wirbelsintern mit höchstgeschwindigkeit

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PULVERBESCHICHTEN Wirbelsintern mit Hochstgeschwindigkeit Mit einer Geschwindigkeit von 1G (9,81 m/s 2 ) schieBen Drosseln oder Hochsetzsteller in das f1uidisierte Pulverbecken. Nach hochstens einer Sekunde schieBen sie mit derselben Beschleunigung wieder heraus und sind beschichtet - das alles mit bis zu 250 Kilogramm schweren Werkstucken. D ie Werkstiicke sind wichtige Bestandteile von Windenergie- Anlagen der Firma Enercon in Aurich und dienen dazu, umweltschonend elektrische Energie zu produzieren. Die fertigen Anlagen finden ihren Ein- satz in Gebieten, wo fast permanent geniigend Wind herrscht. Diese Art der Produktion elektrischer Energie hat sich in den letzten [ahren einen beacht- lichen Marktanteil gesichert und befin- det sich we iter auf dem Vormarsch. Beschichtung einbaufertiger Komponenten Wie die Statoren und Rotoren (siehe JOT 2/2003) sind auch die Dros- seln praktisch fertig zusammengebaut bevor sie nach der Beschichtung in die Windenergie-Anlage integriert werden. Der Grund fur dieses Vorgehen liegt vor allem im arbeitstechnischen Bereich, birgt aber einige Aufgaben fur die Beschichtung in sich. Um die angestrebte Schichtstiirke von knapp 200 urn moglichst genau zu erreichen, darf das Werkstiick hoch- stens eine einzige Sekunde im Pulver- bad verweilen. Die aus dieser Forde- rung resultierenden Beschleunigungen mit "weichen" Umkehrpunkten, in Zusammenhang mit den hohen Ge- wichten der Werkstiicke, stellten die Anlagenbauer vor die Aufgabe, eine Innovative Losung mit zuverliissiger Mechanik, exakter Steuerung, belast- barer Statik und dauerhafter Stabilitiit unter einen Hut zu bringen. Noch nie wurde in der Pulverbeschichtung eine vergleichbare Anlage gebaut, und die Zahl der moglichen Anbieter redu- zierte sich denn auch schnell auf die Zahll. Cord Druivenga, bei Enercon zustiindig fur Betriebsmittel und Anla- gentechnik, fand in der Firma Meeh, Wimsheim, einen Partner, der dazu nicht nur bereit, sondern auch in der Lage war - obwohl es auch fur die an Spezialitiiten gewahnten Wiirttember- ger das erstemal war, dass sie eine Wir- belsinteranlage bauten ... "Um sicher zu gehen, dass das Beschichtungsver- fahren auch das richtige ist", so Drui- venga, "stellte man uns ein speziell auf unsere Drosseln zugeschnittenes Wir- belsinterbecken fur Versuchszwecke zur VerfUgung - ein Entgegenkom- men, das fur den Kaufentscheid aus- schlaggebend war." Produktionsablauf mit Spezlalitaten Knackpunkl Senkslation : In weniger als zwe i Sekundenj e zwei Bes cllleunigungs- und Bremsrampen bei 1G Bescllleunigung der bis zu 250 kg sc llweren Teile Die Teile durchlaufen vor dem Tauchvorgang einen Temperofen, in dem sie auf 180 bis 190°C aufgeheizt werden. Dank ihrer hohen Masse reicht die bis zur Beschichtung gespei- cherte Restwarme aus, um in der Spe- zialkabine in weniger als einer Sekun- de im Epoxy-basierten Pulverbad eine gleichmiiBige Schichtstiirke von knapp unter 200 urn zu erzeugen. Danach transportiert ein Kettenforderer die Teile wieder zu einem Of en, in dem bei rund 190°C eine zusiitzliche Nach- hiirtung erfolgt. Nach dem Abkiihlen sind die Teile fast einbaufertig. "Das Vorheizen und das horizontale Fordern stellten keine hohen Ansprii- che an den Anlagenbau, einzig die Tem- peraturhaltung in den Ofen musste exakt stimmen - der Rest war Stan- dard", erlautert Ulrich Meeh, Inhaber JOT 6 12003

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Page 1: Wirbelsintern mit Höchstgeschwindigkeit

PULVERBESCHICHTEN

Wirbelsinternmit Hochstgeschwindigkeit

Mit einer Geschwindigkeit von 1G (9,81 m/s2) schieBen Drosseln

oder Hochsetzsteller in das f1uidisierte Pulverbecken. Nach hochstens

einer Sekunde schieBen sie mit derselben Beschleunigung wieder

heraus und sind beschichtet - das alles mit bis zu 250 Kilogramm

schweren Werkstucken.

Die Werkstiicke sind wichtige

Bestandteile von Windenergie­

Anlagen der Firma Enercon in Aurich

und dienen dazu, umweltschonend

elektrische Energie zu produzieren.

