archithese 2.05 - brush up, umbau, renovation / transformation, rénovation
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architheseFragen, Konflikte, Chancen des Umbaus
Bestand als Herausforderung – 11 Strategien
Neues Leben für alte Räume
Wiel Arets im Gespräch
Bauten und Projekte: Philippe Starck, MVRDV,
Burkhalter Sumi, Peter Märkli und Gody Kühnis
SANAA 21st Century Museum, Kanazawa
Herzog & de Meuron IKMZ der BTU Cottbus
Jomini Zimmermann, Thomas Jomini MFH, Bern
Meili Peter Park Hyatt, Zürich
2.2005
Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur
Revue thématique d’architecture
Brush-up, Umbau, RenovationTransformation, rénovation
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mitLeserdienst 122
000_Umschlag 2.6.2006 9:53 Uhr Seite 1
2 archithese 2.2005
E D I T O R I A L
Brush-up, Umbau, Renovation
«Nur noch das Traumschloss steht», titelte die NZZ am 29. Januar 2005. Die Ab-
brucharbeiten am Dolder Grand Hotel sind beendet: Der 1895–1896 von Jacques
Gros geplante Hotelbau ist von sämtlichen Anbauten wie Rotunde, Angestellten-
haus und Ballsaal «bereinigt» worden und soll – auch dank sechs in den histori-
schen Zustand zurückversetzter Zimmer – seine ursprüngliche Wirkung wieder voll
entfalten, während ein neuer Erweiterungsbau von Norman Foster das Ensemble
ergänzen wird. Aufwertung der bestehenden Bausubstanz oder barbarische Zer-
störung? Wie immer, wenn es um den adäquaten Umgang mit historischen Bauten
geht, scheiden sich die Geister. Weil jedes Objekt einzigartig ist, kann es keine Pa-
tentlösung für die richtige Haltung geben, sondern nur Grundsätze. Und obwohl
diese vielfach sehr sachlich begründet werden, ist der emotionale Ton des Diskur-
ses kaum zu überhören.
In diesem Heft soll es nicht in erster Linie um Denkmäler gehen, sondern um
gewöhnliche oder nicht ganz gewöhnliche Altbauten, wie sie gegenwärtig den
weitaus grössten Teil der Bausubstanz in Westeuropa ausmachen. Sanierungen
und Umbauten gehören bereits heute zu den häufigsten Bauaufgaben, in Zukunft
wird ihr Anteil noch weiter steigen. Auch bei jenen Bauten, die nicht explizit unter
Denkmalschutz stehen, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des Bestehen-
den und nach dem angemessenen Umgang mit der gebauten Vergangenheit; auch
hier kann der Dialog zwischen Alt und Neu unterschiedlichste Formen annehmen.
Die konstruktiven, differenzierten Eingriffe von Peter Märkli und Gody Kühnis
haben wenig mit Philippe Starcks Formen- und Farbenorgien gemeinsam, die von
MVRDV in Amsterdam beziehungsweise von Burkhalter Sumi in Zürich realisierten
Hotels sind kaum zu vergleichen. Dennoch beruhen sie – und alle weiteren Pro-
jekte, die im Folgenden vorgestellt werden – auf einer gelungenen Auseinander-
setzung mit bestehenden Bauten.
Die hier präsentierte Auswahl zeigt vor allem eines: Umbauten haben das Po-
tenzial, genauso spannend, wenn nicht spannender zu sein als Neubauten. Gerade
die Einschränkungen durch das Gegebene können zu besonders innovativen Lö-
sungen führen. Wenn Umbauten dennoch manchmal der Ruf anhaftet, langweilig
und zermürbend zu sein, so kann das nur daran liegen, dass die besten von ihnen
nicht mehr als Umbauten, sondern als eigenständige Projekte aufgefasst werden.
Wer würde schon das Gelbe Haus als banalen Umbau bezeichnen?
Redaktion
Neue ZürcherZeitung, 29. Januar2005
002-011_Editorial.qxp 15.3.2005 9:04 Uhr Seite 2
ZU UNRECHT VERSCHMÄHT
12 archithese 2.2005
Fragen, Konflikte und Chancen des Umbaus
Sanierungen und Umbauten gehören zu den
wichtigsten Bauaufgaben der Zukunft. So ernüch-
ternd die meisten Instandstellungen mit ihren
pragmatischen Zwängen auch sein mögen, so an-
spruchsvoll kann die Auseinandersetzung mit
der zeitlichen Dimension des Entwurfs ausfallen.
Verdichtung ganzer Stadtteile. Der gleichzeitig wachsende
Renditedruck auf diese Gebiete verschärft die Frage nach
einer angemessenen Nutzung. Die Knappheit des Baulandes
in den meisten urbanen Zentren Westeuropas und das gleich-
zeitige Schrumpfen einzelner Städte – etwa im Osten
Deutschlands – machen eine differenzierte Interpretation des
Bestands notwendig.
