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STAATSBALLETT BERLIN Intendant Nacho Duato Ausgabe 4 – Spielzeit 2015/2016

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Ausgabe 4 - Spielzeit 2015/2016

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Page 1: Staatsballett Berlin Magazin

STAATSBALLETT BERLIN

Intendant Nacho DuatoAusgabe 4 – Spielzeit 2015/2016

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Die Poster schmückten bereits in der letzten Spielzeit Fassaden und Litfasssäulen in ganz Berlin. Jetzt hat der Slogan „Ich bin das Staatsballett Berlin“ ein neues Medium gefunden – mit der ersten eigenen, kleinen Merchan-

dise-Kollektion. Die Frauen- und Männer-T-Shirts mit dem Schriftzug „Ich bin das Staatsballett Berlin“ sind in vier Motiven und drei Farben von Größe S bis XXL erhältlich und kosten 15 Euro. Gekauft werden kann die neue Tanzmode, die auch als Streetwear schick ist, direkt in der Staatsoper im Schiller Theater (anlässlich der Vorstellungen) oder aber online unter www.staatsballett-berlin.de/shop.

Willkommen: Stars zu Gast bei Freunden Polina Semionova und Shoko

Nakamura sind in Berlin wahr-lich keine Unbekannten. Beide tanzten jahrelang als Erste Solo- tänzerinnen beim Staatsballett Berlin diverse Titelrollen. 2012 machte sich Polina Semionova auf, um als Principal Dancer beim American Ballet Theatre zu tanzen. Shoko Nakamura hingegen wechselte zunächst

2013 als Principal Dancer ans Ungarische Na-tionalballett und lebt und tanzt heute in Tokio. Zur Spielzeit 2015/2016 kehren beide erneut als Gäste an ihre frühere Schaffensstätte zurück. Polina Semionova tanzt 14-mal, zum Beispiel in „Dorn röschen“, „Romeo und Julia“ und erstmals in „White Darkness“. Shoko Nakamura wird im Januar 2016 in „Onegin“ und „Schwanensee“ sowie im Mai 2016 in der Premiere von „Jewels“ tanzen.

Den Auftritt auf großer Bühne sind die Kinder des Education-Pro-gramms „Tanz ist KLASSE!“ des Staatsballetts mittlerweile gewohnt.

Vor dem wichtigsten Mann Deutschlands aufzutreten ist hingegen ein absoluter Spezialeinsatz. Trotzdem haben die kleinen Tanzenden diese Herausforderung beim Sommerfest von Joachim Gauck im Garten von Schloss Bellevue am 11. September 2015 ganz groß-artig gemeistert. Sie zeigten ihren „Klassiker“, Giorgio Madias „Karneval der Tiere“, und eine neue „Dorn-röschen“-Choreographie von David Simic, der selbst

seit elf Jahren im Corps de ballet des Staatsballetts tanzt. Besonders klasse: Auch die Bundes-

kanzlerin Angela Merkel schaute zu.

Tanznach-wuchs

beim Staats-oberhaupt

Seit der neuen Spielzeit gelten in jedem Berliner Opernhaus endlich die gleichen Ermäßigungsregeln für

Vorstellungen des Staatsballetts. Nach diesen erhalten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler, Studierende und Auszubildende unter 30 Jahren 50 % Ermäßigung auf Aufführungen des Staatsballetts. Ebenso gilt dies für FSJ-, BFD- und FWD-Leistende sowie Empfänger von Arbeitslosengeld I und II. Dafür müssen sie einfach ab vier Wochen vor der ge-wünschten Vorstellung beim Ticketkauf einen gültigen Berechtigungsausweis und Personalausweis vorlegen. Besucher unter 18 Jahren erhalten die Ermäßigung sogar ohne zeitliche Beschränkung.

Zuwachs: Neue

Gesichter in Berlin

Das Staatsballett freut sich in der Spielzeit 2015/2016 auf neue großartige Tänzerinnen und Tänzer: Arman Grigoryan aus Armenien als Solotänzer und der Brite Dominic Whitbrook als

Demi-Solotänzer sowie – als Mitglieder des Corps de ballet – Aeri Kim und Seung Hyon Lee aus Südkorea, Luciana Voltolini aus Brasilien, Alexander Akulov aus Russland und Paul Busch aus Rumänien. Sie ergänzen die bereits während der vergangenen Saison neu en-gagierten Tänzerinnen und Tänzer Elvis Abazi, Aurora Dickie, Julia Golitsina, Lucio Vidal und Pauline Voisard (alle Corps de ballet).

