vom wunsch zur realitÄt: zielorientierte … · 2019. 4. 1. · vom wunsch zur realitÄt:...
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VOM WUNSCH ZUR REALITÄT:
ZIELORIENTIERTE BESCHAFFUNGEN 2. Berliner VergabeKongress
RA Prof. Dr. Christian-David Wagner Fachanwalt für Vergaberecht
Ferdinand-Rhode-Str. 3b 04107 Leipzig
www.wagnerrechtsanwaelte.de
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Vorstellung RA Prof. Dr. Christian-David Wagner • Gründungsanwalt Wagner Rechtsanwälte (Schwerpunkt
öffentlicher Einkauf/Beihilferecht für die Bereiche IT, Gesundheit, Tourismus und Bau
• Fachanwalt für Vergaberecht • Über 15 Jahre praktische Erfahrungen im Vergaberecht • Lehrauftrag für Beschaffungswesen und Vergaberecht an
der HS Harz seit 2010 • Honorarprofessor für Vergaberecht seit 2017 • Mitautor jurisPK-Vergaberecht sowie Kommentar für
Beschaffungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich • Herausgeber online-Vergabetrainer (Bundesanzeiger
Verlag) und DTVP-Newsletter • Ständiger Mitarbeiter Zeitschrift VergabeR • Mitglied im BITKOM e.V.; DVNW • Mitglied im Fachanwaltsausschuss Vergaberecht (RAK
Sachsen) sowie Praxisbeirat des FB Verwaltungs-wissenschaften der HS Harz
• Kontakt: [email protected]
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Vom Wunsch zur Realität: Zielorientierte Beschaffungen
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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Ziel eines Beschaffungsvorhabens ist die Versorgung der Bedarfsträger mit • den richtigen Gütern und
Dienstleistungen, • in der richtigen Art und Menge, • zur richtigen Zeit, • am richtigen Ort, • zu möglichst geringen Kosten, • unter Beachtung der
Mitarbeiterinteressen und Umweltbelange.
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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• Die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes ist der alleinigen Bestimmung des Auftraggebers unterworfen, der genau wie Private allein die Art der zu vergebenden Leistung und den Auftragsgegenstand bestimmt.
• Entschließt sich der Auftraggeber zur Beschaffung, ist er frei in seiner
Entscheidung, welchen Auftragsgegenstand er für erforderlich oder wünschenswert hält.
Bedarfsermittlung und Markterkundung
sog. Leistungsbestimmungsrecht öffentlicher Auftraggeber
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Das Leistungsbestimmungsrecht öffentlicher Auftraggeber knüpft nicht an die Marke oder den Markennamen an, sondern an die Leistungsmerkmale, die zur Bedarfserfüllung erforderlich sind.
Bedarfsermittlung und Markterkundung
Grenzen des Leistungsbestimmungsrechts:
Die Bestimmung muss durch den
Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt
sein.
Es müssen nachvollziehbare
objektive und auftragsbezogene
Gründe vorliegen und die Bestimmung muss folglich willkürfrei
getroffen worden sein.
Die Gründe müssen tatsächlich vorhanden
und erwiesen sein.
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§ 31 VgV Leistungsbeschreibung
(1) – (5) … (6) In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Solche Verweise sind ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand anderenfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; diese Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.
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Schutz von Leben und Gesundheit VK Bund, Beschl. v. 09.02.2016 – VK 1 – 130/15 – Bagger mit Schiffzulassung an Land
IT-Sicherheit VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.09.2016 – 3 VK LSA 27/16 – Leittechnik / Firewall - Systemsicherheit
Weiterverwendung vorhandener Module
OLG Düsseldorf, Beschl. vom 12.02.2014 – Verg 29/13 – HIS Software; OLG Karlsruhe v. 15.11.2013 – 15 Verg 5/13 – Erweiterung seines bereits vorhandenen Einsatzleitsystems der Polizei
Betriebssicherheit VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 04.05.2016 – 1 VK 18/16 – Gebäudeautomation bei Feuerwehr
Vermeidung von Schnittstellen OLG Karlsruhe v. 15.11.2013 – 15 Verg 5/13 – Erweiterung seines bereits vorhandenen Einsatzleitsystems der Polizei
Vermeidung von Ausfallzeiten OLG Düsseldorf, Beschl. vom 12.02.2014 – Verg 29/13 – HIS SoftwareForschungszwecke
Außenwirkung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.01.2013 – Verg 33/12 – Außenputz mit Glimmereffekt
Künstlerische Aspekte OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.09.2016 – 15 Verg 7/16 – Steinway & Sons Flügel
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Bedarfsermittlung und Markterkundung
Die Bedarfsermittlung ist Fundament jedweden Beschaffungsvorhabens. Über die Bedarfsermittlung wird sicher gestellt, dass der Auftraggeber diejenige Leistung erhält, die er tatsächlich benötigt; und zwar von einem leistungsfähigen Vertragspartner. Unzulänglichkeiten auf der ersten Stufe des Beschaffungsprozesses lassen sich im weiteren Verfahrensablauf kaum heilen und kommen Auftraggebern im Rahmen der Beschaffungs-abwicklung zumeist teuer zu stehen.
