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VuR Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt Interview Aktuelle finanzrechtliche Fragestellungen für Verbraucher Frank-Christian Pauli, Berlin III Aufsätze Verbraucherrelevante europäische Rechtssetzung im Bereich Finanzdienstleistungen Dr. Rainer Metz, Berlin 361 Die Zahlungsverkehrsrichtlinie und ihre Konsequenzen für den Verbraucher Ass. jur. Ulrich Kulke, Würzburg 364 Zur Stellung der Kreditinstitute nach der Finanzierung strukturvertriebener Immobilienkapitalanlagen Dr. Matthias Siegmann, Karlsruhe 368 Zwei Lösungsvorschläge zur Malaise haustürvermittelter Immobilienfinanzierungen PD Dr. Kai-Oliver Knops, Bremen/Hamburg 371 Die datenschutzrechtlich bedingte Unwirksamkeit einer Forderungsabtretung Von Dr. Thilo Weichert, Kiel 373 Verbraucherrecht aktuell 376 Rechtsprechung Bankrecht Zusammenwirken von Bank und Vermittler im Rahmen eines Darlehensvertrages OLG Nürnberg, Urt. v. 29.12.2006, Az.: 12 U 104/05 379 Versicherungsrecht Kein Verstoß gegen Aufklärungsobliegenheiten bei Verschweigen eines von dem Versicherer selbst regulierten Vorschadens BGH, Urt. v. 11.07.2007, Az.: VI ZR 332/05 387 Verbraucherinsolvenzrecht Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens BGH, Beschl. v. 28.03.2007, Az.: VII ZB 94/06 393 10 / 2007 Jahrgang 22 · Seiten 361–400 ISSN 0930-8369 · E 20025 www.vur-online.de In Verbindung mit Verbraucherzentrale Bundesverband und Bund der Versicherten herausgegeben von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz Prof. Dr. Udo Reifner Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Prof. Dr. Klaus Tonner Prof. Dr. Joachim Bornkamm Dr. Friedrich Bultmann Prof. Dr. Peter Derleder Dr. Stefan Ernst Dr. Günter Hörmann Prof. Dr. Wolfhard Kohte Dr. Rainer Metz Prof. Dr. Norbert Reich Prof. Wolfgang Römer Prof. Dr. Astrid Stadler Prof. Dr. Dirk Staudenmayer Walter Stillner Andreas Tilp Verbraucher und Recht Anlegerschutz Konsumentenkredit Versicherung private Altersvorsorge Verbraucherinsolvenz Verbraucherschutz

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Page 1: VuR 07 10 -  · PDF fileVuR Zeitschriftfür Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt Interview Aktuelle finanzrechtliche Fragestellungen für Verbraucher Frank

VuRZeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

Nomos

Aus dem InhaltInterviewAktuelle finanzrechtliche Fragestellungen für VerbraucherFrank-Christian Pauli, Berlin III

AufsätzeVerbraucherrelevante europäische Rechtssetzung im Bereich FinanzdienstleistungenDr. Rainer Metz, Berlin 361Die Zahlungsverkehrsrichtlinie und ihre Konsequenzen für den VerbraucherAss. jur. Ulrich Kulke, Würzburg 364Zur Stellung der Kreditinstitute nach der Finanzierungstrukturvertriebener ImmobilienkapitalanlagenDr. Matthias Siegmann, Karlsruhe 368Zwei Lösungsvorschläge zur Malaise haustürvermittelterImmobilienfinanzierungenPD Dr. Kai-Oliver Knops, Bremen/Hamburg 371Die datenschutzrechtlich bedingte Unwirksamkeiteiner ForderungsabtretungVon Dr. Thilo Weichert, Kiel 373

Verbraucherrecht aktuell 376

RechtsprechungBankrechtZusammenwirken von Bank und Vermittler im Rahmeneines DarlehensvertragesOLG Nürnberg, Urt. v. 29.12.2006, Az.: 12 U 104/05 379VersicherungsrechtKein Verstoß gegen Aufklärungsobliegenheiten beiVerschweigen eines von dem Versicherer selbstregulierten VorschadensBGH, Urt. v. 11.07.2007, Az.: VI ZR 332/05 387VerbraucherinsolvenzrechtBerechnung des pfändbaren ArbeitseinkommensBGH, Beschl. v. 28.03.2007, Az.: VII ZB 94/06 393

10/2007Jahrgang 22 · Seiten 361–400ISSN 0930-8369 · E 20025

www.vur-online.de

In Verbindung mitVerbraucherzentraleBundesverband undBund der Versicherten

herausgegeben vonProf. Dr. Hans-W. MicklitzProf. Dr. Udo ReifnerProf. Dr. Hans-Peter SchwintowskiProf. Dr. Klaus Tonner

Prof. Dr. Joachim BornkammDr. Friedrich BultmannProf. Dr. Peter DerlederDr. Stefan ErnstDr. Günter HörmannProf. Dr. Wolfhard KohteDr. Rainer MetzProf. Dr. Norbert ReichProf. Wolfgang RömerProf. Dr. Astrid StadlerProf. Dr. Dirk StaudenmayerWalter StillnerAndreas Tilp

Verbraucher und Recht

A n l e g e r s c h u t z ■ K o n s u m e n t e n k r e d i t ■ V e r s i c h e r u n g ■ p r i v a t eA l t e r s v o r s o r g e ■ V e r b r a u c h e r i n s o l v e n z ■ V e r b r a u c h e r s c h u t z

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INTERVIEWAktuelle finanzrechtliche Fragestellungen für VerbraucherFrank-Christian Pauli, Berlin . . . . . . . . III

AUFSÄTZEVerbraucherrelevante europäischeRechtssetzung im Bereich Finanz-dienstleistungenDr. Rainer Metz, Berlin . . . . . . . . . . 361

Die Zahlungsverkehrsrichtlinie undihre Konsequenzen für den Ver-braucherAss. jur. Ulrich Kulke, Würzburg . . . 364

Zur Stellung der Kreditinstitutenach der Finanzierung strukturver-triebener ImmobilienkapitalanlagenDr. Matthias Siegmann, Karlsruhe . 368

Zwei Lösungsvorschläge zur Malai-se haustürvermittelter Immobilien-finanzierungenPD Dr. Kai-Oliver Knops, Bremen/Hamburg . . . . . . . . . . . . . 371

Die datenschutzrechtlich bedingteUnwirksamkeit einer Forderungs-abtretungDr. Thilo Weichert, Kiel . . . . . . . . . 373

VERBRAUCHERRECHTAKTUELL . . . . . . . . . . . . . . . . . . .376

RECHTSPRECHUNG

AUS DEM INHALT

BANKRECHT

Zusammenwirken von Bank undVermittler im Rahmen eines Dar-lehensvertragesOLG Nürnberg, Urt. v. 29.12.2006, Az.: 12 U 104/05 . . . . . . . . . . . . . . . 379

Fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung undZurückweisung eines Musterfestel-lungsantrages nach dem KapMuGLG München I, Urt. v. 17.07.2007, Az.: W(KAPMU) 11/07 . . . . . . . . . . . 383

VERSICHERUNGSRECHT

Kein Verstoß gegen Aufklärungsob-liegenheiten bei Verschweigen ei-nes von dem Versicherer selbstregulierten VorschadensBGH, Urt. v. 11.07.2007, Az.: IV ZR332/05 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

Zum Ausschluss von Versicherungs-ansprüchen in der Privathaftpflicht-versicherung bei vorsätzlicher Her-beiführung des Schadensereignissesund der SchadensfolgeOLG Koblenz, Urt. v. 06.07.2007, Az.: 10 U 1748/06 . . . . . . . . . . . . . 388

Zur Risikoverteilung zwischenVersicherer und Versichertem inBezug auf VorerkrankungenOLG Bamberg, Urt. v. 27.03.2007,23.04.2007, Az.: 1 U 181/06 . . . . . 390

Grobe Fahrlässigkeit in der Kasko-versicherung, § 61 VVGOLG Hamm, Urt. v. 07.02.2007, Az.: 20 U 134/06 . . . . . . . . . . . . . . 391mit Anmerkung von Dipl.-Jur. Christoph Reich,Göttingen

VERBRAUCHERINSOLVENZRECHTBerechnung des pfändbarenArbeitseinkommensBGH, Beschl. v. 28.03.2007, Az.: VII ZB 94/06 . . . . . . . . . . . . . . . 393

Unpfändbarkeit von gefördertenBeiträgen zum zertifizierten Alters-vorsorgevertrag (sog. Riester-Rente)LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03.11.2006,Az.: 3 Sa 414/06 . . . . . . . . . . . . . . . 395mit Anmerkung von Vertr.-Prof. Dr. Dörte Busch,Halberstadt/Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

RECHTSPRECHUNGS-ÜBERSICHT . . . . . . . . . . . . . . .398

BUCHBESPRECHUNGHermann-Josef Bunte, AGB-Bankenund Sonderbedingungen mit AGB-Sparkassen und AGB-Post-bank, 1. Auflage 2007 . . . . . . . . . 399Prof. Dr. Matthias Casper, Münster

INFORMATIONENVerbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V

Veranstaltungshinweise . . . . . . . . .VI

I N H A LT

IMPRESSUM

Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (V.i.S.d.P.), e-mail: [email protected]

Redaktion:Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)Rödingsmarkt 31–33, 20459 HamburgTelefon (0 40) 30 96 91 26Telefax (0 40) 30 96 91 22e-mail: [email protected]

Die redaktionelle Arbeit der Zeitschrift wirddurch den Verbraucherzentrale Bundesver-band und den Bund der Versicherten finan-ziert.

Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27

Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Siegburger Straße 123, 53229 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820,E-Mail: [email protected]

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthalteneneinzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigenZustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssennicht die Meinung der Herausgeber/Redak-tion wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung über-nommen wird – gelten als Veröffentlichungs-vorschlag zu den Bedingungen des Verlages.Es werden nur unveröffentlichte Originalar-beiten angenommen. Die Verfasser erklärensich mit einer nicht sinnentstellenden redak-tionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: monatlich

Bezugspreis 2007: jährlich 143,– € (inkl. MwSt),Einzelheft 17,– € zuzüglich Porto und Versand-kosten; Bestellungen nehmen entgegen: DerBuchhandel und der Verlag; Abbestellungen mitDrei-Monats-Frist zum Jahresende. Zahlungenjeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft,Postbank Karlsruhe, Konto 73636-751 (BLZ660 100 75) und Stadtsparkasse Baden-Baden,Konto 5-002266 (BLZ 662 500 30).

ISSN 0930-8369

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

22. Jahrgang, S. 361-400

10/2007

VuR V E R B R A U C H E RU N D R E C H T

Vorschau auf Heft 11/2007AUFSÄTZEA.G.M. COS.MET oder: Wemdient das EU Produktsicherheits-recht?Prof. Dr. Dr. h. c. Norbert Reich, Hamburg

DAMA: Arzneimittelzulassungnach amerikanischem VorbildDr. Marina Tamm, Rostock

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Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft haben sich im Maiauf eine neue Verbraucherkreditrichtlinie geeinigt. Damit scheintauch die noch 2005 beabsichtigte Prüfung der EU-Kommission, oballe Vorschriften aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen ineinem einzigen Regelwerk zusammengefasst werden können,wenigstens zunächst vom Tisch. Wie beurteilen Sie die geplantenÄnderungen und den Stand der Rechtsvereinheitlichung im BereichFinanzdienstleistungen insgesamt?

Im Bereich der Finanzdienstleistungen stehen wir europa-rechtlich noch auf einer Großbaustelle. Ideen und Ziele sindformuliert, dennoch wird langsam allen bewusst, was man sichda vorgenommen hat. Das zeigen auch die Reaktionen zumGrünbuch über Finanzdienstleistungen für Verbraucher. Vie-le Finanzdienstleistungen sind sehr eng mit dem nationalenRecht, aber auch den Verbrauchergewohnheiten in den Mit-gliedsländern verbunden. Nicht zu vergessen ist die Sprach-barriere. Hohe Verbraucherschutzstandards auf dem Wege ei-ner Vollharmonisierung erreichen zu wollen, erweist sich

zunehmend als Utopie. Man würde, um das Niveau nicht her-absenken zu müssen, in den Regelungen auch sämtliche be-sonderen Situationen in den einzelnen 27 Mitgliedsstaaten ab-bilden müssen, die es z. B. auf Grund des Rechtsrahmens inden anderen Staaten nicht gibt. Die Fernabsatzrichtlinie Fi-nanzdienstleistung selbst hat noch keine nennenswerte grenz-überschreitende Nutzung erzeugen können. Es muss vielmehrerst erreicht werden, dass der Verbraucher sich in Europa realzu Hause fühlen kann. Deswegen darf es gerade beim Ver-braucher nicht zu Abstrichen beim gewohnten Schutzniveaukommen.

Die Verbraucherkreditrichtlinie ist ein Beispiel, wie der An-satz der Vollharmonisierung gescheitert ist, weil viele Rege-lungen nun – sinnvollerweise – den Mitgliedsländern überlas-sen werden mussten. Sie dokumentiert auch, wie schwierig esist, überhaupt ein gemeinsames hohes Schutzniveau zu defi-nieren. Vollharmonisierbar erscheinen nur bestimmte Berei-che, wie technische Definitionen, Grundsätze zur Informa-tion, ferner grundlegende Rechte, wie das Widerspruchsrecht.So ist es eine gute Idee, einen einheitlichen Effektiven Jahres-zins zu definieren. Aber seit dem ersten Entwurf haben sichlängst neue Anforderungen gezeigt, wie bonitätsabhängige „abx %“ Effektivzinssätze, die alle Bemühungen um einen euro-päischen transparenten Markt zunichte machen können.Nicht auszudenken, wenn die Mitgliedsstaaten hierzu bereitsdurch eine Vollharmonisierung keine Regelungskompetenzmehr gehabt hätten. Hieran muss noch gearbeitet werden, z.B. mit der britischen Regelung, die vorgibt, dass die beworbe-nen Konditionen nachweislich zwei Dritteln der anfragendenVerbraucher auch zur Verfügung stehen müssen. Positiv ist si-cher der Ansatz mittels eines vorgegebenen vorvertraglichenInformationsbogens Verbrauchern das schnellere Erfassen,Verstehen und Vergleichen von Kreditangeboten zu ermög-lichen. Negativ ist, dass Grundsätze der verantwortlichen Kre-ditvergabe quasi auf das Abfragen von Datenbanken reduziertwurden. Auch das Eindämmen der Gefahr durch Kreditver-träge im Haustürgeschäft war eine gute Idee der Kommissionund wurde viel zu schnell wieder aufgegeben. Die Richtlinie istaber noch keineswegs fertig; der Ausgang im EU-Parlament,das im Januar 2008 entscheiden will, ist ungewiss.

Thema dieses Heftes sind im Aufsatzteil drei aktuelle Problemati-ken aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen. Wird die Zah-lungsverkehrsrichtlinie die Rechte des Verbrauchers stärken undwo sehen Sie Defizite?

Sowohl als auch. Die neue Richtlinie wird etwa ab 2012 füreuropaweite kurze Überweisungslaufzeiten, nämlich von ei-nem Geschäftstag auf den anderen, sorgen. Sie enthält auch ei-nige gute Regelungen zu Haftungsfragen. Dass ein Verbrau-cher, dem die Zahlungskarte gestohlen und dann mit PIN amAutomaten genutzt wurde, nicht beweisen kann, dass er sei-ne PIN nicht aufgeschrieben hat, ist so ein Punkt. Auch wenn

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Frank-Christian Pauli, Referent Banken u. allgemeine Fragen Finanz-dienstleistungen, VZBV, Berlin

Aktuelle finanzrechtliche Fragestellungen für VerbraucherFrank-Christian Pauli

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IV | VuR 10/2007

sich leider immer wieder Verbraucher diese Zahlen leichtsin-nig notieren, darf die PIN dem Nutzer, der darauf achtet, nichtumgekehrt zum Verhängnis werden. Dass Täter an die PINkommen, kann heute nicht mehr ausgeschlossen werden. Eineinfaches Ausspähen an der Supermarktkasse reicht. Unserebisherige Anscheinsvermutung gegen den Verbraucher ist mitder neuen Vorgabe nicht mehr vereinbar. Aber es gibt genau-so gut auch Abstriche. Etwa dass es künftig auf die Konto-nummer ankommen soll und nicht mehr auf den angegebe-nen Empfänger, ob eine Überweisung richtig ausgeführtwurde. Diese Nummer wird ab kommendem Jahr auch im In-landsverkehr richtig lang, denn die IBAN für die EU-Überwei-sung wird zum neuen Standard. Dafür sorgt SEPA (Single Eu-ropean Payment Area) als neuer Anbieterstandard, der parallelzur Richtlinie implementiert wird. In Deutschland wird dieKontonummer dann immerhin 22 Stellen haben, zuzüglichdes internationalen Bankleitcodes. Die neue Lastschrift wirdnach der Richtlinie eingeschränkte Rückgabemöglichkeitenhaben, die eigentlich selbst die Zahlungsdienste-Industrienicht wollte, und wir erwarten vor allem im Verhältnis zurbisherigen, viel schnelleren und flexibleren deutschen Last-schrift durch die SEPA-Verfahrensvorgaben noch erheblicheProbleme. Schließlich werden wir auf die Kosten achten müs-sen. Die Umstellungsprozesse werden teuer werden. Und wennwir diese dann auf die Preise umgelegt bekommen bzw. wennwir den heutigen Standard im Zahlungsverkehr ggf. sogar alsextra vergüteten Zusatzservice bezahlen müssen, wäre dies si-cher nicht im Sinne der eigentlich unterstützenswerten Idee,den Zahlungsverkehr als Rückgrat des Binnenmarktes in Eu-ropa auf gemeinsame Strukturen zu stellen. Was noch fehlt,ist auch überhaupt erst einmal die Sicherstellung eines Zu-gangs für jedermann zu diesem Zahlungsverkehr, also einendiskriminierungsfreien Zugang zu einem Girokonto.

Trotz nunmehr dreier Entscheidungen des Europäischen Gerichts-hofs im Bereich der haustürvermittelten Immobilienfinanzierun-gen ist national für betroffene Verbraucher offensichtlich nochkeine hinreichende Lösung erreicht worden.Wo ist nachzubessern?

Ein Thema, das jeden Politiker und jeden Juristen sensibilisie-ren muss, weil viele betroffene Verbraucher am Rechtsstaat zuzweifeln begonnen haben. Das dürfen wir nicht zulassen. Esist ein Musterbeispiel, wie es gelungen ist, feinmaschig die In-tentionen des Gesetzgebers zu umgehen und Verbraucher ineiner sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich scheinbar aus-weglosen Lage auf einer Schrottimmobilie und einem Immo-bilienkreditvertrag sitzen zu lassen. Im Rahmen der Anhö-rung zu jenem zweiten EuGH-Verfahren hat es dieKommission in ihrer Einlassung auf den Punkt gebracht: Nach-dem das Bauherren-Modell steuerrechtlich nicht mehr wiegewünscht funktionierte und man befürchten musste, alsBank auf einem Haufen fauler, diese finanzierenden Kreditesitzen zu bleiben, war es nur zu einfach, durch bereitwilligeFinanzierung dieser Modelle das Risiko auf viele Schultern,nämlich argloser und eher konservativ anlegender Verbrau-cher, zu verteilen. Da mittlerweile klar sein sollte, dass es in derMasse um getäuschte und nicht nur enttäuschte Verbrauchergeht, kommt es für die Fälle in der Vergangenheit auf einedies erkennende und umsetzende Rechtspflege an. Für dieZukunft heißt dies aber auch für den Gesetzgeber: Die in die-sen Fällen in der Regel auffälligen Wertunterschiede zwischenVertragskaufpreis und Beleihungswertgutachten müssen demVerbraucher zur Warnung zwingend kommuniziert werden.

Bei der Rechtsdurchsetzung brauchen wir sowohl vernünfti-gere Verjährungsfristen als auch eine Beweislastumkehr. Dadas zu vermutende Zusammenwirken zwischen Vermittlernund Kreditgebern bei einzelnen Anbietern nun auch faktischbelegbar wird, brauchen wir einen generellen Zugang zu die-sen Informationen für Betroffene bei den Aufsichtsbehörden.Bei rechtswidrigen Schädigungen Dritter darf kein Geschäfts-und kein Amtsgeheimnis der Aufklärung entgegenstehen. Die-se Fälle bilden zudem auch ökonomische Blasen. Wir benöti-gen Aufsichtsbehörden, die hier auch zu Gunsten der Betrof-fenen unmittelbar eingreifen können. Letztlich wird es aberauf die Rechtsprechung ankommen, ob den Betroffenen Ge-rechtigkeit widerfahren kann. Sie haben extreme Auf und Abserfahren. Eine sehr unmissverständliche Spruchpraxis, etwazum Wissensvorsprung, wäre wichtig, auch das nötige Signalzu setzen, dass solche Modelle nicht mehr betrieben werdenund die Kreditgeber gehalten sind, mit den hunderttausen-den Betroffenen verantwortliche Lösungen zu finden. Siekönnte zudem auch wieder das Vertrauen der Betroffenen ineine effektive Rechtsordnung aufbauen.

Schließlich ist der Verkauf von Darlehen von Banken an Investorenim großen Stil in aller Munde und hat die Finanzwelt in die größteKrise seit Jahrzehnten gestürzt. Was ist aus Sicht des Verbraucher-schutzes die dringendste Forderung?

Wir dürfen es nicht zulassen, dass derartige Risiken, die imKreditbereich selbst noch einer engen Überwachung unterlie-gen, im übrigen Finanzmarkt durch Verkauf an Nicht-Banken“verschwinden” können. Auch kommt es darauf an, dass nie-mand von ihm verursachte Risiken einfach an den Marktweitergeben kann, denn dann entfällt der Druck zu verant-wortlichem Handeln. Die typischen Kreditrisiken dagegen,müssen natürlich refinanziert werden können. Dritte solltensich als Aufkäufer von Forderungen aber nicht, wie in letzterZeit geschehen, in die Darlehensverträge einmischen dürfen.Der vom Verbraucher gewählte Kreditgeber bleibt auch diesemals alleiniger Ansprechpartner in der Pflicht. Diese Vertrags-beziehung bestimmt, was mit Vertragsforderungen passiert.Anpassungswünschen und dem Prolongationsbedarf müssenbei regelmäßig langfristigen Immobilienfinanzierungen inter-essierte und handlungsfähige Vertragspartner gegenüberste-hen. Die Privatautonomie des Verbrauchers ist zu achten. Derschlichte Verkauf ungekündigter und insbesondere noch nichteinmal immer notleidender Kredite verstößt gegen den Da-tenschutz und das Bankgeheimnis. Wenn das Recht heutenach Ansicht des BGH die Abtretbarkeit leider nicht schondirekt ausschließt, wäre genau dies jetzt aber festzulegen. Aufeine Formel gebracht soll der Kreditgeber den Verbraucherweder in Bezug auf das Bankgeheimnis noch auf dessen Ver-trauen zu ihm als Vertragspartner “verraten und verkaufen”dürfen. Zur Absicherung der tatsächlichen Handlungsfreiheitder Verbraucher wären auch klauselartige Übertragbarkeits-vereinbarungen zu überprüfen und idealerweise durch eineAnpassung im § 309 Nr. 10 BGB entsprechend auszuschlie-ßen. Die weitgehenden Rechte, die sich der Kreditgeber regel-mäßig in Ergänzung zur Grundschuld zum Zwecke der ver-einfachten Vollstreckung vom Verbraucher einräumen lässt,haben einen treuhändischen Charakter und entziehen sich da-mit eigentlich der Abtretbarkeit. Auch dies sollte man klar-stellen, denn sonst besteht die Gefahr, dass eventuell in einelaufende Vertragsbeziehung vollstreckt wird.

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A U F S Ä T Z E

Herausgeber: Prof. Dr. Udo Reifner, Universität Hamburg, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (geschäftsführend); Prof. Dr. Hans-W. Mick-litz, Universität Bamberg; Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Klaus Tonner, Universität Rostock

Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe; Dr. Friedrich Bultmann, Rechtsanwalt, Berlin; Prof. Dr. Peter Derleder,Universität Bremen; Dr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg; Dr. Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg e.V.; Prof.Dr. Wolfhard Kohte, Universität Halle-Wittenberg; Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft,Berlin; Prof. Dr. Norbert Reich, Universität Bremen; Prof. Wolfgang Römer, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Versicherungsombudsmann, Ber-lin; Prof. Dr. Astrid Stadler, Universität Konstanz; Prof. Dr. Dirk Staudenmayer, Europäische Kommission, Referatsleiter Generaldirektion Gesund-heit und Verbraucherschutz, Brüssel; Walter Stillner, Rechtsanwalt, Stuttgart; Andreas Tilp, Rechtsanwalt, Tübingen

Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg

10/200722. Jahrgang, Seiten 361-400

Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

VuR V E R B R A U C H E RU N D R E C H T

Der vorliegende Beitrag möchte die vier wichtigstenverbraucherrelevanten europäischen Rechtssetzungsakteund -vorhaben vorstellen. Abschließend wird ein Ausblickauf weitere verbraucherrelevante Vorhaben gegeben, die aufder europäischen Tagesordnung stehen.

A. Zahlungsdienste im Binnenmarkt

Spätestens unter der portugiesischen Ratspräsidentschaftwird die Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarktverabschiedet. Die Mitgliedstaaten werden dann bis Ende2009 Zeit haben, sie umzusetzen.

Die Richtlinie schafft einen Rechtsrahmen für Zahlungsdien-ste innerhalb der Europäischen Union – die Vorschriften gel-ten also, soweit die Mitgliedstaaten nicht von einigen Mög-lichkeiten zur abweichenden Regelung Gebrauch machen,unterschiedslos für grenzüberschreitende und innerstaatlicheZahlungsvorgänge.

Zwei Einzelregelungen sollen hervorgehoben werden:– Künftig muss eine Überweisung bereits am nächsten

Geschäftstag auf dem Konto des Empfängers gutgeschrie-ben werden. Heute gilt für nationale Überweisungen dage-gen eine Frist von drei, für Überweisungen in ein anderesEuroland sogar eine Frist von fünf Tagen.So begrüßenswert diese Beschleunigung aus Verbraucher-sicht ist – sie birgt die Gefahr, dass die Kreditinstitute siesich mit höheren Entgelten bezahlen lassen. Für Deutsch-land könnte dies das Ende der kostenlosen Überweisungbedeuten. Denn Experten der Bundesbank gehen davon

aus, dass der Aufwand für die Einführung des einheit-lichen Zahlungsverkehrs etwa so groß sein wird wie bei derEuro-Einführung.

– Ebenso zweischneidig ist deshalb die zweite Neuerung, diehier genannt werden soll: Die Richtlinie schafft den Rah-men für die Einführung eines europäischen Lastschriftver-fahrens. Die Kreditwirtschaft arbeitet bereits an einer sol-chen paneuropäischen Lastschrift – dem Vernehmen nachwird sie jedoch weitaus komplizierter sein als das bisherigebewährte deutsche Verfahren. So angenehm es für dendeutschen Verbraucher sein wird, auch die Kosten für seinFerienhaus in Spanien künftig von seinem Konto per Last-schrift abbuchen zu lassen – vermutlich wird er für diesenService zahlen müssen.Man wird abwarten müssen, ob die deutsche Kreditwirt-schaft neben der EU-Lastschrift das deutsche Einzugser-mächtigungsverfahren erhält, um wenigstens die inner-staatlichen Zahlungsvorgänge von Kosten freizuhalten.Rechtlich wäre dies jedenfalls möglich, wenn das Verfah-ren die Anforderungen der Richtlinie erfüllt.

B. Verbraucherkreditrichtlinie

Mit der für den Wettbewerbsrat im Mai geplanten Verab-schiedung der Verbraucherkreditrichtlinie ginge eine langeGeschichte zu Ende, deren Beginn im Jahre 1995 liegt. Nach

Verbraucherrelevante europäische Rechtssetzung imBereich Finanzdienstleistungen*

Dr. Rainer Metz, Berlin

VuR 10/2007 | 361

* Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Vortrags, den der Autor, Leiter derUnterabteilung Verbraucherschutz im BMELV, am 11.05.2007 auf der NationalenKonferenz für Finanzdienstleistungen „Geld sinnvoll nutzen – Neue Wege imKredit“, in Hamburg gehalten hat.

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362 | VuR 10/2007

jahrelangen kontroversen Diskussionen in Parlament undRat ist der aktuell vorliegende Entwurf entstanden, der nurnoch die Harmonisierung „bestimmter“ Regelungenbezweckt – so die Formulierung in Art. 1 – und den Anwen-dungsbereich der Richtlinie gegenüber den ursprünglichenVorstellungen der Kommission stark einschränkt.

Inhaltlich sind folgende Regelungen besonders erwähnens-wert:

I. Verantwortungsvolle Kreditvergabe – Europäisches Stan-dardformular (Art 4 – 7)

Ursprünglich war diskutiert worden, den Kreditgeber auf denGrundsatz der verantwortungsvollen Kreditvergabe zu ver-pflichten. Der Kreditgeber sollte so in die Verantwortungdafür genommen werden, Verbraucher vor nachteiligen Ver-trägen und insbesondere vor drohender Überschuldung zubewahren.

Dieser Ansatz ist im Laufe der Verhandlungen erheblichmodifiziert worden. Gefunden wurde eine Lösung, die demLeitbild des mündigen Verbrauchers besser gerecht werdensoll: Die Richtlinie schreibt in der aktuellen Fassung vor, wel-che Informationen der Kreditgeber in der Werbung und vorVertragsschluss geben muss.

Für die vorvertraglichen Informationen wird ein Standardfor-mular entwickelt, das der Kreditgeber benutzen muss, um sei-ner Informationspflicht zu genügen. Auf diese Weise kannder Verbraucher die Angebote verschiedener Kreditinstitutebesser vergleichen. Zudem ist dafür gesorgt, dass die Kredit-geber dem Sinn und Zweck der Informationspflicht durcheine Überfülle an Informationen nicht zuwiderhandeln.Denn zusätzliche Informationen müssen in einem gesonder-ten Dokument erteilt werden.

II. Effektiver Jahreszins und Restschuldversicherungen (Art. 3 lit g, i)

Zu den Informationen, die im Standardformular gegebenwerden müssen, gehören natürlich und vor allem dieGesamtkosten des Kredits. Unter zwei Voraussetzungen zäh-len dazu auch Versicherungsprämien: Ihre Höhe muss demKreditgeber bekannt sein; der Abschluss der Versicherungmuss zwingende Voraussetzung dafür sein, dass der Kreditüberhaupt oder nach den vorgesehenen Vertragsbedingun-gen gewährt wird (Art. 3 lit g). Der effektive Jahreszins wirdunter Berücksichtigung dieser Kosten berechnet (Art. 3 lit i).

Wird der vorliegende Entwurf verabschiedet, ist § 6 Abs. 3Nr. 5 Preisangabenverordnung also in zweifacher Hinsicht zuändern: Zugunsten der Banken ist einzufügen, dass sie dieKosten der Restschuldversicherungen nur dann in den effek-tiven Jahreszins einberechnen müssen, wenn sie sie kennen;zugunsten des Verbrauchers ist zu ergänzen, dass die Einbe-rechnung bereits dann erfolgen muss, wenn der Abschlussder Restschuldversicherung Bedingung für die angebotenenVertragskonditionen, nicht nur für die Kreditgewähr über-haupt, ist.

Es wird sich in der Praxis zeigen müssen, ob das zusätzlicheErfordernis der Kenntnis von den Kosten von den Bankengenutzt werden wird, um die Einberechnung der Restschuld-versicherungen in den effektiven Jahreszins zu umgehen.

Als ein gewisser verbraucherpolitischer Erfolg ist jedenfalls zuwerten, dass Teil des europäischen Standardformulars dieFrage sein wird, ob die beiden Voraussetzungen auf den ange-botenen Vertrag zutreffen (Anhang II, Ziff. 3, Unterpunkt 3).Der von den Verbraucherverbänden beklagten Praxis, dassdie Banken den „freiwilligen“ Abschluss von Restschuldversi-cherungen erzwingen, wird damit hoffentlich entgegenge-steuert.

III. Auskunfteien (Art. 9)

Wird ein Kreditantrag wegen einer Datenbankabfrage abge-lehnt, muss der Kreditgeber den Verbraucher grundsätzlichunverzüglich und unentgeltlich über das Ergebnis dieserAbfrage und die Angaben der betreffenden Datenbank unter-richten. Ein Anspruch darauf, zu erfahren, worauf sich dieAngaben der Datenbank gründen – wie es bei einem Score-wert entscheidend wäre –, besteht nach dem Richtlinienent-wurf dagegen nicht.

IV. Schriftformerfordernis (Art. 10 Abs. 1 S.3)

§ 492 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach Verbraucherdarlehensverträge,sofern nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist, schrift-lich abgeschlossen werden müssen, kann erhalten bleiben.Dies war bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene sehrumstritten.

V. Vorfälligkeitsentschädigung (Art. 15)

Die Kündigungsfristen für unbefristete Darlehensverträge sol-len verkürzt werden. Gleichzeitig wird dem Kreditgebergestattet, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen. Vor-aussetzung ist nach dem Entwurf, dass die vorzeitige Rück-zahlung in einen Zeitraum fällt, für den ein fester Sollzinsvereinbart wurde, und der Kreditgeber einen bestimmtenReferenzzinssatz nachweist. In diesem Fall richtet sich dieHöhe der Entschädigung nach der Länge des Zeitraums zwi-schen der vorzeitigen Rückzahlung und dem Ablauf des Kre-ditvertrags: Überschreitet dieser Zeitraum ein Jahr, darf dieEntschädigung bis zu 1 % des vorzeitig zurückgezahlten Kre-ditbetrags nicht überschreiten; ist der Zeitraum geringer alsein Jahr, liegt die Obergrenze bei 0,5 %.

Für den deutschen Verbraucher ist bedauerlich, dass die Rege-lung in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht aufrecht erhalten wer-den kann. Danach ist der Verbraucher zwar erst nach Ablaufvon sechs Monaten nach dem Empfang der Darlehenssummeberechtigt, das Darlehen unter Einhaltung einer Kündigungs-frist von drei Monaten zu kündigen. Eine Vorfälligkeitsent-schädigung muss er jedoch nicht zahlen.

C. Umsetzung MiFID

Die Bundesregierung hat im November 2006 einen Gesetz-entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte fürFinanzinstrumente (MiFID) beschlossen. Das Gesetz stehtnun auf der Tagesordnung des Bundesrates. Es soll überwie-gend am 01.11.2007 in Kraft treten, zum Teil erst mit demGeschäftsjahr 2008, um der Wirtschaft mehr Vorbe-reitungszeit zu geben.

Aus Verbrauchersicht sind insbesondere die neuen Verhal-tensregeln im Verhältnis des Wertpapierdienstleistungsunter-nehmens zum Kunden relevant. Die sog. Wohlverhaltensre-geln enthalten zahlreiche Informationspflichten z. B. über

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den Finanzvermittler, das angebotene Finanzinstrument(Produkt) und das Entgelt (Provisionen, Ausgabeaufschlägeetc.). Die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung von Kun-denaufträgen gibt vor, dass der kundengünstigste Weg inBezug auf Kosten, Schnelligkeit und Abwicklungsverfahrenzur Ausführung eines Auftrags sichergestellt wird. Die Eig-nung von Wertpapiergeschäften muss künftig für den jewei-ligen Kunden, orientiert an dessen Kenntnisstand und seinenAnlagezielen, geprüft und bei Empfehlungen berücksichtigtwerden.

Aus Verbrauchersicht kritisiert wird die Ausnahmeregelungfür die Vermittlung von Investmentfonds durch freie Finanz-vermittler. Für diesen wichtigen Bereich gelten die verbrau-cherschützenden Vorschriften des Gesetzentwurfs nicht. DieRichtlinie lässt in Art. 3 die Möglichkeit für eine derartigenationale Ausnahme ausdrücklich zu. Nach dem Maßstab der1:1-Umsetzung aus der Koalitionsvereinbarung und wegender Belastung von Finanzvermittlern wurde von dieserOption Gebrauch gemacht. Die Notwendigkeit zusätzlicherRegeln zum Anlegerschutz für die ausgenommenen Finanz-vermittler im Bereich der Gewerbeüberwachung wird jedochnoch geprüft. Dadurch wird die Lösung dieses Problems vonder verbraucherpolitisch grundsätzlich zu begrüßendenRichtlinienumsetzung entkoppelt.

D. Umsetzung Versicherungsvermittler-Richtlinie

Am 22. Mai 2007 ist die Versicherungsvermittler-Verordnungin Kraft getreten, die mit gut zwei Jahren Verzögerung dieVersicherungsvermittler-Richtlinie umsetzt. Insbesondere umpraktische Fragen der Zulassung und Registrierung der zahl-reichen Versicherungsvermittler wurde lange gestritten.

Aus Verbrauchersicht sind insbesondere folgende Punkte her-vorzuheben:

Erstmals wird im Bereich der Versicherungsvermittlung, indem sich mehr als 400.000 Personen in Deutschland betäti-gen, eine Berufsqualifikation eingeführt. Das ist aus Verbrau-chersicht längst überfällig. Derzeit ist ein Versicherungsver-mittler nur zur Anzeige seiner Tätigkeit gemäß § 14 GewOverpflichtet. Die im Rahmen des Erlaubnisverfahrens erfor-derliche Sachkunde führt zu einem erheblichen Fortschritt.

Die EU-Vermittlungs-Richtlinie führt neben Informations-und Beratungspflichten eine obligatorische Berufshaft-pflichtversicherung ein. Damit werden Schadensersatzan-sprüche bei Fehlberatung versicherungsrechtlich abgesichert.

Nicht zuletzt aus Vollzugsgründen sind einige Erleichterun-gen und Vereinfachungen geplant: Sogenannte gebundeneVermittler sollen sich über „ihr“ Versicherungsunternehmeneintragen lassen können, wenn sie über eine uneinge-schränkte Haftungsübernahmeerklärung des Versicherungs-unternehmens verfügen. Auch für Vermittler produktakzes-sorischer Versicherungen (z. B. Kfz-Händler) soll über dieMöglichkeit der Erlaubnisbefreiung ein vereinfachtes Zulas-sungsverfahren zur Verfügung gestellt werden. Für die Erlaub-nisbefreiung ist aus Gründen des Verbraucherschutzes aller-dings eine uneingeschränkte Haftungsübernahme und Über-nahme der Prüfung des guten Leumunds einer Versicherung(bei Ausschließlichkeitsvertretern) oder eines Obervermittlers(im Falle eines produktakzessorischen Vermittlers) erforder-lich. Sowohl für die Zulassungsbehörde als auch für den Ver-mittler stellt dies eine erhebliche Erleichterung dar.

Wichtig ist auch, dass die Vermittler offen zu legen haben, fürwen sie arbeiten und den Kunden künftig keine Unabhän-gigkeit mehr vorgaukeln dürfen. Ansonsten droht ein Buß-geld. Insbesondere die Einordnung als Makler oder Vertreterwird hierdurch für den Kunden transparent.

E. Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik fürdie Jahre 2005 – 2010

Im Folgenden soll ein Ausblick auf die in den nächsten Jah-ren zu erwartende verbraucherrelevante Rechtssetzung gege-ben werden:

Im Privatkundenbankgeschäft ist das nächste Ziel der Kom-mission die Integration der Hypothekarkreditmärkte. DasGrünbuch zu diesem Thema hat ähnliche Schwerpunktegelegt wie die Verbraucherkreditrichtlinie. Es bleibt abzuwar-ten, welchen Weg das für dieses Jahr zu erwartende Weiß-buch in diesen Fragen gehen wird.

Eine weitere Baustelle ist das Projekt „Solvency II“, für das dieRatsverhandlungen im Jahre 2008 abgeschlossen werden sol-len. Solvency II soll die Anforderungen an die Eigenmittel derVersicherungsunternehmen neu regeln. Seine verbraucherpo-litische Relevanz ist also eher mittelbar.

Ebenfalls für die 2. Hälfte 2007 ist ein Kommissionsvorschlagfür die Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagenin Wertpapieren („OGAW-Richtlinie“) zu erwarten. Wir wer-den den Rechtssetzungsprozess vor allem mit Blick auf dieangestrebte Verbesserung der Qualität wichtigerInformationsunterlagen, die für den Endanleger bestimmtsind, kritisch begleiten.

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A U F S Ä T Z E | Kulke, Die Zahlungsverkehrsr icht l in ie und ihre Konsequenzen für den Verbraucher

Am 24. April 2007 hat es eine legislative Entschließung desEuropäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtli-nie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zah-lungsdienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtli-nien 97/7/EG, 2000/12/EG und 2002/65/EG (KOM(2005)0603 – C6-0411/2005 – 2005/0245(COD)) gegeben, die dazuführte, dass in Pressemitteilungen von der Verabschiedungder Zahlungsrichtlinie gesprochen wurde, welche zugleichauch überwiegend positiv aufgenommen wurde. Der vorlie-gende Beitrag setzt sich mit der derzeit aktuellen Version derRichtlinie (eigentlich: des Richtlinienvorschlages auf derGrundlage des konsolidierten Textes) auseinander. Dabeistehen insbesondere die Beteiligten im Vordergrund, näm-lich Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister.

