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Abteilung Jülich Fachbereich 11 Elektrotechnik und Automation Studienrichtung: Elektrische Energietechnik DIPLOMARBEIT ____________________________________________ Untersuchungen zu Blitzschutzmaßnahmen an modernen Reetdächern ____________________________________________ erstellt von Ralf Reißen Diese Arbeit wurde ausgegeben und betreut von Prof. Dr.-Ing. Alexander Kern, Labor für Hochspannungstechnik der Fachhochschule Aachen, Abteilung Jülich. Waldfeucht-Haaren, den 01.05.2000

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Page 1: Text der Diplomarbeit - Hiss-Reet · Diplomarbeit Ralf Reißen Inhaltsverzeichnis-1-Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Grundsätzliches 3 1.1. Aus der Historie 3 1.2. Blitzschutz

Abteilung Jülich

Fachbereich 11Elektrotechnik und Automation

Studienrichtung: Elektrische Energietechnik

DIPLOMARBEIT____________________________________________

Untersuchungen zu Blitzschutzmaßnahmen an modernen Reetdächern

____________________________________________

erstellt von

Ralf Reißen

Diese Arbeit wurde ausgegeben und betreut von Prof. Dr.-Ing. Alexander Kern, Labor für Hochspannungstechnik der Fachhochschule Aachen,Abteilung Jülich.

Waldfeucht-Haaren, den 01.05.2000

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Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit entstand im Labor für Hochspannungs-technik der Fachhochschule Aachen, Abteilung Jülich.

Ich möchte folgenden Personen meinen herzlichen Dank aussprechen:

Herrn Prof. Dr.-Ing. A. Kern für dieinteressante Themenstellung

und hervorragende Betreuung meiner Arbeitund die Übernahme des Referates,

Herrn Prof. Dr.-Ing. C. Helsper für die Übernahme des Koreferats,

Herrn Dipl.-Ing. R. Thormählen und Herrn K. Herzog derFirma Hans Thormählen GmbH & Co für die kompetente Beratung

und die Bereitstellung verschiedener Hilfsmittel,

Allen Mitarbeitern des Labors L3 der Fachhochschule Aachen,Abteilung Jülich für die tatkräftige Unterstützung beim Aufbau

von Versuchen und ihrer Durchführung,

Meinem Kommilitonen Markus Nießen, mit dem ich mich währendder gesamten Studienzeit auf Prüfungen vorbereitet

und Praktika durchgeführt habe,

Herrn Hans Verbeek für die gründliche Durchsicht meines Skripts.

Waldfeucht-Haaren, im Mai 2000

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E i d e s s t a t t l i c h e E r k l ä r u n g

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit

selbständig angefertigt und verfasst habe. Es sind keine anderen als die

angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt worden.

Waldfeucht-Haaren, den 01.05.2000

_____________________________Ralf Reißen

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Diplomarbeit Ralf ReißenInhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Grundsätzliches 3

1.1. Aus der Historie 31.2. Blitzschutz und die Unternehmensphilosophie der Blitzschutzfirma Hans

Thormählen GmbH & Co 41.2.1. Grundsätze des Unternehmens 51.3. Aufgabenstellung 6

2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern 9

2.1. Der Werkstoff 92.2. Eigenschaften eines Reetdaches 102.3. Verlegungsarten 122.3.1. Gebundenes Reetdach 132.3.2. Genähtes Reetdach 142.3.3. Geschraubtes Reetdach 152.4. Firstarten bei Reetdächern 162.4.1. Der Reetfirst 162.4.2. Der Heidefirst 172.4.3. Der Sodenfirst 182.4.4. Andere gängige Firstarten 19

3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik 20

3.1. Der Blitzschutz in der VDE-Norm 203.2. Ist ein Blitzschutzsystem erforderlich oder sogar vorgeschrieben? 253.2.1. Die Bauordnung 253.1.1. Schutzklassenberechnung nach VDE 26

4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern 31

4.1. Maschendrahtüberzug 314.2. Metallene Durchführungen und Installationen 324.3. Nichtfachgerechte Installation und Wartung von Blitzschutzsystemen 344.4. Firstabdeckungen aus Kupferblech 344.5. Binde- und Vorlegedrähte 35

5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern

entstanden sind 36

6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen 41

6.1. Experimentelle Untersuchung an einem Modell des Blitzschutzsystemsfür Reetdächer 41

6.1.1. Untersuchung mit Wechselspannung 466.1.1.1. Versuch 1: ohne Mittelelektrode 476.1.1.2. Versuch 2: mit potentialfreier Mittelelektrode (Vorlegedraht) 15 cm

über der Latte 476.1.1.3. Versuch 3: mit potentialfreier Mittelelektrode (Vorlegedraht) 10 cm

über der Latte 48

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Diplomarbeit Ralf ReißenInhaltsverzeichnis

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6.1.1.4. Versuch 4: realistisches Reetdachmodell mit Abständen nach VDE sowie Binde- und Vorlegedrähte (15 cm über der Latte) 49

6.1.1.5. Versuch 5: realistisches Reetdachmodell mit Abständen nach VDE sowie Binde- und Vorlegedrähte (10 cm über der Latte) 50

6.1.1.6. Versuch 6: realistisches Reetdachmodell mit Abständen nach VDE und geerdeten Binde- und Vorlegedrähten (15 cm über der Latte) 51

6.1.2. Untersuchung mit Blitzstoßspannung 526.2. Kriterien für einen wirksamen Blitzschutz 556.2.1. Erdung der metallenen Teile 556.2.2. Keine Erdung der metallenen Teile 576.2.3. Keine Verwendung von metallenen Teilen 576.2.4. Verwendung von Kunstreet 58

7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen 59

7.1. Dach mit Heide- oder Sodenfirst 617.2. Dach mit Ziegelfirst 627.3. Dach mit Kupferfirst 637.4. Dachsanierung mittels Wellblech 657.5. Verwendung von Kehlblechen 677.6. Der Kamin 687.6.1. Kaminsanierung 707.7. Näherungsprobleme durch nicht fachgerechte Installation der

Niederspannungskabel 72

8. Verbessreungsvorschläge 73

8.1. Entwicklung neuer Stützen und Abstandhalter 73

Anhang 77

Literaturverzeichnis 78

Quellenangabe der Fotos und Abbildungen 79

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Diplomarbeit Ralf Reißen1. Einleitung und Grundsätzliches

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1. Einleitung und Grundsätzliches

1.1. Aus der Historie

Das uralte Bestreben des Menschen, das Gewitterphänomen zu erfassen, war bis

weit in die Neuzeit hinein geprägt durch mythologische Vorstellungen,

insbesondere aus der altbabylonischen und altgriechischen Zeit, in der man sich

die zerstörenden Wirkungen des Blitzes durch einen von Göttern oder Göttinnen

vom Himmel geschleuderten, zündenden Feuerstrahl und durch einen

zerschmetternden Donnerkeil zu erklären versucht hatte.

Ein bedeutender Schritt in der naturwissenschaftlich begründeten Erkenntnis des

Blitzphänomens nach der Zeit der mystischen Deutungen erwuchs aus den

Experimenten mit Reibungselektrizität. Zwar war schon den Griechen etwa 600 v.

Chr. die elektrische Wirkung des geriebenen Bernsteins bekannt, aber erst durch

die Erfindung der rotierenden Elektrisiermaschinen als Ladungserzeuger, bei

denen zwei Isolierstoffe unterschiedlicher Konsistenz kontinuierlich

aufeinandergerieben werden, und die der Leydener Flasche als Ladungs- und

damit Energiespeicher, konnte die Elektrizität soweit intensiviert werden, dass

deutlich leuchtende Funken, die sich prasselnd entluden, beobachtet werden

konnten.

Als erster erkannte der Physiker und Ingenieur in schwedischen und

kursächsischen Diensten, Otto von Guericke (1602-1686), der im Jahre 1670 in

Magdeburg die erste Elektrisiermaschine mit einer Schwefelkugel fertigte, die

Analogie zwischen einer elektrostatischen Entladung im Laboratorium und der

Blitzentladung. Ergänzend stellte der Engländer William Wall 1698 die folgende

Hypothese auf: Wenn man ein genügend großes Stück Bernstein reibt, muss es

Blitz und Donner wie bei einem Gewitter geben. Johann Heinrich Winkler,

Physikprofessor in Leipzig, publizierte dann 1746 die Ansicht, dass die elektrische

Wolkenentladung die Ursache eines Gewitters sei und sich der Blitz zur Erde

entlade.

Weitere Experimente, z.B. des Staatsmanns, Schriftstellers und

Naturwissenschaftlers Benjamin Franklin (1706-1790), der Versuche mit Stangen

und Drachen im Gewitterfeld durchführte, bestätigten diese Thesen. [5]

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Diplomarbeit Ralf Reißen1. Einleitung und Grundsätzliches

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1.2. Blitzschutz und die Unternehmensphilosophie der Blitschutzfirma

Hans Thormählen GmbH & Co

Ein Blitzschlag birgt eine große Gefahr. In früheren Jahrhunderten brannten ganze

Städte ab, wenn in Bauwerke die „Elektrizität“ einschlug. Der Amerikaner

Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika,

erfand 1752 den Blitzableiter und somit einen ersten wirksamen Schutz gegen die

Naturgewalt. Mit seiner Erfindung wurde in Deutschland erstmals 1769 die

Michaeliskirche in Hamburg ausgerüstet.

Kirchen gehören auch heute noch zu den Bauwerken, die von der norddeutschen

Firma Hans Thormählen GmbH & Co mit entsprechenden Anlagen ausgestattet

werden. Hauptaugenmerk liegt aber im Industriezeitalter auf dem Schutz von

Wohnhäusern, technischen Anlagen und anderen Einrichtungen. Schlecht

geschützte Gebäude bergen große Gefahren. Was passiert etwa, wenn durch

einen Blitz die Großrechenanlage eines Unternehmens ausfallen sollte? Noch

gefährlicher sind die Folgen in anderen Bereichen. Unzureichender Schutz der

Krankenhäuser oder Verkehrslenkungseinrichtungen von Bahn und Flugsicherung

könnte für viele Menschen tödliche Folgen haben.

Bei öffentlichen Gebäuden wie Verwaltungen, Kliniken, Industrieanlagen der

privaten Wirtschaft etc. ist es bereits Standard, ja vielfach sogar Vorschrift, ein

Blitzschutzsystem zu installieren.

Wichtig ist es, für jedes Gebäude eine optimale Lösung zu entwickeln. Die

Techniker der Firma Thormählen informieren sich vor Ort und fertigen dann einen

Entwurf an. In Feinarbeit wird mit Hilfe modernster Technik die richtige Anlage

erstellt und anschließend von den Monteuren eingebaut. Dabei arbeitet das

Großenmeerer Unternehmen eng mit Architekten und Ingenieuren vor Ort

zusammen.

Um für eine gute Betreuung auch bei Reparaturen und Wartung vor Ort zu sorgen,

wurden im Laufe der Jahre Geschäftsstellen in Bremen, Kiel, Hannover,

Osnabrück, Bielefeld und Aurich eingerichtet. Ferner trägt die Kooperation mit

Firmen in Hamburg, Schwerin, Magdeburg, Leipzig und Berlin dazu bei, dass

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Diplomarbeit Ralf Reißen1. Einleitung und Grundsätzliches

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Baustellen in Norddeutschland innerhalb weniger Stunden erreicht werden

können.

Mit der Einführung hochempfindlicher Informationstechnik gegen Überspannung

sind neue Aufgaben auf die Blitzschutzbauer zugekommen.

1.2.1. Grundsätze des Unternehmens

Die Hans Thormählen GmbH & Co. ist ein mittelständisches Handwerks-

unternehmen für Blitzschutz- und Elektrotechnik mit Sitz in Großenmeer/

Norddeutschland.

Seit mehr als 47 Jahren arbeitet die Firma Thormählen erfolgreich auf dem Gebiet

der Planung, Projektierung, Errichtung und Prüfung von

• Blitzschutzanlagen

• Erdungsanlagen

• Potentialausgleichsanlagen

• Überspannungsschutzanlagen

• elektrischen Anlagen

Neben dem Stammhaus garantieren sechs über den gesamten norddeutschen

Raum verteilte Handelsvertretungen eine große Nähe zum Kunden.

Die hohe fachliche Kompetenz der Unternehmens wird auch durch die Eintragung

als „Elektrokonzessionsbetrieb“ bei der EWE Oldenburg unterstrichen.

Um immer über aktuelle Informationen zu verfügen, ist die Firma Thormählen

Mitglied in folgenden Fachverbänden:

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Diplomarbeit Ralf Reißen1. Einleitung und Grundsätzliches

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• TÜV Norddeutschland

• Elektroinnung

• Verbund Deutscher Elektrotechniker (VDE)

• Verband Deutscher Blitzschutzfirmen (VDB)

• Förderkreis des ABB (Ausschuß für Blitzschutz und Blitzschutz-

forschung)

• RAL-Gütegemeinschaft für Blitzschutzanlagen e.V.

Vor allem die drei letztgenannten Fachverbände arbeiten aktiv auf dem Gebiet der

Schadenanalyse bzw. Ursachenforschung. Die Ergebnisse dieser Arbeit

ermöglichen es, steuernd auf Produkt- und Montagequalität einzuwirken.

Neue Entwicklungen in den Märkten, in Forschung und Technik und im

ökologischen und rechtlichen Umfeld erfordern neue Formen für die Umsetzung,

Sicherstellung und Dokumentation des traditionellen Bemühens um Qualität.

So wurde im Jahre 1995 ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt, das nach

DIN EN ISO 9001 zertifiziert ist. Des weiteren wurde 1999 ein Managementsystem

für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz nach dem SCC-Kriterien eingeführt.

1.3. Aufgabenstellung

Reetdächer sind in weiten Teilen von Norddeutschland sehr verbreitet und

bedürfen aufgrund ihres hohen Brandrisikos eines besonderen Blitzschutzes; denn

wenn der Blitz einmal einschlägt und das Reet durch die auftretende

Funkenbildung entzündet wird, brennt meist das ganze Haus ab.

Zur Verbesserung des Blitzschutzes von Weichdächern wurde von der Firma

Hans Thormählen GmbH & Co diese Untersuchungen, die im Rahmen einer

Diplomarbeit ausgeführt werden sollten, unterstützt.

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Diplomarbeit Ralf Reißen1. Einleitung und Grundsätzliches

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Abbildung 1: typisches norddeutsches Reetdach [16]

In der DIN VDE 0185 Teil 2 [6] ist zwar genau beschrieben, wie solch ein

Blitzschutz für Häuser mit weicher Bedachung auszusehen hat, dennoch bleiben

hier einige Fragen offen. Deshalb soll in dieser Arbeit zum einen der Stand der

heutigen Blitzschutznormung aufgezeigt werden, und zum anderen sollen die

Anforderungen herausgearbeitet werden, die an moderne Reetdächer in

verschiedenster Ausführung gestellt werden müssen. Probleme, die im Bezug auf

Blitzschutz bei modernen Reetdächern auftreten, sind beispielsweise metallene

Durchführungen (Kaminsanierung mittels Edelstahlrohr) oder etwa

Firstabdeckungen aus Kupferblech. Um die Wirkung dieser Werkstoffe in

Verbindung mit einem Blitzschutzsystem zu untersuchen, sollte im Vorfeld bereits

der Aufbau des Daches mit all seinen Metallteilen (Dachdeckerdrähte) bekannt

sein. Hieraus kann dann ein technisches Modell erarbeitet werden.

Grundsätzlich ist der Blitzschutz von Weichdächern nichts Neues. In einer

Veröffentlichung aus dem Jahre 1928 [9] ist genau beschrieben, was für einen

solchen Blitzschutz zu tun ist:

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Diplomarbeit Ralf Reißen1. Einleitung und Grundsätzliches

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„ 22. Weichgedeckte Gebäude

Die weichgedeckten Gebäude tragen mit die Hauptschuld an der Größe des auf

dem Land entstehenden Blitzschadens. Beim Einschlag entsteht meist ein

Vollschaden, indem das ganze Gebäude sofort in Flammen steht, ferner kann

durch Flugfeuer der Schaden sich leicht auch auf die Umgebung verbreiten.

Die Zündungsgefahr wi rd in hervorragendem Maße durch Drahteinlagen in den

Stroh-, Rohr-, Schilf- und Schindeldächern erhöht. Wie schon an anderer Stelle

hervorgehoben, brennt beim Eindringen des Blitzes in Heu und Stroh meistens

gleich das Gebäude im ganzen Umfang, so daß es für das Gebäude samt Inhalt

keine Rettung mehr gibt.

