räumlich ausgedehnte sensoren für transiente elektromagnetische felder

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Archiv ffir Elektrotechnik 70 (1987) 341--347 Archiv ftirElektrotechnik Springer-Verlag 1987 Riiumlich ausgedehnte Sensoren fiir transiente elektromagnetisehe Felder A. Kiichler, KSln, und A. Schwab, Karlsruhe [~bersicht: In der Hochspannungsprfiftechnik, in Energie- verteilungsanlagen (Fast Transients), in datentechnischen Systemen (ES'IV), f/ir die Impulstechnik (Pulse Power, Materia]forschung) oder bei der Fertigung yon I-Iigh-Tech- Produkten (gepulste Laser, Magnetumformung) sind tran- siente elektromagnetische Feldverteilungen yon groBer Be- deutung. Fiir ihre meBtechnische Erfassung werden rgumlich ausgedehnte Sensoren f/it Zeit- und Ortsabhgngigkeit yon E- und H-Feldern mit Anstiegszeiten yon wenigen ns Ms Weiterentwicklung der Rogowski-Spule vorgestellt. Auf- grund der verteilten Sensorparameter ist das Sensorsignal eine Faltung aus Orts- und Zeitabhgngigkeiten, da die an unterschiedlichen Stellen eingekoppelten Signalanteile den MeBabgriff zu unterschiedlichen Zeiten erreichen. Mit Hilfe der experimentell bestgtigten Theorie wurde ein Entfal- tungsverfahren ffir r~umliche Feldverteilungen aus prak- tisehen SignMverlgufen entwickelt. Sensors with distributed parameters for Transient Electro- magnetic Fields Contents: Transient electromagnetic fields represent an important aspect in dielectric testing, power engineering (Fast Transients), electromagnetic compatibility (EMC) or pulse power technology. Based on the Rogowski-eoil theory nanosecond diagnostic tools acquiring time- and space- dependent information about E- and H-fields are interpreted as "electrically long" sensors (systems with distributed parameters). Signals being coupled into a sensor at different points, occur at the sensor's output at different times because of transit-time effects. Therefore output signals consist of convoluted functions depending on time and position. By means of the experimentally verified theory and deconvolution procedures spatial field distributions are evaluated from measured signals. 1 Einfiihrung Transiente elektromagnetisehe Felder sind ftir viele Bereiehe der Teehnik yon Bedeutung, z.B. als Be- anspruchungsgrSl3en der Hochspannungsteehnik, als t3berspannungen in energie- und informationstech- nisehen Systemen (,,Fast Transients", Elektromagne- tische Vertr/~gliehkeit), als Dateniibertragungsim- pulse, in der Umwelttechnik (gepulste Elektrofilter) oder als gepulste elektromagnetische Leistung, sog. ,,Pulse-Power", (Fusions- und Grundlagenforsehung, Impulsliehtquellen, fertigungs- und medizinteehnisehe Anwendungen) [1--5]. Die nachfolgend vorzustellenden Mel3verfahren entstanden im P~ahmen yon Pulse-Power-Teehnologie- EntwieMungen als Diagnostika fiir Betrag, giehtung, Zeitverlauf und r/iumliehe Verteilung elektriseher und magnetiseher Felder [6, 7]. Die Ergebnisse sind auf die Megaufgaben der anderen genannten Bereiehe iibertragbar. Die Anstiegszeiten der Mel~grSgen liegen im Nanosekundenbereieh, die Impulsdauem betragen einige 10 ns. Neben rgumlieh konzentrierten Sensoren fiir lokale Messungen der Feldst/irken und des Leistungsflusses [8, 9, 10] wurden rgumlieh ausgedehnte Sensoren ent- wiekelt, die die Erfassung der rgumliehen Verteilung der Mel3gr61~e ermSgliehen. Ein ausgedehnter Sensor kann bei der Messung einer Feldverteilung eine Vielzahl lokal messender konzentrierter Sensoren ersetzen [6]. Strommel3spulen, sogenannte Rogowski.-Spulen (Kap. 2), kennzeiehnen den Stand der Teehnik auf dem Gebiet rgumlieh ausgedehnter Sensoren, deren Besehreibung Ausgangspunkt fiir eine verallgemeinerte Theorie ausgedehnter Sensoren ist (Kap. 3). Die Sen- sorsignale enthalten die riiumliehe Verteilung der Ein- kopplung als sogenannte Ortsfunktion, die dureh Ent- kopplung yon Orts- und Zeitabh~ngigkeiten ge- wonnen werden kann (Kap. 4). Die experimeutelle Best/itigung der entwiekelten Theorien erfolgte ftir magnetische Einkopplung in einem exzentrisehen Priifgefgg (Kap. 5) und fiir kapazitive Einkopplung (Kap. 7) im wasserisolierten Pulse-Power-Impuls- generator PIMPF (Pilotmodell zur Impulsformung, Kap. 6). An diesem konnte aueh die praktisehe Ver- wendbarkeit der entwiekelten Sensoren und des nu- merisehen Riiekreehenverfahrens zur Entkopplung yon Orts- und Zeitabh~ngigkeiten gezeigt werden (Kap. 8).