Voller Erfolg: Die Kleinen auf großer

Bühne, hier vor dem Schloss Bellevue.

Volles Programm

zum halben Preis

Die neue Mode: T-Shirt

statt Trikot

Ob zur Trainings- hose oder zum

Tutu: Die neuen Staatsballett-

T-Shirts passen zu allem (auch zu

Jeans).

Für unzählige Märchen-

abende: „Der Nussknacker“

Die schönsten Inszenierun-gen kann man sich immer wieder anschauen – zum Beispiel „Der Nusskna-cker“, eine der beliebtesten Staatsballett-Produktionen überhaupt. Und dafür muss

man in Zukunft nicht einmal mehr das Haus verlassen. Denn die Produktion des Staatsballetts gibt es bald auch als DVD und Blu-Ray. Ein wunderbares Weihnachts- geschenk für alle Tschaikowsky- und Tanzfans sowie diejenigen, die nicht so oft in die Hauptstadt kommen. Aber am schönsten ist es doch immer noch live: beim Staatsballett ab dem 26. November 2015.

Neu im Ensemble (v. l. n. r.): Arman, Lucio, Dominic, Alexander, Julia, Elvis, Aeri (hinten), Luciana, Aurora, Lee, Pauline (vorn).

Vladislav Marinov in der Nacho-Duato-Choreo- graphie „Castrati“, die Teil des Abends „Duato | Kylián | Naharin“ ist (Premiere am 22. Oktober 2015).

Rückkehr zweier Stars:

Polina Semionova (links) und

Shoko Nakamura (rechts).

Fotos: Fernando Marcos (großes Bild); Gero Breloer (Bellevue); Enrico Nawrath (Nakamura und Semionova); Staatsballett Berlin (Gruppenfoto, T-Shirts)

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An der Bar vom „Restaurant Deutsche Oper“:

Mehmet Yümak, Arshak Ghalumyan,

Kévin Pouzou, Paul Busch, Alexander Akulov

und Federico Spallitta (v. l. n. r.)

Im Stück „Castrati“

stehen nur Männer

auf der Bühne. Ein

Gespräch mit sechs

von ihnen über die

Relevanz des Werks

und Rollenklischees

im Ballett

Spallitta: Darum geht es. Zu zeigen, dass Männlichkeit nicht nur etwas mit Macht oder Kraft zu tun hat, sondern auch mit Verletzlichkeit. Macht es einen Unterschied, ob man

mit Männern oder mit Frauen tanzt?

Pouzou: Auf jeden Fall. Wenn wir mit Frauen tanzen, ist es klar, dass wir sie stützen. Wir halten sie, he-ben sie, fangen sie auf. Aber wenn wir mit Männern tanzen, so wie in „Castrati“, steht man einem gleich starken Partner gegenüber. Paul Busch: Wenn man mit Frauen tanzt, spielt man als Mann oft die gleiche Rolle, die des Prinzen, die des starken Mannes. Mit Männern auf der Bühne zu stehen zwingt einen dazu, die eigene Männlichkeit auf der Bühne neu zu definieren. Spallitta: Der Unterschied liegt auch in der Kräfteverteilung. Mit Männern kann man als Mann viel ruppiger umgehen als mit Frauen – und kei-ner nimmt es einem übel.Pouzou: Gleichzeitig darf man auch mal schwach sein. Was mit Frau-en nie geht; sie können dich nicht auffangen. Die anderen Männer in „Castrati“ schon. In diesem Stück müssen wir lernen loszulassen. Das ist schön. Busch: Und herausfordernd.Alexander Akulov: Wir müssen lernen zu vertrauen. Das ist ungewohnt.

Spallitta: Es ist wie in einer Bezie-hung. Man muss sich aufeinander verlassen können. Männlichkeit und Ballett – für viele im-

mer noch ein Widerspruch. Wie waren

die Reaktionen auf Ihre Berufswahl?