A. Ziel, Zweck und Regelungsgegenstand der Richt-linie

Unter verbraucherschutzrechtlicher Sicht sind bereits Rege-lungsziel, Regelungszweck und Regelungsgegenstand derRichtlinie1 von Bedeutung, da daraus ersichtlich wird, dassdie Richtlinie sich unter den genannten Aspekten nicht nuran den Verbraucher wendet.

I. Regelungsziel und Regelungszweck

Die verschiedenen Regelungsziele der Richtlinie werden anden unterschiedlichsten Punkten der Erwägungsgründegenannt. Darunter fallen im Einzelnen die Stärkung des Wett-bewerbs zwischen den nationalen Märkten und Sicherstellunggleicher Ausgangsbedingungen,2 die Steigerung der Markt-transparenz für Anbieter und Nutzer,3 die Gewährleistung vonRechtssicherheit hinsichtlich der wesentlichen Rechte undPflichten der Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleisterim Interesse eines hohen Verbraucherschutzes4 und Leis-tungsniveaus5 sowie schließlich die Schaffung eines Binnen-markts für Zahlungsdienste.6 Letzteres wird man als daswesentliche Regelungsziel anzusehen haben, so dass der pro-pagierte Verbraucherschutz zumindest nicht das alleinige Ziel,sondern entweder eines der mit der Richtlinie auch verfolgtenZiele oder gar nur einen Reflex darstellen dürfte.7

Denn der Zweck der Richtlinie ist es, einen modernen kohä-renten rechtlichen Rahmen für Zahlungsdienste zu schaffen,der gewährleistet, dass zum einen die Mitgliedsstaaten ihreaufsichtsrechtlichen Vorschriften aufeinander abstimmen,und zum anderen neue Zahlungsdienstleister Zugang zumeuropäischen Markt erhalten und auch Informationspflich-ten für Zahlungsdienstleister sowie die Rechte und Pflichtenvon Zahlungsdienstnutzern festgelegt werden.8

II. Regelungsgegenstand der Richtlinie

Der Regelungsgegenstand der Richtlinie lässt sich nach dempersönlichen Anwendungsbereich (dem Adressatenkreis derdurch die Richtlinie geregelten Vorschriften) und dem sach-

Die Zahlungsverkehrsrichtlinie und ihre Konse-quenzen für den VerbraucherVon Ass. jur. Ulrich Kulke, Würzburg

lichen Anwendungsbereich (dem Geltungsbereich der Richt-linie in sachlicher als auch in territorialer Hinsicht) unter-scheiden.9

1. Persönlicher Anwendungsbereich

Hierzu weist die Richtlinie sechs unterschiedliche Kategorienvon Zahlungsdienstleistern auf Anbieterseite auf, Art. 1 Abs. 1RL. Aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht dürften hier vorallem die Zahlungsinstitute von Bedeutung sein, Art. 1 Abs. 1lit. d) RL. Ebenso bestehen sechs unterschiedliche Kategorienauf der Seite desjenigen, der eine Zahlungsdienstleistung inAnspruch nimmt. Entgegen der im Rahmen des Gegenstandesfestgelegten Beteiligten auf Anbieterseite erfolgt für diejenigen,die eine Leistung eines Zahlungsdienstleisters in Anspruch neh-men, keine vorherige Festlegung. Im laufenden Richtlinientextfinden sich der Zahler (vgl. Art. 4 (4) RL), der Zahlungsempfän-ger (vgl. Art. 4 (5) RL), der Zahlungsdienstleister (vgl. Art. 4 (5a)RL), Zahlungsdienstnutzer (vgl. Art. 4 (6) RL), der Verbraucher(vgl. Art. 4 (6a) RL10) sowie der Kleinstunternehmer (vgl. Art. 4(19a) RL). Die Unterscheidung hat Bedeutung für die Frage, wel-che Vorschriften der RL zu Gunsten des beteiligten Verbrau-chers als zwingendes Recht zu beachten und entsprechend vonden Mitgliedsstaaten umzusetzen sind.11

1 Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über Zahlungsdiensteim Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2000/12/EG und2002/65/EG (Zahlungsverkehrsrichtlinie oder Zahlungsdiensterichtlinie, alskonsolidierter Text, im Folgenden: RL), im Internet abrufbar unter www.euro-parl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2007-0128+0+DOC+ XML+VO//DE#BKMD-64, zuletzt abgerufen am 25.08.2007.

2 Erwägungsgrund (4), S. 2, und Erwägungsgrund (8), S. 5.3 Und damit nicht nur für Verbraucher, Erwägungsgrund (13), S. 10; noch deut-

licher Erwägungsgrund (16), S. 11.4 So Burgard, WM 2006, 2065, 2066. Dies wird allerdings deshalb schon in Frage

zu stellen sein, da das Regelungsziel auch, aber eben nicht nur allein im Inter-esse eines hohen Verbraucherschutzes steht, da die Erwägungsgründe diesbe-züglich nicht ausdrücklich nur auf den Verbraucherschutz abstellen.Besonders deutlich wird dies auch an den verschiedenen Adressaten, vgl.sogleich im Text. Zu der besonderen Bedeutung des Verbrauchers in der Richt-linie vgl. beispielhaft die Erwägungsgründe (4), (15a), (18b), (18c), (18d), (19),(21b), (22), (23), (23a), (26) usw.

5 Erwägungsgrund (16), S. 11.6 Vergleiche Erwägungsgrund (41), S. 24.7 Letzteres erscheint jedoch unter Berücksichtigung der Vielzahl von Regelungen

gerade auch für den Verbraucher als zu eng. Bedeutung dürfte die Frage jedochunter dem Aspekt der „Zuständigkeit“ der Generaldirektionen erlangen. Vgl. Reif-ner, EU-Zahlungsdienste-Richtlinienentwurf: Was bringt er für den Verbraucher?Stellungnahme und Lesehilfe zum Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt und zur Ände-rung der Richtlinien 97/7/EG, 2000/12/EG u 2002/65/EG, SEK 2005, 1535, vom15. 12. 2005, abrufbar im Internet unter http://www.iff-hamburg.de/ - iff - Aktuell- 05 Dezember 2005 - Windows Internet Explorer; abgerufen am 25. 08. 2007.

8 Vgl. Erwägungsgründe (4) und (5), S. 3. 9 Vgl. Titel I RL (Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen).10 Die Definition des Verbrauchers entspricht weitestgehend derjenigen des § 13

BGB, wobei entgegen des § 14 BGB gemäß der Legaldefinition des Art. 4 (6a)Richtlinie eine „berufliche Tätigkeit“ ausreicht, während bei § 13 BGB eineselbstständige berufliche Tätigkeit genügt. Daraus resultieren wiederum gewis-se Unterschiede.

11 Vgl. hierzu den Standpunkt des Europäischen Parlaments, festgelegt in ersterLesung am 24.04.2007 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2007/.../EGdes Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnen-markt und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2000/12/EG und2002/65/EG, 2005/0245 (COD), im Internet abrufbar unter www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2007-0128+0+DOC+XML+V0 //DE#BKMD-64, Erwägungsgrund (15a), abgerufenam 25. 08. 2007.

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Kulke, Die Zahlungsverkehrsr icht l in ie und ihre Konsequenzen für den Verbraucher | A U F S Ä T Z E

2. Sachlicher Anwendungsbereich

Im sachlichen Anwendungsbereich sind vor allem auch dieVorschriften über den territorialen Anwendungsbereich fürden Verbraucher von Bedeutung, da hierin festgelegt wird,dass gewisse Vorschriften von vornherein nur Anwendungfinden, wenn alle beteiligten Zahlungsdienstleister in derGemeinschaft ansässig sind.

a) Territorialer Anwendungsbereich

Gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 1 RL gilt diese Richtlinie für Zahlungs-dienste innerhalb der Gemeinschaft. Gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 2RL gelten die Titel III12 und IV13 der RL (Art. 23b RL bis ein-schließlich Art. 75 RL) aber nur, wenn sowohl der Zahlungs-dienstleister des Zahlers als auch der des Zahlungsempfängersin der Gemeinschaft ansässig sind. Ausgenommen sein sollhiervon wiederum die Regelung des Art. 64a RL, der Wertstel-lungsdatum und Verfügbarkeit der Geldbeträge regelt. Letzt-lich werden über Art. 64a RL auch Zahlungsvorgänge imZusammenhang mit Drittstaaten in den Anwendungsbereichder RL mit einbezogen, obwohl der Gemeinschaft insoweithierfür eine entsprechende Regelungskompetenz fehlt.14

b) Inhaltlicher Anwendungsbereich

Der inhaltliche Anwendungsbereich der Richtlinie ist determi-niert durch die Zahlungsdienste nach Art. 4 (2a) RL in Verbin-dung mit dem Anhang und erfasst insbesondere (1) Barein-zahlungen auf ein Zahlungskonto, (2) Barabhebungen voneinem Zahlungskonto, (3) Ausführung von Zahlungsvorgän-gen auf ein Zahlungskonto beim Zahlungsdienstleister desZahlungsdienstnutzers, insbesondere Lastschriften, Zahlungs-vorgänge mit Zahlungskarte und Überweisungen sowie (4)Ausführung von Zahlungsvorgängen, wenn die Beträge durcheinen Kreditrahmen für einen Zahlungsdienstnutzer gedecktsind, insbesondere Lastschriften, Zahlungsvorgänge mit Zah-lungskarte und Überweisungen. Im Umkehrschluss zu (3) setzt(4) gerade nicht das Bestehen eines Zahlungskontos des Zah-lungsdienstnutzers beim Zahlungsdienstleister für die Inan-spruchnahme von Zahlungsdiensten voraus, ausreichend sollnach der RL vielmehr eine Deckung der Beträge durch einenKreditrahmen für den Zahlungsdienstnutzer durch den Zah-lungsdienstleister sein. Bei einem Zahlungskonto handelt essich gemäß Art. 4 (7) RL um ein auf den Namen eines odermehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Konto, das für dieAusführung von Zahlungsvorgängen genutzt wird. Bereits hierstellt sich die Frage, inwieweit eine Deckung der jeweiligenBeträge durch einen Kreditrahmen für den Zahlungsdienstnut-zer durch den Zahlungsdienstleister nach nationalem Rechtüberhaupt möglich ist, wenn der Zahlungsdienstnutzer geradekein Zahlungskonto bei dem Zahlungsdienstleister unter-hält.15 Darauf wird im Folgenden näher einzugehen sein. Die-ser Punkt wird insbesondere aus verbraucherschutzrechtlicherSicht relevant, da diese Zahlungsvorgänge vor allem die Zah-lungsinstitute betreffen und hier bereits die Frage relevantwird, inwieweit die Anbieter von Kreditkartenleistungen dieseZahlungsdienste erbringen und die Zahlungsdienstnutzer dieseangebotene Leistung in Anspruch nehmen können, mitsamtaller damit im Zusammenhang stehenden Gefahren.16

III. Der Aufbau der Richtlinie

Die Richtlinie ist in sechs verschiedene Titel unterteilt. Titel Iregelt Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestim-mungen und betrifft Art. 1 RL bis Art. 4 RL. Titel II regelt die

unterschiedlichen Zahlungsdienstleister in den Art. 5 RL biseinschließlich Art. 23a RL.17 Hier sind aus verbraucherschutz-rechtlicher Sicht insbesondere die Zahlungsinstitute vonBedeutung, die nicht unter den Begriff der Kreditinstitute undder Postscheckämter fallen.18 Im Titel III schließlich sind dieTransparenz der Vertragsbedingungen und Informations-pflichten für Zahlungsdienste geregelt, Art. 23b RL bis ein-schließlich Art. 40 RL.19 Titel III und Titel IV bilden zusam-men das Kernstück der Richtlinie, denn Titel IV regelt danndie Rechte und Pflichten bei der Erbringung und Nutzung vonZahlungsdiensten und erfasst die Art. 40b RL bis Art. 75 RL.20

Titel V schließlich enthält Bestimmungen zu den Durchfüh-rungsmaßnahmen und einem Zahlungsverkehrsausschuss inArt. 76 RL bis Art. 77 RL, während Titel VI dann in seinen Art.78 RL bis Art. 87 RL die Schlussbestimmungen enthält. DenAbschluss bildet der Anhang zur Richtlinie.

B. Folgerungen für den Verbraucher

Aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht sind im Wesentlichendie nun erstmals möglichen, potentiellen Vertragspartner desVerbrauchers, die möglichen Vertragsgegenstände und vorallem die aus dem Richtlinienvorschlag folgenden Rechteund Pflichten der Verbraucher von Bedeutung. Allerdingskann dem vorliegenden aktuellen Richtlinienvorschlag nichtmehr wirklich zwingend eine Überdehnung des Verbraucher-schutzes nachgesagt werden, wie dies in Bezug auf denursprünglichen Richtlinienvorschlag geäußert wurde.21

I. Vertragspartner

Neben den herkömmlichen Kreditinstituten, den Postscheck-ämtern und so genannten E-Geld-Instituten sind hier vorallem die Zahlungsinstitute von Bedeutung. Die Zahlungsinsti-tute können wiederum von sonstigen Anbietern unterschiedenwerden, die wie Zahlungsinstitute zu behandeln sind.

1. Zahlungsinstitute

Abweichend von dem bisherigen nationalen Recht und vomGemeinschaftsrecht22 sind potentielle Vertragspartner des

12 Titel III behandelt die Transparenz der Vertragsbedingungen und Informations-pflichten für Zahlungsdienste.

13 Titel IV behandelt Rechte und Pflichten bei der Erbringung und Nutzung vonZahlungsdiensten.

14 Zu dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag, in welchem diese Regelungen nochweiter gingen, und zu der hieran anknüpfenden Kritik vgl. Burgard, WM 2006,2065, 2066. Die Zweifel an der Regelungskompetenz dürften trotz der nunmehrgeänderten Fassung des Art. 2 Abs. 2 RL fortbestehen.

15 Vgl. hierzu Burgard, WM 2006, 2065, 2067; hierzu auch Reifner, aaO. Fn. 7, S. 8 f,S. 10 f.

16 Vgl. Reifner, aaO. Fn. 7, S. 10 f.17 Der Titel ist folgendermaßen gegliedert: Kapitel 1 Zahlungsinstitute Art. 5 bis 21;

Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften Art. 5 bis 10; Abschnitt 2 Sonstige Anforde-rungen Art. 11; Abschnitt 2 Sonstige Anforderungen Art. 12 bis 14; Abschnitt 3Zuständige Behörden und Aufsicht Art. 15 bis 20; Abschnitt 4 AusnahmeregelungArt. 21; Kapitel 2 Gemeinsame Bestimmungen Art. 23 bis 23a.

18 Siehe hierzu sogleich im laufenden Text.19 Der Titel ist folgendermaßen gegliedert: Kapitel -1 Allgemeine Vorschriften Art.

23b bis 23f; Kapitel 1 Einzelzahlungen Art. 24 bis 28; Kapitel 2 RahmenverträgeArt. 29 bis 37; Kapitel 3 Gemeinsame Bestimmungen Art. 39 bis 40.

20 Der Titel enthält die folgenden Regelungen: Kapitel -1 Gemeinsame Bestimmun-gen Art. 40b bis 40d; Kapitel 1 Autorisierung von Zahlungsvorgängen Art. 41 bis53; Kapitel 2 Ausführung eines Zahlungsvorganges Art. 54, Abschnitt 1: Zah-lungsanweisungen und transferierte Beträge Art. 54 bis 58; Abschnitt 2 Ausfüh-rungsfrist und Wertstellungen Art. 59 bis 64a; Abschnitt 3 Haftung (eigentlich:Insbesondere Haftungsausschluss) Art. 65 bis 70; Kapitel 3 Datenschutz Art. 71;Kapitel 4 Verfahren bei Beschwerden und zur außergerichtlichen Streitbeilegung;Abschnitt 1 Beschwerdeverfahren Art. 72 bis 74; Abschnitt 2 Verfahren zur außer-gerichtlichen Streitbeilegung Art. 75.

21 Burgard, WM 2006, 2065, 2068 ff.22 Burgard, WM 2006, 2065, 2066.

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23 Art. 1 Abs. 1 lit. a), unter Verweis auf Art. 4 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie2006/48/EG.

24 Art. 1 Abs. 1 lit. b), unter Verweis auf Art. 1 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie2000/46/EG.

25 Art. 1 Abs. 1 lit. c), unter Verweis auf das einzelstaatliche Recht, und ob diesedanach zur Erbringung von Zahlungsdiensten berechtigt sind.

26 Für alle Genannten vgl. auch Erwägungsgrund (7), S. 5.27 Nach Erwägungsgrund (7a) S. 3, S. 5, sollen Zahlungsinstitute somit nicht

befugt sein, elektronisches Geld auszugeben.28 Vgl. Erwägungsgrund (8), S. 5. 29 Das erscheint sehr fragwürdig, da Erwägungsgrund (9b), S. 7, ausdrücklich fest-

hält, dass diese Richtlinie Vorschriften für die Gewährung von Krediten nurinsoweit enthält, als sie eng mit Zahlungsdiensten verbunden sind, d. h. imFalle der Einräumung von Kreditrahmen und der Ausgabe von Kreditkarten.Unter bestimmten Voraussetzungen sollten diese Kredite im Hinblick aufgrenzüberschreitende Tätigkeiten von Zahlungsinstituten zulässig sein, dabeisoll dies aber zugleich die Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts-und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkreditoder andere einschlägige gemeinschaftliche oder nationale Rechtsvorschriftenin Bezug auf durch diese Richtlinie nicht harmonisierte Aspekte der Bedingungfür die Gewährung von Krediten an Verbraucher nicht berühren.

30 Vgl. hierzu auch die Erwägungsgründe (8), S. 5, (9), S. 6, (9b), S. 7, (10), S. 7und (12), S. 8.

31 Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz fürden Ausschuss für Wirtschaft und Währung zu dem Vorschlag für eine Richtli-nie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste imBinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2000/12/EG und2002/65/EG (KOM(2005)0603 – C6-0411/2005 – 2005/0245 (COD)), S. 1, abruf-bar im Internet unter www.europarl.europa.eu/sides/getDoc/do?Type=TA&Refe-rence=P6-TA-2007-0128&language=DE#top, abgerufen am 25. 08. 2007.

32 Vgl. zur Kritik an der grundsätzlich durch die Richtlinie eröffneten Möglich-keit einer solchen Freistellung bereits Burgard, WM 2006, 2065, 2067.

33 Vgl. dazu die Kritik bei Reifner, aaO. Fn. 7, S. 9 ff.; Burgard, WM 2006, 2065, 2067.34 Vgl. Burgard, WM 2006, 2065, 2067. Unter dem Hawala-Banking wird ein insbe-

sondere im arabischen Raum weit verbreitetes System zur Überweisung von Geld-beträgen verstanden, bei dem unter Umgehung legaler Finanztransaktionen zumBeispiel Reisebüros genutzt werden, um Transferleistungen durchzuführen.

35 Burgard, WM 2006, 2065, 2067.36 So aber Erwägungsgrund (12), S. 8.

Verbrauchers sowie jedes Zahlungsdienstnutzers in Bezug aufZahlungsdienstleistungen nunmehr auch so genannte Zah-lungsinstitute. Bisher durften nur Kreditinstitute,23 E-Geld-Institute,24 die für Zahlungszwecke elektronisches Geld aus-geben, und Postscheckämter25 Zahlungsdienstleistungenerbringen.26 Hinzu kommen nun Zahlungsinstitute im Sinnedieser Richtlinie, Art. 1 Abs. 1 lit. d) RL.27 Dabei ist auch nachder Richtlinie noch zwischen verschiedenen Zahlungsdienst-leistern zu unterscheiden.

a) Zahlungsinstitute, Art. 4 (2b) RL

Bei Zahlungsinstituten soll es sich um juristische Personen han-deln, die keine Einlagen entgegennehmen, kein E-Geld ausge-ben28 und eigentlich keine Kredite gewähren dürfen,29 Art. 1Abs. 1 lit. d) (Zahlungsinstitute als potentielle Zahlungsdienst-leister), Art. 6 (Erteilung der Zulassung zur Erbringung von Zah-lungsdienste), Art. 8 (Registrierung aller zugelassenen Zah-lungsinstitute und ihrer Zweigniederlassungen und Bevoll-mächtigten) und Art. 21 RL (Ausnahmeregelung für die Eintra-gung natürlicher oder juristischer Personen in das Registergemäß Art. 8 RL).30 Problematisch erscheint insofern schon derKreis der zu Zahlungsdiensten berechtigten Personen. Denn derursprüngliche Richtlinienvorschlag sah noch vor, dass auchnatürliche Personen am Markt als Zahlungsinstitute operierenkönnen. Die Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarktund Verbraucherschutz sprach sich jedoch gegen die Aufnahmevon natürlichen Personen aus. Aus Gründen des Verbraucher-schutzes muss das Statut des Zahlungsinstitutes juristischenPersonen vorbehalten bleiben und darf sich nicht auf natürli-che Personen beziehen.“31 Die Richtlinie folgt diesem Ansatzzumindest vordergründig in Art. 4 (2b) RL. Demzufolge sindZahlungsinstitute juristische Personen, die nach Art. 6 RL eineZulassung für die gemeinschaftsweite Erbringung und Ausfüh-rung von Zahlungsdiensten erhalten haben. Art. 6 RL, auf wel-chen in Art. 4 (2b) ausdrücklich Bezug genommen wird, nenntdagegen in seinem Abs. -1 nicht nur Zahlungsinstitute im Sinnedes Art. 4 (2b) RL, sondern auch nach Art. 21 RL vom regulä-ren Zulassungsverfahren freigestellte natürliche und juristischePersonen, die Zahlungsdienste erbringen wollen. Aus Art. 6Abs. -1 S. 2 RL folgt schließlich, dass die Zulassung, die von denZahlungsinstituten zu erwirken ist, lediglich der in dem betref-fenden Mitgliedsstaat ansässigen juristischen Person erteiltwird. Von den Zahlungsinstituten sind damit diejenigen sonsti-gen natürlichen und juristischen Personen zu unterscheiden,die zwar wie Zahlungsinstitute behandelt werden, diesen letzt-lich aber doch nicht gleichgestellt werden.

b) Sonstige natürliche und juristische Personen

Entscheidende Vorschrift ist für diese Personen die Ausnah-meregelung des Art. 21 RL. Gemäß Art. 21 Abs. 2 S. 1 RL wer-den natürliche und juristische Personen, die unter die Aus-nahmeregelung des Art. 21 Abs. 1 RL fallen, wie Zahlungsin-stitute behandelt. Allerdings bestehen wesentliche Unter-schiede in Bezug auf ihre Rechte und die von ihnen zu erbrin-genden Dienstleistungen.

(1) Freistellungsvoraussetzungen vom regulären Zulas-sungsverfahren für die sonstigen natürlichen oder juristi-schen PersonenDie Mitgliedsstaaten können von den Voraussetzungen derArt. 5 bis Art. 20 RL und damit dem regulären Zulassungsver-fahren absehen, wobei einige aufsichtsrechtliche Vorschriftenzwingend auch für die sonstigen natürlichen und juristischen

Personen gelten, nämlich Art. 15 RL (Benennung der zustän-digen Behörden), Art. 17 RL (Berufsgeheimnis) und Art. 19 RL(Informationsaustausch). Darüber hinaus müssen für eineFreistellung weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit eineFreistellung überhaupt möglich sein soll.32 Gemäß Art. 21Abs. 1 lit. a) darf der Gesamtbetrag der Zahlungsvorgänge, dievon der betreffenden Person ausgeführt werden, höchstensdrei Millionen € im monatlichen Durchschnitt betragen undgemäß Art. 21 Abs. 1 lit. b) RL darf keine der für die Leitungoder den Betrieb des Unternehmens verantwortlichen natür-lichen Personen wegen Verstößen gegen Geldwäschevor-schriften oder wegen Terrorismusfinanzierung oder anderenFinanzstraftaten verurteilt worden sein. Bedenklich erscheintdiese Regelung unter dem Gesichtspunkt des Verbraucher-schutzes, weil auf diese Art und Weise ohne jede ZulassungKräfte auf dem Markt operieren können, die infolge einer effi-zienten staatlichen Aufsicht sonst gerade nicht die Möglich-keit haben, Verbrauchern ihre Dienste anzubieten.33 Darüberhinaus wird dadurch auch das so genannte Hawala-Bankinggefördert34 und die Anbieter können nun sogar damit wer-ben, offiziell registriert zu sein, ohne dass davon auszugehensein wird, dass ein verbesserter Verbraucherschutz damit ein-hergeht.35 Die Vorgaben der Richtlinie sind daher nicht zwin-gend zu begrüßen. Obwohl entgegen dem ursprünglichenRichtlinienvorschlag bereits das offene Volumen von 5 Milli-onen € auf 3 Millionen € abgesenkt wurde, erscheint dieMöglichkeit einer bloßen Registrierung ohne Durchführungeines regulären Zulassungsverfahrens weder als geboten nochals sinnvoll. Auch das Argument, dass jedem Finanztransfer-dienstleister, unabhängig davon, ob er sämtliche Vorausset-zungen für eine Zulassung als Zahlungsinstitut erfüllt, einegewisse Form der Anerkennung zuzugestehen sei, damit nie-mand in die Schattenwirtschaft gedrängt wird und alleFinanztransferdienstleister bestimmten rechtlichen Mindest-anforderungen unterworfen werden,36 rechtfertigt nicht eine

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Freistellung verbunden mit einer Möglichkeit zur Erbringungvon Zahlungsdienstleistungen.37

(2) Die rechtliche Behandlung der sonstigen natürlichenund juristischen PersonenVon Bedeutung dürfte im vorliegenden Fall die Statuierungeiner bloßen Möglichkeit sein, von den Voraussetzungen abzu-sehen. Demnach können die Mitgliedsstaaten im Rahmen derUmsetzung der Richtlinie gerade unter dem Aspekt eines höhe-ren Verbraucherschutzniveaus wohl auch die Einhaltung derVoraussetzungen der Art. 5 RL bis Art. 20 RL in vollem Umfangfür die sonstigen natürlichen und juristischen Personen for-dern.38 Darüber hinaus bestimmt Art. 21 Abs. 1b RL, dass sichbei solchen natürlichen oder juristischen Personen, die nachdiesem Artikel registriert sind, die Hauptverwaltung oder derWohnort in dem Mitgliedsstaat befinden muss, in dem sie ihreTätigkeit tatsächlich ausüben. Das bedeutet zugleich eine Ein-schränkung der gemeinschaftsweit ausgeübten Tätigkeit.39

Dies steht in Einklang mit Art. 21 Abs. 2 S. 2 RL, dem zufolgeArt. 6 Abs. 3 RL und Art. 20 RL nicht für diese natürlichen undjuristischen Personen gelten. Denn gemäß Art. 6 Abs. 3 RL giltdie Zulassung in allen Mitgliedsstaaten und gestattet es dembetreffenden Zahlungsinstitut, auf der Grundlage der Dienst-leistungs- oder Niederlassungsfreiheit überall in der Gemein-schaft Zahlungsdienste zu erbringen, sofern die betreffendenZahlungsdienste durch die Zulassung abgedeckt sind. Damitkönnen die sonstigen natürlichen und juristischen Personen,die wie Zahlungsinstitute zu behandeln sein sollen, nichtmittels ihrer Registrierung in einem Mitgliedsstaat gemein-schaftsweit agieren.40 Formal betrachtet bestehen damit zumeinen „echte“ Zahlungsinstitute gemäß Art. 4 (2b) RL, die eineZulassung für die gemeinschaftsweite Erbringung und Ausfüh-rung von Zahlungsdiensten erhalten haben, zum anderen sol-che „unechten“ Zahlungsinstitute, die eben keine gemein-schaftsweite Zulassung, sondern lediglich eine mitgliedsstaat-lich gebundene Registrierung erhalten können. Gemäß Art. 8S. 4 RL wird eine Trennung der zugelassenen Zahlungsinstitu-te von den freigestellten natürlichen oder juristischen Perso-nen gemäß Art. 21 RL auch durch die Registrierung bewirkt,denn letztere sind getrennt von den zugelassen Zahlungsinsti-tuten aufzuführen. Denkbar erscheint es aber, dass letztere mitder jeweiligen Zulassung des jeweiligen Mitgliedsstaates inmehreren Mitgliedsstaaten ihre Zahlungsdienstleistungenanbieten dürfen und können. Dies leitet über zu den mög-lichen Zahlungsdienstleistungen, die von den sonstigen natür-lichen oder juristischen Personen gemäß Art. 21 RL am Marktangeboten werden dürfen und können.

(3) Die für die freigestellten natürlichen oder juristischenPersonen in Betracht kommenden ZahlungsdiensteGemäß Art. 6 Abs. -1 S. 1 RL schreiben die Mitgliedsstaatenvor, dass andere Unternehmen als Unternehmen im Sinnevon Art. 1 Abs. 1 Buchstaben a, b und c sowie da und db sowienach Art. 21 freigestellte natürliche und juristische Personen,die Zahlungsdienste erbringen wollen, vor dem Beginn derErbringung von Zahlungsdiensten eine Zulassung als Zah-lungsinstitut erwirken müssen. Damit können nur Zahlungs-dienste erbracht werden, wenn eine Zulassung als Zahlungs-institut erwirkt worden ist. Da Art. 21 RL gerade eine Freistel-lungsmöglichkeit von der Durchführung eines regulärenZulassungsverfahrens vorsieht, dürfte damit eine Erbringungvon Zahlungsdiensten durch freigestellte natürliche und juris-tische Personen eigentlich nicht möglich sein. Jedoch werdengemäß Art. 21 Abs. 2 S. 1 RL freigestellte natürliche oder juris-tische Personen wie Zahlungsinstitute behandelt. Wenn sie

jedoch wie Zahlungsinstitute behandelt werden, müssteihnen auch die Erbringung von Zahlungsdiensten nach Art. 4(2) RL in Verbindung mit dem Anhang sowie nach Art. 10 RLmöglich und erlaubt sein. Dies erscheint aber insbesondereunter dem Aspekt der fehlenden Teilnahme an einem Einla-gesicherungssystem als bedenklich.41 Im nationalen Recht istim Rahmen der Umsetzung dieser Vorschrift entgegen derMöglichkeiten nach der Richtlinie daher zumindest die zwin-gende Teilnahme an einem Einlagensicherungssystem zu for-dern.42 Darüber hinaus ist im Erwägungsgrund (8) ausdrück-lich die Rede von Zahlungsdienstleistern, die keine Einlagenentgegennehmen und kein elektronisches Geld ausgeben,und die als neue Kategorie von Dienstleistern nachstehendZahlungsinstitute genannt werden.43 Entgegen demursprünglichen Art. 10 Abs. 1 lit. a) Richtlinienvorschlag dür-fen nach der derzeit geltenden Regelung Zahlungsinstitutenun nicht mehr jede Art von Zahlungsdiensten erbringen.Denn in der aktuellen Fassung der Richtlinie ist Art. 10 Abs. 1lit. a) schlichtweg gestrichen worden.44 Dennoch ist dieseStreichung nicht in allen Vorschriften umgesetzt worden.Gemäß Art. 10 Abs. 2 HS. 1 RL dürfen Zahlungsinstitute beider Erbringung von Zahlungsdiensten nach Absatz 1 Buchsta-be a nur Zahlungskonten führen, die ausschließlich für Zah-lungsvorgänge geführt werden. Sollte von der Richtlinie aberdie Erbringung von Zahlungsdiensten nach Art. 4 (2) RL inVerbindung mit dem Anhang sowie nach Art. 10 RL durchfreigestellte natürliche oder juristische Personen beabsichtigtund gewollt sein,45 so bestehen nach nationalem Recht aneiner möglichen Umsetzung erhebliche Zweifel. Denn die Zif-fern (1) bis (3) des Anhangs setzen allesamt das Bestehen einesZahlungskontos voraus,46 und ein solches ist als Einlagenge-schäft anzusehen.47 Dürfen aber Zahlungsinstitute keine Ein-lagen entgegennehmen, scheiden auch solche Zahlungs-dienstleistungen nach nationalem Recht durch Zahlungsinsti-tute a priori aus. Darüber hinaus dürfen Zahlungsinstitute imZusammenhang mit den unter den Ziffern (4), (5) und (8) desAnhangs genannten Zahlungsdiensten Kredite nur gewähren,

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37 Hieran vermag auch die Klarstellung im Erwägungsgrund (12), S. 8, nichts zuändern, dass freigestellten Zahlungsinstituten weder die Niederlassungsfreiheitnoch der freie Dienstleistungsverkehr gewährt wird, noch sollten sie dieseRechte mittelbar, als Mitglieder eines Zahlungssystems, ausüben können. Esreicht bereits aus, dass sie wie Zahlungsinstitute behandelt und ihnen infolge-dessen gewisse Möglichkeiten zum Tätigwerden eingeräumt werden.

38 Dies könnte allenfalls gemäß Art. 78 Abs. 1 RL fraglich erscheinen, da demzu-folge die Mitgliedsstaaten in den Bereichen, in denen diese Richtlinie harmo-nisierte Bestimmungen enthält, keine anderen als die in dieser Richtlinie fest-gelegten Bestimmungen beibehalten oder einführen dürfen. Andererseitserscheinen sowohl die Wortwahl in Art. 21 Abs. 1 RL als auch die Mitteilungs-und Informationspflicht in Art. 22 RL dafür zu sprechen, dass die Mitglieds-staaten keine Freistellung vornehmen müssen.

39 Damit entfällt der gerade auch für solche sonstigen natürlichen und juristi-schen Personen im ursprünglichen Richtlinienvorschlag enthaltene Europa-pass, vgl. nur die Kritik bei Reifner, aaO. Fn. 7, S. 4 ff. S. 7 ff.

40 Systematisch und vielleicht auch einfacher möglich gewesen wäre eine solcheRegelung (Nichtgeltung des Art. 6 Abs. 3 RL) in Art. 6 Abs. 3 RL (z. B. Art. 6Abs. 3 S. 2 RL), da ja Art. 6 Abs. 1 RL ohnehin schon Bezug nimmt auf die Art.21 RL freigestellten sonstigen natürlichen und juristischen Personen.

41 Art. 21 Abs. 1 S. 1 RL gewährt gerade die Möglichkeit der Freistellung von Art.5d RL. Kritisch hierzu auch Burgard, WM 2006, 2065, 2067, unter Hinweis aufden diesbezüglich fehlenden Verbraucherschutz. Solche freigestellten natür-lichen oder juristischen Personen bilden darüber hinaus nicht nur eine Gefahrdes Verbrauchers, sondern zugleich auch eine akute Gefahr für die seriöse Kre-ditwirtschaft.

42 Vgl. Burgard, WM 2006, 2065, 2067.43 Erwägungsgrund (8), S. 5. 44 Zur Kritik daran vgl. Burgard, WM 2006, 2065, 2067, Fn. 39.45 Dies wird letztendlich zu bejahen sein, da alles andere wenig Sinn bereiten

würde, denn: Welche Dienstleistungen sollten von den freigestellten natür-lichen und juristischen Personen sonst zu erbringen sein als diejenigen, die inArt. 4 (2) RL in Verbindung mit dem Anhang und Art. 10 RL genannt sind?Hier verbleiben keine wesentlichen Zahlungsdienstleistungen.

46 Und ohne ein solches sind die in den Ziffern (1) bis (3) genannten Transak-tionen nicht vorstellbar.

47 Vgl. Burgard, WM 2006, 2065, 2067.

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48 Welche quasi nur als Zahlungsinstitute behandelt werden, da sie gemäß Art.21 RL von dem regulären Zulassungsverfahren frei gestellt sind.

49 Vgl. Reifner, aaO. Fn. 7, S. 10 f. Nach Reifner sind gerade die Kreditkartenkreditedie Ursache für eine starke Überschuldung gewisser Bevölkerungskreise. Dazukommt, dass der Erwägungsgrund 12 ausdrücklich davon spricht, dass niemandin die Schattenwirtschaft gedrängt werden soll. Allerdings sind die Regelungen inder Richtlinie selbst nicht mehr enthalten, die hier Anlass zur Sorge gegeben hat-ten. Bei diesen im ursprünglichen Richtlinienvorschlag enthaltenen Regelungenging es vor allem um eine unbegrenzte Möglichkeit auch für Zahlungsinstitute,europaweit Zahlungsdienstleistungen anzubieten und damit Leistungen, die her-kömmlicher Weise lediglich von Kreditinstituten angeboten werden dürfen.

50 Vgl. dazu nochmals Burgard, WM 2006, 2065, 2067; dabei wird bei dem Kre-ditkartengeschäft die Bedeutung eher im Bereich des Universalkartensystemsliegen, vgl. Derleder/Knops/Bamberger-Blaurock, Handbuch Bankrecht, 2004,§ 43 Rn. 4, Rn. 5.

51 Vgl. Derleder/Knops/Bamberger-Blaurock, Handbuch Bankrecht, 2004, § 43 Rn. 4, Rn. 5.

52 Bei diesen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommenen Tätigkei-ten handelt es sich um Zahlungsvorgänge mit Bargeld, Art. 3 lit. a) bis e), Zah-lungsvorgängen mit bestimmten Dokumenten, Art. 3 lit. f) oder Zahlungsvor-gängen innerhalb oder mittels besonderer Zahlungssysteme, Art. 3 lit. g) bis m).

wenn unter anderem gemäß Art. 10 Abs. 2a lit. b) RL unge-achtet einzelstaatlicher Vorschriften über die Kreditgewäh-rung mittels Kreditkarten der im Zusammenhang mit einerZahlung gewährte und im Einklang mit Art. 6 Abs. 3 RL undArt. 20 RL vergebene Kredit innerhalb einer kurzen Fristzurückgezahlt wird, die zwölf Monate in keinem Fall über-schreiten darf. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die Ver-gabe von Krediten im Zusammenhang mit dem Kreditkarten-geschäft überhaupt durch Zahlungsinstitute48 geleistet zuwerden vermag, da ein Einklang mit Art. 6 Abs. 3 RL und Art.20 RL gerade nicht herzustellen ist. Denn gemäß Art. 21 Abs. 2S. 2 RL gelten genau diese Vorschriften nicht für die freigestellten natürlichen und juristischen Personen, die als Zah-lungsinstitute behandelt werden. Selbst wenn allerdings dieVerweisung in Art. 10 Abs. 2a lit. b) RL so verstanden werdenwollte, dass lediglich die Zulassungsvoraussetzungen erfülltsein müssten, nicht aber, wenn von dem regulären Zulas-sungsverfahren ohnehin eine Freistellung besteht, dann istnach dem nationalen Recht eine Teilnahme am Kreditkarten-geschäft schwer vorstellbar. Die Gefahr der Wucherkredite49

verbliebe zwar eigentlich wegen Art. 10 Abs. 2 RL i. V. m. Art.21 Abs. 2 S. 1 RL. Aber selbst wenn dies angenommen werdensollte, verblieben die Bedenken nach nationalem Recht. Wiesollte eine Teilnahme am Kreditkartengeschäft ohne Einrich-tung eines Zahlungskontos möglich sein?50 Zumindest müs-sten die beteiligten Zahlungsinstitute eine Möglichkeit haben,am Lastschriftverfahren teilzunehmen.51 Dies wäre ihnenaber gerade wegen der Vorschriften der Richtlinie verwehrt.

2. Kreditinstitute, Postscheckämter und E-Geld-Institute

Die sonstigen Zahlungsdienstleister werden sich aus verbrau-cherschutzrechtlicher Sicht nicht als Neuerung in Bezug aufZahlungsdienstleistungen darstellen. Allenfalls werden sichfür diese „klassischen“ Anbieter Möglichkeiten eröffnen,mittels echter Seriosität und im Interesse eines effektivenVerbraucherschutzes eine klare Abgrenzungspolitik zu denanderen, neuen Anbietern zu betreiben.

II. Zahlungsdienstleistungen

Unter die Zahlungsdienstleistungen fallen alle innerhalb derGemeinschaft erbrachten Zahlungsdienste gemäß Art. 4 (2a)RL in Verbindung mit dem Anhang zur Richtlinie. Allerdingssind hierbei die Ausnahmen des Art. 3 RL zu beachten.52 VonBedeutung aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht dürftenhier insbesondere die Zahlungsdienste der Kreditgewährungim Rahmen von Kreditkartenanbietern sein. Hier wird dieDifferenzierung relevant werden, inwieweit es sich um Zah-lungsinstitute handelt, die die Voraussetzungen der Art. 5 RLbis Art. 20 RL erfüllen, oder ob es sich um solche Zahlungs-institute handelt, die unter die Ausnahmeregelung des Art.21 RL fallen. Für die letztgenannten wurde oben bereits fest-gestellt, dass den von ihnen zu erbringenden Zahlungs-dienstleistungen nicht viel Spielraum verbleiben dürfte. Vonden anderen Zahlungsdienstleistern wiederum werden fürVerbraucher keine anderen als die bisherigen Risiken undGefahren ausgehen.

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* Der Verfasser ist Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof. Der nachfolgende Kurz-beitrag beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser am 12.05.2007 im Rahmendes Workshops S 2 „Update bei Schrottimmobilien - Erfahrungen und Ausblick“der iff-Konferenz „Geld sinnvoll nutzen – Neue Wege im Kredit“ gehalten hat.Die Vortragsform wurde bewusst beibehalten, Rechtsprechungsnachweise blei-ben auf das Unabdingbare beschränkt.

