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Verbands-Management (VM) Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management VM 2/04 Purtschert, Robert Grabspenden – Fundraising-Instrument mit Potenzial Verbands-Mangement, 30. Jahrgang, Ausgabe 2 (2004), S. 28-37. Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch, Universität Freiburg/CH Redaktion: Claudio Beccarelli/Guido Kaufmann Layout: Claudio Beccarelli/Maxomedia, Bern Fotomaterial: Peter Leuenberger, Bern ISSN: 1424-9189 Kontakt: [email protected] Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.

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Verbands-Management (VM) Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management

VM 2/04 Purtschert, Robert Grabspenden – Fundraising-Instrument mit Potenzial Verbands-Mangement, 30. Jahrgang, Ausgabe 2 (2004), S. 28-37. Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch,

Universität Freiburg/CH Redaktion: Claudio Beccarelli/Guido Kaufmann Layout: Claudio Beccarelli/Maxomedia, Bern Fotomaterial: Peter Leuenberger, Bern ISSN: 1424-9189 Kontakt: [email protected] Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.

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Schwerpunkt

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Nach einer ersten Studie im Jahre 1995 hat dasVMI eine neue Untersuchung zum Thema «Grab-spenden» realisiert. Anhand von Todesanzeigenin sechs schweizerischen Tageszeitungen wurdeeine Erhebung über das Ausmass und die Vertei-lung der Grabspenden durchgeführt. Grabspen-den können noch immer als Fundraising-Instru-ment mit einem grossen Wachstumspotenzialbezeichnet werden, allerdings eignet sich diesesInstrument nicht für alle Organisationen gleich-ermassen.

Der Wettbewerb um private Spendeneinnahmenverschärft sich immer mehr. Im Jahr 2002 verzeich-neten die rund 300 gemeinnützigen mit dem ZEWO-Spendensiegel ausgezeichneten Organisationen beiGesamteinnahmen in der Höhe von CHF 1,7 Milli-arden gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang desSpendenvolumens um 13 Prozent. Dieser akzentu-iert sich besonders deutlich bei den Einzelspenden.1

Mit rund 610 Millionen Franken, was einem Anteilvon 36 Prozent entspricht, handelt es sich bei derprivaten Zuschussfinanzierung jedoch noch immerum die wichtigste Finanzierungsquelle, gefolgt vonden öffentlichen Beiträgen mit 34 %. Die selbst-erwirtschafteten Einnahmen haben 2002 gering-fügig zugenommen, während die Mitgliederbeiträgesowie die Beiträge institutioneller Ressourcengeberleicht zurückgingen. Erneut zugenommen habendie Einnahmen aus Legaten. Diese sind im Vergleichzum Vorjahr um CHF 15 Millionen auf 90 Millionenangestiegen, was einer Zunahme von 20 % ent-spricht.2 Schätzungen gehen davon aus, dass hier-zulande jährlich CHF 150 Millionen als Legate angemeinnützige Organisationen fliessen.3

Definition der Grabspende

Als «Grabspenden» bezeichnet man jene finanziel-len Zuwendungen an Nonprofit-Organisationen(NPO), die aufgrund von Aufrufen in Todesanzeigeneinbezahlt werden. Im Rahmen des Fundraising sol-len Grabspenden als ein zusätzliches Instrument imFundraising-Mix einer Organisation betrachtet wer-den.4

Die Grabspenden haben mit Legaten einigesgemeinsam: Wie für ein Legat legt der Spender bzw.legen die Familienangehörigen fest, dass eine Orga-nisation im Falle seines Todes finanziell berücksich-tigt werden soll. Anders als bei Legaten stammt derBetrag jedoch nicht aus dem Vermögen des Verstor-benen, sondern wird von seinen Verwandten undBekannten aufgebracht, denen der Wille des Ver-storbenen via Leidzirkular und Todesanzeige mitge-teilt wird. Als eigentliche Grabspenden bezeichnenwir somit Einzahlungen an eine NPO in Erinnerungan einen Verstorbenen. Das Gemeinsame mit denLegaten ist der Wille des Gönners, bei seinem Tod eine gemeinnützige Organisation zu begünstigen,meistens besteht jedoch keine schriftliche vertrag-liche Vereinbarung. Der Ablauf einer Grabspendewird in Abbildung 1 schematisch dargestellt und imFolgenden näher erläutert.

