aufwendungen im Rahmen der Personalsituation ergeben sich wie folgt: � Die Mitarbeiter in dieser Position arbeiten im Akkordlohn und erhalten durchschnittlich 13

Monatsgehälter à 3.800 EUR Brutto. � Die Arbeitgeberanteile für Sozialversicherungen werden mit einem Multiplikator von 1,36

auf die Summe der jährlichen Lohnkosten errechnet. Spätestens seit der Hausse am Rohstoffmarkt wissen wir, dass Eisen, Stahl und Zink begehrte Rohstoffe darstellen. In unserem Produktionsprozess ist nun eine gewisse Masse an verzinktem Stahlblech durch den Stanzprozess als Recyclingmaterial angefallen. In der Branche ist es durchaus üblich, dass der Preis als Quadratmeter-Preis kommuniziert wird. Hier wird dann nur noch nach der Dicke des Materials differenziert. Der Einkaufspreis für 1 qm verzinktes Stahl-blech beträgt bei unserem Lieferanten, der Lappi Steel, 12,60 €. Dieser Preis variiert am Welt-markt nicht signifikant, da die Preise ihre Grundlage an den Warenterminbörsen der Welt ha-ben und Aufwendungen für Verarbeitung und Logistik im Vergleich zum Materialaufwand nicht wirklich relevant sind. In der Branche ist es außerdem üblich, dass man die Logistikkos-ten mit 3% des Warenwertes kalkuliert. Das Material, das im Rahmen des Stanzvorganges abfällt, wird dem Lieferanten als Recyclingware wieder verkauft. 9% der ursprünglichen Flä-che des Materials fallen im Stanzprozess raus. Die Erlöse, die die Tin GmbH mit diesem Re-cycling-Produkt erzielt entsprechen 65% von 12,60 €. Dieser Wert ist wiederum um die Auf-wendungen für die Verbringung (3% des Materialwertes) zu reduzieren. Die Produktgruppe P1-2, mit einer Materialstärke von 1 mm, hat einen Aufpreis von 5% auf den Einkaufspreis der Produktgruppe P1-1 mit der Materialstärke von 0,75mm. Der Preis für den Erlös des Recyc-lingmaterials der Güte P1-2 beträgt ebenfalls 65% des Einkaufspreises dieser Produktgruppe.

Tabelle 8.5 Verteilung der Produktionsmengen P1

Gesamte mögliche Produktionsmenge P1-1 � 60% der Gesamtmenge P1-2 � 40% der Gesamtmenge P1-1 35 15% P1-2 35 5% P1-1 60 40% P1-2 60 45% P1-1 85 15% P1-2 85 15% P1-1 110 30% P1-2 110 35%

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8.1 Die Ausgangssituation der Tin GmbH 119

Die maximale Menge, die in diesem Teilprozess produziert werden kann, bestimmt hier die maximale Verkaufsmenge pro Jahr. Wir können diese Menge mit den Angaben, die wir bereits erhalten haben, berechnen und nun auch, unter Rücksichtnahme der jeweiligen prozentualen Verteilungen, die Mengen für die einzelnen Produkte kalkulieren. Wenn wir Kenntnisse über die Produktionsmengen pro Produkt haben, die gleichzeitig auch unsere realisierbaren Absatz-mengen darstellen sollen, können wir auch die Summe der Aufwendungen pro Produkt kalku-lieren. Von diesem Punkt an verläuft die weitere Produktion parallel zu P2. Hier stehen zwei große vollautomatische Biege- und Kantmaschinen zur Verfügung, die jeweils von 2 Personen in einem Zwei-Schichtbetrieb bedient werden. Die Produktgruppen P1 und P2 sind im Prozess getrennt. Die Biege- und Kantmaschine funktioniert pro Materialdicke; d.h. eine Kantmaschine fertigt nur die Materialstärke 0,75mm (P1 und P2) und die andere nur die Materialstärke 1,0mm. Bei einer Auslastung von 210 Arbeitstagen im Zwei-Schichtbetrieb liegt die Kapazi-tätsgrenze pro Produktionsanlage bei 2.150.000 Stück/Jahr. Der Anschaffungspreis pro Ma-schine betrug vor drei Jahren 978.512,- €. Die Maschinen werden linear auf 10 Jahre abge-schrieben. Für die Energiezufuhr wird ein jährlicher Pauschalbetrag von 3.680 € pro Maschine kalkuliert. Für Schmier- und Betriebsstoffe wird ein Pauschalfaktor von 1.250,- pro Maschine eingestellt. Die kalkulatorischen Zinsen werden auf den jährlichen Abschreibungsbetrag be-rechnet und werden mit 5% kalkuliert. Die Abteilung „Biegen und Kanten“ hat eine Produkti-onsfläche von 400 qm pro Maschine. Für die Miete kalkulieren wir hier einen Betrag von 12,- €/qm. Die Mitarbeiter an der Biege- und Kantmaschine arbeiten in einer Art job rotation im Zwei-Schichtsystem. Die erste Schicht beginnt um 06:00 Uhr, die zweite beginnt um 14:00 Uhr. Beide Produktionsanlagen haben pro Schicht zwei Bediener, die als Facharbeiter im Un-ternehmen angestellt sind. Sie arbeiten im Team-Akkord und erhalten einen durchschnittlichen Bruttolohn in Höhe von 3.800 €. Der Anteil für die Sozialversicherungsleistungen auf Arbeit-geberseite wird mit einem Multiplikator von 1,36 auf die Summe der Bruttolöhne kalkuliert. Der Brutto-Monatslohn wird an 13 Monaten gezahlt. Von der Produktgruppe 2 werden 1.053.360 Einheiten produziert. Die Produktionsmenge ent-spricht einem Erfahrungswert der letzten vier Wirtschaftsperioden. Die gesamte Produktions-menge des Produktes P2 gliedert sich zu 67% auf P2-1 und zu 33% auf P2-2.

Tabelle 8.5 Verteilung der Produktionsmengen P2

Gesamte mögliche Produktionsmenge P2 P2-1 � 67% der Gesamtmenge P2-2 � 33% der Gesamtmenge P2-1 35 32% P2-2 35 37% P2-1 60 40% P2-2 60 17% P2-1 85 7% P2-2 85 42% P2-1 110 21% P2-2 110 4%

Die Transportkosten von Finnland nach Hanau werden mit 3% auf den jeweiligen Einkaufs-wert kalkuliert. An dieser Stelle interessieren wir uns für die erbrachte wirtschaftliche Leistung der Tin GmbH Hanau. Um diese beurteilen zu können, müssen wir einen Blick auf die Gewinn- und Verlust-rechnung, sowie auf die Unternehmensbilanz haben.

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120 8 Business Development International

Tabelle 8.6 Gewinn- und Verlustrechnung der Tin GmbH

Gewinn- und Verlustkonto der Tin GmbH Hanau Aufwendungen € Erträge € Rohstoffe 33.900.645 € Umsatz P1-1 16.216.747 € Abschreibung 431.389,40 € Umsatz P1-2 11.726.869 € Hilfs- und Betriebsstoffe 4.040,00 € Umsatz P2-1 10.932.206 € Löhne und Gehälter 2.499.068,00 € Umsatz P2-2 5.613.144 € kalkulatorische Miete 180.000,00 € Recyclingerlöse 1.231.896 € Büromaterial 3.568,00 € Betriebssteuern 5.240.000 €

Die in der G&V eingestellten Umsätze stellen die Nettoumsätze des Unternehmens dar. Wir erinnern uns, dass die Tin GmbH Hanau indirekt über den Elektrofachhandel ihre Produkte verkauft. Das Projektgeschäft wird direkt bedient, der Fachhandel erhält aber eine Provision, je nach Arbeitsumfang, den dieser geleistet hat. Die hier eingestellten Umsätze errechnen sich aus der Summe der Aufwendungen pro Produktgruppe, die Sie kalkulieren können und einer Vor-gabe der Geschäftsführung an einen Mindestdeckungsbeitrag pro Produktgruppe. Dieser Min-destdeckungsbeitrag pro PG ist für die Produktgruppe 1 27% und für die Produktgruppe 2 30%.

Tabelle 8.7 Die Bilanz der Tin GmbH

Bilanz der Tin GmbH Hanau Aktiva € Passiva € Anlagevermögen Eigenkapital 7.129.115,94 € Grundstück 1.245.000,00 € Gebäude 785.000,00 € Maschinen 1.954.315,20 € Fremdkapital Produktionsausstattung 356.000,00 € Sparkasse Hanau 2.704.147,42 € Umlaufvermögen Raiffeisen Hanau 2.089.568,46€

Rohmaterial 3.250.264,00 € Verbindlichkeiten a.L.L 368.747,38 €

sonstiges 251.000,00 € Forderungen a.L.L. 3.450.000,00 € Summe: 12.291.579,20 € Summe: 12.291.579,20 €

8.2 Das Ziel Herr Paul Weiß-Schwarz, der Schwiegersohn des Firmengründers, hat als strategisches Ziel eine dynamische Absatzmarktentwicklung in Mittel- und Osteuropa vor. Vor dem Hintergrund des EU 27-Marktes, aber auch der begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen, möchte er sich zunächst auf die Ländermärkte Tschechien, Polen und die Slowakei konzentrieren. Hier vermutet er, auch mit Bezug auf die außenwirtschaftlichen Informationen, die er als Unterneh-men im heimischen Mittelstand regelmäßig von den Auslandabteilungen der benachbarten Industrie- und Handelskammer erhält, ausreichend Potential, um an der dynamischen Markt- und Bauprojektentwicklung partizipieren zu können. Leider sind in seine Wahl auch zwei Län-der gefallen, die noch nicht Mitglied der europäischen Währungsunion sind. Polen und Tsche-

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8.2 Das Ziel 121

chien. Er ist sich durchaus bewusst, dass er einen Kompromiss mit seinem nationalen Handels-partner bezüglich der Währungsrisiken einzugehen hat. Um in den jeweiligen Auslandsmärkten erfolgreich und zu einem realistischen Marktpreis anbieten zu können, denkt er an eine natio-nale Produktion oder zumindest, wenn es wirtschaftliche sinnvoll sein sollte, an eine nationale Veredelung von Produkten, die in Hanau vorgefertigt wurden. Die Lieferantenauswahl wird je nach Präferenzen der geografischen und logistischen Situation geklärt.

8.2.1 Ein möglicher Produktionsstandort Um eine Entscheidung für einen potentiellen Produktionsstandort wählen zu können, sollten wir primär drei Dinge betrachten: � Die Größe des nationalen Marktes � Die infrastrukturellen Gegenbenheiten (Zulieferung und Versendung an nationale und

internationale Kunden) � Das nationale Lohnniveau im Vergleich mit dem bundesdeutschen.

Tabelle: 8.9 Vergleich von Löhnen

Land Durchschnittslohn Männer 2003/Jahr

Jährliche Steigerungs-rate

Durchschnittslohn Männer 2010/Jahr

Deutschland 42.626,00 € 1.170,00 € 50.816 € Polen 6.221,00 € 1.157,50 € 14.323 € Slowakei 5.498,00 € 1.068,33 € 12.976 € Tschechien 6.953,00 € 1.012,00 € 14.037 €

Die Tabelle 8.9 basiert auf Daten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2003, ergänzt mit einer Steigerungsrate, die für die letzten drei Wirtschaftsjahre errechnet wurde. Mit dieser Steigerungsrate wurde ein Wert für 2010 gebildet, der so nicht vom Statistischen Bundesamt kommuniziert und veröffentlicht wurde. Um eine direkte Vergleichbarkeit zwischen den ein-zelnen Ländern zu gewährleisten, klammern wir bei unserer Betrachtung die Arbeitgeberantei-le zur Sozialversicherung einmal vollkommen aus, da es nationale Besonderheiten gibt, die wir nicht im Einzelnen untersuchen möchten.

Abbildung 8.1 Landkarte Slowakei

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122 8 Business Development International

Tabelle: 8.10 Die größten Städte in der Slowakei

Stadt Einwohnerzahl Bratislava 428.672 Kosice 236.093 Presov 92.786 Nitra 87.285 Zilina 85.400 Banska Bystrica 83.056 Trnava 70.286

Tendenziell könnten Städte mit einer Einwohnerzahl >100.000 für primäre strategische Distri-butionspunkte eines neuen Markteintritts gewählt werden. Im zweiten Schritt wird dann das Thema der Marktpenetration, der Marktdurchdringung interessant. Im speziellen Fall der Slo-wakei sollte man davon ein wenig abrücken, da es nur zwei Städte mit > 100.000 Einwohnern gibt. Das ist Bratislava, im äußersten Westen und Kosice im äußersten Osten, an der Grenze zur Ukraine. Das Projektgeschäft im Bau- und Baunebengewerbe konzentriert sich zu 80% auf Bratislava. Die großen und namenhaften nationalen und internationalen Planungs- und Archi-tekturbüros haben dort meist ihren Stammsitz bzw. ihre nationale Niederlassung. Eine kleine, aber vielleicht in diesem Zusammenhang feine Besonderheit der wirtschaftlichen Landesstruk-tur aller drei betrachteten Länder ist, dass in allen Ländern eine intensive Konzentration auf Bodenschätze wie Kohle und oder Eisenerz vorhanden ist. D.h. es gäbe in allen drei Ländern ausreichend Möglichkeiten, um den Rohstoff, verzinktes Stahlblech zu beziehen. In Kosice, dem östlichen Ende der Slowakei ist einer der größten internationalen Stahlhersteller, die Fir-ma US Steel mit ihrer europäischen Niederlassung vertreten. In Kosice ist das Lohnniveau im Vergleich zu Bratislava erheblich niedriger. Die Art der Leistungserstellung ist auch unter-schiedlich. Bratislava konzentriert sich meist auf den Dienstleistungsbereich, während Kosice vorwiegend im produktionstechnischen und gewerblichen Bereich tätig ist.

Tabelle: 8.11 Die größten Städte in Tschechien

Stadt Einwohnerzahl Prag 1.165.581 Brno 369.559 Ostrava 313.088 Plzen 164.180 Olomouc 101.268 Liberec 97.770 Ceske Budejovice 95.245

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8.2 Das Ziel 123

Abbildung 8.2 Landkarte Tschechien

In Tschechien haben wir eine starke Konzentration auf die Hauptstadt Prag. Als kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt ist Prag die Metropole in Tschechien. Hier sollte der Markteintritt gestartet werden. Von diesem zentralen Punkt aus wird es relativ leichter fallen, Kontakte zu potentiellen Distributoren und Planern und Architekten zu bekommen, als an sonst einem Ort in der Tschechei. Eine geographische Besonderheit besteht auch in Tschechien. Im Osten des Landes gibt es zwei große Stahlwerke, die auch als Lieferanten in Frage kommen könnten. Es sind die größten Unternehmen in der Stahlerzeugung, Acelor Mittal und Evraz Vitkovice Steel. Beide Unternehmen machen einen guten Eindruck und es wird jeweils ein Angebot angefor-dert. An dieser Stelle sollten wir auch berücksichtigen, dass Einkauf und Verkauf gedanklich nicht immer getrennt sein sollten. Beide o.g. Unternehmen gehören zu den größten Unterneh-men in Tschechien und sollten ebenfalls einen nicht unerheblichen Bedarf an Kabelrinnensys-temen der Firma Tin GmbH Hanau haben. Als kleine Faustregel im Rahmen des Markteintritts gilt auch, dass die finanziellen und personellen Ressourcen analog zu der Größe der jeweils betrachteten Region eingebracht werden sollte. Somit sollte der zu erwartende Nutzen, der Erfolg im Markt, mit relativ geringen Mitteln und in kurzen Zeit funktionieren.

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124 8 Business Development International

Abbildung 8.3 Landkarte Polen

In Polen gibt es ebenfalls ausreichende Möglichkeiten, um die Beschaffungsorganisation für den internationalen Handel zu organisieren. Das Unternehmen Acelor Mittal hat seinen Stand-ort in der Nähe von Krakau, Nowa Huta. Der Standort liegt ungefähr in der Mitte von den drei Ländern und man könnte von hier aus gut die anderen Länder bedienen. Der internationale Standort sollte zunächst, unabhängig von der Lohn- und Gehaltssituation, in das Land mit dem größten zu erwartenden Bedarf verlegt werden. Sollte das Lohn- und Gehaltsniveau signifikan-te Unterschiede aufweisen, so ist eine Alternative zu diskutieren bzw. zu kalkulieren.

Tabelle: 8.12 Die größten Städte in Polen

Stadt Einwohnerzahl Warschau 1.692.854 Lodz 774.004 Krakau 757.430 Breslau 636.268 Posen 570.828 Danzig 459.072 Stettin 411.900 Bromberg 368.235 Lublin 355.998 Kattowice 319.904 Bialystock 292.150 Gdingen 253.324 Tschenstochau 248.032 Radom 228.192

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8.2 Das Ziel 125

Sosnowiec 227.613 Kielce 209.455Thorn 208.278 Gleiwitz 200.361 Hindenburg 192.546 Beuthen 189.535

8.2.2 Bewertung der Lieferantensituation

Tabelle: 8.13 Potentielle Lieferanten

Lieferant Land Preis pro qm 0,75mm Dicke Preis pro qm 1,00mm Dicke Lappi Steel FIN 12,60 € 13,23 € US Steel SK 11,97 € 12,57 € Vitkovice Steel CZ 12,40 € 13,15 € Acelor Mittal CZ 12,65 € 13,25 € Acelor Mittal PL 12,65 € 13,25 €

Präferenz bei der Auswahl eines Lieferanten sollte primär nicht der Preis (die Preisstellung erfolgt jeweils ab Werk) sein, sondern die mögliche flexible und just in time Belieferung von Stahlblechen, die zum Teil auch in größeren Mengen für das Projektgeschäft benötigt werden. In diesem Geschäft verläuft es, wie so häufig im Projektgeschäft, der Kunde hat ausreichend Zeit in der Planungsphase, erteilt dann zum Teil überraschend für den Lieferanten den Auftrag und möchte dann aber übermorgen schon die Ware an der Baustelle haben, damit die Produkte auch entsprechend eingebaut werden können und der Zielzeitpunkt der Projektrealisierung eingehalten werden kann. Durch diese besondere Situation am Absatzmarkt und der Notwen-digkeit der geringen Lagerhaltung, wird die Flexibilität der Stahllieferung sehr hoch einge-schätzt. Eine zunächst subjektive Klassifizierung geht in Richtung Acelor Mittal, Polen, da sich der Produktionsstandort an einem strategisch günstigen Ort befindet. In der Republik Polen gibt es in Kattowice eine Sonderwirtschaftszone. Von dieser Stelle aus könnte eine Lieferung in die drei relevanten Gebiete erfolgen. Zu klären wäre eine Eigen- oder eine Fremdfertigung.

8.2.3 Produktion in Polen Die Firma Tin GmbH Hanau hat sich dazu entschlossen, in Polen in der Sonderwirtschaftszone Kattowice einen eigenen Produktionsstandort zu bauen oder ein bestehendes Unternehmen, das sich für eine solche Produktion eignen würde, zu übernehmen. Eine primäre Marktforschung hat ergeben, dass eine erhebliche preisliche Differenzierung zu dem Angebot in Deutschland zu erwarten ist. Die Konzentration unserer weiteren wirtschaftlichen Aktivitäten geht also zielgerichtet in die Sonderwirtschaftsregion Kattowice. Die Tin GmbH erhält auf Anfrage von der Verwaltung der polnischen Sonderwirtschaftszone ein Angebot über einen empfohlenen Standort mit den folgenden Konditionen:

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126 8 Business Development International

Tabelle 8.14 Angebotsinhalte der Verwaltung der polnischen Sonderwirtschaftszone:

Objekt/Inhalt des Angebotes Kosten in € Grundstück 1.000 qm auf Pachtbasis für 50 Jahre, pro Monat 3.690,00 Errichtung eines Produktionskomplexes auf 600 qm Grundfläche 136.000,00 Errichtung eines Bürogebäudes inklusive aller notwendigen Infra-struktur für 300 qm

247.000,00

Für die Produktions- und Geschäftsausstattung erarbeitet sich die Exportabteilung, in enger Zusammenarbeit mit dem Einkauf und der Beschaffung, die folgenden Angebote:

Tabelle 8.15 Angebotsinhalte der Verwaltung der polnischen Sonderwirtschaftszone:

Objekt/Inhalt des Angebotes Kosten in € Logistik 2 Gabelstapler und 5 Hubwagen (Leasing/Monat) insge-samt für 7 Produkte

2.250,00

2 Geschäftswagen Seat Octavia Kombi (Leasing/Monat) insgesamt für beide

950,00

Produktionsanlage Stanze 1 Einheit Gleicher Anbieter, wie bei der bestehenden Produktionsanlage in Hanau (Leasing/Monat)

4.125,00

Produktionsanlage Biege- und Stanzmaschine 2 Einheiten (Lea-sing/Monat) insgesamt für beide

17.120,00

Tabelle 8.16 Sonstige Kosten und Aufwendungen für den Produktionsstandort in Polen

Objekt/Inhalt des Angebotes Kosten in € Lohn und Gehalt Geschäftsführer (Hr. Weiß-Schwarz) 135.000,00 Lohn und Gehalt Prokurist 87.000,00 Lohn und Gehalt für Innendienst (4 Personen, polnische Mutter-sprachler mit guten Deutschkenntnissen) pro MA

19.120,00

Lohn und Gehalt für Mitarbeiter in der Produktion pro MA 18.450,00 Sonstige Aufwendungen für den betrieblichen Prozess (geschätzt von der Geschäftsführung)

87.025,00

Lohn und Gehalt für innerbetriebliche Logistikmitarbeiter pro MA 17.385,00

8.2.4 Die Markt- und Absatzsituation in PL, SK und CZ Herr Weiß-Schwarz ist nun an dem Punkt seiner internationalen Entwicklungstätigkeit ange-langt, dass er Informationen über die Markteintrittskosten hat. Seine nächste Aufgabe ist, die Markt- und Absatzmöglichkeiten entsprechend seinem Marktangebot in Erfahrung zu bringen und eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zu erstellen. Um sich Informationen über eine realistische Absatzmenge machen zu können, gibt es, wie in den einleitenden Kapiteln bereits beschrieben, zwei grundlegende Möglichkeiten: � Kostenorientierte Preisfindung � Marktpreisorientierte Preisfindung Da wir den Analyseprozess an einem bestimmten Punkt starten müssen, werden wir in diesem speziellen Fall mit der kostenorientierten Preisfindungsstrategie beginnen. Grundsätzlich be-steht die Möglichkeit, die Produkte zu einem unterschiedlichen Preis in Polen anzubieten.

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8.2 Das Ziel 127

Auch in der Republik Polen wird in der Produktion ein Zweischichtbetrieb im Unternehmen eingeführt. Die Soll-Produktion soll nach 3 Jahren einen Wert von 0,75 * dem maximalen Produktionswert kalkuliert werden. Die Soll-Gewinnmarge beträgt (nach drei Jahren, hier im nachfolgenden Beispiel im Jahr 2014) 12,5%. Die Situation mit den Recyclingpreisen bleibt gleich, wie die Situation in Deutschland. Die Verteilung der Produktionskapazität wird zu-nächst auch in Polen so angenommen, wie in der Tabelle 8.4 und der Tabelle 8.5 angegeben. Dies würde bedeuten, dass die Nachfrage nach Produkten im Kabelrinnenbereich in Polen, der Slowakei und Tschechien nicht signifikant anders ist als in Deutschland. Die Marketingabtei-lung schätzt, dass Tin GmbH in den drei neuen Ländermärkten einen Marktanteil von 8,9% ab dem Jahr 2014 erreichen sollte.

