schaidinger, h._sind die schriften ellen g. whites für stadventisten verbindlich_artikel ...

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    B I B L I S C H E O R I E N T I E R U N G S H I L F E

    N r . 7 J u l i 2 0 0 5

    S i n d d i e S c h r i f t e n

    E l l e n G . W h i t e s f r

    S i e b e n t e n - T a g s -

    A d v e n t i s t e n

    v e r b i n d l i c h ?

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    Sind die

    Schriften Ellen G. Whites

    fr

    Siebenten-Tags-Adventisten

    verbindlich?

    MMag.Heinz Schaidinger, M .T., M .A.

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    I N H A L T

    I . E i n l e i t u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

    I I . G o t t o f f e n b a r t s i c h d e n M e n s c h e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    1 . N a c h d e m v o r z e i t e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    2 . D i e B i b e l a l s G o t t e s O f f e n b a r u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    3 . D i e B i b e l i s t v o l l k o m m e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    4 . D e r G e i s t d e r W e i s s a g u n g u n d d i e l e t z t e G e m e i n d e . . . . . 8

    I I I . D a s Z e u g n i s J e s u u n d E l l e n G . W h i t e . . . . . . . . . . . . . . . 1 1

    1 . D i e I n s p i r a t i o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1

    2 . W a r u m g e r a d e E l l e n G . W h i t e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2

    3 . U n s f r e m d e L e h r e n ( n e u e s L i c h t ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5

    I V . D a s B e i s p i e l d e s P r o p h e t e n J e r e m i a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 7

    V . . . . a b e r s i e s u c h t e n v i e l e K n s t e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1

    1 . S t e l l e n d i e S c h r i f t e n E l l e n G . W h i t e s e i n e n Z u s a t z

    z u r B i b e l d a r ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1

    2 . W o z u w u r d e d a s Z e u g n i s J e s u g e g e b e n ? . . . . . . . . . . . . . 2 2

    3 . L e h r o f f e n b a r u n g u n d S c h r i f t a u s l e g u n g . . . . . . . . . . . . . . 2 4

    V I . N u r u n v e r b i n d l i c h e I n f o r m a t i o n e n ? . . . . . . . . . . . . . . . . 2 8

    V I I . . . . u n d w a s i s t m i t S o l a S c r i p t u r a ? " . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 5

    V I I I . Z w e i A l t e r n a t i v e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1

    I X . E r m u t i g u n g z u r L i e b e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4

    A n h a n g

    B i b e l s t u n d e z u m T h e m a G e i s t d e r W e i s s a g u n g . . . . . . . . . . 4 5

    A b k r z u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2

    B i b l i o g r a p h i e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3

    I m p r e s s u m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5

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    I. Einleitung

    Was bedeutet der Geist der Weissagung fr die Kirche der Siebenten-Tags-

    Adventisten?Diese Frage wird nicht nur von auerhalb an diese Gemeinde gestellt, auchinnerhalb kommt sie immer wieder auf und sorgt fr Studium, Diskussion,

    ja sogar Aufregung. Obwohl von Seiten der Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten immer wieder deutliche Grundsatzerklrungen abgege-ben werden, die sich selbst wiederum aus den Schriften Ellen Whites undden Prinzipien der Bibel ableiten lassen, besteht in bezug auf diese Frageunter den Glubigen nicht immer eine einheitliche Haltung.1

    Die vorliegende Arbeit wurde ursprnglich vor ber 20 Jahren geschrie-ben, als ich Theologie studierte und die Adventgemeinde weltweit unterdem schockauslsenden Eindruck der Krise um Desmond Ford stand. DieFrage nach der Autoritt der Schriften Ellen Whites im praktischen Chris-tenleben eines Siebenten-Tags-Adventisten tauchte dringend auf und woll-te beantwortet werden. Es galt, sich Klarheit zu verschaffen. Meinen herz-lichen Dank mchte ich an dieser Stelle Gerhard Pfandl aussprechen, dermir damals Mut gab und mir, dem Anfnger, manch interessante Quelle

    zeigte. Auch mein Vater leistete mir durch seine Hinweise, die aus seinerKenntnis der Bibel und der Zeugnisse kamen, einen wertvollen Dienst.Diese berarbeitung prsentiert das damals gesammelte Material in revi-dierter und aktualisierter Form.Das Volk Gottes wird unter anderem auch durch Streitfragen und Irrlehrengesichtet.2 Es ist darum fr jeden einzelnen Adventisten wichtig, sich berdie Lehren der Gemeinde und ber das, was er glaubt, klar Rechenschaft zugeben, um auch in Verwirrung und Chaos nicht zu fallen, sondern stehen

    zu bleiben.3

    Auf offizieller Ebene gibt es in bezug auf das Thema EllenWhite und Gabe der Weissagung zwar keine groen Probleme (abgesehenvon einzelnen theologischen Diskussionen), die Schwierigkeiten beginnenaber, sobald es um das praktische Leben als Adventist geht - und da ist dieUneinigkeit auch innerhalb der Gemeinde ein Faktum. Meine persnlicheberzeugung ist: Ein solcher Tatbestand entspricht nicht dem Plan Gottes.

    1 Beispiele fr solche Grundsatzerklrungen: General Conference of Seventh-day Adventists, Hrsg., Se-venth-day Adventist Church Manual (Gemeindehandbuch), 1981, S. 39f. Siehe auch Ministry, Feb-

    ruar 1983, S. 24. Denton E. Rebok, Believe His Prophets, Washington 1956. F. M. Wilcox, The Testi-mony of Jesus, Washington 1944; und andere.

    2 Ellen G. White, Aus der Schatzkammer der Zeugnisse, Vol. II, Hamburg ohne Jahreszahl, S. 282f.3 Idem, S. 25: Unsere Prfung besteht darin, dass wir Wahrheit und Gerechtigkeit verteidigen, wenn uns

    die Mehrheit verlsst, dass wir die Schlachten des Herrn schlagen, wenn die Kmpfer wenige sind.

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    Gott wnscht, dass sein Volk einig sei, denn er hat Greres mit ihm vor:Seine Gemeinde soll den lauten Ruf geben! Dafr soll sie mit dem Sptre-gen ausgerstet werden. Dies alles aber hat eine Vorbedingung: Alle Glu-bigen sollen in Einheit des Glaubens miteinander verbunden sein!4

    Seit den Anfngen der Adventbewegung trgt der Geist der Weissagungzur Bildung und Aufrechterhaltung einer solchen Einigkeit bei. Ob wir inunserem Vorhaben (Beendigung des Missionswerkes und Vorbereitung ei-nes Volkes fr die Ankunft des Herrn) Erfolg haben oder zurckhngen,hngt zu einem groen Ausma davon ab, wie weit wir die Strategie Got-tes, die er uns durch den Geist der Weissagung fr das abschlieende Werkvermittelt hat, auch wirklich in die Tat umsetzen. Dies wiederum hngtentscheidend von unserer tiefen Grundeinstellung zur Gabe der Prophetie

    ab, wie sie sich im Leben und Wirken Ellen Whites offenbart hat.Diese Studie ist nicht fr die Arbeit unter Menschen bestimmt, die nichtder Kirche der STA angehren. Jeglicher Versuch, jemandem, der nichtAdventist ist, unsere Ansichten ber den Geist der Weissagung und EllenWhite aufzudrngen, mu als typisch unadventistisch angesehen werden.Dies ist ein inneradventistisches Thema und soll es auch bleiben.

    4 Siehe R. W. Olson, Hrsg., The Crisis Ahead. A Compilation from the Writings of Ellen G. White,Angwin 1979, S. 32-38;56-74. Vergleiche auch folgende Worte aus dem Hohepriesterlichen Gebet Jesu(Johannes 17:20-23): Ich bitte aber nicht allein fr sie, sondern auch fr die, so durch ihr Wort an michglauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; dass auch sie inuns eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt. Und ich habe ihnen gegeben die Herr-lichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir,auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und liebest sie,gleichwie du mich liebst.

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    II. Gott offenbart sich den Menschen

    1. Nachdem vorzeitenAls Gott den Menschen geschaffen hatte, verkehrte er mit ihm von Ange-sicht zu Angesicht. Nach dem Sndenfall aber floh der Mensch die Ge-meinschaft mit Gott, denn er war zum Besitz eines anderen geworden,nmlich zum Knecht Satans. Gott jedoch suchte den verlorenen Menschen,weil er ihn retten wollte. So offenbarte sich der Herr seinen Geschpfenauf mancherlei verschiedene Weise. Er redete in Trumen und Visionen zuihnen5, nur einzelne hatten das Vorrecht, Gott von Angesicht zu Ange-

    sicht zu schauen6. So ging es durch die Jahrhunderte und Jahrtausende desHeilsplans bis hin zu seinem Sohn Jesus Christus.Wenn man von der grten Gottesoffenbarung spricht, meint man immer,ohne das nher erklren zu mssen, die Gottesoffenbarung in Jesus Christus.Jesus ist die Gottesoffenbarung par excellence, denn nur er konnte sagen:Ich und der Vater sind eins.7 Und: Wer mich sieht, der sieht den Vater.8Doch wiewohl die Offenbarung Gottes in Jesus ihren Hhepunkt fand und inder Wiederkunft Christi ihren zweiten Hhepunkt finden wird, sind diese

    beiden Kulminationspunkte der Heilsgeschichte nicht die einzigen Offenba-rungsakte Gottes an die Menschheit. Vor und nach der Geburt des Heilandsoffenbarte Gott sich seinem Volk durch seine Propheten. Einem Auszug die-ser gttlichen Offenbarung begegnen wir in der Heiligen Schrift.

    2. Die Bibel als Gottes Offenbarung

    Die Bcher des biblischen Kanons, die unter der Leitung des HeiligenGeistes verfasst und zusammengestellt wurden, beinhalten alle Wahrheit,die ntig ist, um gerettet zu werden: die Geschichte des Heils in JesusChristus! Denn das ist das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wah-rer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.9Die Bibel enthlt aber nicht alle Offenbarungen Gottes in ihrer Vollzahl. Inder Heiligen Schrift werden viel mehr Gottesoffenbarungen angedeutet, als

    5 Hebrer 1:1; 4 Mose 12:66 4 Mose 12:6ff.7 Johannes 10:30.8 Johannes 14:9.9 Johannes 17:3.

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    inhaltlich wirklich auf uns gekommen sind. Nicht alles ist uns schriftlichberliefert worden.10Folgende Beispiele sollen dies nher erlutern.

    Und da sie kamen an den Hgel, siehe, da kam ein Prophetenhaufenentgegen; und der Geist Gottes geriet ber ihn, dass er unter ihnenweissagte. Da ihn aber sahen alle, die ihn vormals gekannt hatten, dasser mit den Propheten weissagte, sprachen sie alle untereinander: Wasist dem Sohn des Kis geschehen? Ist Saul auch unter den Propheten?11

    Die Frage dieser Menschen zeigt, dass auch damals Propheten nicht etwasSelbstverstndliches waren. Saul nun weissagte mit den Mnner diesesProphetenhaufens.12 Was sie aber weissagten, ist nicht bis auf uns ge-kommen. Dennoch war ihr Weissagen Wort Gottes, denn der Geist Gottesgeriet ber ihn! Ein anderes Beispiel findet sich in der spteren Geschich-te Israels: Denn da Isebel die Propheten des Herrn ausrottete, nahm Obad-

    ja hundert Propheten und versteckte sie in Hhlen, hier fnfzig und dafnfzig, und versorgte sie mit Brot und Wasser.13 Wenn diese hundertPropheten auch weissagten, wir wissen nichts mehr davon. Dennoch warihr Weissagen Wort Gottes, da sie ja Propheten des Herrn waren und vorihrer mordgierigen Knigin versteckt werden mussten.Auch im Neuen Testament gilt dasselbe: Und da Paulus die Hnde auf sielegte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten mit Zungen und weis-sagten.14 ber den Inhalt dieses Weissagens schweigt die Bibel sich aus.Wir sehen, dass die Schrift manche Gottesoffenbarungen andeutet, ohneber deren Inhalt nhere Auskunft zu geben. Es ist wichtig, dies festzuhal-ten: Gott hat fter zu seinen Geschpfen gesprochen, als wir es in der Bi-bel deutlich aufgeschrieben finden! Nur ein Teil der Flle der jemals ge-gebenen Gottesoffenbarungen ist uns in der Bibel berliefert. Nicht jedes-mal, wenn Gott sprach, fanden seine Worte auch Eingang in den biblischenKanon!15 So kann Gott durch Propheten sprechen, ohne da deren Nieder-

    10 Es gibt sogar viele Schriften inspirierter Schreiber, die nie in den Kanon der Bibel aufgenommen wor-den sind. Siehe 2 Chronik 26:22; 32:32; 9:29; 12:15; 13:22; und noch manche andere Stellen.