Yümak: In der Türkei wussten viele gar nicht richtig, was Ballett ist. Die dachten, ich mache Volkstanz.Pouzou: Es kommt schon sehr darauf an, woher man kommt. In Russland ist es eine Ehre, als Mann Ballett zu tanzen. Oder, Alexander? Akulov: Ja, besonders als ich klein war, habe ich das oft gehört. Dann bin ich in die USA gezogen, und für die Amerikaner war das Tanzen nicht mehr als ein Hobby. Sie hat-ten keine Ahnung, wie viel Arbeit dahintersteckt, wie viele Opfer man bringen muss als professioneller Balletttänzer. Aber es stimmt schon: Denkt man ans Ballett, denkt man erst mal an die Ballerina. Die Män-ner waren lange die Schatten im Hintergrund. Und wer will schon ein Schatten sein? Deshalb ist das Stück „Castrati“ für uns so wichtig, weil wir als Tänzer endlich mal vorn stehen – ohne Ballerina.Pouzou: Es geht nur um uns. Wurden Sie für Ihre Ballettleidenschaft

schon mal gehänselt?

Yümak: Na klar, in der Schule. Pouzou: Das passiert jedem. Kinder sind überall auf der Welt gemein.

Trotzdem bleibt das Bild vom Mann in

Strumpfhosen. Haben Sie sich darin

eigentlich jemals unwohl gefühlt?

Spallitta: Nie. Auf der Bühne ist man ausgeliefert. Ob man eine Strumpf-hose trägt oder nichts, das Publi-kum sieht sowieso jeden Muskel.Akulov: Heute, nach so vielen Jah-ren, sind wir daran gewöhnt. Pouzou: Na ja, man müsste mir schon ein sehr schlüssiges Konzept präsentieren, bevor ich völlig nackt tanzen würde …Busch: Stimmt, man könnte sich sehr sehr weh tun! (Alle lachen)

Spallitta: Wenn man weiß, was man will, dann schluckt man die Hän-seleien herunter. Das Ballett ist meine Leidenschaft, ich wusste im-mer, dass ich Balletttänzer werden will – und das in Italien, dem Land des Fußballs! Und ich habe es ge-schafft, worauf ich sehr stolz bin. Ist es heute akzeptierter, als Mann

Ballett zu tanzen?

Pouzou: Ja, vor allem seit dem Kino-film „Billy Elliot“. Spallitta: Und seit „Black Swan“. Bei Ballett denkt man heutzutage nicht mehr nur an Tutus und Ballerinas. Akulov: Ich beobachte das Gegenteil. Die Leute akzeptieren zwar, dass du tanzt, aber sie halten es nicht für einen besonders „männlichen“ Job. Die meisten Menschen denken, wir seien allesamt schwul. Auf mich trifft das nicht zu – trotzdem liebe ich das Ballett, das Tanzen. Spallitta: Dabei hat die Sexualität überhaupt nichts mit dem Tanzen zu tun. Ich bin schwul, aber nachdem mich meine Freunde haben tanzen sehen, haben sie gesagt: Wow, du sahst so hetero aus auf der Bühne! (Alle lachen) Busch: Männlichkeit ist so komplex. Wieso sollte man als Mann auf seine weichen Seiten verzichten?Pouzou: Tänzer wie Jorge Donn oder Choreographen wie Maurice Béjart haben schon vor vielen Jahren be-wiesen, wie männlich und kraftvoll Ballett sein kann.

Was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfahren

haben, dass Sie in einem Stück über kastrierte

Männer tanzen werden?

Arshak Ghalumyan: Ich kenne die Figur des Kastraten aus dem klassischen Ballett, aus „La Péri“. Darin habe ich schon mal den Hü-ter des Harems getanzt, einen Eunuchen, der kastriert worden war, damit er sich um die Frauen kümmern konnte, ohne auf dumme Gedanken zu kommen. Federico Spallitta: Es ist ein historischer Stoff, aber er hat viel mit der Welt zu tun, in der wir heute leben.Inwiefern ist das Thema heute aktuell?

Mehmet Yümak: Das Stück ist sehr drama-tisch, weil die Kastraten sich weder als Män-ner noch als Frauen fühlen. Ihr Leid ist groß.Ghalumyan: Und so etwas passiert jeden Tag: Jungs, die zu Mädchen werden – das gan-ze Thema Transgender. Das ist doch heute brandaktuell. Kévin Pouzou: Außerdem konnten Kastraten früher ihr Schicksal nicht verstecken. Ähnlich wie heute, wo es durch die Sozialen Medien kaum noch Privatsphäre gibt. Man ist den anderen ausgeliefert. Und darum geht es auch in „Castrati“: wie es sich anfühlt, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren.Es gibt keine Ballerina in dem Ballett.

