trf_03

14

Upload: rawcut-design-studio

Post on 25-Mar-2016

213 views

Category:

Documents


0 download

DESCRIPTION

A small sneak preview of the coming The Red Flag Magazine Volume 3

TRANSCRIPT

Page 1: TRF_03
Page 2: TRF_03

Wenn er kreiert, kennt er nichts, was zu verrückt sein könnte, sagte der aus Trier stammende Avantgarde-Designer Bernhard Willhelm einst. Heute lebt er in Belgien, wo er auch die Royal Academy of Fine Arts besuchte.Praktika bei Grössen wie Vivienne Westwood, Walter van Beirendonck und Alexander McQueen haben ihm zu seinem eigenen Stil verholfen. Seit seiner ersten Kollektion, die er 1999 in Paris einem entsetzten Publi-kum, das den in den 90er Jahren vorherrschenden Minimalismus erwarte-te, überrascht und provoziert er. Vor einer Show in Paris sammelte er einst nur wenige Stunden davor Mo-dels, die später seine Mode präsentieren sollten. Seine Kollektionen sind stets bunt, laut und schräg. Ein roter Faden, der sich jedoch unentwegt durchzieht, sind die Motive Affenhand und Küchenmesser, die er auf Eti-ketten und Preisschildern anbringt. Berhard selbst hält sich für einen recht lästigen Menschen, der manchmal gerne böse ist. Er spricht unentwegt über Sex und redet offen über Drogenkonsum. Er verbringt zu viel Zeit im Fitnessstudio und ist wenn er hungrig ist alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse. Böse Zungen würden behaupten, Willhelm sei eine launische Diva. Wer auch immer hinter der inszenierten Fassade Willhelm stecken mag, es gelingt ihm, mit seiner Mode Grenzen zu überschreiten und Kunst zu schaffen. In der Herbst- / Winterkollektion 09/10 für Männer vermischt er verschie-denste Sportarten zu einem skurrilen, trashigen Potpourri aus diversen Textilien, Farben und Silhouetten. Dagegen ist seine neueste Damenkol-lektion viel leiser. Fliessende Stoffe, schmale Silhouetten und lange Kleider und Röcke aus Plissée dominieren. Willhelm liess sich von der allgegenwär-tigen Wirtschaftskrise inspirieren. Er verarbeitet seine Gedanken in einem Patchwork aus Slogans, die er auf Fahnen und Stoffe sprüht, Dollars, die er auf die Stirn der Models klebt und Kartenhäuser als Hüte umfunktioniert. Diese Kollektion wird von einer Sonnenbrillenkollektion begleitet, die in Zusammenarbeit mit den Berliner Eyewear Couturiers Mykita entstand. Die beiden Modelle – Uschi, die eckige und Janis die runde Brille – sind ab Juni 2009 in drei verschiedenen Styles erhältlich.