Kaum ein Thema dürfte die Zivilrechtsprechung in den letz-ten Jahren mehr beschäftigt haben als die so genannten„Schrottimmobilien“. Ein Kurzüberblick über den Stand derRechtsprechung kann deshalb nur einige grobe Linien zeich-nen. Die nachfolgend angesprochenen Punkte stellen nachder Erfahrung des Verfassers, der in den letzten Jahren imBereich „Schrottimmobilien“ Kreditinstitute zunächst vorLand- und Oberlandesgerichten vertreten hat und jetzt vordem Bundesgerichtshof sowie vor dem EuropäischenGerichtshof vertritt, die wichtigsten Weichenstellungen dar.Erlaubt sei vorab noch eine Randbemerkung: Auch wenn das

Zur Stellung der Kreditinstitute nach der Finanzierungstrukturvertriebener Immobilienkapitalanlagen – Ein Kurzüberblick über die Rechtsprechung des BundesgerichtshofsDr. Matthias Siegmann*, Karlsruhe

ceterum censeo des Verfassers mittlerweile einem Kampfgegen Windmühlenflügel ähneln dürfte, sei nochmals derHinweis gestattet, dass der Begriff „Schrottimmobilien“ inmehrfacher Hinsicht unscharf ist und den hier zu bespre-chenden Themenkreis nicht exakt erfasst. Natürlich gab es

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Fälle, bei denen im Wege des Strukturvertriebs minderwerti-ge, reparaturbedürftige Immobilien in den Markt gedrücktwurden. Dies stellt aber keinesfalls den Regelfall dar. Viel-mehr geht es nach den Erfahrungen des Verfassers in derüberwiegenden Mehrzahl der Fälle um Neubauten oderrenovierte Altbauten, durchaus auch in guten Lagen, diedurch Realteilung (also als Eigentumswohnung) oder durcheine rechtliche Teilung (also nach Einbringung in eine Fonds-gesellschaft als Fondsbeteiligung) an Normalverdiener als„Paketlösung“ mit einer Vielzahl an Nebendienstleistungenvertrieben wurden. Wenn sich diese finanzierten Kapitalan-lagen für die Erwerber nachfolgend oftmals als verlustträch-tig und leider nicht selten als geradezu ruinös erwiesenhaben, dürfte dies regelmäßig an der unglücklichen Ent-wicklung des Immobilienmarktes einerseits, den hochpreisi-gen Nebenleistungen andererseits gelegen haben, zumalwohl auch nicht alle Erwerber die durch die erworbenenImmobilien zu erzielenden Steuervorteile vollständig nutzenkonnten. Diese vielschichtigen Ursachen für den bedauer-lichen wirtschaftlichen Misserfolg vieler Erwerber werdendurch den plakativen Begriff der „Schrottimmobilie“ abereher verdeckt denn zutreffend abgebildet.

A. Geklärte Fragen

Als geklärt kann zunächst gelten, dass auch im vorliegendenKontext zwischen dem mit dem Anleger geschlossenen Dar-lehensvertrag und dem finanzierten Geschäft – unabhängigvom Finanzierungsgegenstand – nur dann ein Verbund imSinne des § 9 VerbrKrG a.F. in Betracht kommt, wenn der aus-gereichte Kredit nicht von der Besicherung durch ein Grund-pfandrecht abhängig gemacht worden ist oder nicht zu fürRealkredite üblichen Konditionen ausgereicht wurde (§ 3Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG a.F.).1 Geklärt ist auch, dass dem Vor-liegen eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9VerbrKrG a.F. auch im vorliegenden Kontext nur beschränkteBedeutung zukommt, der Verbund insbesondere weder dazuführt, dass eine etwaige Formnichtigkeit des Darlehensver-trags nach §§ 4, 6 VerbrKrG a.F. nicht durch Auszahlung desDarlehens geheilt worden wäre,2 noch dazu, dass die allge-meinen Rechtsscheingrundsätze suspendiert wären,3 nochschließlich dazu, dass der Anleger Schadenersatzansprüchegegen außerhalb des Verbunds stehende Dritte (wie Fonds-initiatoren etc.) ohne weiteres dem Darlehensrückzahlungs-anspruch des Kreditinstituts entgegenhalten könnte.4 Bedeu-tung kommt der Frage nach dem Vorliegen eines verbunde-nen Geschäfts insbesondere nach einem wirksamen Widerrufdes (auch: Real-) Kreditvertrags5 nach § 1 HWiG a.F. durchden Anleger zu, wobei das Kreditinstitut sich die durch einenVermittler des finanzierten Anlagegenstandes geschaffeneHaustürsituation zurechnen lassen muss.6 Während bei nichtverbundenen Darlehensgeschäften der etwa nach § 1 HWiGa.F. wirksame Widerruf des Darlehensvertrags den Rückzah-lungsanspruch des Kreditinstituts bezüglich der ausgereich-ten Darlehensvaluta entstehen lässt (und deshalb dem Anle-ger regelmäßig nicht weiterhilft),7 hat das Kreditinstitut nacheinem Haustürwiderruf eines mit dem Finanzierungsgeschäftverbundenen Darlehensvertrags nur noch Anspruch aufÜbertragung des finanzierten Objekts, was den Anlegerwesentlich besser stellt.8 Der Anleger steht in dieser Konstel-lation ähnlich wie bei einem vermeintlichen Verstoß seinesGeschäftsbesorgers gegen das Rechtsberatungsgesetz bei derAbwicklung des Erwerbs, sofern der von diesem geschlosseneDarlehensvertrag nicht nach Rechtsscheingrundsätzen wirk-

sam ist.9 Als gesicherte Erkenntnis der Rechtsprechung darfweiter gewertet werden, dass dem vom EuGH kreierten Scha-densersatzanspruch wegen fehlerhafter Belehrung nach demHaustürwiderrufsgesetz10 zumindest mangels nachweisbarerKausalität einer etwaigen Pflichtverletzung keine praktischeBedeutung zukommen dürfte, wohingegen die Recht-sprechung nunmehr bei einem institutionalisiertenZusammenwirken zwischen Kreditinstitut und Veräußererbzw. Vertreiber des finanzierten Anlagegegenstandes Bewei-serleichterungen des Anlegers gewährt, die dem Anleger beieiner nachweislichen Täuschung durch andere Beteiligte dieGeltendmachung von Schadensersatzansprüchen auch gegendas finanzierende Institut wesentlich erleichtern.11 Als gesi-chert ist schließlich festzuhalten, dass im vorliegenden Kon-text geschlossene Vergleiche auch dann nicht für die Anle-gerseite anfechtbar sind, wenn sie zu einem Zeitpunktgeschlossen wurden, als bereits verbraucherfreundliche Ten-denzen in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu beobach-ten waren, selbst wenn derartige Vergleiche nach heutigemStand der Rechtsprechung für die Darlehensnehmer ungün-stig scheinen.12

B. Offene Problemstellungen

Nur wenige Fragen sind demgegenüber durch den XI. Zivilse-nat des Bundesgerichtshofs bisher noch nicht abschließendgeklärt.

I.

Das gilt zunächst für die die Finanzierungen von Fondsantei-len betreffende Frage, ob die dem Fonds – aufgrund eines Ver-stoßes ihres Geschäftsbesorgers gegen das Rechtsberatungsge-setz – fehlerhaft, aber wirksam beigetretenen Anleger fürBereicherungsansprüche hinsichtlich der dem Fonds etwarechtsgrundlos (weil durch den nichtig bevollmächtigtenGeschäftsbesorger veranlasst) über den Treuhänder oderunmittelbar vom Kreditinstitut zugeflossene Darlehensvalu-ten zumindest in Höhe des ihrem Gesellschaftsanteil ent-sprechenden Teils analog § 128 HGB haften. In der Recht-sprechung der Oberlandesgerichte13 wird ein solcherAnspruch bisher mit unterschiedlichen, allerdings durchwegnicht überzeugenden Begründungen abgelehnt. Der Bundes-gerichtshof wird wohl Ende diesen/Anfang nächsten Jahresaufgrund ihm vorliegender Revisionen die Frage abschlie-ßend entscheiden können.

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1 Vgl. etwa BGH BGHZ 167, 223 = WM 2006, 1008 mwN.2 Vgl. etwa BGH BGHZ 167, 239 = WM 2006, 1066 mwN.3 BGH BGHZ 167, 223 = WM 2006, 1008 mwN.4 BGH BGHZ 167, 239 = WM 2006, 1066 mwN.5 Zur – äußerst problematischen – richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 2

HWiG a.F. vgl. BGH BGHZ 150, 248 (Heininger).6 BGH WM 2006, 674 im Anschluss an die (ihrerseits zweifelhafte) Rechtsprechung

des EuGH in Sachen Crailsheimer Volksbank (WM 2005, 2086).7 Grundlegend hierzu bereits BGH BGHZ 150, 248/262 f.; weiterhin BGH BGHZ

152, 331.8 Vgl. zu den Einzelheiten BGH BGHZ 167, 252 = WM 2006, 1003 mwN.9 Zu den Voraussetzungen und Folgen eines Verstoßes des Geschäftsbesorgers der

Anleger gegen das Rechtsberatungsgesetz vgl. etwa BGH BGHZ 167, 223 mwN.Die Einzelheiten der Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsscheinhaftungkönnen hier nicht erörtert werden.

10 Urte. des EuGH WM 2005, 2079 (Schulte) und WM 2005, 2086 (CrailsheimerVolksbank).

11 Grundlegend hierzu BGH BGHZ 168, 1.12 Vgl. hierzu die Pressemitteilung Nr. 35/07 des Bundesgerichtshofs vom

13.03.2007 betreffend verschiedene Beschlüsse des Bundesgerichthofs zu Urteilendes OLG Karlsruhe vom 06.12.2005, WM 2006, 396.

13 Vgl. etwa OLG Karlsruhe ZIP 2006, 1128.

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14 BGH BGHZ 171, 1.15 OLG Karlsruhe WM 2007, 1514.16 BGH BGHZ 150, 248.17 Vorlagebeschluss des OLG Stuttgart WM 2006, 1997. Das Vorabentscheidungser-

suchen ist unter dem Aktenzeichen Rs C-412/06 beim EuGH anhängig; diemündliche Verhandlung fand am 20.09.2007 statt, die Schlussanträge des Gene-ralanwalts sind für den 21.11.2007 angekündigt.

II.

Von erheblicher Bedeutung dürfte weiter die Frage sein, wannetwaige Ansprüche, die Anlegern nach den obigen Grundsät-zen gegen Kreditinstitute zustehen können, verjähren. Hierhat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass es auchbezüglich der nach Art. 229 § 6 EGBGB zu beurteilenden Alt-forderungen (um die es hier durchweg geht) auf Kenntnisbzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den denAnspruch begründenden Umständen ankommt (§ 199BGB).14 Während bei etwaigen Schadensersatzansprüchender Anleger hier jeweils die Umstände des Einzelfalls aus-schlaggebend sein werden, dürften sich für Bereicherungsan-sprüche der Anleger im Zusammenhang mit Verstößen ihresGeschäftsbesorgers gegen das Rechtsberatungsgesetz undAnsprüche der Anleger aus § 3 HWiG a.F. allgemeine Richtli-nien finden lassen. So hat das OLG Karlsruhe für Bereiche-rungsansprüche des Anlegers, die sich aus einem Verstoß desGeschäftsbesorgers gegen das Rechtsberatungsgesetz ergeben,zumindest im Ergebnis überzeugend entschieden, dass solcheAnsprüche mit Ablauf des 31. Dezember 2005 verjährt sind.15

Der Bundesgerichtshof wird voraussichtlich auch über dieseFrage im Laufe des nächsten Jahres entscheiden. Für Ansprü-che der Anleger aus § 3 HWiG a.F. dürfte im Hinblick auf dieim April 2002 allgemein bekannt gewordene Heininger-Ent-scheidung des Bundesgerichtshofs16 nichts anderes gelten.

III.

Nicht endgültig geklärt ist schließlich die für Altfälle gleich-falls nicht ganz unbedeutende Frage, ob § 2 Abs. 1 Satz 4HWiG a.F., wonach das Widerrufsrecht des Verbrauchersnach § 1 HWiG a.F. einen Monat nach vollständiger wechsel-seitiger Leistungserbringung erlischt, mit den Vorgaben derHaustürgeschäfterichtlinie vereinbar ist.17 Offen ist auch dieweitere Frage, inwieweit der eindeutige Wortlaut des § 2Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F., sollte der EuGH dessen Vereinbarkeitmit der Haustürgeschäfterichtlinie verneinen, im Wege einerrichtlinienkonformen „Auslegung“ hinwegdiskutiert werdenkönnte.

C. Versuch einer Würdigung

Die vorstehend unter A. skizzierte Rechtsprechung des XI.Zivilsenats des Bundesgerichtshofs wird man als gefestigtansehen können. Sie ist nach der persönlichen Einschätzungdes Verfassers dogmatisch weitgehend stimmig und dürfte invielen Konstellationen zu angemessenen Ergebnissen führen.

I.

Dies gilt insbesondere für die vom Bankrechtssenat in seinenGrundsatzurteilen vom 16. Mai 2006 anerkannte Beweiser-leichterung zugunsten der Darlehensnehmer bei einer – frei-lich nach wie vor von diesen nachzuweisenden – objektiv

evidenten arglistigen Täuschung durch Prospekt und/oderVertrieb, sofern Kreditinstitut und Vertrieb institutionalisiertzusammengearbeitet haben. Der neueren Ansicht des Senatsist zuzustimmen, dass es in diesem Fall Aufgabe des Kreditins-tituts sein muss darzulegen und ggf. zu beweisen, dass esselbst gleichfalls Opfer der arglistigen Täuschungen derImmobilienvertreiber geworden ist und vor der Täuschungder Anleger nicht etwa bewusst die Augen verschlossen hat.

II.

Weniger überzeugend sind aus Sicht des Verfassers demge-genüber seit je her die Lösungen der Rechtsprechung zu denformalen Angriffen der die Darlehensnehmer vertretendenKollegen gegen die Wirksamkeit der geschlossenen Darle-hensverträge. Diese ersichtlich insbesondere auf ihre Taug-lichkeit in Massenverfahren hin entwickelten Instrumente,die Darlehensnehmer von ihren Rückzahlungspflichten zubefreien, führen angesichts der dogmatisch aufwändigen Ver-suche der Rechtsprechung, zumindest die Folgen der formalbegründeten Unwirksamkeit der Darlehensverträge für dieKreditwirtschaft zu begrenzen, zu oftmals zufälligen Ergeb-nissen, die letztlich wertungsmäßig Gleiches ungleich behan-deln. Nach den Sündenfällen der Anwendung des Rechtsbe-ratungsgesetzes auf letztlich vollständig determinierte bloßeVertragsvollziehungen einerseits, der vermeintlich europa-rechtlich gebotenen Öffnung des Verbraucherkreditrechts fürHaustürwiderrufe im Bereich von Realkrediten entgegen derklaren Regelung § 5 Abs. 2 HWiG a.F. andererseits, erweisensich diese Eingrenzungsversuche aber als unabdingbaresMittel zum Erhalt jedenfalls einer gewissen Rechtssicherheitfür die betroffenen Kreditinstitute.

III.

Uneingeschränkt zu begrüßen ist es unter dem Aspekt derRechtssicherheit schließlich, dass die Rechtsprechung im vor-liegenden Zusammenhang geschlossene, für die Anleger nachdem heutigen Stand der Rechtsprechung nachteilige Verglei-che bisher – soweit ersichtlich – als rechtlich unbedenklichansieht. Zu einer Rechtsberatung seiner Kunden sich selbstgegenüber ist ein Kreditinstitut auch dann nicht verpflichtet,wenn es sich bei den Kunden um Verbraucher handelt. Soll-ten die Vergleiche zu einem Zeitpunkt geschlossen wordensein, als verbraucherfreundlichere Tendenzen der Recht-sprechung bereits erkennbar waren, mögen sich die Darle-hensnehmer ggf. an ihre damaligen rechtlichen Berater hal-ten.

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Knops, Zwei Lösungsvorschläge zur Mala ise haustürvermitte l ter Immobi l ienf inanzierungen | A U F S Ä T Z E

1 Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außer-halb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Amtsblatt Nr. L 372 vom31.12.1985 S. 31-33.

2 EuGH, NJW 2002, 281 (Rn.46).3 EuGH, Rs C-350/03 Schulte, WM 2005, 2079.4 EuGH, Rs. C-229/04 Crailsheimer Volksbank, WM 2005, 2086.5 EuGH Rs. 350/03, WM 2005, 2079, 2086 (Rn. 100)6 Siehe die Analyse von Derleder, ZfIR 2007, 257, 260 sowie die Kommentierungen

zu den jüngsten Entscheidungen des Bankrechtssenates von Kulke, VuR 2007, 108ff.

7 Vgl. bereits „Zypries lehnt Gesetz zu Immobilien-Betrug ab“, afp-Pressemeldungvom 08.03.2004, 19:40 Uhr.

Die Rückgängigmachung von Darlehens- und Grundstücks-kaufverträgen und die Auflösung von Gesellschaftsverträgennebst Finanzierung, die Anfang bis Mitte der 90er Jahre desvorigen Jahrhunderts an der Haustüre vermittelt wurden,nimmt nach wie vor alle Instanzen der Zivilgerichtsbarkeit inAnspruch und dominiert die Rechtsprechung des Bank-rechtssenates beim Bundesgerichtshof. Immer wieder neueFragen tauchen in der gerichtlichen Praxis auf, so dass auchder Europäische Gerichtshof nunmehr zum vierten Mal mitder Praxis der Vermittlung an überwiegend bonitätsschwa-che und uninformierte Verbraucher befasst ist. Bis heuteunwidersprochen ist die Analyse, dass der Antrieb der pro-fessionell Beteiligten bei Auflage der Finanzierungsmodelleoffensichtlich nicht selten darin bestand, die bereits beste-henden Verpflichtungen von Bauträgern und Fondsaufle-gern gegenüber den Banken aus schon maroden Projektenauf zahlreiche Verbraucher zu verlagern. Nach dem auchdiese Kredite oft notleidend geworden sind, hat eine Welledes Work-Outs begonnen, in dem ganze Darlehenspaketenebst zugehöriger Sicherheiten an Investoren verkauft wur-den, womit Verbraucher zu Hedge-Fonds verschoben wur-den, die teilweise keine Banklizenz haben und auf schnellst-mögliche Verwertung der Kredite drängen, jedenfalls aberkein Interesse an der Fortführung der langfristigen Engage-ments haben.

A. Rechtliche Lage

Ausgangspunkt der übergroßen Mehrheit der anhängigenVerfahren und der außergerichtlichen Auseinandersetzungenist der Umstand, dass die betroffenen Verbraucher in denmeisten Fällen bei Vertragsabschluss nicht oder nicht ord-nungsgemäß über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nachdem Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) belehrt worden sind.Nachdem der Europäische Gerichtshof in der sog. Heininger-Entscheidung verbindlich festgestellt hatte, dass auch Real-kredite unter den Schutz der Haustürgeschäfterichtlinie1 fal-len und die Widerrufsmöglichkeit bei unterlassenem odernicht ordnungsgemäßem Inhalt nicht auf einen bestimmtenZeitraum beschränkt ist, wurde auch hierzulande durchgän-gig anerkannt, dass die entsprechenden Verträge auch heutenoch widerrufen werden können.2 Nachdem aber Krediteunter der erdrückenden Last umgeschuldet worden sind,ohne dass die Verbraucher von einer WiderrufsmöglichkeitKenntnis hatten, ist nun durch eine Vorlage des OLG Stutt-gart vor dem EuGH streitig, ob der Gesetzgeber den Widerrufauf einen bestimmten Zeitraum nach Beendigung des Vertra-ges begrenzen konnte und sich Banken ggf. auf eine Verwir-kung des Widerrufsrechts berufen können. Beides dürfte zuverneinen sein, da die Richtlinie 85/577/EWG anders alsandere Richtlinien keine zeitliche Begrenzung des Widerrufs-rechts kennt und sich die finanzierenden Banken auf eine„illoyale Verspätung“ schon allein deswegen nicht berufenkönnen, weil gerade sie diejenigen sind, die die widerrufsbe-rechtigten Verbraucher pflichtwidrig nicht auf deren Wider-rufsrecht hingewiesen haben und die an sich Berechtigten

Zwei Lösungsvorschläge zur Malaise haustürver-mittelter ImmobilienfinanzierungenPD Dr. Kai-Oliver Knops, Bremen/ Hamburg

eben wegen der dadurch verursachten Unkenntnis diesesRecht nicht geltend machen konnten.

Eine befriedigende Lösung ist auch nach den jüngsten Judi-katen aus Luxemburg mit den Urteilen vom 25. Oktober2005 zur Rs. C-350/03 Schulte/Badenia3 und zur Rs. C-229/04Crailsheimer Volksbank/Conrads4 nicht erreicht. Die Vorgabe,dass der nicht belehrte Verbraucher, wenn er das Darlehenzurückzahlen muss, die mit der Kapitalanlage verbundenenRisiken nicht zu tragen hat, die durch eine Belehrung hättenvermieden werden können und die Mitgliedstaaten dafür sor-gen müssen, dass unter diesen Umständen das Kreditinstitut,das seiner Belehrungspflicht nicht nachgekommen ist, dieFolgen der Verwirklichung dieser Risiken zu tragen hat undnicht der nicht belehrte Verbraucher,5 ist bislang nicht umge-setzt. Anstatt die Widerrufsregelung des für die Altfälle ein-schlägigen § 3 HWiG konsequent nach den Vorgaben desEuGH auszulegen, verlagert der Bankrechtssenat die Fälle wegvom Überrumpelungsschutz der Haustürregeln und Haustür-geschäfterichtlinie auf einen Täuschungsschutz, wonach eswegen der strengen Anforderungen an den Nachweis einerBelehrungspflichtverletzung, dem Verschuldenserfordernisals auch hinsichtlich der Kausalitätsfrage nur unter ganzbesonderen Umständen zu einem vergleichbaren Schutz desVerbrauchers kommen kann.6 Der Gesetzgeber ist bislangnicht tätig geworden.7

B. Lösungen

Es bestehen m. E. zwei relativ einfach umzusetzende Lösungs-möglichkeiten. Die erste kann auf der Basis der bisherigenGesetzeslage (de lege lata) erfolgen, wenn entweder dieRechtsprechung bis zum Bundesverfassungsgericht dembereits geäußerten Willen des Gesetzgebers Geltung ver-schafft oder der Bankrechtsenat lediglich seine eigene Recht-sprechung in den sog. Anweisungsfällen auch auf diegenannten Fälle anwendet. Wenn dies nicht geschieht, ist einmoderates Eingreifen des Gesetzgebers vonnöten (de legeferenda).

I. de lega lata

Das Hauptproblem für die allermeisten Verbraucher bestehtdarin, die Darlehensvaluta, die zum einen für die oft minder-wertige Immobilie oder wenig werthaltige Fondsbeteiligung,zum anderen aber auch gerade für die immensen Provisionenzwischen Banken, Vermittlern und Vertrieb aufgebraucht

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8 BT-Drs. 10/2876, S. 14.9 Ausf. Knops, BKR 2005, 59 ff.; zustimmend Derleder, BKR 2005, 442 (448); ebenso

Palandt-Putzo, Nachtrag zur 65. Aufl., § 812 Rn. 54 für den Fall des Doppelman-gels.

10 Vgl. BGH WM 2004, 1227, 1230 unter Hinweis auf BGHZ 147, 145, 150 f. = WM2001, 954 mit Anm. Haertlein, EWiR 2001, 665; BGHZ 152, 307, 311 f. = WM2003, 14 m. Anm. Häuser, EWiR 2003, 215; BGH, WM 2004, 671, 672; Senatsurt.v. 30.03.2004 – XI ZR 145/03, Umdruck S. 7 und Senatsurt. v. 14.05.2002 – XI ZR148/01, Umdruck S. 13 sowie zuvor BGH WM 1996, 2100 zum HWiG. Zum finan-zierten Abzahlungskauf vgl. BGH NJW 1980, 938, 940 und BGH, WM 1993, 1236,1237.

11 D. h., wenn er diejenige Sorgfalt nicht beachtet, die er in eigenen Angelegenhei-ten anzuwenden hat.

12 Siehe dazu etwa das detaillierte Gutachten von Kahl/Essig, teilweise abgedruckt inWM 2007, 525 ff.

worden ist, nach der Rechtsprechung des Bankrechtssenatesmarktüblich verzinsen zu müssen. Wäre dies nicht der Fall,wären durch die geleisteten Zahlungen vielfach die Kreditebereits abgetragen oder könnten unter Berücksichtigung derbereits geleisteten Teilzahlungen mit einer Verwertung derImmobilie abdeckt werden. So erhielte die Bank das ausge-reichte Geld zurück, die Kredite würden beendet und die fürviele erdrückende Malaise wäre im Wesentlichen beseitigt.

1. Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind vom Gesetzgeber in§ 3 HWiG geregelt worden. Danach muss im Falle des Wider-rufs nach Absatz 1 der Norm jede Partei der anderen die emp-fangenen Leistungen zurückgewähren und hat nach Absatz 3für die Zeit der Überlassung des Gebrauchs den Wert zu ver-güten. Nach den Gesetzesmaterialien zum HWiG wollte derGesetzgeber eine Verzinsung der im Haustürgeschäft ausge-tauschten Geldsummen bewusst ausschließen und hat aus-drücklich darauf verzichtet, eine Geldsumme vom Zeitpunktdes Empfangs an verzinsen zu lassen,8 womit die Recht-sprechung des Bankrechtssenates im Widerspruch zu demWillen des Gesetzgebers steht.

2. Wenn der Kreditnehmer – wie in zahlreichen Fällen – nie-mals über die Geldmittel verfügen konnte, sondern diesedurch die Bank aufgrund einer vorformulierten Vertragsbe-stimmung an den Verkäufer, Fonds oder die sonstigen Betei-ligten ausgezahlt wurden, hat er keinen Kredit erhalten undmuss diesen auch nicht zurückzahlen. Teilweise sind in denDarlehensverträgen Klauseln vorhanden, die bereits dieWeiterleitung der Valuta an Dritte regeln. Allerdings zeitigendiese Klauseln keine Wirkung. Im – mangels Belehrung –schwebend unwirksamen und durch Ausübung des Widerrufsendgültig unwirksamen Darlehensvertrag hatte jedwedeAnweisungsklausel keine rechtlich relevante Existenz. Eineallein daraufhin an den Immobilienverkäufer ausgezahlteDarlehensvaluta kann die Bank daher nur von dem Zuwen-dungsempfänger zurückfordern, nicht aber vom Verbrau-cher.9 Dies hat der Bankrechtssenat selbst im Falle derUnwirksamkeit eines Darlehens unter Hinweis auf seine eige-ne Rechtsprechung bestätigt10 – aber für direkte, an der Haus-tür vermittelte Bauträgerfinanzierungen von Anfang an bis-lang unverständlicherweise nicht verfolgt.

3. Schließlich wäre zu klären, wer für die Überrumplungskos-ten, die durch die Vermittlung an der Haustüre, also für denVertrieb der Modelle entstanden sind, einzustehen hat. Nachdem EuGH hat der Verbraucher jedenfalls nicht diejenigenRisiken zu tragen, die hätten vermieden werden können,wenn er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. In § 3 HWiGist auch gerade der Fall geregelt, dass ein Verbraucher beieinem Haustürgeschäft nicht über sein Widerrufsrechtbelehrt wurde. Dann hat er nach § 3 Abs. 2 HWiG eine Ver-

schlechterung, den Untergang oder die anderweitige Unmög-lichkeit der Herausgabe nur ausnahmsweise11 zu vertreten,was sich angesichts der europarechtlichen Vorgabe dahinge-hend übertragen ließe, dass er der Bank keine Beträge schul-det, die bei ordnungsgemäßer Belehrung und Widerruf ohnesein Zutun nicht an diejenigen geflossen wären, die seineÜberrumpelung organisiert haben.

4. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch dieVerbraucher wegen der Nichtbeachtung des gesetzgeberi-schen Willens und der soeben genannten Grundsätze ver-spricht keinen Erfolg, weil „nur“ einfaches Gesetzesrechtunrichtig angewandt, nicht aber zugleich auch spezifischesVerfassungsrecht verletzt sein dürfte. Allerdings provoziertder Bankrechtssenat durch die bislang nicht erfolgte Umset-zung der Vorgaben des EuGH einen schwer auflösbarenGegensatz.

II. de lege ferenda

Wenn es bei der bisherigen Nichtumsetzung der genanntenUrteile des EuGH durch den BGH bleibt, ist eine gesetzgebe-rische Aktion angezeigt. Andernfalls wird eine Staatshaftungder Bundesrepublik begründet,12 womit die Fehler der weni-gen beteiligten Banken der Staat zu tragen hätte. Um dies zuvermeiden, hat der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten. Entwe-der er konkretisiert die Rückabwicklungsvorschriften entspre-chend seinem bereits geäußerten Willen, bei Rückabwicklungnach Haustürwiderruf keine Verzinsung zuzulassen. Damitwäre der Bankrechtssenat gebunden, den Willen des Gesetz-gebers (zu guter letzt) umzusetzen, und alle Sachverhalte,auch Altfälle wären verbindlich geregelt. Solche Konkretisie-rungen sind im Steuerrecht üblich und werden dazu genutzt,Fehlentwicklungen zu beseitigen. Eine erneute Änderung desEinwendungsdurchgriffs nach § 358 BGB wäre dagegen mitRückwirkungsproblemen verbunden, da die in den 90er Jah-ren des vorigen Jahrhunderts geltenden Normen des HWiGund des VerbrKrG längst ersetzt worden sind.

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Mit dem Urteil vom 27.02.2007 hat der Bankrechtsenat zurWirkung des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes inBezug auf die Gültigkeit einer Darlehensabtretung Stellungbezogen und eröffnet zugleich eine kontroverse Diskussionzu einer Vielzahl von rechtlichen Fragen. Der vorliegendeBeitrag beschäftigt sich mit der zentralen Frage, ob entge-gen der Ansicht des BGH Datenschutzverstöße zivilrechtli-che Konsequenzen haben.

A. Einleitung

Mit Urteil vom 27. Februar 2007 hat der Bundesgerichtshofentschieden, dass einer wirksamen Abtretung von Darlehens-forderungen eines Kreditinstituts weder das Bankgeheimnisnoch das Bundesdatenschutzgesetz entgegenstünden.1

Hintergrund der Entscheidung ist die derzeit weit verbreitetePraxis des Verkaufs von mehr oder weniger notleidendenDarlehen ins Ausland. Käufer sind oft international agieren-de und im Ausland sitzende Unternehmen, die zum Teilwenig zimperlich mit ihren neuen Schuldnern umgehen.Skrupel zeigen diese auch nicht bei der Wahrung des Daten-schutzes der Schuldner. Auch um insofern rechtlichen Pro-blemen auszuweichen, wählen diese oft als Sitz einen Staat,in dem es keinen nennenswerten Datenschutz und kein wirk-sames Datenschutzgesetz gibt.2 Das Urteil des BGH lässt sichknapp wie folgt zusammenfassen: Datenschutzrecht begrün-det kein gesetzliches Verbot, dessen Verletzung zur Nichtig-keit eines zivilrechtlichen Geschäftes nach § 134 BGB führenkönnte. Das Urteilsergebnis ist ein Zeugnis dafür, dass dasDatenschutzrecht selbst 30 Jahre nach seiner bundesweitengesetzlichen Verankerung immer noch nicht hinreichend imZivilrecht berücksichtigt wird.

B. Datenschutzverstoß durch Darlehensverkauf

Der BGH hatte auf der Basis seiner rechtlichen Erwägungengar keinen Anlass zu prüfen, ob es denn tatsächlich beim Ver-kauf von Darlehen bzw. bei der Abtretung der Forderung insAusland zu einem Datenschutzverstoß gekommen ist.Zunächst muss unterstellt werden, dass bei solchen Vorgän-gen das Datenschutzrecht überhaupt anwendbar ist. Ange-sichts elektronischer Datenverarbeitung, wie sie bei derarti-gen Bankgeschäften üblich ist, soll dies hier als Regel unter-stellt werden (§§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 27 BDSG). Unstreitig handeltes sich bei einem Forderungsverkauf, bei dem die forderungs-begründenden Unterlagen und Daten an den Käufer überge-hen, um eine Datenübermittlung. Diese Übermittlung ist,wenn das Grundgeschäft zivilrechtlich nicht zu beanstandenist, grundsätzlich auch gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSGzulässig.3 Der Darlehensgeber hat ein berechtigtes Interessean dem Verkauf; schutzwürdige Interessen des Darlehens-nehmers sollen bei einer klassischen Forderungsabtretungnicht überwiegen.4 Dies gilt für Verkäufe von gekündigtenKrediten innerhalb Deutschlands bzw. der EuropäischenUnion (EU). Innerhalb der EU wird durch die europäische

Datenschutzrichtlinie ein angemessenes Datenschutzniveauangenommen, was zur Folge hat, dass der Umstand ungenü-genden Datenschutzes der Übermittlung grundsätzlich nichtentgegengehalten werden kann.5 Fehlt es an der Zulässigkeitder Abtretung, so besteht auch für die damit verbundeneDatenübermittlung kein berechtigtes Interesse.6

Anknüpfungspunkt jeder datenschutzrechtlichen Bewertungvon Forderungsabtretungen bzw. Darlehensverkäufen ist dieÜbermittlung der Daten über den Darlehensnehmer sowieweiterer Personen. Diese Datenübermittlung erfolgt derzeit inder Praxis nicht erst nach Abschluss des Vertrages. Vielmehrwerden Übermittlungen im Prospektverfahren vor Vertrags-schluss und i. d. R. gegenüber mehreren Interessenten durch-geführt. Die Legitimation für eine solche frühzeitige Offenle-gung lässt sich nicht über die Abwägungsklausel des § 28Abs. 1 Nr. 2 BDSG herleiten, weshalb es entweder einer aus-drücklichen vertraglichen Regelung oder der Einwilligung derBetroffenen bedarf. Besteht keine Vertragsregelung und isteine Einwilligung nicht zu erlangen, so hat das Kreditinstitutnur die Möglichkeit, die Angaben über die betroffenen Kre-ditnehmer zu pseudonymisieren, so dass für die Kaufinteres-senten keine Zuordnung der Unterlagen zu natürlichen Per-sonen mehr möglich ist (vgl. §§ 3 Abs. 6, 6a BDSG).

§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG erlaubt nicht die Übermittlung anjedermann. Vielmehr müssen mögliche schutzwürdige Inte-ressen Betroffener im Einzelfall geprüft werden. Ein Fallbei-spiel: Die örtliche Bank verkauft ein kleines, nicht notleiden-des Konsumentendarlehen eines Darlehensnehmers, zu demdie Bank seit Jahren konfliktfreie Geschäftsbeziehungenpflegt, an den Nachbarn des Darlehensnehmers, mit dem die-ser seit Jahren im Streit lebt, und übermittelt bei dieser Gele-genheit und zu diesem Zweck sensible persönliche Informa-tionen über den Darlehensnehmer. Hier würden die schutz-würdigen Interessen des Betroffenen gegenüber den Interes-sen an dem Forderungsverkauf überwiegen. Das folgendeweitere Beispiel hat im Rahmen der aktuellen Heuschrecken-Diskussion praktische Relevanz: Eine Sparkasse verkauft einDarlehen an eine Briefkastenfirma in der EU, hinter der Fir-men in Nicht-EU-Staaten stehen, wo es kein oder kein ange-messenes Datenschutzniveau gibt. Im letztgenannten Fallmuss die Frage beantwortet werden, ob hier nicht Datenanlässlich des Verkaufs über die Briefkastenfirma ins unsiche-re EU-Ausland gelangen, wo der Darlehensnehmer unterUmständen seiner Datenschutzrechte verlustig geht. Ein sol-cher Verlust tangiert dessen schutzwürdige Interessen.

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* Der Autor ist Landesbeauftragter für den Datenschutz in Schleswig-Holstein undLeiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) in Kiel.

1 BGH, VuR 2007, 148 ff.2 Vgl. die datenschutzrechtliche Fallbewertung des ULD unter https://www.daten-

schutzzentrum.de/wirtschaft/praxis/20070208.htm.3 § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG ist nicht anwendbar, da die Forderungsabtretung nicht

der Zweckbestimmung des Darlehensvertrages dient.4 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 19.5 Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v.

24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezo-gener Daten und zum freien Datenverkehr – Europäische Datenschutzrichtlinie(EU-DSRL), ABl. EG Nr. L 281/95, S. 31.

6 Antwort BReg. auf FDP-Anfrage v. 12.10.2006, BT-Drs. 16/2927, Frage 14.

Weichert , D ie datenschutzrecht l ich bedingte Unwirksamkei t e iner Forderungsabtretung | A U F S Ä T Z E

Die datenschutzrechtlich bedingte Unwirksamkeit einerForderungsabtretungVon Dr. Thilo Weichert, Kiel*

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7 Däubler/Klebe/Wedde/Weichert-Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl.2007, § 29 Rn. 14 ff.

8 BVerfG NJW 1991, 2411, BVerfG DuD 2006, 818 f.9 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 17 ff., m.w.N.10 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 28 ff. ebenso Bütter/Aigner, BB 2007, 798.11 Nobbe, WM 2005, 1542 (Ziff. 2b).12 Ausführlich Kubicki, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 16/1970 v.

19.04.2007.

Beide vorstehende Beispiele zeigen: Bei der Abwägung nach§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ist relevant, dass der Forderungs-schuldner von einer geplanten Abtretung informiert wird.Nach Benachrichtigung kann er in der Praxis eventuell beste-hende individuelle schutzwürdige Interessen geltendmachen. Tut er dies nicht, so kann aus diesem Schweigengegebenenfalls der Schluss gezogen werden, dass dem Ver-kauf keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Diesgilt zumindest dann, wenn der Darlehensnehmer ausdrück-lich gefragt wird, ob aus seiner Sicht dem Verkauf schutzwür-dige Datenschutzinteressen entgegen stehen. BerechtigteInteressen der Bank, dem Darlehensnehmer gegenüber einegeplante Veräußerung geheim zu halten, sind regelmäßignicht ersichtlich, jedenfalls dann nicht, wenn dem Darle-hensnehmer aufgegeben wird, die Informationen ausschließ-lich für Zwecke des Vorbringens persönlicher Einwände zunutzen. Die Benachrichtigung wird zur Rechtmäßigkeitsvo-raussetzung für die späteren Datenübermittlungen. Bei denaktuell diskutierten Darlehensverkäufen ins Ausland wurdendie Betroffenen regelmäßig erst nach Vollzug des Verkaufesund der Abtretung informiert. In einigen Fällen erfolgte dieInformation sogar erst, als mit der Vollstreckung in dieSicherheiten begonnen wurde. Unklar bleibt oft sogar, werder aktuelle Forderungsinhaber ist und regelmäßig, welcheInformationen dieser über den betroffenen Schuldner erhal-ten hat und an wen dieser diese Informationen weitergege-ben hat. Erfolgt keine früh- und rechtzeitige Benachrichti-gung, so beeinträchtigt dies schutzwürdige Interessen derBetroffenen, was bei einer Abwägung nach § 28 Abs. 1 S. 1Nr. 2 BDSG ein erhebliches Gewicht hat.

Die Schutzwürdigkeit der Interessen der Betroffenen ist indi-viduell und aus tatsächlicher Sicht zu beurteilen. Schutz-würdig ist das Transparenzinteresse der Betroffenen sowie dasder Vertragstreue der darlehensgebenden Bank. Regelmäßighat der Kreditnehmer ein Interesse daran, dass er es bei sei-nem Gegenüber mit einer Bank, evtl. gar mit einem öffent-lichen Kreditinstitut zu tun hat, da diese gegenüber sonstigenPrivaten besonderen Kontrollen und Pflichten unterliegen.Persönliche Umstände des Darlehensnehmers, die der Bankbekannt sind und unter Umständen gar in den Vertrag ein-geflossen sind, z. B. die besondere Sensibilität von Daten, dieexistenzielle Bedeutung des Vertrages, besondere Sicherungs-maßnahmen oder spezielle Zweckbindungen, können einebesondere Schutzwürdigkeit begründen.7 Die Schutzwürdig-keit nimmt in dem Maße ab, in dem sich der Betroffene selbstvertragswidrig gegenüber dem gewählten Vertragspartner ver-hält.

Bei einem Darlehensverkauf ins Ausland sind neben dem § 28BDSG die §§ 4b, 4c BDSG anwendbar. Besteht im Auslandkein angemessener Datenschutz, beispielsweise wenn es dortan hinreichenden Datenschutzgarantien fehlt, so läuft derBetroffene Gefahr, Rechtsverluste zu erleiden: So mag es sein,dass ihm über die zu seiner Person gespeicherten Daten dieAuskunft und generell die notwendige Transparenz verwei-gert wird. Möglicherweise verliert er vollständig die Kontrol-le über seine Daten. In diesem Falle ist für ihn nicht nach-vollziehbar, an wen diese Daten weitergegeben und für wel-chen Zweck diese verwendet werden. Möglicherweise gibt esim Ausland weder eine unabhängige Kontrollinstanz nochein Gericht, wo er seine Rechte hinreichend geltend machenkann. Hieraus kann ein Totalverlust des Rechts auf informa-tionelle Selbstbestimmung resultieren; eines Grundrechtes,dem auch Geltung im Privatrechtsverkehr zukommt.8 Dieser

Totalverlust bezieht sich auf äußerst sensible Vertragsinfor-mationen, die im Rahmen von Darlehensverträgen regelmä-ßig anfallen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dassdatenschutzrechtlich Darlehensverkäufe wegen der damitverbundenen Informationsweitergaben unzulässig sein kön-nen.

