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20 Jahre Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung 28. Januar 2015

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Page 1: 20 Jahre Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung 28. Januar 2015

20 Jahre Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung

28. Januar 2015

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„Die rechtliche Dimension des Gesundheitsbegriffs“

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Ralf Möller

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Der Gesundheitsbegriff in seiner allgemeinen (Sprach-) Bedeutung?

Gesundheit?

zumeist negativ, v.a.

Krankheit

höchstindividuell

Objektivierbar? Wohlbefinden

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Der Gesundheitsbegriff in seiner allgemeinen (Sprach-) Bedeutung?• WHO (1946):

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

• BM Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie (1997):„Gesundheit wird als mehrdimensionales Phänomen verstanden und reicht über den Zustand der Abwesenheit von Krankheit‘ hinaus.“

• Thomas von Aquin (13. Jh.):„Gesundheit ist weniger ein Zustand als eine Haltung, und sie gedeiht mit der Freude am Leben.“

• Johann Wolfgang von Goethe (19. Jh):„Unter Gesundheit verstehe ich nicht ‚Freisein von Beeinträchtigungen‘, sondern die Kraft mit ihnen zu leben.“

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Der Gesundheitsbegriff in seiner allgemeinen (Sprach-) Bedeutung?• Ergebnis:

• es gibt keine allgemeine bzw. allgemein gültige Definition der Gesundheit

• die Gesundheit des Menschen kann als ein undefinierter Zustand des körperlichen, geistigen (mentalen) und seelischen (psychischen) Wohlbefindens und die Nichtbeeinträchtigung durch - ggf. objektiv (?) vorhandene - Krankheit bezeichnet werden

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Der rechtliche Rahmen – internationale Normen

• Grundsatz:Gesundheit ist als grundlegendes Recht jedes Menschen allgemein anerkannt!

• Vereinte Nationen, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948):Gesundheit nicht ausdrücklich genannt – Lebensrecht, Verbot von Folter und Sklaverei

• Europäische Union, Charta der Grundrechte (2010), Art. 3 Abs. 1:„Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.“zusätzlich: Lebensrecht, Verbot von Folter und Sklaverei

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Der rechtliche Rahmen – nationale NormenGrundgesetz

Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG:„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG:„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG:„Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich

misshandelt werden.“

Gesundheit???

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Der rechtliche Rahmen – nationale NormenGrundgesetz – körperliche Unversehrtheit

Schutzbereich:

Abwehrrechtgegen

Eingriffedes Staates

Schutzpflichtdes Staates

auchpräventiv!

Teilhabe-anspruch

Ausnahme(Existenz-sicherung)

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Der rechtliche Rahmen – nationale NormenGrundgesetz – körperliche Unversehrtheit• Schutzgut: „körperliche Unversehrtheit“

• „Sie garantiert positiv elementare Bedingungen für die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der menschlichen Persönlichkeit und ihrer Entfaltung.“

• Problem:

körperliche Unversehrtheit = Gesundheit

aber: neben körperlicher Gesundheit auch Schutz von psychisch-seelischer Gesundheit

BVerfG: wenn ein Eingriff in ihren Wirkungen einem körperlichen Eingriff gleichzusetzen ist

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Der rechtliche Rahmen – nationale NormenGrundgesetz – körperliche Unversehrtheit• Eingriff:

• Grundrechtsverletzung• Grundrechtsgefährdung• aber: keine Pflicht zur Gesundheitserhaltung

• Rechtfertigung: • Gesetzesvorbehalt: Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG (Schranke)

• Gesetz muss selbst verfassungsrechtlichen Begrenzungen entsprechen (Schranken-Schranke)

• Einwilligung

Geringfügigkeit???