bernharD WillhelM

Page 3: TRF_03

Branquinhos Mode steht für starke Frauen, die trotzdem eng mit ihrem inneren Empfindungen und Gefühlen verbunden sind. «Für Frauen, die etwas Weiches, Weibliches haben», wie sie selbst sagt. Dieser Zwiespalt begleitet seit dem Launch ihres eigenen Labels im Jahre 1997 ihre Kollek-tionen. Bereits im darauf folgenden Jahr wurde die geborene Belgierin mit dem VH1 Fashion Award als beste Designerin ausgezeichnet. Vor ihrem Modedesignstudium an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen begann sie ein Kunststudium an der Saint Lucas Arts School in Brüssel, das ihren Stil massgeblich geprägt haben soll. Dieser enthält immer etwas Nostalgisches, Romantisches. In ihrer Herbst- / Winterkollektion 09/10 für Damen stellte sich die 36jährige eine heissblütige Eiskönigin vor. Wie diese Eiskönigin aussieht? Sie trägt nur feinste Materialien von Seide über toskanische und mongolische Lammwolle bis hin zu Straussenfedern. Die Form von Eiskristall bildet das zentrale Element der Silhouette und des Schnitts und findet sich in Mänteln, Kleidern und Sweatern wieder. Warme Weisstöne und Elfen-bein treffen auf Schwarz und Grau. Dieselbe Themenwelt spiegelt sich auch in ihren Accessoires wieder: handgestrickte Schals, Handschuhe aus Nappaleder mit Besätzen aus mongolischer Lammwolle, hohe Stiefel mit verdecktem Plateau. Véronique ist bekannt für die musikalische Inszenierung ihrer Shows. Die musikalische Untermalung spielt eine grosse, nicht selten autobiographi-sche Rolle. Mal spielte Tom Barman «Where do you go to (my lovely)» von Peter Sarstedt, ein andermal sang Kate Bush für sie – eine ihre Lieb-lingssängerin. Manchmal ist sie eifersüchtig auf Maler und Musiker, die ihre Stücke herausbringen können, wenn sie das Gefühl haben, dass sie fertig sind. Sie selbst hat manchmal das Gefühl, dass einige ihrer Werke unfertig wirken: «dann ist das eben so». Betrachter ihrer Kollektionen hatten bislang nie das Gefühl, etwas Unfertiges zu sehen. Im Gegenteil. Seit 2003 entwirft sie auch eine Herrenkollektion. Sie empfindet das Ent-werfen für Männer als ein interessantes Spiel, weil sie dabei überlegt, was an ihnen sexy aussehen könnte. «Nur leider sind die Männer, die ich toll finde in der Regel nicht besonders modeaffin, das macht die Sache ein bisschen kompliziert.»

VÉroniQUe branQUinho

50 ::51 DE

SIGN

Page 4: TRF_03

hinter dem label beige stehen die beiden Textildesignerin-nen Manuela helg und Karin Maurer. Ursprünglich sind sie gelernte Dekorationsgestalterinnen, studierten dann aber gemeinsam an der hochschule für gestaltung in Zürich und schlossen im Fachbereich Textildesign erfolgreich ab. Darauf riefen sie 1996 ihr label beige ins leben. Das la-bel ist mittlerweile zur arbeits- und Präsentationsplattform avanciert.

BeigesWiss sTYling

Den Grund ihr Label ausgerechnet Beige zu nennen, erläutern sie pragmatisch: «...die Farbe polarisiert. Einerseits steht sie für Eleganz, andererseits für Bieder-keit.» So sehen sie beim Gedanken an Beige auch «...ein leeres Blatt Papier, das förmlich darauf wartet, bearbeitet und bemalt zu werden...» So sei das auch mit ihren Stoffen, welche sie selber entwerfen. Mit einer grafischen Bildsprache und unkonventionellen Strickdesigns haben die beiden ihren eigenen Stil entwickelt und gefunden. Ihre Kollektion sind seit 2001 in ihrem Ladenlokal zu begutach-ten. Dass Stoffe nicht zwingend einen Köper zieren müssen, beweisen Beige mit ihrem Interior-Design. Stilvolle Strickdecken und Kissen mit klangvollen Namen wie «Chic» oder «Lauren» dienen zur Aufwertung des Wohn- oder Schlafzimmers. Ihre Kreativität lebt das Duo auch in Auftragsarbeiten aus. So sind bereits T-Shirts für Bands, Bierbrauereien oder Innengestaltungen für Clubs entstanden. Wie bei anderen Labels rundet auch bei Beige eine Serie von Accessoires das Portfolio ab. Bei den Beige Kleiderkollektionen spiele Qualität und Tragkomfort eine grosse Rolle. So werde für Winterkollektionen vorwiegend Merinowolle und für Sommerkollektionen Baumwolle verwendet. Für den Sommer 09 wartet Beige mit der Kollektion «Querida mía!» auf: « Sehnsucht, Stolz und Tradition.» Mit spanischem Charme und modernem Zeitgeist strahle die Kollektion mit ihren transparenten Stoffen, changierenden Oberflächen und feinen Karos weibliches Selbstbewusstsein aus.

www.beige.ch

BIldmaTERIal Beige : : TEXT Dan Nessler

Page 5: TRF_03

22 :: 23 FASH

ION

* Bis 17 Uhr hat der Beige Shop in Zürich am Samstag geöfnet.