C. Die Bedeutung des „Bankgeheimnisses“

Der BGH beschreibt zutreffend, dass es sich bei dem „Bank-geheimnis” um die vertragliche Pflicht des Kreditinstituts zurVerschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wer-tungen handelt, die ihm im Rahmen der Geschäftsverbin-dung zum Kunden bekannt geworden sind und die derKunde geheim zu halten wünscht. Richtig ist auch, dass ausdieser schuldrechtlichen Verschwiegenheitspflicht kein ding-lich wirkendes Abtretungsverbot folgt.9 Von wenig Verständ-nis des Datenschutzrechtes zeugen dann jedoch die weiterenAusführungen des BGH, die aber leider in dieser oder in ähn-licher Form noch weit verbreitet sind. So prüft das Gericht,ob dem Datenschutz gegenüber dem Bankgeheimnis Vorrangzukommt, ja ob es sich bei der Gewährung des Bankgeheim-nisses um eine sonstige Bestimmung nach § 1 Abs. 3 S. 2BDSG handelt.10 Richtig ist vielmehr, dass das Bankgeheim-nis über § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 2 BDSG Eingang in dasDatenschutzrecht findet und insofern hiervon ein Bestand-teil ist. Der Umgang mit Daten orientiert sich im Privat-rechtsverkehr zuallererst am Zweck im Rahmen von Verträ-gen. Muss, wie in den hier diskutierten Fallgestaltungen, aus-nahmsweise eine Interessenabwägung vorgenommen wer-den, so muss hierbei jede vertragliche Vertraulichkeitszusageoder jede sonstige rechtlich begründete wie anderweitigberechtigte Vertraulichkeitserwartung mit einbezogen wer-den.

Das vertragliche Bankgeheimnis ist nicht mit der gesetz-lichen Verschwiegenheitspflicht wie der eines Arztes odereines Rechtsanwaltes nach § 203 Abs. 1 StGB identisch. Sehrweit entfernt sind die Geheimhaltungsverpflichtungen einerBank und eines Arztes jedoch nicht. Dies gilt generell, da essich z. B. bei der gesetzlichen und standesrechtlichen Ver-schwiegenheitspflicht des Arztes zugleich auch um eine ver-tragliche Pflicht handelt, die sich daraus begründet, dass einArztvertrag ähnlich wie der Bankvertrag ein starkes Abhän-gigkeitsverhältnis zum Klienten begründet, der hierbei sehrsensible persönliche Informationen offenbaren muss.

In einem nicht untypischen Fall des Darlehensverkaufs istder Anwendungsbereich des § 203 StGB eröffnet: ÖffentlicheSparkassen oder Landesbanken sind als Kreditinstitute nach§ 203 Abs. 2 StGB ähnlich zur Verschwiegenheit verpflichtetwie Ärzte oder Anwälte nach § 203 Abs. 1 StGB. Den Spar-kassen im Bereich der Tätigkeit als Geschäftsbank diesen Sta-tus abzusprechen mit dem Argument, de facto unterscheidesich diese nicht von einem privaten Kreditinstitut,11 hättezur Folge, dass die strafgesetzlich festgelegte Geheimhal-tungspflicht, die sich aus dem Umstand der Tätigkeit alsöffentliche Stelle ergibt, ignoriert würde.12

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Vom BGH unangefochten blieb in seinem aktuellen Urteildessen langjährige Rechtsprechung zur Unwirksamkeit derAbtretungen von ärztlichen oder anwaltlichen Forderun-gen.13 Es geht bei der Diskussion über die Zulässigkeit desVerkaufs von Darlehensforderungen nicht um eine analogeAnwendung des § 203 Abs. 1 StGB. Eine solche wäre nichtnur strafrechtlich, sondern auch öffentlich- und zivilrecht-lich nicht in Ordnung. Der Rechtsgedanke des BGH zurAnwendung des § 134 BGB muss aber anwendet werden,wenn gegen ähnliche gesetzliche Vertraulichkeitszusagenverstoßen wird, etwa bei der Verletzung von Amtsgeheimnis-sen nach § 203 Abs. 2 StGB. Er kann und muss aber auchangewendet werden bei Vertraulichkeitsverstößen nach demDatenschutzrecht, die der Gesetzgeber als ähnlich gravierendeingestuft hat wie Verstöße gegen § 203 StGB. Dies ist der Fallbei Straftaten nach § 44 BDSG. Zwar handelt es sich beimDatenschutzrecht um eine weitgehend entkriminalisierteRegelungsmaterie.14 Doch sind einige schwere Verstößeweiterhin mit einer Strafsanktion bedroht: Erfolgt ein Daten-schutzverstoß in der Absicht, sich oder einen anderen zubereichern oder den Betroffenen zu schädigen, so ist der Tätergrds. zu bestrafen. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzun-gen bei § 203 Abs. 1 StGB und § 44 BDSG sind vergleichbar;auf den Standort der Strafnorm im Haupt- oder im Neben-strafrecht kann es beim zum Ausdruck kommenden Unwert-gehalt nicht ankommen.15

Zu § 44 BDSG sind bislang nur wenige Urteile publiziert wor-den, ebenso wie zu § 203 StGB. Das in dieser Norm zum Aus-druck gebrachte Unwerturteil ist jedoch eindeutig: Erfolgt einDatenschutzverstoß mit dem gezieltem Vorsatz und derAbsicht der Bereicherung oder Drittschädigung, so wirddamit schwer gegen Persönlichkeitsrechte und evtl. zusätz-lich gegen rechtlich geschützte Vermögensinteressen versto-ßen. Natürlich erfolgt jede Forderungsabtretung – sei diedamit verbundene Datenübermittlung nach § 28 BDSG zuläs-sig oder nicht – in Bereichungsabsicht. Ein Schädigungsvor-satz ist wohl bei einem Datenschutzverstoß nicht regelmäßigzu unterstellen. Nicht richtig wäre es auch, in jedem Falleiner kommerziellen ausgerichteten Vorgehensweise, bei deres zu einem vorsätzlichen Datenschutzverstoß kommt, voneiner Bereicherungsabsicht im Sinne des § 44 BDSG zu spre-chen. Davon kann die Rede sein, wenn der vorsätzlicheDatenschutzverstoß in einem engen tatsächlichen Verhältniszur angestrebten Bereicherung steht. Bei „normalen” Forde-rungsabtretungen muss dies nicht gegeben sein, auch wennbedingt vorsätzlich gegen Datenschutzrecht verstoßen wird.Etwas anderes gilt aber zweifellos, wenn die Abtretung an einUnternehmen erfolgt, das sich bewusst dem bisher geltendenVerbraucher- und Datenschutzrecht entzieht und dadurcheinen Wettbewerbsvorteil zu erlangen versucht: Ein Investorauf den Bermudas oder auch in den USA muss sich nicht odernur wenig um Datenschutz kümmern, weshalb Übermittlun-gen dorthin einer behördlichen Genehmigungspflicht unter-liegen (§ 4c Abs. 2 S. 1 BDSG). Datenschutzverletzungenmögen im Kundengeschäft ein Wettbewerbsnachteil sein.16

In Konkurrenz zu anderen global agierenden Banken sind sieaber oft ein Wettbewerbsvorsprung. Der Datenschutz maginsofern nur ein Beispiel dafür sein, wie Verbraucherrechtebei Veräußerungen von Forderungen oder Beteiligungen inBananenrepubliken verloren gehen, bzw. umgangen werdenkönnen. Der Datenschutz ist auch ein Beispiel dafür, dasssich der Betroffene in der hiesigen Rechtsordnung derartigesnicht einfach gefallen lassen muss.

§ 134 BGB spricht von einem Verstoß gegen ein gesetzlichesVerbot. Hierbei muss es sich nicht um ein strafbewehrtes Ver-bot handeln. Auch andere eklatante Rechtsverletzungen kön-nen eine solche Dimension haben, dass sie auf die Wirksam-keit des rechtlichen Grundverhältnissen durchschlagen.Hierfür sind die Darlehensverkäufe in Staaten ohne adäqua-ten Datenschutz ein überzeugendes Beispiel. Insofern sinddie §§ 4 Abs. 1, 4b f., 28 BDSG verletzt. Dass dieses per Ein-willigung überwunden werden kann (§ 4c Abs. 1 Nr. 1 BDSG),ist keine Besonderheit dieses Verbotes und trifft z. B. auch fürdie Fälle des § 203 StGB zu. Der BGH macht es sich also all zueinfach, wenn er die Verbote des § 28 BDSG so wenig ernstnimmt. Verstöße gegen § 28 BDSG mögen in vielen Einzel-fällen als Kavaliersdelikte einzustufen sein. Um bloße Ord-nungsvorschriften handelt es sich bei den §§ 27 ff. BDSG hin-gegen nicht, sondern vielmehr um die zentralen materiell-rechtlichen Normen zum Schutz des Persönlichkeitsrechtesim Privatrechtsverkehr unserer Informationsgesellschaft.Auch jenseits der Verletzung der Strafnorm des § 44 BDSGmuss eine Prüfung vorgenommen werden, inwieweit ein Ver-stoß gegen § 28 BDSG so gravierend ist, dass die Rechtsfolgedes § 134 BGB eintritt.17 Das geradezu klassische Beispiel füreinen Rückgriff auf § 134 BGB mit der Verbotsnorm des § 28BDSG ist der Darlehensverkauf ins datenschutzfreie Ausland,da hier ein Vertragspartner persönlichkeitsrechtlich mögli-cherweise einen Totalverlust erleidet. Gegenüber dem neuenGläubiger kann der Darlehensschuldner ohne Datenschutzde facto sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestim-mung nicht mehr durchsetzen. Führt ein Rechtsgeschäft mitDritten dazu, dass der andere Vertragspartner unter Missach-tung von rechtlichen Vorschriften in einem oder in vielenBereichen rechtlos gestellt wird, so kann und muss dies dieRechtsfolge des § 134 BGB haben.

Welche Wertigkeit der BGH-Senat dem Persönlichkeitschutznatürlicher Personen beimisst, ist seiner Annahme eines„untragbaren Wertungswiderspruchs” zu entnehmen, derentstünde, wenn Datenschutzrecht zur Unwirksamkeit desGrundgeschäftes mit natürlichen Personen führen kann,nicht aber bei juristischen Personen.18 Es ist ein lebenstat-sächlicher Unterschied, wenn ein Darlehen eines Menschenmit dessen Daten ins Ausland verkauft wird oder z.B. daseiner Kapitalgesellschaft. Das Zivilrecht ist voll von Normen,die den regelmäßig schwächeren Konsumenten als natürlichePerson gegenüber juristischen Personen schützt, sei es nun inseiner Rolle als Verbraucher, Mieter oder Arbeitnehmer. Inso-fern ist es kein Wertungswiderspruch, sondern vielmehrrechtlich geboten, natürlichen gegenüber juristischen Perso-nen als Darlehensnehmern bzw. Forderungsschuldnern einenhöheren Schutz zu gewähren. Diese Ungleichbehandlung istauch praktikabel, zumal es sich bei Darlehensverkäufen nichtum ein Massengeschäft handelt, sondern regelmäßig umgewichtige Einzelfälle mit differenzierten Rechten und Pflich-ten. Wäre es keine gesetzliche Pflicht, so bliebe es immernoch eine äußerst wichtige vertragliche Nebenpflicht derBank, die Persönlichkeitsrechte seiner Vertragspartner zuwahren.19

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13 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 21.14 Weichert, NStZ 1999, 490.15 Der BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 34 unterschlägt insofern die Existenz des § 44 BDSG,

Rn. 34.16 Bäumler/von Mutius (Hrsg.), Datenschutz als Wettbewerbsvorteil, 2002. 17 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 27.18 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 31.19 A.A. Bütter/Aigner, BB 2007, 798, vgl. aber 799.

Weichert , D ie datenschutzrecht l ich bedingte Unwirksamkei t e iner Forderungsabtretung | A U F S Ä T Z E

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20 BGH, aaO. Fn. 1, Rn. 32; dazu Möhlenkamp, BB 2007, 1126.21 Weichert, VuR 2006, 377.22 Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006.

D. Schlussbemerkung

An einer eher versteckten Stelle hat der Bankrechtssenat docherkannt, dass es sich bei Datenschutzverstößen um strafbe-wehrtes Unrecht handeln kann, nämlich, indem er darausableitet, dass Schadensersatzansprüche sowie auch die Straf-vorschrift des § 44 BDSG Verstöße „ausreichend sanktio-niert”.20 Abgesehen davon, dass diese Behauptung einerempirischen Überprüfung nicht ansatzweise standhaltenwürde: Gerade diese Passage zeigt, dass der BGH sich mit demDatenschutzrecht nicht wirklich auseinandersetzen wollte,indem es dieses wie ein völlig anderes Rechtsgebiet behan-delt. Die „Einheit der Rechtsordnung” bezieht den Daten-

schutz ein. Dies stößt bei manchen Zivilisten auf Unbehagen,da „der Datenschutz” gern pauschal dem öffentlichen Rechtzugeschlagen wird. Tatsächlich hat die Zeit des zivilistischenDatenschutzrechtes gerade erst begonnen. Dies gilt für dieEntdeckung des Datenschutzes als Verbraucherschutz im Spe-ziellen21 wie für das Zivilrecht im Allgemeinen.22 Es sindnicht nur die Herrenreiterfälle, anlässlich derer aus Persön-lichkeitsrechtsverstößen schuldrechtliche Schlüsse gezogenwerden müssen.

V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

Bundesregierung will Fahrgastrechte bei der Bahnstärken

Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer werden künftig deutlichmehr Rechte erhalten, vor allem bei Verspätungen undZugausfällen. Geplant sind ein Bündel von Verbesserungenfür den Fahrgast:

1. Verspätung und Ausfall von Zügen

Wenn ein Zug Verspätung hat, muss das Eisenbahnunterneh-men dem Fahrgast künftig eine Entschädigung zahlen. Diesewird wie folgt berechnet: Bei einer Verspätung ab 60 Minutenmüssen 25 % des Fahrpreises erstattet werden, bei einer Ver-spätung ab 120 Minuten 50 % des Fahrpreises. Der Betragmuss, wenn der Fahrgast es wünscht, in bar gezahlt werden.Außerdem muss das Eisenbahnunternehmen bei einer Ver-spätung ab 60 Minuten dem Fahrgast Erfrischungen im Zugoder, wenn eine Übernachtung erforderlich wird, eine Hotel-unterkunft anbieten. Wenn sich eine Verspätung von mehrals 60 Minuten abzeichnet, kann der Fahrgast auch von einerFahrt absehen und Rückerstattung des Fahrpreises verlangenoder die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt auch mit geän-derter Streckenführung durchführen. Das Eisenbahnunter-nehmen haftet nicht, wenn die Verspätung durch außerhalbdes Eisenbahnbetriebs liegende Umstände verursacht wirdund das Eisenbahnunternehmen diese Umstände trotz dergebotenen Sorgfalt nicht vermeiden kann. Das Eisenbahn-unternehmen kann von einer Zahlung absehen, wenn der zuerstattende Betrag unter 4 EUR liegt (Bagatellgrenze).

2. Besondere Rechte im Nahverkehr bei Verspätung und Aus-fall von Zügen

Für den Nahverkehr (nicht mehr als 50 Kilometer oder dieReisezeit nicht mehr als eine Stunde) sind weitergehendeRegelungen geplant. Bei einer Verspätung oder dem Ausfalleines Zuges im Nahverkehr kann der Fahrgast alternative Ver-kehrsmittel verwenden. So kann er ab einer 20minütigenVerspätung ein anderes Schienenverkehrsmittel nutzen,sofern dieses vom Beförderer selbst oder von einem mit ihmin einer Tarifgemeinschaft verbundenen Unternehmenbetrieben wird.

Wenn der Zug nachts Verspätung hat, kann der Fahrgast aufein Taxi umsteigen, wenn keine preisgünstigeren öffent-lichen Verkehrsmittel mehr zur Verfügung stehen, um denZielort zu erreichen. Weitere Voraussetzungen sind, dass dieVerspätung mindestens 60 Minuten beträgt und die Beförde-rung in die Zeit zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr fällt. DerErsatzanspruch ist dann auf die Kosten für eine Taxi-Fahrtvon maximal 50 km beschränkt.

3. Haftung bei Personenschäden

Bei einem Eisenbahnunfall müssen die Eisenbahnunterneh-men, soweit ein Fahrgast getötet oder verletzt wurde, künftigeinen Vorschuss zahlen, der die unmittelbaren wirtschaft-lichen Bedürfnisse des geschädigten Fahrgasts oder seinerAngehörigen deckt. Wird ein Fahrgast getötet, beträgt dieserVorschuss mindestens 21.000 Euro.

4. Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität

Die Rechte von behinderten Personen und sonstigen Perso-nen mit eingeschränkter Mobilität, etwa alte Menschen oderkleine Kindern, werden gestärkt. Eisenbahnunternehmenund Bahnhofsbetreiber werden verpflichtet, unter aktiverBeteiligung der Vertretungsorganisationen von behindertenPersonen und von Personen mit eingeschränkter MobilitätZugangsregelungen für die Beförderung aufzustellen. Siemüssen dafür sorgen, dass der Bahnhof, die Bahnsteige, dieFahrzeuge und andere Einrichtungen für Personen mit einge-schränkter Mobilität zugänglich sind.

5. Informationspflichten der Eisenbahnunternehmen

Die Eisenbahnunternehmen müssen die Fahrgäste beim Fahr-kartenverkauf bzw. während der Fahrt insbesondere darüberinformieren, welche die kürzeste und preisgünstigste Zugver-bindung ist, welche Rechte der Fahrgast hat, ob der Zug Ver-spätung hat und welche Anschlüsse erreicht werden können– allerdings im Nahverkehr eingeschränkt-

6. Qualitätsmanagement und Beschwerdestellen

Die Eisenbahnunternehmen müssen künftig Qualitätsstan-dards für ihre Verkehrsdienste festlegen und ein Verfahren

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zur Bearbeitung von Beschwerden einrichten. Die Beschwer-den müssen innerhalb eines Monats oder, wenn der Fahrgasthierüber unterrichtet worden ist, innerhalb von spätestens 3Monaten beantwortet sein.

Quelle: PM des BMJ v. 07.09.2007

VZBV: Forderungsverkäufe – Faule Deals mit faulenKrediten

Studie offenbart rechtswidriges Handeln von Banken undGesetzeslücken beim Kreditverkauf

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert Maß-nahmen zum Stopp rechtswidriger Weiterverkäufe vonImmobilienkrediten. „Mit einem Teil der Forderungsverkäufebegehen einige Kreditinstitute Verrat am Kunden”, sagt vzbv-Vorstand Gerd Billen. Nach einer vom vzbv beim Institut fürFinanzdienstleistungen Hamburg (iff) in Auftrag gegebenenStudie haben Kreditinstitute nicht notleidende Kredite ohneZustimmung der Kreditnehmer an Investoren verkauft. Diesverstößt gegen das Bankgeheimnis und Vorgaben des Daten-schutzes. Auch Sparkassen sind betroffen.

Auch darüber hinaus bergen überholte gesetzliche Regelun-gen und das Ausnutzen rechtlicher Grauzonen große Risikenfür die Kreditnehmer. Kreditkündigungen und willkürlicheZwangsvollstreckungen durch die Neuerwerber sind nichtausgeschlossen. Das hat schon Wildwest-Manier, wenn esmöglich ist, dass plötzlich ein Wildfremder quasi mit mei-nem Hausschlüssel vor der Tür steht und das Haus beschlag-nahmt”, sagt Gerd Billen. Es müsse unterbunden werden,dass die geltenden Vollstreckungsregeln von Investoren miss-braucht werden, denen lediglich ihre Rendite am Herzenliegt. Der vzbv fordert verbrauchergerechte Regeln für dieÜbertragbarkeit von Krediten und Kreditforderungen.

2000 Aufkäufer sondieren den Markt

Seit 2003 haben Kreditinstitute begonnen, sich von mit Dar-lehen eingegangenen Risiken zu trennen – in oft milliarden-schweren Geschäften in Höhe von insgesamt 15 MilliardenEuro. Unter diese Pakete wurde auch etwa ein Drittel nichtnotleidender Kredite gemischt. Mit fast 800 Milliarden Eurosind Verbraucher in Deutschland derzeit mit Immobilienfi-nanzierungen gegenüber der Kreditwirtschaft verschuldet.Davon gelten Forderungen in Höhe von 23 Milliarden Euroals notleidend, drohen also unmittelbar auszufallen. Rund 60Aufkäufer sind am Markt tätig. Laut iff-Studie planen 150kurzfristig den Markteintritt und bis zu 2.000 sondierenbereits den Markt in Deutschland. Insgesamt schlummerten2006 in den Bilanzen deutscher Banken “faule” Kredite imWert von 150 Milliarden Euro.

Verbraucher Spielball zwischen Kreditgeber und Investor

„Wir fordern klare Richtlinien, ab wann ein Darlehen über-haupt als notleidend gilt”, sagte Billen. Einige Juristen stufenKredite schon dann als notleidend ein, wenn sich der Wertder Sicherheit verschlechtert hat. Der vzbv kritisiert zudem,dass sich ein Kreditinstitut mit der Weiterveräußerung einerKreditforderung von seiner Verantwortung freikaufen kann.„Mit Hilfe der Forderungsverkäufe können Kreditgeber durchunverantwortliche Kreditvergabe eigens verschuldete Risikengünstig wieder loswerden”, so Billen. „Dabei wird der Ver-

braucher zum Spielball zwischen Kreditgebern und Refinan-zierern.” Es müsse klargestellt werden, dass Forderungen, dieTeil einer Vertragsbeziehung sind, auch nur innerhalb dieserBeziehung umgesetzt werden können. Das heißt, dass dieBank für den Kreditnehmer weiter der alleinige Ansprech-partner bleibt, allein das Recht zur Kündigung hat und dieVollstreckungsmöglichkeit nicht aus der Hand geben darf.

Um die Risiken der Weiterveräußerung von Krediten und For-derungen an Dritte einzudämmen fordert der vzbv: – Die einschränkende Klarstellung des Begriffs „notleiden-

der Kredit” (Streichung § 490 Abs 1 BGB).– Die Unwirksamkeit übertragener nicht notleidender Kre-

ditforderungen, wenn keine ausdrückliche Zustimmungvorliegt.

– Nach einem Weiterverkauf des Kredits bleibt das Institut,bei dem der Kredit abgeschlossen wurde, Ansprechpartnerdes Schuldners.

– Die Nicht-Übertragbarkeit des treuhändischen Rechts desKreditinstituts auf Vollstreckung an Dritte.

– Der Missbrauch solcher Sicherungsrechte ist unter Strafezu stellen.

– Das Verbot der Übertragung des Rechts auf Kreditkündi-gung.

– Die Pflicht zu Meldung jeder Form des Verkaufs von Dar-lehenspaketen an die Finanzaufsicht.

– Die Unterrichtung betroffenen Verbraucher vor derWeitergabe der Kredite und Forderungen an Dritte.

– Die Pflicht der Kreditinstitute, mit den Kunden Möglich-keiten der Insolvenzvermeidung und der Anschlussfinan-zierung zu erörtern.

Quelle: PM des vzbv v. 12.10.07

Finanzmarktkrise: 40 Anleger verklagen IKB aufSchadensersatz

Wegen angeblich falscher Informationen über die US-Immo-bilienkrise wollen 40 Anleger die Mittelstandsbank IKB aufSchadensersatz in Millionenhöhe verklagen. Die 40 Klägerfordern insgesamt 1,3 Millionen Euro Schadensersatz. Siewerfen der Bank vor, wissentlich falsch über die Verstrickungdes Instituts in die Krise am US-Markt für zweitklassige Hypo-thekenkredite (subprime) informiert zu haben. Die IKB hatteam 20.07.2007 per Pressemitteilung verkündet, dass es in denUSA kaum Risiken gebe. Die Anleger kauften daraufhin IKB-Aktien – und wurden kurz darauf von der Fast-Pleite der Düs-seldorfer Bank überrascht. Die Kläger – sowohl Kleinanlegerals auch Börsenmakler – stammen nach seinen Angaben ausDeutschland, Österreich und Luxemburg.

Quelle: beck-aktuell-Redaktion v. 25.09.2007

OLG Karlsruhe: Keine Amtshaftungsansprücheim FlowTex-Skandal

Die Kläger – Geschädigte des FlowTex-Skandals – hatten vomLand Baden-Württemberg rund 1,1 Milliarden Euro gefor-dert, weil nach ihrer Darstellung die für FlowTex zuständigenBetriebsprüfer ein als solches erkanntes betrügerischesSystem zur weiteren Geldschöpfung und Aufrechterhaltungder Liquidität der Gesellschaften der FlowTex-Gruppe nichtaufgedeckt und teilweise sogar unterstützt hätten. Das Ober-landesgericht Karlsruhe wies mit Urteil vom 15.10.2007 die

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Berufung gegen das klageabweisende Urteil der Vorinstanzzurück (Az.: 12 U 208/05).

Eine Haftung des beklagten Landes sei allenfalls bei vorsätzli-chem Handeln der Beamten in Betracht gekommen, so dasOLG. Voraussetzungen wären also gewisse Kenntnisse derBetriebsprüfer gewesen, die jedoch in der Beweisaufnahmenicht festgestellt werden konnten. So hätten die Kläger nichtnachweisen können, dass die Beamten vom Verkauf vonrund 1.000 nicht existenten Bohrsystemen und vom Mecha-nismus, durch den dieser Betrug kaschiert wurde, gewussthätten. Unbewiesen sei auch die Behauptung, die Betriebs-prüfer hätten mit dem weiteren Verkauf nicht existenerMaschinen an arglose Abnehmer gerechnet.

Ein Amtsmissbrauch war nach den Feststellungen desGerichts auf dieser Tatsachenbasis nicht anzunehmen. Einedarunter liegende Verletzung schlichter Amtspflichten imRahmen der Betriebsprüfung sei nicht geeignet, die geltendgemachten Schadensersatzansprüche zu tragen. Diese Pflich-ten bestünden allein gegenüber der Allgemeinheit, schütztenaber nicht Dritte vor der Begehung von Straftaten.

Der Unternehmer Schmider hatte mit seinem Unternehmenüber Jahre hinweg mit Horizontal-Bohrsystemen gehandelt,die zum größten Teil gar nicht existierten. Der Betrugsskan-dal war Anfang 2000 aufgeflogen. Ein Jahr später waren dieverantwortlichen Manager zu langjährigen Haftstrafen verur-teilt worden. Mit ihrem Schwindel hatten sie einen Schadenvon gut zwei Milliarden Euro angerichtet.

Quelle: beck-aktuell-Redaktion v. 15.10.2007

Internet-Telefonate werden abgehört

Kurz bevor das Verfassungsgericht in Karlsruhe am 10. Okt-ober erste Verfassungsbeschwerden gegen die Lizenz zur Onli-ne-Durchsuchung im nordrhein-westfälischen Verfassungs-gesetz verhandelt, bildet sich laut einem Vorabbericht desSpiegels im Streit um das Verfassungsinstrument eine neueFront innerhalb der Großen Koalition. Auslöser dafür sei,dass der Zollfahndungsdienst die Technik zur Online-Durch-suchung in zwei Fällen dazu eingesetzt habe, Internet-Telefo-nate zu überwachen. Auch das bayerische Landeskriminal-amt habe bestätigt, auf den Computern Verdächtiger Pro-gramme installiert zu haben, um Internet-Gespräche abzu-fangen.

Nach Ansicht des Innenministeriums ist die sogenannteQuellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) rechtlichgedeckt, da es sich um die Kontrolle des Fernmeldeverkehrshandle und nicht um das Ausspionieren von Daten. Auch dieInstallation eines Trojaners, der bei Internet-Telefonaten dieGespräche noch vor der Verschlüsselung abhört, sei in die-sem Zusammenhang legitim. So hatte auch die Bundesjustiz-ministerin Brigitte Zypries (SPD) im September argumentiert,als sie im September die Sicherheitsbehörden aufforderte, dietechnischen Voraussetzungen dafür zu verbessern.

Nun meldet der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion,Dieter Wiefelspütz wie zuvor die FDP ebenfalls erhebliche

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abhörverfahrens an. Ausseiner Sicht bräuchte man dazu eine eigene Rechtsgrundlage.Gedeckt sei nur das Abhören der Internet-Telefonate, nichtaber der Eingriff, der das ermögliche.

Quelle: Heise News v. 06.10.2007

BGH nimmt Stellung zu Umfang der Infor-mationspflichten im Fernabsatz

Der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige Erste Zivilse-nat des Bundesgerichtshofes hat in einer am 04.10.2007 verkünde-ten Entscheidung zum Umfang der Informationspflichten im Fern-absatz Stellung genommen. In seinem Urteil erklärte der BGH, dassder Hinweis auf die Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 2 PAngV (Preis-angabenverordnung) nicht direkt neben einem angegebenen Preisstehen muss und dass einen Verkäufer keine Informationspflichtüber gesetzliche Gewährleistungsbedingungen gemäß § 1 Absatz 4Nr. 3b BGB-InfoV trifft (Az.: I ZR 22/05).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte einVersandhandelsunternehmen, das in Deutschland im Wegedes Fernabsatzes Oberbekleidung und Accessoires an Ver-braucher vertreibt, in einer Werbung Preise angegeben, ohnedarauf hinzuweisen, dass diese die Umsatzsteuer enthielten.Die auf Unterlassung klagende Mitbewerberin beanstandetezudem, dass der Händler die Verbraucher nicht spätestens beiLieferung über die Gewährleistungsregelungen informierte,wobei die Geschäftsbedingungen der Beklagten insoweitkeine von den gesetzlichen Vorschriften abweichendenBestimmungen enthielten.

Der BGH bestätigte zwar die Auffassung des Berufungsge-richts, dass nach § 1 Absatz 2 PAngV in der Werbung des Ver-sandhändlers der Hinweis, dass die Umsatzsteuer enthaltenist, der Preisangabe eindeutig zuzuordnen, leicht erkennbarund deutlich lesbar sein muss. Der Hinweis müsse aber -anders als das OLG Hamburg meinte – nicht unmittelbarneben dem angegebenen Preis stehen. Vielmehr reiche es imFalle einer Anzeigenwerbung aus, wenn der Hinweis auf dieUmsatzsteuer eindeutig dem Preis zugeordnet sei. Dies könneauch durch einen klaren und unmissverständlichen Stern-chenhinweis geschehen.

Der BGH entschied ferner, dass der Händler zu einer Infor-mation der Verbraucher über gesetzliche Gewährleistungs-vorschriften nicht verpflichtet ist. Die Informationspflichtdes § 312c BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Nr. 3b BGB-InfoV erfasse nur vertragliche Gewährleistungsbedingungen.Über solche Regelungen könne sich der Verbraucher nichtohne weiteres auf anderem Wege informieren. Dagegenbestehe – auch unter Berücksichtigung des spezifischen Cha-rakters von Fernabsatzgeschäften – kein besonderes Interessedes Verbrauchers an einer Information über die gesetzlichenGewährleistungsbestimmungen. Ein Versandhändler, derkeine abweichenden vertraglichen Gewährleistungsrechtevereinbare, müsse daher weder die gesetzlichen Regelungenbeifügen noch auf die Geltung der gesetzlichen Regelungenhinweisen.

Quelle: beck-aktuell-Redaktion v. 05.10.2007

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Bankrecht | R E C H T S P R E C H U N G

BA N K R E C HT

Zusammenwirken von Bank und Vermittler im Rah-men eines Darlehensvertrages

Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines institutio-nalisierten Zusammenwirkens von Bank und Verkäufer bzw.Vertrieb bei der Finanzierung des Erwerbs einer so genann-ten Steuersparimmobilie.

OLG Nürnberg, Urt. v. 29.12.2006, Az.: 12 U 104/05

(ID 39867)

Aus den Gründen:

A.

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagten Ansprü-che aus einem Darlehensvertrag zustehen, der zur Finanzie-rung eines Immobilienerwerbs abgeschlossen worden ist undob die Zwangsvollstreckung aus einer in diesem Zusammen-hang errichteten notariellen Urkunde vom 25.6.1993 in daspersönliche Vermögen der Darlehensnehmer zulässig ist.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts, des Sachvortragesder Parteien in I. Instanz und der von diesen dort gestelltenAnträgen nimmt der Senat gem. § 540 Abs. l Nr. l ZPO auf denTatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürthvom 14.10.2004 Bezug.

Ergänzend hierzu hat der Senat festgestellt:

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitgegenständlichenRechtsgeschäfte war der Kläger 44 Jahre alt und von BerufSchreiner. Er erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von2.300,00 DM. Seine Ehefrau, damals 43 Jahre alt, verdienteals Bürokauffrau ca. 2.700,00 DM netto. Sie bewohnten eineMietwohnung, für die sie 550,00 DM monatlich Miete zuzahlen hatten. Ihre Ersparnisse beliefen sich auf ca. 12.200,00DM. Hinzu kam ein Bausparvertrag über 30.000 DM, der einGuthaben von 1.200,00 DM aufwies. Des Weiteren hatten sieLebensversicherungsverträge über 50.000,00 DM bzw.15.000,00 DM abgeschlossen, deren Rückkaufswerte ca.6.000,00 DM betrugen.

Am 22.6.1993 unterzeichneten der Kläger und seine Ehefrau,die Zeugin M. S., eine vom Zeugen S. vorgelegte Selbstaus-kunft. Dieser war für eine Firma S., S. V. K. (im Folgenden S.)tätig und hatte den Eheleuten S. den Erwerb einer noch zuerrichtenden 28 m2 großen l-Zimmer-EigentumswohnungNo. 94 im Objekt L. S. in F. zum Zweck der Steuerersparnisempfohlen.

Am 23.6.1993 erstellte der Zeuge S. ein Berechnungsbeispiel,das mit den Eheleuten S. besprochen wurde. In diesem wurdefür die Mietphase ab 1995 eine Mieteinnahme für die Woh-nung von 19,50 DM/m2, für die Garage 85 DM/Monat, ins-gesamt 7.572 DM p.a. (entspricht 631,00 DM/Monat) ange-setzt.

Der seinerzeit aktuelle F. Mietenspiegel 1991 wies als ortsüb-liche Vergleichsmiete 12,20–13,20 DM/m2 aus.

Am 23.6.1993 erstellte der Zeuge S., der für eine Firma C.,Unternehmen für Wirtschaftsberatung und Finanzierungs-vermittlung (im Folgenden C.) tätig war, auf einem Formularder B. H. und W.-B. AG (im Folgenden H.-B.), Rechtsvorgän-gerin der Beklagten, eine Selbstauskunft der Eheleute S., inder die monatlichen Mieteinnahmen (kalt) für das zu finan-zierende Objekt mit 630 DM angesetzt waren. Dieses wurdeder H.-B., Außenstelle K., zur Finanzierungsentscheidungübermittelt.

Am 25.6.1993 gab die Zeugin S. für sich und ihren Ehemannein notarielles Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags übereine von der Firma I. W. GmbH (im Folgenden I.) noch zuerrichtende Wohnung im Objekt F., L. S., zum Gesamtpreisvon 188.120,00 DM ab.

Ebenfalls am 25.6.1993 bestellte sie zu Gunsten der H.-B. ander Immobilie eine Grundschuld über 221.000 DM nebst16% Zinsen, übernahm für sich und den Kläger die persönli-che Haftung und unterwarf sich und den Kläger der soforti-gen Zwangsvollstreckung auch in das persönliche Vermögen.Auf Seite 3 dieser Urkunde wird unter Ziffer 5b das Grund-buchamt ersucht, nach Eintragung der Grundschuld einebeglaubigte Abschrift des Grundbuchblatts an die ZweigstelleK. der H.-B. zum Aktenzeichen zu übersenden.

Schließlich wurde am 25.6.1993 auch ein Finanzierungsver-mittlungsvertrag zwischen der Firma C. und den EheleutenS., sowie eine Rechnung für die Vermittlung der Finanzierungfür das zu erwerbende Objekt über 3.762,40 DM erstellt. Am29.6.2006 genehmigte der Kläger diese Rechtsgeschäfte. DasKaufangebot nahm die Verkäuferin I. am 14.7.1993 an.

Am 12.7.1993 unterzeichneten die Eheleute S. Sicherungsab-tretungen zu Gunsten der H.-B. und eine Zweckerklärung. AlsSicherungszweck war ein Kredit-Darlehensvertrag genannt.Die Formulare bezeichnen als zuständige Außenstelle die Fili-ale K. der H.-B. und tragen als Aktenzeichen/Kontonummerdie Nummer ....

Am 20./22.7.1993 kam zwischen den Eheleuten und der H.-B. ein Darlehensvertrag, Kontonummer bei der AußenstelleK., zustande. Die Darlehnssumme betrug 221.000 DM, beieinem Damnum in Höhe von 10%. Der bis 1.7.1998 festeZinssatz betrug 5,4%, die Tilgung 1%. Ausbezahlt wurden196.690,00 DM oder 100.566,00 EUR.

Bis zur Zahlungseinstellung im Juni 1999 leisteten der Klägerund seine Ehefrau 32.457,14 EUR. Die Verwertung derLebensversicherung und der Erlös einer Kontenpfändung imJahr 2002 erbrachte 19.943,50 EUR. Im Jahr 2005 leistete dieLebensversicherung W. weitere 3.835,00 DM. Im Rahmen derZwangsversteigerung der streitgegenständlich erworbenenImmobilie erfolgte der Zuschlag am 14.7.2005 mit 15.000,00EUR, wovon nach Abzug der Zwangsversteigerungskosten11.977,83 EUR an die Beklagte geflossen sind.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und in den Ent-scheidungsgründen, auf die insoweit Bezug genommen wird,im Wesentlichen ausgeführt, dass unabhängig davon, ob der

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

Darlehensvertrag wirksam nach dem Haustürwiderrufsgesetzwiderrufen werden konnte, die Zwangsvollstreckung derBeklagten zulässig sei, weil die Grundschuld nach der weitenZweckerklärung auch etwaige Rückgewähransprüche im Falleder Wirksamkeit des Widerrufs des Darlehensvertrages absi-chere. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte bestün-den nicht. Sie müsse sich keine Pflichtverletzungen Dritterzurechnen lassen. Die Beklagte habe selbst auch keine Pflicht-verletzungen begangen. Insbesondere sei sie nicht unter demGesichtspunkt eines Wissensvorsprungs über eine sittenwid-rige Kaufpreisüberhöhung zu Aufklärung verpflichtet gewe-sen, weil der Kaufpreis für die Wohnung nicht sittenwidrigüberhöht gewesen sei.

Mit seiner Berufung erstrebt der Kläger die Aufhebung deslandgerichtlichen Urteils.

Er ist der Auffassung, dass der Kläger im Wege der gewillkür-ten Prozessstandschaft zulässigerweise die Vollstreckungs-gegenklage und die negative Feststellungsklage auch insoweiterheben kann, als seine Ehefrau M. S. betroffen ist.

Er meint weiter, dass der Widerruf sich auch auf die Zwecker-klärung erstrecke, mit der Folge, dass es entgegen der Auffas-sung des Landgerichts nicht dahinstehen könne, ob ein wirk-samer Widerruf wegen eines Verstoßes gegen Haustürwider-rufsgesetz erfolgt sei. Deshalb hätten die in erster Instanzangebotenen Beweise zum Vorliegen einer Haustürsituationerhoben werden müssen. Er ist der Auffassung, dass dieseHaustürsituation der Beklagten zuzurechnen sei.

Des Weiteren meint der Kläger, dass die Beklagte verpflichtetgewesen wäre, wegen einer sittenwidrigen Kaufpreisüberhö-hung einer Aufklärungspflicht ihm gegenüber nachzukom-men. Der Kläger erhebt unter Bezugnahme auf ein Privatgut-achten Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellun-gen des gerichtlichen Sachverständen W. zum Wert der streit-gegenständlichen Wohnungen und meint, dass dieser zumin-dest in erster Instanz ergänzend hätte angehört werden müs-sen.

Nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesge-richtshofs vom 16.5.2006 (WM 2006, 1194, 1840 [Berichti-gung]) hat der Kläger seinen Sachvortrag ergänzt undbehauptet, die Beklagte, der Bauträger und die Vermittlerfir-ma hätten in institutionalisierter Weise zusammengearbeitet.Deshalb begründe die arglistige Täuschung des Vertriebsmit-arbeiters S. über die Höhe des ortsüblichen und ohne weite-res erzielbaren Mietzinses, die für die Beklagte evident gewe-sen sei, eine Schadenersatzpflicht nach den vom BGH in dergenannten Entscheidung aufgestellten Grundsätzen.