Tabelle 8.17 Absatzprognose für P1-1 und P1-2

Produkt 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 P1-1 35 24.948 39.917 81.081 124.740 127.235 128.732 128.906 P1-1 60 66.528 106.445 216.216 332.640 339.293 343.284 343.750 P1-1 85 24.948 39.917 81.081 124.740 127.235 128.732 128.906 P1-1 110 49.896 79.834 162.162 249.480 254.470 257.463 257.813 P1-2 35 5.544 8.870 18.018 27.720 28.274 28.607 28.646 P1-2 60 49.896 79.834 162.162 249.480 254.470 257.463 257.813 P1-2 85 16.632 26.611 54.054 83.160 84.823 85.821 85.938 P1-2 110 38.808 62.093 126.126 194.040 197.921 200.249 200.521

Tabelle 8.18 Absatzprognose für P2-1 und P2-2

Produkt 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 P2-1 35 33.876 54.202 110.097 169.380 172.768 178.296 184.252 P2-1 60 42.345 67.752 137.621 211.725 215.960 222.871 230.314 P2-1 85 7.410 11.857 24.084 37.052 37.793 39.002 40.305 P2-1 110 22.231 35.570 72.251 111.156 113.379 117.007 120.915 P2-2 35 52.141 83.426 169.459 260.707 265.921 274.430 283.596 P2-2 60 19.292 30.868 62.700 96.461 98.391 101.539 104.931 P2-2 85 8.864 14.182 28.808 44.320 45.207 46.653 48.211 P2-2 110 21.899 35.039 71.173 109.497 111.687 115.261 119.110

Die Abbildung 8.4 enthält nur 3 Kurven. Infolge der Marktanalyse liegen zwei Produkte, P1-1 35 und P1-1 85 auf einem gleichen Absatzniveau. Wir sehen in der Absatzprognose auch recht deutlich, dass ab 2014 ein gewisses Sättigungsniveau am Markt auftritt. Um dieses geringe Wachstum noch positiv verändern zu können, beschäftigen wir uns nachfolgend noch einmal mit der Möglichkeit, dieses Niveau auszubauen.

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128 8 Business Development International

Abbildung 8.4 Entwicklung der Absatzmengen für P1-1

Abbildung 8.5 Entwicklung der Absatzmengen für P1-2

Abbildung 8.6 Entwicklung der Absatzmengen für P2-1

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8.2 Das Ziel 129

Abbildung 8.7 Entwicklung der Absatzmengen für P2-2

Abbildung 8.8 Produktionskapazität für die Produktionsanlage eins (Stanzen)

Abbildung 8.9 Produktionskapazität für die Produktionsanlage zwei

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130 8 Business Development International

Wir erkennen, dass wir in der Periode drei an unsere Kapazitätsgrenze mit einem Ein-Schichtbetrieb gelangen werden, wenn die Umsatzentwicklung so realisiert wird, wie wir dies zunächst planen. Daraus leiten wir ab, dass wir in den Jahren 2011, 2012 und 2013 mit der Stanze nur im Ein-Schichtbetrieb arbeiten und ab 2014 unsere Produktion (zunächst einmal beschränkt auf diesen Produktionsschritt auf einen Zwei-Schichtbetrieb umstellen werden. Um den Marktbedarf 2013 erfüllen zu können, müssen wir unsere Produktionsanlage bereits zum Ende des Wirtschaftsjahres 2012 auf einen Zwei-Schichtbetrieb umstellen. Ab 2014 wer-den wir einen Bedarf an Produktionskapazitäten haben, der über das aktuell zur Verfügung stehende Angebot in einem Zwei-Schichtbetrieb hinausgeht. Sehen wir uns eine Möglichkeit, den Marktbedarf zu erfüllen, einmal genauer an. Die Abbildung 8.9 ist im Zusammenhang mit der Tabelle 8.19 und 8.20 zu sehen. Wir haben hier bei der Produktionsanlage „Biegen und Kanten“ einen avisierten Marktbedarf und somit ein avisiertes Produktionsvolumen, das über der verfügbaren Kapazitätsgrenze (im Zwei-Schichtbetrieb) liegt. Im maximalen Fall wird es zu einem Mehrbedarf von 19% im Verhältnis zur Kapazitätsgrenze kommen. In der Planung behandeln wir diese Herausforderung mit einem Angebot an Mehrarbeit, in enger Absprache mit dem Betriebsrat, um unsere Kostensituation niedrig zu halten und im Falle eines möglichen Markteinbruchs nicht in die Verlegenheit der Überkapazität an Maschinen oder Produktionsmi-tarbeitern zu kommen. Diese Kosten sind in den Tabellen 8.19 und 8.20 unter der Zeile „Mehr-arbeit“ enthalten.

Tabelle 8.19 Kosten- und Investitionssituation bis 2014

2010 2011 2012 2013 2014 Produktion 136.000 Büro 247.000 Notar 11.490 Grundstück 44.280 44.280 44.280 44.280 Logistik 27.000 27.000 27.000 27.000 Geschäftswagen 11.400 11.400 11.400 11.400 Stanze 4.125 4.125 4.125 4.125 Biegeanlage 8.560 8.560 17.120 17.120 Geschäftsführer 135.000 135.000 135.000 135.000 Prokura 87.000 87.000 87.000 87.000 Innendienst 38.240 38.240 76.480 76.480 Materialeinkauf P1-1 1.782.780 2.852.449 5.794.036 8.913.902 Materialeinkauf P1-2 1.289.506 2.063.209 4.190.894 6.447.529 Materialeinkauf P2-1 1.152.437 1.843.899 3.745.419 5.762.184 Materialeinkauf P2-1 1.133.575 1.281.623 2.603.296 4.005.070 Produktion I 18.450 18.450 18.450 36.900 Produktion II 73.800 147.600 147.600 147.600 sonstige Aufwen-dungen

87.025 87.025 87.025 87.025

Mehrarbeit - - - 24.797 Logistik MA 69.540 69.540 69.540 104.310 Zinsen 22.091 22.091 22.091 22.091 Summe: 394.490 5.984.809 8.741.491 17.080.757 25.953.813

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8.2 Das Ziel 131

Tabelle 8.20 Kosten- und Investitionssituation von 2015 bis 2017

2015 2016 2017 Produktion Büro Notar Grundstück 44.280 44.280 44.280 Logistik 27.000 27.000 27.000 Geschäftswagen 11.400 11.400 11.400 Stanze 4.125 4.125 4.125 Biegeanlage 17.120 17.120 17.120 Geschäftsführer 135.000 135.000 135.000 Prokura 87.000 87.000 87.000 Innendienst 76.480 76.480 76.480 Materialeinkauf P1-1 9.092.180 9.199.147 9.211.626 Materialeinkauf P1-2 6.576.480 6.653.850 6.662.877 Materialeinkauf P2-1 5.877.427 6.065.505 6.268.093 Materialeinkauf P2-1 5.781.233 5.966.232 6.165.505 Produktion I 73.800 147.600 295.200 Produktion II 147.600 147.600 147.600 sonstige Aufwendungen 87.025 87.025 87.025 Mehrarbeit 28.103 28.103 31.409 Logistik MA 104.310 104.310 104.310 Zinsen 22.091 22.091 22.091 Summe: 28.192.654 28.823.869 29.398.141

Tabelle 8.21 Die Umsatzsituation bis 2014

Produkt 2011 2012 2013 2014 P1-1 35 211.794 338.871 688.331 1.225.661 P1-1 60 693.145 1.109.032 € 2.252.721 4.011.256 P1-1 85 308.064 492.903 1.001.209 1.782.780 P1-1 110 712.399 1.139.838 2.315.297 4.122.680 P1-2 35 49.431 79.089 160.650 267.750 P1-2 60 545.830 873.328 1.773.947 2.956.578 P1-2 85 215.636 345.018 700.819 1.168.031 P1-2 110 581.769 930.831 1.890.750 3.151.250 P2-1 35 308.795 494.072 1.003.584 1.616.805 P2-1 60 473.720 757.952 1.539.589 2.480.325 P2-1 85 98.253 157.205 319.322 514.438 P2-1 110 340.815 545.304 1.107.649 1.784.456 P2-2 35 499.056 798.489 1.621.930 2.612.979 P2-2 60 226.617 362.587 736.504 1.186.530 P2-2 85 123.403 197.445 401.059 646.119 P2-2 110 352.515 564.023 1.145.673 1.845.714 Summe: 5.741.242 9.185.987 18.659.035 31.373.352

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132 8 Business Development International

Tabelle 8.22 Die Umsatzsituation von 2015 bis 2017

Produkt 2015 2016 2017 P1-1 35 1.250.175 1.264.883 1.266.599 P1-1 60 4.091.481 4.139.616 4.145.232 P1-1 85 1.818.436 1.839.829 1.842.325 P1-1 110 4.205.133 4.254.605 4.260.377 P1-2 35 273.105 276.318 276.693 P1-2 60 3.015.710 3.051.189 3.055.328 P1-2 85 1.191.392 1.205.408 1.207.043 P1-2 110 3.214.275 3.252.090 3.256.502 P2-1 35 1.649.141 1.701.913 1.758.757 P2-1 60 2.529.932 2.610.890 2.698.093 P2-1 85 524.727 541.518 559.605 P2-1 110 1.820.145 1.878.390 1.941.128 P2-2 35 2.665.239 2.750.527 2.842.394 P2-2 60 1.210.261 1.248.989 1.290.705 P2-2 85 659.041 680.130 702.847 P2-2 110 1.882.628 1.942.872 2.007.764 Summe: 32.000.819 32.639.167 33.111.392

Tabelle 8.23 Die Preismatrix (Netto) bis 2014

Produkt 2011 2012 2013 2014 P1-1 35 8,49 € 8,49 € 8,49 € 9,83 € P1-1 60 10,42 € 10,42 € 10,42 € 12,06 € P1-1 85 12,35 € 12,35 € 12,35 € 14,29 € P1-1 110 14,28 € 14,28 € 14,28 € 16,53 € P1-2 35 8,92 € 8,92 € 8,92 € 9,66 € P1-2 60 10,94 € 10,94 € 10,94 € 11,85 € P1-2 85 12,97 € 12,97 € 12,97 € 14,05 € P1-2 110 14,99 € 14,99 € 14,99 € 16,24 € P2-1 35 9,12 € 9,12 € 9,12 € 9,55 € P2-1 60 11,19 € 11,19 € 11,19 € 11,71 € P2-1 85 13,26 € 13,26 € 13,26 € 13,88 € P2-1 110 15,33 € 15,33 € 15,33 € 16,05 € P2-2 35 9,57 € 9,57 € 9,57 € 10,02 € P2-2 60 11,75 € 11,75 € 11,75 € 12,30 € P2-2 85 13,92 € 13,92 € 13,92 € 14,58 € P2-2 110 16,10 € 16,10 € 16,10 € 16,86 €

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8.2 Das Ziel 133

Tabelle 8.24 Die Preismatrix (Netto) von 2015 bis 2017

Produkt 2015 2016 2017 P1-1 35 9,83 € 9,83 € 9,83 € P1-1 60 12,06 € 12,06 € 12,06 € P1-1 85 14,29 € 14,29 € 14,29 € P1-1 110 16,53 € 16,53 € 16,53 € P1-2 35 9,66 € 9,66 € 9,66 € P1-2 60 11,85 € 11,85 € 11,85 € P1-2 85 14,05 € 14,05 € 14,05 € P1-2 110 16,24 € 16,24 € 16,24 € P2-1 35 9,55 € 9,55 € 9,55 € P2-1 60 11,71 € 11,71 € 11,71 € P2-1 85 13,88 € 13,88 € 13,88 € P2-1 110 16,05 € 16,05 € 16,05 € P2-2 35 10,02 € 10,02 € 10,02 € P2-2 60 12,30 € 12,30 € 12,30 € P2-2 85 14,58 € 14,58 € 14,58 € P2-2 110 16,86 € 16,86 € 16,86 €

Die preisstrategische Vorgehensweise der Tin GmbH gestaltet sich derart, dass von 2011 bis einschließlich 2013 besonders attraktive Markteintrittspreise angeboten werden, um schnell in den Markt einzutreten und Marktanteile, die bislang von Wettbewerbern belegt sind, besetzen zu können. Ab 2014 wird der Preis dann angehoben. Als Informationen haben wir bis zu dieser Stelle Kenntnisse über das avisierte Absatzvolumen pro Produktgruppe, über die Kosten pro Zeiteinheit, unter Voraussetzung, dass die Marktsituation so realisiert werden kann, über die Preissituation pro Produktgruppe und können uns an dieser Stelle, auch als Motivationsanreiz für die Geschäftsführung und die Anteilseigner am Unternehmen, ein Bild über unsere Break-Even-Situation im neuen Wirtschaftsmarkt machen.

Abbildung 8.10 Der Break-Even-Point

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134 8 Business Development International

In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es eine Vielfalt von komplizierten Formeln und Zusammenhängen, um einfache Dinge wie den Break-Even-Punkt zu bestimmen. In unse-rer Vorgehensweise ist die graphische Darstellung recht einfach gehalten.. In den Tabellen 8.19 und 8.20 haben wir Informationen über die Kosten und die betrieblichen Aufwendungen pro Wirtschaftsperiode gesammelt und tabellarisch eingestellt. In den nachfolgenden Tabellen 8.21 und 8.22 haben wir Informationen über die avisierten Umsätze pro Wirtschaftsperiode einges-tellt. Nun können wir diese Informationen für die Ermittlung des Break-Even-Punktes benutzen und eine Tabelle bilden, in der wir die Aufwendungen und die Umsätze kumulieren und gege-nüberstellen.

Tabelle 8.25 Graphische Ermittlung des Break-Even-Punktes

2010 2011 2012 2013 2014 Kosten kumuliert 394.490 € 6.379.299 € 15.120.790 € 32.201.547 € 58.155.360 € Umsatz kumuliert 5.741.242 € 14.927.228 € 33.586.264 € 64.959.616 €

Als Erkenntnis habe ich in der Tabelle 8.25 die kumulierten Umsatz- und die kumulierten Aufwendungsbeträge miteinander verglichen und sehe, dass bereits im Jahr 2013 meine Um-sätze mit (33.586.264 – 32.201.547) � 1.384.717 € über den gesamten Aufwendungen meiner betrieblichen Tätigkeit liegen. Diese Information bildet eine (von unterschiedlichen) Kennzah-len, die für meine unternehmerische Tätigkeit, besonders in einer Phase der Existenzgründung, von Bedeutung sind. Bei der Tin GmbH Hanau handelt es sich nicht um ein komplett neues Geschäft, man kennt sich bereits in dem Geschäft, der Erstellung und dem Vertrieb von Kabel-rinnensystemen gut aus, befindet sich derzeit aber an einem entscheidenden Punkt der unter-nehmerischen Entwicklung. Bis zu diesem Punkt der Entwicklung bleibt festzuhalten, dass der Ausgangspunkt unserer Entwicklung, unserer betriebswirtschaftlichen Planung der Markt und die zielgruppenspezifischen Anforderungen sein müssen. Wir haben hier einen recht frühen Zeitpunkt, ab 2013, ab dem wir mit Gewinnen in den neuen Wirtschaftsregionen rechnen. Ein wichtiges Entscheidungskriterium in der Phase der Entwicklung ist auch immer die Entschei-dung des Kaufs oder des Leasings von Maschinen und Anlagegütern. Man kann dies sicherlich kontrovers diskutieren. Es bleibt aber unmissverständlich festzuhalten, dass die Höhe meine grundlegenden Investitionen (die wir in der Tabelle 8.19 im Jahr 2010) eingestellt haben, im Falle eines Leasings von Maschinen und Anlagegütern niedrig bleibt und somit die Kosten in der Markteintrittsphase niedrig bleiben. Eine niedrige Kostensituation, bei konstanten Absätzen und Umsätzen, wird den Zeitpunkt meines Break-Even-Punktes positiv beeinflussen. Diese Information können wir zum Zeitpunkt der Freigabe unseres Investitionsvolumens, sei es über die Freigabe von Eigenkapital oder die Freigabe von Fremdkapital, sehr gut gebrauchen, um unserem Ziel, dem Business Developments International ein gutes und entscheidendes Stück näher zu rücken. Mein Tipp also an dieser Stelle: Komplizierte Formeln sind gut, ein Verstehen der Zusammenhänge scheint aber in jedem Fall der bessere und einfachere Weg, die Situation zu erfassen, zu analysieren und zu kommunizieren. Machen Sie sich also zunächst mit der Kostensituation vertraut und stellen Sie diese, wie in der Tabelle 8.25 Ihren Umsätzen gegenü-ber.

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8.2 Das Ziel 135

Abbildung 8.11 Umsatzanteile der Produktgruppen am Gesamtumsatz

8.2.5 Die Wettbewerbsanalyse Herr Weiß-Schwarz ist sich darüber bewusst, dass ein erfolgreicher Markteintritt nur über eine detaillierte Kenntnis des neuen Marktes und des verfügbaren Angebotes möglich ist. Er ist sich seiner relativen Wettbewerbsstärke durchaus bewusst. Diese ist aber zunächst für den deutschen Markt bestimmt und wird keine unmittelbaren Auswirkungen auf den neuen Wirt-schaftsraum haben. In der Bauzulieferbranche sind verschiedene spezielle Anforderungen an das Produkt und die Leistung signifikant.

Tabelle 8.26 Wettbewerbsvergleich A

Kriterium Unterkrite-rium

Tin GmbH A B C

Zahlungs-konditionen

Nettopreis pro Einheit

8,49 8,2 8,62 8,16

Zahlungsziel (Tage)

120 90 30 30

Preisstellung frei Baustelle ab Werk ab Werk frei Baustelle Stabiler Ange-

botspreis 6 Monate 4 Monate 3 Monate 1 Monat

Produkt-leistungen

Tragkraft kg/m 20 18 17,5 19

Sauberkeit der Entgratung

99,90% 96% 87% 93%

Verfügbarkeit Werktage

5 18 12 9

Variati-onsmöglichkeit

sehr viele viele sehr viele wenige

Zubehör-verkauf

ja ja nein nein

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136 8 Business Development International

Produktneben-leistungen

Erreichbarkeit sehr gut gut mittel schlecht

Planungssoft-ware

sehr gut nicht verfüg-bar

mittel nicht ver-fügbar

Liefer-genauigkeit

immer pünk-tlich

in 90% pünktlich

80% pünkt-lich

unzuverläs-sig

Reklamations-bearbeitung

sehr gut gut mittel sehr gut

Tabelle 8.27 Wettbewerbsvergleich B

Kriterium Unterkriterium Tin GmbH A B C Zahlungs-konditionen Nettopreis pro Einheit 15 -10 20 -20

Zahlungsziel (Tage) 10 10 -10 -10 Preisstellung 10 -10 -10 10 Stabiler Angebotspreis 20 10 0 -20 Produktleistungen Tragkraft kg/m 10 8 7 9 Sauberkeit der Entgratung 20 15 5 10 Verfügbarkeit Werktage 20 -10 -5 10 Variationsmöglichkeit 10 5 10 0 Zubehörverkauf 10 10 0 0 Produktneben-leistungen Erreichbarkeit 20 10 0 -20 Planungssoftware 20 -20 10 -20 Liefergenauigkeit 20 15 10 0 Reklamationsbearbeitung 10 5 0 10

Tabelle 8.28 Wettbewerbsvergleich C Beispiel für die Kalkulationsmöglichkeit

Kriterium Unterkriterium Tin GmbH Gewichtung Tin GmbH Zahlungs-konditionen Nettopreis pro Einheit 15 0,15 2,25 Zahlungsziel (Tage) 10 0,1 1 Preisstellung 10 0,2 2 Stabiler Angebotspreis 20 0,55 11 Summe 1: 16,25 Produktleistungen Tragkraft kg/m 10 0,05 0,5 Sauberkeit der Entgratung 20 0,1 2 Verfügbarkeit Werktage 20 0,15 3 Variationsmöglichkeit 10 0,1 1 Zubehörverkauf 10 0,1 1 Produktneben-leistungen Erreichbarkeit 20 0,15 3 Planungssoftware 20 0,15 3 Liefergenauigkeit 20 0,15 3 Reklamations-bearbeitung 10 0,05 0,5 Summe 2: 17

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8.2 Das Ziel 137

Tabelle 8.29 Vergleich des Nutzens auf Wettbewerbsebene

Anbieter Bewertung Zahlungskonditionen Bewertung Produktleistung Tin GmbH 16,25 17 A 3 2,9 B 0 4,1 C -13 -2,55

Abbildung 8.12 Darstellung des Kundennutzens im Wettbewerbsvergleich

Diese Darstellung sollte den Vertrieb und das Marketing im Bestreben, einen Marktanteil von 8,9 % in den neuen Märkten zu erreichen, erheblich unterstützen. Einer der entscheidenden Vorteile ist auch mit der Möglichkeit der Lagerung über den Groß-handel verbunden. Hier hat die Tin GmbH ein sehr gutes Argument, den Handelsbetrieb ent-sprechend zu akquirieren und unter den Gesichtspunkten von Liquidität und cash flow schnell eine gute Stellung im gesamten Einkaufsvolumen von Kabelrinnensystemen zu erhalten. Die könnte als eine Art von „push-Strategie“ bezeichnet werden. Ich drücke die Materialien des Herstellers in den Handel herein, und dieser hat eigentlich gar keine andere Möglichkeit, als die Produkte von Tin GmbH auf Lager zu nehmen und dem Kunden anzubieten. Auf der ande-ren Seite hat sich Herr Weiß-Schwarz auch Gedanken um die „pull-Strategie“ gemacht. Hier stellt sich die Frage, wie die Produkte vom Handel heraus gezogen werden können. Mit der meisterhaften Kombination von „push“ und „pull“ wird der Markterfolg glücken. In dem Be-reich der „pull-Strategie“ wird Herr Weiß-Schwarz und sein Prokurist gemeinsam mit dem Elektrogroßhandel den Endkunden, zunächst die Key Accounts, nicht nur von der Anwendung der Tin-Produkte, sondern auch von dem Einsatz der Planungssoftware positiv überzeugen. Herr Weiß-Schwarz weiß außerdem aus Erfahrung, dass es sinnvoll ist, eine gewisse Zeit auf der Baustelle zu verbringen, um mit den Installateuren den Installationsprozess zu besprechen und Innovationen in die Produktentwicklung einfließen zu lassen. Bis zu diesem Punkt hätte die Tin GmbH dann alle möglichen Schritte für ein kompetentes supply chain Management bearbeitet und somit die entscheidende Grundlage für einen kompetenten Markteintritt geschaf-fen.

Anbieter C

Anbieter B

Anbieter A

Tin

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138 8 Business Development International

8.2.6 Soll Umsätze pro Land und pro Verkaufsregion Für die Ermittlung der Sollumsätze pro Land und Verkaufsregion dient zunächst einmal die Tabelle 8.21, in der wir Informationen über die Soll-Umsatzsituation in unseren drei neuen Ländermärkten gesammelt haben. Sehen wir uns zunächst das Geschäftsjahr 2011 an. Hier haben wir einen gesamten Umsatzwert von 5.741.242 € als Sollwert für unsere erste Wirt-schaftsperiode gebildet.

Abbildung 8.13 Umsatzziele pro Land

Die Vorgehensweise in Abbildung 8.13 ist wie folgt: � Übernahme des Umsatzziels für das Geschäftsjahr 2011 aus unserer Vertriebs- und Markt-

analyse � Ermittlung der Bruttoinlandprodukte pro Land (hier für 2006, vgl. Fischer Weltalmanach) � Eine prozentuale Zuordnung des Zielwertes auf die unterschiedlichen Länder im Verhältnis

zum BIP. Man könnte an dieser Stelle argumentieren, dass ein Zielwert pro Land ausreichend sei. Dies sehe ich nicht ganz als die beste Lösung, denn ich habe zumindest eine Idee zu entwickeln, wo meine Zielwerte pro Region liegen und wer persönlich für die Entwicklung der Sollwerte ver-antwortlich ist. Durch unsere aktuelle Situation des indirekten Vertriebs sollte ich hier so weit wie möglich versuchen, die einzelnen Niederlassungen meines nationalen Handelspartners so weit zu führen, dass wir gemeinsam am Markt Erfolge verbuchen können. Erinnern wir uns an unser Ausgangsziel, einen Marktanteil von 8,9% bis zum Jahr 2014. Das bedeutet, dass ich hier ganz sicher nicht zu viel von meinem Handelspartner erwarte. Außerdem sollte ich als Anbieter Kenntnis darüber haben, in welche Großprojekte meine Produkte eingehen, auch wenn ich in der Planungsphase nicht aktiv in der Projektplanung mit gearbeitet habe.

