tuberkulosegefahr für menschen in schwierigen alltagsverhältnissen

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ribosomalen Untereinheiten von Eubak- terien, die als Modellorganismen fu ¨r die verschiedenen Phasen der Proteinbiosyn- these dienen. Im Jahr 2000 bestimmte Ada Yonath in Zusammenarbeit mit dem Team am Max Planck Institut fu ¨ r Mole- kulare Genetik in Berlin mithilfe von ro ¨ ntgenkristallografischen Methoden die genaue dreidimensionale Struktur und Architektur der kleinen und großen Un- tereinheit und ihrer mit Antibiotika und anderen Faktoren verbundenen Komple- xe. Dies ermo ¨ glichte neue Erkenntnisse u ¨ ber den Katalyseprozess und den Weg der Proteinbiosynthese im Ribosom, der zur Bildung funktionsfa ¨ higer Proteine fu ¨ hrt. Harry Noller und sein Team entschlu ¨ ssel- ten als erste Forschungsgruppe weltweit die vollsta ¨ ndige Struktur eines Ribosoms des Bakteriums Thermus thermophilus. Darauf aufbauende Arbeiten fu ¨ hrten De- tails daru ¨ ber zutage, wie ein Ribosom die genetische Information in Form von mes- senger-RNA in die Synthese von Proteinen u ¨ berfu ¨ hrt. Methode Fu ¨ r ihre Forschungsarbeiten wendeten Ada Yonath und Harry Noller die Ro ¨ nt- genkristallografie an, bei der Kristalle des untersuchten Materials hochintensiven Ro ¨ ntgenstrahlen ausgesetzt werden. An- hand des dabei entstehenden Beugungs- musters, konnten die Wissenschaftler Ru ¨ ckschlu ¨ sse auf die exakte Struktur des Kristalls ziehen. Doch das Ribosom ist ein instabiler, riesiger RNA-Protein-Komplex, der nur schwer kristallisierbar ist und sich zudem im Vergleich zu anderem biologi- schen Untersuchungsmaterial wie zum Beispiel Viren dadurch auszeichnet, dass es keine innere Symmetrie oder Wieder- holungen aufweist, die das Versta ¨ ndnis einer Struktur erleichtern. Mit innovativen kristallografischen Techniken gelang es Ada Yonath und Heinz-Gu ¨ nther Wittmann dann 1980, ribosomale Kristalle herzu- stellen, die sich allerdings als zu emp- findlich fu ¨ r eine hochauflo ¨ sende Ro ¨ ntgenstrukturanalyse erwiesen. Des- halb fu ¨hrte Ada Yonath die Methode der Cryo-Kristallografie – die Messungen er- folgen bei Temperaturen von -1851 Cel- sius – ein und etablierte sie. Die Wissen- schaftlerin und ihr Team verwendeten so genannte ’’ Schwere Atome Cluster als Markierungen, die aufgrund ihrer hohen Elektronendichte wie Fa ¨ hnchen aus der ribosomalen Elektronendichtekarte her- ausstehen. Diese Markierungen erlauben eine exakte Lagebestimmung bestimmter Funktionseinheiten innerhalb des Ribo- soms. Das entstehende Bild ermo ¨ glicht einen genaueren Einblick in die mikroskopische Welt des Ribosoms, indem es besonders hervorstechende Eigenschaften deutlich macht. Ein besseres Versta ¨ ndnis fu ¨ r die Funkti- onsweise der ribosomalen Proteinbiosyn- these ko ¨ nnte zur Entwicklung einer neuen Generation von Antibiotika fu ¨ hren, die Bakterien auf der Ebene der Ribosomen angreifen ko ¨ nnen. Michael Schindler erhielt den Preis fu ¨r seine international beachteten Arbeiten zum Nef-Protein und dessen Bedeutung fu ¨ r die Entstehung von Aids. Am Uni- versita ¨ tsklinikum Ulm hat der Wissen- schaftler gemeinsam mit einem interna- tionalen Forscherteam eine der Ursachen dafu ¨ r