qualitätssicherung, zertifizierung und das neue institut für qualität in der medizin

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Urologe 2014 · 53:1150–1155 DOI 10.1007/s00120-014-3540-2 Online publiziert: 20. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 O.W. Hakenberg 1  · A. Schroeder 2 1  Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsmedizin Rostock 2  Urologische Praxis Neumünster Qualitätssicherung,  Zertifizierung und das  neue Institut für Qualität  in der Medizin Qualitätssicherung ist ein moder- nes Dogma, das sich im Rahmen des- sen bewegt, was als politisch korrekt gilt. Aus der Erfahrung heraus, dass das Leben nicht mit gleichbleibender Qualität abläuft, wurde der Gedan- ke der Qualitätssicherung aus der in- dustriellen Massenfertigung in die postmoderne Dienstleistungsgesell- schaft übertragen: das Massenpro- dukt Dienstleistung soll wie ein Fließ- bandprodukt mit überprüfbar gleich- bleibend hoher Qualität abgelie- fert werden. Um dies zu gewährleis- ten, soll Qualitätssicherung betrieben werden. Was ist Qualitätssicherung? Qualitätssicherung umfasst die Gesamt- heit der personellen, organisatorischen, technischen und normativen Maßnah- men, die geeignet sind, die Qualität der Versorgung der Patienten zu sichern, zu verbessern und gemäß dem medizinisch- wissenschaftlichen Kenntnisstand wei- ter zu entwickeln (§§ 135a, 136 und 137 SGB V). Die Qualitätssicherung selbst ist be- reits qualitätsgesichert: nach DIN EN ISO 8402, 1995-08, Ziffer 3.5 versteht man unter Qualitätssicherung jede geplante und systematische Tätigkeit, die inner- halb des Systems verwirklicht und darge- legt wird, um Vertrauen darin zu schaffen, dass eine Einheit die Qualitätsforderung erfüllen wird. Nach dieser Definition ist Qualitätssicherung die Summe aller Maß- nahmen, die eine gleichbleibend gute Pro- duktqualität sicherzustellen. Damit ist be- reits ein wesentliches Ziel definiert: Qua- litätssicherung soll Vertrauen der Kunden und Geschäftspartner herstellen [1]. »   Qualitätssicherung soll  Vertrauen der Kunden und  Geschäftspartner herstellen Man unterscheidet interne Eigenüberwa- chung von externer Fremdüberwachung. In der Theorie lässt sich der Prozess wie folgt beschreiben: Qualitätsparameter werden extern vorgegeben, d. h. meh- rere Prozesspartner vereinbaren einen Handlungsraum, innerhalb dessen sich die Dienstleistungsergebnisse bewegen müssen. Die Bindung der Partner wird vertraglich festgehalten, die vereinbar- ten Qualitätseckwerte werden regelmäßig überprüft. Bei den Prüfungen (Audits) kommen externe Auditoren in die Orga- nisation (Klinik/Praxis) und führen vor- her vereinbarte Nachprüfungen durch. In Prüfberichten teilen die Auditoren nach innen mit, wo Handlungsbedarf besteht und nach außen, ob die Organisation die Vorgaben erreicht hat und die Zertifizie- rung aufrechterhalten wird [2]. Eine solche Zertifizierung bildet nicht unbedingt die ganze Organisation ab, sondern beschränkt sich auf den verein- barten Qualitätsbereich. Der wesentliche Ablaufprozess ist der sog. Optimierungs- kreislauf, der aus 4 Schritten besteht. Die- se sind: Messen des Ist-Zustands, Imple- mentieren einer Verbesserung, Nachmes- sen der Veränderung und Dokumentie- ren des veränderten Verfahrens. Ein an- deres wesentliche Merkmal ist die Pro- zessbeschreibung, die alle Verfahren in SOP („standard operating procedure“) dokumentiert, die regelmäßig ausgeführt werden. Die wichtigen Personen bei der Prozessbeschreibung sind der „Eigentü- mer“, der für die Pflege verantwortlich ist, und ein zweiter, der für die regelmäßige Aktualisierung verantwortlich ist [3]. Allgemeine Qualitätssicherungssys- teme dieser Art sind z. B. das ISO-Zerti- fizierungssystem bzw. oder das EFQM- Modell („european foundation for quality management“). Viele Kliniken sind heute nach ISO 9001 zertifiziert. Qualitätssicherungssysteme in der Medizin Das Qualitätsmanagement in der Me- dizin bezeichnet alle organisatorischen Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Prozesse in medizinischen Einrich- tungen führen. Seit Ende des Jahres 2012 gibt es hierfür eine definierte Norm, die EN 15224. Die früher übliche Bezeich- nung Qualitätssicherung ist im Gesund- heitswesen heute durch den Begriff „Qua- litätsmanagement“ abgelöst. In der inter- nationalen Norm EN ISO 8402 wird der Begriff „Qualitätsmanagement“ definiert als „alle Tätigkeiten des Gesamtmanage- Leitthema 1150 | Der Urologe 8 · 2014