    11 1 Samuel 10:10f.12 Damit sind wohl die Prophetenschler gemeint, Samuel war Grnder von Prophetenschulen. Vergleiche

    1 Samuel 10:10f. mit 2 Knige 2:3 und Ellen G. White, Patriarchen und Propheten, Hamburg ohneJahreszahl, Kapitel Prophetenschulen.

    13 1 Knige 18:4.14 Apostelgeschichte 19:6. Man findet in der Bibel noch viele Beispiele dieser Art, ohne dass berliefert

    wird, welches Wort Gottes da geweissagt wurde. Siehe zum Beispiel Apostelgeschichte 21:9 etc.15 Das bedeutet natrlich nicht, dass wir, wie es im rmischen Katholizismus verstanden wird, von daher

    das Recht auf auerbiblische Tradition ableiten knnen, die auf mndlichem Wege durch die Kircheauf uns gekommen ist und nicht durch die Schrift geprft und korrigiert wird. Das wre gnzlich zu

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    schrift im biblischen Kanon zu finden ist. In diesem Sinne gilt dasselbeauch fr das Zeugnis Jesu, die Gabe der Weissagung, die in der letztenGemeinde wieder auftreten soll.16Wenn Gott Gabe der Weissagung gewhrt, dann ist diese Gabe der Weis-

    sagung authentisches prophetisches Gotteswort, auch wenn alles Geweis-sagte nie in den biblischen Kanon Eingang finden kann, weil der Kanonhistorisch einfach abgeschlossen ist. Obwohl die Kanonbildung im histori-schen Sinn seit etwa 1800 Jahren beendet ist, hat Gott nicht aufgehrt, mitseinem Volk aufmancherlei Weise zu reden. Das Ende der Entstehung derSchriften des biblischen Kanons kann nicht gleichzeitig gedeutet werdenals das Ende der Offenbarung Gottes durch die Gabe der Weissagung. Esist wie mit den inspirierten Bchern und Reden der Propheten zur Zeit des

    Alten und des Neuen Testaments, die auch nie Eingang in den Kanon ge-funden haben. Wenn die Schriften eines authentischen Propheten nicht imKanon sind, bedeutet das nicht, dass sie darum fr den Glubigen wenigerAutoritt haben, handelt es sich dabei doch um wirkliche Gottesoffenba-rung, von der Gott wnscht, dass seine Gemeinde sie auch erhlt.

    3. Die Bibel ist vollkommen

    Worin besteht nun der Vorzug des Kanons? Soll das bisher Gesagte hei-en, dass die Bibel unvollstndig sei? Keineswegs! Die Bibel wurde ge-schrieben, damit Gott ein Instrument in der Welt habe, durch das alle Men-schen seine Offenbarung begreifen knnten. Gttliche Offenbarung auer-halb dieses Kanons gilt aber vorrangig nicht so sehr der Welt, sondern derGemeinde.17 Den Philippern wei Paulus zu sagen: Wie viele nun unservollkommen sind, die lasset uns also gesinnt sein; und solltet ihr sonst et-

    verwerfen. Alles Auerbiblische muss an der Bibel auf seine Echtheit geprft werden. Dies ist ein we-sentlicher Unterschied zwischen adventistischem und rmisch-katholischem Verstndnis auerbiblischerOffenbarung.

    16 Die biblische Grundlage fr diese Aussage findet sich in den folgenden Texten: Offenbarung 12:17;19:10; 22:8f. Dass durch diese Texte fr das Ende der Zeit die Gabe der Prophetie verheien wird, ent-spricht allgemeinem adventistischen Bibelverstndnis. Siehe dazu auch die Bibelstudie zum ThemaGeist der Weissagung im Anhang dieses Hefts.

    17 Die Frage ist, ob man wirklich so weit gehen kann, ob es einen solchen Unterschied wirklich gibt. Knn-te es nicht auch sein, dass manche Prophetie von universellem Wert aufgrund der Gottlosigkeit des Vol-kes zu Zeiten, in den die Knige Israels und Judas die Religion wie die Wsche wechselten, einfach ver-loren wurde? In der Bibel mag es hingegen auch manche Botschaften geben, die von groem Wert frdie Zeitgenossen des Geschriebenen gewesen waren, deren universale Botschaft fr uns heute jedochschwer auszumachen ist (siehe zum Beispiel 1 Chronik 7). Ich erkenne in dieser Problematik auch dasmenschliche Element bei der Zusammenstellung des Kanons. Trotzdem: Gott wacht ber sein Wort, erbehtete es und leitete die Menschen bei der Zusammenstellung des biblischen Kanons. Ich denke, wirstehen hier einfach vor einer offenen Frage (vergleiche 5 Mose 29:29).

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    was halten, das lasset euch Gott offenbaren 18 Die Gottesoffenbarungber die alten Schriften hinaus bleibt also in der Gemeinde prsent. DerGemeinde gilt die Verheiung der besonderen Fhrung Gottes: Und sieheich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.19 Wie ist Jesus immer bei

    seiner Gemeinde? Durch seinen Geist und die Prophetie, die ja in treffen-der Weise als Zeugnis Jesu bezeichnet wird.20

    Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen anderen Trstergeben, dass er bei euch bleibe ewiglich, den Geist der Wahrheit,welchen die Welt nicht kann empfangen; denn sie sieht ihn nicht undkennt ihn nicht. Ihr aber kennet ihn; denn er bleibt bei euch und wirdin euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurcklassen, ich kommezu euch.21

    Aber der Trster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wirdin meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern allesdes, das ich euch gesagt habe.22

    Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wirdeuch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber re-den, sondern was er hren wird, das wird er reden, und waszuknf-tig ist, wird er euch verkndigen.23

    Gttliche Offenbarung auerhalb der Schrift muss an der Schrift gemessenwerden, da man eine Offenbarung auerhalb der Schrift ja nur durch dieSchrift als gttlich erweisen kann. Dies muss so sein, da ja auch der Satanwirkt und sich verstellt zum Engel des Lichtes.24 Konsequenterweisemuss aber auch eine so durch die Heilige Schrift als gttlich erwiesene Of-fenbarung fr den Glubigen verbindlich sein.

    4. Der Geist der Weissagung und die letzte Gemeinde

    Gott verheit, dass es ein Volk geben wird, das die Lcken verzunt unddie Wege ausbessert.25 Tatschlich hat es der Feind geschafft, in das ewi-

    18 Philipper 3:15. Dies zeigt, dass Paulus mit zustzlichen Offenbarungen rechnet.19 Matthus 28:20.20 Offenbarung 12:17; 19:10; 22:8f.

    21 Johannes 14:16ff.; meine Hervorhebung.22 Johannes 14:26.23 Johannes 16:13; meine Hervorhebung.24 2 Korinther 11:14.25 Es geht um das Gesetz und den Sabbat; Jesaja 58:12ff.

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    ge Gesetz Gottes eine Lcke zu reien. Durch die Verflschung des viertenGebotes ist es Satan gelungen, den Weg der Heiligung ernstlich zu behin-dern.26 Diese Lcke nun soll verzunt und ausgebessert werden. Dies ge-schah durch die ganze Kirchengeschichte hindurch. Seit Christus war die

    Welt nie ohne Sabbathalter.27 In unseren Tagen ist es neben den Siebenten-Tags-Baptisten vor allen die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, diesich fr dasgesamte Gesetz und seine Unvernderlichkeit einsetzt.Die Gemeinde der letzten Zeit hat zwei Kennzeichen: Sie hlt das ganzeGesetz, alle Gebote, und sie kennt auch das Prophetenamt in ihrer Mitte.28Das Prophetenamt ist nicht nur ein besonderes Zeichen, an dem man diewahre Endzeitgemeinde erkennen kann, es ist auch eine Verheiung frdie besondere Unbill dieser Endzeit. Ein Prophet ist vorrangig nmlich

    nicht einer, der die Zukunft vorhersagen kann, sondern einer, der das VolkGottes fhrt und leitet.29 Entweder gilt es, das Volk Gottes zu trsten, oderes durch Gerichtsbotschaften aus seinem lauen Wandeln aufzurtteln.Auch die letzte Gemeinde soll durch groe Bedrngnis und Trbsal gehen,die einerseits von auen her (weil der Feind gegen Gott kmpft und damitgegen das Gottesvolk), andererseits von innen her kommen (durch die Lau-heit der Glubigen und die laxe Vorbereitung auf das grte zuknftige Er-eignis, das diese Welt noch sehen wird: die Wiederkunft Christi). Die Ge-

    meinde, die solche Prfung zu bestehen hat, empfngt die Verheiungeines besonderen Geleits, das gerade fr diese Zeit gegeben ist!Dieses besondere Geleit bietet das Zeugnis Jesu, der Geist der Weissa-gung. Es handelt sich also um eine Art Lotsen, der das Schiff sicher in denHafen bringen soll. Wollen wir diese Hilfe, die Gott uns mit besondererAbsicht gewhrt hat. von uns weisen, weil wir ohnehin schon eine See-karte besitzen?30

    26

    Der Sabbat ist Instrument und Zeichen wahrer Heiligung! Siehe 2 Mose 31:13-17; Hesekiel 20:12.20.Wre der Sabbat nicht abhanden gekommen, htte es niemals solche Entartung in Lehre und Leben derChristenheit gegeben.

    27 Vergleiche J. F. Coltheart, The Sabbath of God Through the Centuries, Payson, Ariz. 1985; u. a.28 Offenbarung 12:17; 19:10; 22:8f. Dass wir heute in der Endzeit leben, lehrt die Bibel deutlich (Matthus

    24; Offenbarung 13 und 14; u. a.). Die Gemeinde Jesu heute muss also nach der biblischen Prophetie al-le Gebote Gottes und den Geist der Weissagung haben. Wenn eins von beiden fehlt, haben wir ganz ein-fach nicht die der biblischen Beschreibung entsprechende wahre Gemeinde Jesu vor uns.

    29 Hosea 12:14; 5 Mose 13: 1-5 (auch ein falscher Prophet errt manchmal die Zukunft).30 Gemeint ist die Bibel. Diese Art Illustration verwendete seinerzeit Uriah Smith. Er schrieb: Eine Illust-

    ration kann helfen, diese ganze Angelegenheit in noch klarerem Lichte darzustellen. Stellen wir uns vor,wir treten gerade eine Seereise an. Der Schiffseigentmer hat uns ein Logbuch gegeben und uns gesagt,dass wir darin alle Instruktionen fnden, die wir fr die ganze Seereise bentigen, und dass wir sicher inunseren Bestimmungshafen einliefen, wenn wir diese Instruktionen auch beachten. Wir setzen die Segelund ffnen unser Buch, um dessen Inhalt kennen zu lernen. Wir finden bald heraus, dass der Autor darindie allgemeinen Prinzipien darlegt, die uns wahrend der ganzen Reise bestimmen sollten, er instruiertuns, soweit es mglich ist, und geht auf die verschiedenen mglichen Vorkommnisse ein, die sich bis

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    Der vor uns liegende Weg ist schwer zu begehen. Jede Hilfe, die Gott inweiser Voraussicht zur Verfgung stellt, kann sich fr uns nur als Sttzeund Segen erweisen.

    zum Ende ereignen mgen. Er sagt uns auch, dass der letzte Teil unserer Reise ganz besonders gefhr-lich sein wird, dass die Konturen der Kste sich aufgrund von Treibsand und schweren Strmen stndigverndert, und er sagt in seinem Buch: Auf diesem letzten Teil der Reise habe ich einen Lotsen fr euchvorgesehen. Er wird euch begegnen und euch solche Anweisungen geben, wie die euch umgebendenUmstnde und Gefahren es erfordern mgen, und ihm msst ihr gehorchen! Mit diesen Richtlinien er-reichen wir dann die genannte gefhrliche Zeit, und der Lotsen taucht auf, wie es verheien ist. Doch alser seine Dienste anbietet, erheben sich einige aus der Mannschaft gegen ihn und sagen: Wir haben dasursprngliche Leitbuch, und das ist genug fr uns. Darauf und nur darauf allein berufen wir uns, von dir

    wollen wir nichts. Wer aber beachtet nun wirklich das, was das ursprngliche Logbuch sagt? Jene, dieden Lotsen zurckweisen, oder jene, die ihn getreu den Instruktionen dieses Logbuchs annehmen? Ur-teilt selbst darber. Uriah Smith, Do we Discard the Bible by Endorsing the Visions?, in Review andHerald, January 13, 1868, S. 52; abgedruckt in The Ellen G. White Estate, Hrsg., Witness of the Pio-neers Concerning the Spirit of Prophecy, Washington 1961, S. 30.