gefunden, warum das humane Im- mundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) im Men- schen Aids hervorruft, wa ¨ hrend nahe verwandte Affenimmundefizienzviren (SIV, englisch: Simian Immunodeficiency Virus) ihre natu ¨ rlichen Affenwirte nicht krank machen. Im Rahmen seiner Doktorarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Kirchhoff, Universita ¨ t Ulm, konnte Michael Schindler jetzt zeigen, dass die meisten SI-Viren – im Gegensatz zu HIV-1 – die Aktivierung von infizierten T-Helfer-Zellen blockieren. Diese Eigenschaft ist wahrscheinlich fu ¨r beide Seiten von Vorteil: Das Virus kann im Affen lebenslang u ¨ berdauern (persis- tieren) und sich vermehren und der infi- zierte Affe entwickelt kein Aids. (SB) Tuberkulosegefahr fu ¨ r Men- schen in schwierigen Alltags- verha ¨ ltnissen Am 24. Ma ¨rz 2007 war Welt-Tuberkulose- Tag. Keine bakterielle Infektionskrankheit verursacht weltweit so viele Todesfa ¨ lle wie die Tuberkulose. In Europa ist die Ha ¨ufigkeit des Auftretens von Tuberkulo- se sehr unterschiedlich verteilt. Es besteht ein deutlicher Ost-West-Gradient mit mehr Erkrankungszahlen in osteuropa ¨ is- chen La ¨ ndern. In einer Großstadt wie Berlin fu ¨ hren Mi- grationseffekte zu einer Zunahme der Er- krankung. Zudem leben dort viele Men- schen in schwierigen Alltagsverha ¨ ltnissen (z.B. Obdachlose), mit einem hohen Risiko an einer Tuberkulose zu erkranken. Die Behandlung erfordert einen interdiszi- plina ¨ ren Ansatz, der nicht ausschließlich medizinisch sein darf: ’’ Der komplexe so- ziale, kulturelle und auch medizinische Hintergrund vieler tuberkulosekranker Patienten erfordert eine intensive Zusam- menarbeit zwischen A ¨ rzten, Sozialarbei- tern, karitativen Einrichtungen und den Gesundheitsbeho ¨rden’’, sagt Dr. Andres de Roux, Oberarzt in der Evangelischen Lungenklinik Berlin und verantwortlich fu ¨r die Betreuung der Tuberkulosepatienten. Die Lungenfachklinik in Buch besitzt eine langja ¨ hrige Expertise in der Behandlung Tuberkulosekranker. Ja ¨ hrlich werden ca. 60 Tuberkulosepatienten betreut. Ein Teilbereich der Infektionsstation ist aus- schließlich Tuberkulosepatienten vorbe- halten, so dass eine angemessene Isola- tion und Therapie gewa ¨ hrleistet ist. Auch 125 Jahre nachdem Robert Koch die Entdeckung des Tuberkuloseerregers vor der Physiologischen Gesellschaft in Berlin bekannt gab und 73 Jahre nach der Einfu ¨ hrung des ersten wirksamen Anti- tuberkulotikums hat die Erkrankung nichts von ihrem Schrecken verloren. Nach Scha ¨ tzung der WHO erkranken je- den Tag mehr als 20.000 Menschen an einer Tuberkulose und 5.000 sterben ta ¨ glich daran. Der aktuelle Berliner Ge- sundheitsbericht zeigt noch eine schein- bar stetige Abnahme der Tuberkulose- inzidenz pro 100.000 Einwohner in Berlin (1993: 23 pro 100.000 Einwohner, 2004: 10,5 pro 100.000 Einwohner). Doch schon innerhalb der Stadt gibt es erhebliche Unterschiede (Berlin-Mitte 19 pro 100.000 Einwohner, Steglitz/Zehlendorf 6,5 pro 100.000 Einwohner). Presseinformation Evangelische Lungenklinik Presseansprechpartner ELK Annett Kosche Lindenberger Weg 27 13125 Berlin Telefon 030/94802-547 [email protected] Krh.-Hyg. + Inf.verh. 29 Heft 3 (2007): 106–112 107 http://www.elsevier.de/khinf