Die einzelnen Phasen

Zuerst muss der potenzielle Gönner auf die Mög-lichkeit eines Spendenaufrufs aufmerksam gemachtwerden. Dabei sollte der Wunsch schriftlich fest-gehalten oder dem Umfeld mitgeteilt werden. Es gibtauch Personen, die ihre Todesanzeige selbst verfas-sen. Eine schriftliche Bemerkung im Testament istnicht hilfreich, da die Testamentseröffnung meisterst später erfolgt.

Nach dem Todesfall kommt mit dem Verfassen undPublizieren der Todesanzeige die entscheidende Phase. Es kann sein, dass Schritt 1 nicht eintrifft, d.h.dass sich der Verstorbene keine Gedanken über einen möglichen Spendenaufruf gemacht hatte.Dann liegt das weitere Vorgehen meistens bei denAngehörigen des Verstorbenen, die die Anzeige ver-fassen. Dies wird entweder zu Hause vorgenommen,um dann die Vorlage direkt am Schalter abzugebenoder per Fax an die Zeitung zu übermitteln. Oder

aber der Familienvertreter kommt unvorbereitet anden Schalter des Inseratedienstes einer Zeitung odereiner Inseratevermittlungsfirma und lässt sich beider Formulierung der Todesanzeige beraten. WeitereVermittlerfunktionen werden von Druckereien undvon Bestattungsinstituten wahrgenommen.

Nach telefonischen Aussagen von Personen, die beider Publicitas und bei verschiedenen TageszeitungenTodesanzeigen bearbeiten, kommen jedoch nurselten Personen unvorbereitet an den Schalter; diemeisten verfügen bereits über eine Vorlage. Bei derBeratung wird vor allem auf die Form, nicht aber aufden Inhalt der Anzeigen geachtet. Meistens wird nurnoch über das Format entschieden und die Voll-ständigkeit überprüft. Einige Stellen haben dafürChecklisten und Musterordner zur Hand. Auf dieMöglichkeit eines Spendenaufrufes wird aber nir-gends gezielt aufmerksam gemacht.

Somit liegt es normalerweise an der Familie, die Ideeeines Spendenaufrufs aufzugreifen. Viele Annahme-stellen haben dafür das ZEWO-Mitgliederverzeich-nis oder eine eigene Liste mit häufig benutzten Postcheckkonto-Nummern (insbesondere von regio-nalen Organisationen) zur Hand. Ist eine PC-Num-mer nicht bekannt, so wird gelegentlich auch zum Telefon gegriffen und diese für den Kunden ausfindig gemacht.

Ist der Aufruf erfolgt, so wird die begünstigte Organi-sation entweder durch die Verfasser der Todes-anzeige darauf aufmerksam gemacht, oder ein Mit-arbeiter der Organisation stösst auf den Aufruf in derZeitung. In der Regel wird man aber erst durch einemarkante Häufung der Zahlungen auf den Spen-denaufruf aufmerksam. Die Spendenden selber be-nützen dazu meist einen roten Einzahlungsschein,wo im Mitteilungsfeld der Name des Verstorbenenund die Adresse der Trauerfamilie vermerkt sind.

Die begünstigte NPO verbucht diese Einzahlungenals separate Spenden und verdankt sie direkt beimSpendenden. Wichtig ist auch die siebte Phase, beiwelcher die Trauerfamilien laufend oder nach Ab-schluss des Kontos einen Auszug mit der Auflistungaller Spendenden erhalten, sei dies mit der detail-lierten Nennung der einbezahlten Beträge oder miteinem Gesamtbetrag. Die Trauerfamilien bedanken

Fundraising

Grabspenden – Fundraising-Instrument mit Potenzial

Verbands-Management, 30. Jg., 2/2004

Robert Purtschert

Abbildung 1: Ablaufschema für Grabspenden (Quelle: Eigene Darstellung).

1. Wunsch für einen Spendenaufruf durchden Verstorbenen

2. Todesfall

3. Berücksichtigung des Wunsches desVerstorbenen oder Wunsch für einenSpendenaufruf durch die Trauerfamilie

4. Verfassen und Publizieren derTodesanzeige mit Spendenaufruf

5. Spende durch Verwandte, Bekannte und Firmen

6. Eingang der Spende und Erfassen der Adressen

7. Verdankung beim Spender und bei derFamilie des Verstorbenen durch die

Organisation

8. Verdankung beim Spender durch dieTrauerfamilie

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Schwerpunkt

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sich dann ihrerseits bei den Spendern für das so aus-gedrückte Gedenken an den Verstorbenen.