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Page 1: Räumlich ausgedehnte Sensoren für transiente elektromagnetische Felder

Archiv ffir Elektrotechnik 70 (1987) 341--347 A r c h i v f t i r E l e k t r o t e c h n i k

�9 Springer-Verlag 1987

Riiumlich ausgedehnte Sensoren fiir transiente elektromagnetisehe Felder

A. Kiichler, KSln, und A. Schwab, Karlsruhe

[~bersicht: In der Hochspannungsprfiftechnik, in Energie- verteilungsanlagen (Fast Transients), in datentechnischen Systemen (ES'IV), f/ir die Impulstechnik (Pulse Power, Materia]forschung) oder bei der Fertigung yon I-Iigh-Tech- Produkten (gepulste Laser, Magnetumformung) sind tran- siente elektromagnetische Feldverteilungen yon groBer Be- deutung. Fiir ihre meBtechnische Erfassung werden rgumlich ausgedehnte Sensoren f/it Zeit- und Ortsabhgngigkeit yon E- und H-Feldern mit Anstiegszeiten yon wenigen ns Ms Weiterentwicklung der Rogowski-Spule vorgestellt. Auf- grund der verteilten Sensorparameter ist das Sensorsignal eine Faltung aus Orts- und Zeitabhgngigkeiten, da die an unterschiedlichen Stellen eingekoppelten Signalanteile den MeBabgriff zu unterschiedlichen Zeiten erreichen. Mit Hilfe der experimentell bestgtigten Theorie wurde ein Entfal- tungsverfahren ffir r~umliche Feldverteilungen aus prak- tisehen SignMverlgufen entwickelt.

Sensors with distributed parameters for Transient Electro- magnetic Fields

Contents: Transient electromagnetic fields represent an important aspect in dielectric testing, power engineering (Fast Transients), electromagnetic compatibility (EMC) or pulse power technology. Based on the Rogowski-eoil theory nanosecond diagnostic tools acquiring time- and space- dependent information about E- and H-fields are interpreted as "electrically long" sensors (systems with distributed parameters). Signals being coupled into a sensor at different points, occur at the sensor's output at different times because of transit-time effects. Therefore output signals consist of convoluted functions depending on time and position. By means of the experimentally verified theory and deconvolution procedures spatial field distributions are evaluated from measured signals.

1 Einfiihrung

Transiente elektromagnetisehe Felder sind ftir viele Bereiehe der Teehnik yon Bedeutung, z .B. als Be- anspruchungsgrSl3en der Hochspannungsteehnik, als t3berspannungen in energie- und informationstech- nisehen Systemen (,,Fast Transients", Elektromagne- tische Vertr/~gliehkeit), als Dateniibertragungsim-

pulse, in der Umwelttechnik (gepulste Elektrofilter) oder als gepulste elektromagnetische Leistung, sog. ,,Pulse-Power", (Fusions- und Grundlagenforsehung, Impulsliehtquellen, fertigungs- und medizinteehnisehe Anwendungen) [1--5].

