verfahrenstechnische grundlagen und möglichkeiten der anwendung komprimierter gase zur...

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Verfahrenstechnische Grundlagen und Moglichkeiten der Anwendung komprimierter Gase zur Stofftrennung* Gerd Brunner und Siegfried Peter** Komprimierte Gase haben die Eigenschaft, Stoffe zu losen. Sie konnen daher aus verfahrenstechnischer Sicht als Losungsmittel angesehen werden. Die einfachste Ausfuhrung eines auf dieser Eigenschaft beruhenden Verfahrens besteht darin, dalj durch das komprimierte Gas aus einer Stoffmischung bestimmte Bestandteile bevorzugt herausgelost werden. Das komprimierte Gas rnit den gelosten Komponenten wird danach von der Restmischung abge- trennt. Durch Verminderung der Dichte infolge Druck- und/oder Temperaturanderung werden die gelosten Stoffe anschlieljend mehr oder weniger ausgefallt, wahrend das verbleibende Gas erneut eingesetzt wird. Als Beispiel eines solchen Verfahrens sei die in der Literatur vorgeschlagene Entasphaltierung von Erdol erwahnt. In dieser Form ist das Verfahren nur auf Mischungen anwendbar, deren Bestandteile grolje Loslichkeitsunterschiede aufweisen. Aus verfahrenstechnischer Sicht erscheint diese Vorgehensweise nicht optimal, da 1 ) die Konzentration der schwerfluchtigen Komponenten im uberkritischen Gas sehr gering ist, 2) die Regenerierung des Gases durch Druck- oder/und Temperaturande- rung unzureichend, 3) eine Rekompression des Gases teuer und 4) ein absatzweiser oder intermittierender Betrieb notwendig sind. Eine erhebliche Verbesserung laRt sich erreichen, wendet man einige Prinzipien der Verfahrenstechnik an, namlich 1) das Gegenstrom- prinzip zur Trennung der schwerfliichtigen Bestandteile einer Mi- schung, 2) die Einfiihrung eines Hilfsstoffes, der eine geeignete Modifikation der physikalischen Gleichgewichte und giinstige MaRnahmen zur Regenerierung ermoglicht. Analog zur Rektifika- tion wird beim mehrstufigen Gegenstromverfahren ein Teil des Kopfproduktes in die Trennkolonne als Riicklauf zuriickgepumpt. Eine Verbesserung der Regenerierung kann durch Waschen des Kreislaufgases im Gegenstrom rnit einem geeigneten Schleppmittel erreicht werden. Bei Verwendung eines Schleppmittels werden bei konstantem Druck durch relativ geringe Temperaturanderung nacheinander Zustande durchlaufen, bei denen das pseudoternare System aus komprimiertem Gas, Schleppmittel und Gemisch der schwerfliichtigen Komponenten ein Zweiphasengebiet des Typs I und des Typs I1 (nach Treybal) besitzt. Damit ist ein Trennverfahren ohne Entspannung und Rekompression moglich, das kurz anhand der Abb. 1 erlautert wird. Das Schleppmittel erhoht die Konzentration der schwerfliichtigen Stoffe im komprimierten Gas erheblich. Die relative Verteilung der schwerfliichtigen Stoffe zwischen den Phasen kann durch geeignete Wahl des Schleppmittels beeinflu& werden. Die Verfahrensweisen einer Trennung rnit Hilfe komprimierter Gase wird zweckmaRigerweise nach der relativen Loslichkeit der zu trennenden Stoffe im Gas betrachtet. Die zu trennenden Stoffe konnen 1 )in etwa gleiche Loslichkeit, 2) wesentliche Unterschiede in der Loslichkeit und 3) extreme Unterschiede in der Loslichkeit auf- weisen. * Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 26. bis 28. Sept. 1979 in Niirnberg. ** Priv.-Doz. Dr.-Ing. G. Brunner und Prof. Dr. S. Peter, Lehrstuhl fur Technische Chemie der Universitat Erlangen-Niirnberg, EgerlandstraRe 3, 8520 Erlangen. 1st die Loslichkeit der schwerfliichtigen Stoffe in etwa gleich, kann eine ausreichende Trennung durch geeignete Wahl erreicht werden. In dieser Hinsicht besteht weitgehend Analogie zur extraktiven Destillation. Als Beispiel fur einen solchen Fall sei die Trennung der Mono- und Diglyceride mit Aceton als Schleppmittel und Kohlen- dioxid als iiberkritischer Komponente angefuhrt. SH P.T=const. Xopfpro- /' FriSchga! Xolonne 1 / mm Abb. 1 mit Hilfe komprimierter Gase. Schemaeiner Apparatur zur kontinuierlichen Stofftrennung Unterscheidet sich die Loslichkeit der schwerfliichtigen Komponen- tenimGas wesentlich,ist bei einemmittleren Schleppmittelgehalt das ternare System schwerfliichtiger Stoff SF1 - Schleppmittel - komprimiertes Gas iiberkritisch, wahrend das ternare System aus schwerfliichtigem Stoff SF2 - Schleppmittel - komprimiertem Gas unterkritisch ist. Damit sind Bedingungen einstellbar, die es gestatten, den schwerfliichtigen Stoff SF1 in hoher Konzentration in die gasformige Phase zu bringen. Ein entsprechendes Beispiel 1st die Entsauerung von Fetten und Olen. Sind die Loslichkeiten der schwerfliichtigen Stoffe extrem unter- schiedlich, kann man praktisch von einer Extraktion schwerfluchti- ger Stoffe aus Feststoffen sprechen. Je nach Schleppmittelgehalt kann im Zwei- oder Dreiphasengebiet gearbeitet werden. Beispiele hierfur sind die Wirkstoffabtrennung aus pflanzlichem Material und die Extraktion von Kohlenwasserstof- fen aus Kohle. Eingegangen am 28. Januar 1980 Schlusselworte: Thermodynamik, Trennverfahren, komprimierte Gase. Chem.-1ng.-Tech. 52 (1980) Nr. 5 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim 1980 0009-286X/80/0505-0455$02.50/0 455