Dennoch gelten Umbauten gemeinhin als Übungsfeld für
junge Architektinnen und Architekten: Dass sie sich nach
der Gründung ihres Büros vorerst mit kleinen Sanierungen
über Wasser halten, wird allgemein akzeptiert, doch sehr
bald gilt es, aus der Umbauphase herauszuwachsen und sich
«richtigen» Aufgaben zuzuwenden. Wenn es um das Auf-
tragsvolumen und damit auch um das Überleben eines Archi-
tekturbüros geht, ist diese Haltung durchaus legitim. Weni-
ger verständlich ist sie, wenn sie mit einer qualitativen Ver-
urteilung verbunden ist. Unausgesprochen, aber deutlich
spürbar ist eine gewisse Herablassung gegenüber Umbauten
und jenen, die sie ausführen: Die Rücksicht auf die beste-
hende Bausubstanz – und nicht selten auch auf die Anliegen
einer angestammten Bewohner- und Benutzerschaft – sei ein
Hindernis im Entwurfsprozess und eigentlich nur denjenigen
zuzumuten, denen es ohnehin an wahrem Schaffensdrang
mangle.
Der Wert der Zeit
Dass solche Befürchtungen keineswegs begründet sein müs-
sen, liegt eigentlich auf der Hand. Selbstverständlich gibt es
uninteressante Altbauten, die auch nach ihrer Instand-
stellung uninteressant bleiben; und es stimmt auch, dass
gestalterische Ansprüche häufiger noch als bei Neubauten
von pragmatischen Überlegungen in den Hintergrund ge-
drängt werden. Und dennoch – Carlo Scarpas Museum im
Castelvecchio, ein Umbau wie jeder andere auch? MVRDVs
Lloydhotel in Amsterdam, uninspiriert? Viollet-le-Duc, phan-
tasielos?
Eingriffe in die bestehende Substanz gehören zu den an-
spruchsvollsten Aufgaben überhaupt. Die Auseinanderset-
zung mit dem Kontext (sofern sie stattfindet) ist viel direkter,
viel komplexer auch als beim Neubau, und die Wirkung der
Interventionen ist unmittelbarer. Vom Bauen auf der grünen
Wiese über das Bauen im historisch gewachsenen Kontext
Text: Judit Solt
In der Schweiz fliesst mehr als ein Drittel aller Investitionen,
die im Hochbau getätigt werden, in die Instandstellung von
Altbauten.1 In den nächsten Jahren dürfte dieser Anteil noch
steigen. Die Sanierung einer ganzen Generation von Häusern
aus den Sechziger- und Siebzigerjahren steht an; bei vielen
jüngeren Objekten wäre ein Abbruch mit Ersatzneubau
weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Die Anpassung
dieser zum Teil recht dürftig konstruierten Hochkonjunktur-
bauten an heutige Standards kann jedoch massive Eingriffe
notwendig machen. Die Anforderungen an Energiehaushalt,
Infrastruktur und räumliche Qualität sind in den letzten Jahr-
zehnten stark gestiegen, und dass sie sich häufig gegensei-
tig widersprechen, erschwert die Aufgabe zusätzlich.
Besonders dramatisch ist die Situation im Wohnungsbau.
Ein Drittel aller in der Schweiz genutzten Wohnhäuser wurde
vor 1947, die Hälfte zwischen 1947 und 1980 gebaut. Das be-
deutet unter anderem, dass die grosse Mehrheit der Wohnun-
gen aus einer Zeit stammt, in der drei Zimmer für eine
Familie ausreichen mussten. Heute wird in der Regel deutlich
mehr gefordert: Seit 1950 hat sich in der Schweiz die durch-
schnittliche Nettowohnfläche pro Person verdoppelt.2 Insbe-
sondere Städte wie Zürich, Basel und Bern leiden deshalb
unter einem akuten Mangel an grossen Wohnungen.3 Neu-
bauten mögen diese Situation etwas entschärfen; doch bei
einer durchschnittlichen jährlichen Neubaurate zwischen ein
und zwei Prozent4 dürfte dies einige Zeit in Anspruch neh-
men. Der Beitrag, den Sanierungen in diesem Zusammen-
hang leisten können, ist nicht zu vernachlässigen.
Hinzu kommen Renovationen, Umnutzungen und Neupla-
nungen im grösseren Massstab. Die Auseinandersetzung mit
bestehenden Bauten nimmt immer öfter städtebauliche
Dimensionen an. Mit den wirtschaftlichen Umwälzungen der
letzten zwei Jahrzehnte hat die Umnutzung ehemaliger Indus-
trie- und Infrastrukturanlagen an Bedeutung gewonnen.