Schließlich behauptet er, das Darlehen sei nicht zu den fürseinerzeit grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichenBedingungen gewährt worden, mit der Folge, dass nach denGrundsätzen der Entscheidung des BGH vom 25.4.2006 (WM2006, 1060) eine Reduktion der Zinsen auf 4% zu erfolgenhabe.

Die Beklagte trägt vor, dass das ursprüngliche Darlehen vom20./22.7.1993 durch zwei mit Vertrag vom 6.7.1998 aufge-nommene Neudarlehen zurückbezahlt worden sei. Aus die-sem Grund komme es auf die Umstände, unter denen dasDarlehen im Jahr 1993 zustande gekommen sei, nicht an. Einetwa bestehendes Widerrufsrecht des Klägers sei nach § 2HWiG erloschen.

Des Weiteren sei der Kläger nicht aktivlegitimiert. Insbeson-dere bei der Vollstreckungsgegenklage fehle ein eigenesschutzwürdiges Interesse des Klägers zur Geltendmachungder Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen Frau M. S.Insoweit sei die Klage unzulässig.

Die Beklagte bestreitet, dass die Verträge über den Immobi-lienerwerb und dessen Finanzierung in einer Haustürsitua-tion angebahnt worden seien. Eine solche sei der Beklagtenauch nicht zuzurechnen, mit der Folge, dass ein Widerruf derZweckerklärung nicht in Betracht komme. Im Übrigen wärefür den Erfolg einer Vollstreckungsgegenklage zu fordern,dass der Kläger den Beweis erbringt, dass der Beklagten über-haupt keine Forderungen mehr zustehen.

Die Beklagte bestreitet, dass der Kaufpreis für die streitgegen-ständliche Wohnung in sittenwidriger Weise überhöht gewe-sen sei. Das Gutachten des Sachverständigen W. sei richtig.Etwaige Handlungen oder Erklärungen der Vermittler seienihr nicht zuzurechnen.

Die Voraussetzungen eines institutionalisierten Zusammen-wirkens lägen ebenso wenig vor, wie eine arglistige evidenteTäuschung über die erzielbare Miethöhe.

B.

Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet.

I.Die Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO, ist zulässig, weildie Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde begon-nen hat und noch nicht abgeschlossen ist. Sie hat auch in derSache Erfolg.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert, soweit er auch die Feststel-lung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen seineEhefrau M. S. begehrt. Die Aktivlegitimation wurde zwarnicht durch eine Abtretung, §§ 398 ff., BGB begründet, weiles sich bei der Rechtsstellung eines Vollstreckungsschuldnersund den sich aus dieser ergebenden Abwehrrechten nicht umeine Forderung im Sinne der §§ 398 f. handelt. Er ist aber auf-grund gewillkürter Prozessstandschaft zur Prozessführungbefugt und damit aktiv legitimiert.

Zulässigkeitsvoraussetzung der gewillkürten Prozessstand-schaft ist ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Pro-zessführung sowohl beim Dritten, dem Prozessstandschafter,wie auch beim ermächtigenden Rechtsinhaber. Der Gegnerdarf durch die Prozessführung durch den rechtsfremden Drit-ten auch nicht unzumutbar in seinen Belangen beeinträch-tigt werden (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., Rdn. 44vor 50).

a) Die Abtretungserklärung beinhaltet die für eine gewillkür-te Prozessstandschaft erforderliche Ermächtigung zur Prozess-führung.

b) Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt des Weiteren dieÜbertragbarkeit der Rechtsausübung voraus. Dabei genügtderen Überlassungsfähigkeit. Letztere ist im vorliegenden Fallgegeben, weil keine Rechtsposition, deren Ausübung nichtDritten überlassen werden könnte, betroffen ist.

c) Auch das schutzwürdige rechtliche Interesse an der Pro-zessführung ist gegeben. Ein rechtsschutzwürdiges Eigeninte-resse an der Prozessführung für den Prozessstandschafter liegtvor, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtsla-ge des Prozessführungsbefugten hat, wobei auch ein wirt-

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schaftliches Interesse genügen kann (Vollkommer, in: Zöller,a.a.O.) Ein derartiges wirtschaftliches Interesse ist jedenfallsbei bestehender ehelicher Lebensgemeinschaft dann zu beja-hen, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen einesEhepartners erfolgen soll. Von der Frage, ob und in welchemUmfang ein Gläubiger in das persönliche Vermögen deseinen Ehegatten vollstrecken kann, wird der andere jeden-falls mittelbar insoweit betroffen, als der gemeinschaftlicheLebensstandard tangiert ist.

Ungerechtfertige Nachteile treten hierdurch beim Prozessgeg-ner nicht auf. Zwar kann, wie im hier zu entscheidenden Fall,durch die gewillkürte Prozessstandschaft eine Zeugenstellungbegründet werden. Dies reicht jedoch für die Annahme derUnzumutbarkeit für den Prozessgegner nicht aus (BGH WM1987, 1406). Das auf der Hand liegende eigene Interesse desermächtigenden Rechtsinhabers am Ausgang des Rechts-streits kann im Rahmen der Beweiswürdigung angemessenberücksichtigt werden.

2. Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde istunzulässig, weil der Kläger der Inanspruchnahme aus derVollstreckungsunterwerfungserklärung nach § 242 BGB einenSchadensersatzanspruch nach den vom BGH im Urteil vom16.5.2006 (WM 2006,1194, 1840) entwickelten Grundsätzenfür die Haftung der Bank bei institutionellem Zusammenwir-ken gegen die Beklagte entgegenhalten kann.

Diese hat nämlich eine den Darlehensnehmern gegenüberbestehende Aufklärungspflicht über die speziellen Risiken derzu finanzierenden Kapitalanlage verletzt, indem sie den Klä-ger und seine Ehefrau nicht auf die evidente Unrichtigkeitder Angaben zur Miethöhe durch die Vermittler aufgeklärthat. Diese evidente Unrichtigkeit war für die Beklagten auf-grund ihrer institutionalisierten Zusammenarbeit mit denVerkäufern und den eingeschalteten Vermittlern erkennbar.Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution, § 249 Abs. lBGB, hat die Beklagte den Kläger und seine Ehefrau so zu stel-len, wie sie ohne die schuldhafte Aufklärungspflichtverlet-zung der Beklagten gestanden hätten. Dabei ist nach derLebenserfahrung davon auszugehen, dass die Eheleute S. beieiner Aufklärung über die Unrichtigkeit der deutlich über-höht angegebenen Mieteinnahmen die Eigentumswohnungmangels Rentabilität nicht erworben bzw. den Kaufvertragwegen arglistiger Täuschung angefochten und deshalb wederdas Darlehen bei der Beklagten abgeschlossen hätten, nochdie Grundschuldbestellung noch die Übernahme der persön-lichen Haftung nebst Vollstreckungsunterwerfung notariellerklärt hätten. Es wird nämlich vermutet, dass der zutreffendaufgeklärte Bankkunde sich beratungsgerecht verhalten hätte(BGH a.a.O. Rdn. 61).

a) Die Beklagte hat mit der Verkäuferin und den eingeschal-teten Vermittlern in einer institutionalisierten Weise zusam-men gearbeitet.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer institutionali-sierten Zusammenarbeit hat der BGH im Urteil vom26.9.2006 (WM 2006, 2347) in Ergänzung zur Entscheidungvom 16.5.2006 (WM 2006, 1194, 1840) präzisiert. Danach istes erforderlich, dass zwischen Verkäufern oder Fondsinitiator,den von ihnen beauftragten Vermittlern, und der finanzier-ten Bank ständige Geschäftsbeziehungen (BGH a.a.O.) beste-hen, wobei nicht genügt, dass lediglich von Zeit zu Zeit aufInitiative des Verkäufers Finanzierungswünsche geprüft undggf. entsprechende Finanzierungen übernommen werden(BGH a.a.O., Rdn. 31).

Der Senat ist aufgrund des Ergebnisses der durchgeführtenBeweisaufnahme davon überzeugt, dass zwischen der Zweig-stelle K. der Rechtsvorgängerin H.-B. der Beklagten, der FirmaS. als Vermittlerin für den Verkauf der Wohnungen der FirmaI. W. GmbH, und der Firma C., der Finanzierungsvermittle-rin, ständige Geschäftsbeziehungen bestanden. Dies ergibtsich aus der Gesamtschau aller Indizien, auch wenn eines fürsich allein zur Annahme einer ständigen Geschäftsbeziehungnicht ausgereicht hätte.

aa) Die Beklagte hat mit dem Verkäufer oder dem Vertrieb derImmobilie nicht nur lediglich von Zeit zu Zeit auf dessenInitiative Finanzierungswünsche geprüft und ggf. Finanzie-rungen übernommen.

Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen G., S.-N. und S.im Termin vom 15.11.2004.

Die Zeugin G., die im Jahr 1993 bei der Firma S., derenGeschäftsführer ihr Ehemann war, beschäftigt war, bekunde-te, dass sie über die Firma C. Exposes von der Wohnanlageerhalten habe, mit denen ihre Vermittler an mögliche Kun-den herangetreten seien. Die von diesen Vermittlern erstell-ten Selbstauskünfte seien zur Prüfung an die Firma C. über-geben worden. Darüber, welche Bank im streitgegenständ-lichen Fall die Finanzierung übernahm, habe sie keineKenntnis. Sie wisse jedoch, dass die H.-B. eine Reihe vonObjekten, die von der S. übermittelt wurden, finanziert habe.

Die Zeugin S.-N., die im Jahr 1993 Geschäftsführerin derFirma C. war, bekundete, dass diese Firma sich mit dem Ver-kauf von Immobilien u.a. aus der Anlage F., L., dem streit-gegenständlichen Objekt, beschäftigt habe. Sie habe dabei dieVertriebskoordination übernommen und zeitweilig über 100nicht bei ihr beschäftige Vermittler verfügt. Wenn von diesenakquirierte Kunden eine Wohnung hätten finanzieren wol-len, habe sich ihr Finanzierungsvermittler über den Woh-nungsvermittler die Bonitätsunterlagen des Kunden gebenlassen. Diese seien dann bei einer Bank eingereicht worden.Beim Zustandekommen von Finanzierungen sei eine Provi-sion bezahlt worden. Ob dies auch im streitgegenständlichenFall so gewesen sei, wisse sie nicht. Die C. habe zwar von derH.-B. Provisionen bekommen, ob es auch eine Provisionsver-einbarung mit der H.-B. KG gegeben habe, hielt die Zeuginnach dem Vorhalt des unstreitigen Tatbestandes des Urteilsdes Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.6.1996 im Rechts-streit Az: 12 U 983/05 für möglich.

(...)

Der Zeuge S., im Jahr 1993 bei der Firma C. als Finanzie-rungsvermittler beschäftigt, bekundete, dass zwischen dieserund der H.-B. eine Provisionsvereinbarung bestanden habe.Dass die Finanzierungen mit der H.-B. K. durchgeführt wor-den seien, habe damit zusammengehangen, dass der Zeuge R.früher bei der H.-B. beschäftigt war und entsprechende Per-sonen dort gekannt habe, die entweder den Kontakt zu K.herstellten oder in K. sogar selbst beschäftigt gewesen seien.

Der Senat ist von der Richtigkeit der Angaben der Zeugenüberzeugt. Sie haben, was für ihre Glaubwürdigkeit spricht,Erinnerungslücken eingeräumt. Ein Bestreben, einseitig einePartei zu belasten, war am Aussageverhalten keines der Zeu-gen erkennbar.

Der Senat verkennt nicht, dass allein aus dem Umstand, dassfür eine erfolgreiche Finanzierungsvermittlung eine Provi-sion fließt, nicht zwangsläufig auf eine ständige Geschäftsbe-

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ziehung geschlossen werden kann. Im vorliegenden Fall müs-sen diese aber so intensiv gewesen sein, dass ein erheblichesUmsatzniveau erreicht wurde, welches zur Zahlung vonSuperprovisionen führte, die für Umsätze über 10 Mio. DMvereinbart waren.

bb) Die Vertriebskoordinatorin, die Firma C., verfügte überSelbstauskunftsformulare der Rechtsvorgängerin der Beklag-ten und verwendete diese unbeanstandet.

Im Rechtsstreit wurde ein mit Selbstauskunft überschriebenesFormular vorgelegt, das das Logo der früheren H.-B. rechtsoben trägt.

Dieses stammte, den Aussagen des Zeugen S. zufolge, auseinem Vorrat der ihm von der H.-B. zur Verfügung gestelltenFormulare. In diese übertrug er die Daten, die aus den vomAußendienst eingeholten Selbstauskünften der akquiriertenKunden stammten. Ein derartiges Formular wurde der FirmaS. vorgelegt. Dabei übertrug der Zeuge S. jedoch nicht nur dieDaten unkommentiert 1:1 in das Bankformular. Er bereitetediese vielmehr noch in der Form auf, dass er eine Finanzbe-darfsermittlung vornahm, eine vorläufige Belastungsrech-nung der beantragten Finanzierung erstellte, das Vermögender Antragsteller nach der Finanzierung, sowie die sich da-raus ergebenden Verbindlichkeiten darstellte. Ferner wurdendie Einnahmen den Aufwendungen für die Finanzierunggegenübergestellt und der Überschuss ermittelt. Damit fandeine Aufbereitung des vorliegenden Datenmaterials zur Vor-bereitung einer Finanzierungsentscheidung statt, eine Tätig-keit, die üblicherweise in den Aufgaben- und Tätigkeitsbe-reich der kreditgebenden Bank fällt.

cc) Dass zwischen der Beklagten und der Vertriebsorganisationeine eingespielte Zusammenarbeit der kurzen Wege vorlag,entnimmt der Senat auch dem Umstand, dass in der am25.6.1993 erfolgten Grundschuldbestellung vor dem Notar Dr.B. in Nürnberg als finanzierende Bank bereits die Niederlas-sung K. der H.-B. mit der Darlehensnummer aufgeführt war.

Der Kläger und seine Ehefrau hatten aber erst am 22.6.1993,was sich aus der Selbstauskunft auf dem Formular der FirmaS. ergibt, eine Selbstauskunft erteilt. Die auf diesen Datenbasierende Selbstauskunft auf dem Formular der H.-B. wurdevom Zeugen S. am 23.6.1993 links oben als von ihm erstelltabgezeichnet. Obwohl diese Selbstauskunft mit den Bonitäts-unterlagen erst noch an die Filiale K. der H.-B. übermitteltund dort bearbeitet werden musste, konnte schon am25.6.1993 eine Darlehensnummer – auf welchem Wege auchimmer – dem Notariat zur Kenntnis gebracht werden.

a) Der Kläger und seine Ehefrau wurden vom Vermittler derAnlage, dem Zeugen S. von der Firma S., arglistig über dieHöhe der für das Objekt erzielbaren Miete getäuscht.

Im Berechnungsbeispiel vom 23.6.1993, das sowohl nach derAussage dieses Zeugen, wie auch der der Zeugin M. vor derAnlageentscheidung vorgelegt und erläutert worden war,sind die Mieteinnahmen mit 19,50 DM pro m2 angegeben.Tatsächlich war jedoch nachhaltig nur eine Miete in Höhevon 13,30 DM pro m2 erzielbar. Diesen Wert ermittelte derSachverständige W. in seinem in l. Instanz erstatteten Wert-ermittlungsgutachten vom 9.9.2003 aus einem Durch-schnittswert zwischen den Werten des Mietenspiegels 1991,der für vergleichbare Wohnungen 12,20 bis 13.20 DM pro m2

als ortsübliche Vergleichsmiete auswies und dem des Jahres1994 mit 13,50 bis 14,40 DM pro m2. Tatsächlich konnte nureine noch niedrigere Miete erzielt werden. Im Jahr 2001

betrug diese ausweislich des Sachverständigengutachtens W.und des in Ablichtung vorgelegten Mietvertrages vom20.10.2001 11,42 EUR pro m2.

Die objektiv unrichtigen Angaben über die erzielbaren Miet-einnahmen erfolgten arglistig. Angesichts einer ortsüblichenVergleichsmiete im damals aktuellen Mietspiegel 1991 zwi-schen 12,20 und 13,20 DM erfolgte das Inaussichtstelleneines Mieterlöses von 19,50 DM pro m2 wenn nicht vorsätz-lich, so doch zumindest mit bedingtem Vorsatz ins Blaue hi-nein, wobei mit der möglichen Unrichtigkeit der Angabengerechnet wurde.

b) Die Beklagte hatte Kenntnis von dieser arglistigen Täu-schung.

Die Kenntnis der Bank wird nach der Rechtsprechung desBGH (Urteil vom 16.5.2006 = WM 2006, 1194, 1840) wider-leglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, dievon ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierendeBank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirkenund die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsiniti-ators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oderFondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, sodass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arg-listigen Täuschung geradezu verschlossen (BGH a.a.O.).

aa) Dass eine institutionalisierte Zusammenarbeit stattgefun-den hat, wurde oben unter B. I. 2. ausgeführt.

bb) Die Unrichtigkeit der Angaben der Firma S. über dieerzielbare Miete war evident.

Von einer evidenten Unrichtigkeit der Angaben des Verkäu-fers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw.des Verkaufs- oder Fondsprospekts ist nach der Recht-sprechung des BGH im bereits mehrfach zitierten Urteil vom16.5.2006 dann auszugehen, wenn sie sich objektiv als grobfalsch dargestellt haben, so dass sich aufdrängt, die kreditge-bende Bank habe sich der Kenntnis der Unrichtigkeit oderder arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.

Der Beklagten war durch die vom Zeugen S. erstellte Selbst-auskunft vom 23.3.2003 bekannt, dass Mieteinnahmen fürdas Objekt F., L. von monatlich 630,00 DM angesetzt werden.Diese 630,00 DM entsprechen den falschen Angaben in demBerechnungsbeispiel vom 30.6.2005, wenn dort Kaltmieteund Mieteinnahmen für die Garage addiert werden.

Ausgehend vom Mietenspiegel 2001 und dem dortigenHöchstwert von 13,20 DM pro m2 war die angesetzte Mietevom 19,50 DM pro m2 um 6,30 DM pro m2, also knapp 48%überhöht. Gegenüber der nachhaltig erzielbaren Kaltmietevon 13,30 m2 beträgt die Differenz 6,20 DM pro m2, alsoknapp 47%. Diese so deutlich überhöhte Kalkulation der demKläger und seiner Ehefrau in Aussicht gestellten monatlichenMieteinnahme ist evident und konnte von der Beklagtennicht übersehen werden, wenn sie sich dieser Erkenntnisnicht verschloss.

cc) Die Beklagte hat die so begründete widerlegliche Vermu-tung für eine Kenntnis der arglistigen Täuschung und einendadurch hervorgerufenen Wissensvorsprung nicht entkräftet.Sie hat insbesondere nichts dazu vorgetragen, aufgrund wel-cher Annahmen im Jahr 1993 es ihr gerechtfertigt erscheinenkonnte, bis zum Jahr 1995 mit so stark steigenden Mieten zurechnen, dass die objektiv überhöhte Kalkulation der Miet-einnahmen dennoch realistisch erscheinen konnte.

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3. Da der Zulässigkeit der Zwangsvollsteckung, wie ausge-führt, nach § 242 BGB ein Schadensersatzanspruch des Klä-gers und seiner Ehefrau entgegensteht, kann dahinstehen,ob, wie der Kläger meint, der Darlehensvertrag im Sinne einermündlichen Zusage schon am 25.6.1993 zustande gekom-men war, also an dem Tag, an dem auch das notarielle Ange-bot auf Abschluss des Kaufvertrages abgegeben worden warund somit vor Abschluss des Kaufvertrags über die Immobi-lie.

4. Aus dem gleichen Grund kann dahinstehen, ob der Darle-hensvertrag wirksam wegen eines Verstoßes gegen das Haus-türwiderrufsgesetz widerrufen worden ist.

II.Die negative Feststellungsklage ist begründet.

1. Die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft ergibtsich insoweit aus der gesamtschuldnerischen Haftung zwi-schen dem Kläger und seiner Ehefrau. Diese begründet einschutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung sowohlfür den Kläger als Prozesstandschafter, wie auch für seine Ehe-frau als denjenigen, der die Prozessführung überträgt.

2. Aufgrund des unter B. I. 2. festgestellten Schadensersatz-anspruches der Eheleute S. gegen die Beklagte können diesedem Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Darlehensdiesen Schadensersatzanspruch nach § 242 BGB entgegenhalten und sind deshalb leistungsfrei zu stellen.

Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, in welcher Höheein etwaiger Anspruch der Beklagten noch begründet wäre,sei es aus Vertrag, wenn ein wirksamer Widerruf nach demHausWG nicht vorliegen sollte, oder nach bereicherungs-rechtlichen Grundsätzen ermittelt im Rahmen eines Rückab-wicklungsverhältnisses nach wirksamem Widerruf.

Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob im Rahmender Anschlussfinanzierung mit Darlehensvertrag vom6.7.1998 die teilweise vorgesehene Darlehenstilgung durcheine abzuschließende Kapitallebensversicherung bei derAngabe der zu erbringenden Leistung ausreichend im Sinneder Rechtsprechung des BGH in den Urteilen vom 25.4.2006erfolgt ist und ob das Darlehen zu marküblichen Zinsengewährt worden ist, da anderenfalls eine Reduktion der Zin-sen vorzunehmen wäre.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob und in welcher Höheder Kläger und seine Ehefrau Vorteile in Form von Mietein-nahmen und Steuerersparnissen bezogen haben. Diese errei-chen aufgrund der erzielten Miete und den Einkommensver-hältnissen des Klägers und seiner Ehefrau jedenfalls nicht dieHöhe der Darlehensvaluta oder übersteigen diese gar.

(…)

Fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung und Zurückweisungeines Musterfeststellungsantrages nach dem KapMuG

I. Die Unrichtigkeit einer Ad-hoc-Mitteilung stellt grundsätz-lich ein zulässiges Feststellungsziel dar. Dies gilt auch für dieFeststellung, dass eine erfolgte Gewinnwarnung früher hätteerfolgen müssen und dass die Herausgabe einer unrichtigenAd-hoc-Mitteilung oder einer verspäteten Gewinnwarnungein Verstoß gegen die guten Sitten i.S.d. § 826 BGB seinkann.

II. Das Landgericht hat vor der Zurückweisung eines Muster-feststellungsantrags den Antragsteller auf seine Bedenkenhinzuweisen und diesem die Möglichkeit der Stellungnahmezu geben.

(Leitsätze von RiOLG Dr. Christoph Fellner)

LG München I, Urt. v. 17.07.2007, Az.: W(KAPMU) 11/07

(ID 39962)

Sachverhalt:

Die Kläger zu 2), zu 4), zu 8), zu 9) und zu 10) begehren von denBeklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien derBeklagten zu 1) Schadensersatz. Die Kläger zu 8), zu 9) und zu 10)wehren sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Zurück-weisung ihres Musterfeststellungsantrags vom 15.12.2006. DieKläger zu 2) und zu 4) wehren sich mit ihrer sofortigen Beschwer-de gegen die Zurückweisung ihres Musterfeststellungsantragsvom 18.12.2006.

Ziel des Musterfeststellungsantrags vom 15.12.2006 war die Fest-stellung, dass die Ad-hoc-Mitteilung vom 22.3.2000 unrichtiggewesen sei und dass hierdurch gegen die Beklagten Schadenser-satzansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidrigerSchädigung begründet werden könnten. Hinsichtlich der Anträ-ge und der einzelnen Streitpunkte wird im Einzelnen auf Blatt263 bis 295 sowie auf Blatt 346 bis 351 der Akten Bezug genom-men.

Mit dem Musterfeststellungsantrag vom 18.12.2006 wurde dieFeststellung beantragt, dass die Ad-hoc-Mitteilung vom5./9.10.2000 unvollständig und daher unrichtig gewesen sei,weil die in der Ad-hoc-Mitteilung vom 1.12.2000 veröffentlichteGewinnwarnung bereits spätestens am 2.10.2000 hätte erfolgenmüssen und dass hierdurch gegen die Beklagten Schadensersatz-ansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidrigerSchädigung begründet werden könnten und dass die in der Ad-hoc-Mitteilung vom 1.12.2000 veröffentlichte Gewinnwarnungzumindest, d.h. wenn nicht schon am 2.10.2000, so dann spätes-tens am 10.10.2000 bzw. am 19.10 2000 bzw. am 23.10.2000hätte erfolgen müssen und dass hierdurch gegen die BeklagtenSchadensersatzansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sit-tenwidriger Schädigung begründet werden könnten. Hinsicht-lich der Anträge und der einzelnen Streitpunkte wird im Einzel-nen auf Blatt 296 bis 340 der Akten Bezug genommen.

Die Beklagten beantragten, beide Musterfeststellungsanträge alsunzulässig zurückzuweisen.

Das Landgericht München I hat ohne vorausgegangene Hinwei-serteilung mit Beschluss vom 26.2.2007 die Musterfeststellungs-anträge mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dassdiese keine zulässigen Feststellungsziele zum Gegenstand hätten.Unzulässig sei es auch, mehrere Feststellungsziele in einemAntrag miteinander zu verbinden und die Feststellung einesAnspruchs insgesamt zu beantragen. Bei der Frage, ob sich ausder Unrichtigkeit einer Ad-hoc-Mitteilung Ansprüche aus § 826BGB ergeben könnten, handle es sich nicht um eine anspruchs-begründende Voraussetzung. Insoweit werde vielmehr eineRechtsfrage aufgeworfen, der jedoch keine Bedeutung über denRechtsstreit hinaus für andere gleichgelagerte Rechtsstreitigkei-ten zukomme. Die Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom22.3.2000 sei keine anspruchsbegründende Voraussetzung imSinne von § 1 Abs. 1 KapMuG. Insoweit sei das Feststellungszielzu weit gefasst. Zulässiges Feststellungsziel könne allenfalls dieFeststellung der Unrichtigkeit einer bestimmten Angabe in einerkonkreten Ad-hoc-Mitteilung, nicht jedoch die Unrichtigkeit derMitteilung allgemein sein. Im Antrag vom 18.12.2000 fehltenschließlich Ausführungen dazu, warum die Gewinnwarnungbereits zu den jeweils angegebenen Zeitpunkten hätte veröffent-licht werden müssen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird aufBlatt 398 bis 405 der Akten Bezug genommen.

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Die Kläger zu 2), zu 4), zu 8), zu 9) und zu 10) haben gegen die-sen Beschluss mit dem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigtenvom 13.3.2007 sofortige Beschwerden mit den Anträgen einlegt,diesen aufzuheben und die Zulässigkeit der Musterfeststellungs-anträge vom 15. bzw. vom 18.12.2006 festzustellen.

Die Beklagten haben die Zurückweisung der sofortigen Beschwer-den beantragt.

Aus den Gründen:Die zulässige sofortige Beschwerde der Kläger zu 2), zu 4), zu8), zu 9) und zu 10) führt zum Erfolg, weshalb der angefoch-tene Beschluss des Landgerichts München I von 26.2.2007aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung undEntscheidung zurückzuverweisen ist.

Die von den Klägern beantragte Feststellung der Zulässigkeitder Musterfeststellungsanträge vom 15. und 18.12.2006durch den Senat kommt hier schon deshalb nicht inBetracht, da dem Landgericht München I, dem gemäß § 2KapMuG zuständigen Prozessgericht, nach Verletzung seinerHinweispflicht Gelegenheit gegeben werden soll, unterBeachtung der Rechtsauffassung des Senats über die Zulässig-keit der Musterfeststellungsanträge und über deren öffent-lichen Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeigererneut zu entscheiden. Auch im Beschwerdeverfahren kanndie angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sachezur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Aus-gangsgericht zurückverwiesen werden (BGHZ 51, 131, 134;BGH NJW 1994, 2956 f).

Im Einzelnen ist Folgendes festzustellen:

Gemäß § 3 Abs. 1 EGZPO ist § 139 ZPO im Musterverfahrennach dem KapMuG entsprechend anzuwenden, weshalb dasLandgericht München I die Musterfeststellungsanträge nichtohne Hinweis auf seine Bedenken und nicht ohne Einräu-mung einer Frist zur Stellungnahme hierzu als unzulässighätte zurückweisen dürfen. So hätte darauf hingewiesen wer-den müssen, dass das Bestehen eines Schadensersatzan-spruchs aus § 826 BGB wegen der Unrichtigkeit einer Ad-hoc-Mitteilung ein zu weit gefasstes Feststellungsziel ist, da darinnicht feststellungsfähige Fragen wie z B die Kausalität und derindividuelle Schaden enthalten sind. Dieser Mangel hättesich durch eine Einschränkung des Feststellungsziels auf Vor-liegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten i.S.d. § 826 BGBbeheben lassen. § 826 BGB gehört zu den Schadensersatzan-sprüchen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG (Gängel / Gansel inAktien- und Kapitalmarktrecht, Rn. 21 zu § 1 KapMuG). Es istdavon auszugehen, dass auf einen entsprechenden Hinweishin das zu weit gefasste Feststellungsziel hinsichtlich derAnspruchsgrundlage § 826 BGB in den Musterfeststellungs-anträgen vom 15. und 18.12.2006 enger gefasst worden wäre.

Die mit dem Musterfeststellungsantrag vom 15.12.2006begehrte Feststellung der Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mittei-lung vom 22.3.2000 stellt ein zulässiges Feststellungsziel dar.Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG kann in einem erstinstanz-lichen Verfahren, in dem – wie hier – ein Schadensersatzan-spruch wegen falscher, irreführender oder unterlasseneröffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemachtwird, durch einen Musterfeststellungsantrag die Feststellungdes Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründenderoder anspruchsausschließender Voraussetzungen oder dieKlärung von Rechtsfragen begehrt werden (Feststellungsziel),wenn die Entscheidung hiervon abhängt. Öffentliche Kapi-

talmarktinformationen sind gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 KapMuGInformationen für eine Vielzahl von Kapitalanlegern überTatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unterneh-mensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oderAnbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Hierzugehört auch die Ad-hoc-Mitteilung (BT-Drucksache 15/5091,S. 20). Die erforderliche Erheblichkeit ist gegeben, wenn dieim Feststellungsziel genannte Frage bei der Entscheidungüber die Hauptsache im Urteil behandelt werden muss (Vor-werk / Wolf, KapMuG, Rn. 69 und 72 zu § 1 KapMuG). Wirdein geltend gemachter Anspruch auf § 826 BGB in Verbin-dung mit der Unrichtigkeit einer Ad-hoc-Mitteilung gestützt,dann muss sich das Prozessgericht in einem Urteil mit dieserAd-hoc-Mitteilung auseinandersetzen. Für die so genannteBreitenwirkung ist nur erforderlich, dass auf Grund der fal-schen öffentlichen Kapitalmarktinformation – wie z.B. durcheine falsche Ad-hoc-Mitteilung – eine Vielzahl von Anlegernbetroffen und durch einen Verstoß gegen die guten Sittengeschädigt ist (BT-Drucksache 15/5091, S. 21). Letzteres isthier der Fall, da eine mögliche Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mit-teilung vom 22.3.2000 – wie gerichtsbekannt ist – in einerVielzahl von Schadensersatzprozessen vor dem LandgerichtMünchen I und dem Oberlandesgericht München eine Rollespielt. Voraussetzung für den behaupteten Anspruch aus§ 826 BGB ist die Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom22.3.2000, da diese den erforderlichen Verstoß gegen dieguten Sitten begründet.

Der Musterfeststellungsantrag vom 15.12.2006 wäre aus-nahmsweise nur dann unzulässig, wenn feststünde, dass dieAd-hoc-Mitteilung vom 22.3.2000 für die Kläger bei demErwerb der Aktien keine Rolle gespielt hätte. In einem sol-chen Fall bestünde keine Kausalität, weshalb die Unrichtig-keit dieser Ad-hoc-Mitteilung nicht mehr entscheidungser-heblich wäre. Hierzu hat das Landgericht München I bisherkeine Feststellungen getroffen.

Die mit dem Musterfeststellungsantrag vom 18.12.2006begehrte Feststellung der Unvollständigkeit und damit derUnrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 5. / 9.10.2000 stelltaus den oben genannten Gründen ein zulässiges Feststel-lungsziel dar.

Die ebenfalls mit dem Musterfeststellungsantrag vom18.12.2006 begehrte Feststellung, dass die mit der Ad-hoc-Mitteilung vom 1.12.2000 veröffentlichte Gewinnwarnungfrüher hätte erfolgen müssen, stellt auch ein zulässiges Fest-stellungsziel dar. Hier wird die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuGaufgeführte unterlassene öffentliche Kapitalmarktinforma-tion gerügt. Der Mitteilungspflicht unterliegen u.a. einewesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsseoder der Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissenoder Marktprognosen (Fischer zu Crampurg / Roye in Aktien-und Kapitalmarktrecht, Rn. 5 zu § 15 WpHG). Ein Verstoßgegen diese Mitteilungspflicht kann Schadensersatzansprü-che der Aktionäre aus § 826 BGB auslösen (Fischer zu Cram-purg / Roye in Aktien- und Kapitalmarktrecht, Rn. 26 zu § 15WpHG).

Es ist die erforderliche Erheblichkeit gegeben, da sich das Pro-zessgericht bei seiner Entscheidung in der Hauptsache damitbefassen muss, ob die Unvollständigkeit der Ad-hoc-Mittei-lung vom 5. / 9.10.2000 bzw. eine nicht rechtzeitig erfolgteGewinnwarnung Schadensersatzansprüche aus § 826 BGBbegründen kann.

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Bankrecht | R E C H T S P R E C H U N G

Es ist die erforderliche Breitenwirkung gegeben, da eine mög-liche Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 5. / 9.10.2000und eine möglicherweise nicht rechtzeitig erfolgte Gewinn-warnung vor Dezember 2000 – wie gerichtsbekannt ist – ineiner Vielzahl von Schadensersatzprozessen vor dem Landge-richt München I und vor dem Oberlandesgericht Müncheneine Rolle spielen.

Soweit in dem Antrag Zeitpunkte, nämlich 2.10., 10.10.,19.10. und 23.10.2000, genannt sind, zu denen nach Auffas-sung der Kläger die Gewinnwarnung hätte erfolgen müssen,handelt es sich nicht um selbständige Feststellungsziele, son-dern lediglich um einzelne Streitpunkte der begehrten Fest-stellung, dass die Gewinnwarnung früher hätte erfolgen müs-sen. Eine Zurückweisung des Musterfeststellungsantrags vom18.12.2006 gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 KapMuG ist somit nichtmöglich.

Die Tatsache, dass mit dem Musterfeststellungsantrag vom18.12.2006 mehrere Feststellungsziele verfolgt werden, istunerheblich, da es nicht verboten ist, in einem Musterfest-stellungsantrag mehrere Feststellungsziele im Rahmen einerAntragshäufung anzugeben (Vorwerk / Wolf, a.a.O., Rn. 32und 38 zu § 1 KapMuG). Im Klageregister können die einzel-nen Feststellungsziele gemäß § 2 KapMuG gesondert bekanntgemacht werden, um bei einer Prüfung gemäß § 4 Abs. 1 Kap-MuG die Gleichgerichtetheit der einzelnen Musterfeststel-lungsanträge sicher feststellen zu können.

Der Musterfeststellungsantrag vom 18.12.2000 wäre aus-nahmsweise nur dann unzulässig, wenn feststünde, dass dieAd-hoc-Mitteilung vom 5. / 9.10.2000 für die Kläger bei demErwerb der Aktien keine Rolle gespielt hätte bzw. die Aktienvon den Klägern vor dem 2.10.2000 erworben worden wären.In diesen Fällen bestünde keine Kausalität, weshalb eineUnrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung bzw. eine verspäteteGewinnwarnung nicht mehr entscheidungserheblich wäre.Hierzu hat das Landgericht München I bisher keine Feststel-lungen getroffen.

Das KapMuG enthält keine eigene Kostenregelung für dasBeschwerdeverfahren, so dass unter Berücksichtigung von § 3Abs. 1 EGZPO § 91 Abs. 1 ZPO analog anzuwenden ist.

Das KapMuG enthält keine Regelung zur Bestimmung desWerts einer sofortigen Beschwerde wegen der Zurückweisungvon Musterfeststellungsanträgen, so dass unter Berücksichti-gung von § 3 Abs. 1 EGZPO § 3 ZPO analog anzuwenden ist.Da die Kläger durch diese Entscheidung ihren Rechtsstreitnoch nicht gewonnen haben, wird das Interesse der Klägermit 50 % der Hauptsachebeträge angesetzt.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im vorliegenden Falltrotz fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung zu deneinzelnen Rechtsfragen nicht geboten, da der Senat den ange-fochtenen Beschluss des Landgerichts München I nur aufge-hoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Ent-scheidung an dieses zurückverwiesen hat, ohne abschließendüber die Zulässigkeit der Musterfeststellungsanträge vom 15.und 18.12.2006 entschieden zu haben.

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Unter-lassen eines erforderlichen Hinweises

BGH, Beschl. v. 26.06.07, Az.: XI ZR 201/06

Der XI. Zivilsenat des BGH hat hierzu Folgendes ausgeführt:

„Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügendeGewährung rechtlichen Gehörs setzt außerdem voraus, dassder Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu ver-langenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsa-chenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Eskommt deshalb im Ergebnis der Verhinderung eines Vortragsgleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforde-rungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewis-senhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisheri-gen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte”.

Zu den Voraussetzungen der außerordentlichen oderordentlichen Kündigung eines Girovertrages von Sei-ten des Kreditinstituts

Stichelartiges Kritisieren oder „Nörgeln” eines querulatori-schen Kontoinhabers stellt keine grobe Belästigung von Mit-arbeitern oder Kunden im Sinne der Selbstverpflichtungser-klärung des Zentralen Kreditausschusses dar und gibt daherdem Kreditinstitut nicht das Recht zur außerordentlichenoder ordentlichen Kündigung des Girovertrages.

AG Bad Hersfeld, Urt. v. 29.09.2006, Az.: 10 C 430/06

(ID 39963)

Sachverhalt:

Die Kläger schlossen am 08.07.1998 mit der Beklagten einenGirovertrag ab. Beide Kläger wurden hier als Mitkontoinhabergeführt. Vereinbart wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingun-gen, die Bestandteil des Girovertrages wurden.

Der Kläger hatte wegen Verlusten aus Wertpapieren und Anlage-geschäften, die ihm durch die Beklagte vermittelt wurden, erheb-liche Kursverluste. Hierfür macht der Kläger die Beklagte verant-wortlich. Es kam zu einem umfangreichen Schriftwechsel mit derSchlichtungsstelle des Sparkassen- und Giroverbandes sowie derBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Eine gerichtli-che Auseinandersetzung in dieser Sache wurde nicht anhängiggemacht. Aufgrund dieser Auseinandersetzungen wurde der Klä-ger nunmehr nicht mehr als Individualkunde geführt. Vielmehrwerden die Kläger nunmehr als Standardkunden behandelt. DasGirokonto wird nur noch auf Guthabenbasis geführt. Über dasGirokonto der Kläger laufen monatlich ca. dreißig Kontobewe-gungen. Unter anderem gehen die Renten der Kläger hierauf undes werden Miete sowie Zahlungen für Stadtwerke und Ähnlichesbezahlt.

Mit Schreiben vom 30.01.2006 erklärte die Beklagte, dass dieunabdingbare Vertrauensgrundlage nicht mehr bestehe und des-halb die Geschäftsbeziehung zum 30.06.2006 beendet werde.

Die Kläger haben neben dem Girokonto bei der Beklagten nochein solches bei der VR-Bank in Bad Hersfeld.

Die Kläger sind der Auffassung, die Kündigungserklärung derBeklagtenseite sei unwirksam, da ein wichtiger Grund für dieKündigung nicht gegeben sei. Insbesondere fehle es hier an derVoraussetzung der Kündigung entsprechend den Empfehlungendes Zentralen Kreditausschusses. Weder seien Gründe für eineordentliche noch für eine außerordentliche Kündigung gegeben.

Die Kläger beantragen festzustellen, dass der Girovertrag zwi-schen den Parteien mit der Girokonto-Nr. 1338575 nicht durchdie Beklagten vom 30.01.2006 zum 30.06.2006 aufgelöst ist, son-dern weiter fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung ihr stünde das Kündigungsrechtaus den allgemeinen Geschäftsbedingungen zu. Ein solchesordentliches Kündigungsrecht sei nicht durch den öffentlichen

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

Auftrag der Sparkasse beschränkt. Zudem würde die Kündigungdie Interessen der Klägerseite ausreichend berücksichtigen, dadiese zum einen ein anderes Girokonto hätten, über das sie ihreGeschäfte abwickeln könnten, zum anderen ihnen ausreichendZeit eingeräumt wurde, entsprechende Dispositionen zu treffen.

Das Vertrauensverhältnis mit dem Kläger sei zerstört. Dieser seinörglerisch. Es komme weiter zu einem stichelartigen Kritisierenvon Leistungen und Mitarbeitern auch in der Öffentlichkeit. Die-ses sei für die Beklagte unzumutbar, so dass Gründe für eineaußerordentliche als auch für eine ordentliche Kündigung gege-ben seien.

Die Klägerin hingegen habe auch keinen Anspruch auf Fortset-zung des Kontos, da sie sich das Verhalten ihres Mannes, des Klä-gers, zurechnen lassen müsse und zudem das Konto wegen derbestehenden Mitkontoinhaberschaft nicht alleine mit der Kläge-rin weitergeführt werden könne ohne dass diese zustimme.