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Verfahrenstechnische Grundlagen und Moglichkeiten der Anwendung komprimierter Gase zur Stofftrennung*

Gerd Brunner und Siegfried Peter**

Komprimierte Gase haben die Eigenschaft, Stoffe zu losen. Sie konnen daher aus verfahrenstechnischer Sicht als Losungsmittel angesehen werden. Die einfachste Ausfuhrung eines auf dieser Eigenschaft beruhenden Verfahrens besteht darin, dalj durch das komprimierte Gas aus einer Stoffmischung bestimmte Bestandteile bevorzugt herausgelost werden. Das komprimierte Gas rnit den gelosten Komponenten wird danach von der Restmischung abge- trennt. Durch Verminderung der Dichte infolge Druck- und/oder Temperaturanderung werden die gelosten Stoffe anschlieljend mehr oder weniger ausgefallt, wahrend das verbleibende Gas erneut eingesetzt wird. Als Beispiel eines solchen Verfahrens sei die in der Literatur vorgeschlagene Entasphaltierung von Erdol erwahnt. In dieser Form ist das Verfahren nur auf Mischungen anwendbar, deren Bestandteile grolje Loslichkeitsunterschiede aufweisen. Aus verfahrenstechnischer Sicht erscheint diese Vorgehensweise nicht optimal, da 1 ) die Konzentration der schwerfluchtigen Komponenten im uberkritischen Gas sehr gering ist, 2) die Regenerierung des Gases durch Druck- oder/und Temperaturande- rung unzureichend, 3) eine Rekompression des Gases teuer und 4) ein absatzweiser oder intermittierender Betrieb notwendig sind. Eine erhebliche Verbesserung laRt sich erreichen, wendet man einige Prinzipien der Verfahrenstechnik an, namlich 1) das Gegenstrom- prinzip zur Trennung der schwerfliichtigen Bestandteile einer Mi- schung, 2 ) die Einfiihrung eines Hilfsstoffes, der eine geeignete Modifikation der physikalischen Gleichgewichte und giinstige MaRnahmen zur Regenerierung ermoglicht. Analog zur Rektifika- tion wird beim mehrstufigen Gegenstromverfahren ein Teil des Kopfproduktes in die Trennkolonne als Riicklauf zuriickgepumpt.