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    III. Das Zeugnis Jesu und Ellen G. White

    1. ber die Inspiration

    Die Siebenten-Tags-Adventisten (STA) sind der festen berzeugung, dassdie Gabe des Geistes der Weissagung sich im Leben und Wirken von EllenG. White offenbart hat.31 Das bedeutet natrlich, dass sie anerkennen, dassEllen G. White vom Geist Gottes inspiriert war. Die STA gehen davon aus,dass die heiligen Mnner Gottes, getrieben von dem Heiligen Geist32,

    nicht verbal- sondern personalinspiriert waren, was auch auf Ellen G.White zutrifft.33

    Es geht nicht an, zwischen der Inspiration biblischer Schreiber und der Inspi-ration Ellen G. Whites qualitativ Unterschiede zu machen. Es gibt keine In-spirationsgrade: Denn welchen Gott gesandt hat, der redet Gottes Worte,denn Gott gibt den Geist nicht nach dem Ma.34 Entweder ist das Schrift-tum inspiriert und damit dem gleichen Gottesgeist entsprungen wie die Bi-bel, oder es ist nicht inspiriert und damit auch nicht das Zeugnis Jesu.35

    In den Briefen, die ich schreibe, und in den Zeugnissen, die ich able-

    ge, vermittle ich euch das, was der Herr mir gezeigt hat, Ich schreibenicht einen einzigen Zeitschriftenartikel, der nur meine eigenen Ge-danken wiedergibt. Sie stellen dar, was Gott mir in Visionen offen-bart hat - kostbare Lichtstrahlen vom Thron. Das gilt sowohl fr dieArtikel in unseren Zeitschriften als auch fr die vielen Bcher.36

    Die Zeugnisse sollen nach ihren Frchten beurteilen werden. Wel-cher Geist strmt aus ihren Belehrungen? Zu welchen Ergebnissenfhrt ihr Einfluss? Alle, die es wnschen, knnen sich mit den Frch-ten dieser Gesichte vertraut machen. Siebzehn Jahre hindurch hatGott es fr gut angesehen, sie gegen allen Widerstand satanischerMacht und gegen den Einflu menschlicher Werkzeuge, die Satan inseinem Wirken untersttzten, zu erhalten und zu strken.

    31 Vergleiche General Conference of Seventh-day Adventists, Hrsg., Seventh-day Adventist ChurchManual, ohne Ortsangabe 1981, S. 39f.

    32 2 Petrus 1:21.33 Vergleiche ihre eigenen Aussagen: Ellen G. White, Selected Messages, Vol. I, Washington 1958, S. 21f.

    37.34 Johannes 3:34.35 Im letzteren Fall allerdings msste es dann als lgenhaft erfunden werden, da es den Anspruch auf Inspi-

    ration klar erhebt. Somit ist der Geist, der Ellen G. White inspirierte, entweder von oben oder von untenher (vergleiche das erste Zitat auf der nchsten Seite).

    36 1 SM, S. 29.

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    Entweder belehrt Gott seine Gemeinde, rgt ihr Unrecht und strktihren Glauben, oder er tut es nicht. Entweder ist dieses Werk vonGott, oder es ist nicht von ihm. Gott tut nichts mit Satan gemeinsam.Mein Tun trgt darum entweder den Stempel Gottes oder den des

    Feindes. In dieser Hinsicht gibt es keine Halbheiten. Die Zeugnissestammen entweder vom Geist Gottes oder aber vom Teufel.37

    Auch eine Teilung der Schriften in inspirierte und nicht inspirierte Teile istnicht mglich. Das Ergebnis eines solchen Unterfangens knnen wir amDesaster der Theologie seit der Aufklrung erkennen, das durch die histo-risch-kritische Methode ausgelst wurde. Auch die Bibel muss als Ganzesbegriffen und angenommen, oder aber als Ganzes abgelehnt werden.

    2. Warum gerade Ellen G. White?

    Es gibt mehrere Grnde dafr, warum die STA zur berzeugung gelangtsind, dass gerade Ellen G. White die Botin Gottes fr die Gemeinde derbrigen ist.

    a) Das Selbstzeugnis Ellen G. Whites

    Sie beanspruchte, von Gott erwhlt zu sein, Trume und Gesichte zu erhal-ten, die sowohl fr einzelne Personen als auch fr die Gemeinde bestimmtwaren:

    In meinem zweiten Gesicht, das ich ungefhr eine Woche nach demersten hatte, zeigte mir der Herr die Prfungen, die ich durchzuma-chen haben wrde, und er sagte mir, dass ich gehen und erzhlen

    msse, was er mir gezeigt hatte. Es wurde mir gezeigt, dass meineArbeiten groem Widerstand begegnen und mein Herz zerrissenwerde, die Gnade Gottes aber hinreichend sein werde, mich durch al-les hindurch zu tragen.Nachdem ich aus diesem Gesicht gekommen war, fhlte ich michauerordentlich beunruhigt, denn es zeigte mir meine Pflicht, unterdie Leute zu gehen und die Wahrheit zu verkndigen. Meine Ge-sundheit war so schwach, dass ich krperlich bestndig litt und allemAnschein nach nur noch kurze Zeit zu leben hatte. Ich war nur 17

    Jahre alt, klein und schwchlich, die Gesellschaft nicht gewohnt und

    37 2 Sch, S. 258.

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    von Natur so ngstlich und zurckgezogen, dass es mir Schmerzenbereitete, Fremden zu begegnen.Mehrere Tage lang betete ich bis spt in die Nacht hinein, dass dieseBrde von mir genommen und auf jemand anders gelegt werden mchte,

    der besser imstande sei, sie zu tragen. Aber die mir gezeigte Pflicht wur-de nicht anders, und die Worte des Engels: Verkndige anderen, was ichdir gezeigt habe, tnten mir bestndig in den Ohren.38

    Ellen G. White erhielt im Laufe ihres siebzigjhrigen Wirkens fr die Ge-meinde etwa 2.000 Gesichte und Trume (vom Dezember 1844 bis ins Jahr1915).39

    b) Die Frucht ihrer Schriften

    Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zueuch kommen, inwendig aber sind sie reiende Wlfe. An ihrenFrchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen vonden Dornen oder Feigen von den Disteln? Also ein jeglicher guterBaum bringt gute Frchte; aber ein fauler Baum bringt arge Frchte.Ein guter Baum kann nicht arge Frchte bringen, und ein faulerBaum kann nicht gute Frchte bringen. Ein jeglicher Baum, der nicht

    gute Frchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Daruman ihren Frchten sollt ihr sie erkennen.40

    Dazu sind wir auch beim Schrifttum Ellen Whites aufgerufen.41Heute, im Rckblick, sind es nicht nur 17 Jahre, sondern schon ber 100,in denen Gott seine Hand schtzend ber das Zeugnis Jesu gehalten hat.Sehen wir uns die Frucht des Lebens Ellen G. Whites an: Sie lebte ein Le-ben ganz im Dienst ihres Herrn. Das Buch Leben und Wirken beschreibtsehr ausfhrlich die Arbeit und Hingabe der Botin Gottes im Dienst an derGemeinde. Wenn wir damit zum Beispiel den Anspruch eines JosephSmith vergleichen, ein von Gott erleuchteter Prophet zu sein, so weist ihndie Frucht seines Lebens schon sehr bald als falschen Propheten aus. Erwar ein Mrder, Trunkenbold und Ehebrecher, und vor allem in der Frh-zeit seiner Bewegung waren diese Laster auch unter seinen Anhngern

    38 Ellen G. White, Leben und Wirken, Mountain View 1915, S. 76.39 D. A. Delafield, Ellen G. White und die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, Ham-burg 1971, S. 91.

    40 Matthus 7:15-20.41 Vergleiche das Zitat auf S. , Funote.

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    sehr verbreitet.42 Ein Vergleich zwischen ihm und Ellen G. White herzu-stellen und zu sagen, dass Ellen White fr die STA dieselbe Aufgabe erfl-le wie Joseph Smith fr die Mormonen43, erscheint mir aus diesem Grundegeradezu lsterlich.44

    c) Die bereinstimmung ihrer Lehren mit der Bibel

    Das ist ein sehr wichtiges, wenn nicht das wichtigste und aussagefhigsteKriterium, um die Schriften eines auerbiblischen Propheten recht zu beur-teilen.

    Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prfet die

    Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viel falsche Prophetenausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen:Ein jeglicher Geist, der da bekennt, dass Jesus Christus ist in dasFleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der danicht bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, derist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Widerchrists, von wel-chem ihr habt gehrt, dass er kommen werde; und er ist jetzt schonin der Welt.45

    Das Hauptthema Ellen Whites ist zweifellos Jesus Christus. Die Aussagendes Hebrerbriefes, die das Priestertum Christi betreffen, das heute von sowenig Christen richtig verstanden wird, sind eines der Zentralthemen in ih-ren Schriften, wie auch berhaupt der ganze Erlsungsplan an sich dasHauptthema in ihren Bchern ist.Die rechte Einstellung zur Person Christi, seiner Prexistenz, seiner Inkar-nation, seiner Gottheit, zu seinem Tod, zu seiner Auferstehung und zu sei-ner Wiederkunft, zu seinem Gesetz, usw. ist der Prfstein46, an dem man

    einen Propheten prfen kann, ob er mit dem Wort Gottes bereinstimmt.So wird sichtbar, ob er authentisch ist und uns auch Worte Gottes zu sagenhat.

    42 Siehe John Ahmanson, Secret History, Chicago 1984 (Neudruck des dnischen Originals von1876).

    43 Diese Argument will sagen, dass wir deshalb Ellen White verwerfen sollen!44 Damit soll keineswegs die heutige Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage verunglimpft

    werden. Es ist nur die Rede von historischen Fakten im Zusammenhang mit ihrem Begrnder Jo-

    seph Smith, der 1844 von einer aufgebrachten Menge gelyncht wurde. Die Anhnger dieser Kircheheute sind genauso unbescholten wie Katholiken, Protestanten, Moslems oder Adventisten es imallgemeinen sind.

    45 1 Johannes 4:1ff.46 Es ist dies keineswegs eine vollstndige Aufzhlung, in der Bibel findet man noch andere.

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    Es ist in diesem Zusammenhang immer schon gesucht und berprft wor-den, was eben zur weiten Akzeptanz Ellen Whites unter den Adventistengefhrt hat. Heute, 90 Jahre nach ihrem Tod, wage ich zu sagen, dass esnicht gelingen wird, zwischen den Schriften Ellen Whites und der Bibel

    eine unwiderlegbare Disharmonie zu entdecken, denn Gott widersprichtsich nicht.

    3. Uns fremde Lehren (neues Licht)

    Es gibt in den Schriften Ellen Whites Passagen, die uns bei oberflchli-chem Lesen anmuten, als erhielten sie neue, der Bibel fremde Lehren. Gab

    Gott uns nun durch den Geist der Weissagung fremde, neue Lehren, wur-den durch die Schriften Ellen Whites biblische Wahrheiten verndert? Dassei ferne! wrde Paulus hier ausrufen.

