theory of mind - department psychologie · theory of mind sozial-kognitive entwicklung seminar...
TRANSCRIPT
THEORY OF MIND
Sozial-kognitive Entwicklung
Seminar „Vertiefung in Entwicklungspsychologie“Dozent: Dipl.-Psych. Susanne Kristen
Referentin: Sabine Beil
06.12.2010
Gliederung
1. Definition und Testparadigma
2. ToM-Entwicklung im dritten und vierten Lebensjahr – eine zweistufige Entwicklungssequenz
3. Hirnphysiologische Basis der ToM
4. „Neural Correlates of Belief- and Desire- Reasoning“ (Liu, Meltzoff & Wellman, 2009)
1. Definition und Testparadigma
Definition einer Theory of Mind:alltagspsychologische Konzepte, die uns dazu befähigen, uns selbst und anderen mentale Zustände zuzuschreiben
● Zuschreibung mentaler Zustände erlaubt Handlungserklärung und -vorhersage.
● Besonders von Bedeutung bei Diskrepanz zwischen Realität und mentaler Repräsentation➔ falsche Überzeugungen sind handlungsleitend.
● Für korrekte Handlungsvorhersage ist die Erschließung der (falschen) Überzeugungen des Handelnden nötig.
Abgrenzung:
● Physikalisches Wissen: Repräsentation der physikalischen Welt
● Mentalistisches psychologisches Wissen: Wissen darüber, wie Menschen die Welt repräsentieren
Experimentelles Paradigma zur Prüfung einer ToM bei Kindern
Überlegung:Für Prüfung sind nur solche Situationen geeignet, in denen der Protagonist einen Sachverhalt falsch repräsentiert.
➔ Verhaltensvorhersage muss aus dem Wissen über die mentale Repräsentation der Realität durch den Protagonisten abgeleitet werden.
Erstes Testparadigma von Wimmer & Perner (1983): Die Schokoladengeschichte
Ergebnis:● Die meisten 4-Jährigen geben richtige Antwort.● Nahezu alle Kinder unter 3 ½ Jahren antworten falsch.
➔ Fähigkeit, sich selbst und anderen mentale Zustände zuzuschreiben, entwickelt sich zwischen zwei und vier Jahren.
2. ToM-Entwicklung im dritten und vierten Lebensjahr – eine zweistufige
Entwicklungssequenz
DESIRES BELIEFS
➔ Wünsche und Absichten werden früher verstanden als Überzeugungen.
● Intuitive „Desire-Psychology“ des 2-3-jährigen Kindes● 2-3-Jährige erklären sich die Handlungen von
Personen, indem sie sie auf deren Wünsche und Absichten zurückführen, und sie können aus dem Wissen über Wünsche und Absichten gute Handlungsvorhersagen ableiten.
● Problem: Fehlhandlungen➔ Nur erklärbar, wenn Verständnis falscher
Überzeugungen vorhanden ist.
Smarties-Aufgabe (Hogrefe et al., 1986)
Ergebnis:● Im Gegensatz zu 4-Jährigen antworten 3-Jährige,
dass anderes Kind sagen wird, was wirklich in der Schachtel ist.
● Mehr noch: sie glauben auch, dass sie selbst das gesagt hätten, bevor die Schachtel geöffnet wurde.
● Nicht auf Gedächtnisprobleme oder fehlende Bereitschaft, Fehler zuzugeben, zurückzuführen
➔ 3-Jährige scheinen nicht über den Begriff der Überzeugung zu verfügen und daher auch nicht zu verstehen, dass sich subjektive Überzeugungen von der Realität unterscheiden können.
● Aber: besondere Vorkehrungen können „false belief“-Aufgabe für 3-Jährige erleichtern (z.B. andere Formulierung der Testfrage).
Statistische Meta-Analyse von mehr als 500 „false belief“-Aufgaben (Wellman et al., 2001):● Infolge erleichternder Testbedingungen zwar höhere
Chance, dass jüngere Kinder Testfrage richtig beantworten
● Trotzdem klarer Alterstrend● 2 ½ – 3-Jährige machen typischen „false belief“-Fehler
signifikant überzufällig.● 3 ½ – 4-Jährige antworten signifikant überzufällig
korrekt.
● Konvergierende Evidenz aus Studien zur Entwicklung der Fähigkeit, andere zu täuschen
● Schon 3-Jährige setzen mit entsprechender Hilfe täuschende Strategien ein.
● Aber: Zweck wird nicht verstanden; Kinder setzen Strategien sowohl in kompetitiven, als auch in kooperierenden Spielen ein.
● 4-Jährige erkennen Nutzen einer Täuschungsstrategie.
● Einbettung von „false belief“-Aufgaben in Täuschungskontext➔ Förderlich für Beantwortung der Testfrage bei 3-
Jährigen● Aber: scheinbar korrekte Antwort beruht nicht auf
Verständnis epistemischer Effekte des Täuschungsaktes.
● Sondern: Kinder wissen, dass Personen, die „ausgetrickst“ werden, etwas falsches sagen.
● Lügen und Täuschungen in natürlichen Situationen als erfolgreiche Strategie, negative Konsequenzen zu vermeiden
3. Hirnphysiologische Basis der ToM
● Untersuchung der Hirnaktivität bei der Bearbeitung von ToM-Aufgaben
● Befunde unterstützen Annahme eines spezifischen ToM-Mechanismus.
● Muster der neuronalen Aktivierung bei ToM-Aufgaben unterscheiden sich von der Aktivierung bei Kontrollaufgaben.
● Hirnbereiche, die insbesondere bei der Zuschreibung mentaler Zustände aktiviert werden:➔ Teile des medialen präfrontalen Kortex➔ Temporo-parietale Verbindung
Quelle:Kana, R. K., Keller, T. A., Cherkassky, V. L., Minshew, N. J., & Just, M. A. (2009). Atypical frontal-posterior synchronization of Theory of Mind regions in autism during mental state attribution. Social Neuroscience, 4, 135-152.
4. „Neural Correlates of Belief- and Desire-Reasoning“
(Liu, Meltzoff & Wellman, 2009)
Fragestellung:Handelt es sich bei der zweistufigen Entwicklungssequenz (desires vor beliefs) um die Ausbildung zweier distinkter Systeme oder um die Erweiterung eines einzigen Systems?
Methode:● Vergleich der neuronalen Korrelate bei „desire-“ und
„belief-reasoning“● Erwachsene Versuchspersonen● EEG-Aufzeichnung bei Bearbeitung entsprechender
Aufgaben
Ergebnis:● Frontale LSW („late slow wave“) sowohl bei „desire-“,
als auch „belief-reasoning“● Rechts-posteriore LSW nur bei „belief-reasoning“
Diskussion:● Evidenz für unterschiedlich Prozesse● Mögliche Erklärung für zweistufige
Entwicklungssequenz bei Kindern:➔ Zunächst Ausbildung eines Systems für „desire-
reasoning“ (frontales System)➔ Für „belief-reasoning“ Ausbildung eines
zusätzlichen Systems (rechts-posteriores System)
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!