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Die Bedarfsermittlung hat auch Einfluss auf …
Wahl des Verfahrens
offenes Verfahren nichtoffenes Verfahren Verhandlungsverfahren
Festlegung der Eignungskriterien
Bewertung des Anbieters (Umsatz,
Referenzen)
Festlegung der Zuschlagskriterien
Bewertung der zu beschaffenden Leistung
(Preis, Qualität etc.)
Vergabe-unterlagen
Eindeutige und erschöpfende Leistungs-
beschreibung
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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Beschaffungs- abwicklung
Markt- erkundung
Bedarfs- ermittlung
Vergabeverfahren/ Beauftragung
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Wechselwirkung
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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Bedarfsermittlung und Markterkundung
Das Verhältnis zwischen Bedarfs-ermittlung auf der einen und dem Vergaberecht auf der anderen Seite lässt sich am Besten mit dem Verhältnis zwischen Henne und Ei beschreiben. Mal beeinflussen die vergaberechtliche Vorschriften die Erkenntnisse der Bedarfsermittlung und manches Mal ist es umgekehrt.
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Eine den Bedürfnissen des Auftraggebers genügende Bedarfs-ermittlung und folglich auch die Durchführung eines zielorientierten Vergabeverfahrens setzt allerdings Marktkenntnisse voraus. Mit der Bedarfsermittlung einher geht daher stets eine Markterkundung durch den Auftraggeber.
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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§ 28 VgV Markterkundung
(1) Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens darf der öffentliche Auftraggeber Markterkundungen zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Unternehmen über seine Auftragsvergabepläne und -anforderungen durchführen. (2) Die Durchführung von Vergabeverfahren lediglich zur Markterkundung und zum Zwecke der Kosten- oder Preisermittlung ist unzulässig.
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Markterkundungen sind gestattet, solange dabei die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und des Wettbewerbs beachtet werden. D.h., dass …
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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… • stets mehrere Unternehmen,
mindestens drei, angesprochen (z.B. Messebesuche) oder angeschrieben müssen (auch per E-Mail).
• alle Unternehmen dieselben Informationen erhalten.
Bedarfsermittlung und Markterkundung
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Bedarfsermittlung und Markterkundung
Eine Markterkundung kann auch im Wege einer Teststellung erfolgen, um zum Beispiel bei Gestaltungskonzepten eine konkrete Ausführungsvariante im Vorfeld der Ausschreibung festlegen zu können.
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§ 14 VgV Wahl der Verfahrensart
(1) – (5) … (6) Die in Abs. 4 Nummer 2 Buchstabe a) und b) genannten Voraussetzungen (Anm. Verfasser: nur ein Unternehmen kommt in Betracht) für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gelten nur dann, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.
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Bedarfsermittlung und Markterkundung
EU-weite Nachforschungen!
Keine Marktforschung zu alternativen
Anbietern / Lösungen erforderlich
Bsp: OLG Düsseldorf, Beschl v. 27.6.2012 – VII Verg 7/12 – Impfstoff in Fertigspritzen; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.09.2016 – 15 Verg 7/16 – Steinway
& Sons Flügel; OLG Jena, 25.06.2014 - 2 Verg 1/14 -
Geschwindigkeitsmessanlagen
Grds. Marktforschung zu alternativen Anbietern / Lösungen erforderlich
OLG Naumburg, Beschl. v. 20.09.2012, 2 Verg 4/12 –
„mindestens 3 Vergleichsgrundstücke“
„ernsthafte Nachforschungen auf
europäischer Ebene“ / Auseinandersetzung
mit Alternativen OLG Düsseldorf, Beschl. v.