Die nachfolgend vorzustellenden Mel3verfahren entstanden im P~ahmen yon Pulse-Power-Teehnologie- EntwieMungen als Diagnostika fiir Betrag, giehtung, Zeitverlauf und r/iumliehe Verteilung elektriseher und magnetiseher Felder [6, 7]. Die Ergebnisse sind auf die Megaufgaben der anderen genannten Bereiehe iibertragbar. Die Anstiegszeiten der Mel~grSgen liegen im Nanosekundenbereieh, die Impulsdauem betragen einige 10 ns.

Neben rgumlieh konzentrierten Sensoren fiir lokale Messungen der Feldst/irken und des Leistungsflusses [8, 9, 10] wurden rgumlieh ausgedehnte Sensoren ent- wiekelt, die die Erfassung der rgumliehen Verteilung der Mel3gr61~e ermSgliehen. Ein ausgedehnter Sensor kann bei der Messung einer Feldverteilung eine Vielzahl lokal messender konzentrierter Sensoren ersetzen [6].

Strommel3spulen, sogenannte Rogowski.-Spulen (Kap. 2), kennzeiehnen den Stand der Teehnik auf dem Gebiet rgumlieh ausgedehnter Sensoren, deren Besehreibung Ausgangspunkt fiir eine verallgemeinerte Theorie ausgedehnter Sensoren ist (Kap. 3). Die Sen- sorsignale enthalten die riiumliehe Verteilung der Ein- kopplung als sogenannte Ortsfunktion, die dureh Ent- kopplung yon Orts- und Zeitabh~ngigkeiten ge- wonnen werden kann (Kap. 4). Die experimeutelle Best/itigung der entwiekelten Theorien erfolgte ftir magnetische Einkopplung in einem exzentrisehen Priifgefgg (Kap. 5) und fiir kapazitive Einkopplung (Kap. 7) im wasserisolierten Pulse-Power-Impuls- generator PIMPF (Pilotmodell zur Impulsformung, Kap. 6). An diesem konnte aueh die praktisehe Ver- wendbarkeit der entwiekelten Sensoren und des nu- merisehen Riiekreehenverfahrens zur Entkopplung yon Orts- und Zeitabh~ngigkeiten gezeigt werden (Kap. 8).

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342 Archly ffir Elektrotechnik 70 (1987)

2 Stand der Technik

P~/iumlich ausgedehnte Sensoren sind bisher in Form yon Strommel3spulen, sog. gogowskispulen, bekannt [5, l l , 12]. Sie bestehen aus einer, den Strompfad voll- stgndig umsehliel3enden Spule. Bild 1. Die einzelnen vom Magnetfeld induzierten Windungsspannungen werden addiert und bilden ein Mal3 ffir das t~ingintegral fiber I t . dr, so dal~ das Signal naeh dem Durehflu- tungsgesetz den gesamten dureh die SpulenSffnung tretenden Strom erfagt. Dabei wird die rs Ausdehnung des Sensors vernaehls d. h., es wird bei der Addition der Windungsspannungen. nieht berfieksiehtigt, dal3 an untersehiedlichen Punkten eingekoppelte Signalanteile untersehiedliehe Lauf- zeiten bis zum 1KeBabgriff aufweisen. Urspriinglieh sehien die Einsetzbarkeit der Rogowski-Spule deshalb aui StrSme begrenzt, deren Anstiegszeit wesentlieh gr613er ist als die Spulenlaufzeit.

Ist diese Bedingung nicht erfiillt, mfissen Spule und Sehirm als System mit verteil~en Parametern, d .h . als Wanderwellenleitung aufgefMtt werden. Die yon einem sprungf6rmigen Magnetfeld in den Spulenwin- dungen induzierten Spannungen rufen gleiehzeitig an jedem Spulenort einen Stromsprnng hervor, dem zwei sich entgegengesetzt ausbreitende Wanderwellen mit gleieher konventioneller Stromriehtung entspre- ehen. Sind die Spulenabsehliisse sehr niederohmig im Vergleieh zum Leitungswellenwiderstand, erfolgen die Reflexionen derart, dal3 der Stromsprung fiber viele Spulenlaufzeiten erhalten bleibt. Das heiftt die Sprung- antwort einer solehen Spule ist ein Sprung, unab-