    Wie viele nun unser vollkommen sind, die lasset uns also gesinntsein; und solltet ihr sonst etwas halten, das lasset euch Gott offenba-ren; doch soferne, dass wir nach derselben Regel, darein wir ge-kommen sind, wandeln und gleich gesinnt seien.47

    Das bedeutet, dass Gott Dinge, die fr die Gemeinde speziell notwendigsind, auch speziell offenbaren kann (Trost, Erbauung, Lehre, Ermahnung,Hoffnung, Zukunftsweisung, usw.) - wer wollte es ihm verbieten? Es be-deutet aber auch, dass die spezielle Offenbarung ganz in der Linie der fr-heren Offenbarungen Gottes stehen muss. Wenn dies nicht der Fall wre,wrde ein anderes Wort des Paulus Geltung haben: Aber so auch wir oderein Engel vom Himmel euch wrde Evangelium predigen anders, denn daswir euch gepredigt haben, der sei verflucht.48 Jesus selber verheit seinerGemeinde:

    Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wirdeuch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber re-den, sondern was er hren wird, das wird er reden, und was zuknf-tig ist, wird er euch verkndigen. Derselbe wird mich verklren;denn von dem Meinen wird ers nehmen und euch verkndigen.49

    47 Philipper 3:15f.48 Galater 1:8.49 Johannes 16:13f.

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    Diese Verheiung, die auch Raum gibt fr Zuknftiges, das durch denGeist verkndigt werden soll, hat zum Teil schon im Urchristentum ihreErfllung gefunden50, wurde aber auch erfllt durch das Auftreten des Gei-stes der Weissagung in Ellen G. White. Der Geist kann also offenbar

    Dinge verknden, die expressis verbis in der Bibel so nicht stehen, aberdennoch dem Wesen nach ganz in der Bibel enthalten und somit auchWort Gottes sind. Dinge, die neu anmuten und es expressis verbis viel-leicht auch sind, mssen dem Wesen nach gar nicht neu sein, sondernkommen in der Bibel vom Prinzip her durchaus vor.51Dieses Phnomen beobachten wir nicht nur bei den Schriften Ellen G.Whites, die durch den Geist der Weissagung, der das Zeugnis Jesu ist, ent-standen sind, sondern auch in Botschaften so mancher Propheten der Hei-

    ligen Schrift. Im folgenden Kapitel soll dieser Sachverhalt an einem einfa-chen Beispiel aufgezeigt werden.

    50 Vergleiche Rmer 12:6; 1 Korinther 14:32; 5 Mose 13:1-6; Epheser 2:20; Apostelgeschichte 2:17;11:28; 13:2; 16:7; 21:9ff.; 23:9; 1 Timotheus 4:1; und viele andere.

    51 Zum Beispiel steht in der Bibel nirgends, dass man nicht rauchen oder Rauschgift nehmen soll.Dennoch sttzen wir uns auf 1 Korinther 6:19 und sagen, dass wir diese Dinge nicht tun, weil derKrper ein Tempel des Heiligen Geistes sein soll. Expressis verbis spricht Ellen White darber,

    denn zu biblischen Zeiten waren diese Dinge anscheinend nicht so verbreitet, wenn es sie in dieserForm berhaupt gab. Somit sind die Aussagen Ellen G. Whites auf diesem Gebiet nicht wirklichneu, sie muten nur neu an. Vom Prinzip her entsprechen sie dem Geist der Schrift, und das ist aus-schlaggebend, selbst wenn sie Dinge sagt, die in der Schrift so nicht vorkommen, ja gar nicht vor-kommen knnen, weil die Bibel in einer anderen Zeit geschrieben wurde.

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    IV. Das Beispiel des Propheten Jeremia.

    Welche Situation traf Gott zur Zeit Jeremias unter dem Volk Israel an?

    Die Priester gedachten nicht: Wo ist der Herr? und die das Gesetztreiben, achteten mein nicht, und die Hirten fhrten die Leute vonmir, und die Propheten weissagten durch Baal und hingen an den un-ntzen Gtzen.52

    Sondern sie verachten mich, beide, das Haus Israel und das Haus Ju-da, spricht der Herr. Sie verleugnen den Herrn und sprechen: Dasist er nicht, und so bel wird es uns nicht gehen, Schwert und Hunger

    werden wir nicht sehen; ja, die Propheten sind Schwtzer und habenauch Gottes Wort nicht; es gehe ber sie selbst also!53

    Denn sie geizen allesamt, klein und gro, und beide, Propheten undPriester, gehen allesamt mit Lgen um und trsten mein Volk in sei-nem Unglck, dass sie es gering achten sollen und sagen: Friede!Friede! und ist doch nicht Friede.54

    Das Volk war abgewichen, hrte wohl die Gerichtsbotschaften Gottes,

    prophezeite sich lieber Friede und Sicherheit. Diese Einstellung des jdi-schen Volkes wird auch im folgenden Text treffend geschildert: Sie trei-ben alle Schalkheit und meinen, das heilige Fleisch soll es von ihnen neh-men; und wenn sie bel tun, sind sie guter Dinge darber. Das ist billigeGnade im alten IsraelWas war nun - neben seinen Aufrufen zur Umkehr - die spezifische Bot-schaft von Jeremia? Was sagte er dem Volk, was so unerhrt war, wasnoch kein Prophet vor ihm dem Volk gesagt hatte?55

    Und sage diesem Volk: So spricht der Herr: Siehe, ich lege euch vorden Weg zum Leben und den Weg zum Tode. Wer in dieser Stadtbleibt, der wird sterben mssen durch Schwert, Hunger und Pesti-lenz; wer sich aber hinausgibt zu den Chaldern, die euch belagern,der soll lebendig bleiben und soll sein Leben als eine Ausbeute be-halten. Denn ich habe mein Angesicht ber diese Stadt gerichtet zum

    52 Jeremia 2:8.53 Jeremia 5:11ff.54 Jeremia 6:13f.55 Vorsicht! Vergleiche diese Stelle mit 5 Mose 11:26-29.

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    Unglck und zu keinem Guten, spricht der Herr. Sie soll dem Knigzu Babel bergeben werden, dass er sie mit Feuer verbrenne.56

    Diese Botschaft war die Antwort auf die Bitte Zedekias: Frage doch den

    Herrn fr uns. Denn Nebukadnezar, der Knig von Babel, streitet wideruns; dass der Herr doch mit uns tun wolle nach allen seinen Wundern, da-mit er von uns abzge.57Wie steht es nun um die Antwort des Propheten Jeremia an Zedekia? Warsie fr den Knig nicht schockierendes neues Licht? Wo hatte Gott demVolk Israel je zuvor durch einen Propheten die Botschaft zukommen las-sen, dass es sich seinen Feinden ergeben, die Stadt Jerusalem, den heili-gen Berg Zion aufgeben, sich bedingungslos der Gnade seiner Feinde aus-

    liefern sollte? Jerusalem sollte verbrennen?Mussten sie nicht Jeremia zum Landesverrter erklren, zum falschen Pro-pheten, der nur schwtzte?58 Wann hat Jahwe Zebaoth jemals so etwasvon seinem Volk verlangt?Dennoch hlt Jeremia nicht still. Gott kritisiert durch seinen Propheten dielaue Haltung des Volkes, das nur Friedensbotschaften hren will:

    So spricht der Herr Zebaoth: Gehorchet nicht den Worten der Pro-pheten, die euch weissagen. Sie betrgen euch; denn sie predigen ih-res Herzens Gesicht und nicht aus des Herrn Munde. Sie sagen de-nen, die mich lstern: Der Herr hats gesagt, es wird euch wohlge-hen; und allen, die nach ihres Herzens Dnkel wandeln, sagen sie:Es wird kein Unglck ber euch kommen.59

    Gewi, das Volk konnte seinen Gott fragen: O Herr, wo ist denn in deinerBotschaft, dass wir uns den Babyloniern ergeben sollen, das Evangelium?Wie vertrgt sich diese Botschaft mit deinen Verheiungen? Ist Jerusalem

    nicht deine heilige Stadt? Ist nicht Zion dein heiliger Berg? Stimmt denndie Botschaft unserer Propheten, die uns Frieden verheien, nicht vielmehr mit den alten Verheiungen berein, die du einst David und seinemHause gegeben hast? Entspricht das Friedensevangelium unserer Priesterund Propheten nicht viel besser deinem edlen, barmherzigen und gtigenCharakter als die Worte dieses Jeremia? Kein Zweifel, Jeremia mussteein falscher Prophet sein, nicht all die anderen, die Frieden weissagten.

    56 Jeremia 21:8ff.57 Jeremia 21:2.58 Vergleiche die Beschreibung der falschen Propheten in Jeremia 5:13.59 Jeremia 23:16f.

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    Das Problem war, dass die Botschaft Jeremias expressis verbis zum erstenMal so gegeben worden war: Jerusalem ausliefern, die Stadt und den Tem-pel umkommen lassen, sich ergeben, zu den Chaldern berlaufen! Mit ei-ner solchen Botschaft war Jeremia fr das damalige Volk expressis verbis

    unberprfbar, da man ja, wie gewohnt, ein Wunder erwartete.Doch worin bestand das Wesen der Botschaft Jeremias? Ich sandte diePropheten nicht, doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, doch weissagensie. Denn wo sie bei meinem Rat geblieben wren und htten meine Wortemeinem Volk gepredigt, so htten sie dasselbe von seinem bsen Wesenund von seinem bsem Leben bekehrt.60Der Prophet, der beim Rat Gottes bleibt, predigt also die Umkehr! Be-kehrt euch, legt die Snde ab, kehrt um zu den Wegen Jahwe Zebaoths!

    Dem Wesen nach gab Jeremia dem Volk genau diese Botschaft weiter, wiees ja gerade die Pflicht eines Propheten des Herrn war. Genau diese Bot-schaft aber wurde von den falschen Propheten nicht gepredigt, sie gabenkeinen Aufruf zur Umkehr. Daran htte das Volk Israel erkennen knnen,dass Jeremia ein wahrer Prophet war, der mit der Schrift in Einklang stand,denn der Aufruf zur Umkehr stand im ganzen bis dahin existenten AltenTestament.An eines htten die Juden sich erinnern knnen, wenn sie nur gewollt ht-

    ten. In den jungen Tagen des Jeremia war ein Mann Knig in Jerusalemgewesen, der den Tempel renovieren lie. Bei diesen Arbeiten wurde dasGesetzbuch - schon seit vielen Jahren war es verschollen gewesen - gefun-den, was eine Reformation auslste. In diesem Gesetzbuch htten die Ju-den ber den Fluch und Segen bei Ebal und Garizim lesen und ihre Schls-se daraus ziehen knnen wenn sie nur gewollt htten.61Genau daran erinnerte Jeremia das Volk, wenn er seine neue Botschaftverkndete: Siehe, ich lege euch vor den Weg zum Leben und den Weg

    zum Tode!62

    Eigentlich war vom Prinzip her ja alles schon von Mose,dem auergewhnlichsten Propheten des Herrn, der nur von Jesus selbstbertroffen wurde, deutlich gesagt worden.63Daraus ziehen wir folgende Schlsse: Die Botschaft eines Propheten mussnicht wrtlich in der Bibel stehen, um mit der Bibel bereinzustimmen!Wrtlich gesehen (expressis verbis) ist die Botschaft des Propheten soausgedrckt, dass sie die Umstnde der Zeit, in der er lebt, erfasst und be-spricht, und so den Willen Gottes fr die Jetztzeit, in der der Prophet lebt,

    60 Jeremia 23:21f.61 Vergleiche 2 Chronik 34 und 35; Jeremia 1:2; 5 Mose 27 und 28 (erwhnt sogar die Zerstreuung).62 Vergleiche Jeremia 21:8 mit 5 Mose 11: 26-30; 27 und 28; 30:1.15f.63 Diese Bemerkung geht zurck auf 4 Mose 12:1-8 und 5 Mose 18:15.