Ghalumyan: Es herrscht eine ganz besondere Energie, wenn acht Männer gemeinsam auf der Bühne stehen. „Castrati“ ist ein sehr maskulines Stück. Es ist voller Kraft. Als würde man einen Actionfilm schauen – man fühlt sich danach stärker als vorher. Pouzou: Aber es hat auch zarte Seiten.

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Form und Vollendung: Die Künst-lerin Sabrina Jung verwandelte ein Foto von Fernando Marcos aus der Choreographie „Vielfältigkeit. For-men von Stille und Leere“ in eine kraftvolle Tusche-Collage. Dazu hat sie den im Sprung von Polina Semio-nova hochfliegenden Kostümrock in unzähligen filigranen Verästelun-gen fortgeführt. So haben Sie Ballett bestimmt noch nie gesehen.

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RID MATHIAS HOFMANN

ist als Technischer Leiter für den Transport und Aufbau von Bühnenbild und Kostüm verantwortlich.„So ein Bühnenbild ist kein Handgepäck. Ein Gastspiel ist deshalb auch jedes Mal mit einer Menge Logistik

verbunden: Insgesamt sieben Transporter mit je achtzig Ku-bikmetern transportierten die Bühnenbilder, alle Kostüme für ‚Dornröschen‘ sowie die drei modernen Produktionen nach Spanien – wobei eindeutig der Großteil, nämlich fünf Lastwa-gen, auf Kosten der opulenten Inszenierung von ‚Dornröschen‘ ging. Trotz pünktlicher Verla-dung und Abfahrt kam es auf dem Weg zu ungeplanten Ver-

zögerungen: Die ‚Dornröschen‘-Ausstattung durfte wegen eines Sonntagfahrverbots am 30. August nicht in Ma-drids Zentrum hinein. Bei dem modernen Dreiteiler wur-de gar im Zwischenlager in Saragossa von der Spedition ein Container vertauscht – ärgerlich! Doch dank einer fleißigen Nachtschicht konnten wir die Zeit wieder aufho-len, obwohl wir streckenweise parallel arbeiten mussten: Denn während auf der Hauptbühne ‚Dornröschen‘ ge-spielt wurde, wurde auf der Unterbühne schon das zwei-te Bühnenbild aufgebaut. So etwas geht natürlich nur, wenn alles reibungslos läuft. Nicht nur unser Team, auch die Kollegen in Madrid waren extrem engagiert, auch wenn wir uns ohne unsere Dolmetscherin alle nur halb so gut verständigt hätten.“

VLADISLAV MARINOVtanzt seit zwölf Spielzeiten am Staatsballett; in Madrid als Solotänzer in „Dornröschen“ und „White Darkness“.„Woran ich mich noch lange nach der Rückkehr aus Madrid erinnern werde: an den langen Schlussapplaus – für die Compagnie, aber auch für unseren Intendanten und Choreographen Nacho Duato. Dass das Publikum in Madrid ihn liebt, haben wir Tänzer einfach gespürt. Daher haben auch wir abends mit einem tollen Gefühl die Bühne verlassen. Leicht waren die 10 Tage mit Pro-ben und Aufführungen nämlich nicht, weil wir nach einer langen Spielzeitpause nur 15 Tage Zeit fürs Training hat-ten – auch um überhaupt erst mal die Muskeln wieder an die anstrengende Arbeit zu gewöhnen. So schnell von Erholung auf Effizienz umzuschalten fällt selbst einem geübten Körper schwer. Trotzdem habe ich mich auf jede Vorstellung im Teatro Real riesig gefreut. Gastspiele sind ohnehin sehr wichtig für uns Tänzer. Schließlich will man sich von seiner allerbesten Seite zeigen. Viel Freizeit blieb da zwar nicht, aber an einen Abend erinnere ich mich besonders gern: Gemeinsam mit ein paar Kollegen habe ich mir eine kleine Show von Tablao Flamenco an-geschaut. Wie diese Flamenco-Crew dabei auf einer so kleinen Bühne Emotionen vermittelt hat, hat mich sehr beeindruckt.“