Der weitere Vortrag der Parteien ergibt sich aus den gewechseltenSchriftsätzen und vorgelegten Urkunden.

Aus den Gründen:Die Klage ist im vollen Umfang begründet.

Durch die Erklärung vom 30.01.2006 ist das Girokontover-hältnis zwischen den Parteien nicht gelöst worden. Zwar istdas Schreiben vom 30.01.2006 als Kündigungserklärunganzusehen, dies wird aber nicht ausdrücklich in dem Schrei-ben erwähnt. Aus dem Gesamtzusammenhang ist jedoch zuerkennen, dass hier die Beklagtenseite eine Beendigung desGirovertrages zum 30.06.2006 und danach Aufträge für die-ses Konto nicht mehr bearbeiten wolle.

Da hinsichtlich der Feststellung der Unwirksamkeit dieserKündigung der Klägerseite auch ein berechtigtes Feststel-lungsinteresse zusteht, so dass die gewählte Klageart, die Fest-stellungsklage, berechtigt ist. Sie ist zudem begründet. Zwarsehen die AGB der Beklagten vor, dass ein solcher Girovertragjederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigtwerden könne (Nr. 26 der AGB), sofern dies nicht zur Unzeitgeschieht. Hieraus ergibt sich jedoch nicht ein unbeschränk-tes Kündigungsrecht der Beklagtenseite. Vielmehr sind imvorliegenden Fall, da es sich um ein so genanntes „Jeder-mann Girokonto auf Guthabenbasis” handelt, die Empfeh-lung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto fürJedermann zu berücksichtigen. Diese beschränken das Kün-digungsrecht des Kreditinstitutes auf den Fall der Unzumut-barkeit und schränken somit das ordentliche Kündigungs-recht ein.

Die Empfehlungen des Zentralen Kreditausschusses entfaltenauch Rechtswirkungen zwischen den Parteien. Es handeltsich nicht um eine unverbindliche Selbstverpflichtung, dielediglich den „good will” der Banken zum Ausdruck kommenlassen will. Die Selbstverpflichtung wurde vielmehr als ver-bindliche Willenserklärung gewertet, um den Gesetzgebervon einer weitergehenden Regelung zum Kontrahierungs-zwang abzuhalten. Diese Selbstverpflichtungserklärung desZentralen Kreditausschusses zu dem sich die Verbände derKreditwirtschaft zusammengeschlossen haben, bindet somitdie in diesem Verband zusammengeschlossenen Kreditinsti-tute, unter anderem den Verband der deutschen öffentlichenSparkassen e. V., zu der auch die Beklagte gehört. Diese Ver-pflichtungserklärung ist somit als ein Vertrag zugunsten Drit-ter anzusehen. Begünstigter dieses abstrakten Schuldverspre-chens zugunsten Dritter ist gemäß der SelbstverpflichtungJedermann, somit auch die Kläger (vergleiche LandgerichtBremen, Urteil vom 16.06.2005, Aktenzeichen: 2 0 408/05).

Nach dieser Selbstverpflichtungserklärung des ZKA ist eineKündigung nur möglich, wenn die Fortführung für das ent-sprechende Kreditinstitut unzumutbar ist. In der Selbstver-pflichtungserklärung ist sodann eine Reihe von Regelbeispie-len aufgeführt. Der von der der Beklagten geschilderte Sach-verhalt ist unter keine dieser Regelbeispiele zu subsumieren.Weder nutzen die Kläger die Leistungen des Kreditinstitutsfür gesetzwidrige Transaktionen, noch haben sie Falschanga-ben gemacht oder das Konto ein Jahr lang umsatzlos geführt.Auch ist sichergestellt, dass das Institut die vereinbartenüblichen Entgelte erhält und die Kläger im Übrigen auch dieVereinbarungen einhalten. Zu denken wäre für die Begrün-dung der Kündigung lediglich an den Unterpunkt: grobeBelästigung oder Gefährdung von Mitarbeitern oder Kunden.

Der hierzu getätigte Vortrag der Beklagtenseite kann eine sol-che grobe Belästigung nicht verdeutlichen. Die Beklagtensei-te räumt selbst ein, dass das Auftreten des Klägers, an dessenVerhalten sich alleine die Beklagtenseite stört, nicht durchverbale Entgleisungen ausgezeichnet ist. Vielmehr wird hierein stichelartiges Kritisieren von Leistungen von Mitarbeiternbemängelt. Wie der Begriff des stichelartigen Kritisierensbereits zum Ausdruck bringt, sind hiermit feine Nadelstiche,möglicherweise ironische Bemerkungen und Ähnlichesgemeint Ein solches Verhalten mag zwar als Belästigungangesehen werden. Eine grobe Belästigung im Sinne der Emp-fehlung der ZKA ist hierin nicht zu sehen. Die Ansicht derBeklagten, der Kläger sei nicht einsichtig und es ginge ihmdarum, der Beklagtenseite stets Fehler nachzuweisen und imRecht zu sein, mag zwar für die Beklagtenseite lästig sein, eingrober Missbrauch des Girovertrages ist hierin aber nicht zuerblicken.

Insgesamt ist das Gericht der Auffassung, dass die von derBeklagtenseite geschilderten Verhaltensweisen zwar nach-vollziehbar eine Belästigung der Beklagten darstellen, vondieser als lästig und unangenehm empfunden werden. Diesesist jedoch im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbeziehun-gen hinzunehmen, wenn gewisse Grenzen, die hier nichtüberschritten wurden, eingehalten sind.

Soweit die Beklagtenseite behauptet, die Kritik wird auch indie Öffentlichkeit getragen, ist dieser Vortrag unsubstantiiert.Aus dem vorgelegten Schriftwechsel geht lediglich hervor,dass sich der Kläger an die Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungen sowie an die Schlichtungsstelle gewandt hat. Diessind aber Institutionen, die in diesem Zusammenhang einge-bunden werden können und stellen somit kein Hinaustragender Streitigkeit in die Öffentlichkeit dar.

Somit ist das Gericht der Überzeugung, dass alleine die que-rulatorische Neigung des Klägers, wie von der Beklagtenseiteanschaulich dargestellt wurde, nicht geeignet ist, ein Kündi-gungsrecht entsprechend den Empfehlungen der ZKA zubegründen, insbesondere ist dieses Verhalten nicht geeignet,zur Unzumutbarkeit der Fortführung des Girokontos zu füh-ren. Hierfür ist es unbeachtlich, dass die Klägerseite ein wei-teres Kreditinstitut zur Verfügung hat, über die sie ihreGeschäfte abwickeln könnte. So ist eine alternative Bankver-bindung alleine nicht ausschlaggebend dafür, ob hier -ent-sprechend der Empfehlungen der ZKA – eine Unzumutbarkeitgegeben ist.

Der Klage war deshalb im vollen Umfang mit der Kostenent-scheidung des § 91 ZPO stattzugeben.

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Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

V E R S I C H E R U N G S R E C HT

Kein Verstoß gegen Aufklärungsobliegenheiten beiVerschweigen eines von dem Versicherer selbst regu-lierten Vorschadens

Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer Verletzungder Aufklärungsobliegenheit kommt nicht in Betracht, wennder Versicherungsnehmer bei der Schadensanzeige einenUmstand verschweigt, den der Versicherer bereits positivkennt.

Hat der Versicherer einen Vorschaden im Rahmen eines lau-fenden, auch für die neue Schadensmeldung maßgeblichenVersicherungsvertrages über einen bestimmten versichertenGegenstand selbst reguliert, so kennt er diesen Vorschadenin seinen Einzelheiten (Fortführung des Senatsurteils vom26. Januar 2005 – IV ZR 239/03 – VersR 2005, 493 unter 2 a;Abgrenzung zu Senatsurteil vom 17. Januar 2007 – IV ZR106/06 – VersR 2007, 481).

BGH, Urt. v. 11.07.2007, Az.: IV ZR 332/05

(ID 40275)

Sachverhalt:

1 Der Kläger fordert vom beklagten Rechtsanwalt Schadenser-satz wegen schuldhafter Versäumnis der Frist des § 12 Abs. 3VVG bei Erhebung einer Klage auf Versicherungsleistungennach einem behaupteten Kfz-Diebstahl.

2 Für seinen erstmals am 20. Juli 1998 zugelassenen Pkw BMW525 TDS hielt der Kläger eine Kfz-Haftpflicht- und Vollkasko-versicherung bei der O. AG. Am 21. September 1999 erlittdas Fahrzeug einen Unfallschaden, für dessen Reparatur derVersicherer aus der Vollkaskoversicherung 7.835,18 DM leis-tete.

3 Im Juni 2000 zeigte der Kläger dem Versicherer an, das Fahr-zeug sei ihm am 2. Juni 2000 in P. gestohlen worden. EinTrickdieb habe den Fahrzeugschlüssel an sich genommen,der während eines durch Reifenschaden erzwungenen Rad-wechsels im Kofferraumschloss gesteckt habe, und sei, alsder Kläger gerade das ausgewechselte Rad in den Kofferraumhabe legen wollen, unter Benutzung des Schlüssels plötzlichdavongefahren.

4 In den ihm daraufhin übersandten Fragebogen zur Scha-densmeldung trug der Kläger zu der Frage nach Zeitpunkt undUmfang von Schäden von der Erstzulassung bis zur Entwen-dung (reparierte und unreparierte) die Antwort „keine” ein.Der Versicherer lehnte Versicherungsleistungen wegen Ver-schweigens des Vorschadens und auch deshalb ab, weil derKläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt ha-be. Das Ablehnungsschreiben ging dem Kläger am 30. Mai2001 zu. Am 15. November 2001 reichte der vom Kläger be-auftragte Beklagte beim Landgericht Klage auf Versiche-rungsleistungen in Höhe von 18.657,26 ein. Die Klage wur-de abgewiesen, weil der Anfang Dezember beim Klägereingeforderte Gerichtskostenvorschuss erst am 13. März 2002eingezahlt, die Klage deshalb nicht mehr „demnächst” im Sin-ne von § 167 ZPO zugestellt worden und die Frist des § 12Abs. 3 VVG damit nicht gewahrt war.

5 Wegen der genannten Klagforderung, ferner wegen der ihmim Vorprozess entstandenen Kosten in Höhe von 3.653,24 €nimmt der Kläger den Beklagten in Regress. Er meint, der Be-klagte habe nicht ausreichend darauf geachtet, dass der Ge-

richtskostenvorschuss rechtzeitig eingezahlt und die Klagerechtzeitig zugestellt wurde.

6 Der Beklagte hat eine Pflichtverletzung im Zusammenhangmit der Klagezustellung in Abrede gestellt. Unter anderemsei er davon überrascht worden, dass die Anforderung desGebührenvorschusses, nach der er sich unstreitig zweimaltelefonisch beim Landgericht erkundigt hatte, nicht un-mittelbar an ihn, sondern an den Kläger persönlich über-mittelt worden sei. Im Übrigen sei dem Kläger auch kein Scha-den entstanden, weil der Versicherer infolge der falschenAngaben des Klägers zu dem Vorschaden und auch wegen des-sen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfallsleistungsfrei gewesen sei.

7 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revi-sion verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.

Aus den Gründen:

8 Die Revision hat Erfolg.

9 I.Das Berufungsgericht meint, dem Kläger sei schon deshalbkein Schaden entstanden, weil der Kaskoversicherer nach§ 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 Nr. 5 Abs. 4 derhier maßgeblichen AKB leistungsfrei geworden sei, nach-dem der Kläger den Vorschaden vom 21. September 1999verschwiegen habe. Die gesetzliche Vermutung, dass dieAufklärungsobliegenheit vorsätzlich verletzt sei, habe derKläger nicht widerlegt. Auch die nach der Relevanzrecht-sprechung geforderten weiteren Voraussetzungen der Leis-tungsfreiheit seien erfüllt. Das Verschweigen des Vorscha-dens sei generell geeignet gewesen, die Interessen desVersicherers ernsthaft zu gefährden. Daran ändere sichnichts dadurch, dass die Datenverwaltung des Versicherersso eingerichtet gewesen sei, dass bei Aufruf der für die Be-arbeitung eines Schadens erforderlichen Schadenshaupt-maske dem Sachbearbeiter automatisch die Zahl der Vor-schäden eines versicherten Fahrzeugs angezeigt werde.Denn das entbinde den Versicherungsnehmer nicht vonseiner Obliegenheit, bei der Schadensanzeige zutreffendeAngaben zu machen. Gerade in Entwendungsfällen sei derVersicherer in besonderem Maße auf zutreffende Anga-ben des Versicherungsnehmers zum Wert des Fahrzeugsangewiesen, weil dieses regelmäßig nicht für eine Begut-achtung zur Verfügung stehe. Dass eine generelle Wei-sung an die Sachbearbeiter des Versicherers ergangen sei,bei der Schadensbearbeitung vorhandene Datenbeständeauf verzeichnete Vorschäden zu überprüfen, habe derKläger nicht behauptet. Der Versicherer müsse sich nichtdarauf verweisen lassen, notwendige Erkenntnisse überVorschäden aus archivierten Unterlagen oder Datenbank-beständen zu ermitteln.

9 Das Verschulden des Klägers sei auch ungeachtet einer spä-teren Korrektur seiner Angaben erheblich, denn dieseKorrektur sei erst aufgrund eines Schreibens des Versiche-rers vom 21. Oktober 2000 und mithin nicht spontan,aus eigenem Antrieb und freiwillig erfolgt. Auch die demKläger erteilte Belehrung über die Rechtsfolgen einer vor-sätzlichen folgenlosen Verletzung der Aufklärungsoblie-genheit genüge in Form und Inhalt den Anforderungender Rechtsprechung.

10 II.Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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R E C H T S P R E C H U N G | Vers icherungsrecht

12 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dasVerschweigen des vom Kaskoversicherer selbst regulier-ten Vorschadens in der Schadensmeldung führe zur Leis-tungsfreiheit des Versicherers.

13 a) Der Senat hat bereits entschieden, dass Leistungsfreiheitdes Versicherers wegen einer Verletzung der Aufklärungsob-liegenheit nicht in Betracht kommt, wenn der Versiche-rungsnehmer bei der Schadensanzeige einen Umstand ver-schweigt, den der Versicherer bereits positiv kennt(Senatsurteil vom 26. Januar 2005 – IV ZR 239/03 – VersR2005, 493 unter II 2 a). Denn Aufklärungsobliegenheiten –wie hier nach § 7 Nr. 5 Abs. 4 der AKB – dienen dem Zweck,den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Ent-schlüsse zu fassen. Fehlt das entsprechende Aufklärungsbe-dürfnis, weil der Versicherer einen maßgeblichen Umstandbereits kennt, so verletzen unzulängliche Angaben des Versi-cherungsnehmers über diesen Umstand keine schutzwürdi-gen Interessen des Versicherers und können deshalb die Sank-tion der Leistungsfreiheit des Versicherers nicht rechtfertigen.

14 b) Hat – wie hier – der Versicherer einen Vorschaden imRahmen eines laufenden, auch für die neue Schadensmel-dung maßgeblichen Versicherungsvertrages über einenbestimmten versicherten Gegenstand selbst reguliert, sokennt er diesen Vorschaden in seinen Einzelheiten. Denndiese Kenntnis ist bei seinem mit der Schadensregulierungbefassten Sachbearbeiter – und mithin beim Versichererselbst – angefallen, und es bleibt im Weiteren allein eineFrage seiner innerbetrieblichen Organisation, wie er diesesWissen auch anderen Sachbearbeitern zugänglich macht.

15 2. Das unterscheidet den Fall von anderen Fällen, in de-nen sich der Versicherungsnehmer lediglich darauf beruft,der Versicherer habe den von ihm verschwiegenen Sach-verhalt zunächst zwar nicht positiv gekannt, jedoch ent-weder auf anderem Wege noch rechtzeitig erfahren odersich die erforderlichen Kenntnisse jedenfalls anderweitig– etwa durch eine Dateiabfrage – verschaffen können (vgl.dazu Senatsurteil vom 17. Januar 2007 – IV ZR 106/06 –VersR 2007, 481; r+s 2007, 147 Tz. 15 f.). Den Versiche-rungsnehmer, der im Rahmen seiner Aufklärungsoblie-genheit grundsätzlich verpflichtet ist, alles zu tun, waszur Sachaufklärung und zur Schadensminderung dien-lich ist, entlastet es in solchen Fällen regelmäßig nicht,wenn sich für den Versicherer lediglich anderweitige Er-kenntnismöglichkeiten ergeben. Denn diese lassen – an-ders als ein bereits sicher erworbenes Wissen – das Auf-klärungsinteresse des Versicherers noch nicht entfallen(Senatsurteil vom 17. Januar 2007 aaO).

3. Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung undEntscheidung, sowohl zur Frage der anwaltlichen Pflicht-verletzung wie auch der grobfahrlässigen Herbeiführungdes Versicherungsfalles.

Zum Ausschluss von Versicherungsansprüchen in derPrivathaftpflichtversicherung bei vorsätzlicher Herbei-führung des Schadensereignisses und der Schadens-folge

1. In der Privathaftpflichtversicherung sind Versicherungsan-sprüche aller Personen ausgeschlossen, die den Schaden vor-sätzlich herbeigeführt haben. Der Vorsatz muss sich dabeinicht nur auf das Schadensereignis an sich beziehen, son-dern auch die Schadensfolge mit umfassen.

2. Betätigt ein 13 Jahre alter Schüler einen Feuerlöscher ineiner Kirche und treten dadurch Verschmutzungen imBereich des Kircheninneren auf, so ist davon auszugehen,dass der Schüler zwar die Vorstellung gehabt hat, dass derKirchenraum verschmutzt wird, nicht jedoch deren weitrei-chenden Folgen voraussehen können.

OLG Koblenz, Urt. v. 06.07.2007, Az.:10 U 1748/06

(ID 40277)

Aus den Gründen:

I.Zwischen den Parteien besteht ein allgemeiner Haftpflicht-versicherungsvertrag, welcher unter anderem als versichertesRisiko die Privathaftpflicht der Klägerin umfasst und in demminderjährige, in der Schulausbildung stehende Kinder derKlägerin – somit ihr am ... 12. 1991 geborener Sohn M... N...– mitversichert sind. M... N... traf sich am 6. Oktober 2005mit zwei Schulfreunden in K... und konsumierte mit diesenAlkohol. Sodann begaben sich die Kinder in die örtlichekatholische Kirche, wo M... N... den sich in der Nähe derOrgel befindenden 6 kg-Feuerlöscher aus der Wandhalterungnahm und den Feuerlöscher betätigte. Durch das austretendeLöschmittel wurden weite Bereiche des Kircheninneren, dieSitzbank, der Boden sowie Teile der Orgel, Metall- und Kunst-gegenstände beschmutzt. Von den Reinigungs- und Restau-rierungskosten in Höhe von insgesamt 27.780 hat derBeklagte die Kostenübernahme hinsichtlich der auf die Reini-gungsarbeiten an der Orgel entfallenden 12.644 erklärt.

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob der Sohnder Klägerin den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat undder Beklagte somit leistungsfrei ist.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass der Beklagteder Klägerin für ihren Sohn M... N..., geb. am ... Dezember1991, Versicherungsschutz wegen der am 06. Oktober 2005in der katholischen Kirche in K... entstandenen Schäden undfür alle hieraus resultierenden Schadensersatzansprüche Drit-ter zu gewähren hat.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagtesich zu Recht auf den Haftungsausschluss nach den §§ 152VVG, 4 Nr. II 1 AHB berufe. Der Sohn der Klägerin habe vor-sätzlich nicht nur hinsichtlich der haftungsbegründendenSchadenshandlung, sondern auch hinsichtlich der Schadens-folgen gehandelt, da er die Auswirkungen seines Handelns imgroßen und ganzen vorhergesehen und gewollt habe.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegteund begründete Berufung der Klägerin, mit der diese unterWiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sach-vortrags geltend macht, ihrem Sohn sei nicht bewusst gewe-sen, dass aus dem Feuerlöscher ein feines, staubförmiges Pul-ver mit einer ätzenden und somit schädigenden Wirkungaustreten werde; zudem sei ihrem Sohn nicht bekannt gewe-sen, dass sich das Löschpulver im gesamten Kirchenraum aus-breiten würde.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des landgericht-lichen Urteils festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin fürihren Sohn M... N..., geb. am ...12.1991, Versicherungsschutzwegen der am 06.10.2005 in der katholischen Kirche in K...

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Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

entstandenen Schäden und für alle hieraus resultierendenSchadensersatzansprüche Dritter zu gewähren hat.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt undvertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird aufdie zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezuggenommen.

II.Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf die begehrte Feststellung,dass der Beklagte Versicherungsschutz aus der bestehendenHaftpflichtversicherung für die von ihrem Sohn am 6. Okto-ber 2005 in der katholischen Kirche in K... verursachten Schä-den zu gewähren hat, zu.

Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Haftpflichtver-sicherungsvertrag, der den Beklagten verpflichtet, Schädender am 6. Oktober 2005 in der katholischen Kirche K... ent-standenen Art zu erstatten, sofern kein Deckungsausschlusseingreift. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist vorlie-gend nicht davon auszugehen, dass der mitversicherte Sohnder Klägerin den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, sodass ein Haftungsausschluss nach § 4 Nr. II. 1 AHB nichtgegeben ist.

Nach § 4 Nr. II 1 Satz 1 AHB sind „Versicherungsansprüchealler Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführthaben“ ausgeschlossen. Vorsatz ist dabei das Wissen undWollen des rechtswidrigen Erfolges, also das Bewusstsein,dass das Verhalten den schädigenden Erfolg haben werde,und der Wille, sich trotzdem so zu verhalten. Dabei reichtbedingter Vorsatz aus, also dass der als möglich vorgestellteErfolg in den Willen aufgenommen und für den Fall des Ein-tritts gebilligt wird (vgl. Littbarski, AHB, § 4 Rdn 371). DerVorsatz muss sich dabei nicht nur auf das Schadensereignisan sich beziehen, sondern auch die Schadensfolge mitumfas-sen. Daher besteht Versicherungsschutz, wenn der Handeln-de die Schadensfolgen weder als möglich erkannt noch fürden Fall ihres Eintritts gewollt oder billigend in Kauf genom-men hat. So greift nach ganz herrschender Meinung der Ver-sicherungsausschluss wegen des Fehlens eines bedingt vor-sätzlichen Verhaltens z. B. nicht ein, wenn eine Körperverlet-zung nach Art und Schwere von den vorgestellten Verletzun-gen wesentlich abweicht. Hingegen muss nach der Recht-sprechung der Handelnde die Folgen der Tat nicht in allenEinzelheiten vorausgesehen haben, um die Anwendbarkeitdes § 4 Nr. II 1 AHB zu bejahen, vielmehr reicht für den Ver-sicherungsschutzausschluss, dass der Geschehensablauf oderdie Schadensfolge von dem Vorstellungsbild des Handelndennur unwesentlich abweicht (vgl. Littbarski, a. a. O., Rdn 375,376).

Die Abgrenzung, ob in diesem Sinne eine wesentliche oderunwesentliche Abweichung von dem Vorstellungsbild desHandelnden vorlegt, ist im Einzelfall schwierig; die Beweis-last trifft insoweit den Versicherer, wobei der Anscheinsbe-weis nicht gilt, dem Versicherer jedoch ein Indizienbeweismöglich ist (vgl. Littbarski, a. a. O., Rdn 377 – 379).

Vorliegend hat die Klägerin vorgetragen, ihrem Sohn seinicht bewusst gewesen, dass das Pulver sich in dem gesamtenKircheninnenraum verteilen werde und zudem eine ätzende

Wirkung habe, weshalb er die Schadensfolge „Beschädigung“nicht gewollt und auch nicht bewusst in Kauf genommenhabe. Demgegenüber meint der Beklagte, es genüge, dass sichder Sohn der Klägerin die Folgen des Versprühens von Lösch-schaum und die daraus resultierenden Beschädigungen inihren Grundzügen vorgestellt habe, wovon auszugehen sei,denn es sei offenkundig, dass die Reinigung des Kirchenin-nenraums erforderlich sein würde und die Schaumbeseiti-gung einen erheblichen Aufwand erfordern würde. Zudem seivon bedingtem Vorsatz des Sohns der Klägerin auch dannauszugehen, wenn dieser nicht gewusst habe, welche Folgendie chemische Substanz in dem Feuerlöscher haben werde, daer dennoch alle Schadensfolgen in Kauf genommen habe.

Der Senat vermag nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest-zustellen, dass der Sohn der Klägerin – neben dem unstreiti-gen vorsätzlichen schadensbegründenden Handeln – deneingetretenen Schaden vorsätzlich herbeigeführt hätte. Essind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Sohnder Klägerin überhaupt bewusst gewesen sei, was sich in demFeuerlöscher befand, ob es sich also um Schaum oder um einPulver handeln werde. Im Hinblick auf das Alter des klägeri-schen Sohn zum Schadenszeitpunkt von 13 Jahren kannohne weiteres davon ausgegangen werden, dass M... N... beider Betätigung des Feuerlöschers den Vorsatz hatte, mit die-sem den Kirchenraum zu verschmutzen. Es ist jedoch nichtsdafür ersichtlich, dass M... N... darüber hinaus gewusst hätteoder billigend in Kauf genommen hätte, dass mit der Betäti-gung des Feuerlöschers der gesamte Kirchenraum mit derartweitreichenden Folgen verschmutzt würde.

Der Senat vermag sich der Auffassung des Beklagten, beding-ter Vorsatz sei schon dann anzunehmen, wenn die Folgen desHandelns nicht bekannt seien und somit voll umfänglich inKauf genommen würden, nicht anzuschließen. Zuzugebenist, dass im Einzelfall die Abgrenzung zwischen bedingtemVorsatz, der zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt,von der bewussten Fahrlässigkeit, die das Bestehen des Versi-cherungsschutzes unberührt lässt, schwierig sein kann. Ent-sprechend den allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischendem bedingten Vorsatz und der bewussten Fahrlässigkeitkommt es, soweit der Handelnde die Möglichkeit des schädi-genden Erfolgs voraussieht, maßgeblich darauf an, ob derHandelnde darauf vertraut, dass der schädigende Erfolg nichteintreten werde und daher bewusste Fahrlässigkeit zu beja-hen ist oder ob er den als möglich vorgestellten Schadenbewusst und billigend in Kauf genommen hat, so dass imzuletzt genannten Falle bedingter Vorsatz gegeben ist. Im all-gemeinen wird aus der Formulierung des § 4 Nr. II 1 AHBgefolgert, dass sich der Vorsatz nicht nur auf das Schadenser-eignis an sich beziehen, sondern auch die Schadensfolge mitumfassen muss und daher Versicherungsschutz besteht,wenn der Handelnde die Schadensfolgen weder als möglicherkannt noch für den Fall ihres Eintritts gewollt oder billi-gend in Kauf genommen hat. Dementsprechend wird Versi-cherungsschutz angenommen im Falle vorsätzlicher Körper-verletzung mit fahrlässig verursachter Todesfolge oder beiBrandstiftung mit fahrlässig verursachter Todesfolge. Aberauch in den Fällen, in denen Körperverletzungen durcheinen von den Vorstellungen des Täters wesentlich abwei-chenden Geschehensablauf entstanden sind oder nach Artund Schwere von den vorgestellten Verletzungen wesentlichabweichen, greift nach ganz herrschender Meinung § 4 Nr. II1 AHB nicht ein, da kein bedingt vorsätzliches Verhaltengegeben ist.

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R E C H T S P R E C H U N G | Vers icherungsrecht

Nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen ist der Versi-cherer für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes des § 4Nr. II 1 AHB beweispflichtig und es geht deshalb zu seinenLasten, wenn die innere Einstellung des Handelnden zur Zeitder Handlung nicht aufgeklärt werden kann. Vorliegend sindkeine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Sohn der Klä-gerin in diesem Sinne die Schadensfolgen seines Handeln alsmöglich erkannt und für den Fall ihres Eintritts gewollt oderbilligend in Kauf genommen hätte. Allein die Tatsache, dassM... N... mit einem Feuerlöscher im Kircheninnenraum Pul-ver versprühte, lässt insoweit noch keinen Rückschluss zu,auch dann nicht, wenn – wie der Beklagte behauptet – M...N... den Feuerlöscher über mindestens 16 Sekunden hinwegbetätigt und vollständig entleert haben sollte. Es sind keineIndizien für den sich in der subjektiven Sphäre des M... N...abspielenden und damit um einen individuellen innerenVorgang handelnden bedingten Vorsatz ersichtlich. Vielmehrsprechen die Umstände dafür, dass der Grad der Verschmut-zungs- und Beschädigungsfolgen – nicht nur die Höhe derKosten – sein Vorstellungsvermögen eindeutig überstieg.

Auf die Berufung ist daher das angefochtene Urteil abzuän-dern und die begehrte Feststellung auszusprechen.

Zur Risikoverteilung zwischen Versicherer und Versi-chertem in Bezug auf Vorerkrankungen

Unterlässt es der den Versicherungsantrag ausfüllende Versi-cherungsvertreter, etwaige Vorerkrankungen des Versicher-ten korrekt zu ermitteln, so muss sich das Versicherungs-unternehmen dies zurechen lassen. Es kann sich bei Eintrittdes Versicherungsfalles nicht darauf berufen, dass der Versi-cherte über Vorerkrankungen keine genauen Angabengemacht hat

OLG Bamberg, Urt. v. 27.03.2007, und 23.04.2007, Az.: 1 U 181/06

(ID: 39992)

Aus den Gründen: Der Senat ist davon überzeugt, dass die Berufung der Beklag-ten keine Aussicht auf Erfolg hat und dass die Voraussetzun-gen für eine Zulassung der Revision nicht vorliegen, § 522Abs. 2 S. 1 ZPO. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufungder Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Coburgvom 13.11.2006 einstimmig zurückzuweisen. Hierzu sowiezum vorgesehenen Berufungsstreitwert wird Gelegenheit zurStellungnahme eingeräumt.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Coburg erweistsich nach Überprüfung durch das Berufungsgericht anhanddes Berufungsvorbringens der Beklagten als zutreffend.Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieGründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genom-men.

Soweit sich die Beklagte in ihrem Berufungsbegründungs-schriftsatz vom 15.2.2007 konkret mit dem angefochtenenUrteil auseinandersetzt, sind folgende Ausführungen veran-lasst:

1. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen T. (sieheS. 4 der Berufungsbegründung) hat das Landgericht (wohl)deswegen nicht festgestellt, weil es den Zeugen für glaubwür-dig und seine Ausführungen für glaubhaft hielt. Allerdings hatdas Landgericht die Ausführungen des Zeugen T. zu seinem

Vorgehen beim Ausfüllen des Versicherungsantrages im Allge-meinen für nicht ausreichend erachtet, um die Angaben derZeugin P. zu widerlegen. Das Landgericht hat die Bekundun-gen der Zeugin P. für glaubhaft und überzeugend gehalten.

Dies ist nicht zu beanstanden. Es mag sein, dass verschie-dentlich in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (Zita-te in der Berufungsbegründung S, 4) bestimmte Fallkonstella-tionen gegeben waren, bei denen der Nachweis der generel-len Vorgehensweise oder allgemeinen Übung des Versiche-rungsvertreters ausreichend war, den Beweis einer Obliegen-heitsverletzung des Versicherungsnehmers im Sinne der Ver-sicherung zu führen. Der Senat hält jedoch für jeden einzel-nen zu entscheidenden Fall eine Einzelfallwürdigung fürunverzichtbar. Damit verbietet sich aber eine Verallgemeine-rung der in der Berufungsbegründung angeführten Entschei-dungen, bei denen die fehlende konkrete Erinnerung des fürdie Versicherung aufgetretenen Zeugen den Beweiswert sei-ner Aussage (ausnahmsweise) nicht geschmälert hat.

2. Soweit die Berufung auf S. 6 bis 10 der Berufungsbegrün-dung versucht, Widersprüche aus dem Vortrag des Klägers inder Klageschrift und den Angaben der Zeugin P. aufzuberei-ten, kann auch hieraus kein berufungsrelevanter Verfahrens-fehler des Landgerichts abgeleitet werden; schon deshalbnicht, weil die Klageschrift vom Klägervertreter nach denAngaben des Klägers gefertigt worden ist und nicht vom Klä-ger selbst stammt und sich die Klageschrift beispielsweisenicht ausdrücklich dazu äußert, ob die Frage „b.” über denzuletzt aufgesuchten Arzt gestellt worden ist. Die Behauptungder Berufung, dem Kläger sei die Frage „b.” vorgelesen wor-den, ist eine Schlussfolgerung des Beklagtenvertreters ausdem Vortrag in der Klageschrift, dem Kläger seien vom Versi-cherungsagenten T. „die entsprechenden Fragen aus dem Ver-sicherungsantrag” gestellt worden.

3. Aus dem klägerischen Vorbringen und der Aussage der Zeu-gin P. ist abzuleiten, dass die „Rückenbeschwerden” des Klägersbei den der Antragsunterzeichnung vorangegangenen Ver-handlungen thematisiert wurden. Daraus hat das Landgericht– das beanstandet die Berufung zu Recht – eine „umfassende”und „wahrheitsgemäße” Unterrichtung über den Gesundheits-zustand des Klägers abgeleitet. Demgegenüber hat die Beweis-aufnahme nicht ergeben, dass sämtliche Fakten (Arztbesucheund dergleichen) besprochen worden sind, Entscheidungserheblich ist dieser Umstand jedoch nicht.Denn entscheidend ist auf die konkrete Situation abzustellen,die hier unstreitig davon geprägt war, dass nicht der Versiche-rungsnehmer selbst, sondern der Versicherungsvertreter dasAusfüllen des Antrags übernommen hatte. Demgemäß hat esder Versicherungsvertreter in die Hand genommen, der Beklag-ten einen wahrheitsgemäß und vollständig ausgefülltenAntrag vorzulegen. Es oblag ihm, die (Vor-)Erkrankungen desKlägers zu „ermitteln” und auf allgemein ausgehaltene Aus-künfte wie die von der Zeugin P. wiedergegebenen des Klägers(Rückenbeschwerden) nachzufragen und in die Tiefe zu gehen.Denn der Versicherungsvertreter, nicht jedoch der Kläger,brachte die Erfahrung und das Beurteilungsvermögen über diefür die Beklagte relevanten Vertragsumstände mit. In Anbe-tracht der konkret gegebenen Situation kann es mithin nichtdem Kläger angelastet werden, wenn es nicht zu detailliertenAngaben über Arztbesuche, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unddergleichen gekommen ist. Die Unterlassung dieser Angabenist demnach dem Risikobereich der Beklagten zuzurechnen.Dass die Beklagte ausreichende Aufklärung durch ihren Vertre-ter betrieben hat, vermochte sie jedoch nicht zu beweisen.

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Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

4. Die Erwägungen über einen „erkennbaren Missbrauch desAgenten”, die die Beklagte erstmals in der Berufungsbegrün-dung (S. 11) anstellt, bedürfen mangels Schlüssigkeit keinernäheren Darlegungen im Hinblick auf § 531 Abs. 2 ZPO.

Aus diesen wesentlichen Gründen hat die Berufung derBeklagten keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat regt daher an,zur Vermeidung von Kosten die aussichtlose Berufung inner-halb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen und weistin diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommendeGerichtsgebührenermäßigung (KV-Nr. 1222) hin.

Grobe Fahrlässigkeit in der Kaskoversicherung, § 61 VVG

1. Das Abkommen von einer schmalen Fahrbahn wegeneines bloßen Kontrollblicks auf den Beifahrersitz rechtfertigtnicht den Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens gemäߧ 61 VVG.

2. Für den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit gemäߧ 61 VVG ist der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet,wenngleich der Versicherungsnehmer ihn entlastende Tatsa-chen näher substantiieren muss. Eine Beweislastumkehrkann auch dann nicht abgeleitet werden, wenn der Versi-cherungsnehmer nicht in der Lage ist, einen plausiblenGrund für das Abhandenkommen von der Fahrbahn anzuge-ben.

OLG Hamm, Urt. v. 07.02.2007, Az.: 20 U 134/06

(ID 40284)

Sachverhalt:

Der Kläger macht nach einem Unfallschaden Entschädigungsan-sprüche aus einer bei der Beklagten genommenen Vollkaskover-sicherung geltend. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerden Unfall grob fahrlässig verursacht hat.

Der Kläger kam am 04.11.2004 gegen 10.10 Uhr mit seinem ver-sicherten PKW Opel Astra auf der Landstraße zwischen P und Xnach Durchfahren einer Linkskurve auf gerader Strecke nachrechts von der Fahrbahn ab, konnte das Fahrzeug durch Gegen-lenken nicht mehr auffangen und prallte gegen einen Straßen-baum. Am Fahrzeug entstand Totalschaden. Der Kläger gab zurUnfallursache an, er sei unaufmerksam gewesen. Er habe durcheinen Blick auf den Beifahrersitz kontrolliert, ob er „alles dabeihabe”, insbesondere, ob seine Geldbörse auf dem Beifahrersitzliege. Die zum Unfallzeitpunkt gefahrene Geschwindigkeit hat ermit 90 km/h angegeben. Die Beklagte verweigerte eine Entschä-digung und warf dem Kläger grob fahrlässige Unaufmerksamkeitvor.

Der Kläger hat zunächst seinen Schaden in Höhe von 7.650,00 €nebst Zinsen eingeklagt, die Höhe sodann um die vereinbarteSelbstbeteiligung von 300 € korrigiert. Die Beklagte hat dieAbweisung der Klage beantragt und sich auf § 61 VVG berufen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben und ein Gutachten desDipl.-Ing. T zum Unfallhergang eingeholt. Der Sachverständigekommt zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht nicht festzu-stellen ist, warum der Kläger von der Fahrbahn abgekommen ist.Es sei aus technischer Sicht problemlos möglich, über einen Zeit-raum von 0,5 bis 1,0 s auf den Beifahrersitz zu schauen, ohne dasFahrzeug dabei unbeabsichtigt nach rechts zu lenken.

Das Landgericht hat grobe Fahrlässigkeit verneint und demzuletzt gestellten Klageantrag entsprochen. Wegen weiterer Ein-zelheiten zum Sach- und Streitstand in erster Instanz wird aufden Inhalt des am 26.05.2006 verkündeten Urteils Bezug genom-men.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantragweiter und vertieft ihren Vortrag zur groben Fahrlässigkeit. DerKläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen weiterer Ein-zelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten SchriftsätzeBezug genommen.

Aus den Gründen:Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. DerSenat hat keine Umstände festgestellt, die den Vorwurf einergrob fahrlässigen Verursachung des Unfalls rechtfertigen.Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderlicheSorgfalt objektiv in besonders hohem Maß außer Acht lässt,also das nicht beachtet, was jedermann in seiner Lage ohneweiteres einleuchtet, und wer sich darüber hinaus auch sub-jektiv vorwerfen lassen muss, dass der Verstoß schlechthinunentschuldbar ist. Darlegungs- und beweisbelastet für denSchuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit ist gemäß § 61 VVGder Versicherer. Allerdings ist es zunächst Sache des Versiche-rungsnehmers, ihn entlastende Tatsachen näher zu substan-tiieren, da der Versicherer außerhalb des von ihm darzule-genden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tat-sachen nicht kennen kann (BGH, Urt.v. 29.01.2003 – IV ZR173/01 – NJW 2003, 1118). Trägt der Versicherungsnehmerihn entlastende Tatsachen vor, steht es zur Beweislast des Ver-sicherers, diese zu widerlegen.

Der Kläger hat Unaufmerksamkeit vorgetragen: Er habe kurzeZeit auf den Beifahrersitz geschaut und müsse dabei verse-hentlich nach rechts gelenkt haben, so dass er von der Fahr-bahn abgekommen sei. Der Sachverständige T hat dazu aus-geführt, dass es technisch problemlos möglich ist, kurzfristigseinen Blick von der Fahrbahn abzuwenden und auf den Bei-fahrersitz zu richten, ohne dabei eine Lenkbewegung auszu-führen, die das Fahrzeug von der Fahrbahn abbringt. Ausdem Spurverlauf war eine Lenkbewegung des Klägers nachrechts um 20° über eine Zeitspanne von bis zu 1 Sekundeabzulesen, die das Fahrzeug auf den unbefestigten Fahrbahn-rand führte. Die Ausführungen des Sachverständigen zu derMöglichkeit, ein Fahrzeug auch bei von der Fahrbahn abge-wandtem Blick in der Spur zu halten, entsprechen den Erfah-rungen des Senats.

Der Beklagten ist mithin zuzugestehen, dass der vom Klägergeschilderte Kontrollblick auf den Beifahrersitz allein denUnfall nicht erklärt. Allerdings ist daraus nicht abzuleiten,dass der Kläger nicht nur wie von ihm geschildert seinenBlick auf den Nebensitz gerichtet hat, sondern dass er darüberhinaus – was die Beklagte vermutet – sich möglicherweisenach heruntergefallenen Gegenständen gebückt hat, ein Ver-halten, das in der Rechtsprechung gemeinhin als grob fahr-lässig eingestuft wird (vgl. schon Senat, Urt.v. 26.11.198620 U 122/86 – VersR 1987, 353; Senat, Beschl.v. 24.22.198920 W 59/89 – r+s 1990, 228; OLG Frankfurt, r+s 1997, 101).Einen Beweis für diese ihre Vermutung hat die Beklagte nichtangeboten.