Bei Dächern dieser Art muß der Blitzstrom künstlich in genügender Entfernung

von der Dachfläche gehalten werden. Die Leitungen werden daher auf hölzernen

Stützen angebracht, so daß sie von der Dachfläche mindestens 40 cm Abstand

haben. Die Leitungen sollen das Dach wegen der Drahteinlagen möglichst nicht

durchdringen. Wo sich das ausnahmsweise nicht durchführen lassen sollte, sind

die Leitungen so stark mit Holz zu umkleiden, daß sie vom Dach und von den

Vorräten im Inneren gründlich getrennt sind.

Die Fangvorrichtung auf dem First soll wenigstens 50 cm Abstand vom First

haben, auf die Enden des Firstes ist je eine Auffangvorrichtung zu setzen. Von

jeder Fangvorrichtung soll eine Ableitung zur Erde geführt werden, die am

untersten Punkt der Fangvorrichtung angeschlossen wird.

An die Erdleitung sind alle bevorzugten Entladestellen anzuschließen

(Jauchegruben und andere feuchte Stellen). Im übrigen wird eine Ringleitung

empfohlen.

Schornsteine, innere Metallteile usw. sind wie bei anderen Gebäuden zu

behandeln.“

Betrachtet man diese Ausführungen aus dem Jahre 1928, so sind schon einige

Parallelen mit der heutigen DIN 57185 / VDE 0185 Teil 2 [6] zu erkennen.

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

2.1. Der Werkstoff

Das wohl älteste Dacheindeckungsmaterial in unserer Kulturgeschichte ist das

Stroh und Reet. Es war überall vorhanden und kostete fast nichts. Roggen- und

Weizenstroh fiel früher üblicherweise bei der Getreideernte sowieso an, und da es

von Hand geschnitten wurde, blieben die einzelnen Halme auch unversehrt und

zerdrückten nicht. Reet hingegen wuchs in feuchten Gebieten im Überfluß und

wurde überwiegend in den arbeitsarmen Wintermonaten geschnitten.

Heute verwendet man als Basis für Weichdächer fast ausschließlich Reet,

welches in einigen Veröffentlichungen auch als Schilfrohr, Ried, Reith, Rohrschilf

oder auch nur als Schilf bezeichnet wird. Der lateinische Name lautet

„Pharagmites communis“ und weist auf seine gute Eignung für Zäune und Wände

hin, denn „phragma“ heißt Zaun [1]. Das Gras ist in Mitteleuropa am Rande

stehender Gewässer oder auf sumpfigen Wiesen sehr verbreitet. Da in

Deutschland die sogenannten Reetschallen immer seltener werden, das Schilf in

einigen Regionen unter Landschafts- bzw. unter Naturschutz steht, wird es

größtenteils aus den Balkanstaaten importiert. Dachfertiges Schilfrohr wird heute

aus den Ostländern Polen, Ungarn, Tschechien, aber auch aus Österreich und der

Türkei importiert.

Als Baustoff sind nur Halme mit einer Länge zwischen 1,40 m und 2,00 m

geeignet, die über der Wurzel abgeschnitten werden. Das Reet soll ausgereift,

gesund, blattfrei, dünnhalmig (etwa 3 mm bis höchstens 9 mm dick), gradhalmig

und bei der Verarbeitung trocken und gesäubert sein. Die Halme sollten nicht

spröde sein und trotzdem eine hohe Biegefestigkeit haben. Wird das Rohr längere

Zeit nicht geschnitten, so wird es brüchig und porös. Daher eignen sich für das

Decken nur einjährige Halme.

Nach dem Schneiden wird das Reet zu Garben gebunden und getrocknet. In der

Fachliteratur werden die Garben auch als Bund, Bündel oder Rohrbund

bezeichnet. Das heutige Eurobund für Importreet hat einen Umfang von 60 cm,

das entspricht einem Durchmesser von etwa 19 cm, gemessen 10 cm oberhalb

des Wurzelendes.

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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Abbildung 2: Reetbunde vor der Verarbeitung [16]

Weichgedeckte Dächer haben nach wie vor ihre Bedeutung im ortsgebundenen,

landwirtschaftlichen Bauwesen, bei Einzelhäusern, die sich in die Landschaft

einfügen sollen und in einigen Wohngebieten, in denen man bewußt das Reetdach

als typisches Gestaltungsmerkmal haben möchte. Zudem ist es beliebt als

Dachdeckungsmaterial für Schutzhütten, zur Überdachung von Hinweistafeln

unter anderem in Erholungs- und Naturschutzgebieten.

Zur Herstellung des Firstes werden verschiedene Materialien verwendet. Der

klassische First ist der Heidefirst. Hier werden Heidekraut oder Heidesoden mit

Hilfe von Holzpflöcken am First befestigt. Eine ganz andere Art der

Firsteindeckung ist der Ziegelfirst oder der Kupferfirst. Hierfür ist jedoch eine

gesonderte Holz-Unterkonstruktion notwendig, auf der dann die Ziegel bzw. das

Kupferblech befestigt werden.

2.2. Eigenschaften eines Reetdaches

Vergleicht man ein Weichdach mit einem herkömmlichen Ziegeldach, so hat das

Weichdach den Vorteil einer hervorragenden Wärmedämmung. Im Winter hält es

warm und im Sommer ist es unter dem Dach angenehm kühl. Die Feuchtigkeit

kann unter dem darunterliegenden Raum leicht durch das Dach abgeführt werden.

Das bedeutet, dass es nicht zu Kondenswasserbildung kommen kann. Die

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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Feuergefährdung eines weichgedeckten Hauses ist groß, sei es durch

Blitzeinschlag, Funkenflug, Kurzschluß in Leitungen und elektrischen Geräten

oder sogar durch vorsätzliche Brandstiftung. Wenn ein Reetdach einmal brennt, so

ist auch die Feuerwehr machtlos, da das Löschwasser, welches von außen

aufgetragen wird, außen am Reet einfach abläuft und das Dach von innen her

weiterbrennt. Deshalb ist ein besonderer Schutz des Hauses notwendig. Ein

wichtiger Punkt des Brandschutzes ist eine gut funktionierendes

Blitzschutzsystem. Im Brandfall können ganze Teile des brennenden Daches

abrutschen und somit den Hausbewohnern den Fluchtweg ins Freie versperren.

Deshalb wird die Bindung des Reets mit einen nichtbrennbarem Material

(verzinkter Draht ∅ 1 – 1,5 mm oder Kupferdraht) vorgeschrieben. Früher

verwendete man Haselnuß- oder Weidenruten in Verbindung mit Stroh- oder

Sisalbändern, die leicht durchbrannten und somit die Verbindung zwischen Reet

und Lattung lösten.

Eine völlig andere Eigenschaft eines Reetdaches ist die Grünbildung. Moose sind

meist die ersten Ansiedler auf der noch kahlen Dachhaut und werden durch den

Schatten hoher Bäume mit ihren herunterfallenden organischen Abfallstoffen

gefördert. Die Moose durchdringen mit ihren Wurzeln die Halmwände und führen

über zunehmende Humusbildung zu einer Art Erdschicht auf der Dachhaut. Diese

Humus- und Erdschicht ermöglicht weiteres Pflanzenwachstum. Je schneller

dieser natürliche Verrottungsprozeß in Gang gesetzt und vorangetrieben wird, um

so nachhaltiger werden die Atmung und die Durchlüftung der Dachhaut

verschlechtert. Mit dem Pflanzenbewuchs auf dem Reetdach kommen auch die

tierischen Schädlinge wie Ratten, Mäuse, Sperlinge etc., die sich im Dach

einnisten. Ein wirksamer Schutz vor der Grünbildung und ihren Folgen kann durch

chemische Maßnahmen getroffen werden. Diese sind aber nur wirksam, wenn sie

in regelmäßigen Zeitabständen (alle 2-3 Jahre) wiederholt werden. Wer keine

chemischen Maßnahmen zur Moosbekämpfung ergreifen möchte, sollte sein Dach

regelmäßig reinigen und pflegen.

Eine andere Methode zur Moosbekämpfung wird derzeit in Norddeutschland

getestet: Durch Einbringen von Kupferblechen, beispielsweise als Firstabdeckung,

über die dann das Regenwasser abtropft, sondert das Regenwasser bestimmte

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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Stoffe aus dem Kupfer ab, die eine Moosbildung verhindern sollen. Diese

Kupferbleche in der Dachhaut oder auf dem First stellen natürlich ganz besondere

Anforderungen an das Blitzschutzsystem.

2.3. Verlegungsarten

Bei Weichdächern spielt der Neigungswinkel des Daches eine wesentliche Rolle.

Er soll mindestens 45° betragen. Noch besser ist es, wenn er größer als 50° ist, da

bei dieser Neigung der Wind nicht unter die Halme greifen kann, sondern sie

andrückt. Das Dach ist bei dieser Neigung flugschnee- und treibregensicher.

Regen dringt normal bis 5 cm, bei Sturm bis 10 cm in die Deckung ein.

Die Deckung ist bei Reet 30 cm bis 35 cm, bei Stroh 25 cm bis 30 cm dick.

Die Dachunterkonstruktion besteht wie bei Ziegeldächern aus einem Tragwerk aus

Holzbalken mit Sparren, deren Abstand 1 m nicht überschreiten sollte. Auf diesen

Sparren werden dann die Latten, deren Abstand von der Dachneigung bestimmt

wird, angebracht. Üblicherweise beträgt der Lattenabstand 30 cm, maximal jedoch

35 cm. Als Lattung können Rundhölzer, aber auch normale Rechteck-Dachlatten

(30 mm 40 mm), verwendet werden.

Das Decken des Reetdaches ist in einer glatten Fläche von der Traufe bis zum

First auszuführen, wobei die einzelnen Lagen nacheinander immer waagrecht

durchgehend aufzubringen sind. Auf der Lattung wird eine dünne Unterlage aus

Reet oder Stroh, die sogenannte Streulage, aufgebracht. Diese Streulage soll

verhindern, dass die Spitzen der Deckbunde unter die Latten getrieben werden.

Bei der Bindung der einzelnen Decklagen muss der Vorlegedraht von der Latte

her etwa inmitten der Deckung liegen. Das bedeutet bei einer Deckschicht von

beispielsweise 30 cm, dass die Bindung bei etwa 15 cm, von der Latte aus

gesehen, liegen müsste (vergleiche Abb.3). Die Bindung sollte möglichst in der

Mitte der Halmlänge in Abständen von etwa 20 cm erfolgen. Die Bindung hat die

Aufgabe, das Reet fest an die Lattung zu pressen. Die Bindung kann auf

verschiedene Arten erfolgen:

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2.3.1. Gebundenes Reetdach

Beim gebundenen Reetdach werden die einzelnen Decklagen unter Verwendung

eines Vorlegedrahtes, dem sogenannten Bandstock, mit Bindedraht an die Latten

gebunden. Durch den Bandstock erhält die Deckung eine gute Festigkeit, da der

Bindedraht mit einer Zange sehr fest angezogen werden kann. Als Bandstock und

Bindedraht sollten ausschließlich

nicht brennbare Materialien

verwendet werden. Geeignete

Bandstöcke sind aus verzinktem

Stahldraht oder Kupferdraht mit

einer Dicke von etwa 5 mm.

Früher verwendete man auch

Bandstöcke aus daumendicken

Haselnuß- oder Weidenstöcken.

Als Bindedraht eignet sich

nichtrostender Stahldraht mit

einer Mindestdicke von 1 mm.

Abbildung 3: Gebundenes Reetdach (Schnitt) [3]

Abbildung 4:

Gebundenes Reetdach

(Draufsicht)

a - Bandstock

b - Bindedraht

c – Latte

[2]

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2.3.2. Genähtes Reetdach

Beim genähten Reetdach werden die Bunde der jeweiligen Decklage mit Draht

ohne Verwendung eines Vorlegedrahtes direkt an die Latten genäht. Der

Bindedraht liegt etwa in der Mitte der Deckschicht. Die Bindung erfolgt in der Mitte

der Rohrlänge und soll fest an die Lattung gedrückt werden. Zudem sind die

einzelnen Bindungen in jeder

weiteren Decklage versetzt

anzubringen. Die Schichtweite

(Durchmesser der Bindungsschlaufe)

beträgt maximal 25 cm. Der Näher

(außen auf dem Dach) und der

Gegennäher (innen unter dem Dach)

nähen mit Reetnadel und Draht die

Deckung auf die Lattung. Für

genähte Dächer verwendet man

nichtrostenden Stahldraht mit einer

Mindestdicke von 1 mm, kunststoff-

ummantelten Draht mit einer

Mindestdicke von 2 mm oder

Kupferdraht mit einer Mindestdicke

von 1,5 mm. Abbildung 5: Genähtes Reetdach (Schnitt) [3]

Abbildung 6:

Genähtes Reetdach

(Draufsicht)

a – Naht

b – Latte

[2]

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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2.3.3. Geschraubtes Reetdach

Die in Dänemark entwickelte Schraubtechnik wird seit Mitte der 80er Jahre auch in

Deutschland angewendet. Hierbei handelt es sich um eine moderne und Zeit

sparende Variante des gebundenen Daches, bei der Schrauben mit einem mittig

umwickelten Draht mit einem Elektroschrauber von oben in die Lattung versenkt

werden. Der Abstand der Schrauben darf 20 cm nicht unterschreiten. Die

Dauerhaftigkeit eines geschraubten Daches hängt wesentlich von der Befestigung

der Schraube in der Latte und der Festigkeit der Rödelung des Drahtes ab.

Deshalb ist es wichtig, dass die Schraube nie in den Randbereich der Latte

gedreht wird, sodass die Latte durch die Schraube gespalten werden kann.

Diese Bindung kann auch dann eingesetzt werden, wenn wegen Dachausbauten

der Draht nicht mehr um die Dachlatten herumgeführt werden kann. Da der Draht

jedoch schneller reißt als bei Zugbelastungen, kann bei dieser Technik der Draht

nicht so fest wie bei der traditionellen Bindung durch eine Schlaufe angezogen

werden.

Bei geschraubten Dächern ist

nichtrostender Stahldraht mit

einer Mindestdicke von 1 mm

zu verwenden. Als

Vorlegedraht bzw. Bandstock

ist ein nichtrostender Stahl-

draht oder ein Kupferdraht mit

einem Querschnitt von etwa 5

mm zu verwenden. Die

Schrauben zur Befestigung

des Drahtes sollen

nichtrostend sein und eine

Mindestgröße von 4,5 mm

35 mm haben.

Abbildung 7: Geschraubtes Reetdach (Schnitt) [3]

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

- 16 -

2.4. Firstarten bei Reetdächern

Die Firsteindeckung bei Reetdächern ist besonders heikel. Hier, am höchsten

Punkt des Daches, treffen Wind und Regen auf die kantige Firstlinie. Um diese

Stelle, die den härtesten Witterungseinflüssen ausgesetzt ist, einzudecken,

bedient man sich verschiedenster Methoden und Materialien. Diese Firstarten sind

regional unterschiedlich und letztendlich auch eine Frage der Kosten.

2.4.1. Der Reetfirst

Soll die Firsteindeckung mit Reet erfolgen, so ist im Vorfeld die Hauptwindrichtung

zu bestimmen. Die Halme der letzten beiden Reetlagen werden nicht

abgeschnitten, sondern über die Firstlattung auf die andere Dachseite gebogen

und dort unter das Reet gestopft. Auf die letzten beiden Lagen der Wetter

abgewandten Dachseite wird eine Reetlage genäht. Die über den First stehenden

Reethalme werden zur anderen

Seite gebogen. Auf der

Wetterseite wird anschließend

eine Reetschicht mit den

Stoppelenden nach oben an die

beiden letzten Dachlatten genäht,

so dass die Halmenden über die

abgeknickte Reetschicht der

gegenüberliegenden Seite

hinausragen. Damit wird im First

eine Regen durchlässige Fuge

vermieden.

Abbildung 8: Mecklenburger Reetfirst (Schnitt) [2]

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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2.4.2. Der Heidefirst

Der Heidefirst wird aus geschnittenem, erdfeuchtem Heidekraut geformt. Er hat je

nach Sparrenlänge beidseitig eine Schenkellänge von bis zu 1m. Die Neigung der

Schenkel darf die Dachneigung nicht unterschreiten. Von der Firstspitze, an der

der Heidefirst etwa 30cm dick ist, verjüngt er sich zur unteren Kante auf etwa

10cm. Zur Befestigung des Heidefirstes gibt es wieder mehrere Methoden.