Umsatzziel�20115.741.242�����������������������

BIP�in�Mrd�USD�PL� BIP�in�Mrd�USD�CZ� BIP�in�Mrd�USD�SK�242,293 107,015 41,09462% 27% 11%

Umsatzziel�PL� Umsatzziel�CZ� Umsatzziel�SK�3.563.155���������������������� 1.573.760����������������������� 604.327����������������������

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8.2 Das Ziel 139

Tabelle 8.30 Soll Umsätze PL

Stadt Einwohnerzahl Prozent Soll-Umsatz Warschau 1.692.854 19,69% 701.712 Lodz 774.004 9,00% 320.836 Krakau 757.430 8,81% 313.965 Breslau 636.268 7,40% 263.742 Posen 570.828 6,64% 236.616 Danzig 459.072 5,34% 190.292 Stettin 411.900 4,79% 170.738 Bromberg 368.235 4,28% 152.639 Lublin 355.998 4,14% 147.566 Kattowice 319.904 3,72% 132.605 Bialystock 292.150 3,40% 121.100 Gdingen 253.324 2,95% 105.006 Tschenstochau 248.032 2,89% 102.813 Radom 228.192 2,65% 94.589 Sosnowiec 227.613 2,65% 94.349 Kielce 209.455 2,44% 86.822 Thorn 208.278 2,42% 86.334 Gleiwitz 200.361 2,33% 83.052 Hindenburg 192.546 2,24% 79.813 Beuthen 189.535 2,20% 78.565 Summe: 100% 3.563.155

Tabelle 8.31 Soll Umsätze CZ

Stadt Einwohnerzahl Prozent Soll-Umsatz Prag 1.165.581 50,53% 795.228 Brno 369.559 16,02% 252.135 Ostrava 313.088 13,57% 213.607 Plzen 164.180 7,12% 112.013 Olomouc 101.268 4,39% 69.091 Liberec 97.770 4,24% 66.704 Ceske Budejovice 95.245 4,13% 64.982 Summe: 100,00% 1.573.760

Tabelle 8.32 Soll Umsätze SK

Stadt Einwohnerzahl Prozent Soll-Umsatz Bratislava 428.672 39,56% 239.077 Kosice 236.093 21,79% 131.672 Presov 92.786 8,56% 51.748 Nitra 87.285 8,06% 48.680 Zilina 85.400 7,88% 47.629 Banska Bystrica 83.056 7,66% 46.322 Trnava 70.286 6,49% 39.200 Summe: 100,00% 604.327

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140 8 Business Development International

8.2.7 Risikokompensation eines Zahlungsausfalls Mein Chef sagte mir früher immer sinngemäß, „einen Auftrag zu schreiben ist schön, aber den Zahlungseingang auch verbuchen zu können ist wunderschön“. Wir haben, besonders durch den Fall Philipp Holzmann, erhebliche Fortschritte in der Risikosensibilisierung- und kompen-sation gemacht. In der Bauindustrie kann sich das Blatt sehr schnell in eine negative Richtung drehen. Um dies zu verhindern, Liquidität und cash ausreichend zur Verfügung zu haben, um die Lieferanten innerhalb der Skontofrist, die Mitarbeiter am Ende des Monats bezahlen zu können. Hat sich Herr Weiß-Schwarz für die Möglichkeit eines Factorings entschieden. Er arbeitet mit einer deutschen Factoringgesellschaft zusammen, die in Warschau eine Niederlas-sung betreibt, die Markt- und Kundensituation in Polen, Tschechien und der Slowakei seit den frühen 90er Jahren sehr gut kennt und ein verhältnismäßig günstiges Angebot offerieren konn-te. Als einziger Anbieter kann die Tin GmbH seinen Kunden ein Zahlungsziel von 120 Tagen, ab Rechnungserhalt, anbieten. Herr Weiß-Schwarz muss der Factoringgesellschaft dafür 3,7% des Umsatzes zahlen. Man könnte hier argumentieren, dass 100% der Verkaufserlöse über den Elektrogroßhandel getätigt werden. Dies ist richtig, vermindert aber das Risiko eines Zah-lungsausfalles innerhalb der supply chain nicht. Diese Zusammenhänge sind von Seiten des Anbieters entsprechend zu beachten und in die Marktbearbeitung mit einzubeziehen.

8.2.8 Supply Chain Pricing Der Ausdruck „Supply Chain Pricing“ fasziniert mich seit geraumer Zeit. Eigentlich sollte es ihn gar nicht geben, dennoch machen wir uns im Controlling, dem Marketing und dem Vertrieb Gedanken darüber, wir unser Preissystem von unserer Produktion, oder sogar noch vorgelager-ten Prozessschritten, mit der Integration der Lieferanten, bis zum Endkunden funktioniert. Auch hier gilt wieder die bekannte Weisheit „was ich nicht kontrollieren kann, kann ich nicht managen“. Um einen Prozess, wie den nachfolgenden Preisgestaltungsprozess kontrollieren zu können, muss ich zunächst einmal Informationen über die einzelnen Prozessschritte und die Personen, bzw. die Institutionen, die Unternehmen haben, die in diesen Prozess integriert sind.

Tabelle 8.33 Supply Chain Pricing PL

Polen 3.563.155 € Nettopreis Bruttopreis Factoring 3.700.057 € davon über A-Handel 65% 1.322.770 € 2.133.501 € Projektintegration 45% 1.256.826 € 1.745.591 € davon über B-Handel 35% 1.295.020 € 1.438.911 € Projektintegration 20% 294.977 € 359.728 € 4.169.593 € 5.677.731 €

Die Tabelle 8.33 benötigt eine kurze Erklärung: � Unser Soll-Umsatz für die Republik Polen liegt bei 3.563.155 € � Wir haben das Ziel erreicht, unsere Forderungen über eine Factoringgesellschaft absichern

zu lassen und somit unsere Liquidität und unseren cash flow zu sichern. Dies kostet uns 3,7% vom Umsatz.

� Die Vorgabe war, dass ich bei der Tin GmbH in Polen einen Nettowert als zu verbuchendes Minimum haben soll.

� Die Kosten für das Factoring werden also dem Nettobetrag zugeschlagen.

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8.2 Das Ziel 141

� 65% des gesamten Volumens wird über den A-Handel vertrieben. Der A-Handel ist von Größe und Umfang ein A-Partner und erhält einen Rabatt auf den Bruttopreis in Höhe von 38%.

� In 45% der Fälle, die mit dem A-Handel abgewickelt werden, hat unsere Verkaufsabteilung Kenntnis über das Projekt erhalten, und die Technik integriert sich in die Planung und Aus-führung des Projektes. Die Auslieferung erfolgt über den A-Handel. Hier ist es sinnvoll, dass ich den Handelspartner für die entstandenen Aufwendungen, die im Rahmen der tech-nischen Unterstützung anfallen, berechne. Dies erfolgt hier indirekt, indem die Handels-marge von 38% auf 29% reduziert wird. Es handelt sich also um ein passives Geschäft, welches eine geringere Vergütung zur Folge hat.

� 35 Prozent des gesamten Verkaufsvolumens in Polen wird über den B-Handel abgewickelt. Um eine klare Struktur in das Vertriebscontrolling hinein zu bringen, reduzieren wir die Handelsmarge für einen B-Handelsbetrieb auf 28%.

� In 20% der Geschäftsfälle, die über den B-Handel abgewickelt werden, wird unsere Ver-kaufs- und Planungsabteilung integriert. Hier handelt es sich also auch um ein passives Ge-schäft, welches wir mit einer reduzierten B-Handelsmarge von 18% vergüten.

� Wir kalkulieren also wie folgt: � Auf der Basis des Nettopreises plus den Aufwendungen für das Factoring können wir den

Nettopreis und den Bruttopreis für die Geschäftsanteile des A-Handels und des B-Handels kalkulieren. Für den A-Handel als Beispiel: (3.700.057*0,65*0,55) � 1.322.770. Auf die-ser Basis können wir den Bruttopreis bestimmen. Für den A-Handel, als Beispiel: 1.322.770 /(1-0,38) � 2.133.105.

� Da sich, auch infolge des veränderten Rechnungsbetrages für das integrierte Projektge-schäft, der Bruttobetrag für diese Zeile (Projektgeschäft A-Handel) nicht verändern wird, können wir zunächst den Bruttopreis für das Projektgeschäft des A-Handels bestimmen: (3700.057*0,65*0,45)/(1-0,38)� 1.745.591

� Der Nettopreis für den A-Handel (Projektgeschäft) ergibt sich durch eine Multiplikation mit der reduzierten Handelsmarge 1.745.591*0,72� 1.256.826

� In der Summe erhalten wir eine Differenz zu dem avisierten Umsatz von (4.169.593 – 3.700.057) � 469.536

� Wir halten fest, dass wir in dem Bereich des indirekten Vertriebs unsere „Verhandlungs-macht“ als Lieferant in der Kommunikation mit dem Handelsbetrieb, sei es nun der A-Handel oder der B-Handel, ruhig ein wenig ausbauen und nutzen können.

� Kommt es am Jahresende zu weiteren Verhandlungen über Rabattsysteme, über kick backs oder andere Arten von finanzieller oder materieller Unterstützung, so habe ich eine gute und hilfreiche Information, welcher Anteil der vom Handelspartner die Prozessorganisation des Herstellers mehr gefordert hat als geplant.

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142 8 Business Development International

8.3 Aufgaben 1. Errechnen Sie die jährliche Abschreibung für die Stanzanlage für P1 sowie den aktuellen

Buchwert der Anlage. 2. Kalkulieren Sie die maximale Herstellmenge von P1-Produkten im 2-Schichtbetrieb bei

210 Tagen effektivem Arbeitseinsatz. 3. Kalkulieren Sie bitte die Summe der Aufwendungen für die Maschine (direkte Aufwen-

dungen für die Maschine und direkte Aufwendungen für Lohn und Gehalt) gemäß den im Text unterbreiteten Angaben.

4. Kalkulieren Sie die qm-Fläche pro Produkt der Produktgruppe P1 5. Berechnen Sie die durch den Stanzvorgang reduzierte Fläche des Materialrohlings. 6. Kalkulieren Sie die Erlöse, die die Tin GmbH mit der Rückgabe des Recycling-Materials

erzielen kann. Beachten Sie dabei bitte auch, dass die Fläche zwar bei P1-1 und P1-2 gleich, die Masse aber eine andere ist.

7. Kalkulieren Sie die Summe der Materialaufwendungen pro Jahr und pro Produkt für die Produktgruppe PI nach den Angaben der Tabelle 8.5.

8. Errechnen Sie die Summe der Aufwendungen für den zweiten Produktionsvorgang, den Biege- und Kantprozess. Die Summe der direkten Aufwendungen für die Produktgruppe P1 und P2 sind gleich.

9. Kalkulieren Sie bitte die Umsatzrentabilität der Tin GmbH Hanau und interpretieren Sie diese bei einem aktuellen Kapitalmarktzins von 2,2%. Wie würden Sie eine eventuelle „Ex-trarendite“ bezeichnen?

10. Berechnen Sie die Eigenkapitalquote der Tin GmbH Hanau. 11. Bestimmen Sie die freien Kapazitäten in Stück und die Kapazitätsauslastung in Prozent von

Gesamt für die Biege- und Kantmaschine. Beachten Sie dabei bitte auch, dass P1-1 und P2-1 die gleiche Materialstärke haben und an der gleichen Biege- und Kantmaschine bearbeitet werden.

12. Analysieren Sie für Ihr Unternehmen 3-5 Unterkriterien für die Preis- und Produktquali-tätsdarstellung im Wettbewerbsvergleich. a) 3-5 Unterkriterien für den Faktor Preis b) 3-5 Unterkriterien für den Faktor Produktleistung c) 3-5 Unterkriterien für den Faktor Produktnebenleistungen

13. Versuchen Sie Bewertungsmaßstäbe für die oben erarbeiteten Kriterien zu finden. 14. Diskutieren Sie eine mögliche Bewertungsskala sowie mögliche Gewichtungsfaktoren. 15. Erarbeiten Sie Vor- und Nachteile für die Zusammenarbeit mit einer Factoringgesellschaft. 16. Erstellen Sie eine Tabelle, analog zur Tabelle 8.33, für Tschechien und die Slowakei nach

den folgenden Angaben: a. Slowakei � 85% A-Handel

52% Integration in Projekte im A-Handel 37% Integration in Projekte im B-Handel Handelsmarge (A-Handel) 38%, Reduzierter Wert 27% Handelsmarge (B-Handel) 29%, Reduzierter Wert 17,5%

b. Tschechien � 63% A-Handel 37% Integration in Projekte im A-Handel 21% Integration im B-Handel Handelsmarge (A-Handel) 39%, Reduzierter Wert 26% Handelsmarge (B-Handel) 27%, Reduzierter Wert 16,5%

Ermitteln Sie bitte die Differenz zwischen dem ursprünglich avisierten Nettoumsatz und den durch die reduzierte Handelsmarge erzielten Nettogewinn.

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9 Marketing Controlling

9.1 Grundlagen und Notwendigkeit des Marketing Controllings Wir beschäftigen uns seit Beginn der Etablierung von Marketing als zentralem Bestandteil eines Unternehmens mit der Frage, wie effektiv sind die betrieblichen Aufwendungen, die ich z.B. in eine neue internationale Werbekampagne investiere. Kann ich meine Wettbewerbsfunk-tion, meinen Umsatz, meinen Gewinn und letzten Endes auch meinen Return on Investment positiv mit der einzelnen Investition beeinflussen? Wie ist die Wahrnehmung der Kunden auf eine neue Art der Darstellung, äußert sich dies positiv oder negativ? Wie ist eine neue Verpa-ckung in Farbe oder Design am Markt zu bewerten? Wie reagiert der Markt kompetente Na-mensänderungen, wie z.B. aus Toyota Corolla wird ein Toyota Auris? Aus Raider wird Twix, sonst ändert sich nix. Marketing und Controlling müssen an diesen Fragestellungen eng zu-sammen arbeiten, um als Unternehmen einen nachhaltigen Erfolg am Markt zu haben. Hierbei ist es eigentlich nicht so wichtig, wie die organisatorischen Strukturen des Marketing Control-lings im Einzelnen sind. Es gibt die Möglichkeit, dass Marketing Controlling der Kosten- und Leistungsrechnung unterstellt ist (Linienfunktion) oder dass Marketing Controlling dem Mar-keting als Linienorganisation oder als Stabsstelle angebunden ist. In dem Moment, an dem ein Unternehmen die strategische Entscheidung für die Etablierung eines nachhaltigen Marketing Controllings getroffen hat, wird in einem zweiten Schritt die Herausforderung des Daten-Supports erfolgen müssen. Marketing Controlling hat somit zwei Basislieferanten für die In-formationen, die verarbeitet werden: � Den Markt durch wiederkehrende Kundenbefragungen (Bestandskunden und potentielle

Kunden) � Den eigenen Betrieb (mit der Kostenrechnung, der Produktion, der Forschung & Entwick-

lung) Harald Ehrmann fasst in seinem Buch Marketing Controlling die folgenden 9 Verkaufsargu-mente für die Etablierung eines Marketing Controllings wie folgt zusammen: � Controlling ist notwendig, weil die Mitarbeiter des Fachbereichs Marketing überlastet und

auf Zuarbeit angewiesen sind. � Controlling führt zu schnelleren und ggf. zu mehr Informationen als vor der Installation. � Controlling gestaltet den Entscheidungsprozess übersichtlicher. � Controlling belässt die Entscheidungen im Marketing-Bereich; Entscheidungshilfen werden

lediglich angeboten. � Der Controller hat ein Entscheidungs- und Widerspruchsrecht nur in einem vorher festge-

legten Rahmen. � Der Controller übt keine Vorgesetztenfunktion aus. � Der Controller akzeptiert bei seiner Arbeit jederzeit Anregungen der Marketing-Mitarbeiter

und leistet sie auch, wenn erforderlich, weiter. � Controlling bedeutet kein weiteres Überwachungssystem, Abweichungen werden nur kriti-

siert, wenn sie vom überprüfenden Bereich auch vertreten werden müssen und nicht auf ex-terne Faktoren zurückzuführen sind.

� Controlling wird bereits in zahlreichen Unternehmen mit Erfolg praktiziert.

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_9,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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144 9 Marketing Controlling

Nun gibt es, wie in so vielen Teilgebieten der Betriebswirtschaft, des Controllings und des Marketing sicherlich mehr als ausreichendes theoretisches Material, um sich in das Thema Marketing Controlling einarbeiten zu können. Ich möchte dieses letzte Kapitel gerne benutzen, um einen zusätzlichen praktischen Beitrag für einen oft zu theoretisch gehaltenen Ansatz der jungen Wirtschaftswissenschaften zu finden und beisteuern zu können. Das vorliegende Kapi-tel wird also eine Weiterentwicklung der vorherigen Kapitel von Art, Umfang und vernetztem betriebswirtschaftlichen Wissen sein. Ich habe hier eine etwas andere Untergliederung gewählt, als sie, zumindest für mich, bislang in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur, erkennbar ist. Es gibt die folgenden Komponenten des Marketing Controllings: Die volkswirtschaftliche Komponente Wir haben – noch lange vor der Bankenkrise – Möglichkeiten ein Unternehmen zu bewerten auf EU 27-Ebene kontrovers besprochen. Die Banken und Sparkassen haben einige Informa-tionen zum Rating nach Basel II erarbeitet. Zum Teil sind die Informationen auch über Internet recht einfach zugänglich. Unter marketingtechnischen Überlegungen heißt dies, dass ich im Rahmen einer strategischen Marketing-Planung Performancevergleiche mit anderen Branchen anstellen sollte. Die grundsätzliche volkswirtschaftliche Überlegung sollte demnach immer sein: Macht es betriebswirtschaftlich Sinn, in eine neue Branche, mit einer höheren Renditeer-wartung, zu investieren? Nach dem Boston Consulting Portfolio würde ich mir an dieser Stelle die grundsätzliche Frage stellen, ob meine Question Marks und meine Stars in meiner Produkt-entwicklung in Zukunft vielleicht doch von einer anderen Branche realisiert werden. Im Rah-men einer SWOT (Strength, Weaknesses, Opportunities and Threats)-Analyse werde ich mir überlegen, ob eine Chance, die in einer neuen Branche besteht, mit den aktuellen Stärken mei-nes Unternehmens zusammen trifft. Man sagt, Nokia, der bekannte finnische Hersteller von mobilen Endgeräten, hätte früher Gummistiefel produziert. Wie passt dieser Gedanke in unsere traditionelle Marketingüberlegung? Mikroelektronik und technische Schaltkreise und innovati-ve Produktentwicklung waren ganz sicher nicht die Kernkompetenzen eines Herstellers für Gummistiefel. Kärcher Reinigungsgeräte, so heißt es, habe früher Segel für Segelschiffe pro-duziert. Heute stellen Sie eine starke, fast dominante Marke in der Reinigungsbranche dar. Sehr unterschiedliche Zusammenhänge von traditionellen Kernkompetenzen und realisierten und umgesetzten Fähigkeiten und Kompetenzen. Wir werden uns also noch häufig die Frage stellen müssen, warum diese Unternehmen den Turnaround so perfekt gemeistert haben und viele, sehr viele es einfach nicht umsetzen können. Kann man diese Fähigkeit mit Innovationskultur des Managements umschreiben? Warum ist 3M so innovativ? Es bleibt festzuhalten, dass ich für den Fall einer Analyse des volkswirtschaftlichen Umfeldes durchaus ein System verwenden kann, das schon am Markt existiert. Ein Ratingsystem von Banken und Sparkassen könnte also ein solches existierendes System sein. Wenn Ihr Kunde ein Lieferantenrating durchführt, soll-ten Sie, als Key Account Manager, als Marketing Manager oder als Vertriebsleiter die Krite-rien der Lieferantenbeurteilung sowie deren Gewichtungsfaktoren kennen, damit Sie daran (aktiv) arbeiten können, um in der nächsten Periode vor Ihren Wettbewerbern gelistet zu wer-den. Einige European Business Schools werden von der Financial Times oder anderen Medien in ihrer Qualität getestet. Diese Tests sind wichtig für die Anzahl der neuen Studierenden. Ähnlich, wie die Stiftung Warentest, hat dies eine werbewirksame Wirkung, wenn der Test gut war und die Business School im oberen Drittel abschneidet. Hier gilt es also Qualitätskriterien einer unabhängigen Institution aktiv zu bearbeiten und zu optimieren. Im Rahmen der volk-swirtschaftlichen Komponente können wir uns mit dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld, der Marktanalyse und der Marktentwicklung, der Konkurrenzanalyse (auf volkswirt-schaftlicher Ebene) und in allgemeiner Form mit der Branchenanalyse beschäftigen.

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9.2 Die Marktsituation 145

Die betriebswirtschaftliche Komponente Hier besteht die Möglichkeit, den betrieblichen Leistungserstellungsprozess in die betriebli-chen Teilbereiche, wie Logistik & Beschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Forschung & Ent-wicklung, Vertrieb, Marketing, Kostenrechnung und Finanzen zu gliedern und entsprechende Leistungskennzahlen zu analysieren. Die wettbewerbsorientierte Komponente Hier besteht mein Ziel in einer Feststellung meiner Kompetenzen und der meiner stärksten Wettbewerber. Diese Information kann parallel zu der betriebswirtschaftlichen Komponente erarbeitet werden. Hier sollte es nur zu einer Reduktion der Werte auf das Notwendigste kom-men, um die Übersichtlichkeit nicht zu verlieren. In diesen Zusammenhang ist a) die Quali-tätswahrnehmung Ihres Kunden und b) die Wichtigkeit der Qualitätskriterien aus Kundensicht wichtig. Es kann und wird zu einer Gap Analysis kommen, bei der Sie die Stärken und Schwä-chen Ihres Unternehmens, Ihres Produktangebotes, Ihrer Produktnebenleistung identifizieren und entsprechende Schritte für eine Optimierung einleiten sollten. Die portfolioorientierte Komponente Wie in anderen Teilen der Betriebswirtschaft steht mir auch im Marketing Controlling die Möglichkeit offen, mit einem Boston-Consulting-Portfolio zu arbeiten. Ich würde mich hier auf diesen Portfolio-Ansatz beschränken, da bei dem Ansatz von McKinsey die Komplexität zu-nimmt und damit die Übersichtlichkeit abnimmt. Die produktorientierte Komponente Hier stehen das Produkt, das Produktprogramm und das Produktsortiment im Mittelpunkt der Untersuchung. Die einzelnen Komponenten kommen in der Regel nicht differenziert, sondern kombiniert zur Anwendung.

9.2 Die Marktsituation Wie einleitend beschrieben, hat uns im Marketing Controlling die Performance zu interessie-ren. Wenn auf dem Grabstein unseres Unternehmens steht „Er hat sich stets bemüht“, dann ist das eine durchaus angenehme Formulierung für unser Scheitern. Nun haben wir uns auch in den anderen Kapiteln immer wieder der Analyse von Zahlen, Daten und Fakten zugewendet. Es steht ganz außer Frage, dass es innerhalb einer bestimmten Branche keine nennenswerten Optimierungsansätze zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr gibt. Diesen Zeitpunkt zu analysie-ren und entsprechende Handlungen der Geschäftsleitung und den Anteilseignern vorzuschla-gen, ist eine unserer Aufgaben im Marketing Controlling. Im Rahmen einer ausführlichen Analyse der Marktsituation kann ich zwei Dinge miteinander vereinen. Auf der einen Seite erhalte ich Informationen über ein potentiell interessantes Investment in einer anderen Branche mit einer höheren Möglichkeit der Rendite. Auf der anderen Seite kann ich die erworbenen Informationen sehr gut für mein Kundenrating, mein Kundenscoring und mein Kunden- und Branchenattraktivitätsmodell (aus Lieferantensicht) hervorragend nutzen. Dies bedeutet, dass wir diese Analyse auf jedem Fall brauchen. Die Wirtschaftskammer in Österreich hat mit ei-nem Vergleich von 24 Branchen, deren betrieblicher Hintergrund klar definiert ist, eine sehr gute Übersicht vorgelegt. Die folgenden Zusammenfassungen des Branchenvergleichs beruhen auf den Daten der Wirtschaftskammer Österreich. Gehen wir einmal davon aus, dass im deutschsprachigen Wirtschaftsraum die unternehmerische Situation nicht signifikant anders ist.

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146 9 Marketing Controlling

Die vorliegenden Daten sind noch vor der Banken- und Wirtschaftskrise entstanden. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es innerhalb der Wirtschaftsjahre 2008 und 2009 zu Verschie-bungen der dargestellten Situation gekommen ist. Wir werden uns hier, aufgrund der Übersich-tlichkeit mit nur 9 ausgewählten Branchen des industriellen Sektors beschäftigen.