Die fertigen Anlagen finden ihren Ein­

satz in Gebieten, wo fast permanent

geniigend Wind herrscht. Diese Art der

Produktion elektrischer Energie hatsich in den letzten [ahren einen beacht­

lichen Marktanteil gesichert und befin­

det sich we iter auf dem Vormarsch.

Beschichtung

einbaufertiger Komponenten

Wie die Statoren und Rotoren

(siehe JOT 2/2003) sind auch die Dros-

seln praktisch fertig zusammengebaut

bevor sie nach der Beschichtung in die

Windenergie-Anlage integriert werden.

Der Grund fur dieses Vorgehen liegt

vor allem im arbeitstechnischen

Bereich, birgt aber einige Aufgaben fur

die Beschichtung in sich.

Um die angestrebte Schichtstiirke

von knapp 200 urn moglichst genau zuerreichen, darf das Werkstiick hoch­

stens eine einzige Sekunde im Pulver­bad verweilen. Die aus dieser Forde­

rung resultierenden Beschleunigungen

mit "weichen" Umkehrpunkten, in

Zusammenhang mit den hohen Ge­

wichten der Werkstiicke, stellten die

Anlagenbauer vor die Aufgabe, eine

Innovative Losung mit zuverliissiger

Mechanik, exakter Steuerung, belast-

barer Statik und dauerhafter Stabilitiit

unter einen Hut zu bringen. Noch nie

wurde in der Pulverbeschichtung eine

vergleichbare Anlage gebaut, und

die Zahl der moglichen Anbieter redu­

zierte sich denn auch schnell auf die

Zahll.

Cord Druivenga, bei Enercon

zustiindig fur Betriebsmittel und Anla­

gentechnik, fand in der Firma Meeh,

Wimsheim, einen Partner, der dazu

nicht nur bereit, sondern auch in derLage war - obwohl es auch fur die an

Spezialitiiten gewahnten Wiirttember­

ger das erstemal war, dass sie eine Wir­

belsinteranlage bauten ... "Um sicher

zu gehen, dass das Beschichtungsver­fahren auch das richtige ist", so Drui­

venga, "stellte man uns ein speziell auf

unsere Drosseln zugeschnittenes Wir­

belsinterbecken fur Versuchszwecke

zur VerfUgung - ein Entgegenkom­

men, das fur den Kaufentscheid aus­

schlaggebend war."

Produktionsablauf

mit Spezlalitaten

Knackpunkl Senkslation : In weniger als zwe i Sekundenj e zwei Bescllleunigungs­

und Bremsramp en bei 1G Bescllleunigung der bis zu 250 kg scllweren Teile

Die Teile durchlaufen vor dem

Tauchvorgang einen Temperofen, indem sie auf 180 bis 190°C aufgeheizt

werden. Dank ihrer hohen Massereicht die bis zur Beschichtung gespei­

cherte Restwarme aus, um in der Spe­zialkabine in weniger als einer Sekun­

de im Epoxy-basierten Pulverbad eine

gleichmiiBige Schichtstiirke von knapp

unter 200 urn zu erzeugen. Danach

transportiert ein Kettenforderer dieTeile wieder zu einem Ofen, in dembei rund 190°C eine zusiitzliche Nach­

hiirtung erfolgt. Nach dem Abkiihlensind die Teile fast einbaufertig.

"Das Vorheizen und das horizontale

Fordern stellten keine hohen Ansprii­che an den Anlagenbau, einzig die Tem­

peraturhaltung in den Ofen mussteexakt stimmen - der Rest war Stan­

dard", erlautert Ulrich Meeh, Inhaber

JOT 6 12003

Page 2: Wirbelsintern mit Höchstgeschwindigkeit

des gleichnamigen Unternehmens.

"Knackpunkt war eindeutig die Tauch­

vorrichtung und das Verhindern von

Staubaustritt aus der Kabine. Unsere

langjahrige Erfahrung mit dem Hand­

ling von graBen und schweren Teilen

fur die Pulverbeschichtung gab unsdafur aber ideale Voraussetzungen."

Die Konstruktion der Anlage ist so

interessant wie ungewohnlich. Nach

der Ubergabe vom Forderer des Ofens

an die Beschichtungsstation laufen

nach dem SchlieBen der Kabinentiiren

in weniger als zwei Sekunden folgende

Ablaufe ab:

• Aktivieren des Luftvorhangs tiberdem Sinterbecken

• Weiches mechanisches Beschleuni­gen von 250 kg Masse mit 1G

• Weiches mechanisches Abbremsenim Pulverbad

• Stillstand im Becken von wenigenZehntelsekunden

• Weiches mechanisches Beschleuni­gen von 250 kg Masse mit 1G

• Weiches mechanisches Abbremsenauf der Hohe des Horizontal­

forderers

• Deaktivieren des Luftvorhangstiber dem Sinterbecken

Danach erfolgen tiber Mitnehmer

die Ubergabe an den Kettenforderer

und der Transport zum Hartcofen. Ailediese Schritte laufen seit einem jahr

zuverlassig und wartungsarm abo

Durch den Luftvorhang und die effizi­

ente Absaugung entstehen nur geringe

Verwirbelungen. Aus der Kabine trittkein Pulver aus und dank der Kreis­

lauffUhrung und Rtickgewinnung des

Pulvers verwertet man praktisch 99,9%

des Beschichtungsmaterials.

