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14 Medizin | Interview zur Liquid Biopsy | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 49 • 04/2016 Tumorzellen ins Serum abgegeben werden. Ihre diagnostische Spezifität ist naturgemäß begrenzt, da die klassischen Tumormarker keine veränderten Proteine darstellen, die ausschließlich von Tumorzellen produziert werden. Deshalb kennzeichnet ein erhöhter Tumormarkerwert nicht zwangsläufig eine Tumorerkrankung. Es könnte sich auch um einen entzündlichen Prozess handeln, eine degenerative Erkrankung oder eine indivi- duelle Variante. Ist jedoch ein Tumor diag- nostiziert – dazu stehen uns mit Bildgebung, Pathologie und Labormedizin umfangreiche Instrumentarien zur Verfügung – und fin- den wir vor Therapiebeginn einen bestimm- ten Serumparameter mit diesem Tumor assoziiert, dann können wir diesen Marker im Behandlungsverlauf verfolgen. Wir sehen dann, ob er unter der Therapie zurückgeht, und die Therapie somit Erfolg hat. Und in der Nachsorge eingesetzt, kann ein solcher Tumormarker das Auftreten eines Rezidivs zuverlässig anzeigen. In der Versorgung von Krebspatienten ist es wichtig, dass viele Disziplinen Hand in Hand arbeiten. Professor Weichert, wie genau sieht das an der TUM aus? Die sogenannte „Liquid Biopsy“ könnte die Krebsmedizin weiter voranbringen insbe- sondere in der Therapiestratifizierung und beim frühzeitigen Erkennen eines Rezidivs. „Diagnostik im Dialog“ sprach mit Profes- sor Dr. Jürgen Ruland und Professor Dr. Wilko Weichert vom Klinikum rechts der Isar (MRI) der TU München (TUM) über die heute etablierte Tumordiagnostik und welches Potenzial die Liquid Biopsy schon in naher Zukunft haben könnte. Es wurde deut- lich, dass die enge Forschungskooperation zwischen Pathologen und Labormedizinern für die Weiterentwicklung dieser Methode wichtig ist und daher vermehrt gemeinsame fachübergreifende Anstrengungen in diese Richtung wünschenswert sind. Professor Ruland, in der Krebsmedizin sind die klassischen Tumormarker seit langem etabliert. Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser klassischen Serumanalytik aktuell ein? Wo sehen Sie deren Grenzen? Die klassische Serumanalytik hat eine große Bedeutung bei fast allen Tumorentitäten – über die Organgrenzen hinweg. Seit vielen Jahren gibt es in der Labormedizin eine ganze Reihe gut etablierter Tumormarker, im wesentlichen Glycoproteine, die von Wir haben viele interdisziplinäre, klinische Tumorboards hier am Klinikum rechts der Isar. So begleiten wir in der Pathologie unge- fähr 20 Stunden Tumorboards pro Woche in rund 25 Disziplinen. Da treffen sich alle Kollegen aus den unterschiedlichen Berei- chen und diskutieren onkologische Fälle zunehmend auch unter Berücksichtigung molekularer Tumorprofile. Dieses Konzept wurde schon sehr früh bei uns am Klinikum verankert. Heute gilt es als internationaler Standard und wir empfehlen sehr, dass jeder onkologische Patient zumindest einmal in einem interdisziplinären Tumorboard vor- gestellt wird. Tatsächlich sind nahezu alle Fachrichtungen am MRI in die Behandlung onkologischer Patienten involviert: Das sind natürlich die medizinischen Onkologen, entitätsspezifische Spezialisten, Pathologen, Radiologen, aber auch zum Beispiel das Ins- titut für Humangenetik bei erblichen Tumo- rerkrankungen oder Psychoonkologen und Sportmediziner. Man muss sich vor Augen halten, dass etwa ein Viertel aller Deutschen an einer Krebserkrankung stirbt. Das ist also ganz klar einer unserer Tätigkeitsschwer- punkte hier am Klinikum. Und wie sieht es mit Schnittstellen zwi- schen Labormedizin und Pathologie aus? Prof. Ruland: Die Pathologie hat den großen Vorteil, das Gewebe als Verbund betrachten und lokale pathogenetische Prozesse sehr detailliert beleuchten zu können. Wir in der Labormedi- zin haben hingegen eine langjährige Expertise in der hochsensitiven und qualitätskontrollier - ten Bestimmung von biochemischen Analyten unterschiedlichster Stoffklassen aus verschie- denen Körperflüssigkeiten insbesondere aus dem Serum und Plasma. Wie oben angedeu- tet, haben die klassischen Tumormarker nicht notwendiger Weise etwas mit der ursächlichen Pathogenese des Tumors zu tun. Wenn wir die Tumorbiologie besser verstehen wollen, dann ist eine Zusammenarbeit unserer beiden Berei- che sehr wichtig. Liquid Biopsy „Das wird am besten durch Kooperation gelöst“ fotolia/Syda Productions