Tabelle 9.1 Branchenvergleichskennzahlen Umsatzrentabilität (%)

Umsatzgrößenklassen (Jahresumsatz in Mio €) Kenn-zahlen

Ge-samt

bis 0,3 0,3 bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 4 4 bis 7 über 7 Branche

UR -0,45 -7,10 -2,35 -1,29 0,04 0,99 0,99 Nahrungs- und Genussmittel

UR 0,15 -7,55 -1,15 0,91 0,86 1,13 0,10 Textil, Beklei-dung, Leder

UR -1,33 -11,24 -5,18 -1,00 0,67 0,64 1,15 Holz UR 0,65 -2,81 0,80 0,40 1,08 1,30 0,41 Druck & Papier UR 1,80 -3,18 -0,43 1,28 2,44 2,34 2,02 Chemie &

Kunststoff UR 0,67 -6,88 -0,66 0,61 0,91 2,29 1,38 Glas, Keramik,

Baustoffe UR 1,59 -6,67 0,15 1,48 2,01 1,62 2,23 Metall & Ma-

schinenbau UR 2,15 -0,48 1,44 3,80 2,27 1,66 2,17 Elektro/ Elekt-

rotechnik UR 0,99 -3,62 0,53 0,77 1,28 0,88 1,21 Hoch -/ Tiefbau

Umsatzrentabilität = Gewinn/Umsatz *100 (9.1)

Tabelle 9.2 Branchenvergleichszahlen Cash Flow Quote (%)

Umsatzgrößenklassen (Jahresumsatz in Mio. €) Kenn-zahlen

Ge-samt

bis 0,3 0,3 bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 4 4 bis 7 über 7 Branche

CFQ 4,72 -0,47 3,79 5,15 5,49 5,91 4,96 Nahrungs- und Genussmittel

CFQ 4,32 .1,08 3,24 5,58 5,06 6,08 3,80 Textil, Beklei-dung, Leder

CFQ 3,76 -3,05 0,94 3,93 5,52 4,61 5,66 Holz CFQ 6,78 3,82 7,46 6,42 7,33 7,78 6,75 Druck & Papier CFQ 6,78 4,07 5,83 6,58 6,81 6,62 7,02 Chemie &

Kunststoff CFQ 6,30 -1,66 7,01 6,06 6,75 8,11 7,26 Glas, Keramik,

Baustoffe CFQ 6,44 1,33 6,45 7,39 7,31 5,88 5,96 Metall & Ma-

schinenbau CFQ 6,30 4,63 4,06 8,18 6,28 6,07 6,19 Elektro/ Elekt-

rotechnik CFQ 4,70 4,73 5,94 5,12 5,10 4,32 4,01 Hoch -/ Tiefbau

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9.2 Die Marktsituation 147

Cash Flow Quote=korrigierter Cash Flow (nach Unternehmerlohn) in % vom Umsatz (9.2)

Tabelle 9.3 Branchenvergleichszahlen Eigenkapitalquote (%)

Umsatzgrößenklassen (Jahresumsatz in Mio €) Kenn-zahlen

Ge-samt

bis 0,3 0,3 bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 4 4 bis 7 über 7 Branche

EKQ 6,11 -4,01 -16,92 -2,53 3,27 20,10 23,25 Nahrungs- und Genussmittel

EKQ 14,62 1,74 3,85 11,74 16,40 38,57 24,54 Textil, Beklei-dung, Leder

EKQ 9,11 -6,34 -15,62 1,09 11,83 16,83 22,24 Holz EKQ 9,79 -12,49 -4,79 0,70 11,73 13,59 24,59 Druck & Papier EKQ 18,84 1,16 -0,30 13,05 20,73 16,56 25,91 Chemie &

Kunststoff EKQ 18,05 12,00 5,82 11,08 17,63 22,05 30,56 Glas, Keramik,

Baustoffe EKQ 16,27 -0,95 0,89 7,93 15,39 19,88 23,59 Metall & Ma-

schinenbau EKQ 17,87 -6,07 0,98 15,18 19,04 25,93 23,48 Elektro/ Elek-

trotechnik EKQ 10,22 9,55 8,48 5,26 10,01 12,02 12,17 Hoch -/ Tiefbau

Eigenkapitalquote = Eigenkapital/Gesamtkapital *100 (9.3)

Tabelle 9.4 Branchenvergleichszahlen Schuldentilgungsdauer (Jahre)

Umsatzgrößenklassen (Jahresumsatz in Mio €) Kenn-zahlen

Ge-samt

bis 0,3 0,3 bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 4 4 bis 7 über 7 Branche

STD 9,75 Nega-tiv

14,50 10,91 8,78 6,34 6,97 Nahrungs- und Genussmittel

STD 11,16 Nega-tiv

19,06 9,48 9,15 4,45 10,47 Textil, Beklei-dung, Leder

STD 15,79 Nega-tiv

Nega-tiv

15,33 9,96 9,78 8,05 Holz

STD 6,55 15,88 7,79 6,58 5,74 5,64 6,11 Druck & Papier STD 6,59 16,94 10,61 7,82 5,80 6,21 5,58 Chemie &

Kunststoff STD 7,69 Nega-

tiv 14,87 7,47 7,15 4,54 6,22 Glas, Keramik,

Baustoffe STD 6,91 44,05 9,98 6,87 6,03 6,84 6,24 Metall & Ma-

schinenbau STD 6,19 12,77 10,04 4,42 5,59 6,20 6,11 Elektro/ Elekt-

rotechnik STD 9,52 13,91 8,05 9,63 8,41 10,96 11,65 Hoch -/ Tiefbau

Page 159: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

148 9 Marketing Controlling

Schuldentilgungsdauer = (Fremdkapital - liquide Mittel)/korrigierter cash flow (9.4)

Tabelle 9.5 Branchenvergleichszahlen Bankkreditquote

Umsatzgrößenklassen (Jahresumsatz in Mio €) Kenn-zahlen

Ge-samt

bis 0,3 0,3 bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 4 4 bis 7 über 7 Branche

BKQ 68,48 73,13 75,13 72,52 71,41 53,92 44,75 Nahrungs- und Genussmittel

BKQ 59,35 64,68 69,65 63,60 62,73 38,51 53,68 Textil, Beklei-dung, Leder

BKQ 67,01 74,85 71,92 67,89 61,24 48,78 62,84 Holz BKQ 51,95 61,49 57,50 50,42 50,06 43,94 39,13 Druck & Papier BKQ 52,29 67,07 53,22 56,95 47,36 47,89 54,26 Chemie &

Kunststoff BKQ 57,90 62,35 65,83 62,79 58,47 46,38 47,22 Glas, Keramik,

Baustoffe BKQ 51,11 65,94 63,15 59,49 51,26 46,13 38,53 Metall & Ma-

schinenbau BKQ 45,92 55,35 65,45 51,95 42,36 43,64 30,47 Elektro/ Elekt-

rotechnik BKQ 41,88 57,73 52,27 52,49 41,33 32,77 23,87 Hoch -/ Tiefbau

Bankkreditquote = Bankverbindlichkeiten/Fremdkapital *100 (9.5)

Tabelle 9.6 Branchenvergleichszahlen Bankkreditrückzahlungsdauer (Jahre)

Umsatzgrößenklassen (Jahresumsatz in Mio €) Kenn-zahlen

Ge-samt

bis 0,3 0,3 bis 0,5

0,5 bis 1

1 bis 4 4 bis 7 über 7 Branche

BKRD

6,50 Nega-tiv

10,59 7,69 6,33 3,17 2,50 Nahrungs- und Genussmittel

BKRD

6,49 Nega-tiv

15,67 5,70 5,79 0,91 5,33 Textil, Beklei-dung, Leder

BKRD

10,02 Nega-tiv

46,99 10,28 5,73 5,55 4,55 Holz

BKRD

3,28 10,19 3,75 4,02 2,95 1,99 2,21 Druck & Papier

BKRD

3,01 11,65 4,95 4,88 2,70 2,80 2,29 Chemie & Kunststoff

BKRD

4,57 Nega-tiv

6,63 4,18 4,43 1,07 3,14 Glas, Keramik, Baustoffe

BKRD

3,26 24,89 5,75 3,75 2,96 2,67 1,96 Metall & Ma-schinenbau

BKRD

2,44 6,17 5,67 2,41 2,27 1,68 0,89 Elektro/ Elekt-rotechnik

BKRD

3,41 7,06 4,08 4,21 3,04 3,32 2,17 Hoch -/ Tiefbau

Page 160: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

9.2 Die Marktsituation 149

Bankrückzahlungsdauer = (Bankverbindlichkeiten – liquide Mittel)/korrigierter cash flow (9.6)

Tabelle 9.7 Klasseneinteilung zur Bewertung der Rohdaten

Klassen-einteilung

Größe

Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 Klasse 4 Klasse 5

UR 0,69 -1,33 -0,63 -0,63 0,06 0,06 0,75 0,75 1,45 1,45 2,15 Bewertung (Roh)

-2 -1 0 1 2

CFQ 0,60 3,76 4,36 4,36 4,96 4,96 5,57 5,57 6,17 6,17 6,78 Bewertung (Roh)

-2 -1 0 1 2

EKQ 2,54 6,11 8,65 8,65 11,20 11,20 13,74 13,74 16,29 16,29 18,84 Bewertung (Roh)

-2 -1 0 1 2

STD 1,92 6,19 8,11 8,11 10,03 10,03 11,95 11,95 13,87 13,87 15,79 Bewertung (Roh)

2 1 0 -1 -2

BKQ 5,32 41,88 47,2 47,2 52,52 52,52 57,84 57,84 63,16 63,16 68,48 Bewertung (Roh)

2 1 0 -1 -2

BKRD 1,51 2,44 3,95 3,95 5,47 5,47 6,98 6,98 8,54 8,50 10,02 Bewertung (Roh)

2 1 0 -1 -2

Abbildung 9.1 Visuelle Darstellung der Ergebnisse Branchenvergleich

In der Abbildung 9.1 stellt die vertikale Achse den Wert des Ratings dar und die horizontale Achse die Branchennummer. Wir halten positiv beeindruckt fest, dass wir – zumindest zum Zeitpunkt unserer Untersuchung – in der richtigen Branche arbeiten. Ich kann nicht einmal behaupten, dass ich das Ergebnis im

Page 161: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

150 9 Marketing Controlling

Sinne der Elektrotechnik beeinflusst habe. Die Branche, die am höchsten nach oben ausschlägt, liegt am Besten im Rennen. Das bedeutet, dass die Performanceindikatoren, die wir hier aus-schließlich nach finanziellen Gesichtspunkten aufgestellt haben, am besten sind. Um diesen Gedanken noch zu Ende zu bringen, wäre es abschließend sinnvoll, die Performan-ce unseres eigenen Betriebes mit dem in den oberen Tabellen bestimmten Mittelwert der Bran-che zu vergleichen und daraus Schlüsse und Entscheidungen abzuleiten. Man könnte auch darüber diskutieren, ob ausschließlich Vergangenheitswerte, wie hier die finanziellen Kennzah-len, zur Anwendung ausreichend sind oder eine vielleicht stärkere Konzentration auf Zu-kunftswerte zu legen ist. Hier könnten die Anteile der einzelnen Branchen am BIP, sowie die Veränderung des eigenen Anteils ein Indiz für eine attraktive Branche liefern. Diese Informationen können wir im Marketing Controlling für zwei wichtige Überlegungen nutzen: a) Befinde ich mich aktuell noch in der richtigen Branche und ist die wirtschaftliche Leistung

im Vergleich zu anderen Branchen besser oder schlechter? b) Wo liegen die Zielbranchen, die es sich zu bearbeiten lohnt und wo kann ich Prioritäten

nach Branchen bilden?

Tabelle 9. 8 Gewichtete Rohwerte und Summenbildung nach Branche

Bran-che/Leistungskriterium

Umsatz-rentabi-lität

Cash Flow Quote

Eigen-kapital-quote

Schul-den-tilgungs-dauer

Bank-kredit-quote

Kredit-rückzah-lungs-dauer

Summe

Nahrungs- und Genuss-mittel

-0,35 -0,25 -0,20 0,10 -0,20 0,00 -0,90

Textil, Be-kleidung, Leder

0,00 -0,25 0,10 0,00 -0,10 0,00 -0,25

Holz -0,70 -0,50 -0,10 -0,20 -0,20 -0,20 -1,90 Druck & Papier

0,00 0,50 -0,10 0,20 0,10 0,20 0,90

Chemie & Kunststoff

0,70 0,50 0,20 0,20 0,10 0,20 1,90

Glas, Kera-mik, Bau-stoffe

0,00 0,50 0,20 0,20 -0,10 0,10 0,90

Metall & Maschinen-bau

0,70 -0,50 0,10 0,20 0,10 0,20 0,80

Elektro/ -technik

0,70 0,50 0,20 0,20 0,20 0,20 2,00

Hoch -/ Tief-bau

0,35 -0,25 -0,10 0,10 0,20 0,20 0,50

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9.3 Innerbetriebliche Komponente 151

9.3 Innerbetriebliche Komponente In der Betriebswirtschaft ist es häufig wie in den Rechtswissenschaften. Fragt man drei ausge-wiesene Fachleute nach deren Meinung zu einem Problem bzw. Rechtsfall, so wird man vier verschiedene Meinungen hören. So ist es sicherlich auch mit dem Marketing-Controlling. Fragt man danach, wird man vielleicht das eine oder andere Mal eine auswendig gelernte Definition von einem der führenden Fachbücher erhalten. Entscheidend scheint mir dabei eine Definition, einen einfachen und allgemein verständlichen Erklärungsansatz für etwas zu finden, das in Betrieb A und in Betrieb B ganz unterschiedlich verstanden und bearbeitet wird. Entscheidend ist nicht, die praktischen Dinge nach Lehrbuch zu strukturieren, sondern die guten Ansätze, die zum Teil in der Literatur beschrieben sind, in die Praxis zu „übersetzten“. Marketing Control-ling befasst sich mit allen Kosten- und Ertragsaspekten, die innerhalb der Abteilung anfallen. Die folgende Abbildung kann ein Grundverständnis und einen Definitionsansatz liefern:

Abbildung 9.2 Verständnis des Marketing Controllings

Es geht also primär um das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Auf der linken Seite der Abbildung 9.2 stellen wir den Vertrieb als Teilorganisation des Marketings dar. Der Bruttoum-satz (bei direktem oder indirektem Vertrieb), eine Reduktion des Bruttoumsatzes durch die mit dem Kunden individuell vereinbarten Erlösschmälerungen (Soll-Ist-Differenzen sind zu prü-fen), als variable Kosten habe ich auf der linken Seite die Aufwendungen für Fracht, die Auf-wendungen für Gewährleistung, die variablen Entlohnungsanteile für Mitarbeiter im Innen-und Außendienst angesetzt. Als Ergebnis der linken Seite würde ich gerne den Deckungsbeitrag kalkulieren. Die rechte Seite stellt die Seite der Fixkosten dar. Durch eine Subtraktion des Ergebnisses der linken Seite (Deckungsbeitrag) von der rechten Seite (Fixkosten) werden wir unser Ziel, den Ertrag für das Marketing, errechnen können.

Marketing-Ergebnis

Marketing Deckungsbeitrag

Fixe Marketing- Aufwendungen

Bruttoumsatz pro Produktgruppe pro Produkt

pro Verkaufsregion

Erlösschmälerung pro PG pro Produkt

pro Verkaufsregion

MA Vertrieb Innen- und Außendienst MA Produktmanagement

MA Kommunikation MA Verkaufsförderung

Marketingleitung

Variable Aufwendungen Fracht, Gewährleistung u.a.

Page 163: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

152 9 Marketing Controlling

9.3.1 Das Organigramm der Marketing-Abteilung Um die oftmals graue Theorie wieder mit ein bisschen Leben zu füllen, werden wir uns auf den nächsten Seiten wieder mit einer Fallstudie beschäftigen. Wir untersuchen ein Unternehmen, das seinen Produktionsstandort in der Bundesrepublik Deutschland hat, 220 Mitarbeiter zählt und 28 Mitarbeiter im Marketing und Vertrieb beschäftigt sind. Das Unternehmen „Messi GmbH“ produziert im sächsischen Dresden Leuchten für Industrie, Gewerbe und kommunale und städtische Anwendungen. Der dynamische Geschäftsführer, Hans Sachs, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Aufwendungen seines Betriebes in allen Geschäftsbereichen näher zu untersuchen und die Erfolge beziehungsweise den Anteil der Bereiche und Abteilungen am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu vergleichen. Das Marketing ist traditionell ein Bereich, dessen Aufwendungen schwer bis gar nicht zu kontrollieren sind. Die Arbeit im Mar-keting Management ist vielfach äußerst kreativ. Gute und außergewöhnliche Arbeit lässt sich aber überprüfen, wenn man es möchte, es zulässt und Konsequenzen aus den erarbeiteten In-formationen zieht. Man spricht im Management häufig auch von lernenden Organisationen. Wie aber sollte ein Lernen möglich sein, wenn ich keine Daten, Zahlen, Fakten habe, mit de-nen ich lernen kann, mich zu verändern, mich zu verbessern? Dieses Kapitel soll auf gar keinen Fall mögliche Widerstände bei der Vertriebs- und Marketingleitung oder bei den Mitarbeitern verstärken, es soll vielmehr genau diese Widerstände minimieren. Wir möchten nicht den Ein-zelnen kontrollieren, sondern eine Hilfestellung und möglicherweise auch einen Denkansatz liefern, damit die Performance eines jeden Einzelnen in diesem System besser und somit auch der kumulierte Output größer wird. Um die Abkürzungen in der nachfolgenden Abbildung zu erläutern: KAM = Key Account Manager ADs =Außendienstmitarbeiter/Vertrieb IDs = Innendienstmitarbeiter/Vertrieb PM = Produktmanager, die hier auch das Preismanagement und die Marktsondierung managen.

Abbildung 9.3 Organigramm des Marketings

LeitungWerbung &

Kommunikation

Leitung Marketing Sekretariat

Leitung Vertrieb

Leitung Produkt-management

3 KAM 2 PM

9 ADs

6 IDs

4 Mitarbeiter

1 Auszu-bildender

Page 164: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

9.3 Innerbetriebliche Komponente 153

Die Abbildung 9.3 zeigt ein Organigramm, wie es in einer klein- und mittelständischen Unter-nehmung im Marketing zur Anwendung kommen kann. Im nachfolgenden schauen wir uns eine Fallstudie der Messi GmbH an, die ein vergleichbares Organigramm im Unternehmen aufgestellt hat.

9.3.2 Produktmanagement der Messi GmbH

Tabelle 9.9 Voraussichtliche Umsatzveränderung von 2009 bis 2014 nach Produkten

2009 (€) 2010 (€) 2011(€) 2012 (€) 2013 (€) 2014 (€) Produkt 1 16.254.000 13.230.000 11.787.930 8.936.997 7.332.223 5.072.173 Produkt 2 5.040.000 15.435.000 21.873.159 19.000.833 9.057.452 3.381.449 Produkt 3 8.106.000 3.969.000 2.139.291 5.090.203 21.996.670 30.010.359 Produkt 4 12.600.000 11.466.000 7.858.620 5.828.477 4.744.380 3.804.130 Summe: 42.000.000 44.100.000 43.659.000 38.856.510 43.130.726 42.268.112

Wie so häufig im Leben ist auch im Marketing Management die Frage, was zuerst war, das Huhn oder das Ei, eine elementare Grundlage für Analyse und Kalkulation. Wir befinden uns aktuell im Wirtschaftsjahr 2011. Die Tabelle 9.9 liefert zunächst einen Überblick, welche Pro-dukte sich in welcher Phase des Produkt-Lebenszyklus befinden. Erinnern wir uns an die Pha-sen des Produkt-Lebenszyklus, so fallen uns die folgenden fünf Phasen ein: � Einführungsphase � Wachstumsphase � Reifephase � Sättigungsphase � Degeneration In der nachfolgenden Abbildung sehen wir, dass die Produkt-Lebenszyklen der 4 Unternehmen der Messi GmbH zum einen unterschiedliche Länge und zum anderen „phasenversetzte Höhen und Tiefen“, bzw. phasenversetzte Produkt-Lebenszyklen haben.

Abbildung 9.4 Produkt-Lebenszyklen nach Produkt und Jahr

Page 165: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

154 9 Marketing Controlling

Abbildung 9.5Umsatzverteilung im aktuellen Wirtschaftsjahr 2011

Abbildung 9.6 Voraussichtlich eintretende Umsatzverteilung 2014 Um an dieser Stelle noch einmal auf die einleitende Frage zurück zu kommen, was zuerst war, das Huhn oder das Ei, werfen wir einen zweiten Blick auf die oben dargestellten Zusammen-hänge. Wir haben einen avisierten Umsatzverlauf unseres Unternehmens in einem hoch komp-lex und hoch dynamischen Markt dargestellt. Volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Faktoren haben wir im Rahmen der langjährigen Umsatzprognose berücksichtigt. Wir haben außerdem noch Kenntnis darüber, wie sich die Produkt-Lebenszyklen unserer Wettbewerber verhalten. Nun wird uns im weiteren Verlauf interessieren, wie wir mit zeitlich gezielten Mar-ketingmaßnahmen die Markt- und Umsatzveränderungen positiv für die Messi GmbH beeinf-lussen können. In der Abbildung 9.11 sehen wir, dass Produkt 2 aktuell einen Umsatzanteil von 50% vereint. Dies stellt ein hohes Risiko für Messi dar. Sollte sich Produkt zwei, zum Beispiel durch technische Innovationen, die nicht berücksichtig wurden, im Umsatzwert schnell nach unten bewegen, so würde dies eine lebensbedrohliche Situation für die Messi GmbH darstellen. Risikomanagement ist also im Idealfall nach drei Kriterien auszuwählen: � Risikostreuung durch multiple Länderbearbeitung � Risikostreuung durch multiple Branchenbearbeitung � Risikostreuung durch ein ausgeglichenes Produktportfolio (Umsatz) � Risikostreuung durch Reduktion einer Abhängigkeit von einem oder wenigen Kunden

Page 166: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

9.3 Innerbetriebliche Komponente 155

Schauen wir uns in den folgenden Darstellungen einmal an, wie ausgeglichen das Produktport-folio der Messi GmbH ist.

Tabelle 9.10 Marktanteile 2011

2011 Eigener Marktanteil Marktanteil stärkster Wettbewerber

Relativer Marktanteil

Produkt 1 0,32 0,26 1,23 Produkt 2 0,28 0,34 0,82 Produkt 3 0,05 0,21 0,24 Produkt 4 0,06 0,17 0,35

Nun wissen wir aus dem Literaturstudium, dass man zur besseren Visualisierung die Produkte in einem Produktportfolio darstellen kann. Es gibt unterschiedliche Portfolioansätze, die Vor- und Nachteile in der jeweiligen Anwendung haben. Die Boston Consulting Group hat ein Port-folio entwickelt, das zunächst bestechend einfach istund daher unser Favorit für eine Portfolio-darstellung sein soll. Wir haben hier den Vorteil, dass wir auf der X-Achse die Größe „relativer Marktanteil“ bilden und auf der Y-Achse die Größe Marktwachstum. Besonders bei KMU-Unternehmen kann sich häufig die Frage stellen, wie man den eigenen Marktanteil und den des größten Wettbewerbers erhalten kann. Ein Beispiel aus meiner beruflichen Vergangenheit: Ein Hersteller von Sonderfahrzeugen war daran interessiert, einen intensiveren Schritt im Bereich des Marketing Controllings zu gehen. Er hatte keine Ahnung von den Faktoren, die wir hier so „einfach“ in das Portfolio eintragen. Wenn es ein wirtschaftlich herausragendes Jahr war, gab es keine abschließenden Informationen, wie sich der Gesamtmarkt darstellt, oder gar der Marktanteil des größten Wettbewerbers. Hier würde die Möglichkeit bestehen, dass man ein neutrales Institut, eine neutrale Beratungsgesellschaft mit dem Thema der Analyse beauftragt. Die wichtigsten Unternehmen in der Branche sollten sich aus Eigeninteresse an dieser Analyse beteiligen, um die Erkenntnisse dann intern zu verarbeiten. Die Informationen werden allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Der betriebswirtschaftliche Nutzen ist weit größer als die Kosten, die sich auf die gesamten Teilnehmer aufteilen. Mit diesem Beispiel möchte ich ver-deutlichen, dass es in jedem Fall wichtig ist, Informationen über die eigene Leistung zu erhal-ten und diese mit den anderen Marktteilnehmern zu vergleichen.