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    kundtut. Dem Wesen nach jedoch ist die Botschaft des Propheten veran-kert in der Offenbarung, die vor ihm geschehen ist, wie es die thematischeVerwurzelung der Botschaft des Jeremia im fnften Buch des Mose deut-lich zeigt. Wer also die bereinstimmung des Propheten mit dem Wort

    Gottes berprfen will, muss dies immer vomPrinzip her unternehmen.64Die Botschaft der Umkehr ist auch eine Zentralbotschaft im Zeugnis, dasJesus seiner Gemeinde gegeben hat. Wir knnen berhaupt die damaligeSituation der Juden auf uns heute gut bertragen. Wiewohl die Botschaft,die der Geist der Weissagung uns durch sein Werkzeug Ellen White ber-mittelt hat, expressis verbis bisweilen als noch nie gehrt erscheinenmag, ist sie dennoch dem Wesen nach in der Heiligen Schrift verwurzelt,beinhaltet sie ebenso wie die Bibel das ewige Evangelium.65

    Ist es angeraten, eine solche Botschaft zurckzuweisen? Die Bibel sollteheute in unseren Reihen mehr und inniger gelesen werden, als dies viel-leicht je zuvor der Fall war. Der Zusammenhang zwischen dem ZeugnisJesu und der Gemeinde, die durch eben dieses Zeugnis an Dinge erinnertwerden soll, ber die nachzudenken sie versumt, wird uns dann klar vorAugen treten.66

    Durch die gegebenen Zeugnisse mchte der Herr euch warnen, stra-

    fen und beraten; er mchte euch die Wichtigkeit der Wahrheit seinesWortes einprgen. Die niedergeschriebenen Zeugnisse sollen keineneue Erkenntnis vermitteln, sondern die bereits offenbarten Wahrhei-ten des Wortes Gottes lebendig in das Herz eingraben. Die Pflichtdes Menschen vor Gott und Mitmenschen ist im Worte Gottes deut-lich aufgezeichnet, aber nur wenige von euch gehorchen der daringegebenen Belehrung. Durch die Zeugnisse soll keine weitere Wahr-heit verkndigt werden; vielmehr hat Gott durch sie die bereits geof-fenbarten Wahrheiten einfacher dargestellt und auf seine eigene

    Weise dem Volk vorgelegt, um es zu erwecken und ihm diese Wahr-heiten einzuprgen, damit niemand eine Entschuldigung habe.67

    Die Zeugnisse sollen das Wort Gottes nicht herabsetzen, sondern er-hhen und Menschen zu ihm ziehen, damit die herrliche Schlichtheitder Wahrheit bei jedem ihren Einfluss ausben kann.68

    64 Wenn Ellen G. White von Bezwingung der Esslust und Vegetarismus spricht, so kann man dasvom Prinzip her auch in der Bibel aufzeigen.

    65 Ellen G. Whites Erklrungen ber das Malzeichen des Tieres, das Bild des Tieres, die Bestrebun-gen des Papsttums etc. finden sich dem Wesen nach alle in der Schrift.

    66 Vergleiche Offenbarung 3:14-21 mit dem, was Ellen G. White ber die Laodicea-Botschaft sagt.67 Ellen G. White, 2 Sch, S. 252f.68 Idem, S. 253.

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    V. aber sie suchten viele Knste.

    Im Zusammenhang mit dem Schrifttum Ellen G. Whites werden immer

    wieder gewisse Problemfragen aufgeworfen. Einigen von ihnen ist diesesKapitel gewidmet.

    1. Stellen die Schriften Ellen G. Whites einen Zusatz zur Bibel dar?

    Erkenntnisse, die uns das Zeugnis Jesu vermittelt, drfen nicht als Zusatzzur Heiligen Schrift verstanden werden.69 Das ist schon darum undenkbar,

    weil das Zeugnis, das Jesus uns durch den Geist der Weissagung z. B. mit-tels seines Werkzeugs Ellen White bermittelt, ja nicht neben, unter oderber der Schrift steht, sondern in der Schrift selbst klar verankert ist.70 Wasaber aus der Schrift selbst kommt, ist kein Zusatz zur Schrift.71Der Geist der Weissagung gewhrt Offenbarungen, deren Ausgangstextdie Bibel selbst ist. Nun ist das Zeugnis, das Jesus auf diese Weise gibt,nicht eine durch den Geist Gottes gewirkte Predigt, wie wir sie am Sabbathren, sondern eine von Christus prophetisch inspirierte Botschaft, die der

    Gemeinde auch bermittelt werden soll.

    Bruder J. wollte die Gemter verwirren, indem er es so darzustellenversuchte, als sei die Erkenntnis, die Gott durch die Zeugnisse gege-ben hat, ein Zusatz zum Worte Gottes; dadurch aber stellt er die Sa-che in ein falsches Licht. Gott hat es fr gut angesehen, auf dieseWeise das Denken seiner Kinder auf sein Wort zu richten, damit siees besser verstehen knnen. Das Wort Gottes vermag das umwlk-teste Gemt zu erleuchten und kann von jedem verstanden werden,

    der es nur verstehen will. Aber trotz alledem lebt mancher, der an-geblich das Wort Gottes durchforscht, geradezu im Widerspruch zuseinen einfachsten Lehren. Um nun Mnnern und Frauen keine Ent-schuldigung zu lassen, erlsst Gott klare und bestimmte Zeugnisse,um sie zu dem Wort zurckzufhren, dessen Befolgung sie vernach-lssigten. Das Wort Gottes ist reich an allgemeinen Grundstzen zurGestaltung richtiger Lebensgewohnheiten; die allgemeinen und per-

    69 Wie zum Beispiel das Buch Mormon, das die Bibel sogar auer Kraft setzt (1 Nephi 13:28-36).

    70 Vergleiche wiederum Offenbarung 12:17; 19:10; 22:8f.; Epheser 4:4-16; Rmer 12:7.71 Eine Predigt, die aus dem Wort Gottes gehalten wird, ist ja auch kein Zusatz zur Schrift, auchwenn der Prediger mehr sagt, als wrtlich im Ausgangstext steht. Natrlich hinkt das Beispiel,weil zwischen einer Predigt, die zwar auch durch den Geist Gottes gehalten wird, und einer prophe-tischen Offenbarung durch den Geist Gottes doch ein Unterschied besteht.

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    snlichen Zeugnisse sind dazu bestimmt, die Aufmerksamkeit be-sonders auf diese Grundstze zu lenken.

    Ich nahm die teure Bibel und umgab sie mit den verschiedenenZeugnissen, die Gott seinem Volk gegeben hat. Ich sagte: Hier ist fr

    die Probleme fast aller Glieder Versorge getroffen. Die Snden, diesie meiden sollen, sind genau bezeichnet. Der Rat, den sie suchen, isthier zu finden; er ist in Fllen enthalten, die den ihren hneln. Es hatGott gefallen, euch eine Lehre nach der anderen und eine Anweisungnach der andern zu erteilen. Aber nur wenige von euch wissen wirk-lich, was die Zeugnisse enthalten. Ihr seid nicht mit der Schrift ver-traut. Wenn ihr im Worte Gottes geforscht httet mit dem Verlangen,dem Mastab der Schrift gerecht zu werden und die christliche Voll-kommenheit zu erreichen, httet ihr die Zeugnisse nicht ntig. Weil

    ihr es versumt habt, mit dem von Gott eingegebenen Buch bekanntzu werden, hat er versucht, euch durch einfache und direkte Zeugnis-se zu erreichen und eure Aufmerksamkeit auf die Worte der HeiligenSchrift zu lenken, der ihr nicht gehorcht habt. Durch sie mahnt ereuch eindringlich, euer Leben in bereinstimmung mit ihren reinenund heiligen Lehren zu bringen.72

    2. Wozu wurde das Zeugnis Jesu gegeben?Knnen wir nun sagen: Wir lesen doch tglich mit aufrichtigem Herzenund allem Eifer die Bibel, darum brauchen wir die Schriften Ellen G. Whi-tes nicht?73

    72 2 Sch, S. 251f.73 Die Aussage, dass wir die Zeugnisse nicht bruchten, wenn wir das Wort Gottes in der rechten

    Weise durchforschen, um uns zu bessern, wird vielfach missverstanden. Ellen White meint hier

    nicht, dass die Gabe der Prophetie fr die letzte Zeit nicht ntig wre. Diese Gabe der Prophetienach Offenbarung 12:17 begann gem der Weissagung um 1844. Das erste Zeugnis schrieb EllenWhite im Jahre 1855. Somit gab es elf Jahre Geist der Weissagung ohne Zeugnisse. Die Zeugnissestellten nur eine Facette im vielseitigen Wirken Ellen Whites als Botin Gottes dar. Diese eine Fa-cette (stndige Ermahnung der Gemeinde in den Zeugnissen, nicht lau zu werden und Gottes Stan-dard hochzuhalten) wre im Wirken Ellen Whites nicht ntig gewesen, htte die Gemeinde dasWort Gottes im Hinblick auf ihren Wandel vor Gott aufrichtig und demtig studiert und befolgt.Doch die anderen Seiten im Dienst Ellen Whites wren dennoch vonnten gewesen (zum Beispielihr Beitrag zur Endzeitprophetie, ihre Fhrung der Gemeinde in Krisenzeiten durch den direktenRat Gottes, die Gesundheitsbotschaft, ihre Lehre ber das Wie und Warum christlicher Erziehung,ihre einzigartige und unvergleichliche Darstellung Jesu - all das ist auch das Werk einer authenti-

    schen Prophetin, ein Werk, das sie schon vor 1855 unternahm). Auf diese anderen Facetten derprophetischen Gabe htte die Gemeinde nie verzichten knnen. Dass Gott in seiner Barmherzigkeitsich herablsst, die Gemeinde - und das sind wir ja selbst! - durch Zeugnisse, die er durch seineBotin an seine Gemeinde richtet, noch eindringlicher zu warnen, dafr drfen wir Gott unendlichdankbar sein.

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    Wenn wir als Adventisten die Bibel mit dem aufrichtigen Wunsch lesen,Gottes Willen zu erkennen, dann sind wir dankbar fr jedes Wort, das derGeist der Weissagung uns zukommen lsst, denn aus der Bibel wissen wir,dass Gott selbst diesen Weg gewhlt hat, sich seiner letzten Gemeinde zu

    offenbaren. Zudem sagt Gott durch das Vorhandensein dieses Weges: Dubrauchst ihn, denn sonst gbe es diesen Weg ja nicht. Gott beurteilt unskritischer, als wir selbst geneigt sind, uns zu sehen. Das Zeugnis Jesu istfr die Gemeinde bestimmt, weil sie es braucht, nicht aber fr die Mission.Ellen White warnt deutlich davor, dass wir den Menschen, die wir frChristus gewinnen wollen, unsere Lehren nicht aus ihren Schriften bewei-sen sollen. Adventistischer Lehrbeweis muss immer biblisch sein.74 Demist so, weil man sich mit einem Propheten der Neuzeit erst auseinanderset-

    zen muss, ehe man seine Botschaft annehmen kann. Dieses Kennenlernendes modernen Propheten muss von der Schrift her geschehen.75 Die Schriftzeigt die Notwendigkeit der Gabe der Prophetie in der letzten Gemeinde76,die Gabe der Prophetie weist wieder auf die Schrift zurck, die sie ja zurBasis und zum Inhalt hat.77 Somit erkennen wir zwischen der Schrift unddem Zeugnis Jesu in den letzten Tagen eine enge Wechselwirkung, was jaauch so sein muss, da beides ja vom selben Geist der Weissagung inspiriertist.78

    Vor alters redete Gott durch den Mund von Propheten und Apostelnzu den Menschen. Heute spricht er zu ihnen durch die Zeugnisseseines Geistes. Zu keiner Zeit hat Gott seinem Volk eindringlichereUnterweisungen ber seinen Willen und ber den Weg, den es zugehen hat, gegeben als gerade jetzt. Der Herr hat es fr richtig gehal-ten, mir ein Gesicht ber die Bedrfnisse und Irrtmer seiner Kinderzu geben.Den Irrenden unter den Siebenten-Tags-Adventisten werden War-

    nungen und Zurechtweisungen nicht deshalb gegeben, weil ihr Lebenetwa mehr Tadel verdiente als das Leben bekenntlicher Christen ausanderen Gemeinschaften; auch nicht deshalb, weil etwa ihr Beispiel

    74 Siehe Ellen G. White, Evangelism, Washington 1970, S. 256.75 Um einen modernen Propheten auf seine Echtheit hin zu berprfen, gibt es in der Bibel einige

    Mglichkeiten, sogenannte Prfsteine: Matthus 7:15-20; Jesaja 8:19f.; Galater 1:8f.; Jeremia28:9; 18:7-10; 1 Johannes 4:1ff.; Jeremia 23:16-22; und andere.