Wenn ein Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, einenplausiblen Grund für das Abkommen von der Fahrbahnanzugeben, kann daraus keine Umkehr der Beweislast abge-leitet werden, die nach § 61 VVG dem Versicherer obliegt.

Schließlich rechtfertigt auch das Abkommen von der Fahr-bahn allein nicht den Vorwurf eines schlechthin unent-schuldbaren Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht eines Kraft-fahrzeugführers. Wie das Abkommen von einer sehr breiten,gut ausgebauten und etwa mit Randstreifen versehenen Fahr-

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bahn ohne plausiblen Grund zu beurteilen sein würde, kannder Senat offen lassen. Im Streitfall ist der Kläger von einerschmalen Fahrbahn mit unbefestigtem Randstreifen abge-kommen; der Spurverlauf zeigt, dass er mit den rechtenRädern auf die dichte Grasnarbe neben seiner Fahrspur gera-ten ist und dies bei einer Lenkbewegung, die nach denBerechnungen des Sachverständigen einen Zeitraum vonnicht mehr als einer Sekunde gedauert hat. Aus einem sol-chen Fahrfehler ist dem Kläger nicht der Vorwurf einesschlechthin unentschuldbaren Verstoßes gegen seine Sorg-faltspflichten zu machen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst(§ 543 ZPO n.F.).

Anmerkung Von Dipl.-Jur. Christoph Reich, Göttingen

Dieses Urteil reiht sich in die bisher ergangene Recht-sprechung zur Kfz-Kaskoversicherung sehr gut ein und ist imErgebnis zu begrüßen. Dadurch wird die sehr ausgeprägteund teilweise divergente Kasuistik zur groben Fahrlässigkeitdes § 61 VVG in diesem Versicherungszweig um den Fall deskurzfristigen Kontrollblicks erweitert. Dementsprechend wirddurch dieses Urteil zur Rechtssicherheit beigetragen.

A. Ausgangspunkt

Der Ausgangspunkt der Problematik liegt darin, ob sich derVersicherungsnehmer mit einem Kontrollblick auf den Bei-fahrersitz grob fahrlässig verhalten hat, so dass gemäß § 61VVG Leistungsfreiheit des Versicherers eingetreten ist.

B. Grobe Fahrlässigkeit

Richtigerweise ist das OLG Hamm von einer einheitlichenBestimmung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit und nichtvon einer individuellen Bestimmung bezüglich einzelner Ver-sicherungszweige ausgegangen (BGH VersR 2003, 364).Andernfalls würde die Rechtssicherheit leiden und die Vor-hersehbarkeit der zu erwartenden Entscheidungen nochschwieriger. Wünschenswert wäre es allerdings gewesen,wenn das OLG Hamm im zu entscheidenden Fall die einzel-nen Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit deutlicherherausgearbeitet hätte, wenngleich die Übertragung derabstrakten Begriffe in die Lebenswirklichkeit Schwierigkeitenbereiten mag. So wird, wie auch das OLG Hamm in der Defi-nition der groben Fahrlässigkeit ausgeführt hat und auf diehier verwiesen werden soll, allgemein davon ausgegangen,dass die grobe Fahrlässigkeit zum einen objektiv ein erhebli-ches Fehlverhalten und zum anderen subjektiv eine besonde-re Vorwerfbarkeit voraussetzt. Allerdings kann von einemobjektiv groben Pflichtverstoß nicht auf die subjektiveUnentschuldbarkeit geschlossen werden. Lediglich vomäußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektivenPflichtenverstoßes können Rückschlüsse auf innere Vorgängeund deren gesteigerte Vorwerfbarkeit gezogen werden (BGHZ119, 147 (151)).

Demnach stellt sich im konkreten Fall zunächst die Frage, obim bloßen Kontrollblick auf den Beifahrersitz objektiv schonein grober Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorg-falt vorliegt, die jedem in dieser Situation ohne Weitereshätte einleuchten müssen. Wie dem Sachverständigengut-achten eindeutig zu entnehmen ist, stellt ein der Fahrbahn

abgewandter, auf den Beifahrersitz gerichteter Blick bis zueiner Sekunde bei dem hier vorliegenden geraden Straßen-verlauf keinen Grund dar, unbeabsichtigt nach rechts zu len-ken. Insofern kann in einem bloßen Kontrollblick kein Sorg-faltsverstoß in einem besonders hohen Maße gesehen wer-den, der das objektive Element der groben Fahrlässigkeitbegründen würde.

Die Grenze zur Verwirklichung des objektiven Elements dergroben Fahrlässigkeit wird aber dann als überschritten anzu-sehen sein, wenn der Versicherungsnehmer seine Aufmerk-samkeit in großem Maße vom Fahren hin zu anderen Tätig-keiten verlagert, wie z.B. das Suchen oder Aufheben vonGegenständen auf dem Fahrzeugboden oder das Greifen nachfallenden Sachen (vgl. OLG Hamm VersR 1987, 353; OLGKöln RuS 1998, 273; OLG Zweibrücken RuS 1999, 406; OLGJena VersR 1998, 838).

Obwohl zwischen den objektiven und den subjektiven Ele-menten der groben Fahrlässigkeit eine starke „Verschlin-gung“ besteht (BGH VersR 1967, 909 (910)), wären nach Ver-neinung des objektiven Elements der groben Fahrlässigkeitalle weiteren Erörterungen zum subjektiven entbehrlichgewesen. Sofern man sich dazu, wie das OLG Hamm, aberäußert, wäre eine Auseinandersetzung mit einem möglichenAugenblicksversagen von Nöten gewesen. Zwar wäre derSchuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit dadurch allein nochnicht per se herabzustufen gewesen, sondern lediglich dann,wenn weitere subjektive Umstände hinzukommen, die einengeringeren Schuldvorwurf rechtfertigten (BGH VersR 1992,1085 ff.). Bei dem in Rede stehenden Kontrollblick auf denBeifahrersitz handelt es sich jedoch um einen „Ausrutscher“,der bei menschlichen Unzulänglichkeiten auch einem mitseinem versicherten Eigentum sorgfältig umgehenden Versi-cherungsnehmer passieren kann und das gewöhnliche Maßfür den Schadenseintritt nicht heraufbeschwört wird (RömerVersR 1992, 1187). Demnach wäre das Augenblicksversagenein weiteres Argument gewesen, die subjektive Unentschuld-barkeit zu begründen.

C. Darlegungs- und Beweislast

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast kann den Aus-führungen des OLG-Hamm im Wesentlichen zugestimmtwerden. Wie es festgestellt hat, ist der Versicherer gemäß § 61VVG bezüglich des Schuldvorwurfs bei der groben Fahrlässig-keit darlegungs- und beweispflichtig. Obwohl die Beklagte fürihre Vermutung, dass sich der Kläger nach heruntergefalle-nen Gegenständen gebückt hat, keinen Beweis anbot, wäre eswünschenswert gewesen, klarzustellen, dass ein Vollbeweiserforderlich gewesen wäre. Ein Anscheinsbeweis kann, wenn-gleich diese Frage nicht ganz einheitlich beantwortet wird(vgl. Möller in Bruck-Möller-Sieg, VVG, 8. Aufl., Bd. 2, § 61Anm. 46 m.w.N.), wegen der subjektiven Komponente dergroben Fahrlässigkeit und der Unwägbarkeiten, die demmenschlichen Verhalten zumindest bei einem individuellenHandlungsentschluss innewohnen, nicht ausreichen, umvon einer Typizität ausgehen zu können (BGH VersR 1988,683 (684)).

Allerdings trifft den Versicherungsnehmer als nicht beweis-belastete Partei ausnahmsweise eine Substanziierungslast, ihnentlastende Tatsachen vorzutragen, da der Versicherer außer-halb des Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tat-sachen nicht kennen kann (BGH VersR 2003, 364 (365)). ImÜbrigen kann dem OLG Hamm darin nur beigepflichtet wer-

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den, dass aus der Tatsache heraus, dass der Versicherungs-nehmer vorträgt, einen Kontrollblick auf den Beifahrersitzgemacht zu haben, weder auf ein grob fahrlässiges Bückennach Gegenständen geschlossen noch von einer Beweislast-umkehr mangels eines plausiblen Grundes für das Abkom-men von der Straße ausgegangen werden kann.

D. Schlussbemerkung

Sicherlich ist der Grat zwischen der Annahme oder Ableh-nung der groben Fahrlässigkeit des § 61 VVG bei der Kfz-Kas-koversicherung sehr schmal. Insofern bleibt festzuhalten,dass es hinsichtlich der Kfz-Kaskoversicherung nicht das ersteMal wäre, wenn ein anderes Gericht bei dem kurzzeitigenKontrollblick in der Zukunft entgegengesetzt entscheidenwürde. Allerdings kann dabei nur auf den Grundgedankendes § 61 VVG – wonach nur der Versicherungsnehmer, dersich in Bezug auf das versicherte Interesse völlig sorglos odersogar unlauter verhält keine unverdiente Vergünstigungerhalten soll – verwiesen und gehofft werden, dass es dazunicht kommt.

E. Zukünftige Regelung

Die zukünftige Regelung des Herbeiführens des Versiche-rungsfalles gemäß § 81 VVG-E wird vom Alles-Oder-Nichts-Prinzip abrücken und gemäß § 81 Abs. 2 VVG-E bei der gro-ben Fahrlässigkeit eine Quotelung entsprechend der Schweredes Verschuldens einführen. Dementsprechend wird zwarauch weiterhin entscheidend sein, ob einfache oder grobeFahrlässigkeit vorliegt, da der Versicherungsnehmer grund-sätzlich keine Abzüge hinnehmen und der Versicherer nichtvollständig leisten will. Allerdings wird die Brisanz, ob grobeFahrlässigkeit vorliegt oder nicht, zum Teil schwinden odersich zumindest zu der Frage, wie hoch die Schwere des Ver-schuldens ist, verschieben.

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z R E C HT

Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens

Eine Reduzierung der in § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO genanntenPauschalbeträgen auf den tatsächlich geleisteten Unterhalts-betrag kommt grundsätzlich auch dann nicht in Betracht,wenn der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhaltspflichtnicht in vollem Umfang genügt.

BGH, Beschl. v. 28.03.2007, Az.: VII ZB 94/06

(ID 40252)

Aus den Gründen:

I.Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangs-vollstreckung wegen einer Geldforderung. Auf ihren Antraghat das Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbe-schluss erlassen, mit dem das Arbeitseinkommen des Schuld-ners gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wurde.Das Amtsgericht hat des Weiteren entschieden, dass die Ehe-frau des Schuldners und drei seiner Kinder, denen er keinenUnterhalt leistet, bei der Berechnung des unpfändbaren Teilsdes Arbeitseinkommens unberücksichtigt bleiben. DenAntrag der Gläubigerin, das weitere Kind L. S., für das derSchuldner nicht den vollen geschuldeten Unterhalt von

247 € erbringt, lediglich in Höhe des tatsächlich geleistetenUnterhalts von monatlich ca. 170 bei der Berechnung desunpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens zu berücksichti-gen, hat der Rechtspfleger als unbegründet zurückgewiesen.Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerinist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sieihr Begehren einer nur teilweisen Berücksichtigung des Kin-des bei der Berechnung des unpfändbaren Arbeitseinkom-mens des Schuldners weiter.

II.Das Beschwerdegericht hat richtig entschieden. Die Rechts-beschwerde hat daher keinen Erfolg.

a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht nicht beanstandet,dass der Rechtspfleger über den Antrag der Gläubigerin ent-schieden hat. Bei dem Beschluss des Vollstreckungsgerichtshandelt es sich um eine Maßnahme der Zwangsvollstre-ckung, für die der Rechtspfleger zuständig ist, nicht um eineEntscheidung über eine Erinnerung nach § 766 ZPO (BGH,Beschluss vom 24. Januar 2006 – VII ZB 93/05, NJW 2006,777).

b) Eine Erhöhung des dem Schuldner gemäß § 850 c Abs. 1Satz 1 ZPO zustehenden pfändungsfreien Betrags lediglich indem Umfang, in dem er auf Grund gesetzlicher Unterhalts-pflicht tatsächlich Unterhaltsleistungen erbringt, ist in derZPO nicht vorgesehen.

aa) § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, in welcher Höhe dasArbeitseinkommen des Schuldners unpfändbar ist. Gewährtdieser auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung einem (frü-heren) Ehegatten, einem (früheren) Lebenspartner, einemVerwandten oder nach §§ 1615 l, 1615 n BGB einem Eltern-teil Unterhalt, sieht Abs. 1 Satz 2 zusätzliche Freibeträge vor,die es dem Schuldner ermöglichen sollen, diesen Unterhalts-verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen. Für dieHöhe der in Betracht kommenden Freibeträge unterscheidetdas Gesetz lediglich zwischen der ersten und den weiterenunterhaltsberechtigten Personen; eine darüber hinausgehen-de Staffelung der Freibeträge ist nicht vorgesehen. Bei Kin-dern des Schuldners wird nicht unterschieden, ob und inwelcher Höhe Kindergeld gezahlt wird; der Freibetrag derzweiten Stufe ist für jedes Kind in gleicher Höhe festgesetzt.Es kommt für § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO allein auf die Anzahlder Personen an, die vom Schuldner Unterhaltsleistungenerhalten, ohne dass deren konkrete Lebensumstände zuberücksichtigen wären. Für die Gewährung der Freibeträgenach § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO ist es demgemäß ohne Belang,ob die Unterhaltsleistungen, die der Schuldner auf Grund sei-ner gesetzlichen Unterhaltspflicht zu erbringen hat und auchtatsächlich erbringt, den jeweiligen Pauschalbetrag erreichenoder übersteigen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004 – IXa ZB310/03, Rpfleger 2004, 574 = NJW-RR 2004, 1370).

bb) Eine Reduzierung der in § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPOgenannten Pauschalbeträge auf den tatsächlich geleistetenUnterhaltsbetrag kommt grundsätzlich auch dann nicht inBetracht, wenn der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhalts-pflicht nicht in vollem Umfang genügt.

(1) Der Gesetzgeber hat bewusst von einer einzelfallbezoge-nen Entscheidung abgesehen, um die Zwangsvollstreckungpraktikabel zu gestalten. Im Zwangsvollstreckungsverfahrensoll nicht um die Höhe der Unterhaltsverpflichtung gestrit-ten werden. Demgemäß setzt § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO nurvoraus, dass der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflich-

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tung Unterhalt leistet. Eine Einschränkung dahingehend,dass der Freibetrag nur zu gewähren ist, wenn die Unter-haltsverpflichtung vom Schuldner in voller Höhe erfülltwird, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen. Auchergibt sich daraus kein Anhaltspunkt, dass ein Freibetrag nurin Höhe der tatsächlich erfolgten Unterhaltsleistungen zugewähren ist. Aus der Pauschalierung des Pfändungsfreibe-trags ist vielmehr abzuleiten, dass dem Gläubiger der Ein-wand verwehrt ist, der Schuldner sei auf diesen Betrag imHinblick auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt nicht involler Höhe angewiesen. Sinngemäß hat der Bundesgerichts-hof bereits entschieden, dass für ein Kind als erste unter-haltsberechtigte Person gemäß § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO dererhöhte Freibetrag der ersten Stufe und nicht lediglich derüblicherweise zum Tragen kommende verminderte Freibetragder zweiten Stufe maßgeblich ist (Beschluss vom 19. Mai2004 – IXa ZB 310/03, aaO).

(2) Ob in besonders gelagerten Fällen, in denen der Schuld-ner seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nur ingeringfügigem Umfang nachkommt, ausnahmsweise unterengen Voraussetzungen etwas anderes in Betracht kommenkönnte, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Fallgestal-tung liegt nicht vor.

cc) Dem Vollstreckungsgericht ist es auch versagt, gemäߧ 850 c Abs. 4 ZPO zu bestimmen, dass das Kind L. S. bei derBemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommensdes Schuldners teilweise unberücksichtigt bleibt. Dass dasKind eigene Einkünfte bezieht, behauptet die Gläubigerinnicht. Die Voraussetzungen des § 850 c Abs. 4 ZPO sind damitnicht erfüllt. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriftkommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Umstand,dass das Kind weniger Unterhalt erhält, als ihm zusteht, nichtmit der Situation vergleichbar ist, in der es ein eigenes Ein-kommen erzielt. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshofwiederholt entschieden, dass eine Herabsetzung der Pfän-dungsfreigrenzen nur in den vom Gesetz in §§ 850 ff ZPOvorgesehenen Fällen in Betracht kommt (BGH, Beschlüssevom 12. Dezember 2003 – IXa ZB 207/03, NJW-RR 2004,1439; IXa 226/03, ZVI 2004, 46; Beschlüsse vom 19. Mai 2004– IXa ZB 310/03, Rpfleger 2004, 574 = NJW-RR 2004, 1370 =JurBüro 2004, 614; IXa ZB 6/04, BGH-Report 2004, 1315; IXaZB 322/03, FamRZ 2004, 1281). Diese Vorschriften tragen denBelangen der am Vollstreckungsverfahren Beteiligtenabschließend Rechnung. Kann sich ein Gläubiger auf sienicht berufen, kann er weder bei Erlass des Pfändungs- undÜberweisungsbeschlusses noch zu einem späteren Zeitpunkteine erweiterte Pfändung der Einkünfte des Schuldners errei-chen.

Ermessensausübung bei der Aufhebung einer Verfah-renskostenstundung

Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Aufhe-bung der Stundungsanordnung nach § 4 c InsO vorliegen,steht die Entscheidung über die Aufhebung im Ermessen desGerichts. Wenn ein Schuldner über längere Zeit seinen Ver-pflichtungen nachgekommen ist und ihn die Aufhebung derStundung nachhaltig belasten würde, ist es geboten voneiner Aufhebung der Stundung abzusehen.

LG Berlin, Beschl. v. 10.07.2007, Az.: 86 T 296/07

(ID 40253)

I. Auf einen Antrag des Schuldners v. 6.8.2004 ist mit Beschl.des AG Charlottenburg v. 7.10.2007 die Stundung der Kostendes Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung oder Versagung derRSB angeordnet und mit Beschl. v. 21.10.2004 das Insolvenz-verfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wor-den. Aus von dem Schuldner nach Aufforderung dem Insol-venzverwalter vorgelegten Belegen ergab sich ein an diesenabzuführender Pfändungsbetrag i.H.v. 1.431,40 €, den derSchuldner aber trotz entsprechender Aufforderung nicht ein-zahlte. Auf einen entsprechenden Antrag des Insolvenzver-walters hat das AG den Schuldner mit Schreiben vom23.02.2007 auf seine Auskunftspflichten hingewiesen undihn unter Androhung der Aufhebung der Stundungsgewäh-rung aufgefordert, den Betrag von 1.431,40 € binnen zweiWochen an den Verwalter zu zahlen. Mit Beschl. v. 22.3.2007hat das AG sodann entsprechend der Ankündigung die Stun-dungsgewährung nach § 4 c Nr. 3 InsO aufgehoben. Gegendiesen seinem Verfahrensbevollmächtigten am 2.5.2007zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit dem Hinweisauf die erfolgte Zahlung mit Schreiben v. 15.5.2007Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen hat.

II. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat Erfolg.

Nach § 4 c Nr. 3 InsO kann das Gericht eine Stundung derVerpflichtung zur Zahlung der Kosten des Insolvenzverfah-rens aufheben, wenn der Schuldner länger als drei Monatemit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung einessonstigen Betrages schuldhaft im Rückstand ist. Von diesenVoraussetzungen ist hier auch auszugehen. Denn der Schuld-ner hat ausweislich der Angaben des Insolvenzverwalters,denn der Schuldner nicht entgegen getreten ist, bis Februar2006 durch seine Arbeitstätigkeit insgesamt 1.431,40 erlangt, die über den Pfändungsfreigrenzen lagen und damitan den Insolvenzverwalter abzuführen waren. Insoweit hatder Schuldner auch schuldhaft gehandelt, weil er spätestensim August 2006 von dem Insolvenzverwalter darauf auf-merksam gemacht worden ist, dass er diesen Betrag, der alssonstiger Betrag i.S.d. § 4 c Nr. 3 InsO anzusehen ist, abzu-führen habe.

Der Beschluss v. 22.3.2007 ist gleichwohl aufzuheben. DieEntscheidung über die Aufhebung der Stundungsanordnungsteht im Ermessen des Insolvenzgerichts. Im Falle des Rechts-mittels geht die Ermessensentscheidung auf das Beschwerde-gericht über. Insoweit erscheint unter Berücksichtigung allerUmstände eine Aufhebung der Stundungsansordnung, insbe-sondere unter Berücksichtigung der damit für den Schuldnerverbundenen Folgen, nicht notwendig. Der Schuldner hatden Rückstand mittlerweile, wie der Insolvenzverwalter mitSchreiben vom 15.5.2007 bestätigt hat, ausgeglichen. Bisherist der Schuldner seinen Verpflichtungen nachgekommen.Die Aufhebung der Stundung würde demgegenüber dazu füh-ren, dass das bereits seit 2004 laufende Insolvenzverfahrennicht weiter geführt werden könnte, weil nach den bisheri-gen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden könnte,dass der Schuldner zur Zahlung der Kosten des Verfahrens inder Lage wäre. Unter Berücksichtigung dieser Umständeerscheint es angezeigt, von einer Aufhebung der Stundungabzusehen.

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Unpfändbarkeit von geförderten Beiträgen zum zerti-fizierten Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente)

Beiträge des Arbeitnehmers aus seinem Netto-Arbeitsentgeltauf einen nach § 5 des Altersvorsorge-Zertifizierungsgeset-zes zertifizierten Vertrag („Riester-Rente”) sind in maximalerHöhe des steuerlich begünstigten Betrages nach § 851 Abs. 1ZPO i. V. m. § 97 EStG unpfändbar.

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03.11.2006, Az.: 3 Sa 414/06vorgehend ArbG Mainz Urt. v. 02.5.2006, Az.: 9 Ca 3094/05

(ID 40254)

Gekürzter Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des pfän-dungsfreien Entgeltsanspruchs der Klägerin gegenüber derBeklagten in den Monaten November, Dezember 2004, Januar,Februar, Mai und September 2005. Die Klägerin ist der Ansicht,der jeweils auf ihre Weisung von der Beklagten aus dem Netto-monatsentgelt der Klägerin in den genannten Monaten abge-führte Betrag von jeweils 80 EUR auf einen auf den Namen derKlägerin lautenden, nach dem Altersvorsorgebeiträge-Zertifizie-rungsgesetzes anerkannten Vertrag („Riester-Rente) sei bei derBerechnung des Nettoeinkommens zur Ermittlung der pfändba-ren Gehaltsanteile zu berücksichtigen und zu ihren Gunstenabzusetzen. Die Beklagte habe daher in den genannten Monateninsgesamt 169,42 EUR netto zuviel an die Pfändungsgläubigerinausgekehrt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, es handele beiden angeführten Beträgen von jeweils 80 EUR um einen Teil deszur Ermittlung des pfändbaren Betrags zugrunde zu legendenNettoarbeitsentgelts.

Das Arbeitsgericht hat der zuletzt noch auf Zahlung von 169,42EUR netto nebst Zinsen gerichteten Klage der Klägerin stattgege-ben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es –zusammengefasst – ausgeführt, bei den auf den Altersvorsorge-vertrag der Klägerin durch die Beklagte gezahlten Beträgen han-dele es sich um nicht übertragbare Altersvorsorgebeiträge imSinne des § 97 EStG, so dass diese nach § 851 ZPO unpfändbarseien. ...

Aus den Gründen:

II.Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von169,42 EUR netto nebst Zinsen verurteilt, da in dieser Höhenoch Vergütungsansprüche der Klägerin nach § 611 Abs. 1BGB in Verbindung mit der arbeitsvertraglichen Vergütungs-vereinbarung bestehen. Diese sind nicht durch entsprechen-de Zahlungen an die Pfändungsgläubigern durch Erfüllungerloschen. Die Berufungskammer folgt der Begründung desarbeitsgerichtlichen Urteils und stellt dies bezugnehmend auf§ 69 Abs. 2 ArbGG hiermit fest. Unter Berücksichtigung desVorbringens im Berufungsverfahren ist ergänzend Folgendesanzumerken:

1. Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der Beklagten,dass es sich bei den Beiträgen, die die Beklagte auf den nachdem Altersvorsorgebeiträge-Zertifizierungsgesetz abgeschlos-senen Vertrag zwischen der Klägerin und ZVK D. gezahlt hat,um Leistungen aus dem Nettoarbeitsentgelt der Klägerin undderen eigene Altersvorsorgebeiträge gehandelt hat und nicht– wie im Falle der Begründung einer Versorgung durch Ent-geltumwandlung (§§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1 a BetrAVG) – um Leis-tungen der Beklagten. Die Beklagte hat die an die ZVK abge-führten Beträge auf Weisung der Klägerin an die ZVKerbracht, so dass sich die Zahlungen als Leistung der Klägerindarstellen. Zutreffend ist auch, dass damit die Begründung

des Bundesarbeitsgericht (BAG 17.2.1998 – 3 AZR 611/97 –,NZA 1998, 707) hinsichtlich der Unpfändbarkeit von Versi-cherungsprämien einer im Wege der Gehaltsumwandlungdurchgeführten Direktversicherung zugunsten des Arbeit-nehmers nicht auf Beiträge auf Verträge nach dem Altersvor-sorgebeiträge-Zerifizierungsgesetz übertragen werden kön-nen, bei denen es an einer Vereinbarung zwischen Arbeit-nehmer und Arbeitgeber dahingehend, dass entweder zusätz-lich zum Arbeitseinkommen oder anstelle einer ansonstenhöheren Barlohnvergütung ein Versorgungsversprechen tre-ten soll, fehlt.

2. Mit dem Arbeitsgericht ist die Berufungskammer aber derAuffassung, dass die vom Arbeitnehmer auf einen nach demAltersvorsorgebeiträge-Zerifizierungsgesetz anerkannten Ver-trag geleisteten Beiträge in maximaler Höhe des jeweils steu-erlich begünstigten Betrages pro Kalenderjahr (§ 82 Abs. 1Satz 1 EStG i.V.m. § 10 a Abs. 1 EStG: in den Jahren 2004 und2005 jeweils 1.050 EUR) trotz der Tatsache, dass sie aus demNettoarbeitseinkommen des Arbeitnehmers geleistet werden,nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 97 Satz 1 EStG unpfändbarsind und daher bei der Berechnung des pfändbaren Arbeits-einkommens außer Betracht bleiben.

a) Gem. § 97 Satz 1 EStG sind das nach § 10a EStG oderAbschnitt XI EStG geförderte Altersvorsorgevermögen ein-schließlich seiner Erträge, die geförderten laufenden Alters-vorsorgebeiträge und der Anspruch die Zulage nicht über-tragbar. Nach § 82 Abs. 1 EStG sind geförderte Altersvorsor-gebeiträge im Rahmen der in § 10 a EStG genannten GrenzenBeiträge, die der Zulageberechtigte zu Gunsten eines auf sei-nen Namen lautenden Vertrages leistet, der nach § 5 desAltersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert ist. Gem.§ 82 Abs. 2 a EStG gehören zu den Altersvorsorgebeiträgeauch die aus dem individuell versteuerten Arbeitslohn desArbeitnehmers geleisteten Beiträge an einen Pensionsfonds,eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zum Aufbaueiner kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung. Fest-zuhalten ist damit zunächst, dass es sich bei den durch dieBeklagte geleisteten Beitragszahlungen der Klägerin an dieZVK um Altersvorsorgebeiträge im Sinne der genanntenBestimmungen handelt. Unschädlich ist insoweit in Überein-stimmung mit dem vom Arbeitsgericht auszugsweise zitiertenErlass des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums vom28. Juli 2003, dass die Zahlungen „ohne Umweg“ über dieKlägerin von der Beklagten vorgenommen wurden. Wiebereits ausgeführt, lag eine sog. Anweisungslage vor, so dasssich die Zahlungen der Beklagten rechtlich als Erfüllung derGehaltsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin und ausSicht der ZVK als Leistungen der Klägerin darstellen.

b) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sind diese Bei-träge der Klägerin nach § 97 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1EStG nicht erst dann unübertragbar, wenn sie an das zertifi-zierte Versicherungsunternehmen gezahlt wurden, sondernin Höhe der steuerlich geförderten Beträge auch im Vorfeld.

Dies ergibt sich zunächst schon aus dem Gesetzeswortlaut des§ 97 Satz 1 EStG. Dort wird unterschieden zwischen demgeförderten Altersvorsorgevermögen und den gefördertenlaufenden Altersvorsorgebeiträgen. Das Altersvorsorgevermö-gen ist dabei das bereits angesammelte Kapital aufgrund derBeitragsleistungen, während die Beitragszahlungen die regel-mäßig wiederkehrenden Zahlungspflichten kennzeichnen.Träfe die Auffassung der Beklagten zu, hätte es der Erwäh-nung der laufenden Beitragszahlungen neben dem Altersvor-

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sorgevermögens nicht bedurft, da der gezahlte Beitrag mitseinem Eingang beim Versorgungsträger Teil des Altersvorsor-gevermögens wird und schon nach dieser Alternative des § 97EStG vor Übertragung (und damit Pfändung) geschützt wäre.

Dieses Verständnis entspricht nach den Gesetzesmaterialiendem Willen des Gesetzgebers. Die nach dem Regierungsent-wurf regelungstechnisch zunächst als § 10a Abs. 11 EStG vor-gesehene, nunmehr in § 97 EStG aufgenommene Regelungwurde auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozia-les (vgl. BT-Drs. 14/5146, S. 125) geändert und hat in dergeänderten Fassung Eingang in § 97 EStG gefunden. In demBericht des Ausschusses (BT-Drs. 14/1510, S. 37) heißt esinsoweit zur Begründung u.a.

„Sowohl das im Rahmen der steuerlichen Förderung angesammel-te Kapital als auch die steuerlich geförderten laufenden Beiträgeund die Zulagen sind nicht übertragbar und unterliegen damit –wie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung- einem Pfän-dungsschutz. Abtretung, Verpfändung und Aufrechnung sindgleichermaßen ausgeschlossen.“

In Höhe des steuerlich förderbaren Betrages sollte also einepfändungsrechtliche Gleichstellung mit den Beiträgen zurgesetzlichen Rentenversicherung herbeigeführt werden, dienach § 850 e Nr. 1 ZPO bei Berechnung des Pfändbaren Ein-kommens nicht mitzurechnen sind. Durch die Förderung pri-vater, auch arbeitnehmerfinanzierter Altersvorsorgeleistun-gen sollten zudem die absehbaren Unzulänglichkeiten derallein umlagefinanzierten Rentenversicherung kompensiertwerden und diese und die weiteren Sozialversicherungssyste-me entlastet werden, so dass es auch vor diesem Hintergrundeinleuchtend ist, nicht nur bereits angespartes Altersvorsor-gevermögen zu schützen, sondern durch Schaffung eines vor-gelagerten Schutzes den Aufbau eines Altersvorsorgevermö-gens in bestimmten Grenzen überhaupt erst zu ermöglichen.

c) Durch dieses Auslegungsergebnis wird auch nicht dieGefahr missbräuchlicher Gestaltungen gefördert. Wie ausge-führt, greift der Pfändungsschutz nach § 851 Abs. 1 ZPO,§§ 97, 82 Abs. 1, 10a Abs. 1 EStG im Rahmen der durch denVersorgungsvertrag begründeten Beitragspflichten nur bis zurGrenze der steuerlich förderbaren Höchstbeträge. Er ist damitbetragsmäßig begrenzt.

Auch ergeben sich für den Arbeitgeber als Schuldner keineunzumutbaren Schwierigkeiten bei der Ermittlung des pfänd-baren Arbeitseinkommens: Als arbeitsvertragliche Neben-pflicht obliegt es dem Arbeitnehmer, zumindest auf entspre-chende Rückfrage des Arbeitgebers die zur Ermittlung despfändbaren Arbeitseinkommens erforderlichen Auskünfte zugeben, also mitzuteilen, ob ein Vertrag, auf den Altersvorsor-gebeiträge im Sinne des § 82 EStG gezahlt werden könnenexistiert, welcher Beitrag vereinbart ist und der Nachweis derBeitragszahlung.

AnmerkungVon Vertr.-Prof. Dr. Dörte Busch, Halberstadt und Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

A. Einführung

Um die durch die Rentenreform 2001 verursachten Versor-gungslücken zu schließen, können Versicherte der gesetz-lichen Rentenversicherung und ihnen Gleichgestellte (§ 10aAbs. 1 EStG) sich eine zusätzliche private Altersvorsorge auf

der Grundlage eines zertifizierten Altersvorsorgevertrages auf-bauen, der ihnen im Alter eine lebenslange monatliche Ren-ten- oder Ratenzahlung garantiert (sog. Riester-Rente, einge-führt mit AltZertG, BGBl. I 2001, 1310, 1322; zur Definitiondes Altersvorsorgevertrages siehe § 1 Abs. 1 AltZertG, § 82Abs. 1 S. 1 EStG). Die Altersvorsorge wird staatlich gefördert,wenn die vertragsspezifischen und die der Höhe nach vomErwerbseinkommen abhängigen Förderkriterien erfüllt sind(§ 1 Abs. 1 AltZertG, § 10a und Abschnitt XI EStG).

Für den Pfändungsschutz ist dabei zwischen der Ansparpha-se, in der das Altersvorsorgevermögen gebildet wird und derAuszahlungs- oder Leistungsphase, in der die laufenden Ren-ten im Alter aus diesem Vermögen geleistet werden, zu unter-scheiden (zu den Begrifflichkeiten Hasse VersR 2007, 870, 871Fn. 33). Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz betrifftdie Ansparphase und begründet die Unpfändbarkeit der lau-fenden geförderten Beiträge zu dem zertifizierten Altersvor-sorgevertrag sehr sorgfältig.

B. Unpfändbarkeit von Direktversicherungsbeiträgen bei Ent-geltumwandlung

Zutreffend überträgt das Gericht nicht die Begründung desBundesarbeitsgerichts zur Unpfändbarkeit von Versiche-rungsbeiträgen, die im Rahmen der betrieblichen Altersvor-sorge zu einer Direktversicherung durch Entgeltumwandlungaufgebracht werden (BAG NZA 1998, 707 = BAGE 88, 28 m.Anm. Hintzen EWiR 1998, 575). Diese Konstellation ent-spricht nicht dem vorliegenden Sachverhalt, nach dem dieBeklagte als Arbeitgeberin die Beiträge auf Zahlungsanwei-sung der Klägerin aus dem Nettoentgelt an den Versichererabführt, der Vertragspartner der Arbeitnehmerin ist. EineEntgeltumwandlung (§§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1a BetrAVG) liegt beidiesem Sachverhalt nicht vor.

Zum einen unterscheidet sich die vertragliche Konstruktionvon derjenigen des Altersvorsorgevertrages. Bei der Direktver-sicherung ist der Arbeitgeber Versicherungsnehmer und derArbeitnehmer bezugsberechtigte Person (§ 1b Abs. 2BetrAVG), wobei dadurch der Pfändungsschutz nicht ausge-schlossen sein muss (siehe unten ausführlich). Anders ist diesbeim zertifizierten Altersvorsorgevertrag, bei dem der Arbeit-nehmer Vertragspartner und zugleich begünstigte Person ist (§1 Abs. 1 Nr. 2 AltZertG), so dass er selbst vertraglich verpflich-tet ist, die Beiträge zum Altersvorsorgevertrag zu zahlen.

Zum anderen führt die Vereinbarung einer Entgeltumwand-lung gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1a BetrAVG zu einer Änderungder Rechtsnatur der aus dem Arbeitvertrag folgenden Ansprü-che, die sich auf die Pfändung von Arbeiteinkommen nachden §§ 850 ff. ZPO auswirkt. Entgeltumwandlung bedeutet,dass künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwart-schaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (sodie Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG). Mit ihr hatder Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruchauf Leistungen zur betrieblichen Altersvorsorge, den dieserals Versicherungsnehmer der Direktversicherung durch Zah-lung der Beiträge erfüllt. Dieser Anspruch stellt jedoch keinArbeitseinkommen im Sinne der Definition nach § 850 Abs. 2ZPO dar, der nach den dafür maßgeblichen Vorschriftengepfändet werden könnte.

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C. Pfändungsschutz in der Ansparphase

Die Unpfändbarkeit der laufenden geförderten Altersvorsor-gebeiträge ergibt sich aus § 97 S. 1 EStG, wie sie das LAGRheinland-Pfalz überzeugend begründet.

Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Die nach § 10a,Abschnitt XI EStG geförderten laufenden Altersvorsorgebei-träge sind nicht übertragbar und mithin nach § 851 Abs. 1ZPO nicht pfändbar. Welche Beiträge zu diesen Altersvorsor-gebeiträgen gehören, legt § 82 EStG fest. Umfasst sind dievorliegend von der Klägerin zugunsten eines zertifiziertenAltersvorsorgevertrages in den Grenzen des § 10a EStG geleis-teten Beiträge (§ 82 Abs. 1 EStG). Ist die Riester-Rente in diebetriebliche Altersversorgung eingebunden, ohne dass eineZertifizierung notwendig ist, aber die Auszahlungsmodalitä-ten (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AltZertG) einander entsprechen, sindauch diejenigen Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorgepfändungsgeschützte Altersvorsorgebeiträge (§§ 82 Abs. 2, 97S. 1 EStG i.V.m. § 851 Abs. 1 ZPO). Die vom Gericht ange-sprochene Direktversicherung als eine Form der betrieblichenAltersvorsorge partizipiert mit den Beiträgen am Pfändungs-schutz über § 82 Abs. 2a EStG, der die aus dem individuellversteuerten Arbeitslohn des Arbeitnehmers geleisteten Bei-träge an eine Direktversicherung als Altersvorsorgebeiträgequalifiziert. Hätte vorliegend die Arbeitgeberin die Beiträgenicht in den Altersvorsorgevertrag, sondern in einen Direkt-versicherungsvertrag geleistet, bestünde Pfändungsschutznach der soeben zitierten Vorschrift.

Die Unpfändbarkeit der Altersvorsorgebeiträge ergibt sichebenfalls aus der Entstehungsgeschichte des § 97 EStG, die dasGericht zutreffend nachzeichnet. Ferner entspricht sie demZweck der Riester-Rente. Die staatlich geförderte private kapi-talgedeckte Altersvorsorge wurde im Zuge der Absenkung desNiveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Sicherungihrer Funktionsfähigkeit eingeführt und bedeutet einen Para-digmenwechsel in der deutschen Alterssicherung. Mi der Ries-ter-Rente können die Berechtigten auf freiwilliger Basis privatvorsorgen und ihre Versorgungslücken schließen. Diese Alters-vorsorge ist aber nur dann zum Lebensunterhalt im Altergeeignet, wenn gewährleistet ist, dass das Altersvorsorgever-mögen aufgebaut wird und im Alter zur Verfügung steht, ohnedass Pfändungsgläubiger es durch den Vollstreckungszugriffvorher auflösen. Die Funktion der staatlich geförderten Alters-vorsorge muss also einen Pfändungsschutz sowohl in derAnspar- als auch in der Auszahlungsphase nach sich ziehen.

§ 97 EStG gewährleistet den Pfändungsschutz dementspre-chend in der Ansparphase, so dass für die Beiträge ein mit§ 850 e Nr. 1 ZPO vergleichbarer Schutz geboten ist.

Neben den laufenden Altersvorsorgebeiträgen (dazu auchWimmer ZInsO 2007, 281, 284; Thomas/Putzo/Hüßtege,ZPO, 28. Aufl. 2007 § 851 d Rz. 3) sind daher auch das darausgebildete Altersvorsorgevermögen einschließlich seiner Erträ-ge aus der Kapitalanlage sowie der Anspruch auf die Zulagennicht übertragbar und unpfändbar (§ 97 S. 1 EStG i.V.m.§ 851 Abs. 1 ZPO).

D. Pfändungsschutz in der Auszahlungsphase

In der Auszahlungsphase muss sich der Pfändungsschutz ers-tens an dem gebildeten Altersvorsorgevermögen, das sukzes-sive abgebaut wird, fortsetzen und zweitens die laufendenRenten- oder Ratenzahlungen umfassen.

Ob § 97 S. 1 EStG auch das Altersvorsorgevermögen in derAuszahlungsphase schützt, wird nicht einheitlich beantwor-tet. Hasse (VersR 2007, 277, 283; VersR 2007, 870, 877; ohneBegründung auch Bordewin/Brandt/Bode, EStG, 2005, § 97Rz. 9) lehnt dies mit der Begründung ab, dass die zweckwid-rige Verwendung des Vorsorgekapitals gemäß § 93 Abs. 1 S. 2EStG steuerlich sanktioniert werde. Dies setze das Recht zurÜbertragung des Vermögens voraus und führe folglich zumVerlust des Pfändungsschutzes nach § 851 Abs. 1 ZPO. DieseArgumentation vermag nicht zu überzeugen, weil sich inso-weit die Rechtslage im Vergleich zur Ansparphase, in der die-ser Schutz unstreitig besteht, nicht ändert. Die Norm des § 93Abs. 1 EStG sanktioniert die schädliche Verwendung desgeförderten Altersvorsorgevermögens zu jedem Zeitpunkt; füreine Differenzierung nach Anspar- und Auszahlungsphasebietet der Wortlaut keinen Anhaltspunkt (ohne auf die Pro-blematik einzugehen, wie hier M. Stöber NJW 2007, 1242,1246; Hk-ZPO/Kemper, 2. Aufl. 2007, § 851d Rz. 5; K. Stöber,Forderungspfändung, 14. Aufl. 2005, Rz. 70a).