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ribosomalen Untereinheiten von Eubak-terien, die als Modellorganismen fur dieverschiedenen Phasen der Proteinbiosyn-these dienen. Im Jahr 2000 bestimmteAda Yonath in Zusammenarbeit mit demTeam am Max Planck Institut fur Mole-kulare Genetik in Berlin mithilfe vonrontgenkristallografischen Methoden diegenaue dreidimensionale Struktur undArchitektur der kleinen und großen Un-tereinheit und ihrer mit Antibiotika undanderen Faktoren verbundenen Komple-xe. Dies ermoglichte neue Erkenntnisseuber den Katalyseprozess und den Weg derProteinbiosynthese im Ribosom, der zurBildung funktionsfahiger Proteine fuhrt.Harry Noller und sein Team entschlussel-ten als erste Forschungsgruppe weltweitdie vollstandige Struktur eines Ribosomsdes Bakteriums Thermus thermophilus.Darauf aufbauende Arbeiten fuhrten De-tails daruber zutage, wie ein Ribosom diegenetische Information in Form von mes-senger-RNA in die Synthese von Proteinenuberfuhrt.

Methode

Fur ihre Forschungsarbeiten wendetenAda Yonath und Harry Noller die Ront-genkristallografie an, bei der Kristalle desuntersuchten Materials hochintensivenRontgenstrahlen ausgesetzt werden. An-hand des dabei entstehenden Beugungs-musters, konnten die WissenschaftlerRuckschlusse auf die exakte Struktur desKristalls ziehen. Doch das Ribosom ist eininstabiler, riesiger RNA-Protein-Komplex,der nur schwer kristallisierbar ist und sichzudem im Vergleich zu anderem biologi-schen Untersuchungsmaterial wie zumBeispiel Viren dadurch auszeichnet, dasses keine innere Symmetrie oder Wieder-holungen aufweist, die das Verstandniseiner Struktur erleichtern. Mit innovativenkristallografischen Techniken gelang esAda Yonath und Heinz-Gunther Wittmanndann 1980, ribosomale Kristalle herzu-stellen, die sich allerdings als zu emp-findlich fur eine hochauflosendeRontgenstrukturanalyse erwiesen. Des-halb fuhrte Ada Yonath die Methode derCryo-Kristallografie – die Messungen er-folgen bei Temperaturen von -1851 Cel-sius – ein und etablierte sie. Die Wissen-schaftlerin und ihr Team verwendeten sogenannte

’’Schwere Atome Cluster

’’

alsMarkierungen, die aufgrund ihrer hohenElektronendichte wie Fahnchen aus derribosomalen Elektronendichtekarte her-

ausstehen. Diese Markierungen erlaubeneine exakte Lagebestimmung bestimmterFunktionseinheiten innerhalb des Ribo-soms.Das entstehende Bild ermoglicht einengenaueren Einblick in die mikroskopischeWelt des Ribosoms, indem es besondershervorstechende Eigenschaften deutlichmacht.Ein besseres Verstandnis fur die Funkti-onsweise der ribosomalen Proteinbiosyn-these konnte zur Entwicklung einer neuenGeneration von Antibiotika fuhren, dieBakterien auf der Ebene der Ribosomenangreifen konnen.Michael Schindler erhielt den Preis furseine international beachteten Arbeitenzum Nef-Protein und dessen Bedeutungfur die Entstehung von Aids. Am Uni-versitatsklinikum Ulm hat der Wissen-schaftler gemeinsam mit einem interna-tionalen Forscherteam eine der Ursachendafur gefunden, warum das humane Im-mundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) im Men-schen Aids hervorruft, wahrend naheverwandte Affenimmundefizienzviren(SIV, englisch: Simian ImmunodeficiencyVirus) ihre naturlichen Affenwirte nichtkrank machen.Im Rahmen seiner Doktorarbeit unter derLeitung von Prof. Dr. Frank Kirchhoff,Universitat Ulm, konnte Michael Schindlerjetzt zeigen, dass die meisten SI-Viren –im Gegensatz zu HIV-1 – die Aktivierungvon infizierten T-Helfer-Zellen blockieren.Diese Eigenschaft ist wahrscheinlich furbeide Seiten von Vorteil: Das Virus kannim Affen lebenslang uberdauern (persis-tieren) und sich vermehren und der infi-zierte Affe entwickelt kein Aids.

