der begriff “dimensionalität” in der analytischen chemie – grundlagen und anwendungen

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Dimensionsbetrachtungen Der Begriff „DimensionalitȨt“ in der Analytischen Chemie – Grundlagen und Anwendungen** Obmann und Ƞbersetzer: Klaus Danzer* 1. Einführung Der chemische Messprozess, wie er in Lit. [3] definiert ist, kann als eine definierte Transformation (Codierung) von analytischen Informationen in der ProbendomȨne (chemischen DomȨne; x = f 1 (q), Abbildung 1 links) in Informa- tionen in der SignaldomȨne (y = f 2 (z), Abbildung 1 rechts) verstanden werden. [ *** ] Die Auswertung analyti- scher Messungen entspricht dann der Rɒcktransformation eines Signals oder einer Signalfunktion in chemische Infor- mation (Decodierung). Fɒr diese allgemeine Transforma- tion x = f 1 (q) , y = f 2 (z) sind im einzel- nen Transformationen auszufɒhren, die 1) die Informationen ɒber chemische Bestandteile in der Probe (Analyte, Spezies), q i , in Signale z i ɒberfɒhren sowie 2) die Informationen ɒber Analytmengen (Gehalte), x q i , in Signal- intensitȨten y z i umwandeln, wie es durch die Pfeile in Abbildung 1 angedeutet ist (L ist im Allgemeinen ein linearer Operator). Die Analysenfunktion x = f 1 (q) stellt ein zweidimensionales Muster der Pro- benzusammensetzung dar, und zwar fɒr bestimmte Arten chemischer Bestand- teile (Analyte) q i und deren Mengen x q i . Die Projektion dieses Musters in die SignaldomȨne ergibt ein (ebenfalls zweidimensionales) Muster von Signa- len unterschiedlicher IntensitȨt, die Signal- oder Messfunktion, wie in Ab- bildung 1 rechts dargestellt. Ausgehend davon kann man die DimensionalitȨt von chemischen Mes- sungen, Messfunktionen (Signalfunktio- nen) und somit analytischen Informa- tionen betrachten. Auf dieser Grund- lage wird im Folgenden ein Konzept fɒr die Anwendung des Begriffs Dimensio- nalitȨt vorgestellt. 2. Die Dimensionalität von analy- tischen Informationen Das Axiom lautet: Die Dimensio- nalitȨt eines funktionalen Zusammen- hangs ist durch die Zahl der abhȨngigen und unabhȨngigen Variablen in der Funktion festgelegt. Somit sind Funk- tionen des Typs a = f(b) zweidimensio- nal, des Typs a = f(b 1 ,b 2 ) dreidimen- sional und des Typs a = f(b 1 ,b 2 ,..,b n ) (n + 1)-dimensional. Die Darstellung von nur einer Variablen ist eindimen- sional. In der Analytischen Chemie umfasst der Begriff DimensionalitȨt verschie- denartige Dimensionen, die durch unterschiedliche Arten von GrɆßen (Variablen) charakterisiert sind. Diese kɆnnen sowohl diskret als auch kon- tinuierlich sein: * physikalische Dimensionen: Zeit und Raum, charakterisiert durch vier Variable – die Zeit und die drei Raumkoordinaten (LȨnge, Breite und HɆhe oder Tiefe) * chemische Dimensionen: Art, Zahl und Menge von Analyten (relevan- ten Probenbestandteilen, chemi- schen Spezies) * Messdimensionen (messtechnisch oder signaltheoretisch relevante Abbildung 1. Beziehung zwischen der Analysenfunktion (Probenzusammensetzung) x = f 1 (q) und der Messfunktion (Signalfunktion) y = f 2 (z) nach Lit. [4]. Die Angewandte Chemie verɆffent- licht Ƞbersetzungen von Recommenda- tions und Technical Reports der IUPAC, um die chemische Fachsprache im Deut- schen zu fɆrdern. Sauber definierte Begriffe und klare Nomenklaturregeln bilden die Basis fɒr eine VerstȨndigung zwischen den Wissenschaftlern einer Disziplin und sind fɒr den Austausch zwischen Wissenschafts- und Fachspra- che sowie Allgemeinsprache essenziell. Alle Ƞbersetzungen werden von einem ausgewiesenen Experten (dem „Obmann“) geprɒft, korrigiert und autorisiert. Die nȨchste Ƞbersetzung („Definitionen von Grundbegriffen mit Bezug zu niedermolekularen und poly- meren Flɒssigkristallen“) ist fɒr Heft 45/ 2004 vorgesehen. Empfehlungen von Themen und Obleuten sind willkom- men. [*] Prof. Dr. K. Danzer Institut fɒr Anorganische und Analytische Chemie Friedrich-Schiller-UniversitȨt Jena Lessingstraße 8 07743 Jena (Deutschland) E-mail: [email protected] [**] Copyright# der englischen Fassung, die unter dem Titel „Concepts and Applica- tions of the Term ,Dimensionality‘ in Analytical Chemistry“ von Klaus Danzer (Jena, Deutschland), Jacobus F. van Sta- den (Pretoria, Sɒdafrika) und Duncan Thorburn Burns (Belfast, Großbritannien) fɒr die VerɆffentlichung in Pure Appl. Chem. 2002, 74, 1479–2002 [11] vorbereitet wurde: International Union of Pure and Applied Chemistry, 2001. – Wir danken der IUPAC fɒr die Genehmigung zum Druck einer deutschen Fassung dieses Technical Report. [***] DomȨne wird hier im Sinn von mathe- matischer Raum gebraucht. IUPAC-Empfehlungen 4768 # 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200460851 Angew. Chem. 2004, 116, 4768 –4771