Schirm

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u(OJ) u(iJ)

~ - Spule --T~#z Schirm

i i~ (t). i 2 (5 /~ <<Z Z2 <<Z / / / : ~ \ \

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Bild 1. Rogowski-Spule (grunds~tzlicher Aufbau) als Wander- wellenleitung

IIIL

Bild 2. Beschreibung ~usgedehnter kapazitiver und magne- fischer Sensoren als Systeme mit verteilten P~rametern

hgngig yon der Spulenlaufzeit. Wiehtige Voraus- setzung ist dabei eine vollstgndig gleichmggige Ein- kopplung l~ngs der Spulenkontur, d .h . eine voll- st~ndige Symmetrie des Stromflusses dureh den Spulentorus.

3 Theorie ausgedehnter Sensoren

Die auf diesem Stand der Technik aufbauende Theorie verallgemeinert in vier Punkten, Bild 2:

1. Ubertragung der Leitungs- und Wanderwellen- theorie auf die Behandlung kapazitiver Sensoren,

2. Wahl einer gemeinsamen Beschreibung, die Mlgemein ffir verteilte Einkopplung gilt,

3. Auffassung der Sensoren als Feldsensoren, die die FeldgrSge Igngs der beliebig verlaufenden Sensorlgnge erfal~t und

4. Ubergang zur r~umlieh ungleichm/tgigen Ein- kopplung, die sieh dutch eine Ortsfunktion 1/ings der Sensorl~nge beschreiben 1/~l~t.

Dabei wird angenommen, dag die Einkopplung synehron an allen Sensororten erfolgt, d. h. der glei- ehen Zeitfunktion g(t) folgt. Die gemeinsame Beschrei- bung fiir elektrisehe und magnetisehe Felder ergibt bei sprungf6rmiger Zeitfunktion g(t) = a(t) eine Wander- welle, die ein Abbild der Ortsfunktion /(x) darstellt und am MeBabgriff ein Signal sl(t) erzeugt, das eben- fails ein Bild der Ortsfunktion ist:

~l(t) ~ l (v t ) = l (x ) (1)

Die Abh~ngigkeit der Einkopplung yon der Koordi- nate x wurde dabei fiber die Phasengesehwindigkeit v gems x = vt auf die Zeitachse fibertragen, Bild 3. Die r~umlieh ungleichms Einkopplung ist in der Form der Wanderwellen enthalten, Bild 3 zeigt die in negative x-l~iehtung wandernde Welle. Beliebige Zeitfunktionen kSnnen durch zeitverschobene Spr(inge angen~hert werden, deren SprunghShe 0(/cAt) .~ t

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A. Kiichler und A. Schwab : Rgumlich ausgedehnte Sensoren ffir transiente elektromagnetische Felder 3r

-

t~ • ) 0 I x V

Bild 3. Signal s(t) als Abbild der 0rts~unktion/(x) bei sprung- ~6rmiger Zeitfunktion g(t) = (~(t)

Bild 4. Entstehung des linksseitigen Sensorsignals s~(t) durch ~berlagerung der nach links laufenden Wanderwellen

sich aus der Ableitung der anzunghernden Funktion g(t) ergibt. D~s Signal 81(t) entsteht dann als Summe zeitverschobener Ortsfunktionen, die jede ffir sich ein Abbild der Ortsfunktion darstellen, Bild 4. Mit

g(t) ~ g ( n A t ) = ~ (t(#Llt) �9 ~ t . a( t - - # A t ) (2) k=0

wird also

n

8~(t) ~ ~ ( ~ t ) = Z (~(#~t) . ~ t . / [v( t - ~ t ) ] . (3) k- -0

Durch den Grenzfibergang At--~0, bzw. n - + 0% gehen die Treppenfunktionen in stetige Funktionen und die Summendarstellung in ein Integral fiber:

s~(t) = lira ~ (7(kdt) �9 A t . / [ v ( t - - IcAt)] At-->O k ~ O

t

= f ][v(t - - t')] ~(t') d t ' (4) 8 1 ( t )