Zum einen kann dies mit Holzpflöcken aus gespaltenem Weichholz, welche

einseitig angespitzt werden, geschehen. Die Länge dieser Holzpflöcke sollte 0,3 –

0,6 m, ihr Querschnitt etwa 15 – 20

mm betragen. Je Meter Heidefirst sind

etwa 100 Holzpflöcke zu verwenden.

Eine zusätzliche Bespannung des

Firstes mit z.B. Kunststoffnetzen ist

möglich. Die Verwendung von

Drahtgeflechten wie z.B.

Maschendraht etc. ist in Verbindung

mit Blitzschutz an Gebäuden nicht

zulässig.

Abbildung 9: Gesteckter Heidefirst

(Schnitt) [3]

Eine andere Befestigungsmethode für

den Heidefirst ist das Aufbringen von

Hängehölzern. Diese etwa 10 bis 12 kg

schweren, meist eichenen Hängehölzer

werden im Abstand von etwa 30cm

über den First gelegt.

Da das Heidekraut im Laufe der Jahre

in sich zusammensackt, ist es

notwendig, den Heidefirst etwa alle 5

bis 10 Jahre wieder aufzufüllen.

Abbildung 10: Heidefirst mit Hängehölzern

(Schnitt) [2]

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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2.4.3. Der Sodenfirst

Der Sodenfirst besteht aus gewachsenen Grassoden, die etwa 5 cm dick,

zwischen 30 und 40 cm breit und etwa 1,30 bis 1,50 m lang. Auf 1 m First sollen

etwa 7 bis 9 Soden verlegt werden. Der Anlegewinkel liegt zwischen 60° und 70°

(siehe Abbildung 12). Die Befestigung der einzelnen Soden erfolgt durch

Hartholzpflöcke von etwa 20 bis 30 cm Länge. Jede Sode soll gepflockt sein, oder

wenn eine zusätzliche

Netzabdeckung am First

vorhanden ist, ist jede zweite Sode

zu pflocken. Die Unterlage für den

Sodenfirst besteht aus einer

abgerundeten Reetlage. Darauf

folgt eine Abdeckung aus z.B.

einer besandeten Bitumenbahn

oder einer Kunststoffbahn (siehe

Abbildung 11).

Abbildung 11: Sodenfirst (Schnitt) [3]

Abbildung 12: Sodenfirst (Seitenansicht) [3]

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Diplomarbeit Ralf Reißen2. Grundsätzlicher Aufbau von Weichdächern

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2.4.4. Andere gängige Firstarten

Die Deckung des Firstes kann mit anderen geeigneten Werkstoffen ausgeführt

werden.

In einigen Regionen Norddeutschlands wird der First mit einem gesonderten

Firstdachstuhl ausgestattet, der über der letzten Reetlage angebracht ist. Dieser

dient dazu, den First mit Ziegeln oder einem geeigneten Wellplattenmaterial

einzudecken.

Abbildung 13:

Reetdach mit Firstdachstuhl

und Ziegeleindeckung [16]

Eine andere Art der Firsteindeckung, die zusätzlich auch noch vor der

Vermoosung des Reetdaches schützen soll, ist die Eindeckung mit Kupferblech.

Wie beim Ziegelfirst wird auch hier eine Holzkonstruktion auf der letzten

Reetschicht am First benötigt, woran dann die Kupferbleche befestigt werden. Aus

dekorativen Gründen oder um der Vermoosung vorzubeugen, ist es auch möglich,

dass diese Kupferbleche auch an

anderen Stellen des Daches

vorkommen, beispielsweise am

Ortgang oder an der Kehle. Diese

Bleche, die eine größere

Metallfläche auf dem Dach

darstellen, sind für einen

wirksamen Blitzschutz des

Gebäudes ein ernsthaftes

Problem.

Abbildung 14: Reetdach mit Kupferfirst [16]

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Diplomarbeit Ralf Reißen3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

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3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

3.1. Der Blitzschutz in der VDE-Norm

Ein Blitzschutzsystem für den äußeren Blitzschutz besitzt als wesentliche

Komponenten die Fangeinrichtung, die Ableitung und die Erdungsanlage. Die

Fangeinrichtung besteht im allgemeinen aus einer Firstleitung und ggf. aus

Fangstangen, die z.B. am Giebel oder an aus der Dachfläche herausragenden

Aufbauten (Schornstein etc.) befestigt werden. Diese Fangeinrichtungen werden

durch die Ableitungen auf direktem Wege nach unten zur Erdungsanlage geführt.

Die Erdungsanlage hat die Aufgabe, den auftretenden Blitzstrom möglichst

großflächig im Erdboden zu verteilen.

In der DIN 57185 Teil 2 / VDE 0185 Teil 2 [6] ist genau beschrieben, wie ein

Blitzschutzsystem für Weichdächer (Äußerer Blitzschutz) zu bauen ist:

„ 6.1.2 Gebäude mit weicher Bedachung (Weichdächer)

6.1.2.1 Bei Dachdeckungen aus Reet, Stroh oder Schilf müssen die Fangleitungen

auf isolierten Stützen (Holzpfählen nach DIN 48812) gespannt verlegt werden. Der

Abstand zwischen den Leitungen und dem First muß mindestens 0,6 m, zwischen

den übrigen Leitungen auf dem Dach und der Dachhaut mindestens 0,4 m

betragen. Diese Abstände gelten für neuwertige Dächer. Bei abgenutzten Dächern

sind die Abstände entsprechend größer und so zu wählen, dass nach einer

Neueindeckung die oben angegebenen Abstände nicht unterschritten sind. Der

Abstand von der Weichdachtraufe zur Traufenstütze darf 0,15 m nicht

unterschreiten.

Bei Firstleitungen sind Spannweiten bis etwa 15 m, bei Ableitungen Spannweiten

bis etwa 10 m ohne zusätzliche Abstützungen anzustreben.

Der Abstand der Ableitungen voneinander ergibt sich aus DIN 57185 Teil 1 / VDE

0185 Teil 1 Abschnitt 5.2.1.

6.1.2.2 Spannpfähle müssen mit der Dachkonstruktion (Sparren und Querhölzer)

mit Durchgangsbolzen nebst Unterlegscheiben fest verbunden werden.

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Diplomarbeit Ralf Reißen3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

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6.1.2.3 Oberhalb der Dachfläche befindliche metallene Teile (wie Windfahnen,

Berieselungsanlagen, Leitern) müssen so befestigt werden, z.B. auf nichtleitenden

Stützen, dass die Abstände nach Abschnitt 6.1.2.1 eingehalten sind.

Zuleitungen zu Berieselungsanlagen dürfen im Bereich der Durchführung durch

die Dachhaut auf mindestens 0,6 m ober- und unterhalb nur aus Kunststoff

bestehen.

6.1.2.4 Bei Weichdächern die von einem metallenen Drahtnetz überzogen sind, ist

ein wirksamer Blitzschutz nach den Abschnitten 6.1.2.1 bis 6.1.2.3 nicht möglich.

Das gleiche gilt, wenn Abdeckungen, Berieselungsanlagen, Entlüftungsrohre,

Schornsteineinfassungen, Dachfenster, Oberlichter und dergleichen aus Metall

vorhanden sind.

In diesen Fällen ist ein wirksamer Blitzschutz nur durch eine isolierte

Blitzschutzanlage mit Fangstangen neben den Gebäuden bzw. mit Fangleitungen

oder Fangnetzen zwischen Masten neben den Gebäuden zu erreichen (siehe DIN

57185 Teil 1 / VDE 0185 Teil 1, Abschnitt 5.1.2).

6.1.2.5 Grenzt ein Weichdach an eine Dachdeckung aus Metall und soll das

Gebäude mit einer Blitzschutzanlage versehen werden, so muß zwischen dem

Weichdach und dem übrigen Dach eine elektrisch nichtleitende Dacheindeckung

von mindestens 1 m Breite, z.B. aus Zementasbest oder Kunststoff, eingefügt

werden. Für den Teil der Blitzschutzanlage auf dem Weichdach gelten die

Abschnitte 6.1.2.1 bis 6.1.2.3.

6.1.2.6 Zweige von Bäumen sind in mindestens 2 m Abstand vom Weichdach zu

halten.

Wenn Bäume dicht an einem Gebäude stehen und es überragen, muß an dem

den Bäumen zugewandten Dachrand (Traufkante, Giebel) eine Fangleitung

angebracht werden, die mit der Blitzschutzanlage zu verbinden ist. Die Abstände

nach Abschnitt 6.1.2.1 sind dabei einzuhalten.

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Diplomarbeit Ralf Reißen3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

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6.1.2.7 Antennen und Elektrosirenen sind auf weichgedeckten Dächern nicht

zulässig. Antennen und elektrische Anlagen unter Dach müssen von der

Blitzschutzanlage einen größeren Abstand haben, als sich nach DIN 57185 Teil 1 /

VDE 0185 Teil 1, Abschnitt 5.3.2, ergibt.“

Zur Veranschaulichung der VDE-Bestimmungen und des Aufbaus einer solchen

Anlage sollen die folgenden Zeichnungen dienen:

Abbildung 15: Montage der Fangeinrichtungen und Ableitungen für ein

Gebäude mit weicher Bedachung [4]

1 Fangstange auf Holzpfahl

2 Giebelstange Abstand vom Weichdach mindestens 0,4 m und

Höhe über First mindestens 0,6 m.

3 Ableitung mit Leitungsstütze

4 Traufenstütze. Entfernung vom Weichdach mindestens 0,15 m

5 Spannkloben (zum Spannen der Ableitung über dem Weichdach)

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Mit den oben genannten Maßnahmen sind nun die Montage der Fangleitung und

der Ableitung ausreichend beschrieben. Die dritte Komponente, die ein

Blitzschutzsystem für den äußeren Blitzschutz ausmacht, ist eine gute

Erdungsanlage. Diese wird in der DIN 57185 Teil 1 / VDE 0185 Teil 1 in Abschnitt

5.3 behandelt. Die Erdungsanlage darf als Fundamenterder, Ringerder oder in

Sonderfällen aus Einzelerdern aufgebaut werden.

In den Entwürfen zur Europäischen Norm DIN V ENV 61024-1 [7] ist bislang

nichts über das Thema Blitzschutz von Weichdächern zu finden.

Eine komplettes Blitzschutzsystem für äußeren Gebäudeblitzschutz ist auf der

folgenden Seite dargestellt:

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Abbildung 16: äußerer Blitzschutz von Weichdächern [4]

1 Fangstangen auf Holzpfählen

2 Schornsteinumführung mit Schornsteinstangen

3 Firstleitung 0,6 m über dem First verlegt

4 Abstand der Ableitung von der Dachfläche 0,4 m

5 Traufenstütze

6 Spannkloben

7 Giebelstange

8 Trennstelle

9 Übergang von Rundstahl auf Bandstahl

10 Anschluß der Wasserleitungsrohre an den Potentialausgleich

11 Ringerder oder Fundamenterder

12 Stab- oder Banderder

13 Baumzweige müssen mind. 2 m vom Weichdach entfernt gehalten werden

14 Potentialausgleichschiene

15 Überspannungsschutzgerät der Anforderungsklasse B

16 Schutzleiter des Starkstromnetzes

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3.2. Ist ein Blitzschutzsystem erforderlich oder sogar vorgeschrieben?

3.2.1. Die Bauordnung

Ob ein Blitzschutzsystem zwingend vorgeschrieben ist, entscheidet die

Baubehörde, meist das Kreis- oder Stadtbauamt, die für die Genehmigung eines

Bauvorhabens verantwortlich sind. Als Grundlage für diese Entscheidung dienen

die Bauordnungen (BauO) der jeweiligen Bundesländer, die sich zum Thema

Blitzschutz kaum voneinander unterscheiden.

So sagt beispielsweise die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) [12] zu

diesem Thema:

„ § 20 Brandschutz

(3) Bauliche Anlagen, bei denen nach Lage, Bauart oder Benutzung Blitzschlag

leicht eintreten oder zu schweren Folgen führen kann, müssen mit dauernd

wirksamen Blitzschutzanlagen versehen sein.“

Aus § 51 geht hervor, dass im Einzelfall besondere Anforderungen an die bauliche

Anlage, u.a. ein funktionsfähiges Blitzschutzsystem, gestellt werden.

„§51 Bauliche Anlagen und Räume besonderer Art und Nutzung(2) Bauliche Anlagen oder Räume besonderer Art oder Nutzung sind

insbesondere:

...

8. bauliche Anlagen und Räume von großer Ausdehnung oder mit erhöhter

Brand-, Explosions-, Strahlen- oder Verkehrsgefahr.“

Es ist also möglich, dass die Installation eines Blitzschutzsystem vom Bauamt

vorgeschrieben wird.

Ist dies nicht der Fall, liegt es im Ermessen des Bauherrn, ob ein

Blitzschutzsystem erforderlich ist oder nicht. Zur Risikoabschätzung ist es ratsam,

eine Schutzklassenberechnung (siehe 3.2.2.) durchzuführen.

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Diplomarbeit Ralf Reißen3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

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3.2.2. Schutzklassenberechnung nach VDE

Zur Ermittlung der Notwendigkeit eines Blitzschutzsystems und zur Bestimmung

der Blitzschutzklasse wurde in der Vornorm DIN V ENV 61024 [7] ein

Berechnungs-system für eine Risikoabschätzung festgelegt. Diese

Risikoabschätzung richtet sich nach folgenden festgesetzten Kriterien:

- Abmessungen der baulichen Anlage und Dichte der Erdblitze

- Lage der baulichen Anlage

- Gebäudekonstruktion (Bauart, Material)

- Gebäudenutzung und Gebäudeinhalt

- Folgeschäden eines Blitzeinschlags

Mit Hilfe dieser Kriterien werden zwei Parameter berechnet, die erwartete Anzahl

der Direkteinschläge (Nd) und die vertretbare Anzahl der Einschläge, die einen

Schaden verursachen (Nc). Das Verhältnis beider Zahlen gibt Aufschluß über die

Notwendigkeit eines Blitzschutzsystems und über die zu verwendende

Schutzklasse. Diese Berechnung soll nun für ein reetgedecktes Haus durchgeführt

werden. Natürlich ist dabei zu beachten, dass die Kriterien für diese

Risikoabschätzung von Haus zu Haus verschieden sind. In unserem Beispiel steht

das Haus in Norddeutschland, ist ein typisches aus Backsteinen gemauertes Haus

und hat Gebäude und Bäume in der Nachbarschaft.

a) Berechnung der erwarteten Anzahl der jährlichen Direkteinschläge Nd

610−⋅⋅⋅= eegd CANN pro Jahr

Darin bedeuten:

Ng Durchschnittliche jährliche Dichte der Erdblitze, in Blitzen je

Quadratkilometer und Jahr, in der Region, in der sich die

bauliche Anlage befindet.

Ae Äquivalente Fangfläche der freistehenden baulichen Anlage.

Diese ist definiert als eine Bodenfläche, welche dieselbe

jährliche Häufigkeit von Direkteinschlägen hat wie die

bauliche Anlage.

Ce Koeffizient zur Berücksichtigung der Umgebung der

baulichen Anlage.