Tabelle 9.11: Umsatz- und Kostensituation P1-P4

Umsatz (€) 2011

Netto-Preis (€)

Absatz (Stück)

Herstell-kosten (€)

Verw. & Vertrieb

Selbstkos-ten (€)

Produkt 1 11.787.930 173 68.138 4.361.534 4.884.918 9.246.452 Produkt 2 21.873.159 114 191.870 11.592.774 9.274.219 20.866.994 Produkt 3 2.139.291 210 10.187 663.180 1.657.951 2.321.131 Produkt 4 7.858.620 93 84.501 5.579.620 1.283.313 6.862.933

Tabelle 9.12: Deckungsbeitrag- und Gewinnsituation P1-P4

DB (%) Gewinn (%) Produkt 1 63% 22% Produkt 2 47% 5% Produkt 3 69% -9% Produkt 4 29% 13%

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156 9 Marketing Controlling

Bedenken Sie bitte, bei der Anwendung eines strategischen Werkzeuges, wie das BCG-Portfolio, dass es sich bei den Darstellungen in den Fachbüchern jeweils um Idealtypen han-delt. Es gibt weder eine Garantie noch eine idealtypische Handlungsanweisung, um die Pro-dukte in Richtung Stars oder Cash Cows zu bewegen. Der Faktor Marktwachstum kann also in einer prozentualen Steigerung zum Vorjahr in die Tabelle 9.10 eingestellt werden. Der relative Marktanteil ergibt sich aus einer Division des eigenen Marktanteils durch den Marktanteil des größten Wettbewerbers. Dies ist ein Vorteil gegenüber (nur) dem eigenen Marktanteil, da ich durch die Kennzahl „relativer Marktanteil“ auch Informationen über meine Situation mit dem stärksten Wettbewerber erhalte. Ist der rela-tive Marktanteil >1, so ist meine Marktstellung sehr komfortabel. Ich habe den größten Markt-anteil im betrachteten Marktsegment. Ist mein Marktanteil <1, so ist meine Stellung in diesem Marktsegment weniger komfortabel. Nicht jeder muss oder sollte Marktführerschaft anstreben, wir betrachten hier allerdings nur ein genau spezifiziertes Marktsegment, indem eine Marktfüh-rerschaft Signale für eine optimalere Kostensituation liefert.

Abbildung 9.7: Portfoliodarstellung der Messi GmbH für das Jahr 2011

Schauen wir uns zunächst die vier Felder des BCG-Portfolios näher an: Im Bereich der „Dogs“ hat die Messi GmbH kein Produkt. Hier ist ein niedriger relativer Marktanteil und ein niedriges Marktwachstum, bzw. eine Marktschrumpfung festzustellen. Das ist keine schlechte Aus-gangsbasis. Gehen wir mit der Produktlebenskurve, die hier noch einmal dargestellt ist, in den nächsten Quadranten, finden wir Produkt 3 und Produkt 4. Dies bedeutet zunächst einmal, dass wir uns in einem Marktumfeld befinden, welches dynamisch wächst (hoher Wert für Markt-wachstum, im Verhältnis zum Vorjahr), unser eigener Marktanteil im Verhältnis zu unserem stärksten Wettbewerber aber noch gering ist. Die Produkte in diesem Quadranten bezeichnet man als „Question Marks“, oder Fragezeichen, da man zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob es gelingt, den eigenen Marktanteil im Verhältnis zum stärksten Wettbewerber nachhaltig auszubauen. Würde dies gelingen, so kann man behaupten, dass das Marketing eine gute Arbeit geleistet hat, denn es gelingt in einem wettbewerbsintensiven Umfeld, meinen Marktanteil im

34

2

1

Stars

Cash Cows Dogs

Question Marks

Page 168: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

9.3 Innerbetriebliche Komponente 157

Verhältnis zu anderen Anbietern nachhaltig auszubauen. Der Kunde fragt mein Produkt, anstatt das der Wettbewerber nach. Gelingt eine Transformation zum „Star“, so habe ich einen hohen relativen Marktanteil und ein hohes Marktwachstum. Hier wird sich das Produkt in der Regel in der Reifephase befinden. Wir halten fest, dass die Messi GmbH hier kein Produkt im „Star“-Bereich platzieren konnte. In der Degenerationsphase eines Produkt-Lebenszyklus befindet sich das Produkt, vorausgesetzt wir haben immer noch einen hohen relativen Marktanteil, in der „Cash Cow“-Region. Wie die Namensgebung schon vermuten lässt, hat die Portfoliodars-tellung in einem zweiten und aufwendigeren Schritt auch etwas mit Deckungsbeiträgen pro Lebenszyklusperiode zu tun. Bislang haben wir die Darstellung in einer korrekten Art und Weise bearbeitet, nun stellt sich aber die Frage, ob meine „Theoretischen Cash Cows“ auch wirklich Cash im Unternehmen generieren. Um das zu analysieren, müssen wir tiefer in die Kostenrechnung und in Marketing Controlling einsteigen. Die beiden Faktoren, „der relative Marktanteil“ sowie das „Marktwachstum“, sagen bis zu diesem Punkt nichts über die Leistung der Produkte, bzw. die Verteilung am Cash Flow des Unternehmens aus. Versuchen wir uns doch einmal an einer Art Produkt-Lebenszyklusanalyse mit Hilfe der Abbildung 9.7. Produkt eins und Produkt vier scheinen in einer Degenerationsphase zu sein. Der Lebenszyklus von beiden Produkten scheint signifikant länger zu sein, als der von Produkt zwei. Produkt zwei wird mit einem relativ kurzen Produktlebenszyklus kalkuliert. Im aktuellen Wirtschaftsjahr (2011) befindet sich das Produkt in der Phase der Sättigung. 2011 macht der Umsatzanteil von Produkt zwei 50% des gesamten Umsatzes aus. Produkt drei hat „Start- oder Anlaufschwierig-keiten“. Die Umsätze der Wirtschaftsperioden 2009 und 2010 können aktuell nicht mehr reali-siert werden. Hier gibt es nun zwei grundlegende Möglichkeiten: a) Investment oder b) einen strategischen Rückzug aus dieser Aktivität.

Tabelle 9.11 Strategische Möglichkeiten für das aktuelle Produktportfolio

2011 Situation Produkt 1 Abschöpfungsstrategie

Deinvestment Ende des Produkt-Lebenszyklus

Produkt 2 Produktmodifikation Kommunikation

Sättigung der eigenen Marke, Intensivierung der Wett-bewerberangebote, Reduktion des Kundennutzens

Produkt 3 Intensives Investment, Produktmodifikation Preis, Kommunikation

Wettbewerber mit Mehrwert, Nutzen nicht ausreichend, keine Marktwahrnehmung

Produkt 4 Abschöpfungsstrategie Deinvestment

Ende des Produkt-Lebenszyklus

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158 9 Marketing Controlling

Abbildung 9.8 Portfolio mit der Darstellung von Marktwachstum und Gewinn pro Produkt für das Wirt-schaftsjahr 2011

Analog zur Tabelle 9.11 werden wir für das Produkt 1 im kommenden Wirtschaftsjahr (2012) keine weiteren Aktivitäten planen, da der Produktlebenszyklus dem Ende zugeht und wir hier zunächst eine Abschöpfungsstrategie wählen. Investitionen in diesen Bereich würden zu einer Reduktion von Cash Flow führen. Wir benötigen aber dringend Cash Flow, um Investitionen in neue Produktentwicklungen leisten und finanzieren zu können. Produkt 2 erhält eine Produktmodifikation. Bisher wurde die Leuchte mit einem konventionel-len Vorschaltgerät ausgestattet. Das Produktmanagement hat beschlossen, ein elektronisches Vorschaltgerät einzusetzen und den IP-Wert der Außenleuchte von bisher IP65 auf IP68 anzu-heben. Das Produktmanagement hat ein Zertifikat des TÜV-Rheinland erhalten, welches den hohen IP-Wert zertifiziert. Die Kommunikations- und Werbeabteilung nutzt diese Produktmo-difikation, um die Kommunikation des Produktes 2 neu zu gestalten. Der Kundennutzen wird kommuniziert, indem man auf das elektronische Vorschaltgerät (EVG), aber besonders auf die Reduktion der Sekundärkosten durch eine niedrigere Blindleistung, hinweist. Der International Protection Code, der allgemein mit IP angegeben wird, ist ein Maß für die Dichtigkeit der Leuchte oder des elektrischen Betriebsmittels allgemein. Ein höherer IP-Wert bedeutet für den Kunden eine meist uneingeschränkte Nutzung im Freien und eine Verminderung von Fremd-körpern, wie Staub oder Wasser, welche durch elektrischen Schluss das Betriebsmittel funkti-onsuntüchtig machen könnten. Der unmittelbare Kundennutzen liegt in einer sicheren Anwen-dung im Freien und in staubigen Räumen, eine Reduktion der Wartung, da keine Fliegen, Mü-cken oder andere Insekten die Leuchte verunreinigen können. Für den Kunden stellt die Produktmodifikation von P2 als solches bereits einen Naturalrabatt dar. Das Produktmanagement hat aber erkannt, dass es in den nächsten Zeiteinheiten sehr stark auf das Produkt 2 ankommen wird. Der Preis wird von 114,- € auf 111,- € reduziert. Hier müs-sen wir die Abbildung 9.7 mit unserem aktuellen Vorhaben der Produktentwicklung kombinie-ren. Das Produkt 2 befindet sich 2011 am oberen Punkt der Lebenszykluskurve. Es gibt keinen komfortableren Weg, als alle Mittel und Wegezu versuchen, um das aktuelle Umsatzniveau noch um einige Zeiteinheiten auszudehnen. Die Automobilindustrie hat diese Methode perfek-tioniert. Befindet sich ein Auto in diesem Stadium des Produktlebenszyklusses, werden Son-dermodelle ohne Aufpreis angeboten, die eine automatischen Klimaanlage, ein Glas-Hebe-

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9.3 Innerbetriebliche Komponente 159

Schubdach oder eine super Audioanlage haben. Dies stellt ebenfalls einen Naturalrabatt für den Konsumenten dar. Die Umsatzentwicklung wird beim Händler ähnlich sein wie bei dem Hers-teller. Infolge der Produktmodifikation gibt es also einen erhöhten Nutzen entlang der Supply Chain. In der Abbildung 9.9 habe ich die Beziehung noch einmal veranschaulicht. Wir versu-chen aktuell, die Bewegung entlang des Pfeiles zu erreichen und den Produktlebenszyklus um einige Zeiteinheiten zu verlängern. Wir kalkulieren Investitionskosten für das TÜV-Zertifikat und die geplanten Veränderungen in Höhe von 540.000 €. Die Herstellkosten reduzieren sich um 3%, da wir mit einer höheren Fertigungs- und Ausbringungsmenge rechnen. Die Verwal-tungs- und Vertriebsgemeinkosten bleiben konstant. Es wird davon ausgegangen, dass der Absatz um 8% zunimmt. Dann ergibt sich die Tabelle 9.12 als neue Ergebnistabelle für das Produkt P2.

Abbildung 9.9: Soll-Umsatz- und Absatzveränderung für P2

Tabelle 9.12: Umsatz- und Kostensituation P2 nach Produktmodifikation

Umsatz (€) 2011

Netto-Preis (€)

Absatz (Stück)

Herstellkosten (€)

Verw. & Ver-trieb

Selbstkosten (€)

P2 23.001.354 111 207.219 11.824.996 9.274.219 14.049.534

Tabelle 9.13: Deckungsbeitrag- und Gewinnsituation P2 nach Produktmodifikation

DB (%) Gewinn (%) P 2 49% 6%

9.3.3 Promotion der Messi GmbH Die Messi GmbH vertreibt ihre Produkte über den Elektrofachhandel. Hier gibt es grundsätz-lich zwei Alternativen der betrieblichen Promotion-Strategie. Entweder entscheide ich mich für die sogenannte Push-Strategie (Push kommt von der englischen Vokabel to push, drücken) und meint eine Strategie, die den Absatzmittler, den Handelsbetrieb, dazu bewegt, mehr Produkte nachzufragen. Oder ich arbeite an der sogenannten Pull-Strategie (to pull, ziehen), mit der ich meine Produkte aus dem Handelsbetrieb herausziehe. Für das Produkt zwei, eine Schutzrohr-leuchte mit unterschiedlichen Leuchtquellen, unterschiedlichen Leistungen und kundenspezifi-schen Längenvariationen, wird in erster Linie der industrielle Betrieb und der kommunale oder

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160 9 Marketing Controlling

städtische Betrieb angesprochen. Dies bedeutet, dass ich bei der Planung meiner Media-Ausgaben darauf achten muss, wer das Medium konsumiert. Ich möchte von Elektroinstalla-teuren wahrgenommen werden, die entweder Industrieelektrik oder Kommunalelektrik instal-lieren. Dies steht zunächst im Fokus der Analyse.

Tabelle 9.14: Entscheidungsplanung Mediaeinsatz P2, 2012

Zeit-schriften

Auflage Multip-likator Mehr-fachle-ser

Seiten-preis 4-farbig

Anteil Elekt-roin-stalla-teure

Anteil Kom-mune, Stadt

Quanti-tativer TKP

Quali-tativer TKP I

Quali-tativer TKP II

Der Elekt-romeister

58.000 2,0 2.360 80,00% 2,00% 20 25 1.017

Industrie & Handwerk

120.000 4,0 1.980 32,00% 1,40% 4 13 295

ELI & Technik

78.000 3,5 2.124 11,00% 9,50% 8 71 82

Automati-sation

142.300 4,2 2.451 7,00% 4,20% 4 59 98

Der Bür-germeister

1.200 3,7 980 5,00% 89,00% 221 4.414 248

In der Tabelle 9.14 sehen wir in der ersten Spalte die Auflage pro Zeitschrift. In der zweiten Spalte sehen wir den Multiplikator für die Mehrfachleser. Eine Zeitschrift hat in aller Regel im Betrieb einen Verteiler. Es kommt also zu Mehrfachlesungen. Personen, die die Zeitschrift konsumiert haben, bestätigen dies mit einem Kurzzeichen, und die Information geht weiter. Die Anzahl der Leser pro Zeitschrift weicht also von der Höhe der Auflage zum Teil erheblich ab. Dies gilt im Übrigen auch für ein Buch oder eine Tageszeitung.

Anzahl der Leser = Auflage * Multiplikator Mehrfachleser (9.7)

Der Seitenpreis ist in der folgenden Spalte eingetragen. Die Spalten, „Anteil Elektroinstallateu-re“ und „Anteil Kommune, Stadt“ geben den prozentualen Anteil unserer Kernzielgruppe an der Leserschaft der Zeitschrift an. Dann haben wir die Spalte „Quantitativer TKP“. TKP be-zieht sich auf Tausenderkontaktpreis. Um eine bessere Übersicht über die Aufwendungen zu haben, wird diese Kennzahl gebildet, um quantitative und qualitative Aussagen über die Auf-wendungen für 1.000 Kontakte zu erhalten. Diesen kann man mit der folgenden Formel be-rechnen:

Quantitativer Kontaktpreis = (Preis *1.000)/(Auflage * Multiplikator Mehrfachleser) (9.8) Qualitativer Kontaktpreis = (Preis *1.000)/(Leserschaft * Anteil der Zielgruppe) (9.9)

Nun suchen wir uns in der Tabelle 9.14 den Wert in der Spalte des Qualitativen Kontaktpreises aus, der am Kleinsten ist und haben unser Optimum für eine kosteneffiziente Promotion ermit-telt. Dies ist in unserem Fall für die Elektroinstallateure der Wert 13, den die Zeitschriften „Industrie & Handwerk“ und „Der Elektromeister“anbieten. Die Analyse unserer Mediadaten für den Bereich der Kommunen und der Städte zeigt, dass es hier doch relativ aufwendig scheint, Werbung zu platzieren. Wir tendieren für diese Zielgruppe also zu einem privaten Gespräch unseres Außendienstes und beschränken uns hier nur auf die Zielgruppe der Elektri-ker.

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9.3 Innerbetriebliche Komponente 161

Tabelle 9.15: Werbung & Kommunikation 2012, P2

Medium/ Aktion

Leser Erfolgsquote Akquise

Erfolgsquote Angebot

Faktura infolge Promotion

Industrie & Handwerk

3.264.000 4.896 3.036 1.153.498

Der Elektro-meister

334.080 501 281 106.600

Verkaufs-förderung

265 85 52 45.003

light & building

765 520 255 305.878

belektro 352 218 92 88.911

Abbildung 9.10 Prozessdarstellung für den Werbeprozess

Tabelle 9.15 ist also in Verbindung mit der Abbildung 9.10 zu lesen. In der Tabelle 9.15 haben wir Informationen über die Anzahl der Leser, bzw. über die Anzahl der Personen, die durch-schnittlich meine Veranstaltungen der Verkaufsaktion oder der Messe light & building oder belektro frequentieren. Hier habe ich naturgemäß wesentlich bessere Möglichkeiten, ein Ange-bot einzureichen und Erfolg mit meinem Angebot zu haben, als dies bei den Fachzeitschriften der Fall ist. Dies ist unter anderen Faktoren auf die persönliche Präsenz in allen drei Fällen zurück zu führen.

Tabelle 9.16: Erfolgskontrolle nach Promotionsart

Art der Promotion

Direkter Werbeauf-wand (€)

Faktura infolge Pro-motion (€)

Herstell-kosten (€)

Verwaltungs- u. Vertriebs-gemeinkosten (€)

Gewinn infolge Promotion (€)

Industrie & Handwerk

16.830 1.153.498 369.119 703.634 63.915

Der Elek-tromeister

22.059 106.600 34.112 65.026 - 14.597

Verkaufs-förderung

26.123 45.003 14.401 27.452 - 22.973

light & building

12.250 305.878 97.881 186.585 9.161

belektro 9.870 88.911 28.452 54.236 - 3.646

Akquise Werbung

Angebot Auftrag Faktura

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162 9 Marketing Controlling

Beginnen wir mit der Erklärung der Tabelle 9.16 bei Spalte 3, „Faktura infolge der Promo-tion“. Hier handelt es sich um Umsätze, die ich klar den jeweiligen Werbe- oder Verkaufsför-derungsmaßnahmen zuordnen kann. Bei Bestellungseingang für eine bestimmte Produktgruppe kann ich ziemlich exakt bestimmen, wie hoch meine Herstellkosten (Materialeinzel-, Material-gemein-, Fertigungseinzel-und Fertigungsgemeinkosten) im Verhältnis zum Auftragseingang sein werden. Die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten kann ich ebenfalls als Teil des Umsatzeinganges kalkulieren und avisieren. Im Beispiel der Messi GmbH habe ich die Hers-tellkosten mit 32% und die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten mit 61% des Auftrags-einganges angesetzt. Infolge von Vergangenheitswerten liegt eine gewisse Erfahrung für die Messi GmbH bereits vor. Daraus folgert, dass die Gewinnmarge 1-(0,32+0,61)� 0,07 oder 7% beträgt. Nun ist aber eine signifikante Veränderung der Situation eingetreten. In aller Regel werden die Aufwendungen für Werbemaßnahmen am Anfang eines Geschäftsjahres budgetiert und fließen automatisch in die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten ein. Hier haben wir diese Kostenart, die man als variable Promotionsaufwendungen bezeichnen kann, separat in der Spalte 2 eingestellt. Dies bedeutet aber auch, dass ich die variablen Promotionsaufwendun-gen direkt dem Kostenträger zurechnen kann und sollte. In der letzten Spalte erhalte ich eine Erfolgskontrolle und vergleiche meine Aktionen mit der erbrachten Leistung, dem Gewinn. Es ist zu erkennen, dass 2 von 5 Maßnahmen positiv performen. Industrie und Handwerk und die light & building erwirtschaften einen positiven Deckungsbeitrag. Nun hat sich in der üblichen betriebswirtschaftlichen Kommunikation auch der Ausdruck „Mischkostenrechnung“ einge-schlichen. Das geschulte Auge würde erkennen, dass die Summe der Deckungsbeiträge und damit auch die Summe meiner Werbeaufwendungen positiv ist. Dies reicht als Argument aber bei weitem nicht. Es geht nicht an, dass ich mit Aktion A die Aktion B subventioniere. Hier liegt die eigentliche Aufgabe des Marketing Controllings: negative Handlungen und Aktionen zu identifizieren und zu eliminieren, um die Produktivität der Top-Performer zu unterstützen und zu fördern. Streichen Sie also den Ausdruck „Mischkalkulation“ möglichst aus Ihrem betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch, denn ich kann mich im Betrieb nicht wirklich als „Kostenrechner des Jahres“ feiern lassen, wenn ich die gute Rendite einiger Produkte immer wieder mit einer Negativrendite von einigen anderen kompensieren muss. Mittel- und langfris-tig wird die Argumentation gegenüber den Anteilseignern schwierig.

9.3.4 Produkterweiterung der Messi GmbH Messi hat sich in der jungen Vergangenheit einen guten Namen durch innovative und robuste Produkte gemacht. Bei Projekten im kommunalen und städtischen Bereich vertraut man den Planungsspezialisten. Man hat eine gute Beziehungs- und Kontaktmatrix, von Planer und Architekten, Stadtplanern und Bürgermeistern. Nun beurteilt die Messi GmbH die Chancen in diesem Marktsegment weit größer, als die bisher realisierten Umsätze. Es erfolgt also eine strategische Überlegung, in welchen Bereichen Chancen des Marktes auf Stärken des Unter-nehmens treffen. Hier handelt es sich um eine erweiterte Aufgabe des Produktmanagements. Neue Wege erkennen und diese beschreiten, wenn es aus Renditeüberlegungen möglich und sinnvoll erscheint.

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9.3 Innerbetriebliche Komponente 163

Tabelle 9.17: Erfassung der Markteinschätzung der Messi GmbH

Produkt Umsatz-potential in Mio €

Wettbe-werbsin-tensität

Know How

Investiti-onsvolu-men

Beschaf-fungssitu-ation

Absatz-situation

Edelstahl-mülltonne

10,00 hoch gering gering sehr gut sehr gut

Straßen-leuchten

5,40 sehr hoch sehr hoch gering sehr gut sehr gut

Aktive Leit-einrichtun-gen

0,78 hoch gering hoch einge-schränkt

gut

Audio und Video für Großveran-staltungen

7,58 mittel sehr gering sehr hoch einge-schränkt

mittel

Einige Erklärungen und Anmerkungen zur Tabelle 9.17: Die Produktmanager der Messi GmbH machen sich also Gedanken, in welchem Bereich man sinnvoller Weise eine Produkterweite-rung durchführen könnte. Hier werden auch Bereiche besprochen, in denen man bislang nur ein relativ kleines Randgebiet vertreten hatte. Aktuell sind Edelstahlhalter und Befestigungen für die Leuchten im Produktsortiment. Es besteht eine gute Zusammenarbeit mit dem Hersteller, einer kleinen Unternehmung in Košice, der Ostslowakei. Dennoch hat man dort ein einge-schränktes Know How, da man die Kernkompetenzen auf dem Bereich der Elektrotechnik hat. Dennoch sieht man hier ein großes Potential, das auch mit geringem Investitionsvolumen zu realisieren sein könnte. Auf den Bereich der Straßenleuchten trifft man meist auf Messen. In diesem Bereich hat sich eine große Innovation durch den Einsatz von LED-Lichttechnik erge-ben. Ein großer Vorteil für die betreibenden Städte und Gemeinden liegt darin, dass die War-tungskosten durch die extreme Langlebigkeit der LED-Technik gering sind und die Aufwen-dungen für die elektrische Leistung aufgrund des geringen Bedarfs an elektrischer Leistung klein sind. Die grobe Vorstellung ist die, dass man den Generalvertrieb für ein kosten- und leistungsstarkes Unternehmen im Ausland übernehmen möchte und unter Umständen in Deutschland kundenspezifische Montagen und Einstellungen vornehmen möchte. Die Investi-tionskosten sind also gering. Das Know How wird als sehr hoch eingestuft, denn die Berater im Vertriebsaußendienst, selbst alle Elektrotechniker, sind die Experten auf dem Gebiet und kön-nen den Kunden somit sehr gut beraten. Mit dem dritten Produkt, den aktiven Leiteinrichtun-gen, sind solche Produkte gemeint, die in aller Regel als aktive Illuminatoren in Tunneln einge-setzt werden. Die Gemeinden verbauen gerne, besonders im Herbst, an Kreisverkehren oder Fußgängerüberwegen diese aktive Leuchte. Das Umsatzpotential wird allerdings als gering eingeschätzt, und der Wettbewerb ist recht intensiv, auch wenn es nur wenige namenhafte Anbieter gibt. Das Know How auf diesem Gebiet wird als gering eingestuft, da es sich um eine spezielle Anwendung handelt. Der letzte Punkt, die Audio- und Videogeräte für Großveranstal-tungen hat seit der Fußballeuropameisterschaft 2008 das Interesse der Messi GmbH geweckt. Derzeit gibt es nur wenige Unternehmen, die sich in diesem Geschäftsfeld betätigen. Das In-vestitionsvolumen wird als groß bis sehr groß eingeschätzt und wir beurteilen das Know How als sehr gering. Nun erhalten wir in der Tabelle 9.17 eine Kombination aus Zahlen, Daten und Fakten, die wir zu strukturieren und zu bewerten haben.