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Page 1: Der Begriff “Dimensionalität” in der Analytischen Chemie – Grundlagen und Anwendungen

Dimensionsbetrachtungen

Der Begriff „Dimensionalit�t“ in der AnalytischenChemie – Grundlagen und Anwendungen**Obmann und �bersetzer: Klaus Danzer*

1. Einf�hrung

Der chemische Messprozess, wie erin Lit. [3] definiert ist, kann als einedefinierte Transformation (Codierung)von analytischen Informationen in derProbendom)ne (chemischen Dom)ne;x= f1(q), Abbildung 1 links) in Informa-tionen in der Signaldom)ne (y= f2(z),Abbildung 1 rechts) verstandenwerden.[***] Die Auswertung analyti-scher Messungen entspricht dann derR2cktransformation eines Signals odereiner Signalfunktion in chemische Infor-mation (Decodierung).

F2r diese allgemeine Transforma-tion x= f1(q), y= f2(z) sind im einzel-nen Transformationen auszuf2hren, die1) die Informationen 2ber chemischeBestandteile in der Probe (Analyte,Spezies), qi, in Signale zi 2berf2hrensowie 2) die Informationen 2berAnalytmengen (Gehalte), xqi, in Signal-intensit)ten yzi umwandeln, wie es durchdie Pfeile in Abbildung 1 angedeutet ist

(L ist im Allgemeinen ein linearerOperator).

Die Analysenfunktion x= f1(q) stelltein zweidimensionales Muster der Pro-benzusammensetzung dar, und zwar f2rbestimmte Arten chemischer Bestand-teile (Analyte) qi und deren Mengen xqi.Die Projektion dieses Musters in dieSignaldom)ne ergibt ein (ebenfallszweidimensionales) Muster von Signa-len unterschiedlicher Intensit)t, dieSignal- oder Messfunktion, wie in Ab-bildung 1 rechts dargestellt.

Ausgehend davon kann man dieDimensionalit)t von chemischen Mes-sungen, Messfunktionen (Signalfunktio-nen) und somit analytischen Informa-tionen betrachten. Auf dieser Grund-lage wird im Folgenden ein Konzept f2rdie Anwendung des Begriffs Dimensio-nalit)t vorgestellt.

