schmerz - ciando ebooks · 2014. 11. 28. · psychologen nicht nur mit körperlosen vorstellungen....

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Psychologie Klassiker von Rolf H. Adler und Andreas Grögler George L. Engel Schmerz umfassend verstehen Der biopsychosoziale Ansatz zeigt den Weg

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  • Ärzte haben es nicht nur mit körperlichen Funktionsstörungen zu tun, Psychologen nicht nur mit körperlosen Vorstellungen. Das wird beson-ders eindrücklich beim Schmerz, dessen körperliche Realität ebenso unleugbar ist wie seine psychische Bestimmtheit.

    George L. Engel war einer der ersten, der diese einfache Erkenntnis konsequent in die Patientenbehandlung integrierte. Später erweiterte er sie zu dem ganzheitlichen Ansatz des «biopsychosozialen Modells».Dieser Band enthält einerseits Engels grundlegende Arbeit aus Science von 1977, mit der er den Begriff «biopsychosozial» prägte. Andererseits veröffentlichen wir zum ersten Mal auf Deutsch einen Text, der Engels Ideen in der Anwendung zeigt: die Arbeit «Psychogenic Pain and the Pain Prone Patient» von 1959. In dieser Pionierleistung stellte Engel erstmals die heute gut gesicherte These auf, dass das Schmerzerleben entscheidend nicht nur vom Ausmaß der physischen Schädigung ab-hängt, sondern von früheren, insbesondere traumatischen Erfahrungen. Beide Texte wurden herausgegeben, übersetzt und aus heutiger Sicht kritisch kommentiert von Prof. em. Dr. med. Rolf H. Adler und Dr. med. Andereas Grögler.

    Psychologie � KlassikerPsychologie � Klassiker

    Verlag Hans Huber, Bernwww.verlag-hanshuber.com VerlagsgruppeGöttingen ■ Bern ■ Wien ■ Oxford ■ Prag ■ Kopenhagen ■Stockholm ■ Paris ■ Amsterdam ■ Toronto ■ Cambridge, MA

    ISBN 978-3-456-85013-9

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    übersetzt und kommentiert von Rolf H. Adler und Andreas Grögler

    George L. Engel

    Schmerzumfassend

    verstehenDer biopsychosoziale Ansatz zeigt den Weg

    George Libman Engel (1913–1999) war als Internist in New York und an der Harvard Medical School tätig, bevor er 1941 zusammen mit John Romano und Soma Weiss am Peter Bent Brigham Hospital in Boston eine neue Theorie der Medizin entwickelte. In Cincinatti und besonders erfolgreich an der Universität von Rochester (New York) setzten sie die gemeinsame Ausbildung und Berufsausübung von Internisten und Psychiatern durch.

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    EngelSchmerz umfassend verstehen

    © 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus: Engel, Schmerz umfassend verstehen, 1. Auflage.

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    Huber Psychologie Klassiker

    Manche Bücher veralten nie. In der Reihe «Huber Psychologie Klassiker» legen wir kanonische Werke wieder auf, die die Psychologie des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus unser ganzes Menschenbild entscheidend beeinflusst haben. Wir möchten zei-gen, dass die Form des Buches als Lebenswerk und Vermächtnis nicht nur von histori-schem Interesse ist, sondern weiterhin notwendig zur Klärung und zum Verständnis grundlegender Positionen der Psychologie.

    Bisher sind erschienen:Dürckheim Der Alltag als ÜbungVom Weg zur Verwandlung 10. Aufl. 2001. ISBN 978-3-456-83544-0

    Frankl Der leidende MenschAnthropologische Grundlagen der Psychotherapie 3. Aufl. 2005. ISBN 978-3-456-84214-1

    Frankl Der Wille zum Sinn5. Aufl. 2005. ISBN 978-3-456-84173-1

    Freud Psychoanalyse für Pädagogen6. Aufl. 2011. ISBN 978-3-456-84918-8

    Watzlawick / Beavin / Jackson Menschliche Kommunikation12. Auflage 2011. ISBN 978-3-456-84970-6

    Weitere Informationen über unsere Neuerscheinungen finden Sie im Internet unter www.verlag-hanshuber.com.