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164 9 Marketing Controlling

Tabelle 9.18: Bewertungsmatrix Produktentwicklung

Umsatz 0-1.000.0000 1.000.001-3.000.000

3.000.001-5.000.000

5.000.001-8.000.000

8.000.001-11.000.000

Punkte -4 -2 0 2 4 Wettbewerbs-intensität

sehr hoch hoch mittel gering sehr gering

Punkte -4 -2 0 2 4 Know How sehr gering gering mittel hoch sehr hoch Punkte -4 -2 0 2 4 Investitions-volumen

sehr hoch hoch mittel gering sehr gering

Punkte -4 -2 0 2 4 Beschaffung sehr einge-

schränkt eingeschränkt mittel gut sehr gut

Punkte -4 -2 0 2 4 Absatz sehr schlecht schlecht mittel gut sehr gut Punkte -4 -2 0 2 4

In der Tabelle 9.15 habe ich die Umsatzwerte in Klassen eingeteilt und entsprechende Punk-teoder Bewertungen für die einzelnen Umsatzklassen vergeben. In den folgenden Bewertungen habe ich die verbalen Formulierungen ebenfalls in eine 5-Stufen-Skala eingebaut. Die Tabelle 9.21 ergibt sich aus einer Multiplikation der Dateninhalte aus Tabelle 9.19 und 9.20.

Tabelle 9.19 Transformationsmatrix Produktentwicklung

Produkt Umsatz-potential

Wettbe-werbsintensität

Know How

Investitions-volumen

Beschaf-fungssitu-ation

Absatz-situation

Edelstahl-mülltonne

4 -2 -2 2 4 4

Straßen-leuchten

2 -4 4 2 4 4

aktive Leitein-richtungen

-4 -2 -2 -2 -2 2

Audio und Video für Großveran-staltungen

2 - -4 -4 -2 -

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9.3 Innerbetriebliche Komponente 165

Tabelle 9.20 Gewichtung der Faktoren bei der Produktentwicklung Produkt Umsatz-

potential Wettbe-be-werbsin-tensität

Know How

Investi-tionsvo-lumen

Beschaf-fungs-situation

Absatz-situation

��

Edelstahl-mülltonne

0,40 0,10 0,20 0,10 0,10 0,10 1,00

Straßen-leuchten

0,40 0,10 0,20 0,10 0,10 0,10 1,00

Aktive Leit-einrichtungen

0,40 0,10 0,20 0,10 0,10 0,10 1,00

Audio und Video für Großveran-staltungen

0,40 0,10 0,20 0,10 0,10 0,10 1,00

Tabelle 9.21 Ergebnismatrix der Produktentwicklung

Produkt Umsatz-potenti-al

Wettbe-be-werbsin-tensität

Know How

Investi-tionsvo-lumen

Beschaf-fungssi-tuation

Absatz-situation

��

Edelstahl-mülltonne

1,60 -0,20 -0,40 0,20 0,40 0,40 2,00

Straßen-leuchten

0,80 -0,40 0,80 0,20 0,40 0,40 2,20

aktive Leit-einrichtungen

-1,60 -0,20 -0,40 -0,20 -0,20 0,20 - 2,40

Audio und Video für Großveranstaltungen

0,80 - -0,80 -0,40 -0,20 - - 0,60

9.3.5 Der Vertrieb als Profit Center Organisation Die Frage einer gerechten Entlohnung für den Vertrieb beschäftigt uns schon so lange, wie es den Vertrieb gibt. Beide Themen, Vertriebsentlohnung und Kosten- und Ergebnisrechnung nach Verkaufsgebiet sind eng miteinander verknüpft. Häufig treffen wir beim Kunden auf Situationen, bei denen der Vertriebsmitarbeiter am Umsatz beteiligt ist. Dass aber der Umsatz nicht die entscheidende Größe auf dem Weg zur unternehmerischen Glückseligkeit ist, wissen wir bereits. Wir sollten uns also mit wirtschaftlichen Größen und Kennzahlen beschäftigen, die sinnvoller in der Anwendung und für jeden Beteiligten leicht verständlich und nachvollziehbar sind. In der Tabelle 9.19 haben wir die Umsätze pro Außendienstmitarbeiter nach Produktum-satz aufgelistet. Es wird auch ersichtlich, dass ein Key Account Manager zu einem bestimmten Zeitpunkt der Betrachtung nicht notwendigerweise mehr Umsatz bringt als ein Kollege im Vertriebsaußendienst. Wichtig ist aber die Potentialunterscheidung. Während das Potential des Vertriebsaußendienstes ausgeschöpft sein sollte, ist das Umsatzpotential des Key Account Managers noch entwicklungsfähig.

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166 9 Marketing Controlling

Tabelle 9.22 Umsatzstrukturanalyse nach KAM und ADM

AD Umsatz davon P1 % (€)

davon P2 davon P3 davon P4

KAM 1 3.296.175 0,06 765.450 0,05 1.150.068 0,07 139.823 0,16 1.240.835 KAM 2 4.159.312 0,10 1.224.720 0,07 1.686.766 0,00 6.991 0,16 1.240.835 KAM 3 3.385.063 0,14 1.683.990 0,04 920.054 0,07 146.814 0,08 634.204 AD 1 2.251.373 0,04 420.998 0,02 536.698 0,15 328.584 0,12 965.094 AD 2 3.708.485 0,13 1.492.628 0,06 1.380.081 0,06 118.850 0,09 716.927 AD 3 4.456.645 0,04 497.543 0,14 3.143.518 0,07 153.805 0,08 661.779 AD 4 3.682.954 0,18 2.066.715 0,04 843.383 0,03 55.929 0,09 716.927 AD 5 4.598.889 0,06 688.905 0,16 3.603.545 0,10 223.717 0,01 82.722 AD 6 3.974.048 0,04 459.270 0,12 2.760.162 0,11 230.708 0,07 523.908 AD 7 4.322.078 0,03 344.453 0,15 3.450.203 0,12 251.681 0,04 275.741 AD 8 2.368.640 0,04 420.998 0,05 1.073.397 0,19 405.487 0,06 468.760 AD 9 4.583.532 0,15 1.722.263 0,11 2.453.478 0,04 76.903 0,04 330.889 Summe 44.787.195 1,00 11.787.930 1,00 23.001.354 1,00 2.139.291 1,00 7.858.620

Tabelle 9.23 Kostenstrukturanalyse nach Verkaufsgebiet und Produkt

AD Umsatz Herstellkosten Verwaltung/Vertrieb Promotion KAM 1 3.296.175 1.798.804 1.082.098 9.800 KAM 2 4.159.312 2.203.473 1.383.669 12.000 KAM 3 3.385.063 1.591.874 1.270.402 15.744 AD 1 2.251.373 1.218.763 771.109 32.000 AD 2 3.708.485 1.807.633 1.359.168 25.000 AD 3 4.456.645 2.317.716 1.688.922 12.000 AD 4 3.682.954 1.724.624 1.340.903 16.000 AD 5 4.598.889 2.235.563 1.907.526 17.800 AD 6 3.974.048 2.032.423 1.698.097 4.580 AD 7 4.322.078 2.174.994 1.897.953 11.100 AD 8 2.368.640 1.166.122 998.055 - AD 9 4.583.532 2.157.341 1.803.605 12.870 Summe 44.787.195 22.429.330 17.201.507 168.894

Mit der Analyse der Tabelle 9.24 habe ich eine Aussage über die Umsätze, die Umsatzstruktur nach Produktgruppe und Produkt, die Deckungsbeiträge und die Gewinne pro Verkaufsgebiet. Welche Größe ist nun sinnvoller Weise als Basis für einen variablen Entlohnungsansatz zu bestimmen? Der Deckungsbeitrag hat gegenüber der Umsatzbeteiligung schon etwas mehr Charme. Der Gewinn ist eine entscheidendere Größe, zumindest kann und sollte ich vertriebso-rientierte Kosten auf Basis DB II den einzelnen Gebieten zuordnen. Wie sieht es aber mit einer Kennzahlenbildung auf Basis der Umsatzrentabilität aus. Wir wissen aus den Fachbüchern, dass die Umsatzrentabilität in der Regel Gewinn/Umsatz ist. Sollte es hier nicht möglich und sinnvoll sein, eine Umsatzrentabilität nach DB I und DB II zu bilden, umden Vertrieb entspre-chend zu benchmarken und zu entlohnen?In der letzten Zeile der Tabelle 9.24 sehen wir die durchschnittliche Umsatzrentabilität mit einem Wert von 11,14 angegeben. Der Außendienst-kollege 7 liegt mit einem Wert von 5,51 wesentlich unter dem Durchschnitt. Außendienst 4 liegt mit stolzen 16,33% wesentlich über dem Durchschnitt. Der Grund dafür kann auch wieder vielfältig analysiert werden. Es gibt Verkäufer, die eine Affinität bezüglich einem Produkt oder einer Produktgruppe haben und dieses einfach besser vermarkten und verkaufen können als die

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9.3 Innerbetriebliche Komponente 167

anderen Produkte im Portfolio. Es gibt Fälle, bei denen die Konzentration auf gewinnbringende Produkte oder Cross Selling-Potentiale unterbleiben. Oder aber, und dies könnte sicherlich auch der Fall sein, die wirtschaftliche Struktur in einigen Regionen ist signifikant unterschied-lich zum Bundesdurchschnitt.

Tabelle 9.24 Deckungsbeitrag, Gewinn und Umsatzrentabilität nach Verkaufsgebiet

AD DB Gewinn Umsatzrentabilität KAM 1 1.497.371 405.473 12,30% KAM 2 1.955.839 560.170 13,47% KAM 3 1.793.189 507.043 14,98% AD 1 1.032.610 229.502 10,19% AD 2 1.900.852 516.684 13,93% AD 3 2.138.929 438.007 9,83% AD 4 1.958.330 601.427 16,33% AD 5 2.363.327 438.001 9,52% AD 6 1.941.625 238.948 6,01% AD 7 2.147.084 238.031 5,51% AD 8 1.202.518 204.463 8,63% AD 9 2.426.191 609.716 13,30% Summe 22.357.865 4.987.464 11,14%

Dies würde es im Einzelfall zu analysieren gelten. Die Kennzahl Umsatzrentabilität nach DB II gefällt mir in diesem Zusammenhang recht gut und sollte als Anwendung innerbetrieblich diskutiert werden. In einer Spalte der Tabelle 9.24 haben wir auch die Aufwendungen für Promotion hinzugerechnet. Diese sind, wie bereits erwähnt, in der Regel in dem Kostenblock „Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten“ bereits integriert. Wir haben diese hier als separate Kostenstruktur aufgelistet, um zu demonstrieren, dass es (in letzter Instanz) in dem Verantwor-tungsbereich des Vertriebsmitarbeiters liegt, diese Kosten auch am Markt zu verkaufen. Kata-loge, Werbematerialien und Verkaufsförderungsaktionen können kostenfrei dem Kunden über-lassen werden, müssen es aber nicht. Zur Sensibilisierung: Mit einer Verrechnung dieser Auf-wendungen sinkt die Summe der Kosten, mit denen das Ergebnis des Verkaufsgebietes errech-net wird. Mit einer Reduktion der Kosten steigt die Umsatzrentabilität (nach DB II oder DB III) und damit auch der variable Entlohnungsanteil.

Tabelle 9.25 Gewinn- und Verlustkonto der Messi GmbH

Gewinn- und Verlustkonto der Messi GmbH Aufwendungen Erträge Rohstoffe 17.914.878 € Umsatz P1 11.787.930 € Abschreibung 7.775.253 € Umsatz P2 23.001.354 € Hilfs- und Betriebsstoffe 320.000 € Umsatz P3 2.139.291 € Löhne und Gehälter 13.613.600 € Umsatz P4 7.858.620 € kalkulatorische Miete 144.000,00 € Sonstige: Büromaterial 32.000,00 € Betriebssteuern - €

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168 9 Marketing Controlling

Tabelle 9.26 Bilanz der Messi GmbH

Bilanz der Messi GmbH Aktiva Passiva Anlagevermögen Eigenkapital 62.358.701 € Grundstück 11.196.364 € Gebäude 82.106.672 € Maschinen 62.202.024 € Fremdkapital sonstige Produktions-ausstattung

11.250 € Sparkasse 22.718.225 €

Umlaufvermögen Raiffeisen 69.142.425 € Rohmaterial 2.221.445 € Verbindlichkeiten a.L.L 6.914.242 € sonstiges 143.319 € Forderungen a.L.L. 3.252.520 € Summe: 161.133.594 € Summe: 161.133.594 €

9.4 Aufgaben 1. Kalkulieren Sie bitte in der nachfolgenden Tabelle den Break-Even-Punkt des Umsatzwer-

tes, den meine Werbeaktion erreichen muss, um die Gewinnschwelle zu erreichen. Die Ge-winnmarge soll 7% betragen.

Tabelle 9.27: Break-Even-Point der Werbung

Art der Promotion Direkter Werbeaufwand Faktura infolge Promotion Industrie & Handwerk 16.830 Der Elektromeister 22.059 Verkaufsförderung 26.123 light & building 12.250 belektro 9.870

2. Kalkulieren Sie bitte mit Hilfe der Tabellen 9.25 und 9.26 die folgenden Benchmarkgrö-ßen, die wir zu Beginn des Kapitels mit unterschiedlichen Branchen kalkuliert haben, und vergleichen Sie die Werte der Messi GmbH mit der Branche (Elektrotechnik) der Tabellen 9.1 bis einschließlich 9.6. a. Die Umsatzrentabilität b. Die Cash Flow Quote, wenn der kalkulatorische Unternehmerlohn 321.870 € beträgt. c. Die Eigenkapitalquote d. Die Schuldentilgungsrate, wenn die liquiden Mittel 1.341.245 € betragen. e. Die Bankkreditquote f. Die Bankrückzahlungsdauer bei o.g. liquiden Mitteln.

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10 Fallstudiensammlung

10.1 Kaffeevollautomaten in Deutschland 10.1.1 Der Markt Als Vorbemerkung sei erwähnt, dass die hier gewählten Daten, Zahlen und Fakten aus der realen Marktforschung entstanden sind. Es handelt sich lediglich um eine Fallstudie. Der Markt für Kaffeevollautomaten ist nach einer neuen Studie der CC-Marktforschungs-gesellschaft seit dem 4. Quartal 2008 stark steigend. Trotz allgemeinem Konjunktureinbruch ist mit einer weiteren Steigerung der Nachfrage und des Absatzes zu rechnen. Der Gesamtumsatz an Kaffeevollautomaten lag im Jahr 2008 bei 310 Mio. €. Der Durchschnittspreis für einen Vollautomaten lag bei 593,- €. Daraus errechnet sich der Gesamtabsatz im Jahr 2008 von 522.766 Einheiten.

Tabelle 10.1: Umsatzwerte Kaffeevollautomaten der Vergangenheit

Jahr 2007 2008 2009 2010 Umsatz in € 215.890.000 243.256.000 267.240.000 310.000.000

Die Vertriebsstruktur ist recht vielfältig und reicht vom Elektrofachhandel über Warenhäuser bis hin zum Direktvertrieb.

Tabelle 10.2: Marktanteil in Prozent, Anzahl der Betriebe geschätzte Werte

Art der Anbieter/Handel Distributionskanal

Marktanteil in % Anzahl der Betriebe in Deutschland

1. Elektro – CE-Fachhandel 31,00 12.873 2. Konzernfilialen 21,80 953 3. Warenhäuser 4,50 1.201 4. Versender 7,80 403 5. SB, C&C, Baumärkte 20,30 1.279 6. Discounter 10,80 8.544 7. Direktvertrieb 3,80 320

Tabelle 10.3: Einkaufsgewohnheiten der Zielgruppen nach Absatzkanal in Prozent von der Gesamtmenge der Zielgruppe

Distributionskanal Art des Haushaltes/ Zielgruppe

1 2 3 4 5 6 7

Doppeltes Einkommen, keine Kinder

89% 0 7% 0 0 0 4%

Singles 0 0 6% 0 73% 11% 10% Paare mit einem Ein-kommen

75% 0% 15% 0 5% 5% 0%

Familien mit einem oder mehreren Kindern

65% 5% 10% 5% 10% 5% 0%

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_10,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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170 10 Fallstudiensammlung

10.1.2 Die Produkt- und Preissituation am Markt Tabelle 10.4 Preismatrix

Anbieter Preis in EUR/Stück Juro 806,00 De`Fonghi 652,00 Saeci 830,00 Vivo 581,00

Die CC-Marktforschungsgesellschaft hat herausgefunden, dass die Werte in der folgenden Tabelle einen repräsentativem Schnitt der Kundenanforderungen an Vollautomaten entspricht. 10 entspricht einem Skalenhöchstwert von sehr gut; 0 entspricht einem Skalenniedrigwert von sehr schlecht.

Tabelle 10.5 Produktleistungsfaktoren

Anbieter Design Geschwindigkeit Laut-

stärke Funktio-nalität

Händler-netz

After Sales

Juro 7 6 3 9 6 8 De’Fonghi 8 7 4 9 7 5 Saeci 9 10 3 9 10 8 Vivo 9 10 7 9 3 4

Das Design wird bestimmt durch Farbe und Formgebung. Die Geschwindigkeit wird ermittelt durch die Geschwindigkeit in Sekunden bis zur Espressozubereitung. Die Lautstärke, das größ-te Defizit der Vollautomaten: Durch das frische Mahlen der Kaffeebohnen entsteht ein unange-nehmes lautes Geräusch. Das kann in db gemessen werden. Durch die hohe Mahlfrequenz ist das menschliche Ohr zunächst ein wenig „verunsichert“. Die Funktionalität ergibt sich aus der Möglichkeit der Zubereitung von verschiedenen Getränken

10.1.3 Aufgaben 1. Erstellen Sie anhand der o.g. Umsatzwerte für die Vergangenheitsperioden eine Absatz-

prognose für die nächsten drei Jahre (2012 2013, 2014) Die Kalkulation muss nachvoll-ziehbar und begründet sein.

2. Ihre Zielgruppenorientierung liegt im Bereich der Haushalte mit doppeltem Einkommen und keinen Kindern (hohe Liquidität). Erläutern Sie in diesem Zusammenhang den Distri-butionsgrad und diskutieren Sie, wie Sie den Distributionsgrad für Ihre Zielgruppe erhöhen können.

3. Als Neuanbieter am bundesdeutschen Markt sind Sie dabei, eine Marketingstrategie für Ihr Produkt zu entwerfen. Ihr Produkt soll unter dem Markennamen Vivo eingeführt werden. Sie haben die Aufgabe der Geschäftsführung erhalten, in einer Portfoliodarstellung die größten Wettbewerber am Markt und Ihr Produktangebot gegenüber zu stellen. Vergleichen Sie hierzu bitte die Angaben in den Tabellen 10.4 und 10.5. a. Diskutieren Sie eine Gewichtung der unterschiedlichen Produktleistungsfaktoren (ent-

weder in Prozentwerten oder als Dezimalwerte, Summe der jeweiligen Zeile=1). b. Multiplizieren Sie die Gewichtungsfaktoren mit den absoluten Werten und bilden Sie

die Summenwerte pro Zeile als Produktleistungsindikator.

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10.2 Prosecco in Dosen 171

c. Tragen Sie Ihre Tabellenwerte Preis und Produktleistungsindikatoren in eine Matrix ein (maßstabsgetreue Skizze).

d. Definieren Sie die Erfolgsaussichten der neuen Marke vivo mit den angegebenen In-formationen.

e. Welche Produkteigenschaften definieren Sie bei vivo als herausragend und wie kom-munizieren Sie dies Ihren Handelsbetrieben und dem Endkunden? Sie haben ein neuar-tiges, leises Verfahren entwickelt, die Kaffeebohnen nicht geräuschsintensiv zu mahlen, sondern unter Hochdruck zu zerstampfen

10.2 Prosecco in Dosen

10.2.1 Die Ausgangslage Sie erhalten als neuer Leiter für Marketing Management des jungen Unternehmens liquid jump den Auftrag, die Markteinführung eines neuen Produktes zu begleiten. Die Einführungswahrscheinlichkeit des neuen potentiellen Produktes hängt von Ihrer Darstel-lung a) der Marktsituation mit Ihrer Einschätzung der weiteren Entwicklung und damit b) von Ihrem Business Plan ab. Ihr neues Produkt soll in den Bereich alkoholische Erfrischungsge-tränke platziert werden. Es handelt sich um ein Prosecco-Aperol-Plus X-Getränk, welches in kleinen Weißblechdosen von 200ml Inhalt angeboten werden soll. Sie befinden sich in der folgenden Ausgangssituation (Quelle: Industrieinfosysteme, WKO 2007): Der Gesamtmarkt für Lebensmittel in Österreich ist mit 6,5 Mrd. € angegeben. Das Exportvolumen beläuft sich auf 4,1, das Importvolumen auf 3,3 Mrd. €. Die Verteilung auf die einzelnen Branchen ist wie folgt:

Abbildung 10.1: Verteilung des Umsatzvolumens

In der nachfolgenden Fallstudie legen wir das Hauptaugenmerk auf die folgenden Marken für alkoholische (nicht Bier oder bierähnliche) Erfrischungsgetränke: Die folgende Tabelle zeigt die aktuelle Verteilung in dem Marktsegment „alkoholische Erfri-schungsgetränke“

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172 10 Fallstudiensammlung

Tabelle 10.6: Umsatzanteile alkoholische Getränke

Marke/Produkt Ca. Umsatzanteil von Gesamt (alkoholische Erfrischungsgetränke)

Prosecco 35,00 % Sekt 5,00% Champagner 3,00% Campari Soda/Orange 22,40% Wodka Lemon/Orange 4,30% Aperol 25,00% Barcadi Lemon 5,30%

Mit Ihrem neuen Produkt “fischen” Sie nach Konsumenten, die aktuell die Produkte Prosecco, Sekt und Aperol nachfragen. Hier kommen Sie also bereits auf 65% des zu erwartenden Mark-tes. Die Republik Österreich wird Ihr primärer Absatzmarkt (Quelle: Der Fischer Weltalma-nach, 2007) sein.

Tabelle 10.7: Einwohner- und Flächenverteilung nach Bundesland der Republik Österreich

Bundesland Fläche in km2 Einwohner Burgenland 3.966 278.215 Kärnten 9.536 559.891 Niederösterreich 19.178 1.569.596 Oberösterreich 11.982 1.396.228 Salzburg 7.154 526.017 Steiermark 16.392 1.197.527 Tirol 12.648 691.783 Voralberg 2.601 360.827 Wien 415 1.626.440

10.2.2 Marktforschung Ihre Unternehmung hat eine „Nullserie“ als unverkäufliches Testmuster aufgelegt, um bei den einschlägig bekannten Lokalen ein Geschmacksmuster anzubieten. Ihre Zielgruppe, trendige Zwanziger ohne Kinder mit gehobenen Einkommen und mindestens mittlerer Bildung, sowie vor allem reifere Damen, werden bezüglich des Geschmacks und der Wiederkaufmöglichkeit befragt. Ihr Getränk wird eiskalt direkt aus der Dose konsumiert. Die Resonanz ist durchweg positiv. Eine Marktpreisforschung hat einen Zielpreis zwischen 2,80 und 3,20 ergeben (End-kundenpreis). Sie rechnen damit, dass Ihr Unternehmen 5% des kalkulierten Gesamtmarktes im ersten Geschäftsjahr erreichen kann.