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Page 1: „Das wird am besten durch Kooperation gelöst“...Professor Dr. Wilko Weichert Seit dem 1. August 2015 leitet Professor Wilko Weichert das Institut für Allgemeine Pathologie und

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Medizin | Interview zur Liquid Biopsy | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 49 • 04/2016

Tumorzellen ins Serum abgegeben werden. Ihre diagnostische Spezifität ist naturgemäß begrenzt, da die klassischen Tumormarker keine veränderten Proteine darstellen, die ausschließlich von Tumorzellen produziert werden. Deshalb kennzeichnet ein erhöhter Tumormarkerwert nicht zwangsläufig eine Tumorerkrankung. Es könnte sich auch um einen entzündlichen Prozess handeln, eine degenerative Erkrankung oder eine indivi-duelle Variante. Ist jedoch ein Tumor diag-nostiziert – dazu stehen uns mit Bildgebung, Pathologie und Labormedizin umfangreiche Instrumentarien zur Verfügung – und fin-den wir vor Therapiebeginn einen bestimm-ten Serumparameter mit diesem Tumor assoziiert, dann können wir diesen Marker im Behandlungsverlauf verfolgen. Wir sehen dann, ob er unter der Therapie zurückgeht, und die Therapie somit Erfolg hat. Und in der Nachsorge eingesetzt, kann ein solcher Tumormarker das Auftreten eines Rezidivs zuverlässig anzeigen.

In der Versorgung von Krebspatienten ist es wichtig, dass viele Disziplinen Hand in Hand arbeiten. Professor Weichert, wie genau sieht das an der TUM aus?

Die sogenannte „Liquid Biopsy“ könnte die Krebsmedizin weiter voranbringen insbe-sondere in der Therapiestratifizierung und beim frühzeitigen Erkennen eines Rezidivs. „Diagnostik im Dialog“ sprach mit Profes-sor Dr. Jürgen Ruland und Professor Dr. Wilko Weichert vom Klinikum rechts der Isar (MRI) der TU München (TUM) über die heute etablierte Tumordiagnostik und welches Potenzial die Liquid Biopsy schon in naher Zukunft haben könnte. Es wurde deut-lich, dass die enge Forschungskooperation zwischen Pathologen und Labormedizinern für die Weiterentwicklung dieser Methode wichtig ist und daher vermehrt gemeinsame fachübergreifende Anstrengungen in diese Richtung wünschenswert sind.

Professor Ruland, in der Krebsmedizin sind die klassischen Tumormarker seit langem etabliert. Wie schätzen Sie die Bedeutung dieser klassischen Serumanalytik aktuell ein? Wo sehen Sie deren Grenzen?Die klassische Serumanalytik hat eine große Bedeutung bei fast allen Tumorentitäten –über die Organgrenzen hinweg. Seit vielen Jahren gibt es in der Labormedizin eine ganze Reihe gut etablierter Tumormarker, im wesentlichen Glycoproteine, die von

Wir haben viele interdisziplinäre, klinische Tumorboards hier am Klinikum rechts der Isar. So begleiten wir in der Pathologie unge-fähr 20 Stunden Tumorboards pro Woche in rund 25 Disziplinen. Da treffen sich alle Kollegen aus den unterschiedlichen Berei-chen und diskutieren onkologische Fälle zunehmend auch unter Berücksichtigung molekularer Tumorprofile. Dieses Konzept wurde schon sehr früh bei uns am Klinikum verankert. Heute gilt es als internationaler Standard und wir empfehlen sehr, dass jeder onkologische Patient zumindest einmal in einem interdisziplinären Tumorboard vor-gestellt wird. Tatsächlich sind nahezu alle Fachrichtungen am MRI in die Behandlung onkologischer Patienten involviert: Das sind natürlich die medizinischen Onkologen, entitätsspezifische Spezialisten, Pathologen, Radiologen, aber auch zum Beispiel das Ins-titut für Humangenetik bei erblichen Tumo-rerkrankungen oder Psychoonkologen und Sportmediziner. Man muss sich vor Augen halten, dass etwa ein Viertel aller Deutschen an einer Krebserkrankung stirbt. Das ist also ganz klar einer unserer Tätigkeitsschwer-punkte hier am Klinikum.