Nach dem Rückgang des sekundären Sektors und der damit
verbundenen Schliessung von Produktionsstätten stehen
vielerorts grosse, gut erschlossene städtische Industrieareale
leer. Die Verlegung platzintensiver, aber renditeschwacher
Nutzungen – etwa durch die Bahnen, welche Remisen und
Werkstätten aus den Zentren auslagern und Bahnhofsge-
bäude vermieten oder verkaufen – ermöglicht eine bauliche
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1 «Insertion habileet courtoise»:Francis Soler:Ministère de laCulture et dela Communication,Paris, 2005 (Wett-bewerb 1995)Der Block zwischender rue SaintHonoré, der rueCroix des PetitsChamps, der rueMontesquieu undder rue des BonsEnfants besteht auseiner 1919 erbau-ten, repräsentativenDépendance der
Magasins du Louvreund aus einemfunktionalistischenBürogebäude von1960. Die Architek-ten verbanden die inFassadengestaltungund GeschossanzahlunterschiedlichenBauten, indem sieallen Fassaden undteilweise auch denDächern das gleicheRaster vorlagerten.Die 12 mm dickenChromstahlplatten,die mittels Laser-technik auf einfeines Liniengeflecht
reduziert wurden,nehmen die Fenster-masse des neuerenGebäudes auf.Der ehemals dunkleHof, heute einexperimentellerGarten, öffnet sichneu zur rue desBons Enfants.Architektur:ArchitecturesFrancis Soler, Paris;Mitarbeit: JérômeLauth, VincentJacob, FrançoisHernandez, VincentDugravier; Trag-konstruktion:
Séchaud & Bossuyt,Paris; Innenarchi-tektur: FrédéricDruot, Paris;Gartengestaltung:Michel Desvigne,Patrick Blanc(Botanik), Paris;Auftraggeber:Ministère de laCulture et de laCommunication,Paris(Foto: agenceFrancis Soler etNicolas Borel)
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1Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc: Restaurierung der Salle Synodale de Sens, 1855–1865
Bei dieser Restaurierung wandte Viollet-le-Duc (1814–1879) beispielhaft jene Prinzipien an, die er in seinem zehnbändigen Dictionnaire raisonné
de l’architecture française du XIe au XVIe siècle (Paris 1854–1868) dargelegt hatte. Ob ein stilistisch einheitlicher, zu einem bestimmten historischen
Zeitpunkt geplanter oder realisierter Zustand eines Denkmals wiederhergestellt werden solle oder ob eine Konservierung der Veränderungen an-
gestrebt werden müsse, sei von den jeweiligen Umständen abhängig. Beim Synodensaal entschied er sich nicht nur aus archäologischen, sondern
vor allem auch aus sozio-politischen Gründen für eine Wiederherstellung: Er betrachtete die gotische Baukunst als Manifestation einer von städti-
schen Laien bestimmten, freiheitlichen Kultur im Gegensatz zur düsteren Vorherrschaft von Religion und Feudalismus. Zudem sah er in der goti-
schen Skelettbauweise eine Vorläuferin der rationalen Eisenskelettkonstruktion des 19. Jahrhunderts und in der Analyse der mittelalterlichen Kon-
struktion eine Basis für neue, zeitgenössische Lösungen.
Als erfolgreicher Architekt und Freund von Prosper Mérimée, Schriftsteller und Inspektor der historischen Denkmäler Frankreichs, restaurierte
Viollet-le-Duc unter anderem die Stadtbefestigung in Carcassonne, die Kirche Sainte-Madelaine in Vézelay, die Basilika von Saint-Denis, die Sainte-
Chapelle und die Notre-Dame in Paris, die Kathedralen von Toulouse, Amiens, Clermont-Ferrand und Lausanne, sowie einige Profanbauten. Schon
zu Lebzeiten als «Verfälscher» der historischen Substanz umstritten und von den Klassizisten angefeindet, gilt Viollet-le-Duc als Begründer der
historischen Denkmalpflege im Frankreich des 19. Jahrhunderts.
(Fotos aus: Jean-Paul Midant, Au Moyen Âge avec Viollet-le-Duc, Paris 2001, S. 34–35)
BESTEHENDE SUBSTANZ ALS HERAUSFOR
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3Hans Döllgast: Wiederaufbau der Alten Pinakothek,
München, 1952–1957
Die Alte Pinakothek mit der Bayerischen Staatsgemälde-
sammlung wurde auf Veranlassung von Ludwig I. von Leo
von Klenze zwischen 1826 und 1836 errichtet. Während meh-
rerer Bombenangriffe wurden zwischen 1943 und 1945 neun
der 25 Achsen der Alten Pinakothek zerstört. Hans Döllgast
beschäftigte sich seit 1946 mit dem Wiederaufbau. Die Spu-
ren der Zerstörung sind am Aussenbau zu erkennen, vor al-
lem an der Südfront bleiben die Kriegseinwirkungen noch
heute sichtbar. Das grosse trichterförmige Loch, das die Bom-
ben hinterlassen haben, hat der Architekt beim Wiederauf-
bau mit helleren Ziegeln gefüllt. Die Säulenordnungen fehlen
in diesem Bereich und sind durch Eisenstreben ersetzt. Im
Inneren entstand ein grosses, quer gelagertes Treppenhaus,
bei dem Kargheit zur Monumentalität wird.