0

Es handelt sich hierbei um das Faltungsintegral

s~(t) = / ( v t ) �9 ~(t) , (5)

das auch in der Form

t

s~(t) = f / ( v t ' ) , g( t - - t ') d t ' (6) o

geschrieben werden kann. Die analoge Ableitung ffir das Signal des zweiten Sensorendes x = l ergibt

~%(t) - / g - vt') O(t - t') dr' (7)

Diese Gleichungen gelten bei reflexionsfreiem Sensombschlu6 ohne Zeitbegrenzung, wenn fiir x < 0 und x > 1 / ( x ) = 0 angenommen wird. Bei anderen Sensorabschltissen miissen die Signa]e nach G1. (6) und (7) wie Wanderwellen behandelt werden, die an einem Leitungsabschlu6 einen Spannungsabfall ver- ursachen. Die Betrachtungen sind dann nur ffir das Zeitintervall zwischen t = 0 und t = T giiltig, in dem noch keine l~eflexionen vom anderen Sensorende eintreffen.

Theorie der Entkopplung

Die allgemeine Formulierung des Sensorsignals ~ls Faltungsintegral lgl~t sich Iiir Spezialfglle wieder auf einfache Signalverlgufe zurfickfiihren:

Ffir homogene Einkopplung ohne rgumliehe Unter- schiede ist /(x) ~ 1 und das Signal s l ( t ) ist dem Zeit- verlauf g(t) proportional. Grundsgtzlich kSnnen also auch bei gro6er Laufzeit lgngs des Sensors SignMe g(t) gemessen werden, deren Anstiegszeit wesentlich kleiner ist als die Laufzeit lgngs des Sensors. Dies entspricht dem schon bisher bekannten Spezialfall der rgumlich ausgedehnten Rogowskispu]e mit rgumlich gleiehmgl~iger Einkopplung:

/(~) =_ 1 ~ < ( t ) = g(t) (s)

Ffir sprungfSrmige Zeitfunktion a(t) ergibt sich das Signal 81(t) als Abbild der Ortsfunktion ](vt) . Dieser Spezialfall eignet sich fiir die experimentelle Bestgti- gung der Sensortheorie, da sich das Signal direkt mit einer gegebenenfalls berechneten Ortsfunktion der rgumlich ungleichmgBigen Einkopplung vergleiehen lg6t:

g(t) = (~(t) /% s l ( t ) = / (v t ) (9)

Eine allgemeine LSsungsidee k6nnte darin bestehen, aus gemessenen Signalen sl(t) und s2(t) Zeit- und Orts- funktionen auszurechnen. Die Zerlegung der Orts- funktionen in einen geraden und einen ungeraden Anteil /g und /~ zeigt jedoch, dal] zur Bestimmung, der drei Funktionen g,/g und/u nur zwei Gleichungen zur Verfiigung stehen. Es ist deshalb eine weitere Information erforderlich. Dies k6nnte beispielsweise die von einem zusgtzlichen konzentrierten Sensor erfa6te Zeitfunktion g(t) sein, die die synchrone Ver- gnderung der Einkopplung in den Sensor beschreibt.

Fiir die numerische Ermittlung yon/(vt) aus den ge- messenen Gr56en s(t) und g(t) wurde ein rekursiver Algorithmus entwickelt, indem das Faltungsintegral in Teilintegrale

n--1 tz+~

,(t) = ~ f / ( v r ) . O(t - t ' )dt ' (10) k = 0 t~

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3~4 Archiv ~fir Elektro~echnik 70 (1987)

)(t) 5 Bestiitigung der Sensortheorie mittels magnetischer Sensoren

/(vt)

s 3 / /

I

7 J

t~ t2 tk tk.: 7

Bild ,5. t~ekursive Ermit~lung der Ortsfunk~ion [(vt) aus den gemessenen Signalen 0(t) und s(t).