12.07.2017 - VII-Verg 13/17 sowie (Vorinstanz) VK Westfalen,
Beschl. v. 28.2.2017 – Leberdialyse-produkte; VK
Sachsen, Beschl. v. 4.12.2018 – 1/SVK/023-18
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Bedarfsermittlung und Markterkundung
Mit Blick auf die Bedeutung der Bedarfsermittlung wird auch deutlich, welchen Stellenwert das Vergaberecht im Beschaffungs-prozess einnimmt: Es regelt nämlich nicht was der Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.
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Bedarfsermittlung und Markterkundung
Daher gilt folgende Faustregel: Das zeitliche Verhältnis zwischen Bedarfsmanagement inkl. Markterkundung auf der einen und dem eigentlichen Vergabeverfahren auf der anderen Seite beträgt in der Regel 80% zu 20%.
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Vom Wunsch zur Realität: zielorientierte Beschaffungen
Rollenverteilung und Kommunikation
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Sofern keine dezentrale Beschaffungsstruktur besteht, liegen das Bedarfsmanagement und die Abwicklung des Vergabeverfahrens in der Verantwortung verschiedener Personen mit zum Teil gänzlich unterschiedlichen Interessen.
Rollenverteilung und Kommunikation
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Rollenverteilung und Kommunikation
• Auftraggeber – interne Beteiligte
• Technische Abteilung
• Einkauf/Vergabestelle
• Auftraggeber – externe Beteiligte
• Planungsbüro
• Anwaltskanzlei
Je mehr Handelnde, desto mehr Widersprüche im Verfahren (Formel: Anzahl hoch Anzahl => z.B. 44 =256).
Ohne eine hinreichende Rollenverteilung in Bezug auf die Projektbeteiligten sowie klare Kommunikationsregeln sowohl innerhalb des Projektteams als auch in der Kommunikation gegenüber den Bietern sind Komplikationen sowohl im Vergabe-verfahren als auch im Rahmen der Abwicklung vorprogrammiert. Dies gilt erst recht, wenn externe Dritte den Auftrag-geber beraten.
Rollenverteilung und Kommunikation
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Zielorientierte Beschaffung setzt voraus:
Rechtzeitige Rollenverteilung
Projektteam
∑ der kaufm. und techn. Mitarbeiter die
für die Projektabwicklung
verantwortlich sind.
Projektleiter
Projektleiter plant und steuert das Projekt. Das
Projektteam ist ihm zugeordnet.
Entscheider
Entscheider übernimmt die unternehmerischen
Entscheidungen. Projektleiter berichtet
dem Entscheider
interne /externe Berater
Controlling Berater wie Anwälte, Sachverständige etc.
Kommunikationsregel
Intern
Informations-bereitstellung
Informationswege Dokumentation
nach Außen
Verwalter E-Vergabe Bieterfragen etc.
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Externe Kommunikation heißt nicht nur, in den Dialog mit den Bietern zu treten. Externe Kommunikation heißt auch, die Vergabeunterlage so zu gestalten, dass die Bieter wissen, was wann von ihnen verlangt wird. Dabei gilt als Maßstab: Laien, Kinder, Vorstände.
Rollenverteilung und Kommunikation
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Vom Wunsch zu Realität: Zielorientierte Beschaffungen
Qualitätssicherung
Nur ein nachhaltiges Qualitätssicherung, vor allem in Bezug auf die Summe der bereitzustellenden Vergabeunterlagen reduziert Widersprüche und folglich auch unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens. Nicht nur Bieter lassen diesen Aspekt gern „unter den Tisch fallen“.
Qualitätssicherung
„Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig. “ Seneca d.J., Moralische Briefe an Lucilius (Epistulae morales ad Lucilium), VIII, LXXI, 3
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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Kontaktdaten Wagner Rechtsanwälte RA Prof. Dr. Christian-David Wagner Ferdinand-Rhode-Str. 3b 04107 Leipzig Tel.: 0341 – 30 68 65 10 Mobil: 0171 – 68 27 509 E-Mail: [email protected] www.wagnerrechtsanwaelte.de
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Impressum
Autor und Herausgeber Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian-David Wagner Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck dieser Unterlage – auch auszugsweise – bedarf der Genehmigung. Alle Texte, Bilder und Grafiken unterliegen dem Urheberrecht und Gesetzen zum Schutz geistigen Eigentums. Alle Inhalte sind nur zur persönlichen Information bestimmt. Jede weitergehende kommerzielle Verwendung, insbesondere die Speicherung in Datenbanken, Veröffentlichung, Vervielfältigung und jede Form von gewerblicher Nutzung sowie die Weitergabe an Dritte - auch in Teilen oder in überarbeiteter Form - ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers untersagt.