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Diplomarbeit Ralf Reißen3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

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Für unsere Beispielrechnung ergeben sich folgende Werte:

Ng = 2,2 akm ⋅2

1(Für Regionen mit 25 Gewittertagen im Jahr [7])

Ae = 296 HWH ⋅⋅+⋅⋅ π = 5618 2m

(Für ein Gebäude mit Breite W=16m,

Länge L=10m und Höhe H=12,5 m)

Ce = 0,25 (bauliche Anlage in einem großen Gebiet mit Gebäuden

oder Bäumen gleicher oder größerer Höhe )

Damit ist Nd = 0,0031Jahr

1

b) Berechnung der akzeptierten Einschlagshäufigkeit Nc

CBANc ⋅⋅=

Darin bedeuten:

Nc Akzeptierte Einschlagshäufigkeit

A Komponente, mit der die Gebäudekonstruktion berücksichtigt wird

B Komponente, mit der die Gebäudenutzung und der Gebäudeinhalt

berücksichtigt werden

C Komponente, mit der die Folgeschäden berücksichtigt werden

Der Faktor A errechnet sich aus:

4321 AAAAA ⋅⋅⋅=

Darin bedeuten:

1A Bauart der Wände

2A Dachkonstruktion

3A Dachdeckung

4A Dachaufbauten

Für das Beispielhaus ergibt sich für den Faktor A:

0025,0105,01,05,0 =⋅⋅⋅=A

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mit:

1A =0,5 Bauart der Wände: Mauerwerk, Beton

2A =0,1 Dachkonstruktion: Holz

3A =0,05 Dachdeckung: Weichdächer

4A =1 Dachaufbauten: keine

Der Faktor B errechnet sich aus:

4321 BBBBB ⋅⋅⋅=

Darin bedeuten:

1B Nutzung durch Personen

2B Art des Gebäudeinhaltes

3B Wert des Gebäudeinhaltes

4B Maßnahmen und Einrichtung zur Schadensverringerung

Somit ergibt sich für den Faktor B:

2,0112,01 =⋅⋅⋅=B

mit

1B =1 Nutzung durch Personen: keine Panikgefahr

2B =0,2 Art des Gebäudeinhaltes: entflammbar

3B =1 Wert des Gebäudeinhaltes: einfache Einrichtung

4B =1 Maßnahmen und Einrichtung zur Schadensverringerung: keine

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Der Faktor C errechnet sich aus:

321 CCCC ⋅⋅=

Darin bedeuten:

1C Umweltgefährdung

2C Ausfall wichtiger Versorgungsleistungen, die von den Einrichtungen

des Gebäudes zur Verfügung gestellt werden

3C Sonstige Folgeschäden

Somit ergibt sich für den Faktor C:

1111 =⋅⋅=C

mit

1C =1 Umweltgefährdung: keine

2C =1 Ausfall wichtiger Versorgungsleistungen, die von den

Einrichtungen des Gebäudes zur Verfügung gestellt werden:

kein Ausfall

3C =1 Sonstige Folgeschäden: gering

Daraus kann man nun die akzeptierte Einschlagshäufigkeit Nc berechnen:

CBANC ⋅⋅=

Damit ist Nc=0,0005Jahr

1

Da Nc < Nd ist, ist für ein solches Gebäude ein Blitzschutzsystem notwendig.

Verallgemeinert kann man sagen:

Ist die Anzahl der erwarteten jährlichen Direkteinschläge Nd kleiner oder gleich der

Anzahl der akzeptierten Einschläge Nc, so ist ein Blitzschutzsystem nicht

notwendig.

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Diplomarbeit Ralf Reißen3. Stand der Blitzschutznormung und Stand der Technik

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c) Bestimmung der Schutzklasse

Die Bestimmung der Schutzklasse nach dem Wirkungsgrad (Effektivität),

den das Blitzschutzsystem später haben soll.

Die Effektivität E errechnet sich aus:

84,00031,0

0005,011 =−=−≥

dN

NcE

Für diesen Wert von E wird in der ENV 61024-1 (Tabelle 1: Beziehung zwischen

Schutzklasse und Wirksamkeit) [7] die Blitzschutzklasse III vorgeschrieben.

Über die Wirkungsbereiche der 4 Schutzklassen soll die folgende Tabelle

Aufschluß bringen:

Blitz-schutz-klasse

Wirkungs-grad

E in %

Maschen-weitein m

Typ.Abstandder Ab-

leitungen in m

Strom-scheitel-

wertI in kA

Impuls-ladung

Q in As

Spez.Energie

SEIn MJ/Ω

I 98 5x5 10 200 100 10

II 95 10x10 15 150 75 5,6

III 90 15x15 20 100 50 2,5

IV 80 20x20 25 100 50 2,5

Tabelle 1: Zuordnung von Wirkungsgrad, Maschenweite, Abstand der Ableitungen,Stromscheitelwert, Impulsladung und spez. Energie zu den Schutzklassen

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Diplomarbeit Ralf Reißen4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern

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4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern

Hinsichtlich ihrer Brandgefährdung bedürfen Reetdächer eines besonderen

Schutzes; denn das leicht entzündliche Reet ist bereits durch einen kleinen

Funken sehr schnell entflammbar. Bei einem direkten Blitzeinschlag und den

damit verbundenen Überschlägen und Teilentladungen an den metallenen Teilen

(Dachdeckerdraht, Bleche etc.), die im Reet verarbeitet sind, kommt es zur

Funkenbildung und damit zu Bränden.

Selbst wenn ein Blitzschutzsystem nach DIN VDE 0185 Teil 2 [6] vorhanden ist,

ist deren Wirksamkeit stark von den sonstigen Gegebenheiten auf dem Reetdach

und von der Stromstärke und Stromsteilheit des Blitzes abhängig. Näherungen zu

metallenen Teilen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Betrachtet man die VDE-Bestimmungen, so ist schnell zu erkennen, dass

Probleme bei der Planung und Montage einer solchen Blitzschutzanlage

vorprogrammiert sind.

Sind beispielsweise die metallenen Binde- und Vorlegedrähte bei einer solchen

Anlage als metallenes Drahtnetz zu betrachten, wie in der VDE 0185 Teil 2 unter

Abschnitt 6.1.2.4 beschrieben, oder sind damit ausschließlich die Maschendrähte

auf dem Heidefirst gemeint? Rein technisch gesehen sorgt der Maschendraht auf

dem First für größere Probleme, da der Abstand zur Fangeinrichtung kleiner ist als

der Abstand zwischen Fangeinrichtung und Bindedrähten. Bei einem

Blitzeinschlag und dem damit verursachten elektrischen Feld zwischen

Fangleitung und Dachhaut bzw. Maschendraht kann es zu Überschlägen und

damit zu Funkenbildung kommen.

4.1. Maschendrahtüberzug

Ein wirksamer Blitzschutz ist also zunächst nicht möglich, wenn das Dach mit

metallenem Maschendraht ganz oder teilweise überzogen ist. Dieser

Maschendraht dient hauptsächlich zum Schutz des Heide- bzw. Sodenfirstes vor

Vogelabtragungen. In der Fachregel für Dachdeckungen mit Reet des Deutschen

Dachdeckerhandwerkes ist auf diese Problematik ausdrücklich hingewiesen. Auf

eine Initiative der Blitzschutzfirma Hans Thormählen GmbH & Co, die zum ersten

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Diplomarbeit Ralf Reißen4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern

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Mal auf diesen Sachverhalt aufmerksam machte, wurde dies auch in der neuen

Fachregel berücksichtigt: „ 4.3.2.(4) Eine zusätzliche Bespannung mit z.B.

Kunststoffnetzen ist möglich. Die Verwendung von Drahtgeflechten ist inVerbindung mit Blitzschutz an Gebäuden nicht zulässig.“ [3].

Die beste Lösung dieses Problems besteht darin, den metallenen Maschendraht

gegen ein UV-beständiges Kunststoffnetz auszutauschen. Die Haltbarkeit dieser

Kunststoffnetze liegt nach Herstellerangaben bei mindestens 8 bis 10 Jahren und

ist somit eine akzeptable Alternative. Ein weiterer Vorteil dieser Kunststoffnetze

besteht darin, dass sie sich dem First und seiner individuellen Form und

gegebenenfalls einer Formänderung besser anpassen als ein relativ starrer

Metallmaschendraht.

4.2. Metallene Durchführungen und Installationen

Metallene Durchführungen sind laut VDE nicht zulässig (siehe DIN 57185 Teil 2 /

VDE 0185 Teil 2 Abschnitt 6.1.2.3 und 6.1.2.4). Neben der klaren Auslegung der

VDE spielen auch hier die Grenzfälle eine Rolle. Bei einer Kaminsanierung

beispielsweise tritt solch ein Grenzfall ein. Soll nämlich ein Kamin, der aus

Backsteinen gemauert ist, saniert werden, weil eine neue Heizungsanlage

installiert wurde, so geschieht dies nach den Richtlinien der FEUVO

(Feuerungsverordnung). Diese FEUVO besagt, dass die Sanierung des Kamins

mit einem geeigneten Werkstoff

erfolgen soll, der in den meisten Fällen

aus einem Edelstahlrohr besteht, das

durch den bestehenden Kamin

eingezogen wird. Hier wird ganz klar

eine metallene Durchführung erzeugt,

die jedoch einen gewissen Abstand

(Dicke des gemauerten Kamins) zum

Weichdach aufweist.

Abbildung 17: Kaminsanierung mittels

Edelstahlrohr [16]

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Diplomarbeit Ralf Reißen4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern

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Dieses Problem kann auf zweierlei Weise gelöst werden. Wenn ein Edelstahlrohr

verwendet wurde, muss neben dem Kamin eine Fangstange montiert werden, die

den Gefährdungsbereich des Edelstahlrohres abschirmt. Hierbei sind die in der

VDE angegebenen Mindestabstände unbedingt zu beachten.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Kaminsanierung mit einem

nichtmetallenen Material durchzuführen. Hierzu wird ein spezielles Kunststoffrohr

verwendet, das in 3 verschiedenen Typenklassen hergestellt wird, wobei die

Abgastemperatur maßgebend ist:

Typ max. Abgastemperatur in °C

A 80

B 120

C 160

Im Vergleich zum Edelstahlrohr ist dies allerdings eine recht kostspielige

Angelegenheit. Zudem müssen die genauen Abgastemperaturen der Heizanlage

bekannt sein.

Ein anderes Problem sind Näherungen, hervorgerufen durch Kreuzungen der

Ableitungen des Blitzschutzsystems und der elektrischen Installation des Hauses.

Diese treten z.B. an der Traufe auf: Die metallenen Traufenstützen, die den

Ableitungsdraht spannen sollen, werden direkt an der Hauswand befestigt.

Werden nun Leitungen für die Rundumbeleuchtung, für Alarmtechnik oder für eine

Brandmeldeanlage etc. an diesen Traufenstützen befestigt oder so geführt, dass

der Sicherheitsabstand unterschritten wird, so ist im Fall einer Blitzentladung mit

direkten Überschlägen und Funkenbildung bzw. Einkopplungen in diese Leitungen

zu rechnen. Um dies zu vermeiden, ist es unbedingt erforderlich, einen

ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen Leitung und Ableitungsdraht bzw.

Traufenstütze einzuhalten. Dieser Sicherheitsabstand kann nach DIN V ENV

61024-1 [7] berechnet werden, in der Praxis hat sich jedoch ein Abstand von etwa

0,5 m bewährt.

Eine Unterschreitung dieses Sicherheitsabstands ist auch gegeben, wenn an der

Stelle, an dem die Stütze auf der Außenwand montiert ist, an der Innenwand

elektrische Leitungen oder metallene Rohre vorhanden sind. Um mögliche

Näherungseffekte auszuschließen, ist es erforderlich, die Traufenstütze aus einem

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Diplomarbeit Ralf Reißen4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern

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nicht leitenden Material herzustellen oder zwischen die metallenen Teile einen

Isolator einzubauen (vgl. Kapitel 8).

4.3. Nichtfachgerechte Installation und Wartung von Blitzschutzsystemen

Ein nicht zu unterschätzender Gefahrenpunkt ist die nicht fachgerechte Installation

und Wartung des Blitzschutzsystems. Werden bereits bei der Installation Fehler

gemacht, indem z.B. die Mindestabstände nicht eingehalten oder Traufenstützen

falsch montiert werden, so kann eine einwandfreie Funktion des

Blitzschutzsystems nicht gewährleistet werden.

Abbildung 18:

nicht fachgerecht installierte

Traufenstütze [16]

Bei der Wartung ist darauf zu achten, dass die Erdungswiderstände infolge von

korrodierenden Leitungsübergängen nicht zu groß werden. Auch sollte unbedingt

vermieden werden, den Ableitungsdraht als Rankhilfe für Kletterpflanzen zu

mißbrauchen, da durch diesen Pflanzenbewuchs ein isoliert aufgebautes

Blitzschutzsystem nicht mehr möglich ist.

4.4. Firstabdeckungen aus Kupferblech

Der Kupferfirst, wie er unter Kapitel 2.4.4. dargestellt wird, stellt für den Blitzschutz

auch ein erhebliches Problem dar. Diese Problematik ist analog zu dem unter 4.1.

genannten Maschendrahtüberzug und ist in der VDE 0185 Teil 2 in Kapitel 6.1.2.4

aufgeführt. Bei einem Blitzeinschlag in die Blitzschutzanlage und dem damit

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Diplomarbeit Ralf Reißen4. Besondere Gefahrenpunkte bei Reetdächern

- 35 -

entstehenden elektrischen Feld zwischen der Fangleitung und dem Erdpotential,

das z.B. direkt unter dem Dach liegt, wird der Kupferfirst, der zwischen dieser

Anordnung liegt, diesem elektrischen Feld voll ausgesetzt. Nun ist es möglich,

wenn der First relativ nahe an dem Erdpotential liegt, dass hier Teilentladungen

und Überschläge stattfinden, die mit Funkenbildung verbunden sind. Dies alles

geschieht, ohne dass ein Durchschlag von der Fangleitung oder vom

Ableitungsdraht auf den Kupferfirst stattgefunden hat.

4.5 Binde- und Vorlegedrähte

Das gleiche Phänomen, das unter 4.4. beschrieben wurde, kann natürlich auch bei

den Dachdeckerdrähten, den Binde- und Vorlegedrähten auftreten; denn auch hier

haben wir es mit einem Metallteil zu tun, das großflächig auf dem Dach verteilt ist.

Zwar ist hier der Abstand zum Blitzschutzsystem größer, dafür ist mit den

Bindedrähten jedoch noch eine andere Schwierigkeit verbunden: Sie

durchschneiden das unter 4.4 genannte elektrische Feld senkrecht, da sie vom

Vorlegedraht bis unter die

Lattung reichen (vgl.2.3.2).

Dies kann dann ebenfalls dazu

führen, dass bei Näherungen

zur Elektroinstallation des

Hauses auch hier Teilent-

ladungen und Überschläge

zwischen Bindedraht und

Elektroinstallation stattfinden.

Abbildung 19: Bindedrähte von innen unterm Dach

umschließen die Lattung [15]

Die unter 4.4 und 4.5 dargestellte Problematik wird in Kapitel 6 ausführlich

untersucht (Lösungsmöglichkeiten siehe 6.2.1 und 6.2.2 sowie Kapitel 7).

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Diplomarbeit Ralf Reißen5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

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5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

In Regionen, wo Weichdächer weit verbreitet sind, ist immer wieder in Zeitungen

zu lesen, dass Häuser, die mit Reet oder Stroh gedeckt waren, ein Opfer der

Flammen wurden. Verursacht werden solche Brände in vielen Fällen durch die

Auswirkungen eines Blitzeinschlages.

Selbst mit einem installierten Blitzschutzsystem besteht immer noch ein Risiko.

Zwar ist die Gefahr von Direkteinschlägen äußerst gering, dafür ist es aber

möglich, dass durch Näherungen Teilentladungen und sogar Überschläge und

damit Funkenbildung auftritt. Voraussetzung für eine einwandfreie Funktion eines

Blitzschutzsystems sind regelmäßige Sicht- und Funktionsprüfungen der Anlage.

Besonders spektakulär ist der Blitzeinschlag in das reetgedeckte Rathaus in

Worpswede, das mit einem Blitzschutzsystem versehen war und dennoch in der

Nacht vom 13. auf den 14.06.1997 infolge eines Blitzeinschlags abgebrannt ist. In

dem Untersuchungsbericht der Firma Thormählen [8] wird von den

Gegebenheiten berichtet:

„Das ca. 30 x14 m große und ehemalige Bauerngehöft wurde vor 10 Jahren

renoviert und zum Rathaus hergerichtet. Der Bau ist mit einem ziegelgedeckten

Neubau durch einen Zwischenbau (Schieferdach) verbunden. Das reithgedeckte

Gebäude und auch das Nebengebäude ist mit einer Blitzschutzanlage vor etwa 10

Jahren ausgerüstet worden. Der Neubau hat mit Sicherheit einen

Fundamenterder. Bei dem Altbau, der auch bei den Grundmauern unterfangen

wurde, scheint auch ein Fundamenterder gelegt worden zu sein, da an einer Stelle

ein korrodiertes Bandeisen in der Erdoberfläche zu finden war. Die

Erdungswiderstände sind auf der beigefügten Skizze festgehalten worden. Das

reithgedeckte Gebäude hatte einen Heidefirst, die Firstleitung war an

Blitzschutzmaste befestigt, ferner war das Gebäude mit 6 Ableitungen versehen.