(Foto: Hubertus Adam)
2 Joz̆e Plec̆nik: Umbau des Prager Hradschin, 1920–1931
Ab 1920 war Joz̆e Plec̆nik, ernannt durch den tschechischen Präsidenten Tomás̆
Masaryk, als Architekt des Prager Hradschin tätig; Plec̆niks Neigung zur Antike
traf sich mit mit den Vorstellungen eines demokratischen, auf humanistischen
Idealen basierenden Staats, wie ihn Masaryk vertrat. In seiner langjährigen Arbeit
interpretierte Plec̆nik in einer neuen und eigenartigen Weise den Genius Loci des
historischen Komplexes. Er baute Hofräume, Terrassen, Gärten und Durchgänge
um, denen er durch grosszügige Organisation Ordnung und Monumentalität, aber
auch eine Atmosphäre von Intimität und Kontemplation im mediterranen Sinne –
als Erinnerungsarchitektur – gegeben hat. Für die Arbeiten verwendete er nur
natürliche – und kostenintensive – Materialien wie Ziegel, Metall, Holz und am
liebsten Stein, den er speziell in böhmischen Steinbrüchen aussuchte. Die Arbeiten,
die anfangs mehrheitlich begrüsst wurden, stiessen schliesslich auf den Wider-
stand reaktionär-nationalistischer Kreise und mussten eingestellt werden.
(Foto: Hubertus Adam)
ORDERUNG: 11 STRATEGIEN
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26 archithese 2.2005
Konservieren, Überfassen, Rekonstruieren Gedanken eines Architekten zu Theorie und Praxis der Denkmalpflege im
Allgemeinen, zum schwierigen Umgang mit historischen Innenräumen im Speziellen, und besonders zum Wagnis der Re-
konstruktion.
Text: Arthur Rüegg
Rem Koolhaas als Denkmalpfleger? Oder vielleicht Mies
van der Rohe? Das ist eine Rolle, die nicht zum Mythos eines
Vordenkers passen will. Zwar macht das Bewahren und Er-
gänzen des Baubestandes bald den Löwenanteil an der Bau-
praxis aus, aber es haftet ihm immer noch der Ruch der
«Interpretation» an, was heissen will: ein Manko an «künst-
lerischer Originalität». Als Lehrmeisterin hingegen wird die
Geschichte von den Vordenkern kaum in Frage gestellt –
Koolhaas stützte sich ja, unter anderem, auf Mies van der
Rohe und dieser wiederum auf Schinkel.
Bis in Karl Friedrich Schinkels Zeit hinein gehörte der
Umgang mit Denkmälern zum zentralen Verantwortungsbe-
reich der entwerfenden Architekten. Hatten er oder Sir John
Soane noch kenntnisreich Erinnerungsstücke aller Art auf
ihre Formen und Bedeutungen hin untersucht und für einen
aktuellen Gebrauch frei inszeniert, kombiniert und eventuell
kopiert, ist solches Tun seit langer Zeit suspekt geworden.
Wissenschaftlich abgesichert, administrativ und buchhalte-
risch kontrolliert, ist die Denkmalpflege inzwischen zu einem
Spezialgebiet mutiert, bei dem es um das möglichst integrale
Sichern der Geschichtlichkeit in ihren immer mehr gefährde-
ten materiellen Zeugen geht, ungeachtet ästhetischer Qua-
litäten, ungeachtet des Ortes und Nutzens einer Sache.
Denkmal versus Bauidee
Immerhin: Die wesentlichen Fragen wurden bereits im
19. Jahrhundert gestellt. Zum damaligen Zeitpunkt von ho-
hen politischen Stellen getragen, dann sinngemäss als
«Schönheitschirurg» verspottet und heute wieder für dis-
kussionswürdig befunden, hatte der Architekt Eugène Em-
manuel Viollet-le-Duc (1803–1897) viele mittelalterliche Ka-
thedralen, Schlösser und Städte vor dem Zerfall gerettet und
rekonstruierend wiederhergestellt. Leider hat er dabei «das
Mittelalter korrigiert» und, wo seiner Meinung nach Lücken
oder Mängel vorhanden waren, den Bestand skrupellos er-
gänzt. Er strebte die Restaurierung bis zu einem möglichst
«kompletten Zustand» an – selbst wenn dieser so nie exis-
tiert hatte. Er wollte also nicht bloss reparieren und vermut-
lich auch nicht einfach interpretieren, sondern gewissermas-
sen als «Vollender» einer unvollendet gebliebenen Architek-
tur in die Geschichte eingehen. Dabei hatte er die uns
NEUES LEBEN FÜR ALTE RÄUME
1
026-033_Rüegg Rekonstruktion 14.3.2005 16:09 Uhr Seite 26
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interessierenden Fragen jeweils selbst zu beantworten:
Sollte der ursprüngliche Entwurf, der womöglich nie reali-
siert wurde, als Vorlage für die Restaurierung dienen oder
das bunte Stilgemisch der meist mehrere Jahrhunderte um-
fassenden Baugeschichte? Galten seine Anstrengungen der
Suche nach der verlorenen Bauidee oder dem Weiterstricken
am vielfach überfassten Denkmal?