Und wie sieht es mit Schnittstellen zwi-schen Labormedizin und Pathologie aus?Prof. Ruland: Die Pathologie hat den großen Vorteil, das Gewebe als Verbund betrachten und lokale pathogenetische Prozesse sehr detailliert beleuchten zu können. Wir in der Labormedi-zin haben hingegen eine langjährige Expertise in der hochsensitiven und qualitätskontrollier-ten Bestimmung von biochemischen Analyten unterschiedlichster Stoffklassen aus verschie-denen Körperflüssigkeiten insbesondere aus dem Serum und Plasma. Wie oben angedeu-tet, haben die klassischen Tumormarker nicht notwendiger Weise etwas mit der ursächlichen Pathogenese des Tumors zu tun. Wenn wir die Tumorbiologie besser verstehen wollen, dann ist eine Zusammenarbeit unserer beiden Berei-che sehr wichtig.

Liquid Biopsy

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Prof. Weichert: Wenn Sie jetzt nach einer routinemäßigen Kooperation unserer bei-den Fachbereiche fragen, dann ist es zurzeit so, dass wir im klinischen Bereich grund-sätzlich noch nicht sehr viele Interaktionen zwischen Pathologie und Klinischer Chemie haben. Jedoch gibt es gerade hier bei uns am MRI bereits gut etablierte Schnittstellen beider Fachgebiete durch die enge Zusam-menarbeit in einigen Forschungsbereichen. Dazu gehört auch der Bereich der sogenann-ten "Liquid Biopsy", die ja grundsätzlich in beiden Disziplinen eine Rolle spielt. Insofern wird sich die Kooperation zukünftig inten-siver gestalten.

Worin sehen Sie das Potenzial der Liquid Biopsy, auch in Abgrenzung zu den klas-sischen Tumormarkern?Prof. Ruland: Liquid Biopsy ist zunächst einmal ein weiterer klinisch einsetzbarer Test, ein blut- oder körperflüssigkeitsba-siertes Verfahren, das man nutzen kann, um bestimmte Parameter zu analysieren. Das sind entweder freie Nukleinsäuren (cfDNA) oder zirkulierende Tumorzellen (CTC). Kurzfristig sehen wir das größere Potenzial bei den freien Nukleinsäuren. Das heißt, wir untersuchen DNA-Fragmente, die aus einem Tumor selbst kommen und dadurch sehr spezifisch sind. Der Nachweis der cfDNA bietet die Chance, auch solche genetischen Veränderungen im Blut zu mes-sen, die pathogenetisch relevant sind, das heißt, die den Tumor in seinem Wachstum treiben. Wenn es gelingt, über die Liquid Biopsy auch bestimmte Subtypen zu unter-scheiden, könnte man ein solches Verfahren zur Therapiestratifizierung einsetzen. Prof. Weichert: Wobei wir heute noch häu-fig das Problem haben, dass wir gar nicht wissen, wie viel dieser zirkulierenden DNA tatsächlich aus einem bei dem Patienten mög-licherweise vorliegenden Tumor kommt, da natürlich auch andere Gewebe im Körper DNA in das Blut abgeben. Das ist eine der methodischen Herausforderungen, die es noch zu lösen gilt. Im Prinzip könnte man die cfDNA ähnlich nutzen, wie einen konven-tionellen Tumormarker, also als Detektions- methode in der Verlaufsbeobachtung und in der Nachsorge. Das zweite Potenzial, das ich wie mein Kollege sehe, liegt in der molekula-

ren Analyse tumorspezifischer Veränderun-gen der zirkulierenden Tumor-DNA. Dies würde uns in einigen Konstellationen die Vorhersage erlauben, welches Medikament einem Patienten bestmöglich helfen kann. Das sind unterschiedliche klinische Her-angehensweisen, die heute alle unter dem Terminus "Liquid Biopsy" oder auch "Liquid Profiling" subsummiert werden.

Welche klinischen Anwendungsberei-che der Liquid Biopsy gibt es denn heute schon?Prof. Weichert: Im Lungenbereich sind die ersten Assays und Zulassungen für entspre-chende Medikamente jetzt da. Tatsächlich ist es aber noch so, dass die Kollegen dieses Instrument zurzeit nur sehr fokussiert ein-setzen, wenn zum Beispiel ein Patient nicht biopsiert werden kann. Goldstandard ist nach wie vor die Untersuchung des Gewebes.