Die Häufigkeit der Aufrufe

Für die Untersuchung wurden folgende sechsschweizerische Tageszeitungen ausgewählt:

– «Basler Zeitung» BaZ

– «Der Bund» Bund

– «Freiburger Nachrichten» FN

– «Luzerner Zeitung» LZ

– «Neue Zürcher Zeitung» NZZ

– «St. Galler Tagblatt» StGT

Es handelt sich dabei um Zeitungen mit mehrheit-lich katholischer oder reformierter, mit eher länd-licher oder städtischer Leserschaft sowie einer natio-nalen oder regionalen Ausrichtung. Die Unterschie-de bezüglich der Sprachregionen wurden nichtuntersucht, diese Untersuchung beschränkte sichauf die Deutschschweiz.

Anhand der Sterbetafeln des Bundesamtes für Statis-tik wurden drei Monate ausgewählt, die bezüglichder Anzahl Todesfälle einigermassen im Durch-schnitt liegen. Die Wahl fiel auf die Monate Januar,Februar und März 2003.

Für jede der sechs Zeitungen wurden alle währenddiesen drei Monaten von Familien geschalteten Todesanzeigen erfasst, nicht berücksichtigt wurden Firmen- und Vereinsanzeigen, Danksagungen undGedenkanzeigen, die üblicherweise keinen Spen-denaufruf enthalten. Für jede Todesanzeige wurdendie folgenden Daten erfasst: Geschlecht und Alter

des Verstorbenen, Todesursache (gemäss Text), An-zahl Spendenaufrufe und Namen der Organisatio-nen. Es wurde ebenfalls untersucht, ob eineBemerkung in der Todesanzeige den Schluss zulässt,dass der Spendenaufruf auf ausdrücklichen Wunschdes Verstorbenen erfolgt. Die gewonnenen Datenwurden anschliessend systematisch ausgewertet undwerden im Folgenden erläutert.

Von den total 1844 erfassten Anzeigen enthalten ge-nau 884 (48 %) einen Spendenaufruf; 960 Anzeigen(52 %) weisen keinen Spendenaufruf auf. Die Anzei-gen mit Spendenaufruf und jene ohne stehen alsobeinahe im Verhältnis 1:1. Dieses Verhältnis ziehtsich mit bemerkenswerter Konstanz über die dreiuntersuchten Monate hinweg und deckt sich mitden Untersuchungen des VMI im Jahre 1995 als von1264 erfassten Anzeigen 644 einen Spendenaufrufenthielten (untersuchte Zeitperiode: zwei Monate).

Innerhalb der Gruppe der Anzeigen mit Spenden-aufrufen gibt es solche, welche zwei oder sogar dreiOrganisationen aufführen. 773 Anzeigen (42 %) erwähnen eine NPO, 110 Anzeigen (6 %) nennenzwei, und sechs Todesanzeigen verweisen auf dreiOrganisationen. Über alle Zeitungen hinweg werdensomit insgesamt 1011 Namen von Nonprofit-Orga-nisationen erwähnt. Pro Todesanzeige mit Spenden-aufruf ergibt dies einen Durchschnitt von 1,14 Nen-nungen von NPO. Auf die Grundgesamtheit von1844 Anzeigen bezogen ergibt sich eine durch-schnittliche Nennung von 0,55 NPO pro Anzeige.Oder anders ausgedrückt: Auf zehn Todesanzeigenfallen dank der Mehrfachaufrufe durchschnittlich5,5 NPO.

Eine weiterführende Analyse der Spendenaufrufe imJahr 1995 zeigte, dass diese mit zunehmendem Alterdes Verstorbenen tendenziell zunahmen. Währenddie Anzeigen ohne Spendenaufruf ein Durch-schnittsalter von 75,4 Jahren aufwiesen, waren es beijenen mit einem Aufruf 75,7 Jahre und bei jenen mitzwei Aufrufen bereits 79,4 Jahre.