Die Gegenposition zu Viollet-le-Duc vertrat der Engländer
John Ruskin (1819–1900). In seiner überaus einflussreichen
Programmschrift The Seven Lamps of Architecture (1849) tat
er jegliche Rekonstruktion kategorisch als historische Lüge
und als Geschichtsfälschung ab. Auch er war ein Kenner und
Liebhaber gotischer Architektur, aber er zog im Gegensatz zu
Viollet-le-Duc die Komplexität der gewachsenen Architektur
und die Authentizität der langsam verwitternden Sandstein-
schichten einer unzulässigen «Totenerweckung» vor – selbst
wenn die Bauwerke schliesslich bloss als ruinöse Erinne-
rungsstücke überleben sollten.
Solchen Fragestellungen kann sich auch die moderne
Denkmalpflege nicht entziehen. Zwar lehnt sie die Denk-
malmanipulation ebenso ab wie die Rekonstruktion längst
verlorener Originale oder gar das historisierende Weiter-
bauen (die Imitation) – der historisierende Wiederaufbau der
Frankfurter «Römerberg Ostzeile» lässt grüssen. Auf der an-
deren Seite vermag sie auch der romantischen Vision John
Ruskins nicht zu folgen, die Denkmäler verfallen zu lassen
oder im Verfallszustand zu konservieren – was sich übrigens
politisch kaum durchsetzen liesse. Wenn wir uns etwa an
den Zustand der Dessauer Meisterhäuser in der Zeit kurz
nach der Wende erinnern, wird das Dilemma sofort klar: Geht
es primär um die historische Spurensicherung – «die Ruine
eines mehrfach ‹unsachgemäss› überfassten Meisterwerkes
pflegen» – oder um die Wiederherstellung eines wertvollen
Erstzustandes – «ein Juwel wieder zum Leuchten bringen»?
«Weiterbauen» . . .
Das Besondere an den Denkmälern ist, «dass sie nicht nur
über Geschichte berichten, sondern dass sie selbst ein Teil
dieser Geschichte waren und als originale Zeugen der Ge-
schichte wie materielle Kristallisationen der Vergangenheit
vor uns stehen»1 – eine Definition Georg Mörschs, die kaum
Widerspruch duldet. Die Schwierigkeiten beginnen gleich-
sam mit dem Kleingedruckten. Wenn nämlich an einem sol-
chen Denkmal «nichts grundsätzlich nicht erhaltenswert
ist»2, bedeutet jeder Eingriff eine an sich unzulässige Störung
oder gar Zerstörung seines integralen Zeugnischarakters.
Natürlich ist die Schärfe dieser Formulierung am Bau nicht
durchzuhalten. Die Verhandlungen über das tolerierbare
Mass an Veränderung machen schliesslich den Alltag der
praktischen Denkmalpflege aus: Die neuen Nutzer artikulie-
ren ihre Ansprüche an das Pflichtenheft der Erneuerung je-
weils ebenso imperativ wie die Technokraten in der Verwal-
tung. Uns Architekten bleibt nur die Möglichkeit, einen
Brückenschlag zwischen den verschiedenen Positionen zu
versuchen. These und Gegenthese werden dabei zu einer
neuen Einheit verschmolzen, die als Erkenntnis und nicht als
«Kompromiss» zu verstehen ist. Nachdem der grundsätzliche
Streit um die historischen Zeugen leiser geworden ist, hat
heute die Frage nach der Art der Erhaltung und Ergänzung
die entscheidende Bedeutung und gesellschaftliche Relevanz
erlangt. Und wir sind im Begriff, die sorgfältige Arbeit am Be-
stand als eines der phantasiereichsten Laboratorien des ar-
chitektonischen Entwurfs zu entdecken.
In diesem Zusammenhang wird Viollet-le-Duc interessant;
und natürlich der von den Restauratoren verwendete Begriff
Fassung. Nolens volens stellen wir immer eine neue Fassung
her und entdecken dabei meist, dass selbst geschlossen wir-
kende Ensembles bereits mehrfach überfasst wurden. Wir
werden uns dabei von den Regeln der modernen Denkmal-
pflege leiten lassen, fast zwangsläufig aber auch an die Gren-
zen der Wissenschaft stossen. Stossen müssen?