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Urologe 2014 · 53:1150–1155DOI 10.1007/s00120-014-3540-2Online publiziert: 20. Juli 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

O.W. Hakenberg1 · A. Schroeder2

1 Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsmedizin Rostock2 Urologische Praxis Neumünster

Qualitätssicherung, Zertifizierung und das neue Institut für Qualität in der Medizin

Qualitätssicherung ist ein moder-nes Dogma, das sich im Rahmen des-sen bewegt, was als politisch korrekt gilt. Aus der Erfahrung heraus, dass das Leben nicht mit gleichbleibender Qualität abläuft, wurde der Gedan-ke der Qualitätssicherung aus der in-dustriellen Massenfertigung in die postmoderne Dienstleistungsgesell-schaft übertragen: das Massenpro-dukt Dienstleistung soll wie ein Fließ-bandprodukt mit überprüfbar gleich-bleibend hoher Qualität abgelie-fert werden. Um dies zu gewährleis-ten, soll Qualitätssicherung betrieben werden.

Was ist Qualitätssicherung?

Qualitätssicherung umfasst die Gesamt-heit der personellen, organisatorischen, technischen und normativen Maßnah-men, die geeignet sind, die Qualität der Versorgung der Patienten zu sichern, zu verbessern und gemäß dem medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand wei-ter zu entwickeln (§§ 135a, 136 und 137 SGB V).

Die Qualitätssicherung selbst ist be-reits qualitätsgesichert: nach DIN EN ISO 8402, 1995-08, Ziffer 3.5 versteht man unter Qualitätssicherung jede geplante und systematische Tätigkeit, die inner-halb des Systems verwirklicht und darge-legt wird, um Vertrauen darin zu schaffen, dass eine Einheit die Qualitätsforderung erfüllen wird. Nach dieser Definition ist

Qualitätssicherung die Summe aller Maß-nahmen, die eine gleichbleibend gute Pro-duktqualität sicherzustellen. Damit ist be-reits ein wesentliches Ziel definiert: Qua-litätssicherung soll Vertrauen der Kunden und Geschäftspartner herstellen [1].

»  Qualitätssicherung soll Vertrauen der Kunden und Geschäftspartner herstellen

Man unterscheidet interne Eigenüberwa-chung von externer Fremdüberwachung. In der Theorie lässt sich der Prozess wie folgt beschreiben: Qualitätsparameter werden extern vorgegeben, d. h. meh-rere Prozesspartner vereinbaren einen Handlungsraum, innerhalb dessen sich die Dienstleistungsergebnisse bewegen müssen. Die Bindung der Partner wird vertraglich festgehalten, die vereinbar-ten Qualitätseckwerte werden regelmäßig überprüft. Bei den Prüfungen (Audits) kommen externe Auditoren in die Orga-nisation (Klinik/Praxis) und führen vor-her vereinbarte Nachprüfungen durch. In Prüfberichten teilen die Auditoren nach innen mit, wo Handlungsbedarf besteht und nach außen, ob die Organisation die Vorgaben erreicht hat und die Zertifizie-rung aufrechterhalten wird [2].

Eine solche Zertifizierung bildet nicht unbedingt die ganze Organisation ab, sondern beschränkt sich auf den verein-barten Qualitätsbereich. Der wesentliche Ablaufprozess ist der sog. Optimierungs-

kreislauf, der aus 4 Schritten besteht. Die-se sind: Messen des Ist-Zustands, Imple-mentieren einer Verbesserung, Nachmes-sen der Veränderung und Dokumentie-ren des veränderten Verfahrens. Ein an-deres wesentliche Merkmal ist die Pro-zessbeschreibung, die alle Verfahren in SOP („standard operating procedure“) dokumentiert, die regelmäßig ausgeführt werden. Die wichtigen Personen bei der Prozessbeschreibung sind der „Eigentü-mer“, der für die Pflege verantwortlich ist, und ein zweiter, der für die regelmäßige Aktuali sierung verantwortlich ist [3].