10.2.3 Ihr Unternehmen - Ihr Produkt Sie sind als KMU-Betrieb „liquid jump“ bereits im Markt für qualitativ hochwertige Produkte bekannt. Sie beziehen Prosecco und Aperol von Ihrem Partnerunternehmen „italo star“ in der Toskana. Sie haben auf diese Produkte die Generalvertriebsrechte in Österreich erworben. In Ihrem Unternehmen, im Salzburger Land, in der Nähe vom Wallersee, kommen die Grundstof-fe des Herstellers an und werden bei Ihnen im entsprechenden Mischungsverhältnis zusammen gebracht und entsprechend verpackt. Ihre Kostensituation wird in der folgenden Tabelle wie-dergegeben:

Page 184: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

10.2 Prosecco in Dosen 173

Tabelle 10.7: Materialaufwendungen

Kostenart: Kostenhöhe € Materialkosten (Rohprodukt a) pro VK Einheit 0,53 Materialkosten (Rohprodukt b) pro VK Einheit 0,25 Materialkosten Weißblech pro VK Einheit 0,05

Die Produktions- bzw. Fertigungskosten sind etwas „vielschichtiger“. Sie haben ein Angebot für eine vollautomatische Abfüll- und Etikettiermaschine vorliegen. Diese Maschine kann zu einem Preis von 12.370,- EUR pro Monat und pro Maschine geleast werde. Service und War-tung ist im Preis enthalten. Service und Wartung erfolgt an arbeitsfreien Tagen. Die durch-schnittliche Durchlaufzeit eines Produktes liegt bei 12 Sekunden. An dieser Anlage stehen Ihnen je Schicht 3 Mitarbeiter zur Verfügung. Sie dürfen 3 Schichten arbeiten, falls dies auf-grund der Nachfrage notwendig sein sollte. Die Aufwendungen für Lohn und Gehalt (Produk-tion) belaufen sich auf 3.360,- EUR pro Monat inklusive Arbeitgeberaufwendungen für Lohn und Gehalt. Die Löhne und Gehälter werden an 13 Monaten ausgezahlt. Sollten es Ihre Nach-frageplanung, Ihr Business Plan erforderlich machen, dürfen Sie bis zu 5 Maschinen einsetzen. Pro Maschine ist die Mindestbesatzung 2 Mitarbeiter; d.h. Maschine 1 � 3 MA, 2...5� 2 MA. Es ist davon auszugehen, dass Sie die Maschinen max. 80% der gesamt möglichen Kapazität belasten können. Es werden 220 Arbeitstage angesetzt. Die Lohnaufwendungen sind als mittle-rer Wert (Früh-, Spät- und Nachschicht) angegeben. Pro Bundesland wird ein Außendienstmitarbeiter notwendig sein. Die Aufwendungen belaufen sich auf:

Tabelle 10.8: Aufwendungen für Vertriebsmitarbeiter im Außendienst

Kostenart Aufwendungen in EUR Automobil Leasing Mittelklasse All In 450,00 Telefon 200,00 Laptop 100,00 Fixe Gehaltsaufwendungen inkl. Sozialaufwendungen AG 2.500,00 Variable Gehaltsaufwendungen Umsatz pro Außendienst 1,5% v

Für Mitarbeiter und Gebäude fallen weitere Aufwendungen in der Summe von 512.000 € an. Die Kosten für Werbung/Promotion stellen sich wie folgt dar:

Tabelle 10.9: Aufwendungen für verschiedene Werbearten

Werbeart/Promotion Aufwendungen in EUR POS Werbeplakat pro Einheit 39,00 POS Video pro Monat und Einheit 265,00 Zeitschrift „Modere Dame“ ½-seitig vollfarbig, pro Schaltung 785,00 Zeitschrift „Modere Dame“ 1-seitig vollfarbig, pro Schaltung 1.390,00 Verkaufsförderung pro Tag 350,00 Probeeinheiten pro Einheit 0,42 Ö3 Werbung EUR/10 sec. 980,00

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174 10 Fallstudiensammlung

10.2.4 Preis/Place Sie vertreiben über: a) ausgewählten Lebensmitteleinzelhandel (Billa, Spar) � Rabatt: 40% 1.200 Geschäfte b) Getränkefachmärkte � Rabatt: 30%, 78 Geschäfte c) Direktabnehmer/Wiederverkäufer � Rabatt 40%� 2.654 Bars, Cafés d) Cash & Carry Märkte � Rabatt 50% � 36 Märkte

Tabelle 10.10:Absatzpotential pro Vertriebsweg

Absatz (direkt/indirekt) Absatzpotential pro Vertriebsweg Lebensmitteleinzelhandel 18,80% Getränkefachmarkt 3,80% Direktabnehmer/Wiederverkäufer 45,75% Cash & Carry 31,65% Summe: 100,00%

10.2.5 Aufgaben 1. Kalkulieren Sie den Gesamtmarkt, Marktpotential, das avisierte Absatzpotential (Ihr eigent-

licher Kernmarkt) für das neue Prosecco Mix-Getränk mit der angegebenen Datensituation. 2. Erstellen Sie ein Promotion-Konzept. Wie kommen Sie in möglichst geringer Zeit zum

Kunden, wie können Sie den Kunden von Ihrem Produkt begeistern Ihr Kunde ist der Han-delsbetrieb (push Strategie) sowie der Endkunde (pull Strategie). Überlegen Sie z.B. Ver-kaufsposter am Point of sale, Video, Probepackungen. Endkundenwerbung in Zeitschriften, Werbeplakate. a. Erstellen Sie einen Business Plan (Teil A), setzten Sie sich Ziele bezüglich des a) avi-

sierten Marktanteils b) Absatzmenge c) Preis pro Vertriebskanal b. Erstellen Sie einen Business Plan (Teil B) und setzen Sie Ihre Kosten (fixe und variable

Kosten entsprechend der Angaben an. c. Kalkulieren Sie Ihren avisierten Deckungsbeitrag/Gewinn für den Markteintritt

3. Wie verändert sich der DB/Gewinn, wenn Sie den Rabatt der Absatzmittler jeweils um 5% erhöhen?

Anmerkungen: Das Marktpotential ist nach Definition, vgl. Ramme Marketing, die mögliche Aufnahme eines Produktes oder einer Dienstleistung in einem definierten Wirtschaftsraum. Das Absatzpotential bezeichnet, vgl. Ramme, Marketing den Teil des Marktpotentials, den das Unternehmen XY am Markt absetzen kann. Im Unterschied dazu steht die tatsächlich realisier-te Absatzmenge des Unternehmens XY. Dies wird als Absatzvolumen bezeichnet.

10.3 Espresso - Eine Neuprodukteinführung

10.3.1 Der Hintergrund Als „altem Italiener“ mit einer Liebe zu Espresso, gehaltvollen Gesprächen und der angeneh-men Atmosphäre eines österreichischen Kaffeehauses kam mir der Gedanke, mich ein wenig

Page 186: Kostenrechnung für Elektrotechniker: Zielorientierte Deckungsbeitragsrechnung und wettbewerbsfähige Angebotskalkulation: Eine Navigation durch die Betriebswirtschaft

10.3 Espresso - Eine Neuprodukteinführung 175

intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Im Hinblick auf den Fortschritt dieses Buches, seinen Sie an dieser Stelle eingeladen, einen Espresso zu trinken und die Fallstudie zu genie-ßen. 1683 hinterließen die türkischen Belagerer Wiens 500 Säcke seltsame Bohnen, die zunächst als Kamelfutter gedeutet wurden. Der Inhalt entpuppte sich als Kaffee und fand regen Zuspruch in der Bevölkerung. Hintergrund: Der weltweite Verbrauch von Kaffee ist laut ICO, der International Coffee Orga-nisation rund 117 Millionen Sack á 60 kg Kaffee pro Jahr. Das entspricht 7 Millionen Tonnen. Ausgebreitet entspräche dies einer Fläche von 475.000 Fußballfeldern. Die Sorte „Arabica“ hat mit ca. 61 % den größten Anteil am Gesamtmarkt. Anbaugebiete sind Brasilien, Kolumbien, Guatemala und Mexiko. Weniger bedeutend ist die Sorte „Robusta“ mit ca. 39% des Welt-marktanteils. Diese Sorte wird vorwiegend in den Ländern Vietnam, Indonesien, Uganda und der Elfenbeinküste angebaut. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag nach Angaben des deutschen Brauerbundes im Jahr 2005 in Deutschland bei 145,5 Litern. Der Umsatz im Kaffeemarkt lag bundesweit im Jahr 2005 bei 2,4 Mrd. EUR. Dies war eine Steigerung von 17%. Die Umsatz-steigerung ist hier vielfältig zu erklären. Ein recht einfacher Erklärungsansatz ist, dass der Weltmarktpreis für Kaffee innerhalb der letzten Jahre rasant angestiegen ist, wie die meisten Rohstoffe (die Veränderung an den Weltbösen innerhalb der letzten Monate des Jahres 2008 sollen einmal unberücksichtigt bleiben). Die aktuelle Herausforderung des Marktes ist, dass ein grundsätzliches Umdenken innerhalb der Bevölkerung stattfindet. Der Konsument tendiert mehr zu Wasser, Teesorten, auch Bionade oder ähnlichem. Bei solchen Produkten hat man, auch wenn sie oft ein Vielfaches einer guten Tasse Kaffee kosten, das Gefühl, etwas Gutes für sich und seinen Körper getan zu haben. Der Kaffeemarkt hat also seit der „Bio-Phase“ ein wenig um sein angenehmes einem zu kämp-fen.

10.3.2 Die Marktsituation

Tabelle 10.11 Umsatz Top Ten Marken Bohnenkaffee, Quelle AC Nielsen Handelspanel (inkl. Aldi)

Marke Ei-gen-marke

Ja-cobs

Tchi-bo

Melit-ta

Dall-mayer

Gala Onko La-vazza

Sen-seo

Röst-fein

Umsatz 2005 in Mio. €

636,9 418,5 326,5 255,3 207,6 174,4 74,0 59,2 58,8 27,9

Tabelle 10.12 Umsatzanteile Top Ten Hersteller Bohnenkaffee, Quelle AC Nielsen Handelspanel (inkl. Aldi)

Her-steller

Han-del

Kraft Foods

Tchi-bo

Melit-ta

Dall-mayer

Dou-we Eg-berts

Darboven

Lavazza

Röst-fein

Schir-mer

Umsatz 2005 in % von Gesamt

27,50 20,60 20,40 11,0 8,60 2,70 2,40 2,40 1,00 0,50

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176 10 Fallstudiensammlung

Tabelle 10.13 Umsatzanteile Top Ten Hersteller Bohnenkaffee, Quelle AC Nielsen Handelspanel (inkl. Aldi)

Sorte Premium Mild Stan-dard

Schon-kaffee

Natur-mild

Espres-so

Mocca

Umsatz 2005 in Mio €

369,00 227,40 184,40 81,00 49,20 17,60 3,40

In der Tabelle 10.13 erhält man eine Übersicht über die einzelnen Anteile, die Verteilung pro Segment. Nun ist bekannt, dass das Marktsegment mit den größten Umsatzzuwächsen der Espressobereich ist (Mengenwachstum von mehr als 16%). Sie sind als Unternehmensgründer (2 Mitarbeiter und Sie selbst) dafür verantwortlich, eine neue (eigene Mischung) Espressosorte in Deutschland einzuführen.

10.3.3 Aufgaben 1. Als Existenzgründer sollten Sie dazu in der Lage sein, einen Business Plan zu erstellen, um

von Ihrer Bank ausreichend Liquidität bereitgestellt zu bekommen, um Ihre unternehmeri-schen Ziele auch verwirklichen zu können. Definieren Sie die Unterschiede zwischen Marktpotential, Absatzpotential, Marktvolumen, Absatzvolumen, Marktanteil) (vgl auch Iris Ramme, Marketing S.57). Ihre Planung sollte beinhalten: a. Avisiertes Marktvolumen (vgl. auch Iris Ramme, Marketing S.57 ff) von 2009 bis 2012

bei einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 13% b. Ihr avisiertes Umsatzziel (Absatzvolumen) c. Ihre Kostensituation (Sie kalkulieren für eine Auszubildende 15.600 EUR pro Jahr, für

eine Dame im Back Office-Bereich 89.700 EUR, für sich selbst kalkulieren Sie 24.000 EUR).

d. Sie haben ein Leasingauto auf Ihr Unternehmen angemeldet. Die monatliche Leasingra-te beträgt (ohne Vorsteuer) 530,- €. Mit diesem Wagen besuchen Sie Kunden und po-tentielle Kunden.

e. Sie arbeiten in einem kleinen Büro am Marktplatz Nürnberg Südstadt mit 45 qm. Und zahlen (warm) 700,- EUR

f. Für die Summe der Werbeausgaben kalkulieren Sie 30.000 EUR im ersten Jahr. Ihr Break-Even-Punkt sollte nach 4 Jahren erreicht sein.

2. Espresso wird i.d.R. in 250g Packungen zu ca. 3,60 EUR (Lavazza Gold) angeboten. Sie positionieren sich preislich in der „Oberliga“. Neben dem Vertrieb über den Handel sollten Sie auch die zweite Vertriebsmöglichkeit des Direktvertriebs an Großküchen, Kaffees und Bars erwägen. Hier würde Ihr (Netto) Preispotential 20% über dem des Handels liegen. a. Erstellen Sie im Rahmen einer Excelliste ein Business Planning für o.g. Sachverhalt

(eine Seite ggf. mit Erläuterungen im Anhang) b. Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse im Rahmen einer Metaplan-Präsentation Ihrer Bank

(10 min) mit anschließenden Fragen zum Markteintritt

10.3.4 Promotionaufwendungen und Art der Promotion Differenzieren Sie die Summe der Marktaufwendungen nach Konsumverhalten Ihrer Kunden. Grundsätzlich kann man differenzieren in a) Kaffee- bzw. Espressokonsum in der eigenen Wohnung, durch eigene Geräte oder b) Kaffee- bzw. Espressokonsum außerhalb der eigenen

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10.3 Espresso - Eine Neuprodukteinführung 177

Wohnung, auf Reisen, im Urlaub oder ähnliches. Das demographische Zielsegment, welches Sie mit Ihrem Produkt in erster Linie ansprechen möchten, sind Herren mit gehobener Bildung (meist Hochschulabschluss) und einem guten Einkommen, die wenig Zeit haben, aber auf „italienische Momente“ im Leben nicht verzichten möchten und diesen Mehrpreis auch gerne zahlen (ca. 1,23 Mio. Bundesbürger). Die nachfolgende Tabelle stellt die Einkaufsgewohnhei-ten Ihrer Zielgruppe dar. Leseweise: 63% des gesamten Espressokonsums wird im Lebensmit-telhandel eingekauft.

Tabelle 10.14 Konsumverteilung der Zielgruppe

Distributionskanal Lebensmittel-handel

Fachgeschäft für Kaffee

Coffee Shop

Hoher Bildungsstand, hohes Einkommen

63% 24% 13%

Die folgende Tabelle gibt Informationen über die Aufwendungen für POS (Point of Sales)-Werbung.

Tabelle 10.15 POS-Werbung

Werbeart POS Kosten pro Verkaufsstelle Bannerwerbung 350,- EUR Gratisproben 0,11 pro Probe Promotion a) Ein Espressoglas von Riedl zum Preis von 3,20 EUR Promotion b) Personalaufwand pro Tag 100,- EUR

Als zusätzliche Information zu den Gratisproben: Es wird davon ausgegangen, dass am Samstag 2.000 Menschen den Supermarkt frequentieren. Sie erreichen mit Ihren Proben 12% der Gesamtmenge. 1. Diskutieren Sie in der Gruppe, wie Sie Ihre finanziellen Ressourcen einsetzten werden. 2. Argumentieren Sie Ihre Entscheidung als Gruppenpräsentation.

10.3.5 Vertriebsalternative Neben dem Vertrieb über den Lebensmittelhandel besteht, wie bereits in Tabelle 10.14 darges-tellt, besteht auch die Möglichkeit des Konsums in Kaffeebars.

Tabelle 10.16 Anzahl der Vertriebsstellen in Deutschland

Anbieter Anzahl der Geschäfte in Deutschland Tchibo 450 Segafredo 84 Coffee Connection 60 McCafé 58 Lavazza 57 Starbucks 48 Balzac Coffee 27 Coffeeshop Company 21 Cafetiero 20 World Coffee 19

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178 10 Fallstudiensammlung

In Tabelle 10.16 sind einige Unternehmen, die selbst ihre Kaffee- und Espressomischungen zusammenstellen, wie Tchibo und solche, die andere Kaffeesorten vertreiben, wie z.B. McCafé. Selektieren Sie einen oder mehrere CoffeeShops zur Unterstützung Ihres Vertriebs, zur Errei-chung Ihrer Vertriebsziele. Diskutieren Sie auch einen möglichen Imagegewinn und eine mög-liche Akquise von zusätzlichen Kunden, die hier erst auf Ihr Produktangebot und Ihr junges Unternehmen aufmerksam werden.

10.3.6 Zusätzliche Marktinformationen Tabelle 10.17 Struktur Intensivverwender Kaffeesorten, Quelle: VA 2006/1-Klassik

Basis % Röstbohnen-kaffee Index

Cappuccino Index

Espresso Index

Geschlecht Männer 48,0 100 76 112 Frauen 52,0 100 122 89 Alter 14 – 19 Jahre 7,9 12 92 46 20 – 29 Jahre 12,0 69 125 113 30 – 39 Jahre 16,0 115 129 138 40 – 49 Jahre 18,2 124 117 133 50 – 59 Jahre 14,5 123 102 120 60 Jahre & älter 31,3 102 67 60 HH Netto Einkommen Bis unter 1.000 € 10,0 83 82 52 1.000 bis unter 2.000 € 38,2 99 94 72 2.000 bis unter 3.000 € 31,0 107 102 103 3.000 € und mehr 20,8 101 116 170

Eine Untersuchung hat ergeben, dass für die Zubereitung einer guten Tasse Espresso 12g feins-ten Espressopulvers verwendet werden. Wir gehen von einem durchschnittlichen Endkunden-preis von 2,- EUR pro Tasse aus. Ihr Einkaufspreis für einen Sack Espresso liegt bei 153,40 EUR. In diesem Sack sind 60 kg enthalten. Sie könnten mit einem 60 kg Sack also (60.000 g/ 12g) � 5.000 Tassen Espresso zubereiten.

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11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

11.1 Zu Kapitel 3.4.4 Zuschlagskalkulation

Tabelle 11.1 Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation I

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Materialeinzelkosten (MEK) (Bestellungen, wie Edelstahl, Kunststoffe, Elektronik, die an eine Maschine montiert werden)

5.473,00

Materialgemeinkosten (MGK) Schrauben, Nieten, Leim, Sonstiges Berechnungsgrundlage: MGK = 13,5 von MEK

738,90

Fertigungseinzelkosten (FEK) (Aufwendungen für Arbeit, Maschinenstundensätze)

11.215,00

Fertigungsgemeinkosten (FGK) Berechnungsgrundlage: FGK = 131% von FEK

14.691,70

Herstellkosten (HK) Berechnungsgrundlage: HK= MEK+MGK+FEK+FGK

32.118,60

Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten Berechnungsgrundlage: VWVGK = 287% von HK

92.180,38

Selbstkosten des Auftrages (SK) Berechnungsgrundlage: HK+VWVGK

124.298,98

Nettopreis Bei einer Gewinnmarge von 8,5% auf die Selbstkosten

135.845,88

Bruttopreis 38,2% Rabatt auf den Bruttopreis

219.815,34

Tabelle 11.2 Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation II

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Materialeinzelkosten (MEK) (Bestellungen, wie Edelstahl, Kunststoffe, Elektronik, die an eine Maschine montiert werden)

7.212,00

Materialgemeinkosten (MGK) Schrauben, Nieten, Leim, Sonstiges Berechnungsgrundlage: MGK = 12,75 von MEK

919,53

Fertigungseinzelkosten (FEK) (Aufwendungen für Arbeit, Maschinenstundensätze)

23.789,00

Fertigungsgemeinkosten (FGK) Berechnungsgrundlage: FGK = 143% von FEK

34.018,27

Herstellkosten (HK) Berechnungsgrundlage: HK= MEK+MGK+FEK+FGK

65.938,80

Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten Berechnungsgrundlage: VWVGK = 212% von HK

139.790,26

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5_11,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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180 11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Selbstkosten des Auftrages (SK) Berechnungsgrundlage: HK+VWVGK

205.729,06

Nettopreis Bei einem Gewinnmarge von 8,5% auf die Selbstkosten

224.840,50

Bruttopreis 25,0% Rabatt auf den Bruttopreis

299.787,33

Tabelle 11.3 Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation III (Vorkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 42.000,00 Materialgemeinkosten 5% v FM

2.100,00

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 7.850,00 Fertigungsgemeinkosten I 120% von FK I

9.420,00

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 6.200,00 Fertigungsgemeinkosten II 145% von FK II

8.990,00

Fertigungslöhne in Produktionsprozess III 3.840,00 Fertigungsgemeinkosten III 170% von FK III

6.528,00

Summe der Herstellkosten: 86.928,00 Verwaltung 17,8 von HK 15.473,18 Vertriebsgemeinkosten 7,8% von HK 6.780,38 Selbstkosten des Auftrages: 109.181,56 Soll-Netto-Verkaufspreis: 129.978,05

In der Aufgabenstellung wurde nach den Selbstkosten für diesen Auftrag gefragt. Diese haben wir mit einem Wert von 109.181,56 € kalkuliert. Die Selbstkosten pro Einheit errechnen sich

Selbstkosten pro Einheit = Selbstkosten des Auftrages/produzierte Menge (5.1)

109.181,56/32.000 � 3,42 € Selbstkosten für eine Einheit Der Soll-Verkaufspreis für den Auftrag ist ebenfalls in der o.g. Tabelle angegeben. Der Soll-Verkaufspreis für einen Seitenschneider kann nun auf zwei Arten bestimmt werden:

Soll-Verkaufspreis pro Einheit = Soll-Verkaufspreis des Auftrages/Anzahl der Einheiten (5.2) Soll VK/Einheit = Selbstkosten pro Einheit/(1- Gewinnmarge) (5.3)

Durch Anwendung der Formel (5.2) erhalten wir: 129.978,05/32.000 � 4,06 € Durch Anwendung der Formel (5.3) erhalten wir: 3,42 €/(1-0,16) � 4,06 €

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11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 181

Tabelle 11.4 Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation IV (Nachkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 42.000,00 Materialgemeinkosten 4,25% v FM

1.785,00

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 7.850,00 Fertigungsgemeinkosten I 112% von FK I

8.792,00

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 6.200,00 Fertigungsgemeinkosten II 130 % von FK II

8.060,00

Fertigungslöhne in Produktionsprozess III 3.840,00 Fertigungsgemeinkosten III 156% von FK III

5.990,40

Summe der Herstellkosten: 84.517,40 Verwaltung 17,4 von HK 14.706,03 Vertriebsgemeinkosten 8,2% von HK 6.930,43 Selbstkosten bei Nachkalkulation: 106.153,86 Soll-Netto-Verkaufspreis: 129.978,05

In diesem Fall ist die Aufgabenstellung ein wenig anders als in den anderen Fällen. In der Ta-belle 3.11 (in Kapitel 3) haben wir die Ist-Gemeinkostensätze den jeweiligen Einzelkosten zugeschlagen und erhalten somit eine Differenz zu den in der Tabelle 3.10 angegebenen Nor-malzuschlagssätzen. Wir müssen aber sehen, dass unter großer Wahrscheinlichkeit der Preis, den wir bereits im Rahmen der Normalkostenrechnung in der Tabelle 3.11 kalkuliert haben, nicht mehr zu verändern ist. Es wird sicherlich in kaum einer Vertriebsgesellschaft möglich sein, einen Preis, der einmal am Markt kommuniziert wurde, nach oben zu verändern. D.h. dass wir den Nettoverkaufspreis mit in unsere Tabelle 3.11 übernehmen. Durch eine Umstellung der Formel (5.3) erhalten wir die Formel für unsere Gewinnmarge:

Gewinnmarge = 1-(Selbstkosten bei Nachkalkulation/Soll Netto VK) (5.4)

1 – (106.153,86/129.978,05) � 18,33 % Im Rahmen der Nachkalkulation zeigt sich also, dass wir zu viele Kosten dem Kostenträger belastet haben. Unsere reale Kostensituation ist geringer ausgefallen als geplant. Wir haben eine Gewinnmarge von 18,33% im Gegensatz zu 16 % in Tabelle 3.11 erwirtschaftet.