Ich selbst habe das dialogische Arbeiten mit dem Bestand
– zusammen mit Ueli Marbach und Bruno Pfister – erstmals
1970 im städtebaulichen Massstab versucht und damals als
Synchronisation von Alt und Neu bezeichnet. Nachdem
Mario Campi 1976–1977 die zwischen 1934 und 1936 er-
schienene Hauspostille der Schweizer Modernen wieder auf-
gelegt hatte, verwendeten wir für fast jeden Vortrag und für
1 John Ruskin, Teilder Kathedrale vonSt. Lo, Normandie(John Ruskin, Diesieben Leuchter derBaukunst, Leipzig1900, Tf. 3, englischeOriginalausgabe1849)
2 «ReversibleÜberfassung»:Einrichtung vonBüros in denObergeschossen derVilla Schönberg,Zürich, 2002Architektur: SilvioSchmed und ArthurRüegg(Fotos 2+3: Alexan-der Troehler)
2
026-033_Rüegg Rekonstruktion 14.3.2005 16:09 Uhr Seite 27
1 Axonometrie desZustands zurEntstehungszeit
2 Südfassade mitBlick über dasInntal(Foto: 2+3, 10–12,14: Georg Gisel)
3 Detail Nordfas-sade mit Treppen-aufgängen über dieTerrassenDas Volumen derSporthalle rechtsersetzt das frühereHallenbad
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Peter Märkli, Gody Kühnis: Sanierung und Erweiterung des
Schulzentrums Wörgl, 1998–2004 Eine Hallenschule aus den Siebzi-
gerjahren im österreichischen Wörgl musste heutigen Anforderungen
angepasst werden. Beim Umbau ist es gelungen, die Raum- und
Materialqualitäten des Altbaus zu bewahren, ohne sich einer
sklavischen Rekonstruktion zu befleissigen: Weiterbauen im Geiste
der Entstehungszeit, aber mit heutigen Mitteln.
trat auch das Bürgertum als Bildungsträger auf und erste
städtische Schulbauten entstanden. Ein spezifischer Bau-
typus hatte sich aber bis ins Zeitalter der Aufklärung, welche
erst zur allgemeinen Schulpflicht führte, nicht entwickelt. Auf
dem Dorf fand der Unterricht in Spinnstuben, Armenhäusern
oder in den Wohnzimmern des Lehrers statt. Erst im Gefolge
der Vergrösserung der Städte und der Industriealisierung im
ausgehenden 19. Jahrhundert sowie der Differenzierung der
Schulsysteme kam es zu einem charakteristischen Schul-
typus. Die städtische Schule bestand nun aus einem mehrge-
schossigen, symmetrisch angelegten Gebäude mit beidseits
von Klassenzimmern flankierten Fluren, die von einem zent-
ralen Treppenhaus ausgingen. Durch die massive Bauweise
avancierten Schulen zu stadtbildprägenden kommunalen Re-
präsentationsbauten.
Dieses Konzept geriet in den Zwanzigerjahren des ver-
gangenen Jahrhunderts massiv ins Wanken. Im Gefolge der
Reformbewegungen um 1900 hatte sich ein neues Verständ-
nis der Gemeinschaft mit reformpädagogischen Konzepten
und der Hygiene-Ideologie verbunden. Licht, Luft und Sonne
sollten die Schule durchdringen, das einst autoritäre Verhält-
nis von Schüler und Lehrer wich einer partnerschaftlichen
Vorbildfunktion, die passive Wissensverabreichung einem
aktiven Lernen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass für die Ar-
chitekten der Zwanzigerjahre, die – anders als die meisten
Text: Hubertus Adam
Blickt man auf die meisten der zeitgenössischen Schulen, so
ist zu konstatieren, dass bei aller formalästhetischen Avan-
ciertheit sich die bauliche Hülle vergleichsweise traditionell
und konventionell zeigt. Natürlich, die Klassenzimmer sind
gut, im Allgemeinen zweiseitig belichtet, die Einrichtung ist
mobil und flexibel, so dass auf verschiedene Unterrichtssitua-
tionen reagiert werden kann. Doch im Grunde genommen
handelt es sich fast immer um das gleiche Organisations-
prinzip: Korridore, an die sich (meistens) einseitig Sequen-
zen von Klassenzimmern anlagern, ein Flügel mit Spezial-
räumen, die spezifische Installationen erfordern, ein Verwal-
tungsbereich mit Lehrerzimmer, Sekretariat und Direktion,
eine Sporthalle. Und das alles in einer zumeist orthogonalen
Anordnung: gerade Korridore, rechteckige Klassenzimmer.
Befreiung vom Korridortypus
Bemerkenswert ist die relative Einheitlichkeit zeitgenössi-
schen Schulbaus, wenn man bedenkt, dass die Bauaufgabe
Schule über Jahrhunderte hinweg keine spezifische Typolo-
gie ausgebildet hatte.