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Gestaltung der Gesundheit im rechtlichen Rahmen• weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung

sozialer Sicherungssysteme

• Gesetzgeber darf lediglich nicht gänzlich ungeeignete oder völlig unzulängliche gesetzliche Regelungen schaffen

• Bürger hat „nur“ Anspruch auf sachgerechte Ausgestaltung und Teilhabe

Prävention

Leistungen vor bzw. unabhängig vom Eintritt des Versicherungsfalls

Rehabilitation + Entschädigung

Leistungen mit/nach Eintritt des Versicherungsfalls

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Die rechtliche Dimension des Gesundheitsbegriffs – Fazit1. Der Begriff "Gesundheit" wird wörtlich im Grundgesetz nicht

verwendet.

2. Die Gesundheit wird verfassungsrechtlich insbesondere durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt.

3. Die elementare Verfassungsnorm des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG schützt ebenfalls die Gesundheit.

4. Neben dem Charakter als klassisches Abwehrgrundrecht beinhaltet das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zugleich eine Schutznorm, die auch die Gefahrenvorsorge umfasst, sowie in seltenen Ausnahmefällen einen Teilhabeanspruch auf konkrete Leistungen.

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„Neuausrichtung der Heilverfahren 3.0“

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Thomas Auhuber

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© Oberender & Partner

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Heilverfahrenssteuerung – ein Weg zur „Gesundheit“• Behandlung von versicherten Personen nach Arbeits-, Schul- und

Wegeunfällen und Berufskrankheiten „aus einer Hand“ vom Unfall bis zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.

• Institutionelles Alleinstellungsmerkmal der gesetzlichen Unfallversicherung als intersektorale Versorgungsform.

• Beteiligung ausgewählter und besonders qualifizierter ÄrztInnen, TherapeutInnen, Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen und anderer Leistungsanbieter im Gesundheitswesen.

• Kategorisierung zum differenzierten Fall- / Rehamanagement (Weller-Datenbank, Verletzungsartenverzeichnis usw.)

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Ziele der aktuellen Neuausrichtung

• Steigerung von Effektivität und Effizienz der Behandlung• Anpassen des Heilverfahrens an die Verletzungsschwere

(„der richtige Fall in die richtige Klinik“)• Umfassende und vernetzte Versorgung (Akut- und Rehamedizin)• Anhebung der Versorgungsqualität und Implementierung

qualitätssichernder Elemente

Durchgangsarztverfahren (DAV)

2-stufiges Verfahren

Verletzungsartenverfahren (VAV)

Verletzungsartenverfahren(VAV)

Schwerstverletzungsartenverfahren

(SAV)

3-stufiges VerfahrenUmstellung zum 01.01.2013 bzw. 01.01.2014

Durchgangsarztverfahren(DAV)

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Standardisierung der (Schwer)Verletztenversorgung• Weißbuch Schwerverletztenversorgung (2. Auflage 2012)

• Empfehlungen zur Struktur, Organisation, Ausstattung• sowie Förderung von Qualität und Sicherheit• Prävention – Intensivbehandlung - Rehabilitation

• S3 – Leitlinie zur Schwerverletztenversorgung 01.07.2011• Präklinik – Schockraum – Erste OP-Phase

• Verletzungsartenverfahren (VAV) der DGUV • Definition Klinikanforderungen / Verletzungsschwere

• TraumaNetzwerk DGU®• Koordination der strukturellen Patientenversorgung• Zertifizierung Lokale, (Über)Regionale Traumazentren

• TraumaRegister DGU®• Begleitforschung - Qualitätssicherung

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Arbeits-, Schul-, Wegeunfall

Liegt eine VAV-Verletzung vor?

janein

D-Arzt (ambulant)(Praxis oder Krankenhaus)

Stationäres Durchgangsarzt-verfahren

Verletzungsartenverfahren

Hausarzt

Einleitung bes. Heil-behandlung

Einleitung allg. Heil-behandlung

D-Arzt Hausarzt DAV-Krankenhaus

Nachschau

VAV-Krankenhaus SAV-Krankenhaus

Verlegungspflicht • bei Verletzungen nach dem

Verletzungsartenverfahren• bei Revisions- oder komplexer

Folgechirurgie

© eigene Darstellung modifiziert nach Rybak / Lenz / Ehlers

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© eigene Darstellung modifiziert nach Oberscheven / Kranig / BührenBG-KLINIKEN• Behandlung und Reha von Schwerbrand-, Rückenmarkverletzten, Schwer-Schädel-Hirnverletzten, schweren Hand- und Fußverletzungen, Polytraumen• Revisions – und komplexe Folgechirurgie• Reha-Komplett-Angebot mit KSR, BGSW, EAP, ABMR, Schmerztherapie, Klinische Psychologie, Hilfsmittelversorgung, Prothetische Versorgung,

Schuhversorgung, Reha-Sport, Neurologische Reha der Phasen A-F

Zeit

SAVSchwerstverletzungsartenverfahren

VAVVerletzungsartenverfahren

DAVStationäres Durchgangsarztverfahren

Schw

ere

Akutbehandlung stationär Rehabilitation

KSRKomplexe stationäre Rehabilitation

BGSWBerufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung

BGSWBerufsgenossen-schaftliche stationäre Weiterbehandlung

ABMRArbeitsplatzbezogene muskuloskelettale Rehabilitation

ABMRArbeitsplatzbezogene muskuloskelettale Rehabilitation

Physiotherapie

EAPErweiterte ambulante Physiotherapie

Akutbehandlung ambulant

Nachsorge

Pflege

Nachsorge

Pflege

Nachsorge

Pflege

DAVDurchgangsarztverfahren

Physiotherapie

EAPErweiterte ambulante Physiotherapie

Nachsorge

Pflege

Rehabilitation

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Verteilung von Traumazentren, SAV- und BG-Kliniken

© Ideker© AUC © KUV

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Heterogenität der realen Krankenhausstruktur

• Wie viele SAV- / VAV-Kliniken gibt es am Ende der Umstrukturierung?

• Wie viele SAV- / VAV-Kliniken braucht man für die optimale Versorgungsstruktur?

• Können die Auflagen in der Zulassung erfüllt werden?

• Orientieren sich die Kriterien auch an der regionalen Versorgungsstruktur?

• Ist die Mindestfallzahl ein Problem?

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IVENA eHEalth

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Verletzungsartenverzeichnis – Findet man alles?

© nach Schweigkofler

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Verletzungsartenverfahren BGU Frankfurt (Q4/2014)

RK19%

RF4%

DAV50%

VAV11%

SAV16%

© Dickler

© Kern

© Wank

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Schwer(st)e Verletzung oder medizinische Komplikation?

© Schweigkofler

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Was sind Komplikationen?

Folgezustände / Defektzustände / Funktionsbehinderungen?z. B.• verzögerte Frakturheilung, Pseudarthrose• Bewegungseinschränkungen• CRPS• Phlegmone• Arthrose …?

DEFINITION?

© Jürgen Vogel

WER HAT WELCHE BEHANDLUNGSKOMPETENZ?

WANN BEGINNT DAS REHAMANAGEMENT?

WANN WIRD GESTEUERT?

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Komplikations- / Revisionsfall? Komplexe Folgechirurgie?

© Vetter

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Was sind Komplikationen? – auch Behandlungsfehler?• Wer behandelt weiter ..

• Wo möchte der Patient weiterbehandelt werden …

© S

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Komplexität Heilverfahren und Vergütungsstrukturen• Wer legt definitiv die VAV / SAV-Einstufung fest?

Steuert der Arzt / Sachbearbeiter / Rehamanager?

• Wann tritt die Verlegungspflicht genau ein?Führt die Verlegungspflicht zu einer unnötigenKostensteigerung (z. B. durch „künstliche Falltrennung“ in einem fallpauschalierten System)?

• Ist Vergütung (Rechnungsstelle) und Heilverfahrenssteuerung (Sachbearbeitung / Rehamanagement) kongruent?

• Sind Fallpauschalen insbesondere bei individuellen und inhomogenen Verletzungsmustern und der Versorgung „mit allen geeigneten Mitteln“ sachgerecht?

• Sind die Qualitätsanforderungen ausreichend finanziert (z. B. bei SAV in GKV-Kliniken)?

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Heilverfahren …

2.0 Die Neuausrichtung der Heilverfahren ist für die Versorgung unfallversicherter Patienten ein bewährter Prozess in der Organisation von Gesundheit.

3.0 Medizinökonomische Effizienzsteigerung durch• Entwicklung eines Steuerungstools bei Revisionen

und Komplikationen• Weiterentwicklung von Behandlungsstandards und

der Heilverfahrenssteuerung• Anpassung der Vergütungsstrukturen und

Etablierung von Versorgungsforschung• weitere Konzentration auf qualitätsgeprüfte

Netzwerkpartner, Etablierung von Trauma-Reha-Zentren

• …

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„Traumatische Querschnittlähmung: Der verletzte Mensch zwischen versicherungstechnischem „Total-schaden“, medizinisch-technischen Möglichkeiten und tatsächlichen Bedürfnissen“

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. med. Robert Flieger

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QuerschnittlähmungAus einer Schädigung des

Rückenmarksquerschnitts

resultierendes Lähmungsbild

mit Ausfall

• motorischer,

• sensibler und

• vegetativer Funktionen

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„Wundenbuch“ des Imhotep (ca. 1550 v. Chr., Papyrus Edwin Smith)

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Fall Nr. 33 (11,9 – 11,17) Heilkunde für eine Quetschung (= Kompressionsfraktur) an einem Wirbel seines Nackens:Wenn Du untersuchst einen Mann mit einer Quetschung an einem Wirbel {11, 10} seines Nackens, Du findest ihn, indem gefallen ist ein Wirbel in seinen zweiten. Außerdem ist er bewusstlos, nicht spricht {11, 11} er (mehr). Es ist sein Fall mit dem Kopf nach unten, der verursacht hat das Zerquetschen des Wirbels an seinem zweiten, und Du findest (ihn), {11, 12} indem er nicht mächtig ist seiner beiden Arme und seiner beiden Beine deswegen.Dann musst Du sagen dazu: Einer mit einer Quetschung an einem Wirbel seines Nackens, {11, 13} nicht ist er mächtig seiner beiden Arme und seiner beiden Beine, er ist bewusstlos; eine Krankheit, die man nicht behandeln kann.

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1884: Errichtung

der Gesetzlichen Unfallversicherung

in Deutschlandim Rahmen der Bismarck‘schen

Sozialgesetzgebung

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Lebensbegrenzend für den Querschnitt-gelähmten waren seinerzeit• Atemstörung bis hin zur völligen Atemlähmung

• Harnblasenfunktionsstörung mit Folge des Nierenversagens

• Darmfunktionsstörung mit Folge des Darmverschlusses

• Druckgeschwüre (Dekubitus) mit Folge der Sepsis

• Begleitverletzungen der traumatischen Querschnittlähmung wie z. B. offene Extremitätenfrakturen

• allgemeine Komplikationen wie Thrombose, Lungenembolie etc.

• Patienten wurden wegen des absehbaren Todes zumeist separat in Kliniken untergebracht und nur minimal versorgt, da ein wie auch immer gearteter Behandlungserfolg nicht erwartet wurde

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Ludwig Guttmann* 03.07.1899 † 18.03.1980

1924 – 1939 Breslau1943 – 1967 Stoke Mandeville Hospital, Aylesbury, GB

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Comprehensive Care• Ärzte (Chirurgen, Orthopäden, Urologen)

• Pflege

• Physiotherapeuten

• Ergotherapeuten

• Psychologen

• Sozialarbeiter

• Orthopädietechniker

• Sportlehrer bzw. -Therapeuten

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Stand der Querschnittgelähmtenbehandlung durch die Arbeit von GUTTMANN ab 1943 bis 1960er Jahre• der eigentliche Strukturschaden am Rückenmark ist nach wie vor nicht

heilbar, Behandlungsziel ist die Kompensation der hierdurch bedingten Funktionsausfälle

• Aufhebung der „Isolierung“ der betroffenen Patienten

• konservative Behandlung der Wirbelsäulenverletzung

• Abwendung des Nierenversagens durch Blasenkatheterismus

• Abwendung des Darmverschlusses durch „bowel program“

• standardisierte Lagerung zur Dekubitusprophylaxe und spezifische Therapie

• Mobilisierung und Aktivierung der Patienten durch das ganze Therapieteam gemäß „comprehensive care“ unter Einbeziehung des sportlichen Wettbewerbs; ggf. berufliche Eingliederung

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Derzeitiger Stand der Behandlung Querschnittgelähmter (bis 2014)• der Strukturschaden am Rückenmark ist weiterhin nicht heilbar,

Behandlungsziel ist immer noch die Kompensation der hierdurch bedingten Funktionsausfälle

• operative Behandlung der Wirbelsäulenverletzung mit weitestgehender Wiederherstellung von Form und Funktion

• Weiterentwicklung der Hilfsmittel zur Dekubitusprophylaxe und der spezifische Therapien, insb. Operationen

• Verbesserung der Mobilität und Aktivität der Betroffenen durch weiterentwickelte Hilfsmittel vom Spezialrollstuhl über das „Exoskelett“ bis zur EDV-gestützten Kommunikation und zu querschnittlähmungsspezifischen Sportgeräten und Sportarten

• urologischerseits ist die Problematik des Nierenversagens, der Kontinenz und sogar der Fortpflanzung weitgehend beherrscht

• Abwendung des Darmverschlusses durch „bowel program“

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Probleme der Darmlähmung bei Querschnittlähmung:• Unkontrollierte Spontanentleerung (Hygieneproblem,

Hautschädigungsrisiko, soziale Ausgrenzung)

• verzögerte Stuhlpassage/-entleerung (Dickdarmverlängerung, Darmverschlussrisiko)

• typische Analerkrankungen (Fissuren, Abszesse, Fisteln, Hämorroiden usw.)

Darmmanagement (bowel program):Gewinn der Kontrolle über die Stuhlentleerung durch• Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Passage, Vermeidung von

Stuhlverhalt

• Einleitung der Stuhlentleerung unter kontrollierten Bedingungen zu einem selbst gewählten Zeitpunkt

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Darmmanagement: Die RealitätEin Drittel der Betroffenen ist mit dem Abführregime unzufrieden, ein weiterer großer Teil „findet sich mit dem Unabänderlichen ab“. Beklagt werden:

• Inkontinenzzwischenfälle

• Dauer des Abführvorganges (bis 12 Std., bei zu frühem Abbruch „Nachkleckern“)

• Umstände des Abführens (Hilfe, Lagerung)

• vegetative Begleitreaktionen

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Alternative ?

Colostomie ?

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Fußball-WM 2014

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https://www.youtube.com/watch?v=iC0LbBQunjY

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2014 - Wird die Rückenmarkverletzung heilbar?

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„Die Ausnahme und die Regel – zum Wirken des sozialen Schutzprinzips in der GUV “Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Thomas Molkentin

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• Einstimmung:• Soziales Schutzprinzip,• Alles-oder-Nichts-Prinzip.

• Darstellung an zwei Sachverhaltsgruppen:• 1. Unfallursächlichkeit, zwei Subtypen:

• a) „Selbstgeschaffene Gefahr“, zwei Beispiele• b) Vorschadensproblematik, zwei Beispiele.

• 2. Versagen von Leistungen, zwei Beispiele.

• Ausklang: „Leisten geht vor Nicht-Leisten!“

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„Hängen Gesundheit und Leistungs-fähigkeit unweigerlich zusammen?“

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Bert Wagener

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Kernfrage

Hängen Gesundheit und Leistungsfähigkeit unweigerlich zusammen?

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Häufige Kriterien der Gesundheit (vgl. Franke, 1993; auch: Becker, 2006)• Störungsfreiheit

• Leistungsfähigkeit

• Rollenerfüllung

• Homöostase/Gleichgewichtszustand

• Flexibilität

• Anpassung

• Wohlbefinden

Problem: „Schwarzweiß-Denken“

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Ein erster Versuch der Kategorisierung

Normal Gesunde

Keine Gedanken um Gesundheit, bisher nicht krank

Präventiv Gesunde

Aktiv für Gesundheit Tätige (Ernährung, Bewegung, Sport, Schlaf, positive Sinnfindung)

Gesund nach Lebenskrisen

Haben schwere Belastungen/Lebensereignisse erfolgreich bewältigt

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Relevanz von Einflussfaktoren auf die Gesundheit

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Gesundheitsindikatoren

Bevölkerungsbezogen:

• Säuglingssterblichkeit

• Lebenserwartung

• Mortalität (Todesursachenstatistik)

• Morbidität (Prävalenz/Incidenz)

• Krankenstand (A.U. Statistik)

• Rentenzugangsstatistik

• Krankenhausbehandlungsstatistik

Individuell:

• Lebensqualität (somatisch – psycho – mental – sozial)

• Teilhabe/Integration

• „Gesundheitserwartung“

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Was ist denn nun „Gesundheit“?

• Die Abwesenheit von Krankheit?

oder

• ein Zustand der noch nicht festgestellten Krankheit, z. B. mangels durchgeführter Untersuchungen?

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Gesundheitsdefinitionen im Wandel

WHO 1946

Gesundheit ist ein Zustand vollständigen, körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.

WHO 1987

Gesundheit ist die Fähigkeit und die Motivation ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen

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Gesundheitliche Einflussfaktoren

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Einflussfaktoren auf die Gesundheit

• MedizinPrävention, Kuration, Rehabilitation

• Biologie/GenetikPathogenese, Salutogenese

• UmweltverhältnisseNatur, Technik, Soziales

• Lebensstil, Verhalten

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Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Motivation

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Wie groß ist der jeweilige Einfluss?

Schätzungen des CDC Atlanta:• 15 % Einfluss des Gesundheitssystems• 25 % Biologische Faktoren• 50 % Lebensstil, Gesundheitsverhalten, soziales Umfeld

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Krankheit, Gesundheit und LeistungsfähigkeitDefinition der Gesetzlichen Krankenversicherung:

„Objektiv fassbarer, regelwidriger, anomaler körperlicher oder geistiger Zustand, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung erfordert und zur Arbeitsunfähigkeit führen kann.“

Was ist die „Regel“?

Ideale Norm ≠ Funktionale Norm ≠ Statistische Norm

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Zweidimensionales Modell von Befund und Befinden

Befund

somatoforme Störungen krank

gesund

scheingesund/ funktionell gesund

sich

kra

nk fü

hlen

Woh

lbef

inde

n

Bef

inde

n

ohne eindeutig/krank

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Auf die Balance kommt es an

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Gesundheit und Krankheit – ein Kontinuum

Krankheit und Gesundheit sind kein Zustand, sondern ein dynamisches Geschehen.

(Eggers)

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Gesundheit und Leistungsfähigkeit:

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Feststellung von „Gesundheit“ und Leistungs-fähigkeit

Leistungsfähigkeit wofür?

• Befund (objektiv)

• Befinden (subjektiv)

• Belastungen

• Beanspruchungen

• Ressourcen

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