Die Oberleitung bestand aus Kupfer. Die Augenzeugen, die den

Schadenshergang gesehen haben, widersprechen sich. Einerseits will man

wahrgenommen haben, dass der Blitz in die Blitzschutzanlage in der Mitte des

Gebäudes eingeschlagen hat und von da aus über das völlig nasse Dach etwa in

der Mitte der Dachfläche auf die unmittelbar unter der Dachfläche verlaufenden

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Diplomarbeit Ralf Reißen5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

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zahlreichen Kabel übergeschlagen und somit gezündet hat. Der Bericht eines

anderen Augenzeugen will jedoch den Brand vorne im Haus gesehen haben. Eine

andere Version sagt auch noch, dass die Drähte bei dem Blitzeinschlag geglüht

hätten. Der Heidefirst war mit einem metallenen Maschendraht überzogen. Die

elektrische Anlage und der eingebaute Überspannungsableiter war zerstört. Ein

Bandstahl, offensichtlich vom Fundamenterder, ist auf die Potentialausgleich-

schiene gelegt. Ob der Bandstahl vom Neubau oder vom Altbau kommt, konnte

nicht festgestellt werden, zumal der Raum wegen Einsturzgefahr verriegelt war.

Die neben dem Haus stehenden hohen Bäume weisen keine Blitzspuren auf.

Meine Recherchen beim Sicherheitsbeauftragten des Landkreises Osterholz-

Scharmbeck und bei der Kriminalpolizei, ebenfalls Osterholz-Scharmbeck, haben

ergeben, dass in der Nacht folgende Stromstärken durch das Blitzortungssystem

der Firma Siemens gemessen wurden:144kA119kA innerhalb von 10 Minuten151kA163kA

nach 4 Minuten186kA

nach 5 Minuten198kA

nach 1Minute177kA

nach 20 Minuten138kA

Die Polizei will mir jedoch eine komplette Auswertung des „Siemens

Ortungssystems“ nicht aushändigen. Die Ortschaft Worpswede liegt im Landkreis

Osterholz-Scharmbeck, dieser Landkreis wiederum liegt nordöstlich der Stadt

Bremen. Die Fachleute in unserem Hause sind überrascht von den hohen

Stromstärken, die in dieser fraglichen Nacht gemessen wurden.

Nach meiner Auffassung hat ein stromstarker Blitz die Blitzschutzanlage getroffen

und hat sich, bedingt durch den starken Regenguß, leitend über den

Maschendraht und die 4mm Bindedrähte des Reithdaches auf die elektrischen

Leitungen, die in großer Zahl unmittelbar unter dem Reithdach verliefen,

durchgeschlagen. Im übrigen waren überall an den Traufen elektrisch betriebene

Rundummelder und elektrische Beleuchtung installiert.“

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Diplomarbeit Ralf Reißen5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

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Was war hier geschehen? Zunächst fällt auf, dass die hier aufgeführten Blitze sehr

hohe Blitzstromstärken aufweisen. Statistisch gesehen liegen ansonsten die

meisten Blitze bei Stromstärken unter 100 kA. Dies ergibt sich aus analysierten

Blitzstrommessungen, die als Auswertung in der ENV 61024-1 [7] Anhang A

aufgeführt sind:

„A1 Statistische Verteilung

Die Blitzstrommessungen wurden im allgemeinen aus Messungen an hohen

Objekten erhalten. Für diese Norm wird angenommen, daß diese Kennwerte auch

für bauliche Anlagen unter 60 m gelten. Die statistische Verteilung der

gemessenen Blitzstromkennwerte kann als logarithmische Normalverteilung

angesehen werden. Auf dieser Basis kann die Wahrscheinlichkeit des Auftretens

irgendeines Wertes eines Parameters aus den Werten in Bild A.1 berechnet

werden. Der Anteil der Polaritäten ist abhängig vom Geographischen Bereich.

Wenn keine örtlichen Informationen vorliegen, sollte angenommen werden, daß

10% der Blitze positive und 90% negative Ströme führen. Die Kennwerte dieser

Norm basieren auf 10% positiven und 90% negativen Blitzen.“

Das bedeutet, die Blitzstromkennwerte können direkt aus dem Diagramm (Bild A.1

in der o.g. Norm), getrennt nach positivem und negativem Erstblitz und negativem

Folgeblitz, abgelesen werden. So kann man mit Hilfe der Verhältnisse 10%

positivem zu 90% negativem Blitz jede Blitzstromwahrscheinlichkeit ausrechnen:

Möchte man beispielsweise eine 5% tige Wahrscheinlichkeit errechnen, so

ergeben sich folgende Werte:

negativer Erstblitz (5%-Wert) = 85 kA

positiver Blitz (5%-Wert) = 250 kA

daraus ergibt sich: kAkAkA 5,1011,02509,085 =⋅+⋅

Das bedeutet, dass rein statistisch nur 5% aller Erstblitzströme größer als

101,5 kA sind

Also ist anzunehmen, dass die aufgeführte Liste mit den sehr hohen

Blitzstromstärken unvollständig ist.

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Diplomarbeit Ralf Reißen5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

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Zur Veranschaulichung des Sachverhaltes und der technischen Gegebenheiten

soll eine Prinzipskizze Aufschluß geben:

Abbildung 20: Prinzipskizze des Reetdachfirstes mit Blitzschutzsystem,

Dachdeckerdrähten und elektrischer Installation mit Angabe

von ungefähren Abständen [15]

Anhand dieser Zeichnung kann man nun versuchen, den Hergang des

Blitzeinschlags zu rekonstruieren. Leider sind zu dem vorliegenden Fall keine

genauen Angaben über die einzelnen Abstände bekannt, jedoch könnten sie mit

den hier eingetragenen Abständen in etwa übereinstimmen (siehe auch Kapitel 2

besonders 2.3.1 und 2.4.2). Außerdem ist anzumerken, dass die vorhandenen

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Diplomarbeit Ralf Reißen5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

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Bindedrähte im Dach der Elektroinstallation unter dem Dach zu nahe gekommen

sind. So ist möglicherweise der Abstand von einigen Bindedrähten zu einer

Lampenzuleitung zu gering gewesen.

Technisch gesehen ist diese Anordnung ein großer Kondensator, der

verschiedene Dielektrika (Mehrschichtdielektrika) und einige leitende

Zwischenräume aufweist. Er ist wie folgt aufgebaut:

Die Fangspitze, Fangleitung und Ableitung, die hohes Potential annehmen

können, stellen die eine Elektrode des Kondensators dar. Das erste Dielektrikum,

das folgt, sollte die Luft sein; jedoch ist aus zahlreichen Versuchen und aus der

VDE bekannt, dass an dieser Stelle die Isolierstütze aus Bongossiholz

einzusetzen ist. Denn betrachtet man ein festes Medium (hier Holz) als

Dielektrikum, so sind die isolierenden Eigenschaften viel schlechter als die bei

Luft. Das liegt hauptsächlich daran, dass an diesem festen Medium

Gleitdurchschläge, hervorgerufen durch Verunreinigungen der Oberfläche oder

durch Feuchtigkeit, auftreten. Um diese unterschiedlichen Dielektrika zu

vergleichen, arbeitet man in der VDE mit dem Koeffizienten km, der Aufschluss

über die Güte des Dielektrikums gibt.

Material Km

Luft 1

Festes Material 0,5

Als nächstes folgt eine leitende Schicht in Form des Maschendrahtes über dem

Heidefirst. Ein Gemisch aus nassem Heidekraut und Reet bildet das zweite

Dielektrikum, das durch die Durchnässung einen relativ schlechten Isolator

darstellt. Darunter verläuft der Dachdeckerdraht (Vorlege- und Bindedrähte), der

auch als leitende Schicht betrachtet werden kann. Die letzte Isolierschicht ist nicht

so leicht zu bestimmen und hängt ausschließlich von der Art und Verlegungsweise

der Elektroinstallation ab. Im worst-case-Fall würde das letzte Schichtdielektrika

nur aus einem Kabelmantel, beispielsweise eines NYM-Kabels, bestehen. Die

zweite Elektrode des Kondensators besteht aus der Elektroinstallation.

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Diplomarbeit Ralf Reißen5. Schäden, die durch Blitzeinwirkung an reetgedeckten Häusern entstanden sind

- 41 -

Bei einem Blitzeinschlag auf der Fangleitung oder auf der Fangspitze entsteht auf

ihr ein hohes elektrisches Potential. In diesem Zusammenhang wäre es natürlich

wichtig zu wissen, wie groß der Blitzstrom und die Blitzstromsteilheit gewesen

sind, wo der Blitz genau eingeschlagen hat und wie hoch der entsprechende

Erdungswiderstand war. Zu allen drei Fragestellungen liegen jedoch keine Daten

vor.

Zwischen der Fanganordnung und der Erde (in unserem Fall die

Elektroinstallationsleitungen) baut sich ein sehr großes elektrisches Feld auf.

Durch dieses Feld ist es bereits möglich, dass zwischen Maschendraht und

Dachdeckerdraht bzw. zwischen Dachdeckerdraht und Erde (Elektroinstallation)

Teilentladungen oder sogar Überschläge entstehen. Diese Überschläge und die

damit verbundene Funkenbildung können bereits ausreichen, um das Reetdach zu

entzünden. Bei besonders starken Blitzen wird das Feld so groß, dass es auch an

dem Isolationsmast aus Bongossiholz zunächst zu Gleitentladungen, dann zum

Überschlag kommt.

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

6.1. Experimentelle Untersuchung an einem Modell des Blitzschutzsystems

für Reetdächer

Um die Effekte zu untersuchen, die an einem Blitzschutzsystem für Reetdächer

auftreten, wurde ein Modell entwickelt und aufgebaut. Wichtig war es, dass dieses

Modell die in der VDE angegebenen Maße aufwies, um es dann im

Hochspannungslabor der Fachhochschule Aachen, Abteilung Jülich, mit einigen

Hochspannungs- und Blitzstoßspannungsversuchen zu untersuchen.

Zunächst wurde ein Holzgestell aufgebaut, das aus versuchstechnischen Gründen

weder Nägel noch Schrauben aufweisen sollte, um die Versuchsergebnisse nicht

durch „Fremdmetalle“ zu beeinflussen. Auf diesem Holzgestell wurden dann die

beiden für den Versuch notwendigen Elektroden (eine Hochspannungselektrode

und eine geerdete Elektrode) befestigt. Die geerdete Elektrode sollte die

Elektroinstallation, die sich direkt unter dem Dach befindet, simulieren. Die

Hochspannungselektrode stellt den Blitzableiter dar. Diese beiden Elektroden

wurden aus Rundstahl mit einem Durchmesser von 8 mm hergestellt.

Abbildung 21: Prinzipieller Aufbau des Versuchsmodells einer

Blitzschutzanordnug für ein Reetdach [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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Die gesamte Versuchsanordnung war etwa 3 m lang. In das Holzgestell konnte

zusätzlich noch eine potentialfreie Mittelelektrode (Rundstahl mit Durchmesser 5

mm), die den Vorlegedraht simulieren sollte, eingesetzt werden. Um den

Dachaufbau schließlich komplett zu simulieren, wurden mit Hilfe von

Abstandhaltern aus Holz noch Bindedrähte (∅ 1,4 mm) zwischen Lattung und

Vorlegedraht befestigt. Die Versuche wurden mit verschiedenen

Modellanordnungen und verschiedenen Abständen der Elektroden durchgefahren.

Der Abstand von der Hochspannungselektrode zur geerdeten Elektrode war etwa

0,75 m groß. Dieser Abstand setzt sich zusammen aus dem Abstand des

Ableitungsdrahtes vom Reetdach, der nach VDE 0,4 m beträgt, der Dicke des

Reetdaches, das nach der Fachregel für Dachdecker etwa 0,3 m dick ist und der

Lattung, die ungefähr 3 cm – 5 cm ausmacht.

Der potentialfreie Vorlegedraht liegt etwa 10-15 cm über der Lattung. Deswegen

wurden auch beide Abstände beim Versuchsaufbau berücksichtigt.

Zur Veranschaulichung des Versuchsaufbaus sollen folgende Fotos dienen:

Abbildung 22: Versuchsanordnung in der Hochspannungshalle [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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Abbildung 23: Detailaufnahme der Anbindung an die Hochspannung [15]

Abbildung 24: Detailaufnahme der geerdeten Elektrode unter der Latte

und des potentialfreien Vorlegedrahtes [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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Abbildung 25: Bindedrähte zwischen Vorlegedrähten und Lattung

mit hölzernen Abstandhaltern [15]

Abbildung 26: Detailaufnahme der Bindedrähte zwischen Vorlegedrähten

und Lattung mit Abstandhaltern [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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6.1.1. Untersuchung mit Wechselspannung

Die erste Versuchsreihe wurde mit Wechselspannung durchgeführt. Dazu wurde

die Versuchsanordnung an einen Hochspannungsprüftransformator

angeschlossen, der eine Spannung von Umax,eff = 500 kV liefert. Bei jedem Versuch

aus der Versuchsreihe wurde die Spannung langsam erhöht, bis ein Durchschlag

erfolgte. Dabei waren die auftretenden Effekte sehr gut zu beobachten.

Abbildung 27: Versuchsaufbau mit Hochspannungstransformator [15]

Im Folgenden werden alle Versuche der Versuchsreihe nacheinander

beschrieben. Zur Veranschaulichung des prinzipiellen Aufbaus des jeweiligen

Versuchs soll eine Skizze dienen. Die beobachteten Effekte, wie der Einsatz von

Teilentladungen, werden jeweils beschrieben.

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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6.1.1.1. Versuch 1: ohne Mittelelektrode

Diese Versuchsanordnung sollte hauptsächlich

zur Ermittlung der Durchschlagsspannung

dienen.

Der Durchschlag erfolgte bei einer Spannung

von 244 kV. Der Weg der meisten Durchschläge

erfolgte als Gleitdurchschlag an einer der

Holzstützen (vgl. Abb.21)

Teilentladungen erfolgten ausschließlich an der

Hochspannungselektrode. Der Einsatz dieser

Abb. 28: Versuchsaufbau 1 [15] Teilentladungen erfolgte hörbar ab etwa 40 kV

und sichtbar ab etwa 100 kV

6.1.1.2. Versuch 2: mit potentialfreier Mittelelektrode (Vorlegedraht) 15 cm über

der Latte

Diese Versuchsanordnung sollte Aufschluß

darüber bringen, ob an der potentialfreien

Mittelelektrode Teilentladungen stattfinden.

Dies war jedoch nicht der Fall. Die

Teilentladungen traten ausschließlich an der

Hochspannungselektrode auf: Der Einsatz der

Teilentladungen erfolgte hörbar ab etwa 40 kV

und sichtbar ab etwa 100 kV

Der Durchschlag erfolgte bei einer Spannung

von 238 kV. Auch hier waren fast ausschließlich

Abb. 29: Versuchsaufbau 2 [15]

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Gleitdurchschläge zu beobachten, wobei der Weg der Entladungen in vielen

Fällen über die potentialfreie Mittelelektrode führte (siehe Abbildung 30).

Abbildung 30: Durchschlag an Versuchsanordnung [15]

6.1.1.3. Versuch 3: mit potentialfreier Mittelelektrode (Vorlegedraht) 10 cm über

der Latte

Wie zuvor bereits in der zweiten Versuchs-

anordnung traten auch hier die Teilentladungen

ausschließlich an der Hochspannungselektrode

auf. Teilentladungen setzten hörbar ab etwa 40

kV und sichtbar ab etwa 100 kV.

Der Durchschlag, der auch hier als

Gleitdurchschlag wie auf Abbildung 30 zu sehen

war, erfolgte bei einer Scheitelspannung von 225

kV.

Abb. 31: Versuchsaufbau 3 [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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6.1.1.4. Versuch 4: realistisches Reetdachmodel mit Abständen nach VDE sowie

Binde- und Vorlegedrähte (15 cm über der Latte)

Diese Modellanordnung beinhaltet die

Eigenschaften, die Reetdächer zeigen, die nach

dem heutigen Stand der Technik aufgebaut sind

(vgl. Kapitel 2.3.1 und 2.3.2).

Hier traten Teilentladungen zwischen dem

Bindedraht und der geerdeten Elektrode auf.

Der Abstand von dem unteren Punkt des

Bindedrahtes zur Erdelektrode betrug etwa 10

mm. Zunächst war es verwunderlich, dass der

Teilentladungseinsatz bereits bei etwa 34 kV zu

hören war. Sichtbar wurde dieser, und zwar mit

Abb. 32: Versuchsaufbau 4 [15] deutlichem Funkensprühen, ab einer Spannung

von 70 kV. Dieses Funkensprühen bei der Spannung von 70 kV reichte aus, ein

Papiertaschentuch, welches zwischen dem Bindedraht und der Erdelektrode

befestigt war, zu entzünden.