17

Page 6: TRF_03

Der Rock wurde als Provokation oder Ausdruck einer allgemeinen Respektlosigkeit wahrgenommen, erst drei Jahre nachdem ihn 1962 die britische Vogue ablichtete, ist der Minirock zum weltweiten Ver-kaufsschlager avanciert. Manchmal braucht es also einige Jahre, bis eine gewisse Mode verstanden, aufgenommen und von der Masse ver-arbeitet wird. Um allerdings heute Aufsehen zu erregen, ist es nicht damit getan, die Rocklänge enorm zu verkürzen oder Frauen Hosen anzuziehen. Es bedarf einen kritischen Menschenverstand, Ironie, Mut und viel-leicht ein bisschen Wahnsinn, um sich als Modeschöpfer einen Namen zu machen. Einigen Kreativen gelingt es, sich mit ihren Werken her-vorzuheben und damit eine einzigartige Schnittstelle von Mode und zeitgenössischer Kunst zu schaffen. Einer der Grossmeister dieser Symbiose ist der belgische Designer Martin Margiela. Bereits sein Vorgehen weicht stark von dem Perso-nenkult ab, den andere Modehäuser um den Designer betreiben. Um die Aufmerksamkeit auf das Produkt zu lenken, tritt Margiela nie öf-fentlich auf – es ist auch kein Portrait des Schöpfers im Umlauf, kein Journalist hat ihn jemals zum Interview getroffen. Zu diesem kompro-misslosen Verhalten gehört auch, dass das Maison Martin Margiela ohne Label und Schriftzug arbeitet. Das weisse, rechteckige Etikett ist mit weissem Faden und vier Stichen an die Innenseite des Kleidungs-stücks genäht, Margiela verzichtet damit gewissermassen auf eine Art Signatur seiner Werke. Margielas Models (die meist alles andere als bekannte Topmodels sind) tragen künstliche, lange Ponys, Strumpf-masken oder die Sonnenbrille «Incognito», die wie ein schwarzer Bal-ken auf den Augen liegt, um die Privatsphä-re zu wahren. Die Kollektio nen von Maison Martin Mar-giela bricht mit den Tabus der Branche: Gebrauchsspuren, die auf Alter und Verfall verweisen werden hervorgehoben, aus wol-lenen Militärsocken wird ein Pullover, aus Porzellanscherben eine Weste. Die Krea-tionen sind ähnlich zeitaufwändig wie die Herstellung von Haute Couture, die Materialien jedoch Secondhand bis Abfallprodukte. Im Jahr 2001 persiflierte Margiela den standardi-sierten Körper. In seiner Frühjahrskollektion für Damen arbeitete er mit Übergrössen, die auf die italienischen Herrengrössen 78 und 80 zurückgehen. Bereits in der Herbst-/ Winterkollektion 1994-95 ba-

sierten seine Artikel auf Puppenkleidung, wie sie ursprünglich für Ken und Barbie oder GI Joe gefertigt wurde, und von Margiela masstabsgetreu auf menschliche Dimension vergrössert worden war. Durch die massstabsgetreue Vergroesserung wurden etliche Unstimmigkeiten und Fehlproportionen sichtbar. Druckknöpfe und Reissverschlüsse wirken geradezu monströs; auf die letzte handwerkliche Präzision wird bei Puppenkleidung verzichtet, um die Herstellungs-kosten niedrig zu halten. Reste von Fäden werden nicht abgeschnitten, Nähte am Kragen oder Rücken bleiben teilweise offen, auch bei Maison Martin Margiela. All das wirkt gleichzeitig komisch und beunruhigend, ist ausserdem zum gewollten Stilmittel Margielas geworden.