Die experimentelle Bestgtigung der skizzierten Sensor- theorie erfolgte mit einem ausgedehnten magnetischen Sensor, einer sog. ,,elektrisch langen" l~ogowski- spule, in einem Prtifgef~g, in das fiber ein Koaxial- kabel (7) ein Stromsprung eingespeist wird, Bild 6. Durch exzentrisehe Anordnung des Innenleiters (6) wird der Spulenquerschnitt (2) nicht mehr yon gleich- mgl~ig starkem Magnetfeld durchsetzt, so da6 li~ngs des Spulenumfangs eine ungleiehm~Bige Einkopplung entsteht. GemgB G1. (9) mug das Signal am Abgriff (8) bei dieser Sprungantwortmessung ein Abbild der Ortsfunktion der Einkopplung sein.

Aus den Messungen bei unterschiedlichen Exzen- trizitiiten im Priifgef~l~ 1/~13t sieh das Verh~Itnis der maximalen zur minimalen Magnetfeldst~rke 1/~ngs des Spulenumfangs ermitteln. Im Rahmen der Meliige- nauigkeit ergibt sich kein Untersehied zu den theore- tisch aus Geometriedaten ermittelten Feldst~rke- verhgttnissen [6].

6 Versuchsgenerator PIMPF

aufgespalten wird, deren Integrationsintervalle so klein gew~hlt sind, dag sieh die Ortsfunktion als nahezu konstanter Faktor /k vorziehen l~gt. [Die ver- bleibenden Integrale stellen ,,Teilfl~chen" An_~ unter der Zeitfunktion 0(t) dar:

n--1 t~§

s , = z~,/e f O( t - - t') dt ' e=o t,.~

(11)

n - - 1

s, = S / e " A,,_k (12) k = 0

Aufl6sen nach dem Ortsfunktionswert mit dem h6eh- sten Index k = n - 1 ergibt den sog. ,,Teilfl~chen- algorithmus" zur rekursiven Bestimmung yon /o,

h, &,. . .

1( 2 ) /,-1 = A-~ s, --k=oZ /~" A,_~, (13)

Aus vielen Digitalisierungspunkten werden die Teil- fl~ehen A1, A~, ... unter O(t) genau ermittelt, Bild 5. Die t~fiekreehnung ergibt Ortsfunktionswerte /0, /1 ].,, ..., die den jeweiligen Intervallen als nahezu kon- stant zugeordnet werden. Dieser Algorithmus hat den Vorteil, dal3 bei genauer Ermittlung von A1 dureh Wahl einer grol~en Flgehe A1 numerisehe Instabilit~ten aufgrund von Digitalisierungsfehlern unterdrfiekt werden k6nnen.

Die weitere Entwicklung r~umlieh ausgedehnter Sen- soren eriolgte dureh l~bertragung der allgemeinen Sensortheorie auf kapazitive Sensoren.

Mit dem Versuehsgenerator PIMPF (Pilotmodell zur Impulsformung) wurde eine modulare Versuchs- einriebtung aufgebaut, die realistische Pulse-Power- Impulse in einem wasserisolierten Generator erzeugt, in dem viele Leitungseigensehaften variiert werden kSnnen, Bild 7. Aus einem kapazitiven Ladekreis wird eine erste wasserisolierte koaxiale Leitung (PFL 1) schwingend aufgeladen. Die hohe Permittivit//t des Wasserdielektrikmns ermSglieht kurzzeitig einen hohen Energiebetrag kapazitiv zu speichern. Im Spannungs- maximum zfindet die Schaltfunkenstreeke S und PFL 1 wird in Form einer in die zweite Leitung (PFL 2) einlaufenden Wanderwelle entladen. Ein niederinduk- tiver Absehlul~widerstand absorbiert die Energie des einlaufenden elektromagnetischen Impulses. Da die Impulslgnge yon der Laufzeit auf PFL 1 bestimmt wird, fiihrt der Einsatz des Isoliermediums Wasser mit der I)ielektrizitgtszahI 81 zu einer um den Faktor 9 verringerten Wellenausbreitungsgesehwindigkeit und damit zu einer reduzierten Baul~nge.