(SB)

Tuberkulosegefahr fur Men-

schen in schwierigen Alltags-

verhaltnissen

Am 24. Marz 2007 war Welt-Tuberkulose-Tag. Keine bakterielle Infektionskrankheitverursacht weltweit so viele Todesfallewie die Tuberkulose. In Europa ist dieHaufigkeit des Auftretens von Tuberkulo-se sehr unterschiedlich verteilt. Es bestehtein deutlicher Ost-West-Gradient mitmehr Erkrankungszahlen in osteuropais-chen Landern.

In einer Großstadt wie Berlin fuhren Mi-grationseffekte zu einer Zunahme der Er-krankung. Zudem leben dort viele Men-schen in schwierigen Alltagsverhaltnissen(z.B. Obdachlose), mit einem hohen Risikoan einer Tuberkulose zu erkranken. DieBehandlung erfordert einen interdiszi-plinaren Ansatz, der nicht ausschließlichmedizinisch sein darf:

’’Der komplexe so-

ziale, kulturelle und auch medizinischeHintergrund vieler tuberkulosekrankerPatienten erfordert eine intensive Zusam-menarbeit zwischen Arzten, Sozialarbei-tern, karitativen Einrichtungen und denGesundheitsbehorden’’, sagt Dr. Andresde Roux, Oberarzt in der EvangelischenLungenklinik Berlin und verantwortlich furdie Betreuung der Tuberkulosepatienten.Die Lungenfachklinik in Buch besitzt einelangjahrige Expertise in der BehandlungTuberkulosekranker. Jahrlich werden ca.60 Tuberkulosepatienten betreut. EinTeilbereich der Infektionsstation ist aus-schließlich Tuberkulosepatienten vorbe-halten, so dass eine angemessene Isola-tion und Therapie gewahrleistet ist.Auch 125 Jahre nachdem Robert Koch dieEntdeckung des Tuberkuloseerregers vorder Physiologischen Gesellschaft in Berlinbekannt gab und 73 Jahre nach derEinfuhrung des ersten wirksamen Anti-tuberkulotikums hat die Erkrankungnichts von ihrem Schrecken verloren.Nach Schatzung der WHO erkranken je-den Tag mehr als 20.000 Menschen aneiner Tuberkulose und 5.000 sterbentaglich daran. Der aktuelle Berliner Ge-sundheitsbericht zeigt noch eine schein-bar stetige Abnahme der Tuberkulose-inzidenz pro 100.000 Einwohner in Berlin(1993: 23 pro 100.000 Einwohner, 2004:10,5 pro 100.000 Einwohner). Doch schoninnerhalb der Stadt gibt es erheblicheUnterschiede (Berlin-Mitte 19 pro100.000 Einwohner, Steglitz/Zehlendorf6,5 pro 100.000 Einwohner).

Presseinformation EvangelischeLungenklinikPresseansprechpartner ELKAnnett KoscheLindenberger Weg 2713125 BerlinTelefon 030/[email protected]

Krh.-Hyg. + Inf.verh. 29 Heft 3 (2007): 106–112 107http://www.elsevier.de/khinf