Eine Auswertung der Spendenaufrufe nach Ge-schlecht ergab 1995, dass Todesanzeigen von männ-lichen Verstorbenen eine höhere durchschnittlicheAnzahl Nennungen von NPO aufwiesen. Währendbei weiblichen Personen 1995 49,1 % der Anzeigeneinen Spendenaufruf enthielten, waren es bei den

Männern 52,4 %. In der Studie von 2003 glich sichdas Verhältnis zwischen Frau und Mann aus, jeweils48 % der Anzeigen enthielten einen Spendenaufruf.Wie 1995 kam es auch im Jahr 2003 bei Männernhäufiger vor, dass mehr als eine NPO erwähntwurde.

Im Folgenden sollen die Unterschiede bei den ein-zelnen Tageszeitungen analysiert und interpretiertwerden (vgl. Abbildung 3).

Die grössten Unterschiede sind bei den Anteilen derTodesanzeigen mit Spendenaufruf zu beobachten,die in untenstehender Tabelle als Wahrscheinlich-keiten aufgelistet sind. Als tiefster Wert wurden 200331 % Anzeigen mit Spendenaufruf ermittelt, derhöchste Wert ist 64 %, die übrigen vier Werte liegenverstreut dazwischen. Die Freiburger Nachrichtenweisen mit 1,62 Nennungen pro Anzeige mit Spen-denaufruf einen sehr hohen Wert aus. Dieser erklärtsich dadurch, dass von 34 Anzeigen mit Spenden-aufruf deren 11 zwei Nennungen erhielten (34 An-zeigen mit 55 Nennungen). Es handelt sich hierwohl um einen statistischen Ausreisser, der durch diegeringe Anzahl Todesanzeigen begünstigt wurde.

Gründe für diese grossen Unterschiede

Die beste Erklärung ist wohl, dass die Tradition ineiner bestimmten Region oder Bevölkerungsschichtam meisten Einfluss ausübt. Wenn der Leser einerZeitung häufig solche Spendenaufrufe sieht, wird er beim Verfassen einer Todesanzeige eher die Mög-lichkeit eines Aufrufs in Erwägung ziehen. Betrach-tet man zum Beispiel die Leserprofile von NZZ undBund, so stellt man fest, dass eher vermögendere Bevölkerungsschichten diese beiden Zeitungen lesen. Somit liegt der Schluss nahe, dass in Todes-anzeigen von vermögenderen Personen eher einSpendenaufruf erfolgt.

Die grossen Unterschiede weisen auch auf das vor-handene Spendenpotenzial hin, das in einigenRegionen (z.B. Basel und Freiburg) nur schwach aus-geschöpft wird. Würde der Anteil der Todesanzeigenmit Spendenaufruf bei allen Zeitungen 64 % errei-chen, so hätten wir statt 888 Anzeigen (= 48 %) mitSpendenaufruf deren 1180 registriert. Es handeltsich hier also um einen Bereich des Fundraising, wodurchaus noch Potenzial vorhanden ist.

Verbands-Management, 30. Jg., 2/2004

Abbildung 2: Anzahl der Spendenaufrufe in den erfassten Ausgaben (Quelle: Eigene Darstellung).

Abbildung 3: Die Wahrscheinlichkeit eines Spendenaufrufs in den einzelnen Tageszeitungen (Quelle: Eigene Darstellung).

Anzahl Absolut Prozent

0 960 52%

1 oder mehr 884 48%

TOTAL 1844 100%

Zeitung BaZ BUND FN LZ NZZ StGT

1995 2003 1995 2003 1995 2003 1995 2003 1995 2003 1995 2003

Wahrscheinlichkeit, 0.35 0.37 0.70 0.64 0.29 0.31 0.60 0.58 0.66 0.55 0.50 0.39

dass eine Todes-

anzeige einen

Spendenaufruf

enthält

Nennungen pro 0.42 0.39 0.87 0.72 0.29 0.50 0.70 0.64 0.86 0.68 0.58 0.47

erfasste Anzeige

Nennungen pro 1.18 1.06 1.24 1.11 1.00 1.62 1.16 1.10 1.31 1.24 1.17 1.19

Anzeige mit

Spendenaufruf

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Schwerpunkt

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Die berücksichtigten Organisationen