Der Generator PIMPF hat mehrere Entwicklungs- stufen durehlaufen, in denen dutch Verbesserung des Funkenstreckendesigns zwisehen den beiden Innen- leitern eine Verringerung der Anstiegszeit bis auf 4ns mSglieh wurde. Der Leitungswellenwiderstand betrug dabei 5,6s9, die Testimpulsspannungen lagen

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A. Kiichler und A. Schwab: Rgumlich ausgedehnte Sensoren ffir transiente elektromagne$isehe Felder 345

8 ~ i ~ \ \ \ : % . \ \

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084,2 [

Bild 6. Sprungantwort der Rogowski-Spule bei untersehiedliehen Exzentrizit~ten des Innenleiters im Pr/ifgefgB (5 ns/RE)

LL5 t 13 Ik

Bild 7. Wasserisolierter Versuchsgenerakor PIMPF Pilotmodell zur Impulsformung)

7 Best~itigung der Sensortheorie mittels ks,pazitiver Sensoren

Der entwiekelte elektrisch lange kapazitive Sensor besteht aus einem kgpazitivem Megbelag fiber dem Augenleiterumfang des Generators, Bild 8. Der kom- plette Sensor kann als ringfSrmiges Aul3enleitersegment an beliebigen Stellen des modular aus I{ohrstfieken aufgebauten Generators eingesetzt werden. Um die Laufzeiteffekte gut erfassen zu kSnnen, wurde die Laufzeit des kapazitiven Met~belags dutch eine Mgan- derform auf 60ns verlgngert.

Messungen im koaxialsymmetriseh aufgebauten Generator ergeben Signale, die his zu 60ns mit dem Zeitverlauf des Testimpulses identiseh sind. Dies ergibt sieh aueh aus G1. (8), naeh der fiir homogene Orts- funktionen J(vt) ---= 1 die Sensorsignale mit der Zeit- funktion g(t) fibereinstimmen. Dieser Spezialfall des

lm Bereich yon 10--20kV ca. 2 GrSl~enordnungen unter den Amptituden momenganer Grenzleistungs- generatoren.

Sehnell ansteigende Hoehleistungsimpulse erfor- dern einen niederinduktiven Aufbau des Leitungs- abschlusses, beispielsweise dureh radiale Widerstands- anordnung, um die geflexion vernachli~ssigbar klein zu halten. Sie wiirde als fiberlagerte Spitze auf der Ausgangsleitung den Testimpuls verzerren. Nach Optimierung des Versuchsgenerators hinsiehtlich An- stiegszeit, geflexion und Impulsform war die Entwiek- lung rikumlieh ausgedehnter kapazitiver Sensoren mSglieh.

Bild 8. ]~umlich ausgedehnter kapazitiver Sensor mit Lauf- zei~verl~ngerung in Mi~anderform

Page 6: Räumlich ausgedehnte Sensoren für transiente elektromagnetische Felder

346 Arehiv ffir Elektroteehnik 70 (1987)

Bild 9. Inhomogenitgt am Innenleiter des Versuchsgenemtors PIMPF, AuBenleiterdurchmesser: 115 ram, Innenleiterdurch- messer: 50 mm

PIMPF mit langsam ansteigender Zeitfunktion g(t) gezeigt. Der Einflu6 der Feldinhomogenits ist dabei im Anstiegsbereich des Sensorsignals s(t) nicht mehr eindeutig erkennbar, Bild 11.

Die numerisehe Riickrechnung liefert Verteilungen, die gut mit den Ergebnissen der numerischen Feld- berechnung fibereinstimmen, Bild 12. Lediglich im Anfangsbereich, in dem aus sehr kleinen, ungenau bestimmbaren Mel~werten zuriiekgerechnet werden muB, liefert das Verfahren keine verliil~lichen Werte.

120

,L 1

_~ 50

4O

2O

Bildortsfunktionl0. SignMe des kspazitiven Sensors als Abbilder der ' "5 O0 5 10 15 20 rlS25 . . . . lu ~ . . . . 1'5" "'20 . . . . ns25

z', ~ t -

Bild 11. Langsam ansteigende Zeitfunktion g(t) und zuge- hSriges Sensorsign~l s(t)

kapazitiven Sensors ist dem der bereits bekannten rgumlich ausgedehnten gogowskispule bei koaxial- symmetrischem Stromflu6 analog. Es k6nnen also aueh Felder gemessen werden, deren Anstiegszeit wesentlieh kMner ist als die Laufzeit lgngs des Sen- SOTS.