2. Die Dimensionalit�t von analy-tischen Informationen

Das Axiom lautet: Die Dimensio-nalit)t eines funktionalen Zusammen-hangs ist durch die Zahl der abh)ngigenund unabh)ngigen Variablen in derFunktion festgelegt. Somit sind Funk-tionen des Typs a= f(b) zweidimensio-nal, des Typs a= f(b1,b2) dreidimen-sional und des Typs a= f(b1,b2,. . ,bn)(n+ 1)-dimensional. Die Darstellungvon nur einer Variablen ist eindimen-sional.

In der Analytischen Chemie umfasstder Begriff Dimensionalit)t verschie-

denartige Dimensionen, die durchunterschiedliche Arten von Gr;ßen(Variablen) charakterisiert sind. Diesek;nnen sowohl diskret als auch kon-tinuierlich sein:* physikalische Dimensionen: Zeit

und Raum, charakterisiert durchvier Variable – die Zeit und diedrei Raumkoordinaten (L)nge,Breite und H;he oder Tiefe)

* chemische Dimensionen: Art, Zahlund Menge von Analyten (relevan-ten Probenbestandteilen, chemi-schen Spezies)

* Messdimensionen (messtechnischoder signaltheoretisch relevante

Abbildung 1. Beziehung zwischen der Analysenfunktion (Probenzusammensetzung) x= f1(q)und der Messfunktion (Signalfunktion) y= f2(z) nach Lit. [4].

Die Angewandte Chemie ver;ffent-licht �bersetzungen von Recommenda-tions und Technical Reports der IUPAC,um die chemische Fachsprache imDeut-schen zu f;rdern. Sauber definierteBegriffe und klare Nomenklaturregelnbilden die Basis f2r eine Verst)ndigungzwischen den Wissenschaftlern einerDisziplin und sind f2r den Austauschzwischen Wissenschafts- und Fachspra-che sowie Allgemeinsprache essenziell.Alle �bersetzungen werden von einemausgewiesenen Experten (dem„Obmann“) gepr2ft, korrigiert undautorisiert. Die n)chste �bersetzung(„Definitionen von Grundbegriffen mitBezug zu niedermolekularen und poly-meren Fl2ssigkristallen“) ist f2r Heft 45/2004 vorgesehen. Empfehlungen vonThemen und Obleuten sind willkom-men.

[*] Prof. Dr. K. DanzerInstitut f(r Anorganische und AnalytischeChemieFriedrich-Schiller-Universit.t JenaLessingstraße 807743 Jena (Deutschland)E-mail: [email protected]

[**] Copyright9 der englischen Fassung, dieunter dem Titel „Concepts and Applica-tions of the Term ,Dimensionality‘ inAnalytical Chemistry“ von Klaus Danzer(Jena, Deutschland), Jacobus F. van Sta-den (Pretoria, S(dafrika) und DuncanThorburn Burns (Belfast, Großbritannien)f(r die VerAffentlichung in Pure Appl.Chem. 2002, 74, 1479–2002[11] vorbereitetwurde: International Union of Pure andApplied Chemistry, 2001. – Wir danken derIUPAC f(r die Genehmigung zum Druckeiner deutschen Fassung dieses TechnicalReport.

[***] Dom.ne wird hier im Sinn von mathe-matischer Raum gebraucht.

IUPAC-Empfehlungen

4768 � 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200460851 Angew. Chem. 2004, 116, 4768 –4771

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Dimensionen): Signalposition (d.h.Energie- oder Zeitcharakteristikeines Signals) und Signalintensit)t

* statistische Dimensionen: Zahl anVariablen (realer wie latenter), dief2r die Auswertung herangezogenwerden; sie legen den Typ derDatenbehandlung und -auswertungals univariat, bivariat oder multi-variat fest.