Interessant ist, ob die Todesanzeigen Aufschluss überdie Beweggründe zur Wahl einer bestimmten NPOgeben. Leider sind hier keine eindeutigen Aussagenmöglich. In einer weitergehenden Analyse aus demJahr 1995 enthielten 542 Anzeigen (84 %) keineBemerkungen zur gewählten NPO.5 Lediglich 16 % (102) der Todesanzeigen, welche einen Spen-denaufruf enthalten, äusserten sich auch zur Wahlder NPO. Die gebräuchlichen Formulierungen lau-teten «im Sinne des Verstorbenen» (62 Mal), oder«auf Wunsch des Verstorbenen» (12 Mal). Es ist alsonur in 12 Fällen eindeutig erwiesen, dass der Ver-storbene selbst den Wunsch zu einem Spendenauf-ruf zugunsten einer bestimmten Organisationgeäussert hat. Diese Feststellung bestätigt die frühergeäusserte Vermutung, dass meist die Trauerfamilie(und nicht der Verstorbene) den Entscheid zu einemSpendenaufruf fällt.

In etlichen Fällen ist auch aus dem Text ein eindeu-tiger Zusammenhang zwischen dem Verstorbenenund der gewählten NPO ersichtlich. Beispielsweiseenthielt eine Anzeige einen Spendenaufruf für einAltersheim. Aus der Adresse des Verstorbenen wardann ersichtlich, dass dieser zuletzt in eben diesemAltersheim gewohnt hatte. Auch wenn viele Anzei-gen keine schlüssige Erklärung zur Wahl einer NPOzulassen, so lässt sich dennoch oft ein gewisser Zu-sammenhang erahnen. Wo Alters- und Pflegeheimeoder Spitex-Organisationen genannt werden, ist zuvermuten, dass die oder der Verstorbene zuletzt indiesem Heim wohnte bzw. von dieser Spitex-Orga-nisation gepflegt und betreut worden war. Genausoist zu vermuten, dass Organisationen der Kranken-hilfe und -forschung im Zusammenhang stehen mitder Krankheit, an der die Person gestorben ist. Sokann angenommen werden, dass die Krebsliga vorallem in jenen Fällen bedacht wird, wo eine Personan Krebs gestorben ist.

Meist fällt ein regionaler Bezug auf: In den meistenSpendenaufrufen wird eine NPO in unmittelbarergeografischer Nähe bedacht. Zum Beispiel beziehensich die Nennungen der Krebsliga meist auf kanto-nale Sektionen, die Schweizerische Krebsliga wirdnicht so oft genannt. Dasselbe gilt für die ProSenectute.

Um weiterführende Aussagen machen zu können,haben wir die genannten NPO klassifiziert. Dabeiwerden soziale, soziokulturelle, politische und wirt-schaftliche NPO unterschieden. Zusätzlich wurdeeine Gruppe «Andere NPO» gebildet, in der alle NPOaufgelistet wurden, deren Einteilung in eine der ge-nannten Gruppen Schwierigkeiten bereitete. Weiterwurde eine Gruppe «Unbestimmte NPO» gebildet,da der Spendenaufruf gelegentlich keine bestimmteOrganisation nannte, sondern beispielsweise die Bemerkung enthielt, man möge irgend einer «wohl-tätigen Institution» oder einer «gemeinnützigen Organisation» gedenken. In der folgenden Tabelleist aufgelistet, wie stark jeder die-ser Bereicheberücksichtigt wurde (vgl. Abbildung 4).

Deutlicher Spitzenreiter ist auch 2003 die Gruppeder sozialen NPO. 797 Nennungen (79 %) kamen ausdiesem Bereich. Die sozialen NPO werden weiter unten noch genauer aufgegliedert.

Zweitgrösste Gruppe mit 132 Nennungen (13 %) istjene der soziokulturellen NPO. Innerhalb dieserGruppe wird zwischen Kirche, Schulen, Kultur undFreizeit unterschieden, wobei diese Reihenfolgeauch gleich der Rangliste der Anzahl Nennungenentspricht. Besonders hervorzuheben sind die Kir-chen- und Kapellenrenovationen innerhalb derGruppe Kirche mit 19 Zähler und in der GruppeSchulen die 5 Spendenaufrufe für Kinderkrippen.Die meisten übrigen Organisationen in der Kate-gorie der soziokulturellen NPO werden nur ein- oderzweimal genannt. Schliesslich folgen die politischenNPO mit 20 Nennungen (2,6%). Sie lassen sich inBürgerinitiativen und Umweltschutz einteilen.Auch bekannte Organisationen wie WWF undGreenpeace erhalten nur 1 bzw. 2 Zähler.