UngleiehmgBige Einkopplung in den Sensor wurde durch eine stabfSrmige Inhomogenitgt am Innenleiter des Versuchsgenerators PIMPF realisiert, Bild 9. Bei ann~hernd sprungf6rmigen Testimpulsen sind die Signale naeh G1. (9) Abbilder der Ortsfunktion:

s,(t) =/ (v t ) und s2(t ) = / (1 - - vt). (14)

An den beiden ~egabgriffen wird die Yeldst~rke- fiberh6hung gem/t6 den untersehiedliehen Laufzeiten zu unterschiedliehen Zeitpunkten sichtbar, Bild 10. Die Amplituden entsprechen den Ergebnissen einer numerischen Berechnung der elektrischen Feldst~rke iiber dem AuBenleiterumfang.

8 Ermittlung unsymmetrischer Feldverteilungen durch Entkopplung

Um die Sensortheorie experimentell bestgtigen zu kSnnen, wurde der Versuchsgenerator hinsichtlich reehteckfSrmiger Testimpulse optimiert, t~eale Gene- ratorimpulse weisen komplexere Zeitverlgufe auf, so dab fiir die Bestimmung der Ortsfunktion eine Signal- verarbeitung unter Anwendung von Entkopplungs- algorithmen erforderlich ist. Die Einsetzbarkeit des entwickelten Algorithmus wurde am Versuehsgenerator

140, %

I 12C

~. 100

fo (vt) Erste REchenbreite = 2ns; sonst 0,5 ns

5 10 15 20 25 30 ns35

3,0 kV/cm

2,8

I 2,6

# 2,4

2,2

2,0

' Zy[inder on Zy[inder H=518110 Fe[ds@ke I~ngs Elektroden

//~\.

i/ \ i // \,\

8,0 , l r

16,0 24,0 32,0 cm 40,0 E[ektr0den[Snge

B i l d 12. R f i ekge reehne te OrfGsfunkt ion (oben) i m Ve rg ]e i eh z u m n u m e r i s e h be reehne ten F e l d s ~ , r k e v e r ] ~ u f (un~en)

Page 7: Räumlich ausgedehnte Sensoren für transiente elektromagnetische Felder

A. K/iehler und A. Schwab: R/iumlich ausgedehnte Sensoren fiir transiente elektromagnetische Felder 347

9 Schlullfolgerungen

Die bet rachte ten r/~umlich ausgedehnten Sensoren eignen sieh bei bekannter Feldvertei lung auch ffir die Messung sehr sehnell vergnderlicher Vorggnge, deren Anstiegszeit wesentlieh ki]rzer sein darf als die Lauf- zeit 1/~ngs des Sensors. Bei unbekannter Feldvertei- lung kann durch eine zus/~tzliche Informat ion fiber den Zeitverlauf des Vorgangs die r/~umliche Feld- verteilung aus einem einzigen Sensorsignal ermittel t werden. Der Sensor mu8 dabei in einer K o n t u r liegen, in der sich die Einkopplung synehron ver/indert. Diese ~ber legungen machen aufgrund der Mlgemeinen For- mulierung keine Einsehr/~nkung bzgl. der Einkopp- lungsart. Sic wurden bisher experimentell ffir kapazit ive und magnetische Sensoren iiberprfift.

Literatur

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Eingegangen am 9. Dezember 1986

Dr.-Ing. A. Kfich]er Felten & Guilleaume Energietechnik AG Gesch/~ftsgebiet Hochspannungsger~te Kaiserstr. 127, D-5000 K51n 90

Prof. Dr.-Ing. A. Schwab Ordinarius am Institut fiir Elektroenergiesysteme und t{ochspannungsteehnik Universit/~t Karlsruhe (TH) Kaiserstr. 12 D-7500 Karlsruhe 1 Bundesrepublik Deutschland

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