Diese verschiedenen Arten vonDimensionen k;nnen f2r die Charakte-risierung von analytischen Informatio-nen [einzeln (nur die zweit- oder dritt-genannten) oder] in Kombination ge-nutzt werden.[*]

Als Resultat chemischer Messungenwerden Signalgr;ßen erhalten, im Falleinstrumentell-analytischer MessungenSignalfolgen oder Signalfunktionen y=f(z). Die Registrierung von Signal-intensit)ten y als Funktion der Signal-position z (Abbildung 2) repr)sentiert

eine zweidimensionale Signalfunktion,die r2cktransformiert, d.h. durch Aus-wertung zur2ckgef2hrt werden kann ineine zweidimensionale analytischeInformation x= f(q). Auf der Abszissekann die Energie oder eine mit derEnergie zusammenh)ngende Gr;ße,z.B. Wellenl)nge, Frequenz oderMasse/Ladungseinheit, aufgetragensein (Spektrum) oder die Zeit (Chro-matogramm).[4] Ausgewertet wird dieSignalfunktion in der Regel in beidenDimensionen.

Eine Auswertung nur einer der zweiGr;ßen, entweder der Intensit)t yzieines Signals zi (das charakteristisch istf2r eine bestimmte Spezies in der Probe,siehe Abbildung 3 links) oder des Auf-tretens bestimmter Signale, welche dieAnwesenheit der zugeh;rigen Spezies inder Probe anzeigen (Abbildung 4),[oder das Fehlen charakteristischer

Signale, das deren Abwesenheitbeweist,] repr)sentieren typische eindi-mensionale analytische Informationen.Solche eindimensionalen Informationenentsprechen quantitativen Analyseneines gegebenen Analyten mit typischenEinzelelementmethoden wie der Atom-absorptionsspektroskopie (AAS).

Quasimehrdimensionale Informa-tionen, wie sie schematisch in Abbil-dung 3 rechts dargestellt sind, k;nnenauf mehrere Arten erhalten werden,z.B.* durch sequenzielle Knderung des

Detektionskanals, z.B. der Wellen-l)nge in der Spektralphotometrie,wodurch verschiedene Analytenacheinander bestimmt werdenk;nnen

* durch sequenzielle Knderung vonAnregungsquellen, z.B. der Hohlka-thodenlampen in der AAS

* durch sequenzielle Messung ein unddesselben Elements in verschiede-nen Spezies, die zeitlich getrenntvorliegen, z.B. bei der GC-gekop-pelten AAS

Eindimensionale Informationennach dem in Abbildung 4 dargestelltenSchema entsprechen in der analytischenPraxis qualitativen Analysen (Anwesen-heitspr2fungen z.B. mittels optischerEmissionsspektroskopie). Die Basis

daf2r ist allein die �berschreitungeines kritischen Wertes xC durch denMesswert xzi.

[3]

Der h)ufigste Fall in der Analyti-schen Chemie ist die Auswertung zwei-dimensionaler analytischer Informatio-nen, die in Form von Spektren, Chro-matogrammen, Thermogrammen,Strom-Spannungs-Kurven usw. vorlie-gen. Zus)tzliche Dimensionen k;nnensich aus folgenden Gr2nden ergeben:* Mehrere Trennschritte folgen auf-

einander, z.B. in der zweidimensio-nalen D2nnschichtchromatographie,woraus dreidimensionale analyti-sche Informationen y= f(z1,z2), wiesie in Abbildung 5 schematisch dar-gestellt sind, resultieren.

* Es handelt sich um zweidimensio-nale Anregungsexperimente (Anre-gung mit zwei Wellenl)ngen inder Fluoreszenzspektroskopie oderDoppelresonanz-NMR-Experimen-te), die ebenfalls dreidimensionaleInformationen y= f(z1,z2) erzeugen.

* Es wird eine Kupplungstechnik ver-wendet, d.h. eine instrumentelleVerkn2pfung zweier Analysenme-thoden, meist einer Trennmethodemit einer Bestimmungsmethode,z.B. GC-MS (Abbildung 6).

Abbildung 2. Zweidimensionale analytischeInformation in Form einer Signalfunktion.

Abbildung 3. Links: eindimensionale Informa-tion (in y-Richtung; quantitative Signalauswer-tung f(r einen gegebenen Analyten zi); rechts:quasimehrdimensionale Information (ber ver-schiedene Analyte (Sequenz eindimensionalerInformationen).

Abbildung 4. Eindimensionale Information (inz-Richtung; qualitative Signalauswertung,Signalidentifikation).