    76 Offenbarung 12:17; 19:10; 22:8f. Wenn die Gabe der Weissagung in der Gemeinschaft der Sieben-ten-Tags-Adventisten nicht zu finden wre, dann mssten wir weiterhin suchen, wo Gott seine letz-

    te Gemeinde auf Erden hat. Den Adventisten wrde ein Kennzeichen fehlen, nmlich der Geist derWeissagung. Sie wren dann nicht die Gemeinde der brigen in der Endzeit. Wenn wir den Geistder Weissagung streichen wollen, stnden wir von der Bibel her vor einem echten Dilemma.

    77 Vergleiche damit das Prinzip von 1 Korinther 14:32 und unser Kapitel ber den Propheten Jeremia.78 Vergleiche Offenbarung 12:17 und 19:10 mit Stellen wie Offenbarung 1:1f. und 1 Petrus 1:10f.

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    oder ihr Handeln schlechter wre als das jener Adventisten, die denForderungen des Gesetzes Gottes nicht gehorchen wollen; es ge-schieht vielmehr deshalb, weil sie eine reiche Erkenntnis besitzenund weil sie laut ihres Bekenntnisses das besondere und auser-

    whlte Volk Gottes sein wollen, dem Gottes Gesetz ins Herz ge-prgt wurde.79

    Es geht also um die besondere Fhrung des Volkes Gottes in der letzten Zeit.

    3. Lehroffenbarung und Schriftauslegung

    Werden durch Ellen White neue Wahrheiten offenbart? Stellen ihreSchriften nur erbauliche Literatur dar, oder enthalten sie auch Lehrof-fenbarung?Wer ihr Buch Das Leben Jesu gelesen hat80, ist ergriffen von der tiefsin-nigen Art, wie sie Ungereimtheiten in den Evangelien auflst und zum tie-feren Verstndnis so mancher Stelle verhilft. Auf diese Weise stellt ihrSchrifttum eine Art inspirierten Kommentars zum Wort Gottes dar, denman sehr oft als exegetisch, aber auch oft als homiletisch bezeichnenkann.81 Diese Erkenntnis wird jeder gewinnen, der ihre Bcher liest.Die Frage, ob Ellen White uns auch Lehroffenbarungen vermittelt, istzweifellos die bedeutsamere. Dazu wollen wir einige Dinge bedenken:Bald nach der groen Enttuschung des 22. Oktober 1844 begann derberrest der Milleriten, die immer noch an die Fhrung Gottes in derSiebten-Monats Bewegung glaubten, sich Gedanken ber eine gemein-same, einheitliche Auffassung der biblischen Lehren zu machen.82 Immerwieder fand man sich zusammen, um den wahren biblischen Lehren aufden Grund zu gehen. Diese Entwicklung ist heute unter dem Begriff Sab-

    batkonferenzen der Jahre 1848ff. bekannt.83 In der Regel stand am Ende

    79 2 Sch, S. 248f., unsere Hervorhebung. Gewiss, Gott msste das nicht tun. Doch in seiner Liebe willer uns aufrtteln. Wir sollten der Tatsache unserer Wankelmtigkeit und Lauheit, die solcher gtt-licher Manahmen bedarf, ehrlich ins Auge blicken. Nur so kann es Heilung geben.

    80 Ellen G. White, Das Leben Jesu, Hamburg ohne Jahreszahl. Es zeichnet sich zustzlich durchreichhaltigste Schriftverweise und Sach- und Wortregister aus. Sollte mit der Bibel gelesen werden.

    81 Exegetisch: die Auslegung betreffend, hier wird die Bibel ausgelegt, der Sinn verstndlich ge-macht. Homiletisch: die Praxis betreffend, hier wird gezeigt, wie der Text heute praktisch verwen-

    det werden kann. Beispiel: Wenn Jesus den Sturm stillt, bedeutet das exegetisch, dass er die Natur-gewalten in der Hand hat, homiletisch, dass er alle Strme unseres Lebens stillen kann.

    82 Siehe Arthur L. White, Ellen G. White - The Early Years, Washington 1985, Kapitel 9.83 Siehe die Arbeit von Philip Lizzi, Sabbath Conferences of 1848, fr Andrews University Sev-

    enth-Day Adventist Theological Seminary, 17. Juli 1972.

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    einer solchen Bemhung Ratlosigkeit und die Erkenntnis des Unverm-gens, gemeinsam die Dinge richtig zu verstehen.84 Bei Ellen White war esnoch krasser, sie war nicht erst am Ende ratlos, sondern schon whrend dieBrder noch engagiert diskutierten. Sie verstand deren Ausfhrungen gar

    nicht. Doch da geschah eben das Entscheidende: Gott selbst griff ein undschuf Ordnung durch den Geist der Weissagung. Ellen White berichtetdarber:

    Wenn sie in ihrem Studium an den Punkt kamen, wo sie sagten: Wirknnen nichts mehr tun, dann kam gewhnlich der Geist des Herrnauf mich, ich wurde in einer Vision hinweggenommen, und einedeutliche Erklrung der Abschnitte, die wir studiert hatten, wurdemir gegeben. Dabei wurde ich auch darber belehrt, wie wir wirksamarbeiten und lehren konnten. Auf diese Weise wurde uns Licht gege-ben, das uns half, die Schrift in Bezug auf Christus, auf seine Missi-on und sein Priestertum zu verstehen. Eine Linie der Wahrheit wurde mir deutlich gemacht, und ich gab anderen die Belehrung wei-ter (wrtlich: instruction), die der Herr mir gegeben hatte. Wh-rend dieser ganzen Zeit konnte ich die Gedanken der Brder nichtverstehen, mein Geist war sozusagen versperrt Das war eine mei-ner grten Sorgen im Leben. Ich war in diesem Geisteszustand, bis

    all die wichtigen Punkte unseres Glaubens uns klargemacht wordenwaren, in bereinstimmung mit dem Wort Gottes. Die Brder wu-ten, dass ich von diesen Dingen gar nichts verstand, wenn ichnicht in einer Vision war, und so nahmen sie die gegebenen Of-fenbarungen als Licht an, das direkt vom Himmel kam.85

    Die Anwesenden nahmen die Offenbarung als Licht, das direkt vomHimmel kam, an, weil sie wuten, dass Ellen White sich die Offenbarun-gen nicht hatte selber ausdenken knnen, weil sie dazu ja gar nicht in der

    Lage war. Ihr geistiges Unvermgen, der Diskussion zu folgen86, war ihnender beste Beweis dafr, dass in den Visionen Gott selbst sich seines Vol-

    84 Das lag daran, dass sie alle verschiedener konfessioneller Herkunft waren. Jeder brachte sein Erbe

    ein, wenn diskutiert wurde, was eine Einigung unmglich machte. Weil 35 Menschen nun 35 ver-schiedene Meinungen hatten, griff Gott durch den Geist der Weissagung ein. Eine interessante Ein-sicht zu diesem Problem bietet Ralph Luther, Neutestamentliches Wrterbuch, Berlin 1917. Ar-tikel Prophet: (Sprche 29,18). Das Bibelwort allein schafft nie Klarheit. Wegen seiner Anwen-dung gibt es immer Zwiespalt und Hader, wenn es nicht prophetisch ausgelegt wird. (Seine Her-

    vorhebung).85 1 SM, S. 206f., unsere Hervorhebung.86 Es war von Gott so gefgt, damit die Brder an der Vision nicht zweifelten. Wenn Ellen G. White

    htte wohl mitreden knnen, wren die Visionen vielleicht nicht so gerne angenommen worden,sondern man htte vielleicht darber so diskutiert wie ber die Meinung eines Menschen.

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    kes annahm. Jeder einzelne berprfte die in den Visionen dargelegtenLehren an der Schrift, und so fand man zur Einigkeit im Glauben. So wur-den alle wichtigen Lehren der Adventgemeinde begrndet.87 Die Lehrenkamen wohl aus der Bibel, doch der Geist der Weissagung wies sie darauf

    hin, weil sie ohne Wirken des Geistes nicht hatten verstehen knnen.88Dies ist nun nicht mehr Auslegung allein, dies ist schon Lehroffenbarung.Denn auf diesem Wege hrten sie vieles, was ihnen neu erschien. Gott sagtdurch Propheten Neues, das eigentlich alt ist, wie wir schon beim Prophe-ten Jeremia gesehen haben.89Am 14. Mrz 1858 hatte Ellen White in Lovetts Grove, Ohio, whrend ei-ner Begrbnisfeier eine Vision, die zwei Stunden dauerte.90 Das Themadieses Gesichts war der groe Kampf zwischen Licht und Finsternis. Es

    war dies die lngste Vision, die sie zusammenhngend ber dieses Themaerhalten hatte. Diese Offenbarungen fanden ihren Niederschlag in derConflict of the Ages Series.91 In diesen Bchern sind manche Dinge ent-halten, die zuweilen als neues oder zustzliches Licht bezeichnet wer-den. Handelt es sich bei solchen Dingen nun um Schriftauslegung oder umLehroffenbarung?Wohl beides. Der Gemeinde sollte durch diese Gottesoffenbarungen eineHilfe in schwerer Zeit gegeben werden. So hat es Gott gefallen, uns ei-

    ne Lehre nach der anderen und eine Anweisung nach der anderen zu ertei-len, wie wir bereits wissen.92 Wenn nun in der Entscheidungsserie Dingeerhalten sind, die wrtlich gesehen neu sind, dem Wesen nach aber demGeist der Bibel entsprechen, dann ist es klar, dass hier keine falsche Pro-phetie vorliegt. Wenn also im Buch Der groe Kampfdas Malzeichen des

    87 Vergleiche 2 SG, S. 97ff. Das Bild stellt sich so dar, dass niemand wirklich die Wahrheit hatte, ehe

    nicht der Geist der Weissagung durch die Visionen das rechte Bild vermittelt. So zurechtgebracht,konnten dann alle die Wahrheit in der Bibel erkennen. Es kann also auch sein, dass der Geist mirLehren zeigt, die biblisch sind, bevor ich sie in der Bibel erkenne. Durch die Bibel aber sehe ichdann, dass sie wahr sind.

    88 Vergleiche Johannes 14:26; 16:13f.89 Ein anderes Beispiel ist der Prophet Johannes der Tufer. Seine Taufe war etwas Neues, doch der

    Inhalt der Botschaft, die durch die Taufe ausgedrckt werden sollte, war das ewige Evangelium.Wenn Gott durch Propheten nicht Dinge sagen kann, an die wir nicht denken, wozu braucht erdann berhaupt Propheten?

    90 Siehe Arthur L. White, Ellen G. White - The Early Years, Washington 1985, Kapitel 24.91 Auf Deutsch heit sie Entscheidungsserie und umfasst die Bcher Patriarchen und Propheten,

    Propheten und Knige, Das Leben Jesu, Das Wirken der Apostel, Der groe Kampf, alleSaatkornverlag Hamburg ohne Jahreszahl. Mit diesen Bchern wendet Ellen White sich nicht nuran Adventisten, sie sind fr die Welt geschrieben, um sie zur Bibel und zu Christus zu fhren(CM, S. 127ff.).

    92 2 Sch, S. 252.