Der Durchschlag, der im unteren Teil der Versuchsanordnung ausschließlich über

die Bindedrähte erfolgte, trat bei einer Spannung von 200 kV auf.

Abbildung 33:

Durchschlag bei Wechsel-

spannung (oberer Teil:

Gleitdurchschlag an Holz-

stütze, unterer Teil:

Durchschlag über Binde-

draht) [15]

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6.1.1.5. Versuch 5: realistisches Reetdachmodel mit Abständen nach VDE sowie

Binde- und Vorlegedrähte (10 cm über der Latte)

Analog zu Versuch 4 sollten nun die Effekte bei

vermindertem Abstand zwischen Vorlegedraht

und Erdelektrode untersucht werden.

Auch hier traten die Teilentladungen wieder

ausschließlich am Zwischenraum zwischen

Bindedraht und geerdeter Elektrode auf. Hörbarer

TE-Einsatz erfolgte ab 38 kV, sichtbarer ab etwa

75 kV.

Der Durchschlag, der wie in Abbildung 33 zu

sehen war, erfolgte bei 205 kV.

Abb. 34: Versuchsaufbau 5 [15]

Da bei den Versuchen 4 und 5 die Teilentladungen und damit verbunden eine

massive Funkenbildung zwischen dem Bindedraht und der Erdelektrode auftraten,

war es nun noch interessant, den Zusammenhang zwischen dem Abstand der

beiden Drähte und der Höhe der Spannung zu untersuchen, bei der ein sichtbarer

TE-Einsatz auftrat. Bei den bisherigen Versuchen 4 und 5 betrug dieser Abstand

zwischen dem unteren Ende des Bindedrahtes und dem geerdeten Draht 10 mm.

Im folgenden Versuchsteil, der die sonstigen Abstände des Versuch 4 aufwies,

wurde dieser Abstand variiert. Die Ergebnisse sind in der Tabelle dargestellt:

AbstandBindedraht – Erdelektrode

in mm

TE-Einsatz bei einerScheitelspannung

in kV

Durchschlags-Spannung

in kV2 37 2005 58 19810 70 20016 85 198

Tabelle 2: TE-Einsatz und Durchschlagsspannung in Abhängigkeit vom Abstand

Bindedraht - Erdelektrode

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6.1.1.6. Versuch 6: realistisches Reetdachmodel mit Abständen nach VDE und

geerdeten Binde- und Vorlegedrähten (15 cm über der Latte)

Nun sollte untersucht werden, was an der

Anordnung passiert, wenn der Vorlegedraht, der

mit dem Bindedraht elektrisch leitend verbunden

ist, geerdet wird. Die Erdung erfolgte nur an einer

Stelle am Vorlegedraht, und zwar durch

einfaches Verbinden mittels des Bindedrahtes an

die geerdete Elektrode.

Hier erfolgte der Einsatz der Teilentladungen

wieder ausschließlich an der Hochspannungs-

elektrode.

Abb. 35: Versuchsaufbau 6 [15] Der TE-Einsatz war ab einer Spannung von 40kV

zu hören und sichtbar ab etwa 100kV. Die Durchschlagsspannung war schon bei

180kV erreicht, was sich mit dem kleiner gewordenen Abstand zwischen

Hochspannung und Erde erklären läßt.

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6.1.2. Untersuchung mit Blitzstoßspannung

Die zweite Versuchsreihe wurde mit Blitzstoßspannung durchgeführt. Dazu wurde

die Versuchsanordnung an einen 9-stufigen Marx-Generator mit einer Summen-

ladespannung von 900kV angeschlossen. Dieser Marxgenerator ist in der Lage,

eine nach VDE genormte Blitzstoßspannung 1,2/50 zu liefern, die einen Blitzstrom

in der Größenordnung von einigen hundert Ampere liefert. Nach VDE hat die

Blitzstoßspannung 1,2/50 eine Stirnzeit T1= 1,2μs ±30% und eine Rücken-

halbwertzeit T2= 50μs ± 20%.

Zur Erläuterung dieser Zeiten

soll das neben stehende Dia-

gramm Aufschluß geben.

T1 = Stirnzeit

T2 = Rückenhalbwertsz eit

Tc = Abschneidezeit

Abbildung 36: Definition von Kenngrößen der

Blitzstoßspannung 1,2/50 [10]

Abbildung 37: 9-Stufiger Marx-Generator in der Hochspannungshalle

der Fachhochschule Aachen, Abt. Jülich [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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Zu Beginn der Versuche ergab sich, dass die Holzstützen des Modells den

Anforderungen des Versuchs nicht gewachsen waren: Nach drei Durchschlägen

waren alle drei Holzstützen (siehe Abbildung 22) vom Blitzstrom zerstört worden.

Die völlig zerstörten Holzstützen wurden gegen Kunststoffstützen aus Pertinax

ausgetauscht und mit Kunststoffschrauben an den Holzfüßen des Modells

befestigt. Dann konnte der Blitzstoßspannungsversuch gefahren werden.

Bei jedem Versuch aus der Versuchsreihe wurde die Spannung langsam erhöht,

bis die Durchschlagsspannung erreicht war. Anschließend wurde die Höhe der

Spannung etwas verringert, um das eventuelle Auftreten von Teilentladungen zu

beobachten. Dies wurde mit allen 6 Versuchsanordnungen (vgl. 6.1.1.1 bis

6.1.1.6) durchgeführt. Bei keiner der Versuchsanordnungen waren jedoch

zunächst Teilentladungen bzw. Überschläge zu beobachten. Hier ist zu

berücksichtigen, dass der Vorgang dieser Blitzentladungen immerhin im μs-

Bereich liegt.

Schließlich wurde die ganze Versuchsreihe noch einmal wiederholt, diesmal

jedoch mit einem „mechanischen Auge“, einem Fotoapparat, der mit Hilfe der

Langzeitbelichtung die Teilentladungen sichtbar machen sollte. Auf den später

entwickelten Bildern war jedoch nichts festzustellen, was auf eine Teilentladung

hinweisen könnte. Es kann also über das Auftreten von Teilentladungen im

Zusammenhang mit der Blitzstoßspannung keine Aussage gemacht werden.

Die Ermittlung der Durchschlagsspannung (hier 50%-Durchschlagsspannung)

erfolgte nach der „up and down Methode“:

Bei jedem Versuch aus der Versuchsreihe wurde die Spannung langsam erhöht,

bis die Durchschlagsspannung erreicht war. Nach dem erfolgten Durchschlag

wurde die Höhe der Spannung dann etwas herabgesetzt. Erfolgte erneut ein

Durchschlag, so war die Spannung wieder herabzusetzen, anderenfalls, wenn

kein Durchschlag erfolgte, musste die Spannung erhöht werden. Diese Prozedur

wurde 20 mal wiederholt, um genügend Meßwerte zu haben, um die 50%-

Durchschlagsspannung Ud/50% zu ermitteln. Hierbei war zu beachten, dass

mindestens 8 und höchstens 12 der 20 Versuche einen Durchschlag zur Folge

hatten. Der Mittelwert dieser 20 Messungen ergibt die 50%-Durchschlagspannung

Ud/50.

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

- 54 -

In der folgenden Tabelle sind alle Versuchsreihen mit den entsprechenden

Messergebnissen der einzelnen Versuche dargestellt. Die Spannungen, bei denen

Durchschläge erfolgten, sind fett und kursiv gedruckt.

Versuchs-aufbau 1

Versuchs-aufbau 2

Versuchs-aufbau 3

Versuchs-aufbau 4

Versuchs-aufbau 5

Versuchs-aufbau 6

VersuchNr.: kV

U dkV

U dkV

U dkV

U dkV

U dkV

U d

1 424,1 408,4 418,8 314,2 340,3 324,62 408,4 387,5 413,6 335,1 345,6 308,93 392,7 390,1 408,4 319,4 350,8 314,24 403,2 403,2 418,8 324,6 345,6 324,65 424,1 403,2 424,1 329,9 345,6 324,66 418,8 392,7 413,6 319,4 345,6 324,67 403,2 408,4 413,6 324,6 335,1 324,68 413,6 397,9 413,6 324,6 345,6 319,49 408,4 397,9 413,6 324,6 345,6 324,610 408,4 418,8 413,6 319,4 345,6 327,311 413,6 408,4 418,8 324,6 340,3 324,612 418,8 392,7 418,8 324,6 345,6 324,613 418,8 408,4 413,6 324,6 340,3 324,614 403,2 418,8 408,4 314,2 345,6 324,615 413,6 397,9 387,5 324,6 345,6 324,616 413,6 403,2 387,5 314,2 345,6 322,017 403,2 418,8 403,2 324,6 345,6 324,618 397,9 413,6 408,4 314,2 345,6 319,419 397,9 413,6 397,9 324,6 340,3 322,020 408,4 408,4 403,2 329,8 345,6 324,6

Ud/50%

in kV409,7 404,6 409,9 322,8 344,3 322,7

Tabelle 3: Durchschlagsspannungen nach der 50% Methode

Wie man aus den Werten in der Tabelle ersehen kann, ist die Durchschlags-

spannung direkt proportional zum Abstand der jeweiligen Elektrodenanordnung.

Ist beispielsweise eine nur potentialfreie Mittelelektrode vorhanden, so macht dies

keinen großen Unterschied in der Durchschlagsspannung (Versuchsanordnung 1

bis 3). Werden im Versuchsaufbau Bindedrähte verwendet, so ist die

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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Durchschlagsspannung direkt um 90 kV (Abstand 55cm) bzw. um 65 kV (Abstand

60cm) niedriger. Ob die Dachdeckerdrähte geerdet sind, spielt für die

Durchschlagsspannung in unserem Versuchsaufbau keine nennenswerte Rolle.

6.2. Kriterien für einen wirksamen Blitzschutz

Wie die Versuche in Kapitel 6.1. gezeigt haben, sind für einen wirksamen

Blitzschutz von reetgedeckten Gebäuden einige Kriterien zu beachten. Wichtigster

Punkt ist dabei, dass das Blitzschutzsystem isoliert aufgebaut ist und dass die

Sicherheitsabstände nach VDE auf keinen Fall unterschritten werden. In den

Versuchen wurde deutlich, dass die größte Gefahr bei solchen Anlagen die

Näherungen von Metallteilen auf dem Dach (Dachdeckerdraht, Firstabdeckung

aus Kupferblech etc.) zu geerdeten Teilen (Elektroinstallation, geerdete Rohre

etc.) in unmittelbarer Nähe sind. Der Sicherheitsabstand um solche Näherungen

auszuschließen, kann nach DIN V ENV 61024-1 [7] berechnet werden, in der

Praxis hat sich jedoch ein Abstand von etwa 0,5 m bewährt. Können diese

Näherungen oder die Wirkung dieser Näherungen ausgeschaltet werden, so ist

ein wirksamer Blitzschutz grundsätzlich möglich.

6.2.1. Erdung der metallenen Teile

Ist unmittelbar unter dem Dach die Elektroinstallation oder etwa ein geerdetes

Rohr (Wasserleitung etc.) vorhanden, so sind, um die Wirkung einer eventuellen

Näherung zu vermeiden, alle auf oder in dem Reetdach befindlichen Metallteile zu

erden. Dies gilt auch für die Dachdeckerdrähte. In der Realität ist dies jedoch ein

schwieriges Unterfangen! Bei der Eindeckungsart eines genähten Reetdaches

(vgl. 2.3.2) ist eine Erdung der Drähte nahezu unmöglich. Beim gebundenen oder

geschraubten Reetdach (vgl. 2.3.1 und 2.3.3), welches in Norddeutschland die

häufigsten Dachdecktechniken sind, ist ein großflächiges Erden der

Dachdeckerdrähte bei einem Neubau möglich: Die Vorlegedrähte müssen dazu

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Diplomarbeit Ralf Reißen6. Blitzschutztechnische Anforderungen, die an Weichdächer gestellt werden müssen

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mit einem geeigneten Draht elektrisch leitend untereinander verbunden werden.

Die Verbindung mit dem Potentialausgleich erfolgt über eine Kupferleitung mit

einer Querschnittsfläche von 6 mm². Die Anbindung an diese Leitung und die

Durchführung durch das Reetdach müssen unbedingt isoliert werden, um an

diesen Stellen eine Funkenbildung zu vermeiden. Diese Isolation kann durch

einen handelsüblichen PVC-Überzug erfolgen.

Wie dies aussehen könnte, soll die folgende Skizze deutlich machen:

Abbildung 38: Erdung der Vorlegedrähte am Beispiel eines Walmdaches [15]

Andere auf dem Dach befindliche Metallteile, wie z.B. ein Kupferfirst, sind ebenso

zu erden. Dies sollte bereits beim Montieren des Kupferblechs berücksichtigt

werden, da der Anschluß am besten von unten am Blech angebracht wird und der

6 mm²-Kupferdraht, der die Anbindung an den Potentialausgleich gewährleistet,

durch die Dachhaut heruntergeführt werden soll. Auch hier ist eine Isolation der

Anschlußklemmen und des Durchführungsdrahtes vorzunehmen, um eine

Funkenbildung zu verhindern.

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Wenn ein solcher Kupferfirst aus mehreren Blechteilen zusammengefügt wird, so

ist besonders darauf zu achten, dass die einzelnen Teile gut elektrisch leitend

miteinander verbunden werden, damit der Widerstand vom äußersten Kupferblech

zur Potentialausgleichschiene möglichst klein bleibt und durch eventuelle

„schlechte oder isolierende Übergänge“ keine Funkenbildung auftritt.

6.2.2. Keine Erdung der metallenen Teile

Soll an einem Altbau ein Blitzschutzsystem nachgerüstet werden, so ist es nicht

mehr möglich, die im Dach befindlichen Dachdeckerdrähte zu erden. Es ist jedoch

grundsätzlich auch hier möglich, ein Blitzschutzsystem aufzubauen, ohne dass die

Metallteile im und auf dem Dach geerdet werden müssen. Dann muss aber

gewährleistet sein, dass auf der gesamten Dachfläche unter dem Dach und

besonders an den Stellen, wo über dem Dach die Fangleitung oder die

Ableitungen hängen, keine Näherungen zu geerdeten Teilen entstehen können.

Im Näherungsbereich der Dachdeckerdrähte, besonders des Bindedrahts, muss

auf Elektroinstallation und andere geerdete Installationen, wie z.B. Wasser oder

Heizungsrohre, verzichtet werden. Ist dies möglich, so sind nicht geerdete,

potentialfreie Elektroden wie Dachdeckerdrähte oder Kupferfirste oder sogar

Kehlen aus Kupferblech möglich.

Dieses Prinzip ist allerdings äußerst fehler-intolerant. Ein auch nachträglich

eingebautes metallenes Teil, das die Näherungsbedingungen nicht erfüllt, führt zu

einem Unterlaufen des Schutzes. Aus diesem Grunde kann dieses Prinzip nicht

zur grundsätzlichen Anwendung empfohlen werden!

6.2.3. keine Verwendung von metallenen Teilen

Die Näherungsproblematik könnte auch dadurch verhindert werden, dass in und

auf dem Dach keine metallenen Teile Verwendung finden. Dies erweist sich als

sehr schwierig! Die „Fachregel für Dachdeckungen mit Reet“ besagt ausdrücklich,

dass aus Brandschutzgründen die Befestigung des Reets ausschließlich mit

nichtbrennbaren Materialien, wie etwa Draht, zu erfolgen hat. Einen Werkstoff

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aufzuzeigen, der allen Ansprüchen genügt, der der Brandschutz- und der

Näherungsproblematik gerecht wird und der zudem noch tragbar ist, was die

Kosten und den Verlegeaufwand betrifft, würde über den Rahmen dieser

Diplomarbeit hinausgehen.

Die einzige Methode, die auch heute zum Teil noch Anwendung findet, ist das

Befestigen mit Holzruten (Weiden, Haselnuss etc.) als Vorlegematerial und das

Binden mit geeigneten Naturfasern (Sisal-, Kokos- oder Hanfbänder). Dies

geschieht jedoch nur bei historisch wertvollen Gebäuden und soll dann

hauptsächlich als Anschauungsobjekt, z. B. in Museumsdörfern, dienen.