Abbildung 5. Dreidimensionale analytischeInformationen mithilfe einer zweidimensiona-len Analysentechnik.

Abbildung 6. Dreidimensionale analytischeInformationen mithilfe einer Kupplungstech-nik am Beispiel GC-MS.

AngewandteChemie

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* Es handelt sich um zeitabh)ngigeMessungen, die dreidimensionaleInformationen der Art y= f(z,t) lie-fern (Abbildung 7). Die gleicheCharakteristik ergibt sich bei Ver-teilungsanalysen in einer Raumrich-tung l, d.h. Linienscans, y= f(z,l).

* Bei analytischen Untersuchungenzur Verteilung einzelner Komponen-

ten repr)sentieren die Raumrichtun-gen der Probe zus)tzliche Variable.Dies gilt beispielsweise f2r Linien-scans mit Mikrosonden f2r mehrereAnalyte, y= f(z,lx), wobei im Fallezweier Spezies Informationen )hn-lich den in Abbildung 7 dargestell-ten erhalten werden, f2r Fl)chen-scans (Oberfl)chenprofile) mitMikrosonden f2r einen bestimmtenBestandteil, y= f(z,lx,ly) (Abbil-dung 8), f2r Komponentenbilder f2r

einen oder zwei Bestandteile inForm von Schwarzweißdarstellun-gen, z= f(lx,ly) (Abbildung 9) – f2rmehrere Komponenten als farbigeVerteilungsbilder – sowie f2r die„3D“-Bilder der SIMS (Sekund)r-ionenmassenspektrometrie), welchein Wirklichkeit vier- oder f2nfdi-mensionale analytische Informatio-nen repr)sentieren, je nach der tat-s)chlichen Funktion – y= f(z,lx,ly),y= f(lx,ly,lz) bzw. y= f(z,lx,ly,lz).

3. Alternative Charakterisierungder Dimensionalit�t von Analy-senfunktionen und analytischenInformationen

Das Beispiel der „3D“-SIMS-Bilderzeigt, dass die Dimensionalit)t von ana-lytischen Informationen oder von Mess-funktionen gelegentlich nach anderen

Prinzipien festgelegt wird als inAbschnitt 2 angegeben, wo sie als Zahlder abh)ngigen und unabh)ngigenVariablen in einer Analysenfunktiondefiniert wurde. Im Gegensatz dazuwird in der Signaltheorie die Dimensio-nalit)t von Signalfunktionen h)ufigallein aus der Zahl der unabh)ngigenVariablen abgeleitet und die der abh)n-gigen Gr;ßen außer Acht gelassen.Demzufolge wird eine Signalkurve,d.h. die Aufzeichnung der Signalinten-sit)t in Abh)ngigkeit von einer gege-benen unabh)ngigen Variablen, meistder Zeit, als eindimensional angesehen.Auch in der analytischen Praxis ist einesolche Betrachtung von Analysenfunk-tionen gelegentlich 2blich, speziell imZusammenhang mit analytischen Bil-dern. So werden Spektren hin undwieder als eindimensionale Bilderbezeichnet und Elementverteilungen,wie sie in Abbildung 8 und 9 dargestelltwurden, als zweidimensionale Element-bilder.

Anmerkung : Nach der Theorie derfraktalen Dimensionen sind ein-, zwei-,drei- und n-dimensionale Figuren nurGrenzf)lle.[6] Nur eine gerade Linie iststreng eindimensional, nur eine ebeneFl)che streng zweidimensional usw. F2rKurven wie die in Abbildung 7 rechtsergibt sich eine fraktale Dimension von1.1 bis 1.3, f2r eine gekr2mmte Fl)che

wie in Abbildung 8 eine von rund 2.25und f2r die aus einer durchgehendenLinie bestehende Figur in Abbildung 10eine von etwa 1.9.[6] Fraktale Dimen-sionen spielen in der AnalytischenChemie eine Rolle bei der Materialcha-

rakterisierung und bei Problemen derProbenhomogenit)t.[7]

Analysenfunktionen unterschiedli-cher Dimensionalit)t sind im Detailvon Danzer et al. in Lit. [5] angegebenworden. Die wichtigsten darunter mitpraktischer Relevanz sind in Tabelle 1zusammengestellt.