XENIA WIESTist seit 2004 im Corps de ballet; in Madrid tanzte sie einen Part in „White Darkness“.„Weil mein Verlobter aus Madrid kommt, kenne ich die Stadt recht gut. Trotzdem bin ich immer aufs Neue be-eindruckt, wie positiv und aufgeschlossen die Menschen sind. Madrid steckt so voller Energie und lebendiger Kultur – das hat das ganze Ensemble angesteckt. Zu den schönsten Momenten zählen für mich die Abende nach jeder Vorstellung: als wir noch lange zusammenge-sessen und geredet haben. Bei so einer Art Klassenfahrt lernt man sich untereinander noch viel besser kennen als in Berlin. Auch die Abschlussparty werde ich nicht vergessen, denn auf der habe ich viele Tänzer und Tän-zerinnen der Compañia Nacional de Danza persönlich kennengelernt. Ich hatte mir zwar früher oft Videos der Compagnie angesehen. Aber diese Vorbilder einmal live zu treffen war natürlich klasse. Auch ansonsten waren alle Vorstellungen eine wahnsinnig schöne Erfahrung. Immer wieder kamen Zuschauer auf uns zu und haben uns gelobt. Ich bin wirklich stolz, ein Teil dieses Gast-spiels in Madrid gewesen zu sein!“

NACHO DUATOkehrte als Intendant des Staatsballetts Berlin mit die-sem Gastspiel in seine Heimat zurück.„Ich bin einen Tag später zurückgereist als die restlichen 122 Tänzer und Mitarbeiter. Nicht nur weil ich endlich wieder in der Stadt war, wo ich bis vor fünf Jahren mit der Compañia Nacional gearbeitet habe. Sondern auch weil ich mein Apartment aufräumen musste: Dort hatte die große Abschiedsparty stattgefunden! Insgesamt 150 Mann waren eingeladen, meine Tänzer und Mitarbeiter aus Berlin, Kollegen aus aller Welt, ein Teil meiner ehe-maligen Compagnie. Bis vier Uhr nachts ging es. Ein schöner, entspannter Abend. Und ein verdienter! Denn meine Berliner Tänzer haben in den Stücken, die wir ge-zeigt haben, alles gegeben. Ehrlich gesagt, so gut habe ich sie noch nie gesehen! Irgendwas muss mit ihnen in Madrid passiert sein. Vielleicht war es das großartige Feedback, das wir bekommen haben, vielleicht auch, weil sie mich als Mensch besser verstanden haben, nachdem sie mein privates und ehemaliges berufliches Umfeld kennengelernt hatten. Und wie man mich dort wahrnimmt. Klar, die Spanier kennen und schätzen ins-besondere meine modernen Choreographien wie ‚Static Time‘ oder ‚White Darkness‘. Aber auch meine klassi-sche Choreographie von ‚Dornröschen‘ kam dort sehr gut an. Sie passte auch zum barocken Teatro Real mit seiner wunderschönen Bühne. So war jede der fünf Vor-stellungen komplett ausverkauft. Den langen Schlussap-plaus, von dem alle sprechen, habe ich übrigens nicht wirklich wahrgenommen: Bei so was bin ich auf eine ge-wisse Weise taub. Ich hoffe, dass wir einen großen Teil der positiven Energie aus Madrid in Berlin beibehalten, gerade nach den Streiks in der letzten Zeit. Für mich war die Reise jedenfalls eine Rückkehr nach Hause – nur mit einer neuen Familie.“

Für Tänzer und Team

bedeuten Gastauftritte

wie am ruhmreichen

Teatro Real Abwechslung –

und viele Herausforderungen

Mitte links: Nacho Duato während der Probe mit Arshak Ghalumyan und unten links beim Schlussapplaus. Unten rechts: Abflug nach Madrid.

Ein Back stage-Moment mit Soraya Bruno und Konstantin Lorenz vor ihrem „Dornröschen“-Auftritt. Links: Sarah Mestrovic und Marina Kanno auf der Bühne des Teatro Real.