Pulver als Ausloser

Bevor die neuen Praduktionsver­

fahren eingefUhrt wurden, setzte manbei Enercon in verschiedenen Schrit­

ten der Beschichtung Pradukte ein, die

bis zu 46 % organische Losemittel ent­

hielten. "Als Hersteller von Anlagen

zur Gewinnung umweltfreundlicher

und erneuerbarer Energie waren wir

dartiber alles andere als glticklich ", so

Druivenga.

JOT 6 12003

PUlVERBESCHICHTEN

f in LlIftvorlJang ubet dem W irbelsinterbecken verlJindert Sraubentw ick/ling lind

Putvernustnu aus dem BesclJiclJtllngsbereiclJ

Das WirbelsinrerverfalJren ermoglicht die BesclJiclJtung allf kleinstem Raum

Page 3: Wirbelsintern mit Höchstgeschwindigkeit

PULVERBESCHICHTEN

Nacl1 dem Sintern erfolg t di e endgOltige Vernetzung im

Ausl1arteofen

Erstaunli cl1e Masse: Eine Drossel ist fast so groB w ie das

Taucl1becken. Trotz den Bescl1/eunigungen und der hohen

bewegten Masse gelangt kaum Pulver an die Kabinenwande

Der Schritt zur Hisemittelarmen

oder wie heute zur Hisemittelfreien

Beschichtung war deshalb vorpro­

grammiert. Die Suche nach Alternati­yen fuhrte - noch bevor man sich

tiber die Anlagentechnik Gedankenmachte - zu Kontakten mit der Akzo

Nobel Powder Coatings in Reutlin­

gen. Hier fand man das ideale Pulver

in Bezug auf Reaktionsfiihigkeit, Ver­

traglichkeit mit den in den Drosseln

eingebauten Bestandteilen SOWle

der geforderten mechanischen und

chemischen Langzeitresistenz. Das

epoxybasierte Material hat sich inallen Belangen bewahrt.

Durch das Wirbelsintern erreichtEnercon, dass in einem automatisier­

ten Arbeitsgang kontrolliert, sehrschnell, sehr gleichmaBig und tiberauszuvcrlassig eine fur die Pulverbe­

schichtung erstaunlich exakte, dicke

und dichte Schicht entsteht, die den

hohen mechanischen und vor allem in

Meeresnahe extremen klimatischen

und Umwelteinfltissen tiber lange Zeit

wartungsfrei standhalt.

Der Pulververbrauch in Wirbelsin­

teranlagen liegt heute weltweit unter

1% der hergestellten Pulvermenge.

Trotzdem ist das Verfahren etabliert

und hat durchaus seine Berechtigung.Es zeichnet sich durch eine hohe

Zuverlassigkeit in der Anwendung und

reproduzierbare Resultate aus. Der

Vorgang ist einfach und dementspre­

chend leicht automatisierbar.

Wirbelsintern: Fast immer speziell

in der Anwendung

Diese Technologie wird tiberall dorteingesetzt, wo hohe Schichtstarken

gefordert sind, die im elektrostatischenVerfahren nur mit Vorwarrnen zu errei­

chen sind, aber nie mit derselbenGleichmaBigkeit erzielt werden kon­

nen. Der Grund liegt darin, dassein Sprtihverfahren Zeit in Anspruchnimmt, in der die noch nicht beschich­

teten "lcilcflachcn abktihlen und

entsprechend weniger Pulver "vorsin­tern". Akzo Nobel zahlt sich zu den

Herstellern, die weder vor der Herstel­

lung spezieller Sinterpulver noch vor

der kundenspezifischen Modifizierung

bestehender "Exotenprodukte" zu­rtickschrecken. Besonderheiten am hier

eingesetzten Pulver sind zum Beispieldie KorngraBenverteilung, die Fluidi­

sierung sowie Reaktivitat und Viskositat

und der sehr gute Korrosionsschutz.

"Bei so speziellen Anwendungen",so Bernd Maier vorn technischen Ver­

kaufsteam bei Akzo Nobel, "liegt derErfolg immer in der engen Zusammen­arbeit zwischen Kunde, Beschich­

tungshersteller und Anlagenbauer. Die

Zusammenarbeit zwischen Enercon

und Meeh war stark vorn Willengepragt, durch offenes Kommunizieren

und gemeinsames Entwickeln die

Grenzen des Machbaren immer we iterhinauszuschieben, bis gemeinsam dieideale Losung realisiert wurde. "

Robert Luscher

Kontakt: Meeh GmbH, Wimsheim,

Tel. 07044/95151-0,e-mail: [email protected]

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