Im Mittelalter waren die Bildungsstätten zunächst mit der
sakralen Obrigkeit verbunden; Unterricht fand in den Klös-
tern statt und war einer kleinen Schicht werdender Kleriker
und Verwaltungsbeamter vorbehalten. In der Renaissance
KONSTRUKTIVEERGÄNZUNG
1
056-061_Märkli Wörgl 14.3.2005 16:13 Uhr Seite 56
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ihrer heutigen Kollegen – noch der Ansicht waren, durch
Bauen liesse sich die Gesellschaft verändern, der Schulbau zu
einer wichtigen Bauaufgabe wurde. Neues Bauen für neue
Menschen fand im Schulbau sein Paradigma. Entsprechend
vielfältig sind die Lösungen für neue Schulen in dieser Zeit –
typologisch entstanden vorwiegend Pavillon- oder Atrium-
konzepte. Während die Entwicklung in Deutschland und
Österreich in der NS-Ära unterbrochen wurde, verlagerte sich
die Ausbildung neuer Schulkonzepte auf England und die
skandinavischen Länder.
Konzept Hallenschule
Inspiriert durch die Erfahrungen der Vorkriegszeit sowie die
Entwicklung im Ausland begann der 1922 geborene und an
der Wiener Akademie ausgebildete Architekt Viktor Hufnagl
seit Anfang der Fünfzigerjahre, mit dem Typus einer Hallen-
schule zu experimentieren, durch die der monofunktionale
Gangtypus endgültig abgelöst werden sollte. Dabei fungiert
die zentrale Halle, die auch als Pausen- und informeller Kom-
munikationsbereich dient, als kompakte Erschliessungszone,
an welche sich die idealtypisch quadratischen, zweiseitig be-
lichteten Klassenzimmer anlagern. Ziel war es, in Abkehr von
den dörflichen Zwergschulen grosse Schulzentren als gesell-
schaftliche Mikrokosmen zur spielerischen Einübung sozia-
len Verhaltens zu errichten – und diese, sofern möglich, über
die schulischen Funktionen hinaus ausstrahlen zu lassen. So
resümierte Hufnagl 1973: «Die Zusammenlegung von Ge-
meinschafts- und Schuleinrichtungen [ . . . ] zu einem Kultur-
und Bildungszentrum auf einem gemeinsamen Grundstück
würde grösstmögliche Effektivität an Sozialkontakt der Ju-
gend mit den Erwachsenen und, umgekehrt, an pädagogi-
schem Nutzen und Kosteneinsparungen bringen.» Idealiter
sei die «Integration der Funktionen aller Bauvorhaben einer
Gemeinde in einem Gesamtbauvorhaben» anzustreben.
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056-061_Märkli Wörgl 14.3.2005 16:14 Uhr Seite 57
68 archithese 2.2005
A R C H I T E K T U R A K T U E L L
Gestalt und Gestaltlosigkeit
HERZOG & DE MEURON: INFORMATIONS-,
KOMMUNIKATIONS- UND MEDIENZENTRUM
DER BTU COTTBUS, 1994–2005
Am Angelpunkt zwischen Innenstadt und
Universitätsgelände ist in Cottbus eine neue
Bibliothek entstanden. Herzog & de Meuron,
die hier – anders als vor einigen Jahren in
Eberswalde – auch das Innere gestalten
konnten, realisierten einen Baukörper, der mit
seinem Oszillieren zwischen repräsentativer
Geste und beiläufiger Gestalt auch für den
heutigen Umgang mit der Organisation des
Wissens steht.
Studenten, so sagt man mir, sind nicht unzufrieden
mit ihrer Stadt. Während das Geld anderenorts ge-
rade einmal für ein bescheidenes Zimmer in einem
Wohnheim reicht, kann man in Cottbus, der zweit-
grössten Stadt Brandenburgs, grosszügige Räu-
me in unrenovierten Gründerzeitvillen beziehen.