Letztlich verbleiben all jene, welche sich nicht ein-deutig in das gewählte Schema einpassen lassen,oder die mangels detaillierter Informationen nichteingeordnet werden können. Hier finden wir 24 verschiedene NPO (3,1 %) aufgelistet, welche meistnur eine Nennung erhalten. Bei insgesamt 75 Spen-denaufrufen (9,8 %) wurde die Wahl der Organisa-tion dem Spender selbst überlassen. Sie wurden deshalb in die Gruppe «unbestimmte NPO» einge-teilt. In den Todesanzeigen fanden sich Aufrufe,

Verbands-Management, 30. Jg., 2/2004

Abbildung 4: Berücksichtigung der Organisationen nach Tätigkeitsgebieten (Quelle: Eigene Darstellung).

Zeitung BaZ Bund FN LZ NZZ StGT Total

% % % % % % %

Soziale NPO 165 83.5 110 83 42 93 267 76 113 73 100 77 797 79

Politische NPO 1 0.5 1 1 0 0 0 0 2 1.5 0 0 4 0.5

Soziokulturelle NPO 20 10 21 16 3 7 46 13 28 18 14 10.7 132 13

Andere NPO 3 1.5 0 0 0 0 0 0 2 1.5 2 1.5 7 0.5

Unbestimmt 8 4.5 0 0 0 0 40 11 9 6 14 10.7 71 7

Total 197 100 132 100 45 100 353 100 154 100 130 100 1011 100

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Schwerpunkt

34

man möge gemeinnützigen, wohltätigen oder «imDienste der Menschen stehenden» Organisationenund Institutionen gedenken. Es kam auch vor, dassder Kreis in dem Sinne eingeschränkt wurde, dassman «einer für den Frieden tätigen Organisation»,einer Behindertenorganisation oder einer jüdischenInstitution spenden soll.

Aufgrund ihrer überragenden Bedeutung wird dieGruppe der sozialen NPO in nachfolgender Tabelleweiter aufgegliedert (vgl. Abbildung 5).

Innerhalb der sozialen Organisationen stehen Kran-kenhilfe und -forschung (23 %) an erster Stelle,knapp vor Alters- und Pflegeheimen (18,5 %) undder Entwicklungshilfe. Ebenfalls häufig bedacht wer-den Spitex und Krankenpflege (13,0 %) sowie dieBehinderten- und Kinderhilfe (6 % bzw. 5 %). Aufden nächsten Plätzen folgen die Mission (4,5 %) unddie Armenhilfe/Fürsorge (4 %); die für die übrigen

Bereiche berechneten Werte betragen 3 % undweniger. Im Vergleich zu 1995 hat der Bereich derEntwicklungshilfe markant zugenommen (von 4,7auf 18 %). Dies hängt mit dem stärkeren Auftritt der«Médicins sans Frontières» (vgl. Tabelle: Am häufig-sten genannte Organisationen) zusammen, einer Organisation, welche der Entwicklungshilfe zu-gerechnet wird. Ausserdem wurden Organisationenim Bereich der Krankenhilfe-/forschung sowie Alters- und Pflegeheime markant häufiger mit Spen-den bedacht. Hier lassen sich die Zusammenhängezwischen dem Verstorbenen bzw. der Verstorbenenseinen/ihren Lebensumständen vor dem Ablebensowie der Todesursache und der begünstigten Orga-nisation sehr deutlich erahnen (vgl. Abbildung 6und 7).

Auf der Ebene der einzelnen Organisationen und Institutionen fallen einige Namen besonders auf,

wie obige Tabellen zeigen. Wie bereits 1995 führt dieKrebsliga die Tabelle der am häufigsten genanntenOrganisationen an. Ein Grund hierfür mag einerseitsin der hohen Zahl der an Krebs verstorbenen Perso-nen liegen, andererseits aber auch an der starken lokalen Verankerung der Organisation. Die meistenSpenden gehen denn auch nicht an die Schweize-rische Krebsliga, sondern an die jeweiligen lokalen

Sektionen. Die «Médecins Sans Frontières (MSF)»sind die grössten Gewinner in unserer Rangliste. Die1971 von Ärzten und einigen Journalisten gegrün-dete Organisation hat sich in den 80er und 90er Jahren zu einem internationalen Netz entwickelt,mit fünf operationellen Zentren in Europa und 13 nationalen Sektionen in Europa, Nordamerikaund Asien sowie einem internationalen Büro in

Verbands-Management, 30. Jg., 2/2004

Abbildung 5: Nennungen nach Kategorien der sozialen NPO 2003 (Quelle: Eigene Darstellungen).