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    Tiers, das Bild des Tiers, die Angst in Jakob und vieles mehr93 klar gedeu-tet wird, so mag das auf den, der diese Dinge aus der Bibel nicht kennt,wie Lehroffenbarung wirken.94 Doch wird es ihn in die Bibel treiben, undgenau das ist beabsichtigt. Wer sind wir, dass wir Gottes Vorgehensweise

    mit uns in Frage stellen? Er ist der Urheber der Zeugnisse, der Entschei-dungsserie, usw. Darum knnen wir diese Dinge nicht hinwegdiskutieren.Die Gebote Gottes und das Zeugnis Jesu95 knnen nicht von der Theologieher normiert werden, sondern adventistische Theologie hat sich, wenn sieschriftgem und hermeneutisch konsequent sein will, von ihnen normie-ren zu lassen, da sie sich ja dem Wort Gottes unterstellen muss.Ob nun allein Schriftauslegung oder auch Lehroffenbarung - der Ausgangdieser Diskussion ist eigentlich wenig interessant und birgt keinerlei Kon-

    sequenzen, wenn klar ist, dass Gott selbst Autor dieser Offenbarungen ist.Wenn wirklich Gott uns belehrt, dann muss es uns doch einerlei sein, wieer das tut.96

    Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wirdeuch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selberreden; sondern was er hren wird, das wird er reden, und was zu-knftig ist, wird er euch verkndigen.97

    In eben diesem Geist spricht Gott durch die Bibel zu uns, heute aber auchdurch das, was Ellen White geschrieben hat.

    93 Aus Offenbarung 13 und Jeremia 30:7. ber das Thema der Angst in Jakob sagte James White:Sie sah in einer Vision, dass wir enttuscht werden wrden und die Heiligen durch die Zeit derAngst in Jakob gehen mssen, was noch zuknftig war. Ihre Sicht der Angst in Jakob war vlligneu fr uns, wie auch fr sie. A Word to the Little Flock, in F. D. Nichol, Ellen G. White andHer Critics, Washington 1951, S. 582.

    94 Ein anderes Beispiel fr dieses Phnomen ist die Gesundheitsbotschaft, auch die Botschaft ber

    Erziehung.95 In Offenbarung 12:17 werden sienicht zufllig gemeinsam als Kennzeichen der Gemeinde der b-rigen angefhrt.

    96 Vergleiche Hebrer 1:1. Gott redet durch Propheten auf mancherlei Weise....97 Johannes 16:13, unsere Hervorhebung.

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    VI. Nur unverbindliche Informationen?

    Nach dem bisher Gesagten stellt sich ganz von selbst die Frage nach der

    Verbindlichkeit dessen, was Ellen White geschrieben hat. Die Frage wirdzuweilen ganz provokant gestellt: Kann ein Adventist in den Himmelkommen, auch wenn er Ellen White ignoriert? Wir wollen uns dazu Ver-schiedenes vor Augen halten:Was ist heilsnotwendig? Was brauche ich, um gerettet zu werden? Ist eszu meinem Heil notwendig, den Sabbat zu halten? Muss ich, um gerettetzu werden, Vater und Mutter ehren? Meiner Frau treu sein? Immer dieWahrheit sagen? Darf ich, um gerettet zu werden, nicht lgen? Nicht steh-

    len? Keine Bilder anbeten?Zu meinem Heil ist doch nur eines notwendig: die zugerechnete Gerech-tigkeit Christi, Rechtfertigung und Vershnung, die mir aus freier Gnadegeschenkt wird, weil Christus am Kreuz meine Schuld bezahlt hat. Nurdas, nicht meine Werke, wird mich in den Himmel bringen.Doch wird auch nur ein Ehebrecher oder Lgner, auch nur ein Gtzendie-ner oder Sabbatschnder im Reich Gottes sein? Die Antwort darauf findetman in Offenbarung 21:8.

    Heit nun die Tatsache, dass das Gesetz mich nicht erlsen kann, gleich-erweise, dass es deshalb auch nicht verbindlich ist? Wie? Heben wir denndas Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten dasGesetz auf.98 Jaget nach dem Frieden gegen jedermann und der Heili-gung, ohne welche kein Fleisch Gott sehen wird.99 Was uns zwar nichtretten kann, bleibt trotzdem verbindlich! Was uns zwar nicht in den Him-mel bringen kann, kann uns aber das Heil verwehren, wenn wir es nichtannehmen!

    Ist nun das Zeugnis, das Jesus seiner Gemeinde zukommen lsst, fr dieGlieder der Siebenten-Tags-Adventisten verbindlich? Dazu einige Texte,man mge mir verzeihen, diesmal etwas lnger zitiert:

    Der Feind stellt uns nach; wir mssen vor ihm auf der Hut sein undhellwach bleiben. Wir mssen die ganze Waffenrstung Gottes anlegenund den Weisungen folgen, die durch den Geist der Weissagung gege-ben werden.100

    98 Rmer 3:31.99 Hebrer 12:14.

    100 3 Sch, S. 235.

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    Fhlt ihr euch ebenso sicher, wenn ihr euren eigene Empfindungenfolgt, wie in der Beachtung der Belehrung, die euch durch Gottesauserwhlte Dienerin gegeben wird, dann tut ihr das auf eigene Ge-fahr. Ihr werdet der Verdammnis anheimfallen, weil ihr die Erkennt-

    nis verwerft, die der Himmel euch sandte.

    101

    Es fiel mir sehr schwer, den im Irrtum Befangenen zu sagen, was mirber sie gezeigt worden war. Es tat mir sehr weh, andere beunruhigtund bekmmert zu sehen. Deshalb schwchte ich die Botschaft, dieich ihnen erlutern musste, oftmals ab und lie sie dem Betreffendenso angenehm wie mglich erscheinen. Dann zog ich mich zurck undweinte vor Seelenangst. Ich schaute auf die, die nur fr ihre eigeneSeele zu sorgen hatten, und dachte, ich wollte nicht murren, wenn ichin ihrer Lage wre. Es fiel mir schwer, die mir von Gott gegebenen

    klaren und scharfen Zeugnisse auszusprechen. ngstlich beobachteteich die Folgen, und wenn die Getadelten die Rge zurckwiesen unddann Gegner der Wahrheit wurden, stiegen in mir die Fragen auf:Habe ich die Botschaft so ausgerichtet, wie ich es sollte? Htte esnicht doch eine Mglichkeit gegeben, sie zu retten? Dann drcktemich ein solcher Schmerz, dass ich oft dachte, der Tod wrde mirein willkommener Bote und das Grab ein ser Ruheplatz sein.Das Gefhrliche und Sndhafte eines solchen Verhaltens erkannteich nicht, bis ich in einem Gesicht vor Jesus gestellt wurde. Er schau-

    te mich mit strafendem Blick an und wandte dann sein Angesicht vonmir ab. Es ist nicht mglich zu beschreiben, welche Angst und welchein Schrecken ber mich kamen. Ich fiel vor ihm auf mein Ange-sicht, hatte aber keine Kraft, ein Wort hervorzubringen. O wie ichmich sehnte, mich vor jenem schrecklichen Blick bedecken oderverbergen zu knnen! Da konnte ich einigermaen verstehen, wasdie Verlorenen empfinden werden, wenn sie ausrufen: Ihr Berge undFelsen, fallet ber uns und verberget uns vor dem Angesichte des,der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! (Offenba-rung 6:16) Bald darauf gebot mir ein Engel, mich zu erheben. Wassich meinen Blicken bot, ist kaum zu beschreiben. Vor mir stand ei-ne Schar von Menschen mit wirrem Haar und zerrissenen Kleidern,ihre Gesichter boten das Bild der Verzweiflung und des Schreckens.Sie traten nahe an mich heran und rieben ihre Kleider an meinen. Alsich dann auf meine Kleidung schaute, sah ich, dass sie mit Blut be-fleckt war. Wieder fiel ich wie tot zu den Fen des mich begleiten-den Engels. Ich konnte nichts zu meiner Entschuldigung sagen undwnschte mich fort von jener heiligen Sttte. Der Engel richtete michwieder auf und sprach: Dies ist nicht dein jetziges Schicksal, aber

    1012 Sch, S. 270.

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    dieses Bild wurde vor dir entrollt, damit du erkennst, was dich er-wartet, wenn du es versumst, anderen zu sagen, was der Herr dir of-fenbart hat. Dieser nachdrcklichen Warnung eingedenk, ging ichnun hin, den Leuten die Worte des Tadels und der Weisung zu sa-

    gen, die Gott mir gegeben hatte.

    102

    Wie unverbindlich kann das Zeugnis Jesu sein, wenn seine Botin darberihr eigenes ewiges Leben verlieren kann, wenn sie das Zeugnis nicht klarund deutlich an die Gemeinde weitergibt?

    In einem Gesicht, das ich vor etwa zwanzig Jahren (1871) hatte,wurde ich angewiesen, allgemeine Richtlinien in Wort und Schriftzu geben und gleichzeitig die Gefahren, Irrtmer und Snden man-

    cher Einzelpersonen herauszugreifen, damit dadurch alle gewarnt,ermahnt und beraten wrden. Ich sah, dass jeder sein eigenes Herzund sein eigenes Leben grndlich prfen sollte, ob er nicht diegleichen Fehler begangen hat, die an anderen gergt wurden, undob die Warnungen, die an andere gerichtet waren nicht auch ihnangehen. Trifft das zu, dann sollte jeder den Rat und die Zurecht-weisung so ansehen, als seien sie als Zeugnis an ihn persnlich ge-richtet. Es ist Gottes Absicht, den Glauben aller zu prfen, die sichals Nachfolger Christi ausgeben. Er wird die Aufrichtigkeit der

    Gebete bei allen prfen, die behaupten, dass sie das ernste Verlan-gen haben, ihre Pflicht zu erkennen. Er wird die Pflicht klar umrei-en und wird jedem reichlich Gelegenheit geben, zu zeigen, was inseinem Herzen ist.103

    Bufertige Snder brauchen nicht zu verzweifeln, weil ihnen ihrebertretungen gezeigt und sie vor Gefahren gewarnt werden. Dieseernsten Bemhungen um sie beweisen, wie sehr Gott sie liebt undwie gern er sie retten mchte. Sie brauchen nur seinem Rat zu fol-

    gen und seinen Willen zu tun, um das ewige Leben zu ererben.Gott hlt seinem Volk, wenn es irrt, die Snden vor Augen, damites sie im Lichte gttlicher Wahrheit in ihrer ganzen Abscheulich-keit sehen kann. Dann mssen sie fr immer aufgegeben werden.Wenn Gottes Volk erkennen wrde, wie Gott mit ihm handelt,wenn es seine Belehrungen annehmen wollte, dann htte es eineebene Bahn vor sich, und ein Licht leitete es sicher durch Finster-nis und Entmutigung.104

    102 2 Sch, S. 244f.103 Idem, S. 248.104 Idem, S. 249.

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    Wer kann angesichts solcher Aussagen von unverbindlichen RatschlgenEllen Whites reden? Wie knnen wir die Ansicht hegen, dass wir uns berden Geist Gottes, der auf diese Weise gewirkt hat, einfach hinwegsetzenknnen? Welchen Einfluss aber auf die Praxis unserer Gemeinde htte es,

    wenn wir wirklich alle den Rat Gottes fr unser eigenes Leben annhmenund uns danach ausrichteten?

    Ich habe die Zeugnisse durchgesehen, die fr Beobachter des Sab-bats gegeben wurden, und bin ber die Gnade und Frsorge Gottesfr seine Kinder erstaunt, die darin bestehen, dass er ihnen so vieler-lei Warnungen erteilt, ihnen ihre Gefahren zeigt und sie auf die hoheStellung hinweist, die sie nach seinem Willen bekleiden sollen.Wenn sie in seiner Liebe bleiben und sich von der Welt absondern,wird er seinen besonderen Segen auf ihnen ruhen und sein Licht aufsie scheinen lassen. Ihr guter Einfluss wird in jedem Zweig des Wer-kes und auf jedem Gebiet der Evangeliumsverkndigung fhlbarsein. Aber wenn sie versumen, dem Willen Gottes nachzukommen,und weiter ein so geringes Verstndnis fr die Erhabenheit des Wer-kes aufbringen wie bisher, dann wird sich ihr Einfluss und ihr Bei-spiel als furchtbarer Fluch erweisen. Sie werden Schaden ber Scha-den anrichten. Das Blut kostbarer Seelen wird ihre Kleider befle-cken. Zeugnisse der Warnung wurden wiederholt erteilt. Ich frage:Wer hat sie beachtet? Wer hat seine Snden und seine Abgttereiaufrichtig bereut? Ich bin schier verzweifelt, weil ich von Jahr zuJahr ein greres Abweichen von der Schlichtheit sah, die dasLeben seiner Nachfolger kennzeichnen sollte Ich stellte die Frage:In welcher Hinsicht haben jene, die angeblich Vertrauen zu denZeugnissen haben, versucht, nach der in ihnen gegebenen Erkenntniszu leben? Inwieweit haben sie die erteilten Warnungen beachtet?Nach welchen der erhaltenen Unterweisungen haben sie sich gerich-

    tet?105

    Wir werden aufgefordert, nach der gegebenen Erkenntnis zu leben, dieerteilten Warnungen zu beachten! Wie unverbindlich kann das sein, wasaus von Gott inspirierter Autoritt auf uns kommt?