In der Auszahlungsphase bedarf es zusätzlich eines Pfän-dungsverbotes für die monatlichen Renten- oder Ratenzah-lungen, das § 97 EStG nicht enthält. Seit Einführung des§ 851 d ZPO mit Wirkung vom 31. März 2007 (Gesetz zumPfändungsschutz der Altersvorsorge, BGBl. I, 368, ausführlichdazu Hasse VersR 2007, 870; M. Stöber NJW 2007, 1242) sinddie monatlichen Renten- oder Ratenzahlungen fortan aus-drücklich nur wie Arbeitseinkommen pfändbar (§§ 850 ff.ZPO) und mithin existenzsichernd vor dem Zugriff von Pfän-dungsgläubigern geschützt. Für Arbeitnehmer als Versiche-rungsnehmer eines Altersvorsorgevertrages bestanden bislangebenfalls keine Schutzdefizite, da die laufenden monatlichenRentenzahlungen bisher gemäß § 850 Abs. 3 b ZPO vor Pfän-dung geschützt waren.(K. Stöber, a.a.O.; Zöller/Stöber, ZPO,26. Aufl. 2007, § 850 Rz. 11).

E. Pfändungsschutz der die staatliche Förderung übersteigen-den Beträge

Zu beachten ist, dass der Pfändungsschutz nur für das staat-lich geförderte Altersvorsorgevermögen einschließlich seinerErträge und die geförderten Altersvorsorgebeiträge gilt (BStBl.I 2004 S. 1065, Rz. 141), worauf das LAG Rheinland-Pfalz zurAblehnung einer Missbrauchsgefahr ausdrücklich hinweist.§ 97 S. 1 EStG knüpft die Unübertragbarkeit für diese Vermö-genswerte ausdrücklich an die Förderung nach § 10a undAbschnitt XI EStG. Daher entfällt der Pfändungsschutz, wenndie steuerlichen Förderungsvoraussetzungen entfallen sind.

Gleichwohl bleibt es den Berechtigten unbenommen, höhe-re Beträge in den Altersvorsorgevertrag einzuzahlen und ent-sprechend höheres Altersvorsorgevermögen zu bilden. In die-sem Fall ist zu prüfen, ob ein Pfändungsschutz über andereVorschriften hergestellt werden kann.

Das Pfändungsschutzsystem ist mit der Einführung des Pfän-dungsschutzes für Altersrenten gemäß § 851c ZPO als Kern-stück der jüngsten Reform ergänzt worden, der sowohl dasangesparte Altersvorsorgevermögen (§ 851c Abs. 2 ZPO) alsauch die laufenden Rentenzahlungen im Alter (§ 851c Abs. 1ZPO) erfasst. Ziel ist es vor allem, gravierende Schutzdefizitefür Selbständige und Freiberufler zu überwinden (BT-Drs.16/886, S. 7). Der Pfändungsschutz für das Altersvorsorgever-mögen ist auch in der Ansparphase an eine vorsorgeorien-tierte Ausgestaltung des Vertrages gebunden (Hk-ZPO/Kem-

Verbraucher inso lvenzrecht | R E C H T S P R E C H U N G

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per, 2. Aufl. § 851 c Rz. 12), für die die Norm 4 kumulativerforderliche Kriterien benennt (§ 851c Abs. 1 ZPO).

Der auf eine Riester-Rente gerichtete Altersvorsorgevertragerfüllt in seiner Ausgestaltung nach § 1 Abs. 1 AltZertG nichtdie vertragsspezifischen Anforderungen dieses neuen Pfän-dungsschutzes. Zwar handelt es sich sowohl bei der versiche-rungs- als auch bei der auszahlungsplanförmigen Ausgestal-tung der Riester-Rente um Ansprüche auf Altersvorsorgeleis-tungen, jedoch fehlt die Vereinbarung eines Verfügungsver-botes, das in § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO zwingend verlangt wird(Wimmer ZInsO 2007, 281, 282). Der Altersvorsorgevertragnach § 1 Abs. 1 S. 1 AltZertG ist nicht durch ein Verfügungs-verbot, sondern durch Verfügungsbeschränkungen gekenn-zeichnet, denn unter bestimmten Umständen wird die Kündi-gung des Altersvorsorgevertrages in § 1 Abs. 1 Nr. 10 AltZertGspeziell unter dem langfristigen Aspekt als Alterssicherungsin-strument zugelassen; sie bietet den Vorsorgenden das Rechtzum Ruhen des Vertrages, zur Übertragung des Vertrages aufeinen anderen Anbieter, zur Nutzung des Altersvorsorge-Eigenheimbetrages (§ 92 a EStG) sowie zur Auseinanderset-zung in Scheidungsverfahren (Risthaus DB 2001, 1269, 1277;2004, 1383). Auch die oben vorgestellten Vorschriften zurschädlichen Verwendung des Altersvorsorgevermögens (§ 93Abs. 1 EStG) setzen voraus, dass der Vertrag kündbar ist. Nurüber eine Kündigung des Vertrages wird der Rückkaufswert derVersicherung (§ 176 Abs. 1 VVG) verfügbar.

Mit dem fehlenden Kündigungsverbot scheidet aus diesemGrund auch schon der allgemeine Schutz für Lebensversiche-rungsverträge gemäß § 165 Abs. 3 VVG aus, weil er ebenfalls

an ein Verwertungsverbot geknüpft ist (so auch Hasse, VersR2007, 870, 880). Die allgemeinen Vorschriften zur Kündigungdes Lebensversicherungsvertrages (§ 165 Abs. 2 und 3 VVG)sind dann nicht anwendbar, wenn die Verwertung derAnsprüche aus dem Vertrag vor Eintritt in den Ruhestand aus-geschlossen ist. § 165 Abs. 3 VVG hat wiederum einen eigenenfunktionellen Hintergrund. Die Vorschrift wurde mit Inkraft-treten der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) ein-geführt (BGBl. I 2003 S. 2954), um herkömmliche Lebensver-sicherungsverträge, die für die Alterssicherung weit verbreitetsind, nach einer Vertragsanpassung von der Anrechnung aufdas Arbeitslosengeld II auszunehmen. Diese Verknüpfungbesteht ausdrücklich fort, da § 165 Abs. 3 VVG zur Höhe dervon der Kündigung ausgenommenen Ansprüche auf die Frei-beträge des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II verweist. Ausgehend vonder sozialrechtlichen Existenzsicherungsfunktion bleiben dieBeträge zudem hinter denjenigen des § 850c Abs. 2 ZPOzurück. In der Auszahlungsphase bleibt für Arbeitnehmerletztlich nur der Rückgriff auf § 850 Abs. 3b ZPO.

F. Fazit

Bei der privat-öffentlichen Altersvorsorge in Form der Riester-Rente (zur hier nicht gewählten zweiten Form der Basisren-tenversicherung, sog. Rürup-Rente Hasse VersR 2007, 277 ff.)erstreckt sich der Pfändungsschutz auf alle Bestandteile, ausdenen sich die steuerlich geförderte Altersversorgung in derAnspar- und Auszahlungsphase zusammensetzt. In anderenFällen können weiter Schutzdefizite bestehen, auf die Versi-cherungsnehmer vor Vertragsschluss hinzuweisen sind.

R E C H T S P R E C H U N G S Ü B E R S I C H T

R E C H T S P R E C H U N G S Ü B E R S I C H T

BA N K R E C HT

Bislang keine Durchbrechung der PIN-Codierung vonec-Karten

LG Berlin, Urt. v. 05.09.2007, Az. 21 O 394/06

1. So lange es nicht sachverständige Stimmen von Gewicht gibt,die das für die Codierung von ec-Karten verwendete Triple-DES-Verfahren wegen technischen Fortschrittes nunmehr für unsi-cher halten, ist davon auszugehen, dass es auch mit größtmög-lichem finanziellen Aufwand mathematisch ausgeschlossen ist,die PIN einzelner mit dem Triple-DES-Verfahren codierter Kar-ten aus den auf ec-Karten vorhandenen Daten ohne die vorhe-rige Erlangung des zur Verschlüsselung verwendeten Instituts-schlüssels in einer Breite von 128 BIT zu errechnen.

2. Für die Annahme eines Anscheinsbeweises, dass der Kar-teninhaber die PIN auf der ec-Karte notiert oder gemeinsammit dieser verwahrt habe, ist nicht erforderlich, dass die Ver-wendung einer nach dem Triple-DES-Verfahren codiertenKarte zeitnah nach der Entwendung derselben erfolgt. DerZeitabstand wird erst dann von Bedeutung sein, wenn esüberhaupt jemandem gelungen ist, die Triple-DES-Codierungzu durchbrechen, was derzeit nicht der Fall ist.

V E R S I C H E R U N G S R E C HT

Zu den Voraussetzungen der Fristwahrung gemäߧ 12 Abs. 3 VVG

BGH, Urt. v. 04.07.2007, Az. IV ZR 31/06

(ID 40278)

Zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG durch eine Fest-stellungsklage, die sich gegen die Wirksamkeit einer vom Ver-sicherer erklärten Arglistanfechtung als alleinigem Grund derLeistungsablehnung richtet.

Rücktritt des Versicherers vom Versicherungsvertragwegen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeige-pflicht

LG Düsseldorf, Urt. v. 17.07.2007, Az.: 11 O 569/05

(ID 40283)

Will ein Krankenversicherer vom Versicherungsvertrag gem.§ 16 VVG zurücktreten, muss er dartun und im Fall desBestreitens auch beweisen, dass und welche Vorerkrankun-gen der Versicherungsnehmer objektiv verschwiegen hat.

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B U C H B E S P R E C H U N G

Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers bei oblie-genheitsgebunden Versicherungsnehmer und Vorlie-gen eines Vollstreckungsbescheides gegen den Versi-cherungsnehmer/ Auswirkung auf den Gläubiger desHaftpflichtanspruchsLG Dortmund, Urt. v. 12.07.2007, Az.: 2 O 80/07

(ID 40279)

1. Der Versicherer ist in der Haftpflichtversicherung von derLeistungspflicht frei, wenn der obliegenheitsgebundene Ver-sicherungsnehmer weder das gegen ihn im Haftpflichtver-hältnis eingeleitete Mahnverfahren anzeigt noch Wider-spruch gegen den Mahnbescheid einlegt, so dass ein rechts-kräftiger Vollstreckungsbescheid gegen ihn ergeht.

2. Der Gläubiger des Haftpflichtanspruchs muss die Leis-tungsfreiheit nach Pfändung und Überweisung des Versiche-rungsanspruchs gegen sich gelten lassen.

Zur Anwendbarkeit des § 307 Abs. 2, Nr. 2 BGB aufdie Krankheitskostenversicherung und ihren Vertrags-zweckLG Dortmund vom 12.07.2007, Az.: 2 O 323/06

(ID 40281)

Eine Klausel in der privaten Krankheitskostenversicherung,wonach bestimmte Leistungen von der Erstattung ausge-nommen werden, ist an § 307 Abs. 2, Nr. 2 BGB zu messenund darf den Vertragszweck nicht gefährden.

Zum Vertragszweck gehört als Kernbereich des Risikos, dasder Versicherungsnehmer in der Krankheitskostenversiche-rung typischerweise gedeckt wissen möchte, dass die begehr-ten Maßnahmen notwendig sind, um die grundlegendenVitalfunktionen des Versicherungsnehmers zu erhalten unab-hängig davon, ob es sich bei den Maßnahmen um ärztlicheoder nichtärztliche Leistungen handelt.

Zur Berücksichtigung von Krankheiten als Vorschädi-gung in der Unfallversicherung LG Flensburg vom 10.07.2007, Az.: 1 S 1/07

(ID 40282)

Krankheiten sind in der Unfallversicherung als Vorschädi-gung auch dann anspruchsmindernd zu berücksichtigen,

wenn sie ihrerseits auf Unfällen während der Versicherungs-dauer beruhen.

Haftung des Versicherers für Unterversicherung auf-grund fehlerhafter Beratung durch eigene Mitarbeiter

KG Berlin, Urteil vom 11.05.2007, Aktenzeichen: 6 U 191/06

(ID 39993)

Der Versicherer kann sich auf eine Unterversicherung nichtberufen, wenn er zur Antragsaufnahme eigene Mitarbeiterentsendet, die die Geschäftseinrichtung in Augenschein neh-men und ihren Wert einschätzen. Erfährt der Versicherernachträglich durch seinen Schadenregulierer von der Unter-versicherung, ist er verpflichtet, den Wert der Geschäftsein-richtung zu überprüfen und den Versicherungsnehmer aufdie Unterversicherung hinzuweisen.

S O N STI G E S

Stempel als AGB

OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.07.2007, Az.: 15 U 11/07

(ID 39994)

Ein Stempel, der routinemäßig auf Verträge aufgedruckt wird,kann auch dann, wenn er individuell vom Kunden unter-schrieben wird, eine AGB-Klausel darstellen. Dient der Stem-pel dazu, bei Vertragslaufzeiten über 24 Monaten den Ein-druck einer Individualvereinbarung zu erwecken um so dieBeweislast des Verwenders zu verringern, so ist hierin nach§ 309 Nr. 12 unzulässige Beweislaständerung zu erkennen.

Unzulässige Rücklastschriftgebühren

LG Dortmund, Urt. v. 25.05.2007, Az.: 8 O 55/06

(ID 39995)

Erhebt ein Unternehmen in seinen AGB eine Gebühr fürRücklastschriften, in welche Personalkosten, die zur Bearbei-tung einer Rücklastschrift anfallen, eingerechnet werden, soist dies unzulässig.

Bunte, Hermann-Josef,AGB-Banken und Sonderbedingungenmit AGB-Sparkassen und AGB-Postbank,C. H. Beck Verlag, 1. Auflage 2007

A.Bei der von Bunte vorgelegten Kommen-tierung der AGB-Banken und zahlreicherSonderbedingungen handelt es sich umeinen Solitär. Zwar sind die AGB-Bankenunter Berücksichtigung der jeweils abwei-

chenden Regelungen in den AGB-Sparkassenbereits an verschiedenen Stellen mehr oderminder knapp kommentiert, nicht zuletztvom Verfasser in dem dreibändigenBankrechts-Handbuch Schimansky/Bunte/Lwowski (2. Auflage 2001). Die Besonderheitund der Innovationsgehalt des zu rezen-sierenden Buches liegen in der ausführlichenErläuterung vieler Sonderbedingungen.Deutlich mehr als die Hälfte des Buchum-

fangs sind den Sonderbedingungen gewid-met. In concreto werden die Sonderbedin-gungen für den Sparverkehr, für den ec-/Maestro-Service, für den Über-weisungsverkehr, für das Homebanking, fürdie Wertpapiergeschäfte sowie die Sonderbe-dingungen für Verwahrstücke und Schrank-fächer und schlussendlich die Sonderbedin-gungen für Anderkonten von Rechtsanwäl-ten erläutert. Die Auswahl dieser Sonderbe-

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B U C H B E S P R E C H U N G

dingungen kann im Prinzip überzeugen,wenngleich eine Einbeziehung der Son-derbedingungen zum Lastschriftverkehrebenfalls nahe gelegen hätte. Diese habensicherlich eine größere Bedeutung als dieSonderbedingungen für die Vermietung vonSchrankfächern.Der Gesamteindruck des flüssig geschriebe-nen und übersichtlich aufgebauten Buchesist positiv. Es berücksichtigt fast durchwegdie Rechtsprechung und das Schrifttum invorbildlicher Weise und führt die Diskussionan vielen Stellen weiter. Dieser Gesamtbe-fund wird nur an ganz wenigen Stellengetrübt. Dies soll anhand einiger, zugegeben-ermaßen exemplarischer Lesefrüchte, belegtwerden:

B.I. In den Vorbemerkungen zur Funktion vonallgemeinen Geschäftsbedingungen unddem Einfluss des AGB-Rechts auf die AGB-Banken hätte man sich noch eine aus-führlichere Stellungnahme zur jüngst kon-trovers diskutierten Einbeziehung bankin-terner Anweisungen in den AGB-Begriff über§ 306a BGB gewünscht (vgl. dazu etwa BGHZ162, 294 = NJW 2005, 1645; Borges, ZIP 2005,185 ff.; Freitag, ZIP 2005, 2062 ff.). DieDarstellung bei Bunte beschränkt sich aufeinen knappen Hinweis auf die Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs (vgl.AGB-Banken Rn. 31 a.E. mit Fn. 36).

II. Ein Fragezeichen ist auch an die Aussagein AGB-Banken Rn. 75 zu setzen, in der dieausdrückliche oder konkludente Genehmi-gung geänderter AGB vor Ablauf der sechs-wöchigen Genehmigungsfiktion in Nr. 1Abs. 2 AGB-Banken thematisiert wird. Bunteführt aus: „In der Fortsetzung derBankverbindung ist das schlüssig erklärteEinverständnis und damit die Annahme desKunden zu sehen. Dies ändert nichts daran,dass der Kunde innerhalb der sechswöchigenWiderspruchsfrist ausdrücklich Widerspruchgegen die Akzeptanz der Änderung erhebenkann.“ Diese Aussage passt nicht rechtzusammen. Man hätte sich eine Stellung-nahme zu der Frage gewünscht, ob es sichbei Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken um eine Maxi-mal- oder eine Mindestfrist handelt.

III. Mit Interesse liest man die Ausführungendes Verf. zu Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken (bzw. Nr.7 Abs. 4 AGB-Sparkassen), wonach der Kundeim Grundsatz einer Lastschrift bis zu sechsWochen nach dem Rechnungsabschluss, derauf die Belastungsbuchung folgt, wider-sprechen kann. Diese Regelung geht, wie derVerf. zu Recht hervorhebt, auf eine Entschei-dung des BGH aus dem Jahre 2000 (BGHZ144, 349) zurück und bildet eine nicht unpro-blematische Überdehnung der Genehmi-

gungstheorie. Die für die praktische Rechtsan-wendung wichtige und kontrovers diskutierteFrage, ob bereits vor Ablauf dieser Maximal-frist eine konkludente Genehmigung durchFortsetzung des Zahlungsverkehrs oder durchein anderweitiges Verhalten möglich ist, wirdnur kurz erwähnt, aber keiner Stellungnahmezugeführt (vgl. AGB-Banken Rn. 181). Nichterwähnt wird auch die jüngst kontroversdiskutierte Insolvenzfestigkeit der Genehmi-gungsfiktion des Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken(vgl. dazu etwa OLG Dresden NZI 2005, 1272,1274 sowie das vom Autor in anderemZusammenhang zitierte Urteil des OLGMünchen, ZIP 2006, 2122, 2124 mit weit.Nachw.).

IV. Im Grundsatz sehr informativ sind dieausführlichen Überlegungen zuEinzugsaufträgen (Nr. 9 AGB-Banken, Rn.210 ff.). Die Erläuterung zu Nr. 9 Abs. 2 S. 4AGB-Banken sind hingegen Rechts-geschichte. Die AGB-Banken sprechen zwarweiterhin von Abrechnungsstellen bei derLZB. Die letzte derartige Abrechnungsstellewurde jedoch bereits im März 2000eingestellt. Darauf wird von Bunte nichthingewiesen. Das mag noch angängig sein.Unzulänglich ist es hingegen im Jahre 2007in den Erläuterungen als Rechtsgrundlageauf „Art. 32 II SchG, 38 III WG i.V.m. derVerordnung über Abrechnungsstellen imWechsel- und Scheckrecht von 1953“ zubenennen (vgl. Rn. 223). Abgesehen davon,dass es Art. 31 Abs. 2 SchG lauten müsste, istdarauf hinzuweisen, dass die Verordnungvon 1953 bereits im Jahre 2005 aufgehobenund durch eine neue Abrechnungsstellen-verordnung ersetzt wurde (BGBl. I 2005,2926). Diese erklärt die Bundesbank zureinzigen Abrechnungsstelle und war dieVoraussetzung für das jüngst an den Startgegangene Scheckeinzugsverfahren im Bere-ich der Großschecks über € 6.000. Die span-nende Frage in diesem Zusammenhang wäregewesen, ob Nr. 9 Abs. 2 S. 4 ABG-Bankentrotz seines veralteten Wortlauts auf diesesneue sog. ISE-Verfahren, das das bisherigeGSE-Verfahren ersetzt, anwendbar ist. Diemit Nr. 9 sachlich eng verwandten Nr. 14und 15 AGB-Banken lesen sich hingegen mitgroßem Gewinn und gehen deutlich über diesonst üblichen kurzen Erläuterungen dieserim Scheck- und Wechselrecht höchst bedeut-samen Vorschriften hinaus.

V. Blättert man hingegen zu Nr. 11 Abs. 2AGB-Banken zurück, so vermisst man in Rn.265, wo es um die Auswirkungen einerDivergenz zwischen Empfängername undKontonummer bei einer Überweisung geht,die neue Entscheidung des BGH aus demJahre 2005 zu den Sonderbedingungen fürdie Datenfernübertragung bzw. den Daten-

trägeraustausch (vgl. BGH WM 2006, 28, 29).Im Übrigen bilden die Ausführungen zudieser nach wie vor nicht abschließend ge-klärten Fragestellung aber einen gutenÜberblick über die Diskussion.

VI. Aus der Lektüre der sich anschließendenSonderbedingungen, deren Erläuterungencum grano salis sehr gut gelungen sind, seiennur zwei Lesefrüchte kurz wiedergegeben:a) Die Erläuterungen der Scheckbedingun-gen liest man mit großem Gewinn. Her-vorzuheben sind insbesondere die Aus-führungen zur Haftungsverteilung nach Nr.3 Scheckbedingungen (SchB Rn. 23 ff.). Dassder Autor in diesem Abschnitt noch denStandard-Kommentar von Baumbach/Hefer-mehl in der 21. Auflage von 1999 verwendet(die letzte Auflage aus der Feder von Wolf-gang Hefermehl stammt aus dem Jahre 2000),mag man angesichts der relativ geringfügi-gen Änderungen zwischen beiden Auflagenverschmerzen.b) Besonders wertvoll sind auch die aus-führlichen Erläuterungen zu den höchstpraxisrelevanten Sonderbedingungen ec-/Maestro-Bedingungen, die einen gutenÜberblick über die vielfältigen Rechtsfragenim Zusammenhang mit kartengestütztenZahlungen geben. In der gebotenen Kürzeerläutert Bunte noch das Ende 2006 ausge-laufene POZ-Verfahren (SB ec/Maestro Rn.58-61), weist aber in Rn. 58 bereits aufdessen Ende kurz nach Abschluss desManuskriptes (laut Vorwort wohl Dezemberim 2006) hin. Eine etwas ausführlichereDarstellung hätte man sich hingegen beidem Abschnitt zum Missbrauch der EC-Karteund ihrem missbräuchlichen Einsatz amGeldautomaten gewünscht, dies giltnamentlich für das nach wie vor kontroversdiskutierte Ausspähen der PIN (vgl. Rn. 29).Bunte beschränkt sich insoweit auf einenknappen Überblick über die Rechtsprechungund wertet das hierzu vorhandene zahlre-iche Schrifttum nicht aus.c) Abermals bleibt zu betonen, dass der vor-angestellte Überblick über die Lesefrüchtedes Rezensenten bewusst kursorisch ist undsich auf kritische Passagen beschränkt hat.Diese vermögen den positiven Gesamtein-druck des Werkes, das für einen Einzelautoreine beachtliche Leistung darstellt, nicht zuschmälern. Die kritischen Hinweise sindeher als Anregungen für eine zweite Auflagezu verstehen, die dem Buch in jedem Fall zuwünschen ist. Bereits heute kann festgehal-ten werden, dass der Kommentar von Buntein keiner Bibliothek mit bankrechtlichemSchwerpunkt fehlen sollte.

Prof. Dr. Matthias Casper, Münster

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VuR 10/2007 | V

I N F O R M AT I O N E N

■ In der französischen VerbraucherzeitschriftINC Hebdo Nr. 1442 vom 27.08.07 geht esum eine erstmalig von der EuropäischenKommission durchgeführte Studie zum Um-gang von Kindern mit dem Internet. Hier-zu wurden in den 27 Mitgliedsstaaten sowiein Norwegen und Island Kinder im Alter zwi-schen 9 und 10 und 12 und 14 Jahren, dieüber einen Internetzugang verfügten unddas Internet mindestens einmal im Monatnutzten, befragt. Man wollte herausfinden,ob sie Vorsicht walten ließen oder nicht. Zu-nächst stellte sich heraus, dass sich die jun-gen Europäer vorwiegend für Funktioneninteressierten, die mit Spielen zu tun hatten.Danach folgte die Informationssuche für dieSchule. Auch nutzten die Kinder das Inter-net häufig, um mit ihren Freunden zu kom-munizieren. Es zeigte sich, dass allen Kin-dern hinsichtlich ihrer InternetnutzungGrenzen gesetzt wurden und sie um dieeventuellen Risiken wussten. Oft bestimmtendie Eltern auch Zeitspanne und Zeitpunkt derNutzung. Doch selbst wenn die meisten an-gaben, vorsichtig zu sein, so die Studie, sobekannten doch einige, sich mitunter aufriskantes Terrain begeben zu haben. Nochbedenklicher sei der Umstand, dass die Kin-der dazu neigten, die eventuell auf sie zu-kommenden Probleme zu unterschätzen undnur in allerletzter Instanz ihre Eltern oder Er-wachsene zu Rate zu ziehen.

■ Die Zeitschrift der belgischen Verbraucher-schutzorganisation CRIOC, Du Côté desConsommateurs, berichtet in einem Artikelvom 17.08.07 über eine Rückrufaktion desamerikanischen Spielwarengiganten Mat-tel, der erneut in China produziertes Spiel-zeug wegen der damit verbundenen ge-sundheitlichen Risiken vom Markt nimmt.Gegenwärtig werden weltweit 18,2 Millio-nen Produkte zurückgerufen. In Belgien sind208266 Spielwaren betroffen, wobei sichdie meisten bereits in Händen der Verbrau-cher befinden. Bei einem der zurückgerufe-nen Artikel, einem Spielzeugauto, wurde ein

zu hoher Bleigehalt der Farbe festgestellt, inverschiedenen anderen Fällen handelt es sichum kleine Magneten, die sich ablösen lassenund die, wenn sie von Kindern verschlucktwerden, großen gesundheitlichen Schadenanrichten können. Diese Rückrufaktion er-folge im Anschluss auf eine bereits im No-vember 2006 freiwillig von Mattel durchge-führte Aktion. Während Mattel sich inSchadensbegrenzung versuche, werfe dasAusmaß des Schadens ein denkbar schlech-tes Licht auf das Unternehmen. Die Verbrau-cher fragten sich, wie es sein könne, dass einsolch großes Unternehmen ein derart ama-teurhaftes Produktionsmanagement betreibtund wie es um Fehlerkontrolle und Produkt-tests stehe, die eine derartige Massenpro-duktion erfordere. Für CRIOC sind die öf-fentlichen Besorgnisbekundungen Mattels inder Presse nicht ausreichend, auch wenn dasUnternehmen schnell reagiert hätte. Ein der-artiger Gigant des Welthandels müsse seinerVerantwortung gerecht werden. CRIOC er-innert an die Notwendigkeit unabhängigerKontrollen während des gesamten Produk-tionsprozesses.

■ In der Online-Ausgabe 08/07 der ZeitschriftCHOICE des australischen Verbraucherver-bandes ACA wird bezweifelt, dass sich mitObstsäften aus diversen exotischen Früch-ten tatsächlich Krebs kurieren lässt, wievon der Werbung propagiert. Zwar wirdmanchen ein hoher Gehalt an Antioxidantienbescheinigt, oftmals jedoch würde deren ge-sundheitlicher Nutzen maßlos übertriebenwerden. Letztendlich gäbe es keinen sicherenBeweis dafür, dass sich durch den Konsumder Säfte Krankheiten wie Krebs oder Diabe-tes heilen ließen. Manche seien sehr teuer,und viele herkömmliche Früchte wie Erdbee-ren oder Äpfel enthielten mehr Antioxidan-tien und seien billiger. Außerdem ist CHOI-CE der Ansicht, dass die in Australien gültigengesetzlichen Bestimmungen zu Aussagen,die den gesundheitlichen und therapeuti-

schen Nutzen von Lebensmitteln betreffen,zu lax gehandhabt werden.

■ Die Zeitschrift Informationen zum Verbrau-cherrecht des österreichischen Vereins fürKonsumenteninformation (VKI) befasst sichin einem Artikel vom 21.08.2007 mit der„Small claims“-Verordnung der EU, mit dergeringfügige Forderungen künftig leichterdurchsetzbar sein werden. Die Verordnungdes Europäischen Parlaments und des Rateszur Einführung eines europäischen Verfah-rens für geringfügige Forderungen vom11.07.2007 wurde am 31.07.2007 im Amts-blatt der Europäischen Union (L 199/1)veröffentlicht. Ziel der Verordnung ist es, alsAlternative zu den bestehenden innerstaat-lichen Verfahren der Mitgliedsländer ein eu-ropäisches Verfahren für geringfügige For-derungen einzuführen, mit dem EU-BürgerStreitigkeiten mit geringem Streitwert einfa-cher, schneller und kostengünstiger beilegenkönnen. Die Verordnung regelt allerdings nurgrenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil-und Handelssachen. Geringfügig im Sinneder Verordnung sind Streitwerte bis zu 2000Euro (ohne Zinsen, Kosten und Auslagenzum Zeitpunkt des Einlangens der Klage beiGericht). Die Verordnung trat mit01.08.2007 in Kraft und soll ab 01.01.2009gelten. Bis 01.01.2008 müssen die Mit-gliedsstaaten der Union der Kommission un-ter anderem die für geringfügige Forderun-gen zuständigen Gerichte, Rechtsmittel, diezugelassenen Sprachen und die zuständigenVollstreckungsbehörden melden.

Übersetzungen: Doris Luik, Hamburg

V E R B R A U C H E R Z E I T S C H R I F T E N I M A U S L A N D

Die entsprechenden Links auf dieaktuellen Zeitschriften finden Sie imInternet unter www.vur-online.deunter der Rubrik „Verbraucherzeitschrif-ten im Ausland“.

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VI | VuR 10/2007

Betriebliche Altersversorgung intensiv17. – 19.10.2007, Düsseldorf: RenaissanceDüsseldorf Hotel28. – 30.11.2007, Wiesbaden: Hotel OranienWiesbaden

Die bAV ist in zukunftsorientierten Unterneh-men ein wesentlicher Bestandteil modernerPersonalpolitik. Zum einen bietet sie eineMöglichkeit, die Sozialversicherungskosteneffektiv zu senken, denn die Entgeltumwand-lung wird vom Bruttogehalt abgezogen undspart daher Lohnnebenkosten. Zum anderenist die bAV ein wichtiges Instrument zurMotivation und langfristigen Bindung vonMitarbeitern an das Unternehmen.Besonders vor dem Hintergrund der immerunsichereren gesetzlichen Rente legenArbeitnehmer mehr Wert auf eine attraktivgestaltete bAV.

Programm:Grundlagen des Arbeitsrechts in der bAV● Ausgestaltung der bAV ● Darstellung der Durchführungswege ● Das Betriebsrentengesetz ● Anpassung laufender Betriebsrenten

Aktuelle Rechts- und Steuerfragen● Rente mit 67 – Was heißt das für die bAV? ● Änderungen im Versicherungsvertragsge-

setz (VVG) ● Konsequenzen des Allgemeinen Gleichbe-

handlungsgesetzes (AGG) ● Einführung in das Steuerrecht ● Neuregelungen des Jahressteuergesetzes

2007 ● Aktuelle steuerliche Verwaltungsregelun-

gen

Optimierung und Gestaltung der bAV in derPraxis● Besonderheiten der Entgeltumwandlung ● Verknüpfung von Zeitwertkonten und bAV ● Ausgliederung von Pensionsrückstellun-

gen ● Optimierung der bAV in der Praxis

Weitere Informationen unter:www.euroforum.deFriederike FischerTel.: 02 11 – 96 86 30 00E-Mail: [email protected]

Private Baufinanzierung 2007Wandel, Wachstums- und Wettbewerbs-strategien18. – 19.10.2007, Köln: Dorint an der Messe

Zwei Jahre nach Wegfall der Eigenheimzulageist der Markt der Baufinanzierungen härterumkämpft denn je. Die gute alte Filialbank hatimmer mehr das Nachsehen. Regionalbankenkonkurrieren zunehmend mit Vermittlern,Direktbanken und Auslandsbanken um den

Kunden vor Ort. Die harte Wettbewerbssitua-tion und das zunehmende Anforderungsprofilauf der Nachfrageseite zwingen die Finanz-dienstleister zu attraktiven Konditionen, hoherFlexibilität und ganzheitlichem Service. Preiseund Flexibilität werden zu den entscheiden-den Faktoren im Kampf um den Kunden. Dieheutigen Kunden sind Smart Shopper. Sieentscheiden nach günstigen Konditionen undschnellen Zusagen. Musste sich vor wenigenJahren noch der Kunde dem Bankproduktanpassen, ist es heute umgekehrt.

ProgrammDonnerstag, 18.10.2007● Baufinanzierungen: Der Trend zum Fern-

vertrieb

Vertriebskanäle in der Baufinanzierung● Baufinanzierung: Positionierung einer Re-

gionalbank im Wettbewerb● Immobilienfinanzierung – So einfach wie

nie Fortis Credit4me: Ansätze eines mo-dernen Retail-Vertriebs

● Direkt-Baufinanzierung – Ein strategischesProdukt der ING DiBa AG

Vermittler- und Provisionsgeschäft● Vertrieb von Immobilienfinanzierungen● Partnerbasierte Baufinanzierungsvermitt-

lung als Antwort für Banken auf den zu-nehmenden Wettbewerbsdruck am Finan-zierungsmarkt

Wege aus der Kostenfalle● Von der Manufactur zur Kreditfabrik für

den mobilen Vertrieb

Freitag, 19.10.2007Aus Sicht der Verbraucher ...● Aktuelle Entwicklungen in der Baufinan-

zierung aus Sicht einer Verbraucherzen-trale

● Fallstricke bei der Hereinnahme vonGrundpfandrechtssicherheiten

Produkte und Programme● KfW-Förderprogramme für die Altbausan-

ierung und● den ökologischen Neubau im Wohnungs-

bereich

Prozesse und Finanzierungen● Standardisierte Prozesse/Entscheidungen

für hohe Beleihungsausläufe im deutschenBaufinanzierungsmarkt und ihre Auswir-kungen auf

● FinanzierungsvermittlerVerbundfinanzie-rungen versus Mischkonditionen unter be-sonderer Berücksichtigung der Margen im2./3. Rang und Nachrang

Weitere Informationen unter:www.euroforum.deFriederike FischerTel.: 0211 – 96863463E-Mail: [email protected]

ZahlungsverkehrsrechtAktuelle Rechtslage und Ausblick15. – 16.10.2007, Frankfurt a.M.: Hilton05. – 06.11.2007, Köln: Dorint an der Messe

Der Zahlungsverkehr spielt in der täglichenPraxis der Kreditinstitute eine wichtige Rolle.Die Bank steht hierbei in engem und vielfälti-gem Kontakt mit Ihren Kunden, wodurchzahlreiche Rechtsbeziehungen entstehen. Eineinheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum(SEPA) mit europaweit einheitlichen Stan-dards ist erklärter Wille der EU und steht kurzvor der Vollendung. Zahlungen sollen hier-durch genauso einfach und effizient wieheute im Inland getätigt werden können.Dies stellt zusätzliche Anforderungen an dieKreditinstitute.

Im Rahmen dieses Handelsblatt FinancialTrainings werden Sie umfassend über denaktuellen rechtlichen Stand sowie über diezukünftigen Regelungen des SEPA-Zahlungs-verkehrs aufgeklärt. Schwerpunkte diesesFinancial Trainings bilden der Überweisungs-verkehr, der Lastschriftverkehr und der kar-tengestützte Zahlungsverkehr.

Programm15.10.2007 // 05.11.2007SEPA – eine Vision wird Realität● SEPA „mehr als eine technische Umset-

zung“● SEPA „neue Ansätze neue Perspektive“● SEPA die nächsten Schritte?

Die rechtliche Gestaltung von SEPA durch dieEU● Richtlinie über Zahlungsdienste● Stärkung der Kundenrechte● Auswirkungen für Anbieter● Einzelfragen

Die Umsetzung der SEPA-Überweisung unterrechtlichen und organisatorischen Aspekten● Entwicklung und Inhalt des SEPA-SCT● Regelungen des Rulebooks und der PSD● Maßgebliche Regelungen und ihre Aus-

wirkungen (z.B. Laufzeit)● Auswirkungen auf andere zahlungsver-

kehrsrelevante Regelungen der EU

Der Lastschriftverkehr● Grundzüge des Lastschriftverfahrens● Einzugsermächtigungsverfahren● Abbuchungsauftragsverfahren● Risikozuordnung bei Einzugsermächti-

gungslastschriften● Einzugsermächtigung im Internet● Schriftformerfordernis und digitale Signa-

tur● Elektronische Signatur und das Einzie-

hungsermächtigungs-Lastschriftverfahren● Änderungen durch PEDD – Pan European

Direct Debit

V E R A N S TA LT U N G S H I N W E I S E

I N F O R M AT I O N E N

VuR_10_2007.qxd 23.10.2007 11:27 Uhr Seite VI

Page 47: VuR 07 10 -  · PDF fileVuR Zeitschriftfür Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt Interview Aktuelle finanzrechtliche Fragestellungen für Verbraucher Frank

VuR 10/2007 | VII

I N F O R M AT I O N E N

16.10.2007 // 06.11.2007Aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechungund Gesetzgebung (Teil 1)● Aktuelle Rechtsfragen zu Debitkartenzah-

lungen● Aktuelle Rechtsfragen zu Kreditkartenzah-

lungen● Aktuelle Rechtsfragen zur GeldKarte● Neue Herausforderungen durch SEPA

(Auswirkungen● der Zahlungsdienste-Richtlinie und des SE-

PA Cards Framework)

Der kartengestützte Zahlungsverkehr –Aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechungund Gesetzgebung (Teil 2)

Weitere Informationen unter:www.handelsblatt.com/trainingJanine Spätling (Konferenz-Assistentin)Tel.: 02 11 – 96 86 34 61E-Mail: [email protected]

Reverse Mortgage27.–28.11.2007, Frankfurt a.M.: Fleming`sHotel Frankfurt Neue Börse

In vielen Ländern nehmen Reverse Mortga-ges bereits einen hohen Stellenwert ein undauch der deutsche Markt öffnet sich diesemneuen Produkt. Reverse Mortgages sindHypothekenkredite, die es dem Eigentümereiner (Wohn-)Immobilie ermöglichen,Bewohner der Immobilie zu bleiben undgleichzeitig ein monatliches Einkommenhieraus zu erwirtschaften. Dies ist für IhreKunden als ein weiterer Teil ihrer privatenAltersvorsorge von großer Bedeutung. DieImmobilienverrentung bietet somit guteChancen für Verkäufer und Kapitalanleger.Passen Sie Ihr Produktsortiment den aktuel-len Kundenbedürfnissen an! Erfahren Sie aufdieser Euroforum-Konferenz, welche Fallstri-cke Sie beachten müssen und positionierenSie sich in einem neuen Markt.

Diskutieren Sie mit den Referenten überdiese und weitere Fragestellungen:● Welche Rolle spielt die demographische

Entwicklung für die Immobilienwerte?● Wie können Sie das verloren gegangene

Vertrauen der Senioren in die Finanz-dienstleistungsbranche wieder gewinnen?

● Wie können Sie das in einer Immobilie ge-bundene Vermögen im Alter regelmäßigabschmelzen?

● Können Sie eine selbst genutzte Immobi-lie zur Altersvorsorge verwenden?

Weitere Informationen unter:www.euroforum.deTina FingerhuthTel.: 02 11/96 86 – 34 65E-Mail: [email protected]

Bitte bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder bei Nomos | Telefon 07221/2104-37 | Fax -43 | www.nomos.de | [email protected]

Alles, was man jetzt wissen sollte.

Die Neuauflage des Handkommentars vereint die Erfahrung und Kompe-tenz von Experten aus Anwaltschaft, Justiz und Wissenschaft und liefertIhnen eine umfassende und nach Anwendungsfällen typisierende Dar-stellung des stark zerklüfteten Rechtsgebiets auf dem neuesten Stand.

Neu in der 2. Aufl age:umfasst alle Änderungen durch das Anlegerschutz-verbesserungsgesetz die neuen Regelungen zur Marktmanipulation sind integrierterläutert das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)und seine Folgen für das HGBberücksichtigt auch die kapitalmarktstrafrechtlichen Auswirkungen des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungs-gesetzes (FRUG)

KapitalmarktstrafrechtHandkommentarHerausgegeben von RA, FAStrafR u FAStR Dr. Tido Park2. Auflage 2007, ca. 900 S., geb., 158,– €, ISBN 978-3-8329-2747-9Erscheint November 2007

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