Prof. Ruland: Uns fehlen im Moment noch Studien, die untersuchen, wie wertvoll die Liquid Biopsy im Vergleich zur Bestimmung am Gewebe für die Prädiktion des Thera-pieansprechens ist. Deshalb bevorzugen die Onkologen für die molekulare Initialdiag-nostik nach wie vor gewebebasierte Tests.

Welche aktuellen Forschungsprojekte gibt es an Ihrem Institut, die künftige Anwen-dungsbereiche der Liquid Biopsy untersu-chen?Prof. Ruland: Großes Potenzial sehen wir im Bereich der Frührezidiv-Detektion. Da bietet Liquid Profiling die Chance auf sehr tumorspezifische Assays, um Rezidivent-wicklungen frühzeitiger und präziser als mit proteinbasierten Tumormarkern zu entdecken. Das ist tatsächlich ein Aspekt, an dem Professor Weichert und unser Insti-tut gemeinsam forschen. In der Pathologie

Professor Dr. Wilko WeichertSeit dem 1. August 2015 leitet Professor Wilko Weichert das Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie am Klinikum rechts der Isar der TU München. Die Einrichtung spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnostik und Therapiesteuerung insbeson-dere von Krebserkrankungen und erforscht die Grundlagen der Krebsentstehung. In seiner Forschungsarbeit legt Prof. Weichert den Schwerpunkt auf die translationale For-schung. Deren Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst schnell in klinische Anwendungen zu „übersetzen“.

Professor Dr. Jürgen RulandSeit dem 1. Januar 2012 leitet Professor Jürgen Ruland das Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie am Klinikum rechts der Isar der TU München. Das Institut versorgt als zentrales Labor die einzelnen Kliniken. Prof. Ruland hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl eine hohe Qualität in der Labordiagnostik sicher-zustellen als auch diagnostische Verfahren kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dabei strebt er eine enge Verzahnung von Grund-lagenforschung und Krankenversorgung an, um Forschungsergebnisse schnell zum Wohle der Patienten einsetzen zu können.

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wollen wir zunächst bestimmte genetische Veränderungen im Gewebe detektieren und darauf basierend dann in der Labormedizin gemeinsam mit der Pathologie PCR-basierte Verfahren entwickeln, um genau diese Muta-tionen im Serum aufzuspüren. Wir wollen herausfinden, wie viel früher man mit einem solchen Verfahren ein Rezidiv erkennen kann, im Vergleich zu einer Bildgebung oder einem konventionellen Tumormarker-Assay. Prof. Weichert: Es geht in diesen Projekten in der Tat um die Entwicklung individuell auf die Patienten zugeschnittener Verlaufs- indikatoren. Das wäre dann wirklich im eigentlichen Sinne des Wortes "individuali-sierte Medizin". Insgesamt ist – wie für alle diagnostischen Tests – allerdings zu beach-ten, dass der Einsatz im Routinekontext nur dann seine Berechtigung hat, wenn sich hie-raus auch eine therapeutische Konsequenz ergibt. So stellt sich z. B. die Frage, wie wir in der Klinik mit einem solch sensitiven Mar-ker umgehen, der ein Rezidiv anzeigt, lange bevor bildgebungstechnisch etwas zu sehen ist. Was mache ich dann? Eine Chemothe-rapie? Hierzu gibt es schon einige gute Bei-spiele aus den blutbasierten Tumorentitäten, die ja im Prinzip schon länger so etwas wie molekulares Liquid Profiling betreiben. Bei einigen Leukämien werden spezifische, im Blut messbare, molekulare Veränderungen als Marker in der Verlaufsbeobachtung ein-gesetzt und der Nachweis eines molekularen Rezidivs führt in einigen Fällen in der Tat zu einer Anpassung der Therapiestrategie. Das ist durchaus auch bei soliden Tumo-ren denkbar, die diesbezügliche Forschung steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Wie organisieren Sie die Zusammenar-beit für Ihr interdisziplinäres Forschungs- projekt?Prof. Ruland: Wir haben das Glück, dass hier an der TUM Technologie auch im Fokus des akademischen Profils steht. Um solche innovativen Verfahren zu entwickeln, braucht man eine intensive Zusammenar-beit mit den technischen Wissenschaften einschließlich der Mathematik und der Bio-informatik. Grundsätzlich sind wir hier auf unserem Campus recht nah beieinander. Diese räumliche Nähe ist auch ein Schlüssel