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    George L. Engel

    Schmerz umfassend verstehen Der biopsychosoziale Ansatz zeigt den Weg

    Übersetzt und kommentiert von Rolf H. Adler und Andreas Grögler

    Verlag Hans Huber

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    Lektorat: Dr. Klaus ReinhardtHerstellung: Yaiza Iglesias

    Gestaltung: Peter E. WüthrichUmschlaggestaltung: Claude Borer, BaselDruckvorstufe: Claudia Wild, Konstanz

    Druck und buchbinderische Verarbeitung: Kösel, KrugzellPrinted in Germany

    Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

    in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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    Anregungen und Zuschriften bitte an:Verlag Hans Huber

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    1. Auflage 2011© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

    (E-Book-ISBN 978-3-456-95013-6)ISBN 978-3-456-85013-9

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    Inhaltsverzeichnis

    1. «Psychogener» Schmerz und der Patient, der Schmerzen erleiden «muss»

    1.1 Einführung 7

    1.2 Engels Text von 1959: Psychogenic Pain and the Pain Prone Patient 11

    1.3 Engels Text aus heutiger Sicht und im Licht moderner Forschung 67

    2. Die Notwendigkeit für ein neues Modell der Medizin: Eine Herausforderung für die Biomedizin

    2.1 Einführung 75

    2.2 Engels Text von 1977: The Need of a New Medical Model: A Challenge for Biomedicine 76

    2.3 Engels Text aus heutiger Sicht und im Licht moderner Forschung 104

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    1. «Psychogener» Schmerz und der Patient, der Schmerzen erleiden «muss»

    1.1 Einführung

    Als Ärzte sehen wir uns immer wieder mit Schmerzen konfron-tiert, weil sie eines der häufigsten Symptome sind, die einen Patienten veranlassen, zum Arzt zu gehen. Nicht selten sind es Schmerzen, für die wir keine organische Erklärung finden, oder bei denen die organische Störung den Schmerz nicht genügend erklärt oder der Schaden abgeheilt ist, die Schmerzen aber anhalten.

    Den Zugang zur Erklärung solcher Schmerzen hat Engel (1) 1959 mit seiner wegweisenden Arbeit «Psychogenic Pain and the Pain Prone Patient» geebnet. Dennoch werde ich den beun-ruhigenden Eindruck nicht los, dass im Gegensatz zu Engels Ansatz immer noch ein Schmerzmodell vorherrscht, das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt, unvollständig ist und häufig zu Fehldiagnosen und Ungerechtigkeiten führt: Reizung peri-pherer Rezeptoren und freier Nervenendigungen → afferente lmpulsleitung → zentrales Registrieren der Impulse → Schmerz. Seit Melzack und Wall 1965 (2) dem Rückenmark eine schmerz-modulierende Funktion zugeschrieben haben, sind in den letz-ten Jahren mehr und mehr Gebiete im Zentralnervensystem in die Vorstellungen über Schmerzentstehung und Anhalten von Schmerzen einbezogen worden. Psychischen und sozialen Fak-toren wird aber nur eine Nebenrolle zugeordnet, und meist nur als Reaktion auf den schon vorherrschenden Schmerz. Frühe

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    Lebenserfahrungen mit Schmerz haben nach Auffassung heu-tiger Autoren höchstens eine erniedrigte Schmerzschwelle und verminderter Schmerztoleranz (3) zur Folge (für diese Auffas-sung ist die wissenschaftliche Basis schwach).

    Die Arbeit von Engel ist zum Verständnis von Schmerz noch heute so wichtig wie vor 50 Jahren, ja sogar bedeutsamer. Der darin enthaltene Schatz von Beobachtungen und Überlegungen zum Verständnis von Patienten mit Schmerz ist so entscheidend, dass er nicht in Vergessenheit geraten darf, umso mehr als ein kürzlich vom Bundesgericht gefälltes Urteil Patienten, die unter Schmerzen leiden, deren Ursache nicht in Form objektivierbarer Befunde nachgewiesen werden kann, die Rentenberechtigung abspricht (Der Bund, 25. September 2010, S. 25).