Für Körperskulpturen und seinen technoiden Stil ist der japanische Desig-ner Issey Miyake bekannt. Er gilt als Meister der Falten und schafft einfach geschnittene Modelle aus knitterfreien, dehnbaren Polyester-Plissées, die konstruiert wirken aber dennoch bequem zu tragen sind. Von industriellen Themen wie der Raumfahrt liess sich auch der Baske Paco Rabanne inspirieren und galt in den 60er Jahren als «Klemptner» der Mode-branche. Unterschiedlichen Biografien zufolge soll Rabanne im Alter von 7 Jahren eine Art «übernatürliche Vision» gehabt haben die ihm die Zukunft der Welt vorhergesagt haben soll. In der Kindheit ausserdem vom Futu-

rismus und Konstruktivismus geprägt schuf er seine weltbekannten «Kettenhemden», die aus unzähligen Ringen, Scheiben und anderen Metallobjekten bestehen.Der zypriotische Designer Hussein Chalayan geht noch einen Schritt weiter. Das Londoner Design Museum zeigt derzeit Chalayans grösste Werke in einer Ausstellung, die unter dem Titel «From fashion and back» läuft. Der Creative Director von Puma steht für die innova-

FashionTEXT Tina Heindel, NRW-Forum Düsseldorf, Design Museum London : : PhoTos Haus der Kunst München

goes arT

revoluzzer gibt es in der Modebranche viele. als eine gewisse Mary Quant in den 60er Jahren den Minirock «erfand», stand die Welt Kopf.

Als «postatomaren Fetzen-Look» oder «Hiroshima-Chic»

bezeichneten Kritiker die erste in Paris gezeigte Prêt-

à-porter-Kollektion des Hau-ses Comme des Garçons.

Page 7: TRF_03

22 :: 23 FASH

ION

tive Nutztung modefremder Materialien und die progressive Einstellung gegenüber neuer Techno-logie. «Einige meiner Kleider könnte man auch einfach an die Wand hängen», sagte der Designer einst. Die Ausstellung in London zeigt 15 Jahre experimenteller Projekte des Künstlers. In seiner Kollektion «Afterwords» arbeitete Chalayan an einer tragbaren Architektur der Kleidung. Kon-struierte Silhouetten und Details stehen hier im Vordergrund. Mit «Airborne» überraschte er mit über 15.000 leuchtenden LED-Lämpchen, die wie kleine Diamanten funkeln, und mit seiner «Readings»-Kollektion übertraf er sich erneut, indem er den Betrachter von 200 Laserstrahlen blenden lässt. Weniger Technik dafür aber eine enorme Leiden-schaft für skulpturale, experimentelle Kleidung zeigt das Niederländische Designer-Duo Viktor & Rolf regelmässig auf seinen Schauen. Vor zehn Jahren stellten sie eine ihrer ersten Haute Cou-ture Kollektionen vor, die den Namen «Atomic Bomb» trug. Die Models konnten ihre Köpfe in den riesigen Kragenvariationen kaum drehen, allgemein spielte Volumen gepaart mit Kugelfor-men eine zentrale Rolle. Horsting und Snoerens Interpretation einer Atombombe eben. Als «postatomaren Fetzen-Look» oder «Hiroshi-ma-Chic» bezeichneten Kritiker die erste in Pa-ris gezeigte Prêt-à-porter-Kollektion des Hauses Comme des Garçons. Designerin Rei Kawakubo überraschte mit unförmigen Kutten, die von Tau-en anstatt Gürteln gehalten waren. Im Gegensatz zur westlichen Mode löste sich Kawakubo von der Silhouette und widersprach dem geltenden Schönheitsideal mit ihrer Frühjahrskollektion aus dem Jahr 1997, in der sie durch Wattierungen Buckel und Wülste auf den Kleidungsstücken an-brachte. Die Designerin sagt selbst, dass sie mit jeder Kollektion unzufrieden sei, die den Men-schen sofort gefiele, da sie dann annehmen müsse, den Betrachter nicht genug gefordert zu haben. Dass Mode und Kunst Bereiche sind, die längst miteinander verschmolzen sind, bewies Rei Ka-wakubo spätestens im April 2008, als sie ihren Comme des Garçons Guerilla Store, der jeweils ein Jahr in verschiedenen Städten auftaucht, in-nerhalb der Ausstellung «Radical Advertising» im Düsseldorfer NRW Forum eröffnete und da-mit zum ersten Mal einen Guerilla Store in einen musealen Kontext setzte.