Abbildung 6: Am häufigsten genannte Organisationen 1995 (Quelle: Eigene Darstellung).

Abbildung 7: Am häufigsten genannte Organisationen 2003 (Quelle: Eigene Darstellung).

Zeitung BaZ Bund FN LZ NZZ StGT Total

% % % % % % 2003 1995

% %

Entwicklungshilfe 33 20 34 31 1 2.5 30 11 28 25 16 16 142 18 4.7

Mission 3 2 0 0 2 4.5 24 9 3 2.5 4 4 36 4.5 5.3

Spitex, Krankenpflege 16 9.5 14 13 10 24 44 16.5 12 10.5 6 6 102 13 13.4

Alters- und 21 12.5 12 11 11 26 75 28 10 9 20 20 149 18.5 12.0

Pflegeheim

Krankenhilfe/- 43 26 28 25.5 13 31 48 18 28 25 25 25 185 23 15.6

forschung

Kinderhilfe/-heime 11 6.5 4 3.5 0 0 15 5.5 4 3.5 4 4 38 5 7.6

Behindertenhilfe/ 7 4 4 3.5 5 12 8 3 9 8 15 15 48 6 8.3

-heime

Blindenhilfe/-heime 6 4 5 4.5 0 0 6 2.5 4 3.5 1 1 22 3 2.3

Armenhilfe/Fürsorge 9 5.5 4 3.5 0 0 11 4 3 2.5 5 5 32 4 2.3

Berghilfe 6 4 4 3.5 0 0 4 1.5 11 10 0 0 25 3 1.7

Seniorenhilfe 1 0.5 1 1 0 0 2 1 1 0.5 4 4 9 1 1.8

Andere 9 5.5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 9 1 2.3

Total 165 100 110 100 42 100 267 100 113 100 100 100 797 100 100

Rang Organisation Anzahl

Nennungen

(2 Monate)

1. Krebsliga 50

2. Schweizerische Paraplegiker-Stiftung, Basel 14

3. Kinderspital Kantha Bopha, Dr. Beat Richner, Kambodscha 13

4. Pro Senectute 10

5. Schweizer Berghilfe, Adliswil 10

6. Stiftung für krebskranke Kinder, Basel 8

7. Antoniushaus, Solothurn 7

8. Kinderheim Titlisblick, Luzern 7

Rang Organisation Anzahl

Nennungen

(3 Monate)

1. Krebsliga 59

2. Médecins Sans Frontières 30

3 Kinderspital Kantha Bopha, Dr. Beat Richner, Kambodscha 27

4. Schweizer Berghilfe, Adliswil 19

5. Lungenliga 14

6. Alzheimer Vereinigung 11

7. Heilsarmee 9

8. Pro Senectute 8

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Schwerpunkt

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Brüssel. MSF wurde 1999 mit dem Friedensnobel-preis ausgezeichnet. Die 1981 in Genf gegründeteSchweizer Sektion ist eines der fünf operationellenZentren von MSF. In Anbetracht dessen erstaunt dasgänzliche Fehlen des Internationalen Roten Kreuzes(IKRK) in obiger Rangliste umso mehr. Wurde dasIKRK nicht einmal in einer Todesanzeige erwähnt,verzeichnete auch das Schweizerische Rote Kreuzmit seinen regionalen Sektionen nur gerade fünfNennungen. Auf Rang drei folgt wie bereits vor acht Jahren das Kinderspital Kantha Bopha von Dr. BeatRichner. Die Schweizerische Paraplegiker-Stiftunghingegen ist aus der Rangliste der acht meistge-nannten Organisationen verschwunden. Die Stif-tung wurde nur gerade einmal erwähnt. Die negati-ven Schlagzeilen in den Wochen und Monaten unmittelbar vor dem betrachteten Zeitraum Januar,Februar, März 2003 dienen da als mögliche Erklä-rungsursache. Interessanterweise scheint sich die negative Presse in erster Linie bei den privaten Ein-zelspenden bemerkbar zu machen. Bei den Mit-gliedsbeiträgen vermeldete die Stiftung 2003 nacheigenen Angaben eine neue Rekordgönnerzahl.564 000 Haushalte seien für das Jahr 2004 als Gön-ner registriert worden. Die Gesamteinnahmen derGönnerschaften belaufen sich dabei auf 25,5 Millio-nen Franken.6 Erneut unter den acht meistgenann-testen Organisationen befinden sich die Pro Senec-tute und die Schweizer Berghilfe.