für erfolgreiche interdisziplinäre Zusam-menarbeit.Prof. Weichert: Außerdem sind wir gerade dabei, unser TranslaTUM fertig zu stellen. Es handelt sich um ein Forschungszentrum für die translationale Medizin, in dem Biome-dizin und Ingenieurswissenschaften unter einem Dach zusammenkommen sollen, um neuartige diagnostische und therapeutische Verfahren für die Krebsmedizin zu entwi-ckeln. Und dort werden auch wir Ende 2016 unsere Liquid-Profiling-Projekte einbrin-gen. Wir sind wirklich stolz drauf, dass es uns gelungen ist, ein solches interdiszipli-näres Forschungszentrum hier am Standort aufzubauen.

Könnte Liquid Profiling in Zukunft die klassische Pathologie ersetzen? Und wer würde dann konkret die Tests durchführen, das klinische Labor oder der Pathologe?Prof. Weichert: Die Pathologie macht ja nicht nur ein molekulares Profiling, wir bestimmen viele Parameter, die im Blut nicht messbar sind. Liquid Profiling ist eine Möglichkeit, das bestehende Instrumenta-rium in der Tumordiagnostik wirkungsvoll zu ergänzen. Das wird am besten durch Kooperation gelöst. Und wenn Sie fragen, wer am Ende den Test durchführt: Nun, das wird vermutlich je nach Standort unter-schiedlich sein. An einigen wird das die Labormedizin übernehmen und an ande-ren die Pathologie. Und es wird Standorte geben, wo es beide zusammen machen, so wie wir es hier planen. Ich glaube, wer genau die Analytik durchführt, ist zweitrangig. Es geht darum, dass sie indikationsgebunden, qualitätsgesichert und gut gemacht wird – und natürlich, dass die Technologien am jeweiligen Standort umfassend vorgehalten werden. Wichtig ist, dass man bei diesen innovativen Methoden vertreten ist. Das möchten die Labormediziner genauso wie die Pathologen – und im Idealfall machen das beide zusammen. Aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung.Prof. Ruland: Das sehe ich auch so. Diese Verfahren können nur dann erfolgreich für Patienten eingesetzt werden, wenn das mul-timodal erfolgt und die unterschiedlichen Expertisen an einem Tisch zusammen-

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kommen. Wir werden die gewebsbasierten Assays aus der Pathologie weiterhin brau-chen. Gleichzeitig haben wir bei uns in der Klinischen Chemie jahrzehntelange Exper-tise mit blutbasierten Assays. Wir verfügen über die Infrastruktur, solche Proben in größeren Mengen zu verarbeiten. Darüber hinaus haben wir die gesamte Präanalytik an Bord. Molekulare Diagnostik ist ja seit vielen Jahren auch Teil der Labormedi-zin zum Beispiel in der Blutgerinnung für Thrombophilie oder in Form von PCR-basierten Verfahren zur Bestimmung von Cytochrom-C-Varianten. Für uns ist das Messen von Tumor-DNA eine weitere Indi-kation, die wir mit Technologien bearbeiten können, die wir ohnehin vorhalten. Auf der anderen Seite haben die Pathologen große Erfahrung mit dem Einsatz molekularer Assays in der prädiktiven Krebsmedizin. Entscheidend bleibt also die enge Koopera-tion zwischen Labormedizin und Pathologie. Um diese unterschiedlichen Expertisen im Sinne der Patienten zusammenzubringen, werden wir hier am Standort Strukturen schaffen, die es uns ermöglichen, Liquid Profiling Hand in Hand durchzuführen.

TranslaTUM

Das TranslaTUM am Klinikum rechts der Isar in München ist als interdisziplinäres Forschungszentrum geplant, um Diagnose- und Therapiemöglichkeiten für Krebspa-tienten zu verbessern. Im November 2015 feierte der hochmoderne Forschungsneu-bau Richtfest. Bis Ende 2016 soll er fertig gestellt sein. Kernziel des Zentrums ist es, die Erkenntnisse aus der Forschung schnell in die klinische Praxis zu übertragen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Medizin, Ingenieur- und Naturwissen-schaften werden im TranslaTUM deshalb gemeinsam und langfristig daran arbeiten, die Heilungschancen für Krebspatienten zu verbessern.