6.2.4. Verwendung von Kunstreet

Die Möglichkeit, Kunstreet zu verwenden, sollte nur der Vollständigkeit halber mit

in diese Ausarbeitung mit aufgenommen werden:

Mit Argumenten des Brandschutzes und des Naturschutzes wird heute bereits ein

Kunstreet angeboten, das sich in der Optik weitgehend dem natürlichen Reetdach

anpaßt. Es handelt sich um geradlinige Halme aus Hart-PVC, die auf modernen

Extrudern gefertigt werden und dann in unterschiedlicher Länge und Färbung

sowie mit unregelmäßigen freien Enden zu einer wetterfesten, unverrottbaren

Schindel thermisch verschweißt sind. Jede einzelne Schindel in den

Abmessungen 50 x 25 cm ist mit entsprechenden Nagellöchern für die Anbringung

auf dem Dachunterbau versehen. Bei Dächern mit diesen Schindeln wird das

„Reetdach“ auf die reine Optik reduziert allerdings mit dem Argument,

bauphysikalisch nach DIN 4102 als Hartbedachung zu gelten. Das Material gilt als

schwer entflammbar und widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende

Wärme. Mit den bauphysikalischen, biologischen und ästhetischen Eigenschaften

des Reetdaches aus Naturmaterialien hat diese Dachdeckung allerdings nur noch

wenig gemeinsam. [1]

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

In diesem Kapitel soll auf konkrete Fälle von Dachaufbauten, Firstarten, Kaminen,

Dachsanierungen usw. eingegangen werden. Zudem sollen Lösungsvorschläge zu

den Gefahrenpunkten an Reetdächern anhand der in Kapitel 4 dargestellten

Probleme aufgezeigt werden.

Beim Decken des Reetdaches ist bereits zu beachten, dass die Dachdeckerdrähte

in den Potentialausgleich des Hauses einzubeziehen sind (vgl. 6.2.1.). Dies ist

jedoch nur möglich, wenn das Dach „gebunden“ oder „geschraubt“ (vgl 2.3.1. und

2.3.3.) wird, da bei diesen Decktechniken ein Vorlegedraht Verwendung findet.

Dieser Vorlegedraht darf auf keinen Fall kunststoffummantelt sein oder andere

isolierende Eigenschaften aufweisen, da dies zwangsläufig zu Funkenbildung an

der Isolation führen würde. Das gleiche gilt auch für den Bindedraht. Als

Bindedraht sollte ein verzinkter Stahldraht mit einem Durchmesser von 1 mm oder

ein Kupferdraht mit einem Durchmesser von 1,5 mm verwendet werden.

Geeignete Vorlegedrähte sollten ebenfalls aus verzinktem Stahl oder aus Kupfer

bestehen und einen Durchmesser von 5 mm aufweisen.

Um die Dachdeckerdrähte nun an den Potentialausgleich anzuschließen, müssen

diese mittels Draht elektrisch leitend verbunden werden (siehe Abb. 38). Dies

geschieht, indem die Vorlegedrähte mit einem Draht (dem Verbindungsdraht),

dessen Durchmesser und Beschaffenheit dem Vorlegedraht entsprechen sollte,

verbunden werden. Das Verbinden dieser Drähte soll mit Hilfe des Bindedrahtes

erfolgen, indem dieser einfach in einer Schlaufe um die sich kreuzenden

Vorlegedrähte gelegt und mit einer Zange angezogen und verdrillt wird. Hinter

dem untersten Vorlegedraht (an der Traufe) ist der Verbindungsdraht mit einem

Isolierschlauch zu versehen und durch das Reet hindurch unter die Dachfläche zu

führen. Von hier aus soll der Verbindungsdraht mit einem isolierten Kupferdraht

mit einer Querschnittsfläche von 6 mm² an die Potentialausgleichschiene

angebunden werden.

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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Ist das Dach bereits vorhanden, so ist es nicht mehr möglich, die

Dachdeckerdrähte an den Potentialausgleich anzuschließen. Hier ist es dann

wichtig, bei sämtlichen metallenen Installationen (Elektroinstallation,

Antennenkabel, metallene Rohre etc.) einen ausreichenden Abstand von den

Dachdeckerdrähten (Abstand >20 cm) einzuhalten (vgl.6.2.2.). Dies ist auch bei

nachträglichen Installationsarbeiten von allen Installateuren zu berücksichtigen.

Eine beispielsweise nachträglich verlegte Leitung, die diese

Näherungsbedingungen nicht erfüllt, führt unweigerlich zu einem Unterlaufen des

Schutzes. Deswegen ist dieses Prinzip äußerst fehler-intolerant und kann nicht zur

grundsätzlichen Anwendung empfohlen werden. Sollte es dennoch praktiziert

werden, so sind regelmäßige Kontrollen und Sichtprüfungen eine wichtige

Voraussetzung für ein funktionsfähiges Blitzschutzsystem.

Über Art und Umfang dieser Sicht- und Funktionsprüfungen gibt die VDE V 0185

Teil 110 [11], die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt, Auskunft. In

dieser Norm ist ebenfalls nachzulesen, in welchen Zeitabständen für die

entsprechende Schutzklasse eine Prüfung durchzuführen ist.

Ein Blitzschutzsystem für reetgedeckte Häuser muss isoliert aufgebaut sein. Das

bedeutet: Alle Fangleitungen und Ableitungen müssen auf Isolierstützen

angebracht werden und zum Dach einen Mindestabstand von 60 cm für die

Fangleitung und 40 cm für den Ableitungsdraht aufweisen. Die Mindestabstände

von 60 bzw. 40 cm zum Dach gewährleisten einen Abstand zwischen den

Dachdeckerdrähten und dem Blitzschutzsystem von etwa 55-60 cm. Diese

Mindestabstände sollen je nach Beschaffenheit des Daches (z.B. Kupferfirst)

vergrößert werden, und zwar in dem Maße, dass die Abstände vom

Blitzschutzsystem zu den Metallteilen von 60 cm gewährleistet sind. Die

Isolierstützen bestehen im allgemeinen aus einem Hartholz (z.B. Bongossiholz).

Es ist jedoch auch möglich, andere Isolierstoffe zu verwenden (siehe auch Kapitel

8).

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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7.1. Dach mit Heide- oder Sodenfirst

Die am meisten verbreitete Firstart in Norddeutschland ist wohl der Heidefirst

(siehe auch 2.4.2.). Beim Heide- oder auch beim Sodenfirst werden ausschließlich

in der Natur nachwachsende Rohstoffe wie Heidekraut oder Grassoden

verwendet.

Bei der Installation eines Blitzschutzsystems ist hier besonders darauf zu achten,

dass die Sicherheitsabstände der isolierten Fangleitung (60 cm Abstand zum First)

und der Ableitungen (40 cm Abstand zur Dachfläche), nach VDE 0185 Teil 2 [6],

nicht unterschritten werden. Dies ist besonderes zu beachten, da das Firstmaterial

dem natürlichen Prozess der Verrottung unterliegt und ca. alle 8 bis 10 Jahre

nachgebessert werden muss. Beim Nachbessern bzw. „Auffrischen“ des Firstes

mit Heidekraut oder Grassoden dürfen die o. g. Abstände nicht unterschritten

werden.

Abbildung 39: Beispielhaft installiertes Blitzschutzsystem auf Reetdach mit

Heidefirst [16]

Zum Schutz des Firstes vor Vogelabtragungen wurde er bisher mit einem

metallenen Maschendraht abgedeckt. Dies ist jedoch aus blitzschutztechnischen

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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Gründen nicht zulässig. In der Fachregel für Dachdeckungen mit Reet des

Deutschen Dachdeckerhandwerkes ist auf diese Problematik ausdrücklich

hingewiesen: „4.3.2.(4) Eine zusätzliche Bespannung mit z.B. Kunststoffnetzen ist

möglich. Die Verwendung von Drahtgeflächten ist in Verbindung mit Blitzschutz an

Gebäuden nicht zulässig.“ Der Heide- oder Sodenfirst kann genau so gut mit

einem UV-beständigem Kunststoff- bzw. Nylonnetz vor den Vogelabtragungen

geschützt werden. Ein Beispiel für ein solches Firstschutznetz ist das Netz SN

50/2 aus hochfestem Nylonnetzwerk, olivgrün, uv-stabilisierend imprägniert und

mit Flammschutzfaktor ausgerüstet (Bezogen werden kann es z.B. bei der

Netzfabrik Walter Kremmin KG, Ammerländer Heerstraße 189-207, 26129

Oldenburg).

7.2. Dach mit Ziegelfirst

In einigen Regionen Norddeutschlands ist es weit verbreitet, den First des

Reetdaches mit 3-4 Reihen Ziegeln einzudecken, der sogenannte Ziegelfirst

(siehe auch 2.4.4.). Der Ziegelfirst darf blitzschutztechnisch nicht als

Hartbedachung gedeutet werden. Würde er als eine solche gelten, wären die

Mindestabstände nach DIN 57 185 / VDE 0185 Teil 2 [6] nicht erforderlich, und auf

dem First könnte die Fangleitung unmittelbar über den Ziegeln montiert werden.

Dies ist bei einigen Blitzschutzfirmen allerdings gängige Praxis, von der jedoch

dringenst Abstand genommen werden muss!

Da sich unmittelbar unter dem Ziegelfirst das Reet mit seinen Dachdeckerdrähten

befindet (vgl. Abb. 13), ist es auch vom Blitzschutz als Weichdach bzw.

Weichdachfirst anzusehen. Das bedeutet, dass die Mindestabstände nach DIN 57

185 / VDE 0185 Teil 2 [6] (Fangleitungen 60 cm Abstand zum First und Ableitung

40 cm Abstand zur Dachfläche) einzuhalten sind.

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Abbildung 40: Beispielhaft installiertes Blitzschutzsystem auf Reetdach

mit Ziegelfirst [16]

7.3. Dach mit Kupferfirst

Eine neue Art der Firsteindeckung, die zusätzlich noch vor der Vermoosung des

Reetdaches schützen soll, ist die Eindeckung mit Kupferblechen, dem

sogenannten Kupferfirst (siehe auch 2.4.4.). Beim Blitzschutz für derartige

Gebäude mit Kupferfirst ist folgendes zu beachten:

1. Die Dachdeckerdrähte sind alle, wie zu Beginn dieses Kapitels

beschrieben, in den Potentialausgleich einzubeziehen. Ist dies bei

bestehenden Dächern nicht mehr möglich, so müssen, wie zu Beginn des

Kapitels beschrieben, Näherungen zu geerdeten Teilen ausgeschlossen

werden (vgl. Seite 60).

2. Die einzelnen Kupferbleche sind gut elektrisch leitend miteinander zu

verbinden. Hier genügt jedoch, wenn die einzelnen Bleche durch

Schrauben miteinander verbunden sind.

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3. Der Kupferfirst ist mit einer Kupferleitung der Querschnittsfläche von 6 mm²

an den Potentialausgleich anzubinden. Bei dieser Anbindung ist darauf zu

achten, dass die Kupferleitung von der Blechunterkante her angeschlossen

wird und von dort aus isoliert durch das Reetdach geführt wird. Der

Anschluss an das Kupferblech ist ebenfalls mittels Schrumpfschlauch zu

isolieren. Bei großen Dächern ist es ratsam, den Kupferfirst von zwei

Stellen aus an den Potentialausgleich anzubinden.

4. Der Kupferfirst darf auf keinen Fall direkt an die Fangleitung oder an die

Ableitung des Blitzschutzsystems angebunden werden.

5. Die Mindestabstände für die Fangleitung und für die Ableitung sollen erhöht

werden. Für die Fangleitung wird mindestens 80 cm Abstand zum

Kupferfirst und bei den Ableitungen wird mindestens 60 cm Abstand von

Ableitung zum Kupferfirst empfohlen. Der Abstand zwischen Ableitung und

Weichdach darf nach VDE [6] 40 cm weiter nicht unterschreiten.

Diese Methode ist zwar nicht normgerecht (vgl. 3.1.), finden diese 5 Punkte jedoch

Beachtung, so ist der Blitzschutz für ein Dach mit Kupferfirst grundsätzlich

möglich. Zusätzlich sollte man noch beachten, dass regelmäßige Sicht- und

Funktionsprüfungen für den einwandfreien Betrieb eines derartigen

Blitzschutzsystems Voraussetzung sind.

Abbildung 41: Blitzschutzsystem auf Reetdach mit Kupferfirst [16]

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7.4. Dachsanierung mittels Wellblech

Reetdächer werden mit der Zeit morsch und undicht. Je nach Pflege des Daches

und nach den Witterungsbedingungen, denen dieses Dach ausgesetzt ist, soll ein

Reetdach in Abständen von 40 bis 60 Jahren erneuert werden. Da dies eine

kostspielige Angelegenheit ist, werden diese Dächer nicht selten aus

Kostengründen mit einem preiswerteren Material saniert. Auf das schon

bestehende Weichdach, das wegen seiner hervorragenden wärmedämmenden

Eigenschaften bestehen bleibt, werden einfach Wellblechplatten befestigt. Diese

bestehen aus einer etwa 1 bis 1,5 mm dicken Blechschicht aus Aluminium- oder

Stahlblech, welches mit Kunststoff beschichtet ist.

Abbildung 42: Mit Wellblech saniertes Reetdach (unter dem Wellblech befindet

sich noch das Reet) [16]

Ähnlich wie beim Kupferfirst sind auch hier an das Blitzschutzsystem besondere

Anforderungen zu stellen:

1. Die Dachdeckerdrähte sollten alle, wie zu Beginn dieses Kapitels beschrieben,

in den Potentialausgleich einbezogen weden. Dies ist nachträglich jedoch nicht

möglich. So ist hier besonders darauf zu achten, dass zu den

Dachdeckerdrähten aus dem Dachinneren keine Näherungen entstehen, wie

zu Beginn des Kapitels beschrieben (vgl. auch 6.2.2.). Hier sollte der Abstand

von den Bindedrähten zur Installation von >20 cm eingehalten werden.

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- 66 -

2. Die einzelnen Wellblechplatten sind gut elektrisch leitend miteinander zu

verbinden. Hier genügt jedoch, wenn die einzelnen Bleche durch

Blechschrauben miteinander verbunden sind.

3. Das Wellblechdach ist mit einer Kupferleitung der Querschnittsfläche von 6

mm² an den Potentialausgleich anzubinden. Bei dieser Anbindung ist darauf zu

achten, dass die Kupferleitung von der Blechunterkante her angeschlossen

wird und von dort aus isoliert durch das Reetdach geführt wird. Der Anschluss

an das Wellblech ist ebenfalls mittels Schrumpfschlauch zu isolieren. Bei

großen Dächern ist es ratsam, das Blechdach von zwei Stellen aus an den

Potentialausgleich anzubinden.

4. Das Wellblechdach darf auf keinen Fall direkt an die Fangleitung oder an die

Ableitung des Blitzschutzsystems angebunden werden.

5. Die Mindestabstände für die Fangleitung und für die Ableitung sollten erhöht

werden. Für die Fangleitung sollte mindestens 80 cm Abstand zum Wellblech

und bei den Ableitungen mindestens 60 cm Abstand zwischen Ableitung und

Wellblech eingehalten werden.

Diese Methode ist zwar nicht normgerecht (vgl. 3.1.), finden diese 5 Punkte jedoch

Beachtung, so ist der Blitzschutz für ein mit Wellblech saniertes Reetdach

grundsätzlich möglich. An dieser Stelle sollte noch darauf hingewiesen werden,

dass, wenn im Reetdach isolierte Dachdeckerdrähte vorhanden sind, eine

Funkenbildung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

Die bessere Methode, ein Weichdach kostengünstig zu sanieren, ist, auf

Wellblechplatten zu verzichten und stattdessen PVC oder andere nichtmetallische

Platten zu verwenden. Diese kann man genauso wie die Wellblechplatten direkt

auf dem Reetdach befestigen mit dem Vorteil, dass bei diesem Material keine

Näherungsproblematik auftritt und man somit die Punkte 1 bis 4 nicht zu beachten

hat. Auch sind bei der Verwendung von PVC-Wellplatten für die Installation des

Blitzschutzsystems die Abstände nach DIN 57 185 / VDE 0185 Teil 2 [6]

(Fangleitung 60 cm über dem First und Ableitung 40 cm über dem Dach)

ausreichend.

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7.5. Verwendung von Kehlblechen

In der Kehle, wo zwei Dachflächen zusammenstoßen (siehe Anhang), werden

vielfach „Regenrinnen“ aus Kunststoff oder Metall angebracht, um an dieser

besonders beanspruchten Stelle den Abfluss von Regenwasser zu beschleunigen.