Eine Verbesserung der Regenerierung kann durch Waschen des Kreislaufgases im Gegenstrom rnit einem geeigneten Schleppmittel erreicht werden. Bei Verwendung eines Schleppmittels werden bei konstantem Druck durch relativ geringe Temperaturanderung nacheinander Zustande durchlaufen, bei denen das pseudoternare System aus komprimiertem Gas, Schleppmittel und Gemisch der schwerfliichtigen Komponenten ein Zweiphasengebiet des Typs I und des Typs I1 (nach Treybal) besitzt. Damit ist ein Trennverfahren ohne Entspannung und Rekompression moglich, das kurz anhand der Abb. 1 erlautert wird. Das Schleppmittel erhoht die Konzentration der schwerfliichtigen Stoffe im komprimierten Gas erheblich. Die relative Verteilung der schwerfliichtigen Stoffe zwischen den Phasen kann durch geeignete Wahl des Schleppmittels beeinflu& werden. Die Verfahrensweisen einer Trennung rnit Hilfe komprimierter Gase wird zweckmaRigerweise nach der relativen Loslichkeit der zu trennenden Stoffe im Gas betrachtet. Die zu trennenden Stoffe konnen 1 ) in etwa gleiche Loslichkeit, 2) wesentliche Unterschiede in der Loslichkeit und 3) extreme Unterschiede in der Loslichkeit auf- weisen.

* Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 26. bis 28. Sept. 1979 in Niirnberg.

** Priv.-Doz. Dr.-Ing. G . Brunner und Prof. Dr. S. Peter, Lehrstuhl fur Technische Chemie der Universitat Erlangen-Niirnberg, EgerlandstraRe 3, 8520 Erlangen.

1st die Loslichkeit der schwerfliichtigen Stoffe in etwa gleich, kann eine ausreichende Trennung durch geeignete Wahl erreicht werden. In dieser Hinsicht besteht weitgehend Analogie zur extraktiven Destillation. Als Beispiel fur einen solchen Fall sei die Trennung der Mono- und Diglyceride mit Aceton als Schleppmittel und Kohlen- dioxid als iiberkritischer Komponente angefuhrt.

SH

P.T=const.

Xopfpro-

/'

FriSchga!

Xolonne 1 /

mm Abb. 1 mit Hilfe komprimierter Gase.

Schemaeiner Apparatur zur kontinuierlichen Stofftrennung

Unterscheidet sich die Loslichkeit der schwerfliichtigen Komponen- tenimGas wesentlich,ist bei einemmittleren Schleppmittelgehalt das ternare System schwerfliichtiger Stoff SF1 - Schleppmittel - komprimiertes Gas iiberkritisch, wahrend das ternare System aus schwerfliichtigem Stoff SF2 - Schleppmittel - komprimiertem Gas unterkritisch ist. Damit sind Bedingungen einstellbar, die es gestatten, den schwerfliichtigen Stoff SF1 in hoher Konzentration in die gasformige Phase zu bringen. Ein entsprechendes Beispiel 1st die Entsauerung von Fetten und Olen. Sind die Loslichkeiten der schwerfliichtigen Stoffe extrem unter- schiedlich, kann man praktisch von einer Extraktion schwerfluchti- ger Stoffe aus Feststoffen sprechen. Je nach Schleppmittelgehalt kann im Zwei- oder Dreiphasengebiet gearbeitet werden. Beispiele hierfur sind die Wirkstoffabtrennung aus pflanzlichem Material und die Extraktion von Kohlenwasserstof- fen aus Kohle. Eingegangen am 28. Januar 1980

Schlusselworte: Thermodynamik, Trennverfahren, komprimierte Gase.

Chem.-1ng.-Tech. 52 (1980) Nr. 5 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim 1980 0009-286X/80/0505-0455$02.50/0

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