    Es ist Satans Plan, den Glauben des Volkes Gottes an die Zeugnissezu schwchen. Satan wei, wie er seine Angriffe fhren muss. Er be-einflusst die Gemter, um Misstrauen und Unzufriedenheit gegen dieLeiter des Werkes zu sen. Als nchstes werden die Gaben in Fragegestellt. Dann haben sie natrlich nur noch geringen Wert, und in

    105 2 Sch, S. 250f.

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    Gesichten erteilte Belehrungen werden nicht beachtet. Als weiteresfolgt Zweifel an den wesentlichen Lehren unseres Glaubens106

    und ging hin, zu streiten mit den brigen von ihrem Samen, die da

    Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu Christi.107

    Heit dasnicht, dass fr die Gemeinde der brigen die Lehren, die durch den Geistder Weissagung auf sie gekommen sind, wie das Sittengesetz sind? Kom-men doch beide aus derselben Quelle, werden beide als Kennzeichen derGemeinde der brigen genannt; sind sie doch vom selben Geist inspiriert.Warum htte der Geist der Weissagung sich der Gemeinde offenbart, wennsie ihm nicht gehorchen sollte? Wenn doch auch du erkenntest zu dieserdeiner Zeit, was zu deinem Frieden dient!108

    Aufgrund dieser Argumentation betrachteten sie die ihnen durch dieVisionen bermittelten Lehren als bindend und meinten: Whrendwir sie als von Gott kommend ansehen und sie als in vlliger ber-einstimmung mit seinem geschriebenen Wort seiend betrachten,mssen wir auch anerkennen, dass wir verpflichtet sind, bei ihrenLehren zu bleiben und uns durch ihre Ermahnungen korrigieren zulassen. Zu behaupten, dass die Visionen von Gott seien, fr uns aberdennoch keinen Prfstein darstellen, das wre wie wenn man sagte,

    dass Gottes Wille fr Christen kein Prfstein oder keine Regel sei,was vllig unlogisch und absurd ist. Auf die Frage, wie man sichdenen gegenber verhalten solle, die die Visionen als nicht von Gottkommend betrachteten, antwortete man, dass Toleranz gebt werdenmsse gegen die Glieder, die schwach im Glauben seien. Doch be-deutet dieses keineswegs eine Abschwchung der gesetzten Prin-zipien, man sollte vielmehr in christlicher Nachsicht die Lasten derSchwachen tragen helfen.109

    In der Geschichte unserer Bewegung war man sich des Zeugnisses Jesubewusst:

    Es wurde periodisch auf den Wert der durch E. G. White manifes-tierten prophetischen Gabe hingewiesen. Die so empfangenen Prin-

    106 Idem, S. 259. Mit den hier erwhnten Gaben meint sie die geistlichen Gaben und damit vor al-

    lem den Geist der Weissagung und die Visionen als Gaben des Geistes (Epheser 4:4-16).107 Offenbarung 12:17.

    108 Jesus an Jerusalem, das ihn nicht annehmen wollte, weil es fr die gegenwrtige Wahrheit seinerZeit kein Ohr hatte (Lukas 19:42).

    109 Konrad F. Mller, Die Frhgeschichte der Siebenten-Tags-Adventisten, (Hildesheim 1977), S.183. Das Zitat, das Mller anfhrt, steht in seinem Buch auf Englisch, bersetzung durch uns. Un-sere Hervorhebung.

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    zipien fr das Leben des Einzelglubigen und der Gemeinde wurdenals unvernderlich empfunden.110

    In der Funote zu dieser Feststellung fhrt K. F. Mller an:

    Dies kommt auch in einem Anspruch neuer Zeit zur Geltung: Wirerkennen an: Die Geist der Weissagung (dieser Ausdruck wird unterden S.T.A. allgemein auf die Manifestationen E. G. Whites oder ihreAussprche schlechthin angewandt) niedergelegten Prinzipien n-dern sich nicht mit dem Lauf der Zeit (Review and Herald, 6.6.1954, 207).111

    Heute sind die durch E. G. White berkommenen Lehren und Prin-zipien fr die S.T.A. in aller Welt verpflichtend.112

    Um den Standpunkt der Pioniere der Adventbewegung noch ein wenig zuverdeutlichen, mgen zwei Beispiele gengen. Sie stehen fr zwei in unse-rer Geschichte als Bewegung typische Haltungen:

    Whrend man fr mich betete, dass der Herr mir Strke und Mut ge-ben mchte, die Botschaft zu verkndigen, rollte die dichte Finster-nis, die mich umgeben hatte, zurck, und ein pltzliches Licht kam

    ber mich. Etwas, das wie ein feuriger Ball schien, traf mich geradeber dem Herzen. Meine Kraft wurde hinweggenommen, und ich fielauf den Boden. Ich schien in der Gegenwart der Engel zu sein. Einsdieser heiligen Wesen wiederholte von neuem die Worte: Verkn-dige anderen, was ich dir offenbart habe. Vater Pearson, der wegenseines Rheumatismus nicht knien konnte, war Augenzeuge dieserBegebenheit. Als ich gengend zu mir gekommen war, um zu sehenund zu hren, stand er von seinem Stuhle auf und sagte: Ich habeetwas gesehen, was ich nie zu sehen erwartete. Ein feuriger Ball kam

    vom Himmel hernieder und traf Schwester Ellen Harmon gerade ansHerz. I c h s a h e s ! I c h s a h e s ! Ich kann es nicht ver-gessen. Es hat mein ganzes Wesen verndert. Schwester Ellen, seimutig im Herrn. Nach diesem Abend will ich nie wieder zweifeln.Wir werden dir von nun an helfen und dich nicht entmutigen.113

    110 Idem, S. 184, unsere Hervorhebung.111 Ibid., unsere Hervorhebung.112 Idem, S. 185.113 Ellen G. White, Leben und Wirken, Mountain View 1915, S. 78f. Hervorhebung durch Autor.

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    Dieser Mann glaubte, weil ersah, dass sich hier etwas bernatrliches er-eignete.114 Doch selig sind, die nicht sehen und doch glauben.115 Eineandere, vielleicht wichtigere Stellungnahme, die nicht nur von sichtbarerErfahrung zeugt, sondern auch eine durchdachte Erklrung darstellt,

    stammt von Uriah Smith. Er diskutierte in einem seiner Artikel fr denReview and Herald das Sola-Scriptura Prinzip116 und fgt dann hinzu:

    Wenn wir das sagen (dass wir uns auf die Bibel allein grnden),vermindern wir um kein Jota noch Tttel die Heiligkeit oder Bedeu-tung der Gabe der Weissagung in der Gemeinde, noch vermindernwir damit unsere Verpflichtung, uns von dieser Gabe belehren zulassen. Wenn eine Manifestation dieser Gabe gegeben wird und sichdurch deren berprfung mit der Heiligen Schrift herausstellt, dassdie Umstnde, in denen sich diese Gabe manifestiert, ihre Art undWeise und ihre Zielrichtung sie als echtes Wirken des Geistes erwei-sen, dann knnten wir diese Sache jedem aufrichtigen Menschenvorlegen, und er wrde uns sagen, wie man diese Sache betrachtensoll. Sie kommt zu uns als gttliche Botschaft, sie ist ein Lichtstrahlvom Thron, sie ist Belehrung (wrtlich: instruction) durch den Hei-ligen Geist. Dieser Gabe der Weissagung bewusst zu widerstehenbedeutet, dem Heiligen Geist selbst zu widerstehen, wie es auch dieJuden taten, zu denen Stephanus sagte: O ihr Halsstarrigen und Un-beschnittenen an Herz und Ohr, immer widersteht ihr dem HeiligenGeist, wie eure Vter es taten, so tut es auch ihr. Apostelgeschichte7:51.117

    114 Zu den bernatrlichen Begleitphnomenen der Visionen siehe A. L. White, Messenger to theRemnant, Washington 1969, S. 5ff. und 22-36 passim.

    115 Johannes 20:29.116 Das ist das Prinzip, dass christliche Glaubenslehren sich nur auf die Bibel, nicht aber auf mensch-liche Tradition oder Schwrmerei grnden drfen.

    117 Uriah Smith, Review and Herald Extra, Dec. 1887, S. 11, zitiert in F. D. Nichol, Ellen G. Whiteand Her Critics, Washington 1951, S. 90.

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    VII. und was ist mit Sola Scriptura?

    Wie knnen wir als Siebenten-Tags-Adventisten, die wir vorgeben, dem

    reformatorischen Sola Scriptura(allein die Schrift) verpflichtet zu sein, esvereinbaren, auerhalb der Schrift noch eine andere fr uns verbindlicheGlaubensquelle zu haben, in unserem Fall eben die Schriften von Ellen G.White?118

    Etwa 70 Jahre lang hat Frau Ellen G. White in der Gemeinschaft derSiebenten-Tags-Adventisten eine Vorrangstellung gehabt. Sie wurdevon den Adventisten als Prophetin angesehen. Sie schrieb 53 Bcher

    und mehr als 4500 Artikel; vielen von ihnen lagen Gesichte zugrun-de. Die Rolle Ellen G. White als Prophetin strte protestantischeFundamentalisten, die sonst mit vielen adventistischen Grundstzenbereingestimmt htten119

    Dieser Artikel von rmisch-katholischer Seite nennt das Problem beimNamen. Allein, ist es berechtigt, Ellen Whites Prophetenamt als Strfak-tor fr protestantische Fundamentalisten anzusehen, oder begegnen wirhier einfach einem Missverstndnis? Haben die Adventisten das SolaScriptura der Reformation verlassen und sich als Ersatz einen Prophetengesucht, der die Lcke fllen soll?120Tatsache ist fr uns, dass wir es in der Person Ellen Whites mit einer vonGott erwhlten Prophetin zu tun haben. Hat Gott selbst sein Sola Scripturagebrochen?Eigentlich kann von einem Widerspruch zwischen der Existenz der Schrif-ten, die durch den Geist der Weissagung eingegeben worden sind, und derBibel, die vom selben Geist eingegeben worden ist, gar keine Rede sein.

    Das Zeugnis Jesu steht ja nicht ber, neben oder unter der Schrift, sondern

    118 Vergleiche damit den Wortlaut von Artikel 17 der Glaubensgrundstze aus unserem Gemeinde-handbuch: Eine der Gaben des Heiligen Geistes ist Weissagung. Diese Gabe ist ein Kennzeichender Gemeinde der brigen und hat sich im Dienst Ellen G. Whites offenbart. Da sie die Botin desHerrn ist, sind ihre Schriften eine fortgesetzte und autoritative Quelle der Wahrheit, die der Ge-meinde Trost, Fhrung, Instruktion und Korrektur vermittelt. Ihre Schriften machen auch klar, dass

    die Bibel der Mastab ist, durch den alle Lehre und Erfahrung geprft werden muss

    SDAChurch Manual, 1981, S. 39f.

    119 U.S.Catholic, September 1965, S. 27ff.: Warum die Siebenten-Tags-Adventisten so erfolgreichsind.

    120 Wie Joseph Smith bei den Mormonen oder Sun Myung Moon bei der Vereinigungskirche?

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    ist in der Schrift selbst verankert, kommt aus der Schrift.121 Wer wirklichSola Scriptura verfechten will, dem bleibt also gar nichts anderes brig,als das Zeugnis Jesu anzunehmen.122 Eben weil wir die Bibel ernstnehmen,nehmen wir den Geist der Weissagung an. Wer das Zeugnis