22 :: 23 FASH

ION

Page 8: TRF_03

TEXT Tina Heindel

Der einzelhandel ist längst keine branche mehr, in der es lediglich um das anbieten von Ware und beratung zu den Produkten geht. «Der Kun-de ist König» lautet die Philosophie der händler. König zu sein reicht allerdings nicht mehr. Der Kunde will während des einkaufs überrascht, ver-führt und inspiriert werden. in den europäischen Metropolen und aber auch Kleinstädten gibt es einige stores, denen dieses gesamtkonzept ge-lingt. Der store «Walter» in antwerpen, das haus «bründl intersport» in Kaprun, «Theresa» in Mün-chen und «10 Corso Como» in Mailand haben es geschafft, ihr erfolgreiches Konzept umzusetzen und haben sich damit den Titel «europe’s leading retailer stores» redlich verdient.

EUROPE’S LEADING RETAILER STORES

Page 9: TRF_03

Kein geringerer als Karl lagerfeld bezeichnet Colette als seinen lieblingsstore: «...weil ich dort immer Dinge finde, die ich noch nirgendwo sonst gesehen habe».

Das 1997 eröffnete Lifestyle-Imperium ist die Adresse für Cutting Edge Designer Mode und Streetwear in Europa. Neben Mode von Burberry Prorsum, Jeremy Scott, Lutz & Patmos, Hussein Chalayan und Bless werden Shirts der Marken Fucking Awesome, Heroin and Ice Cream und Goodenough auf drei Etagen angeboten. Ausserdem befindet sich auf den 740 qm Ladenfläche eine Water Bar, die 100 verschiedene Sorten Mineralwasser anbietet, ein Restaurant und eine hauseigene Kunstgalerie. Colette ist die französische Mutter der Trendboutiquen und hat demnach seinen eigenen Duft .

COLETTE, PARIS

Colette213 Rue Saint-Honoré 75001 Paris, Frankreich

10 ::11 TR

EN

DLA

B

TEXT Eva Maria Frank : : PhoTos William Sneig

Page 10: TRF_03
Page 11: TRF_03

Joel bezeichnet sich selber als jemanden, der zur schi-zophrenie neige. Was er uns präsentierte und wir dem leser weitergeben, sagt mehr als ein mit superlativen und geschwol-lenen adjektiven und beschrei-bungen vollgestopftes selbst-portrait. hier ist es deshalb: ein interview von Joel eschbach, mit Joel eschbach und über Joel eschbach aka. «The Um-brella Kid»!

Joel, du arbeitest unter einem Pseudonym: «The Umbrella Kid». Aus welchen Gründen?Der Reiz liegt in der Anonymität, die man mit einer neuen Identität gewinnt und Erste-res verstehe ich als Synonym für Freiheit.

Wie bist du auf «The Umbrella Kid» ge-kommen?Ich verspürte schon immer eine gewisse Af-finität zu Schirmen. Sie faszinieren mich sowohl als Symbol für Schutz, als auch auf-grund Ihrer asymmetrischen Beschaffenheit. Als kleiner Spross konnte ich bei Regen stun-denlang in der Stadt verweilen und aus der Vogelperspektive die nicht enden wollende Schirmflut bestaunen. Natürlich ebenfalls unter einem Regenschirm. Im Grunde ge-nommen bin ich noch immer ein Siebenjähri-ger gefangen in einem 23 Jahre alten Körper. Das versinnbildlicht schätzungsweise auch das «Kid» in «The Umbrella Kid».