4. Dimensionalit�t von Analysen-daten

Die Dimensionalit)t von Analysen-daten muss von der Dimensionalit)t vonanalytischen Informationen und Mess-funktionen grunds)tzlich unterschiedenwerden. Mess- und Analysendatenwerden meist in Form von Datens)tzenoder Datenmatrizen dargestellt[Gl. [1]], wobei m die Zahl der Kompo-nenten (unterschiedliche chemische

Abbildung 7. Zeit- oder raumrichtungsabh.ngige Messungen, z.B. Linienscan f(r zwei Analytez1 und z2 mittels Elektronenstrahlmikrosonde, als dreidimensionale analytische Information inunterschiedlicher Darstellungsweise.

Abbildung 8. Oberfl.chenprofil eines Analyten(Mn-Verteilung in Eisen in einem Oberfl.chen-bereich, gemessen mittels Laser-Mikro-Emissi-onsspektroskopie).

Abbildung 9. Fl.chenscan f(r ein Element (Si-Verteilung in einem bin.ren Al-Si-Eutektikum,gemessen mittels Elektronenstrahlmikro-sonde).

Abbildung 10. Linienzug mit einer fraktalenDimension nahe 2.

IUPAC-Empfehlungen

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Spezies, Probenbestandteile) ist, die in nObjekten (Proben) bestimmt wurden;die Gr;ßen x sind meist Gehalte (Kon-zentrationen).[*] Die Matrix (1) hat dieDimension nPm und der entsprechendeDatensatz wird als m-dimensionalbezeichnet. Das Ziel der multivariatenDatenanalyse ist es, die Dimension vonDatens)tzen (-matrizen) zu reduzieren,indem redundante Variable in Form vonkorrelierten Komponentengr;ßenermittelt werden. Ergibt sich, dass kvon m Komponenten mit den 2brigenKomponenten korrelieren, verringertsich die Dimension des Datensatzesauf m�k, was der Zahl unabh)ngigerGr;ßen entspricht. Das Ziel vonMetho-den der Datenanalyse wie Faktorenana-lyse oder Hauptkomponentenanalyse(PCA)[**], [8] ist es, die Dimension desDatensatzes so weit zu reduzieren, dassdie Beziehungen zwischen den nObjek-ten (Proben) durch minimaldimensio-nale Displays, m;glichst in Form zwei-oder dreidimensionaler Grafiken, dar-gestellt werden k;nnen. Einzelheiten

2ber die Dimensionsreduzierung inDatens)tzen sind in der chemometri-schen Literatur, z.B. Lit. [2,8–10], zufinden.

[1] K. Eckschlager, K. Danzer, InformationTheory in Analytical Chemistry, Wiley,New York, 1994.

[2] I. E. Frank, R. Todeschini, The DataAnalysis Handbook, Data Handling inScience and Technology, Vol. 14 (Hrsg.:B. G. M. Vandeginste, S. Rutan), Else-vier, Amsterdam, 1994.

[3] L. A. Currie, Pure Appl. Chem. 1995, 67,1699.

[4] K. Danzer, L. A. Currie , Pure Appl.Chem. 1998, 70, 993.

[5] K. Danzer, K. Eckschlager, D. Wienke,Fresenius0 Z. Anal. Chem. 1987, 327,312.

[6] B. B. Mandelbrot, Fractals. Form,Chance, and Dimension, Freeman, SanFrancisco, 1977.

[7] K. Danzer, L. Kuechler, Talanta 1977,24, 561.

[8] M. A. Sharaf, D. L. Illman, B. R.Kowalski, Chemometrics, Wiley, NewYork, 1986.

[9] D. L. Massart, B. G. M. Vandeginste,S. N. Deming, Y. Michotte, L. Kaufman,Chemometrics, A Textbook, Elsevier,Amsterdam, 1988.

[10] K. Danzer, H. Hobert, C. Fischbacher,K.-U. Jagemann, Chemometrik. Grund-lagen und Anwendungen, Springer,Berlin, 2001.