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182 11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Tabelle 11.5 Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation V (Vorkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 726,00 Materialgemeinkosten 12% v FM

87,12

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 15 Std. á 42,30 €

634,50

Fertigungsgemeinkosten I 135 % von FK I

856,58

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 17 Std á 39,48 €

671,16

Fertigungsgemeinkosten II 70 % von FK II

469,81

Summe der Herstellkosten: 3.445,17 Verwaltung 11% von HK 378,97 Vertriebsgemeinkosten 8,8% von HK 303,17 Selbstkosten des Auftrages 4.127,31 Soll-Netto-Verkaufspreis: 4.733,15 Soll-Brutto-Verkaufspreis 7.506,98

Tabelle 11.6 Übungsaufgabe Zuschlagskalkulation V (Nachkalkulation)

Kostenart Höhe der Kosten in EUR Zuschlagssatz in %

Fertigungsmaterial 726,00 Materialgemeinkosten 10% v FM

72,60

Fertigungslöhne in Produktionsprozess I 17 Std. á 42,30 €

719,10

Fertigungsgemeinkosten I 145 % von FK I

1.042,70

Fertigungslöhne in Produktionsprozess II 21 Std á 39,48 €

829,08

Fertigungsgemeinkosten II 73 % von FK II

605,23

Summe der Herstellkosten: 3.994,71 Verwaltung 12% von HK 479,37 Vertriebsgemeinkosten 9,2% von HK 367,51 Selbstkosten bei Nachkalkulation: 4.841,59 Soll-Netto-Verkaufspreis: 4.733,15 Soll-Brutto-Verkaufspreis 7.506,98

Die Nachkalkulation ergibt in diesem Fall, dass die Produktion dieses Auftrages nicht gewinn-bringend war. In der nächsten Periode müssen wir also die Kostenverrechnungssätze anpassen und ggf. eine Preiserhöhung kommunizieren. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hinge-wiesen, dass eine Preiserhöhung nicht immer das einzige Mittel sein muss, denn eine Optimie-rung der Kostenbasis steht ebenso als Möglichkeit da. Die Art und Weise der Kalkulation er-folgt analog zu der Aufgabe Tabelle 3.10–3.11.

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11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 183

11.2 Zu Kapitel 3.4.5 Divisionskalkulation

Tabelle 11.7 Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern (Übung)

Leistung/ Produkt

Produkti-onsmenge

Fertigungs-material

Fertigungs-löhne

Äquivalenz-ziffern

Gemein-kosten

7 W 220.000 50.000 23.000 1,3 78% der Fertigungs-kosten

25 W 350.000 70.000 31.000 0,95 60 W 650.000 125.000 110.000 1,0 Summe: 1.220.000 245.000 164.000

Tabelle 11.8 Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern I

Leistung/ Produkt

Fertigungs-material

Fertigungs-löhne

Fertigungs-kosten

Umrech-nungszahlen

Gemeinkos-ten

7 W 50.000 23.000 73.000 286.000 71.927 25 W 70.000 31.000 101.000 332.500 83.622 60 W 125.000 110.000 235.000 650.000 163.471 Summe: 245.000 164.000 409.000 1.268.500 319.020

a) Die Fertigungskosten ergeben sich aus einer Summe aus Fertigungsmaterial und Ferti-gungslöhnen. Diese Faktoren können für die einzelnen Produkte kalkuliert werden.

b) In der Tabelle 3.16 (in Kapitel 3) sind die Gemeinkosten als ein Prozentwert (Zuschlags-satz) der Fertigungskosten angegeben. In der Tabelle 11.8 haben wir die Summe der Ferti-gungskosten gebildet und können somit auch 0,78 * 409.000 � 319.020 die Gemeinkosten bestimmen. Diese werden nach der Methode der Aquivalenzziffern auf die einzelnen Pro-dukte umgelegt.

Tabelle 11.9 Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern II

Leistung/Produkt Fertigungskosten Gemeinkosten Selbstkosten 7 W 73.000 71.927 144.927 25 W 101.000 83.622 184.622 60 W 235.000 163.471 186.471 Summe: 409.000 319.020 728.020

Die Selbstkosten pro Sorte und Einheit errechnen sich als Summenwert aus den Fertigungskos-ten und den Gemeinkosten nach Produkt.

Tabelle 11.10 Divisionskalkulation mit Äquivalenzziffern III

Leistung/Produkt Selbstkosten € Soll-Netto-verkaufspreis €

Soll-Brutto-verkaufspreis €

7 W 144.927 198.530 264.707 25 W 184.622 252.907 337.209 60 W 186.471 255.440 340.587 Summe: 728.020

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184 11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

11.3 Zu Kapitel 3.4.6 Kostenträgerzeit- und Ergebnisrechnung Tabelle 11.11 Übungsaufgabe

Nr. Kostenarten Verrechnete Normalkosten 1 Fertigungsmaterial 22.250.000 2 Materialgemeinkosten 14% v. FEK 3.115.000 3 Materialkosten 25.365.000 4 Fertigungslöhne 6.780.000 5 Fertigungsgemeinkosten62% v. FEK 4.203.600 6 Fertigungskosten 10.983.600 7 Herstellkosten 36.348.600 8 Verwaltungsgemeinkosten 7,5 % v. HK 2.726.145 9 Vertriebsgemeinkosten 11% v. HK 3.998.346

10 Selbstkosten des Umsatzes 43.073.091 11 Nettoumsatzerlös 66.266.294 12 Umsatzergebnis 23.193.203 13 Überdeckung lt. Angaben 690.280 14 Betriebsergebnis 23.883.483 15 Gewinnmarge 35,67%

Die vermutlich einzige Größe, die ein wenig schwieriger zu kalkulieren sein wird, ist die reale Gewinnmarge bei der Nachkalkulation des Auftrages.

Gewinnmarge = 1-(Selbstkosten bei Nachkalkulation/Soll Netto VK) (5.4)

Diese Formel ist nun entsprechend unseren neuen Anforderungen zu modifizieren:

Gewinnmarge B = 1- ((SK Nachkalkulation/(Umsatzergebnis + Überdeckung)) (5.5)

1 – (( 43.073.091/(66.266.294 + 690.280)) � 0,3567

11.4 Zu Kapitel 3.4.7 Leitungsschutzschalter im Salzburger Land Tabelle 11.12 Deckungsbeitrag pro LS

LS Nettoverkaufspreis € Variable Kosten € Deckungsbeitrag € LS 10 A 4,99 3,18 1,81 LS 16 A 2,49 1,39 1,10 LS 20 A 5,15 3,25 1,90 LS 25 A 5,25 3,30 1,95

Die Tabelle 3.25 liefert die notwendigen Informationen zur Erstellung dieser Tabelle und zur Kalkulation des Deckungsbeitrages pro Leitungsschutzschalter. Der Deckungsbeitrag errechnet sich aus einer einfachen Subtraktion aus dem Umsatz pro Verkaufseinheit und den variablen Kosten pro Einheit.

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11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 185

Tabelle 11.13 Relativer Deckungsbeitrag pro LS

LS Produktions- und Mon-tagezeit in Minuten

Absetzbare Mengen-einheiten

Relativer DB

LS 10 A 6 5.916 18,10 LS 16 A 10 72.000 6,60 LS 20 A 12 30.000 9,50 LS 25 A 15 37.500 7,80

In der Formel (3.18) haben wir die Kalkulationsgrundlage für den relativen Deckungsbeitrag angegeben.

Relativer DB = (60 Minuten/Bearbeitungszeit pro Einheit)/DB pro Einheit (3.18)

Mit den Informationen der Tabelle 3.24 können wir somit alle relativen Deckungsbeiträge für unsere Produkte kalkulieren. Eine kurze betriebswirtschaftliche Analyse zeigt uns, dass der relative Deckungsbeitrag für unseren Leitungsschutzschalter für 10 Ampere am höchsten ist. Zwei Faktoren unterstützen dies. Einmal der relativ hohe Nettoverkaufspreis und zum anderen die geringe Produktionszeit, die in der Tabelle 5.2 mit 6 Minuten angegeben ist. Kleine be-triebswirtschaftliche Problematik ist hier, dass das Produkt mit dem höchsten relativen De-ckungsbeitrag den geringsten Absatzmarkt hat. Nun könnte es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, den Fokus auch in Vertrieb und Marketing auf dieses Produkt zu richten und damit zu versuchen, die Absatzmenge signifikant zu erhöhen, denn der relative DB für dieses Produkt ist doch immerhin fast doppelt so hoch, wie das des zweitbesten Produktes. Nun mag der eine oder andere sagen, dass die Absatzmenge auch durch technische Vorschriften, die der VDE oder der ÖVE bestimmt, begrenzt wird. Alles richtig in der Argumentationskette, nur stellt sich die Frage, mit welchem realen Marktsegment ich mich derzeit beschäftige. Handelt es sich um nationale oder internationale Wirtschaftsbereiche. Gibt es Möglichkeiten für ein anderes Un-ternehmen die Produktion zu erledigen und somit zwar einen reduzierten relativen Deckungs-beitrag zu erhalten (Reduktion des Nettoverkaufspreises) aber sicherlich immer noch die Mög-lichkeit einer optimalen Produktionsprogrammgestaltung. Für Handelspartner könnte man eine spezielle Produktion mit eigenem Logo vermarkten, zu einem besonders günstigen Nettover-kaufspreis. Um diese betriebswirtschaftlichen Entscheidungen überhaupt einmal treffen zu können, ist eine primäre Analyse absolut notwendige Voraussetzung. Dies tun wir in dieser Aufgabe.

Tabelle 11.14 Optimierungsansatz des Produktionsprogrammes

LS Fertigung Einheiten/Std.

Absetzbare Men-geneinheiten

Relati-ver DB

Rang Optimie-rung Zeit/h

Pro-zent

LS 10 A 10 5.916 18,10 1 592 8% LS 16 A 6 72.000 6,60 4 8.303 19% LS 20 A 5 30.000 9,50 2 6.000 19% LS 25 A 4 37.500 7,80 3 9.375 54% Summe: 145.416 24.000

Um die Werte in der Tabelle 5.3 bestimmen zu können, benötigen wir den relativen DB, den wir bereits in Tabelle 5.2 ermittelt haben, eine Rangfolge, die mit dem relativen DB eine Soll-Rangfolge in der Produktion darstellen soll. Diese Rangfolge gibt an, dass ich jene Produkte vorrangig fertigen soll, die einen höheren relativen DB haben. Schauen wir uns diese Zusam-menhänge einmal im Detail an: Der Leitungsschutzschalter mit der 10 Ampere Charakteristik

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186 11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

ist in unserer Rangfolge mit 1 belegt. Er hat den höchsten relativen DB. Für den LS 10 A benö-tige ich 6 min Produktions- und Montagezeit. Die Kalkulation der „Optimierung Zeit“ erfolgt durch diese Formel:

Optimierung Zeit = Absetzbare Mengeneinheiten/Einheiten pro Stunde (5.1)

Für den LS 10 A ergibt sich somit 5.916/10 � 592 Stunden werden ich für die Produktion dieses Produkten benötigen. Rang 2 hat das Produkt LS 20 A hier ergibt sich die Produktions-zeit 30.000/5 � 6.000 Stunden werden ich für die Produktion von LS 20 A benötigen. Rang 3 hat das Produkt LS 25 A hier benötige ich 37.500/4 � 9.375 Stunden. Rang vier ergibt sich mit 72.000/6 � 12.000 Stunden. Eine Addition der Produktions- und Montagezeiten ergibt 592+12.000+6.000+9.375 � 27.967 Stunden. Nun wissen wir aber aus unserer Aufgabenstel-lung, dass wir maximal 24.000 Stunden zur Verfügung haben. Es folgt also unser Optimie-rungsansatz. Die Produkte der Rangfolge 1-3 werden mit den maximal absetzbaren Mengen-einheiten gefertigt. (592+6.000+9.375) � 15.697 Stunden Produktions- und Montagezeit. Eine Differenz aus den maximal möglichen Produktionsstunden und den bereits aufgewendeten Produktionszeiten für die Produkte von Rang 1-3 ergibt (24.000 – 15.697) � 8.303 Stunden; d.h. ich habe diese Zeit frei für die Produktion meines Rang-4-Produktes, der LS 16 A. In 8.303 Stunden bekomme ich 8.303 * 6� 49.808 Einheiten des LS 16 A gefertigt. Hier entsteht also eine Differenz aus den möglichen Absatzmengen und der maximalen Produktionsmenge, die aufgrund meiner Kapazitätsgrenze limitiert ist. 72.000 – 49.818 � 22.182 Einheiten. Nun haben wir in der Aufgabenstellung d) den Hinweis auf eine Umsatzrentabilität von 5,5 %. Zu kalkulieren ist der Gewinn für dieses Geschäftsjahr. Aus der Formel 3.17 wissen wir, wie sich die Umsatzrentabilität kalkulieren lässt. Da diese nun aber gegeben und der Gewinn ge-sucht ist, müssen wir zunächst die Formel nach dem Gewinn umstellen:

Gewinn = Umsatz * Umsatzrentabilität (5.2)

Tabelle 11.15 Umsatz pro Produkt nach Optimierung des Produktionsprogramms

LS Nettoverkaufspreis € Produzierte & absetz-bare Mengeneinheiten

Umsatz/Produkt in €

LS 10 A 4,99 5.916 29.520,84 LS 16 A 2,49 49.818 124.046,82 LS 20 A 5,15 30.000 154.500,00 LS 25 A 5,25 37.500 196.875,00 Summe: 553.054,44

Die einzige Unterscheidung mit den absetzbaren und den maximal zu produzierenden Einhei-ten liegt bei dem Produkt mit der Rangfolge 4, den LS 16 A. Hier werden also, wie festgestellt, nur 49.818 Einheiten maximal produziert werden können. Wir errechnen in der Tabelle 5.4 die Umsätze pro Produkt und die Summe der Umsätze. Aus diesen Angaben können wir dann die Werte in die Formel (5.2) eintragen und erhalten 553.054,44 *0,055 � 30.417,97 als Gewinn. Wir haben nun Informationen über die (reale) Produktions- und Absatzmenge, den Verkaufs-preis und damit auch Informationen über die Umsätze nach Produkt, Informationen über die variablen Kosten und Informationen über die Gewinnsituation im Unternehmen. Die einzige Information, die uns noch fehlt, ist der Wert der Fixkosten.

Gewinn = Umsatz – variable Kosten – Fixkosten (5.3)

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11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 187

In dieser Formel haben wir jeden Faktor, außer den Fixkosten gegeben. Stellen wir die Formel (5.3) nach den Fixkosten um und erhalten somit:

Fixkosten = Umsatz – variable Kosten – Gewinn (5.4)

Tabelle 11.16 Variable Kosten pro Produkt nach Optimierung des Produktionsprogramms

LS Netto-Ver-kaufspreis €

Variable Kosten €

Produzierte & absetz-bare Mengeneinheiten

Summe Var. Kosten €

LS 10 A 4,99 3,18 5.916 18.812,88 LS 16 A 2,49 1,39 49.818 69.247,02 LS 20 A 5,15 3,25 30.000 97.500,00 LS 25 A 5,25 3,30 37.500 123.750,00 Summe: 309.309,90

Fixkosten = 553.054,44 – 309.309,90 – 30.417,97 � 213.326,57 Nun besteht die abschließende Aufgabe darin, die Summe der Fixkosten auf die einzelnen Produkte zu verteilen, um so eine bessere Übersicht über die Gewinnanteile pro Produkt zu erhalten. In der Tabelle 5.3 haben wir bereits die Prozentwerte, die die einzelnen Produkte an der Produktionskapazität einnehmen, eingetragen. Dies wäre also eine Möglichkeit, die Fixkos-ten zu verteilen. Wir können also eine Ergebnistabelle mit den Informationen Umsatz, variable Kosten, Fixkosten, Deckungsbeitrag und Gewinn pro Produkt erarbeiten. Mit diesen Informationen können und sollten wir strategische Entscheidungen über unser Pro-duktionsprogramm ableiten.

11.5 Zu Kapitel 5.2 Prozesskostenrechnung Tabelle 11.17 Mannjahre pro Teilprozess-Ü 1

Prozess/Teilprozess Ist-Kapazität in % der Mannjahre

Kumulierte Prozentwerte

Angebote einholen 27% 27% Bestellungen aufgeben 26% 53% Rechnungen prüfen 35% 88% Leitungsfunktion 12% 100% Summe: 20 Mitarbeiter

Tabelle 11.18 Aufteilung der Prozessgesamtkosten auf die einzelnen Teilprozesse –Ü 1

Prozess/Teilprozess Ist-Kosten in € Grundlage Messgröße Angebote einholen 534.600 Lmi Anzahl Angebote Bestellungen aufgeben 514.800 Lmi Anzahl Bestellungen Rechnungen prüfen 693.000 Lmi Anzahl Rechnungen Leitungsfunktion 237.600 Lmn Qualitativ Summe: 1.980.000

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188 11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Tabelle 11.19 Kalkulation der Prozesskostensätze –Ü 1

Prozess/ Teil-prozess

Men-ge/Jahr

Prozesskostensatz €/Vorgang lmi

Umlage-satz lmn €

Gesamtkos-tensatz €

Kontrolle €

Angebote einholen

25.000 21,38 2,92 24,30 607.500

Bestellungen aufgeben

18.000 28,60 3,90 32,50 585.000

Rechnungen prüfen

19.500 35,54 4,85 40,38 787.500

Leitungsfunk-tion

n.a.

Summe: 1.980.000 Übungsaufgabe 5.2:

Tabelle 11.20 Mannjahre pro Teilprozess-Ü 2

Prozess/Teilprozess Ist-Kapazität in % der Mannjahre

Kumulierte Prozentwerte

Lieferungen annehmen 15% 15% Ausgangslieferungen packen und versenden

12% 27%

Einlagern von Teilen 19% 46% Konfektionierung von Teilen 22% 68% Innerbetrieblicher Transport 18% 86% Leitungsfunktion 14% 100% Summe: 9 Mitarbeiter

Tabelle 11.21 Aufteilung der Prozessgesamtkosten auf die einzelnen Teilprozesse –Ü 2

Prozess/Teilprozess Ist-Kosten in € Grundlage Messgröße Lieferungen annehmen 130.350 Lmi Anzahl der Liefe-

rungen Ausgangslieferungen packen und versenden

104.280 Lmi Anzahl der Liefe-rungen

Einlagern von Teilen 165.110 Lmi Anzahl der Teile Konfektionierung von Teilen 191.180 Lmi Anzahl der Auf-

träge Innerbetrieblicher Transport 156.420 Lmn n.a. Leitungsfunktion 121.660 Lmn n.a. Summe: 869.000

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11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben 189

Tabelle 11.22 Kalkulation der Prozesskostensätze – Ü 2

Prozess/ Teil-prozess

Men-ge/Jahr

Prozesskostensatz €/Vorgang lmi

Umlage-satz lmn €

Gesamtkos-tensatz €

Kontrolle €

Lieferungen annehmen

16.000 8,15 3,83 11,98 191.691,18

Ausgangsliefe-rungen packen und versenden

14.000 7,45 3,51 10,95 153.352,94

Einlagern von Teilen

140.000

1,18 0,55 1,73 242.808,82

Konfektionie-rung von Teilen

9.000 21,24 10,00 31,24 281.147,06

Innerbetriebli-cher Transport

n.a.

Leitungsfunkti-on

n.a.

Summe: 869.000,00

11.6 Zu Kapitel 8.2.7 Fallstudie Business Development Tabelle 11.23 Fläche pro Produktgruppe

Kalkulation der qm Länge Breite Seitenwand Fläche: P1-1 35 3 0,15 0,035 0,66 P1-1 60 3 0,15 0,060 0,81 P1-1 85 3 0,15 0,085 0,96 P1-1 110 3 0,15 0,110 1,11

Tabelle 11.24 Stanzfläche pro Produkt

Kalkulation der qm Stanzfläche, Recycling P1-1 35 0,0053 P1-1 60 0,0066 P1-1 85 0,0078 P1-1 110 0,0090

Tabelle 11.25 Stanzfläche und Recyclingpreis für P1-1

Produkt Stanzfläche Recycling Recycling Preis qm Verkaufserlös Recycling P1-1 35 0,0053 5,3235 0,028 P1-1 60 0,0065 5,3235 0,034 P1-1 85 0,0078 5,3235 0,040 P1-1 110 0,0090 5,3235 0,046

In dieser Tabelle errechnet sich der Preis für das zu recycelnde Material aus 65% von den Ein-kaufspreisen pro qm. Der Verkaufserlös wird um 3% Transportkosten reduziert. Da für P1-2 die Fläche zwar gleich, die Masse aber unterschiedlich ist, ergeben sich auch neue Werte für die Verkaufserlöse pro Produkt der Produktgruppe P1-2.

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190 11 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben

Tabelle 11.26 Stanzfläche und Recyclingpreis für P1-2

Produkt Stanzfläche Recycling Recycling Preis qm Verkaufserlös Recycling P1-2 35 0,0053 5,5897 0,029 P1-1260 0,0066 5,6414 0,036 P1-2 85 0,0078 5,6414 0,043 P1-2 110 0,0090 5,6414 0,049

Tabelle: 11.27 Materialaufwendungen P1-1 und P1-2

Kalkulation Summenwerte

Produkti-onsmenge

Summe Ma-terialkosten

Recycling Erlös

Reale Kosten Reale Kos-ten/Stück

P1-1 35 166.320 1.424.611 78.485 1.346.126 8,0936 P1-1 60 443.520 4.662.362 256.860 4.405.502 9,9330 P1-1 85 166.320 2.072.161 114.160 1.958.001 11,7725 P1-1 110 332.640 4.791.872 263.995 4.527.877 13,6119 P1-2 35 36.960 332.409 18.313 314.096 8,4983 P1-2 60 332.640 3.671.610 203.211 3.468.399 10,4269 P1-2 85 110.880 1.450.513 80.281 1.370.232 12,3578 P1-2 110 258.720 3.913.362 216.591 3.696.771 14,2887

Anschaffungspreis der Biege- und Kantmaschine: 978.512 € Jährliche Afa: 97.851 € Energie pro Jahr: 3.680 € Betriebsstoffe: 1.250 € Kalkulatorische Miete: 4.800 € Aufwendungen für Lohn und Gehalt: 134.368 € Summe: 241.949 € Die Umsatzrentabilität errechnet sich aus: Gewinn/Umsatz Diese Informationen können wir der Gewinn- und Verlustrechnung entnehmen: Umsatzrentabilität der Tin GmbH Hanau � 3.462.152/45.720.861 � 0,076 oder 7,6% Bei einer Betrachtung des aktuellen Kapitalmarktzinses von 2,2% ergibt sich eine „Extrarendi-te“ von (7,6 – 2,2) %--> 5,4%. Diese 5,4% stellen das unternehmerische Risiko dar. Infolge des unternehmerischen Risikos (Einkauf, Fluktuation von Rohstoffpreisen, Kapitalbindung, Perso-nal, Beschäftigung, ...) ist eine höhere Rendite als am Kapitalmarkt nicht nur gewünscht, son-dern zwingend erforderlich, sonst könnte der Unternehmer sein Geld zu 100% sicheren Kondi-tionen auf die Sparkasse, die Raiffeisen oder eine Großbank bringen und würde als Gegenleis-tung die o.g. 2,2% als Zinssatz erhalten. Die Eigenkapitalquote der Tin GmbH Hanau errechnet sich aus: Eigenkapital/Bilanzsumme� 7.129.115/12.291.579 � 0,58 oder 58% Eigenkapitalquote. Maschine für die Materialstärke 0,75 mm (1.108.800 + 705.751) � 1.814.551 � Freie Kapazität: 335.449 Einheiten Maschine für die Materialstärke 1,00 mm (739.200 + 347.609) � 1.086.809 � Freie Kapazität: 1.063.191

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Quellen

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Verlag 1996 Wirtschaftskammer Österreich, Rating Kennzahlen, 24 Branchen im Vergleich 2007 ZVEI, Zentralverband der Elektrotechnik und Elektroindustrie e.V. ZVEI-Benchmarking 2010 ZVEI, Zentralverband der Elektrotechnik und Elektroindustrie e.V, ZVEI-Weltmarkt-Prognose ZVEI, Zentralverband der Elektrotechnik und Elektroindustrie e.V, Welt-Elektromarkt

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chveroeffentlichungen/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/DeutscheWirtschaftQuartal,property=file.pdf

R. Capone, Kostenrechnung für Elektrotechniker, DOI 10.1007/978-3-8348-8104-5,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011