Woraus schöpfst du Inspiration?In meinem Leben offenbart sich Inspiration wie ein Phantom und dessen Oper wäre dann wohl das Chaos meines Lebensstils. Daher gelingt es mir meist auch nicht festzustellen, woher sie kommt und wie sie zu mir findet. Ich befasse mich jedoch intensiv mit Berei-chen der Architektur, Geometrie und des Kubismus, was sich letztendlich sicherlich in meiner Bildsprache niederschlägt. Imponiert haben mir zudem die Arbeiten M.C. Eschers, speziell seine perspektivischen Unmöglichkeiten, wie sie beispielsweise in den Metamorphosen I, II & III zu sehen sind. Ich wünschte ich könnte fotografieren was er in seinen Zeichnungen erschuf. Was meine Konzepte und Bildtitel betrifft, beziehe ich mich oftmals auf Metaphern aus der Bibel, die ich dann in den Bildkompositi-onen abstrahiere. Aber wie bereits erwähnt: Die Quellen mei-ner Visionen bleiben mir unergründlich. Den letzten Geistesblitz hatte ich gar in einer Ausnüchterungszelle.

Eine Muse hast du noch nicht gefunden?Doch, sie hört auf den Namen Annkey und ist ein unersetzbarer Bestandteil meiner Werke.

Wie verläuft ein typischer Arbeitstag des Schirmjungen?Die Kurzform lautet etwa so: Zu Trash Metal frühstücken. E-Mails ab-rufen. Konzept- und Recherchearbeiten vornehmen. Location wählen. Annkey und die 7Alliance mobilisieren. Filme einlegen. Kameraausrüstung verstauen. Zur Location pilgern. Set vorbereiten. Zelluloid belichten. High Fives verteilen. Negative ins Labor schaffen. Ramon im Tattoo Studio aufgabeln. Die nächste Miniramp aufsuchen. Bis in die

Dämmerung skaten. Nach Hause flanieren. Dinieren. Schlafen. In dieser Reihenfolge.

Du arbeitest ausschliesslich im Bereich der analogen Fotografie. Wie stehst du zur digitalen solchen?Ich konnte mich bis dato nicht mit ihr anfreunden. Hätte ich die Möglichkeit, ohne finanzielle Einbussen den Abzug zu betätigen, würde ich Gefahr laufen, unüberlegt um mich zu knipsen und so den Eindruck einer ungewollten Schnappschuss- Ästhetik er-wecken. Ausserdem mag ich den ganzen Prozess vom Einlegen des Films bis zum Gang ins Labor und die Vorfreude auf das Endresultat, die damit verbunden ist. Ich verstehe mich als junger Repräsentant der alten Schule.

Hast du Fotografie studiert oder eine Ausbildung in diese Richtung absolviert?Nein, ich bin überzeugter Autodidakt. Mal abgesehen vom technischen Aspekt kann man Fotografie im schöpferischen Sinne nicht erlernen, zumal meiner Meinung nach kein Richtig oder Falsch existiert.

Was geschieht mit deinen Bildern? Publikationen? Ausstellungen?Mein Hauptaugenmerk ist hauptsächlich auf Ausstellungen gerichtet, da ich an diesen den grösst möglichen Einfluss darauf habe, wie meine Bilder präsentiert werden. Ferner schätze ich es sehr, die Reaktionen des Betrachters auf meine Arbeiten beobachten zu können. Ansonsten bemühe ich mich um Publikationen in Magazinen, die in der Regel eine grössere Resonanz versprechen.

Kommerzielle Aufträge nimmst du keine entgegen?Bis dato nicht. Eine Zusammenarbeit mit einem Kunden setzt zwangs-läufig eine hohe Kompromissbereitschaft voraus, und was meine Foto-grafie betrifft, kann ich eine solche schlichtweg nicht gewährleisten. Ich bin aber durchaus offen für Vorschläge.

Welcher Song sollte durch die Kopfhörer schallen, während man deine Bilder betrachtet?Black Sabbath's «Supertzar».

Und was hast du gerade in den Ohren?The Doors mit «The End».

auf anfrage der redaktion an Joel eschbach, eine biografie über ihn selber zu liefern, hatte dieser einen unerwartete antwort parat. Diese hat uns dermassen vom hocker gehauen, dass wir sie dem leser nicht vorenthalten und sie so wie sie gekocht wurde, unverändert servieren!

Joel EschbachaKa. The UMbrella KiD

INTERVIEW/TEXT/foTos Joel Eschbach

theumbrellakid.com

10 ::11 AR

T

Page 12: TRF_03
Page 13: TRF_03

10 ::11 AR

T

Page 14: TRF_03