Werden hier Materialien aus Kunststoff oder andere nichtleitende Materialien

verwendet, so ist dies für den Blitzschutz unproblematisch. Wenn die

„Regenrinnen“ jedoch aus Metall gefertigt sind, so ist analog zum Kupferfirst

einiges zu beachten:

1. Auch hier sind die Dachdeckerdrähte, wie zu Beginn diese Kapitels

beschrieben, in den Potentialausgleich einzubeziehen. Ist dies bei

bestehenden Dächern nicht mehr möglich, so müssen, wie zu Beginn des

Kapitels beschrieben, Näherungen zu geerdeten Teilen ausgeschlossen

werden (vgl. Seite 60).

2. Die einzelnen Kehlbleche sind gut elektrisch leitend miteinander zu verbinden.

Hier genügt es jedoch, wenn die einzelnen Bleche durch Schrauben

miteinander verbunden sind.

3. Das Kehlblech ist mit einem Kupferdraht der Querschnittsfläche von 6 mm² an

den Potentialausgleich anzubinden. Dabei ist darauf zu achten, dass der

Kupferdraht von der Blechunterkante her angeschlossen und von dort aus

isoliert durch das Reetdach geführt wird. Der Anschluss an das Kehlblech ist

mittels Schrumpfschlauch zu isolieren.

4. Das Kehlblech darf auf keinen Fall direkt an die Fangleitung oder an die

Ableitung des Blitzschutzsystems angebunden werden.

5. Die Mindestabstände für die Fangleitung und für die Ableitung solten dort

erhöht werden, wo sich das Kehlblech und die Fang- oder Ableitung

schneiden. Die Fangleitung sollte mindestens 80 cm Abstand zum Kehlblech

und die Ableitungen sollten mindestens 60 cm Abstand zwischen Ableitung

und Kehlblech aufweisen.

Auch diese Methode ist wegen der verwendeten Metallteile nicht normgerecht.

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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7.6. Der Kamin

Der Kamin tritt bei Weichdächern immer am First aus dem Dach heraus und soll

mindestens 80 cm über dem Weichdachfirst liegen, so besagt es die

Feuerungsverordnung. Dies bedeutet für den Blitzschutz, dass die Fangleitung um

den Kamin herumgeführt wird. Dabei soll die Fangleitung am besten von beiden

Seiten um den Kamin herum befestigt werden. Solange am oder im Kamin keine

Metallteile vorhanden sind, ist es auch problemlos möglich, die Fangleitung am

Kamin zu befestigen.

Zum Schutz vor Direkteinschlägen ist es erforderlich, eine Fangstange am Kamin

zu befestigen, die diesen in der Höhe überragt, so dass der entsprechende

Schutzwinkel nach ENV 61024-1 [7] eingehalten werden kann.

Wie dies aussehen könnte, soll Abbildung 43 zeigen:

Abbildung 43:

Von Fangleitung umspannter

Kamin mit zusätzlicher

Fangstange [16]

Die Länge der Fangstange ist vom erforderlichen Schutzwinkel abhängig. Der

Schutzwinkel a wird nach ENV 61024-1 [7] aus dem folgenden Diagramm

bestimmt:

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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Abbildung 44: Zuordnung des Blitzschutzwinkels zu den einzelnen Schutzklassen in

Abhängigkeit von der Höhe h der baulichen Anlage [7]

Um den Schutzwinkel a zu bestimmen, ist es erforderlich, die Schutzklasse und

die genaue Höhe des zu schützenden Objektes, hier des Kamins, zu kennen. Sind

diese Werte bekannt, so kann man den Schutzwinkel a aus dem Diagramm

ablesen.

Wenn man den Schutzwinkel ermittelt hat, wird mit seiner Hilfe die Länge der

Fangstange berechnet:

Abbildung 45: Schutzbereich einer Fangstange [15]

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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αtanSrH =

darin bedeuten:

H Höhe der Fangstange über dem zu schützenden Objekt

rs Schutzradius der Fangstange

a Schutzwinkel

Beispiel:

Für ein 10 m hohes Gebäude der Schutzklasse II, dessen Kamin einen

Durchmesser von 1,2 m aufweist, ergibt sich:

a = 54° aus Diagramm (Abbildung 45)

rs = 1,2 m

αtanSrH = = 0,872 m

Die Fangstange müsste somit 0,872 m über das zu schützende

Objekt hinaus reichen.

7.6.1. Kaminsanierung

Wie bereits in Kapitel 4.2. erwähnt, werden alte Kamine saniert, indem durch den

bestehenden Backsteinkamin ein Edelstahlrohr eingezogen wird. Dieses Rohr,

das eine metallene Dachdurchführung darstellt, stellt an das Blitzschutzsystem

besondere Anforderungen. Wird eine Kaminsanierung durchgeführt, so ist

zugleich ein bereits vorhandenes Blitzschutzsystem angemessen zu verändern.

Folgende Punkte sind dabei zu beachten:

1. Das Edelstahlrohr ist am Tiefpunkt (Erdgeschoß, Keller) an den

Potentialausgleich anzuschließen.

2. Auf keinen Fall darf das Edelstahlrohr mit der Fangleitung oder mit der

Ableitung des Blitzschutzsystems direkt verbunden werden.

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3. Die Fangleitung auf dem First ist in ausreichend großem Abstand (60 cm)

an dem Edelstahlrohr vorbeizuführen. Wenn die Dicke der Kaminmauer

nicht ausreicht, sind Isolierstützen zu verwenden, an denen die Fangleitung

befestigt und auf Abstand gehalten wird. Als Isolierstützen sollten bevorzugt

Kunststoff- oder GFK-Stützen (Glasfaser verstärkter Kunststoff) verwendet

werden.

4. Ebenfalls in ausreichendem Sicherheitsabstand (60 cm) ist eine

Fangstange zu montieren, die an die Fangleitung angeschlossen wird und

den gesamten Kaminbereich schützt (vgl. 7.5. Schutzbereich einer

Fangstange).

Abbildung 46: Mittels Edelstahlrohr sanierter Kamin mit Isolierstützen,

Fangstange und Fangleitung [15]

Die gleiche Konzeption ist gültig, wenn für ein reetgedecktes Gebäude mit

edelstahlrohr-saniertem Kamin ein Blitzschutzsystem neu installiert werden soll.

Wenn man diese aufwendige Installation umgehen möchte, ist es erforderlich, den

Kamin mit anderen, nichtmetallenen Materialien zu sanieren. Hierzu wird ein

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Diplomarbeit Ralf Reißen7. Konzept für Neubauten und Nachrüstungen an bestehenden Gebäuden anhand von Fallbeispielen

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spezielles Kunststoffrohr verwendet, das in 3 verschiedenen Typenklassen

hergestellt wird, wobei die Abgastemperatur maßgebend ist:

Typ max. Abgastemperatur in °CA 80B 120C 160

Im Vergleich zum Edelstahlrohr wäre dies allerdings eine erheblich

kostenaufwendigere Sanierung.

7.7. Näherungsprobleme durch nicht fachgerechte Installation der

Niederspannungskabel

Ein nicht zu unterschätzendes Problem sind Näherungen, hervorgerufen durch

Kreuzungen der Ableitungen des Blitzschutzsystems und der elektrischen

Installation des Hauses. Diese treten sehr häufig an der Traufe auf. Die

metallenen Traufenstützen, die die Ableitungsdrähte spannen sollen, werden

direkt an der Hauswand befestigt. Werden nun Leitungen für eine

Rundumbeleuchtung, für Alarmtechnik oder für eine Brandmeldeanlage etc. an

diesen Traufenstützen befestigt oder so geführt, dass der Sicherheitsabstand

unterschritten wird, so ist im Fall einer Blitzentladung mit direkten Überschlägen

und Funkenbildung bzw. Einkopplungen in diese Leitungen zu rechnen. Um dies

zu vermeiden, ist es dringend erforderlich, einen Sicherheitsabstand zwischen den

Leitungen und dem Ableitungsdraht bzw. der Traufenstütze einzuhalten. Dieser

Sicherheitsabstand kann nach DIN V ENV 61024-1 [7] berechnet werden, in der

Praxis hat sich jedoch ein Abstand von etwa 0,5 m bewährt. Da derartige

Installationen häufig nachträglich durchgeführt werden, sind regelmäßige

Sichtprüfungen erforderlich. Bei einer solchen Sichtprüfung können Fehler, die

sich im Laufe der Zeit eingestellt haben, erkannt und behoben werden, was den

einwandfreien Betrieb des Blitzschutzsystems gewährleistet.

Eine Entschärfung dieser Näherungsproblematik an der Traufe ist durch den

Einsatz von Traufenstützen mit einer eingebauten Isolierstrecke möglich (siehe

auch Kapitel 8).

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Diplomarbeit Ralf Reißen8. Verbesserungsvorschläge

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8. Verbesserungsvorschläge

8.1. Entwicklung neuer Stützen und Abstandhalter

Der wesentliche Punkt eines isolierten Blitzschutzsystems sind die Isolierstützen

auf dem Dach. Das sind die Blitzschutzmaste zur Befestigung der Fangleitung auf

dem First, die Schrägstützen zur Befestigung der Ableitung auf dem Dach und die

Traufenstützen zum Spannen der Ableitung unter der Traufe. Bei den Dach- und

Firststützen handelt es sich ausschließlich um Holzstützen aus Hartholz

(Bongossiholz) mit einer Länge von 60 cm über dem First und 40 cm über dem

Dach. Wenn das Holz durchnässt ist und das Wasser infolge starken Regens an

den Seiten dieser Stützen herunterläuft, ist die Isolationswirkung dieser

„Holzisolatoren“ relativ schlecht.

Die Traufenstützen, die aus einem verzinkten Stahl hergestellt sind, weisen

überhaupt keine Isolationswirkung auf. Dies kann im Fall eines Blitzeinschlags zu

Näherungen führen, wie sie in Kapitel 4.2. und 7.7. beschrieben sind.

Aufgrund dieser Erkenntnisse hat die Firma Hans Thormählen GmbH & Co an der

Verbesserung der Wirksamkeit dieser Blitzschutzbauteile gearbeitet. Um die

Gefahr von direkten Überschlägen zu reduzieren, wurden die Firststützen,

Schrägstützen und die Traufenstützen mit Isolierstrecken versehen.

Im einzelnen wurden folgende Bauteile mit Isolierstrecken versehen:

- Firststütze Bongossi-Holzmast mit 20kV-Isolator

- Schrägstütze Bongossi-Holzmast mit 10kV-Isolator

- Traufenstütze verzinkte Stahlstütze mit 10kV-Isolator

Die Hochspannungsbauteile mit den Isolierstrecken wurden auf ihre Tauglichkeit

für den Einsatz in einem Blitzschutzsystem vorher experimentell untersucht. Die

Untersuchung fand im Labor der Hochspannungstechnik der Universität der

Bundeswehr in München statt.

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Diplomarbeit Ralf Reißen8. Verbesserungsvorschläge

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Abbildung 47:

Traufenstütze mit 10kV Isolator [13]

Abbildung 48:

Schrägstütze mit eingebautem 10kV

Isolator [13]

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Diplomarbeit Ralf Reißen8. Verbesserungsvorschläge

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Abbildung 49:

Firststütze mit aufgesetztem 20kV

Isolator und aufgeschraubter Fang-

Stange [13]

Zur Auswertung dieser Versuche wurde von Prof. Dr.-Ing. J. Wiesinger und Dr.-

Ing. W. Zischank ein Prüfbericht [14] erstellt.

Zusätzlich wurde von Dipl.-Ing. R. Thormählen, der diese Versuche in Auftrag

gegeben hatte, ein Fachaufsatz [13] zu diesem Thema verfasst. Betrachtet man

beide Auswertungen, so kommt man zu folgenden Schlußfolgerungen:

- Isolatoren sollen mindestens 50% der Gesamtlänge der First- oder

Schrägstützen ausmachen.

- Die First- und Schrägstützen sind in ihrem Aufbau mit dem Isolator als

Kondensatoranordnung mit Mehrschichtdielektrika zu betrachten. Probleme

treten hier auf, wenn zur Verbindung der Holzteile mit den Isolatoren

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Diplomarbeit Ralf Reißen8. Verbesserungsvorschläge

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metallene Bolzen verwendet werden. Deshalb ist im Falle der Firststütze

der Einsatz eines Isolators nur dann lohnenswert, wenn zur Verbindung der

Bauteile auf metallene Gewindebolzen verzichtet wird. Die Zugfestigkeit

eines Kunststoffbolzens (Polyethylen) der gleichen Dicke wurde in einem

Versuch getestet. Mit etwa 950 kN Belastung reicht sie für übliche

Zugbelastungen aus.

- Im Falle der Schrägstützen ist der Isolator, bezogen auf die Gesamtlänge

zu kurz, seine Wirkung ist minimal, sein Einsatz lohnt unter diesen

Voraussetzungen nicht.

- Im Falle der Traufenstützen bringt der Isolator den gewünschten Effekt, da

zuvor überhaupt keine Isolationsstrecke vorhanden war. An der

Traufenstütze sollte man in jedem Fall einen Isolator verwenden. Dieser

sollte möglichst weit vorne (Richtung Spannschloß) befestigt werden. Hier

erscheint jedoch der Einsatz von 10 kV Isolatoren, die im Labor ein Ud/50%

von etwa115 kV aufwiesen, als zu gering bemessen.

Abbildung 50: Traufenstütze mit Isolator vorne am Spannschloß [16]

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Diplomarbeit Ralf ReißenAnhang

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Anhang

Die verschiedenen Bereiche eines Daches im Überblick

Abbildung 51: Dachbereiche eines Hauses [15]

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Diplomarbeit Ralf ReißenLiteraturverzeichnis:

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Literaturverzeichnis:

[1] M. Schrader Reet & Stroh als historisches BaumaterialAnderweit Verlag GmbH 1998

[2] Dipl. Ing. T. Finke DachatlasProf. Ing. E. Schunck Informationsdienst für Neuzeitliches Bauen e.V.Prof. Dr. R. Jenisch BonnDipl. Ing. H.J. Oster Institut für internationale Architektur-

Dokumentation, München Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 1996

[3] Fachregel für Dachdeckungen mit ReetZentralverband des Deutschen DachdeckerhandwerksD+W Service GmbH Köln 1998

[4] Dipl. Ing. H. Neuhaus VDE-Schriftenreihe 44 BlitzschutzanlagenErläuterungen zu DIN 57 185 / VDE 0185VDE-Verlag GmbH 1983

[5] Dr.-Ing. P. Hasse Handbuch für Blitzschutz und ErdungProf. Dr.-Ing. J. Wiesinger Pflaum Verlag München

VDE-Verlag Berlin, Offenbach 1989

[6] DIN 57 185 / VDE 0185 Teil 2BlitzschutzanlageErrichten besonderer AnlagenDeutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDEVDE-Verlag GmbH Berlin 1982

[7] Vornorm DIN V ENV 61024-1Klassifikation VDE V 0185 Teil 100Blitzschutz Baulicher AnlagenTeil 1: Allgemeine GrundsätzeDeutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDEVDE-Verlag GmbH Berlin 1996

[8] H. Thormählen Untersuchungsbericht über den Blitzschlag im Rathaus WorpswedeEigendruck 1997

[9] H. Klaiber Blitzschutz der Gebäude Walter de Gruyter & Co. Berlin und Leipzig 1928

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Diplomarbeit Ralf ReißenAnderweit Verlag GmbH 1998

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[10] A. Küchler HochspannungstechnikVDI-Verlag Düsseldorf 1996

[11] DIN V VDE V 0185 Teil 110Leitfaden zur Prüfung von BlitzschutzsystemenDeutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDEVDE-Verlag GmbH Berlin 1997

[12] Niedersächsische Bauordnung (NbauO) in der Fassung der Bek. Vom 13.Juli1995zul. Geänd. Durch Art. I des Gesetzes vom 06.10.1997

[13] Dipl. Ing. R. Thormählen Fachaufsatz über die Verbesserung derWirksamkeit von Blitzschutzbauteilen beiWeichdächernEigendruck 1998

[14] Prof. Dr. Ing. J. Wiesinger Prüfbericht über Äquivalente Längen von Dr. Ing. W. Zischank Isolierstützen für Weichdächer

Universität der Bundeswehr München 1998

Quellenangabe der Fotos und Abbildungen

[15] Eigene Fotos und selbst erstellte Zeichnungen

[16] Fotos und Abbildungen, die von der HansThormählen GmbH & Co, Großenmeer zur Verfügung gestellt wurden