Schlussfolgerung

Die Gewinnung von Grabspenden ist ein schwieri-ges Unterfangen. Noch immer haben viele Organisa-tionen grosse Berührungsängste bei diesem Thema.Auch hier gilt wie bei dem Legate-Marketing, dasskünftigen Gönnern bereits zu Lebzeiten entspre-chende Anreize geboten werden müssen. Auch beider Gewinnung von Grabspenden kommt der Posi-tionierung der Organisation eine entscheidende Bedeutung zu7, wie das Beispiel der «Médecins sansFrontières» zeigt. Diese Organisation hat es in denvergangenen Jahren geschafft, sich mit einer glaub-würdigen Positionierung im Bewusstsein der Bevöl-kerung zu verankern, was sich in einer markantenSteigerung der Grabspenden niedergeschlagen hat.Eine positive Wahrnehmung der Organisation ist also eine wesentliche Voraussetzung für den Fun-draising-Erfolg. Deshalb empfiehlt das FMM die Positionierung der Organisation als unverzichtbareGrundlage für den Fundraising-Erfolg.8 Aus Sicht derOrganisation gilt es, eine Vertrauensbasis zu schaf-fen, aus der anschliessend Solidarität entsteht undwelche schliesslich in einer Grabspende mündet.

Das Grabspenden-Marketing eignet sich nicht füralle NPO gleichermassen. Wie die Ergebnisse der Stu-die zeigen, werden in erster Linie soziale Organisa-tionen mit Grabspenden bedacht. Organisationenmit einer regionalen Verankerung fällt die Gewin-nung entsprechender Spenden einfacher. Ausserdemwerden in den Grabspenden Organisationen, welche

mit der Todesursache des Verstorbenen in Beziehung(Krebs-, Lungenliga) stehen oder welche bereits zu Lebzeiten mit dem Verstorbenen in Beziehungstanden (z.B. Alters-, Pflegeheime, Spitex etc.) mitVergabungen bevorzugt bedacht.

Fussnoten1 Dieser Rückgang erklärt sich zu einem grossen Teildurch den Wegfall der Spenden nach der Katastro-phe im Walliser Dorf Gondo im Jahr 2001.

2 Vgl. ZEWO 2003, S. 1.

3 Vgl. Amacher 2003, S. 56.

4 Vgl. Purtschert 2001, S. 403 ff.

5 Vgl. VMI 1995, S. 15.

6 Vgl. sda 2003, S. 14.

7 Vgl. Purtschert 2001, S. 403 ff.

8 Vgl. Schwarz/Purtschert/Giroud/Schauer 2002, S. 218 ff.

Verbands-Management, 30. Jg., 2/2004

Robert Purtschert/[email protected]

Der Autor

Professor Dr. Robert Purtschert, Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an derHochschule St. Gallen (lic. oec. HSG) und an der Universität Freiburg/CH (Dr. rer. pol.),1970/71 Visiting Lecturer für International Business am College for Business Administra-tion, University of Alabama (USA). 1973 bis 1980 Marketingleiter in einem Pharmaunter-nehmen. Ab 1980 beratend für Unternehmen und NPO tätig. 1985 Privatdozent an derUniversität Freiburg/CH, seit 1993 ausserordentlicher Professor, 1986 bis 2000 Geschäfts-führer der ehemaligen Forschungsstelle für Verbands- und Genossenschafts-Management(vorerst nebenamtlich). Seit 2001 Direktor des VMI.

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Literaturverzeichnis

Amacher, C., Tut Gutes, wir tun es auch, in: NZZ Folio, Nr. 11, November 2003, S. 56–61.

Purtschert, R., Marketing für Verbände und weitere Nonprofit-Organisationen, Bern; Stuttgart; Wien,2001.

Schwarz, P./Purtschert, R./Giroud, C./Schauer, R.,Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen, 4. Auflage, Bern; Stuttgart; Wien,2002.

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