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Anfang September, Probe im Studio 1 des Staatsballetts Berlin. Ist das eine reine Aufwärmübung? Oder eine äußerst abstrakte, moderne Choreographie? Die knapp zwanzig Tänzerinnen und Tänzer tanzen schnell, intensiv, aber kein bisschen fremdbestimmt. Vielmehr scheint eine innere Stimme sie anzuleiten, was fast schon eso-terisch wirkt. Mal streckt eine Tänzerin ihre Beine aufs Extremste, eine Sekunde später kreuzt sie sie wie zufällig fallende Mikadostäbe. Mal kreisen die Arme eines Tän-zers hoch über der Schulter, mal bewegt er sie ruckelig wie ein Roboter. Dennoch sind alle Bewegungen fließend. Bei alldem ist die Truppe barfuß, trägt statt Trikots und Leggings lockere Tanktops und bis zur Wade hochge- krempelte Jogginghosen – „Casual Tuesday“ am Staats-

ballett. Das Training sieht von außen betrachtet einfach aus; vor allem für Spitzentänzer, die sonst die anstren-gendsten Positionen halten können.

Dahinter steckt jedoch eine Menge Arbeit! „Gaga“ heißt die neue Trainingsmethode. Der Name (der nichts mit dem gleichlautenden Künstlernamen der US-Sängerin zu tun hat) steht für die ersten Babylaute, also etwas Angeborenes, etwas Natürliches. Der israe-lische Choreograph Ohad Naharin hat Gaga entwickelt. Er hat unter anderem bei Martha Graham studiert und ist einer der wichtigsten Protagonisten des zeitgenös-sischen Tanzes. Seit knapp 25 Jahren leitet er die Batsheva Dance Company in Tel Aviv, wo er selbst seine ersten Schritte als Tänzer gemacht hat. Gaga ist Naharins größte Errungenschaft – eine ganz neue Bewegungssprache, deren Vokabular eben nicht so leicht zu lernen ist. Das bestätigt auch Vladislav

Alles auf Anfang.

Bei Ohad Naharin und

seinem Ballettmeister

Erez Zohar lernen die Tänzer,

sich fallen zu lassen

Der „Gaga“-Guru: Ohad Naharin ist ei-ner der wichtigsten zeitgenössischen Choreographen der Welt und bald mit seiner Produk-tion „Secus“ am Staatsballett Berlin zu sehen.

Marinov, der als Solotänzer viel Erfahrung mit Tanz-stilen hat: „Natürlich ist das etwas anderes, wenn es weniger um eine exakte Position geht, sondern um ein Gefühl und darum, sich fallen zu lassen.“Naharin kann gerade nicht in Berlin sein, darum trainiert nun sein Ballettmeister Erez Zohar mit dem Staatsbal-lett. Er schaut sich das Ganze von der Seite aus an, schweigt und unterbricht kaum. Stattdessen gibt er dem Ensemble Zeit. Denn Gaga ist weniger Technik als Philosophie, Körperrhythmus, Freude. Zohar fordert des-halb, dass die Tänzerinnen und Tänzer an diesem Vor-mittag jegliche Perfektion vergessen. Er möchte, dass sie Ausdruck, Instinkt und Sinne schulen. „Dabei ist“, sagt Erez Zohar, „vor allem die physische Intelligenz der ausgewählten Tänzer gefragt.“ Marinov nimmt es locker: „Je gelöster man wird und je mehr man zulässt, desto mehr Spaß macht es.“ Im Anschluss studieren die Tänzer mit Zohar an diesem Tag drei Stunden lang die

Naharin-Choreographie „Secus“ ein. Vom Typ her sind sie alle unterschied-lich. Denn Naharin ist es wichtig, dass seine Tänzer einen bestimmten Look ver-körpern, und der muss in kein Raster passen, sondern soll so individuell sein wie die Gaga-Bewegungen. In wenigen Wochen ist Premiere des dreiteiligen Ballettabends, an dem neben dem Naharin-Stück auch die Nacho-Duato-Choreographie „Cas trati“ sowie „Petite mort“ von Jir í Kylián gezeigt werden. Bis dahin wird Erez Zohar immer wieder in die Probenräume des Staatsballetts zurückkehren, bald auch gemeinsam mit Ohad Naharin. An diesem Dienstag ist jedoch um 14 Uhr Schluss, die Tänzer und Tänzerinnen strömen zum Mittagessen – erschöpft, aber glücklich. Dass Gaga, wie Zohar sagt, Körper und Geist gleichzeitig Ver-gnügen bereitet, scheint zu stimmen.Fo

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Die Corps-de-ballet- Tänzerin Cécile Kaltenbach steht Kopf für Ohad Naharin.