    Die grundlegende und zu Recht als klassische zum Thema Schmerz bezeichnete Arbeit von G. L. Engel hat mein Kollege Dr. Andreas Grögler aus seinem tiefen Interesse für das Phäno-men Schmerz ins Deutsche übertragen. Titel, Zeitschrift, Jahr-gang, Band und Seitenzahlen von Engels Artikel kann ich im Gegensatz zu den von mir publizierten Arbeiten sofort abrufen, weil ich seine Arbeit für so bedeutsam halte, dass ich sie in Vorle-sungen, auf Visiten, im Studentenseminar und bei Supervisionen immer wieder erwähne: GL Engel. Psychogenic Pain and the Pain Prone Patient. Amer J Med 1959; 26 (1): 899–918.

    Die große Chance, somatische, psychische und soziale Fakto-ren sowohl in der Schmerzentstehung als auch im Anhalten von Schmerzen integrativ zu erfassen, ist von Engel eröffnet und in den fünfzig darauffolgenden Jahren erstaunlich wenig genutzt worden. Mit dem Aufkommen bildgebender Verfahren vom Zen-tralnervensystem ist die Hoffnung entstanden, das Schmerzerle-ben zu verstehen. Die modernen bildgebenden Verfahren zeigen beim Vorliegen von Schmerzen Veränderungen. Diese Verände-rungen jedoch erlebten Schmerzen gleichzusetzen, bringt uns nicht weiter. Erst das Verstehen der Bedeutungen, die vom Indi-viduum den neuronalen Vorgängen aufgeprägt werden, bringen uns Einsicht ins Entstehen und Anhalten von Schmerzen. Hierzu

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    passt, wie H. Beecher (4) im Zweiten Weltkrieg im Brückenkopf bei Anzio beobachtet hatte, dass schwer verletzte Soldaten häufig keine Schmerzen empfanden, aber auf eine ungeschickte intrave-nöse Injektion mit Schmerz reagierten. Sie waren erleichtert, durch die Verletzung dem Kampfgeschehen zu entkommen. Seine Kriegsbeobachtungen ergänzte er durch das Studium von im Zivilleben Verunglückten, die im Gegensatz zu den im Krieg Verletzten bei etwa gleich schweren Verletzungen über intensive Schmerzen klagten.

    Die Bedeutungsaufprägung sei an einem Beispiel gezeigt, das von Jakob von Uexküll (1864–1944), dem bedeutenden Verhal-tensbiologen, stammt (5): Er wandelt mit seiner hochbetagten Tante durch den Garten. Auf der eisernen Stange der Sonnen-uhr – sie steht für das neuronale Netz – sitzt ein Schmetterling. Für ihn ist die Stange eine Sitzgelegenheit. Für die hochbetagte Frau symbolisiert der eiserne Zeiger die Vergänglichkeit. Der eiserne Stab kann chemisch und physikalisch untersucht wer-den und ist in beiden Fällen identisch. Die Bedeutung erhält er durch die spezifische Aufmerksamkeit, die ihm lebendige Wesen aufprägen.

    Ein klinisches Beispiel soll die Verbindung mit Engels Arbeit herstellen:

    Eine 23-jährige Frau stürzt öfters aus unerfindlichen Gründen. Die Orthopäden stellen leicht luxierbare Kniescheiben beidseits fest. Die entsprechenden Sehnen werden operativ gerafft. Seit-her geht sie an zwei Stöcken, die mit etlichen Stofftieren behängt sind. Sie leidet unter ständigen heftigen Kopfschmerzen, die zur Überweisung an mich führen. Die Anamnese ergibt, dass sie nach der Operation einen Alkoholiker als Partner ausgewählt hat, zu dem sie nach der ermüdenden Tagesarbeit eine Dreivier-telstunde mit dem Auto fährt, um nach ihm zu schauen, obwohl er grob zu ihr ist. Die Schmerzen sind dort lokalisiert, wo sie als Kind mit dem Kopf an der Wohnwagenwand aufschlug, wenn der Vater sie im Zorn an die Wand schleuderte.

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