Und darüber hinaus zahlt die Stadt den Studenten,
die hier ihren Erstwohnsitz anmelden, eine er-
kleckliche Summe – damit die Bevölkerungszahl
nicht unter die magische Grenze von 100 000 sinkt
und Cottbus seinen mit Zuwendungen der öffent-
lichen Hand verbundenen Status als Grossstadt
verliert. Diese Gefahr besteht ständig, da die
Hauptstadt der Niederlausitz wie andere Städte im
1 Ansicht von Norden; aufder rechten Seite deruniversitätsseitige Eingang(Fotos 1+4: Hubertus Adam)
2 WettbewerbsprojektH&deM 1994: Bibliothekund Auditorium Maximumals Ergänzung desUniversitätscampus(© Herzog&de Meuron)
3 Formale Entwicklungdes Universitätsgebäudesnach Beginn der Neupla-nung 1998(© Herzog&de Meuron)
4 Ansicht von Südosten,aus Richtung Innenstadt
5 Nachtansicht vonSüdosten(Fotos 5 + 6, 8 +9, 17:Werner Huthmacher)
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068-073_HdM Cottbus 14.3.2005 16:17 Uhr Seite 68
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Osten Deutschlands unter Bevölkerungsschwund
und Rezession leidet. Der nahe Spreewald und
der am südöstlichen Stadtrand gelegene Branitzer
Park des Fürsten von Pückler-Muskau sind touristi-
sche Attraktoren ersten Ranges, doch die Nähe zu
Berlin, das eine gute Autostunde entfernt ist, hat
diese Orte zu Zielen von Tagesausflügen werden
lassen, von denen Cottbus wenig profitiert. Auch
das Lehrpersonal der Brandenburgischen Techni-
schen Universität (BTU), das sich ohnehin zum
grössten Teil aus der Bundeshauptstadt rekrutiert,
ist zu einem Wohnungswechsel kaum zu motivie-
ren: Wer in den Kiezen von Schöneberg oder Wil-
mersdorf, von Charlottenburg oder Prenzlauer
Berg sozialisiert ist, sehnt sich nicht nach abend-
lichen Rundgängen durch die eher öde Innenstadt
von Cottbus. Als ich im Städtischen Theater, einem
hervorragend erhaltenen Jugendstil-Bau des Ar-
chitekten Bernhard Sehring, ein Konzert besuche,
senke ich den Altersdurchschnitt erheblich. Immer-
hin, es wird nicht nach jedem einzelnen Satz von
Bartók geklatscht.
Hoffnungsträgerin Universität
Die BTU, nach der Wende aus der früheren Hoch-
schule für Bauwesen und einigen anderen Institu-
ten hervorgegangen, ist eine der wenigen Hoff-
nungsträgerinnen für Stadt und Region. Der Cam-
pus, ein aus DDR-Zeiten stammendes Ensemble
aus rektangulären Baukörpern, befindet sich nord-
westlich der Innenstadt und grenzt im Osten an die
stark befahrene Magistrale der Karl-Marx-Strasse,
welche das Unigelände in direkter Nord-Süd-Rich-
tung mit dem Hauptbahnhof verbindet. 1994 lobte
das Land Brandenburg einen Wettbewerb aus, um
mit einem zentralen Hörsaalgebäude und einer
Bibliothek für die nunmehr gewachsene BTU jene
zentralen Einrichtungen zu schaffen, an denen es
bislang mangelte. Herzog & de Meuron erlangten
in dieser Konkurrenz den zweiten Platz – mit einem
Konzept, das auf dem östlich der Karl-Marx-Stras-
se gelegenen Erweiterungsgelände zwei solitäre
Baukörper zu errichten vorsah, deren orthogonale
Gestalt durch den bestehenden Raster der gegen-
überliegenden Universitätsbauten bestimmt war.
Die Bibliothek sollte aus einem rechteckigen Volu-
men mit drei ebenfalls rechteckigen Lichthöfen be-
stehen.
Als die Planung 1998 wieder aufgenommen
wurde, war das Auditorium Maximum nach dem
Entwurf des erstplatzierten Büros KSP an einer an-
deren Stelle errichtet worden, und zwar inmitten
des bestehenden Campus. Weil nun nur noch ein
einziges Gebäude auf der Erweiterungsfläche vis-
à-vis zu errichten war, unterzogen Herzog & de
Meuron ihr Bibliotheksprojekt einer grundsätz-
lichen Neukonzeption. Aus dem strengen, ortho-
gonalen Block wurde nach mehreren Stufen der
Überarbeitung ein komplexes Volumen über ei-
nem amöbenförmigen Grundriss. Diese Form, die
aus sich überlagenden Kreisen verschiedener
Grössen entwickelt ist und zunächst eher beliebig
erscheint, reagiert auf die städtebauliche Situa-
tion: Nach Westen hin, zur Karl-Marx-Strasse, öff-
net sie sich in einer einladenden Geste Richtung
Universität; nach Südosten hin, Richtung Innen-
stadt, empfängt sie die Besucher aus dem Cottbu-
ser Zentrum. Programmatisch steht die neue Bib-
liothek – im politisch korrekten, aber schwerfälligen
Neudeutsch als Informations-, Kommunikations-
und Medienzentrum (IKMZ) bezeichnet – jedem
Interessenten offen und besetzt deswegen folge-
richtig einen städtebaulichen Angelpunkt zwi-
schen Stadt und Universität. Neben 5000 Studie-
renden bedient das IKMZ ausserdem 7000 univer-
sitätsexterne Leser.
Fast wäre das Projekt aufgrund der Finanz-
knappheit im Jahr 2000 zum Erliegen gekommen.
Herzog & de Meuron mussten ihren Entwurf noch
einmal revidieren, und das hiess nun: dem redu-
zierten Budget anpassen. Ein runder Lichthof wur-
de gestrichen, die Ausstattung im Inneren musste
sparsamer ausfallen. Vor allem aber war es ange-
sichts der Grundwassersituation nicht möglich,
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068-073_HdM Cottbus 14.3.2005 16:17 Uhr Seite 69