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TICKETS 030 20 60 92 630 [email protected]

IM DUNKEL DER NACHT

PREMIEREDUATO | KYLIÁN | NAHARIN

Angst, Verletzlichkeit, Leidenschaft prägen diesen Ballettabend. Während „Castrati“ von Nacho Duato sich zu Vivaldi-Musik um die Angst eines Sängers vor der Kastration

dreht, beschäftigt sich Jir í Kyliáns „Petite mort“ zu Mozart mit den aggressiven und verletzlichen Seiten von Sexualität. „Secus“ mit Musik u. a. von den Beach Boys ist eine abstrakte Arbeit von Ohad Naharin. Deutsche Oper Berlin 22 23 27 29 10 04 20 11

IMPRESSUM HERAUSGEBER Staatsballett Berlin, Richard-Wagner-Straße 10, 10585 Berlin | INTENDANT Nacho Duato | ARTDIRECTION Bernardo Rivavelarde | UMSETZUNG TEMPUS CORPORATE GmbH – Ein Unternehmen des ZEIT Verlags, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, [email protected], Geschäftsführung: Ulrike Teschke, Jan Hawerkamp, Projektleitung: Silke Menzel, Textchefin: Bettina Schneuer, Redaktion: Julia Stelzner, Mareike Nieberding, Lektorat: Claudia Kühne, Layout: Jessica Sturm-Stammberger, Kai Kullen | DRUCK Axel Springer Offsetdruckerei Ahrensburg GmbH & Co. KG, Kornkamp 11, 22926 Ahrensburg | FOTOS Giuliana Bottino, Gero Breloer, Gadi Dagon, Kim Keibel, Fernando Marcos (Cover und Backcover: Ilenia Montagnoli), Sarah Mestrovic, Cristina Moreno de Acevedo, Yan Revazov, Enrico Nawrath, Alice Williamson | REDAKTIONSSCHLUSS 01. Oktober 2015 | Änderungen und Irrtümer vorbehalten.

LIEBES LEID

ONEGINChoreographie und Inszenierung John Cranko | Musik Peter I. Tschaikowsky Ein Liebesbrief von der scheuen Tatjana an den Städter Onegin steht am Anfang. Doch schnell trifft weibliche Empfind-samkeit auf kalte Überheblichkeit – mit ungeahnten Folgen. John Cranko kreiert mit einem unvergleichlichen Gefühl für unterschwellige Befindlichkeiten ein pa-ckendes Handlungsballett. Staatsoper im Schiller Theater 25 10 27 28 11 04 12 07 10 01

VOLL STARK

HÄNSEL & GRETELMärchenspiel von Giorgio MadiaMusik Edvard Grieg

„Niemals aufgeben!“ ist die Botschaft von „Hänsel & Gretel“. Der Choreograph Giorgio Madia hat das Märchen mit den Kindern von „Tanz ist KLASSE! – Kinder tanzen“ für die große Bühne erarbeitet. Sein Bruder Claudio schuf dazu Spielräume und Objekte aus Karton, die große Wirkung entfalten. Deutsche Oper Berlin 08 10 19 12

FORM UND VOLLENDUNG

VIELFÄLTIGKEIT. FORMEN VON STILLE UND LEEREChoreographie Nacho Duato | Musik Johann Sebastian Bach

Nacho Duato hat dem Komponisten Johann Sebastian Bach mit dieser Choreographie ein tänzerisches Denkmal gesetzt. Mit großem Respekt übersetzt er die Komposi-tionen Bachs in bewegte und bewegende Bilder. In einer unvergleichlichen Symbiose aus Tanz und Musik fließen Formen und Emotionen ineinander.Komische Oper Berlin 26 10 01 12 03 22 01

TSCHAIKOWSKYS ZAUBER

DER NUSSKNACKERBallett-Feerie von Vasily Medvedev und Yuri Burlaka | Musik Peter I. Tschaikowsky

Der magische Nussknacker entführt die kleine Clara in eine phantastische Welt, in der sie auf tanzende Zinnsoldaten, Bot schafter aus fernen Ländern und natürlich auf den Nussknacker-Prinzen trifft. Die nostal- gische Version dieses Balletts beruht auf dem Original von 1892.Deutsche Oper Berlin 26 29 11 15 16 25 30 12 01 01

Beim Staatsballett Berlin wird Vielfalt gelebt. So gibt es

in dieser Saison einmal mehr tänze- rische Abwechslung

TANZTERMINE