[11] Der Originaltext wurde von der Com-mission on General Aspects of Analy-tical Chemistry der Analytical Chemis-try Division der International Union ofPure and Applied Chemistry betreut. –Dieser Kommission geh;rten w)hrendder Vorbereitung des Berichts (1998–2001) folgende Personen an: Titularmit-glieder: J. F. van Staden (Vorsitzender),R. I. Stefan (Sekret)r), K. Danzer, Y.Gohshi, H. M2ller; assoziierte Mitglie-der: L. H. Keith (1998–1999), L. K.Shpigun, J. Tyson (1998–1999), E. A. G.Zagatto, J. Vessman (2001), D. Thor-burn Burns (2001); L)ndervertreter : K.VytrSs (Tschechische Republik), J.InczTdy (Ungarn, 1998–1999), D. Thor-burn Burns (Irland, 1998–1999), W. Hor-witz (USA, 1998–1999), A. Hulanicki(Polen, 2001), S. S. Saavedra (USA,2001), M. Smyth (Irland, 2001).

Tabelle 1: Auswahl an Analysenfunktionen[5] und ihre Dimensionalit.t.

Analysenfunktion Information Dimension

zy,lx,ly,lz,t qualitative Durchschnittsanalyse (lx,ly,lz,t= const) f(r mehrere Komponenten, z. B. eine Reihe von T(pfelanalysen 1yz,lx,ly,lz,t quantitative Durchschnittsanalyse (lx,ly,lz,t=const) f(r eine gegebene Komponente, z. B. Gravimetrie oder AAS 1y= f(z)lz,ly,lz,t quantitative Durchschnittsanalyse (lx,ly,lz,t=const) f(r mehrere Komponenten, z.B. ICP-OES[a] 2y= f(lx)z,ly,lz,t Linienanalyse: Ermittlung der Knderung (Verteilung) der Menge (des Gehalts) einer Komponente (festgelegtes z)

entlang einer Linie lx quer (ber eine Probe hinweg, z. B. ESMA[b]2

z= f(lx,ly)y,lz,t Oberfl.chenanalyse: qualitative Darstellung der Anwesenheit (der Verteilung) mehrerer Komponenten (ber einOberfl.chengebiet (in Abbildung 9 f(r zwei Komponenten und ESMA[b] als Technik gezeigt)

3

y= f(lx,ly)z,lz,t Oberfl.chenanalyse: quantitative Darstellung der Knderung (Verteilung) der Menge (des Gehalts) einer bestimmtenKomponente (ber ein Oberfl.chengebiet (in Abbildung 8 f(r Mikrofunken-OES[c] als Technik gezeigt)

3

y= f(lx,ly,lz)z,t Volumenverteilung einer gegebenen Komponente: SIMS[d]-Daten; Darstellung meist mittels kategorialer, d.h.farbcodierter y-Werte

4

y= f(z,lx)ly,lz,t Linienanalyse mehrerer Komponenten: Ermittlung der Knderung (Verteilung) der Menge (des Gehalts) entlang einemProbenquerschnitt lx (in Abbildung 7f(r ESMA[b] als Technik gezeigt)

3

y= f(t) z,lx,ly,lz quantitative Prozessanalyse: Messung der Menge (des Gehalts) einer gegebenen Komponente z in Abh.ngigkeit vonder Zeit, z.B. mit Fließtechniken

2

..

. ... ..

.

y= f(z,lx,ly,lz,t) quantitative Bestimmung mehrerer Komponenten in Abh.ngigkeit von Raum und Zeit (r.umlich aufgelAstedynamische quantitative Mehrkomponentenanalyse), z.B. mithilfe einer Serie von 3D-SIMS[d]-Bildern f(r unter-schiedliche Elemente und zu verschiedenen Zeiten

6

[a] Optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma. [b] Elektronenstrahlmikrosonde. [c] Optische Emissionsspektroskopie.[d] Sekund.rionenmassenspektrometrie.

AngewandteChemie

4771Angew. Chem. 2004, 116, 4768 –4771 www.angewandte.de � 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim