wtc new york city
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WTC New York CityTRANSCRIPT
Bericht von Wolfgang Stiens, Fotos von Michael Wolf
Zwei klobige goldfarbene Monstren ragen in der Abendsonne aus
dem Financial District von Manhattan: die kantigen Türme des World Trade Center. Der größte Bürokomplex der Erde ist Stadt in einer Stadt - Heidelberg, gestapelt in zweimal 110 Stockwerken, je 411,48 Meter hoch, zusammen 817520 Quadratmeter Bürofläche, täglich betreten von 130000 Menschen.
Aus der Ferne gesehen, sind die Türme in der Skyline von New York allenfalls störend. Ihre unmittelbare Nähe jedoch ist bedrückend - überdimensionierte Architektur, die Menschen zu Ameisen macht. Die Realität hat Fritz Langs MetropolisVision eingeholt.
17 Uhr unten in der Lobby: Ein Strom hetzender Menschen fließt durch die unterirdischen Straßen. Aus verschiedenen Richtungen drängen sie zusammen, vereinen sich zu einem großen, breiten Fluß,
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verzweigen sich wieder, tauchen hinab in die UBahn-Schächte. Aus 20 Drehtüren quellen die Werktätigen, quellen in das breite Loch mit den zehn Rolltreppen, quellen hinunter zur Station. In Minutenabständen verschwinden sie zu Scharen in den Waggons - mein Gott: Wurde der Mensch geschaffen, um so zu leben?
Nach einer halben Stunde ebbt die menschliche Springflut ab. Und dann, gegen 18.30 Uhr, ist das Riesengebäude so ausgestorben wie seine Umgebung.
"Das da unten ist Streß", hatte schon Bill Sullivan gesagt, denn : "In der Masse verlierst du dich wie ein Wassertropfen im Strom."
Bill Sullivan ist Konstruktionsinspektor im World Trade Center. Eigentlich würden ein Pferd, ein Cowboyhut und die Weite der Prärie besser zu ihm passen als ein gelber Bauarbeiterhelm und der Riesenschreibtisch voller Baupläne in seinem Büro, dem höchsten der Stadt, mit kahlen, fensterlosen Wänden und rohen Eisenträgern quer durch den Raum.
Bill ist 43 Jahre alt. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er an diesem Haus, aber: Ist es wirklich ein "Haus"? Er war von der ersten bis zur letzten Schweißnaht dabei. Er und seine Männer haben sie alle, Zehntausende, mit Ultraschall überprüft. Bill kennt das World Trade Center wie die Taschen seiner Jeans, und "es ist ein gutes Gebäude", sagt er.
"Bei aller Kritik", fährt er fort, "dieses Gebäude
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ist ein Meilenstein in der modernen Großarchitektur. "
Ist daraus zu schließen, daß der Weg der Architektur in die Gigantomanie führt?
Am linken Ufer des Hudson River dehnt sich das Monstrum über sechseinhalb Hektar aus und reicht sechs Stockwerke tief auf den Granit der Halbinsel Manhattan. Auf
diesem neun Fußballfelder großen Fundament haben sie um eine gut 20000 Quadratmeter große Plaza sechs Häuser gebaut drei von der Größe deutscher Kaufhäuser, die zwei Türme, die auf die anderen Wolkenkratzer von New York herabblicken, und ein 20stöckiges Hotel mit 850 Betten.
Das World Trade Center ist ein Dorado für Statistiker : In dem Komplex steckt genügend Zement, um eine mehrspurige Au-
tob ahn zum Mond zu bauen. Es wurden über 3000 Kilometer Kabel verlegt, soviel wie für eine Leitung von New York bis nach Mexiko. Hier arbeitet die größte Klimaanlage der Welt. In den Türmen wurden 198 Fahrstühle installiert und mehr als 30000 Türgriffe montiert. An einem normalen Werktag sitzen in diesem Gebäude 65000 Menschen an ihrem Arbeitsplatz-Weltrekord.
1966 legte Nelson Rokkefeller als Gouverneur von New Y ork den Grundstein, und im Dezember
1970 zogen die ersten Mieter ein. Zwar waren die Bauarbeiten noch längst nicht abgeschlossen, noch hievten die Kräne Stahlträger auf Stahlträger in die Höhe. Aber die ersten 15 Stockwerke waren fertig.
"Das war wild damals", erinnert sich Bill. über 5000 Leute arbeiteten gleichzeitig auf der Baustelle: Betonwerker, Stahl-; arbeiter, Schweißer, Elektriker, Klempner, Tischler, Glaser, Ingenieure und
Techniker - eine Meisterleistung der Logistik.
"Oft sind wir vor dem zweiten Frühstück schon 40 oder 50 Stockwerke mit unserem Gerät rauf- und runtergerannt", erzählt Bill, "über Leitern, auf Stahlgerüsten und in Hilfsaufzügen. " Denn während oben Stahlarbeiter die vorgefertigten Säulen der tragenden Außenwände an ihren Platz schwenkten und verschweißten, wurden weiter unten bereits Versorgungsleitungen montiert und Aufzugschächte ausgebaut; noch
ein paar Stockwerke weiter unten verankerten Feinstahlwerker die Aluminium-Außenhaut oder setzten Glaser die Scheiben in geschweißte Spezialverankerungen. Wo immer eine Schweißnaht besonderen Belastungen ausgesetzt sein würde, wo also die Sicherheit auf dem Spiel stand, prüften Bill und seine Leute penibel die Nahtstelle.
Die Türme erhöhten sich jede Woche im Rohbau um drei Stockwerke - ja, es ist wahr: Man kann in Manhattan zusehen, wie Gebäude in den Himmel wachsen. Woche für Woche entstanden über 10000 Quadratmeter Büroraum. Als das Dach gegossen war, feierte man eine große Party. Es gab lärmende Freude über das Erreichte, ja Unerhörte, über den architektonischen Weltrekord. Es herrschte aber auch ein bißehen Melancholie, ein bißehen verklärte Erinnerung an die Kameradschaft beim Bau, und es fiel ein letztes Wort der Trauer über neun Kollegen, die beim Bau ihr Leben gelassen hatten.
Oben, auf dem Dach, arbeiten zwei Männer an der Fensterwaschmaschine. Das Wetter ist klar. Der Blick reicht über 100 Kilometer weit ins Land und über die Skyline von Manhattan, die verrückteste, aufregendste Skyline der Erde. Der Atlantik glitzert in der Sonne. Die Freiheitsstatue ist von hier so klein wie im Andenkenladen, und die Häfen von New York und New Jersey liegen uns zu Füßen wie Modellanlagen.
Dick eingemummt fährt George die Maschine. Alle zwei Monate putzt sie automatisch die 43 600 Fenster, 55 000 Quadratmeter Glas. Unten, in der Church Street, war es warm, verglichen mit hier
FluclKaus derSachlichkeit
mit heimlichen Synkopen
oben - etwa 10 Grad Temperaturunterschied.
"Ist schon ein komisches Gefühl", meint George, "wenn man hier manchmal über den Wolken steht."
Ich bleibe auf dem Dach. Die Sonne geht unter. Die Zwillingstürme werfen ihre Schatten weit. Die City rüstet zur Nacht. Farben sehe ich, Farbenspiele, die es nirgendwo sonst auf der Welt zu sehen gibt, und: Sie sind schön. Ist dies Wirklichkeit? Und wenn sie es ist: Kann es so schlimm sein, in diesem Koloß arbeitend zu leben?
Sharon sitzt um 7.30 Uhr beim Frühstück im "Food Corner", einem Coffee-Shop in der Ecke des unterirdischen Marktplatzes. Viel Holz und warmes Licht beschirmen sie vor dem neonbeleuchteten All tag. Sharon trinkt hier fast jeden Morgen ihren Kaffee und ißt eine Kleinigkeit. Sie ist Buchhalter-Gehilfin im elften Stock von Turm I, und sie arbeitet gern im World Trade Center.
Sharon lebt in Brooklyn, nur zwei Minuten von der Subway-Station entfernt. Mit der U-Bahn fährt sie direkt ins Center. Sie braucht das vollklimatisierte Gebäude nur noch zum Schlafen zu verlassen. Einmal in der Woche läßt sie sich im Beauty Shop im 44. Stock verschönern. Sie sucht ihre Kleider, Röcke, Pullover und Blusen in einer der Boutiquen des Center aus, und sie kauft ihre Zigaretten, Zeitschriften und Bücher in einem der Geschäfte rund um die Plaza. Es gibt mehr
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als 50 Geschäfte im Center, Geschäfte für alles und für jeden - buchstäblich: alles unter einem Dach.
Mittags kann Sharon unter sechs öffentlichen Restaurants und ungezählten Firmenkantinen wählen. Wenn sie abends nach Hause fährt, hat sie ihr Abendbrot schon bei sich, denn auch das hat sie natürlich im Center gekauft. "Es ist wirklich unglaublich bequem", schwärmt sie.
Sie vermißt nicht den Bummel nach Feierabend, nicht das Atemholen in ganz unklimatisierter Luft, sie vermißt, so scheint es, gar nichts. Sie schwärmt. Viele, die hier arbeiten, schwärmen vom Center. Steckt also hinter diesem Koloß doch eine Idee, die fortwirken könnte?
Etwa 1000 Kilometer weit entfernt von diesem Center steht ein großer von Sonnenlicht durchfluteter Bungalow. Durch einen künstlich aufgeschütteten Hügel, vom Straßenlärm abgeschirmt, blickt Minoru Yamasaki durch ein bis zum Boden reichendes Fenster auf die grazile Strenge seines japanischen Gartens. Hier, in der Abgeschiedenheit einer Kleinstadt nahe Detroit, ersann der heute 66jährige Amerikaner japanischer Herkunft eins der gigantischsten Gebäude der Welt.
Der kleine Herr, den seine Freunde Yama nennen, hat nur noch einen halben Magen und lächelt
DieLuH für das hundens_e
S_ockwerk wird _ief im Keller aemacht
Äußerlich ein Bürogebäude, ist das World
Trade Center einer Fabrik jedoch nicht unähnlich.
In der Klimazentrale im sechsgescho~sigen
Keller i'st die Herrschaft der Technik offen
sichtlich. In den Großraumbüros, in denen sich der
White Collar Worker über den Klimaspezialisten
erhaben dünkt, herrscht sie subtiler: Hier wurde
der Arbeitsablauf von Organisations-Technikern
Schritt für Schritt festgelegt
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stets zurückhaltend. Er ist, sagt er, ein Bewunderer Mies van der Rohes, des deutschstämmigen Patriarchen amerikanischer Baukunst, der gesagt hat, daß "Architektur der Wille der Epoche in Raum übersetzt" sei.
Als Yama 1964 den Auftrag erhielt, das World Trade Center zu bauen, erweiterte er seinen Mitarbeiterstab um 30 auf 80 und ließ dann ein Modell von ganz Lower Manhattan basteln. Nur die Fläche für das Welthandelszentrum blieb frei. Denn was er schaffen wollte, sollte sich ganz und gar von allem unterscheiden, das je in Manhattan gebaut worden war.
Damit sein Gebäude besser zur Gel tung käme, wollte er verhindern, daß rund um die Wallstreet weitergebaut würde wie zuvor. Da stehen die Häuser so dicht beieinander, daß die Sonne den Boden nur für wenige Minuten am Tag erreicht. Jetzt soll
ten die Menschen Platz haben, morgens, abends und in der Mittagspause draußen im Freien spazierengehen und den Betonburgen en tfliehen können eine verschwenderische Idee bei den Bodenpreisen von Manhattan.
Außerdem wollte Yama seiner Überzeugung Ausdruck geben, daß "Welthandel zum Weltfrieden beiträgt". Deshalb sollte das Welthandelszentrum den ganzen Wald der Banken-, Versicherungs- und Börsenwolkenkratzer von Manhattan überragen -:ein Symbol der Dominanz des Friedens über die Macht.
Ahnlich hatten schon 1946 ein paar New Yorker gedacht. Als sich die Welt gerade wieder von Kriegsauf Friedensproduktion umstellte, wurde in New York der Gedanke eines Welthandelszentrums er
örtert. Aber damals kam man zu dem Ergebnis, daß es wichtiger sei, den Hafen und dessen Anlagen auszubauen. So wurde die Idee zunächst einmal ad acta gelegt.
Doch die Downtown Lower Manhattan Association, eine Vereinigung einflußreicher Geschäftsleute unter dem Vorsitz des Bankiers David RockefeIler, behielt den Plan im Auge.
1958 forderte Rockefeiler die Hafenbehörde von New York und New Jersey auf, dem New Yorker Raum endlich das Zentrum des Welthandels zu errichten, dessen er bedürfe.
Diese Behörde ist verantwortlich für den Be
trieb der Kaianlagen und Docks, und sie baut und unterhält Flughäfen, Tunnel, Brücken und Straßen, um Passagiere und Fracht reibungslos abzufertigen. Jede vierte Person in 30 Kilometer Umkreis der Freiheitsstatue lebt vom New Yorker Hafen .
RockefeIler gewann; natürlich gewann er - die Rockefellers gewinnen in New York immer.
Doch auch jetzt drohte der Plan sich zu zerschlagen, weil es zunächst nicht gelang, genügend Firmen und Konsulate für einen Umzug in das geplante Gebä:ude zu gewinnen. Da aber sprang Gouverneur Nelson RockefeIler, der Bruder des Bankiers, in die Bresche und kündigte an, daß der Staat New York seine Büros in das World Trade Center verlegen und dafür . mindestens 30000 Quadratmeter Bürofläche benötigen werde - der Bann war gebrochen. Das Zentrum konnte gebaut werden.
Zwar war das Viertel Manhattans, in dem sich der Koloß erheben sollte, von kleinen Händlern und Gewerbetreibenden dicht besiedelt, aber die Hafenbehörde setzte sich, unterstützt vom Staat New York und der Finanzwelt, über alle Bürgerproteste hinweg und ließ das Viertel "umziehen". Architekten und Ingenieure machten sich an die Arbeit.
Minoru Yamasaki, auf den die Architektenwahl gefallen war, fand sich vor der Aufgabe, zwei Millionen Quadratmeter Büro-, Versorgungs- und Geschäftsraum auf einem Areal von etwa sechseinhalb Hektar zu errichten, wo jeder Quadratmeter mehr als 20000 Mark kostete.
Yama konnte entweder sechseinhalb Hektar mit Häusern von rund 30 Stockwerken bebauen oder noch mehr in die Höhe gehen.
Da ihm eine menschliche Lösung vorschwebte eine große Plaza, ein freier Platz - blieb ihm nur der Weg na'ch oben: zweimal 411,48 Meter hoch in den Himmel von Manhattan.
Yamas Lieblingskind jedoch, die Plaza, wird bis auf den heutigen Tag vernachlässigt. Schon kurz nach dessen Fertigstellung beschlagnahmten Kinomenschen den Platz und setzten hier ihren King Kong in Szene, und anschließend drehten andere Filmleute auf der Plaza den Streifen "The Wiz". Dabei wurden ein paar Marmorplatten beschädigt, worauf die Direktion des World Trade Center den Platz erneut zur Baustelle erklärte.
Zwar stehen inzwischen Steinbänke um einen Brunnen herum, blühen im
Sommer Begonien und Azaleen, spielt in der Mittagspause manchmal eine Band. Im Winter aber ist der Platz leer.
Yama jedoch gibt nicht auf. Er will mehr Bänke und mehr Blumenkästen für den Platz. Internationale Spezialitäten-Restaurants sollen rund um Fritz Königs stilisierte Weltkugel entstehen, und jeden Monat soll die Plaza zum Forum eines anderen Landes werden - ein Schauplatz internationaler Lebensfreude, mal ein deutsches Oktoberfest, mal ein japanisches Frühlingsfest oder ein thailändisches Neujahrsfest - Yama, der Schöpfer eines Monstrums als Romantiker.
Guy Tozzoli hat in seinem Eckzimmer im 64. Stock mit Blick auf das Empire State Building und den Hafen ganz andere Sorgen: "Yama denkt, ich brauchte nur mit dem Finger zu schnippen und alles sei o. k." , sagt der Direktor des World Trade Center.
Dabei mußten er und sein Stab erst einmal dafür sorgen, daß die Riesenmaschinerie ins Laufen kam, und das ist auch heute noch ein Full-time-Job. Auf deutsch: Der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Unzulänglichkeiten brachte Sand ins Getriebe einer nie erprobten Supermaschinerie.
Zwar waren Arbeitsabläufe, Organisationsschemata und die "Bewältigung von Verkehrsspitzen " theoretisch a usgetüftelt worden, aber die Pra-
Pomp und ..-MllWtlliIi Verschwendung an
den SiäUen der Ncndurft
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xis brachte ständig neue Probleme - und tut es noch immer. Monatelang kämpften Ingenieure und Handwerker mit den Tükken der Technik, mußten Abteilungsleiter immer neue Einsatzpläne entwerfen und wieder revidieren. Gut möglich, daß das Center seine Fehler genauso perpetuiert wie jede Großstadt.
Wenn etwas nicht klappt, wenn ein Büro zu kalt oder zu warm ist, das Licht nicht brennt oder ein Wasserhahn tropft, läutet bei Anna Smith im zweiten Kellergeschoß das Telefon. Anna ist 59 Jahre alt und so etwas wie die Mutter des World Trade Center. Sie hört Aufgebrachten gedul.dig zu, vertröstet, erklärt mit sanfter Stimme eingetretene Pannen und sorgt dafür, daß der Schaden möglichst schnell behoben wird. Manchmal freilich ist auch sie machtlos. Was soll sie tun, wenn
dersich ein Denkmal baute Minoru Yamasaki baute höher, als der Mensch je zuvor gebaut hatte. Der damalige Gouverneur RockefeIler nannte das Gebäude »eine grandiose Vermählung von Schönheit und Nützlichkeit". Der Architekt Percival Goodman hingegen nennt es den »Ietzten Dinosaurier«. Andere prominente New Yorker plädieren für den Abriß
ein Mieter Krach schlägt, um den Nachbarn zu vertreiben, weil er auch dessen Büro noch mieten will?
"Manche Leute hausen hier wie die Botokuden", stöhnt Jim Grismer, der Leiter der Abteilung Gebäudereinigung. 800 Putzfrauen und -männer sorgen unter seiner Regie dafür, daß der Büroriese sauber bleibt.
Täglich schaffen sie nahezu 400 Kubikmeter Küchenabfälle in die Müllpresse im Keller. Sie füllen jeden Monat 4500 Liter Reinigungslotion in die Seifenspender der Toiletten, und im Jahr legen sie 77 Millionen Papierhandtücher und 288 Millionen Blatt Toilettenpapier nach - abgerollt würden die Blätter einmal um den Aquator reichen.
Der ArchiCeld,
Während es offenbar trotz aller Schwärmerei über das Center Menschen in ihm gibt, die unter Vermassung leiden - gelegentlich wird in dem Koloß gezündelt, gelegentlich bricht Wandalismus aus, gelegentlich kommen auch Bombendrohungen -, ist der Gigant für andere eine unwiderstehliche Herausforderung:
Unter dem tosenden Beifall einer riesigen Zuschauermenge spazierte der Artist Philippe Petit auf einem Drahtseil vom Dach des einen Turms zum anderen. Drei Jahre später kletterte George Willig mit Hilfe selbstgebastelter Metallhaken in dreieinhalb Stunden senkrecht die Wand des südlichen Turms hinauf. Er wurde vom Fernsehen so gefeiert wie seinerzeit Sir Edmund Hillary und der Sherpa Tensing nach der Erstbesteigung des Mount Everest.
Mittlerweile ist das World Trade Center auch ein wirtschaftlicher Erfolg geworden. Trotz aller Unkenrufe sind Firmen aus allen fünf Kontinenten in die Büro- und Geschäftsräume eingezogen, "Wir sind bereits in den schwarzen Zahlen", versichert die Hausverwaltung stolz und: "Das Center wird zu klein."
Jetzt soll auf Neuland im Hudson River ein Kongreßzentrum gebaut werden, und zwar dort, wo eigentlich Wohnungen geplant waren. Die Kapazität des Computer-Informationszentrums, in dem Wirtschaftsdaten nach über 60 Millionen Stichwörtern gespeichert sind und das jedem Mieter des Hauses zur Verfügung steht, -soll erheblich ausgeweitet werden. Anschlüsse an die Elektronengehirne
der anderen 100 Welthandelszentren der World Trade Center Association von Australien bis Zaire sind geplant. Und wenn es nach den Bossen des Center geht, wird das New Yorker Zentrum die Nachrichtenzentrale für Angebot und Nachfrage aller international vertriebenen Güter - eine elektronische Börse des Welthandels.
Von mehr als 300 internationalen Banken mit Sitz in New York haben sich längst viele im World Trade Center niedergelassen. Im Southeast Plaza Building zogen die Rohproduktenbörsen für Kaffee, Zucker, Zitrusfrüchte, Baumwolle, Rindfleisch, Kartoffeln und verschiedene Edelmetalle ein. Seither werden die Weltmarktpreise für diese Waren im Welthandelszentrum notiert. Eine Vision, so scheint es, wird zur Wirklichkeit: Das Monstrum erlangt eine seiner Größe angemessene Bedeutung.
Minoru Yamasaki geht neben mir über die große Plaza. Er spricht schon wieder davon, daß noch viel mehr Blumen hier wachsen müßten, und wie schön es werden wird, wenn sich viele Menschen hier treffen und miteinander reden.
Am nächsten Tag arbeitet Yama wieder in seinem vom Sonnenlicht durchfluteten Bungalow, 1000 Kilometer von New York entfernt, blickt in seinen schönen japanischen Garten und hört die Vögel zwitschern. Wolkenkratzer kann er von hier aus nicht sehen - und schon gar nicht sein World Trade Center. D
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