Allgemeine Qualitätssicherungssys-teme dieser Art sind z. B. das ISO-Zerti-fizierungssystem bzw. oder das EFQM-Modell („european foundation for quality management“). Viele Kliniken sind heute nach ISO 9001 zertifiziert.

Qualitätssicherungssysteme in der Medizin

Das Qualitätsmanagement in der Me-dizin bezeichnet alle organisatorischen Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Prozesse in medizinischen Einrich-tungen führen. Seit Ende des Jahres 2012 gibt es hierfür eine definierte Norm, die EN 15224. Die früher übliche Bezeich-nung Qualitätssicherung ist im Gesund-heitswesen heute durch den Begriff „Qua-litätsmanagement“ abgelöst. In der inter-nationalen Norm EN ISO 8402 wird der Begriff „Qualitätsmanagement“ definiert als „alle Tätigkeiten des Gesamtmanage-

Leitthema

1150 |  Der Urologe 8 · 2014

ments, die im Rahmen des Qualitäts-managementsystems die Qualitätspoli-tik, die Ziele und Verantwortungen fest-legen sowie diese durch Mittel wie Qua-litätsplanung, Qualitätslenkung, Quali-tätssicherung/Qualitätsmanagementdar-legung und Qualitätsverbesserung ver-wirklichen“.

D Das Ziel des Qualitätsmanage-ments ist die Verbesserung der Qualität der ärztlichen und der pflegerischen Abläufe.

Sie dienen aber auch dem bedarfsgerech-ten und wirtschaftlichen Betrieb von Ein-richtungen. Das Qualitätsmanagement soll die interne systematische Führung der Serviceprozesse lenken, die Quali-tätsüberwachung beschränkt sich auf die retrospektive Bewertung der festgeleg-ten Qualitätsparameter (http://www.stif-tung-gesundheit.de/PDF/studien/Studie_QM_2010.pdf).

Ein bedeutsamer Unterschied im me-dizinischen zum industriellen Qualitäts-management besteht natürlich: für die Medizin existiert kein mechanistisches Modell gibt, das eine zuverlässige Mes-sung von Prozessabläufen begründen könnte. Ebenso ist eine zuverlässige Mes-sung der Ergebnisqualität in der Medizin im Vergleich zur industriellen Fertigung sehr eingeschränkt, da es keine allgemein gültigen oder unumstrittenen Indikatoren zur Messung von Behandlungserfolg gibt. Im Gegensatz zu einem standardisierten Industrieprodukt lässt sich die Behand-lungsqualität nur unter Berücksichtigung des individuell betroffenen Menschen be-urteilen.

Trotzdem sind die aus der interna-tionalen Standardisierung (z. B. nach ISO 9000) bekannten Regeln der Technik auch Grundlage des Qualitätsmanage-ments in der Medizin geworden. Ver-antwortlich dafür sind die Gesundheits-politik und die öffentliche Meinung so-wie nicht unerheblich auch die sozialge-setzliche Verpflichtung von Ärzten, Klini-ken und Krankenkassen nach SGB V, da-rin enthalten z. B. die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit.

Internes Qualitätsmanagement in Krankenhäusern

Eine zunehmende Zahl von Krankenhäu-sern erfasst Prozessdaten fortlaufend mit dem Ziel eines mitlaufenden Qualitäts- oder Risikomanagements. Da gesetzliche Regelungen über die Weitergabe von Sta-tistikdaten bislang weitgehend fehlen, ist dies aber nur wenig ausgeprägt.

Die bestehenden gesetzlichen Grund-lagen gemäß § 135a und § 137 benennen die Verpflichtung zur Qualitätssicherung und die Einführung/Weiterentwicklung eines Qualitätsmanagements. Darüber hinaus wird der Gemeinsame Bundes-ausschuss (G-BA) verpflichtet, für die ver-tragsärztliche Versorgung und für zuge-lassene Krankenhäuser grundsätzlich und für alle Patienten einheitlich durch Richt-linien die verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie die grund-sätzlichen Anforderungen an ein einrich-tungsinternes Qualitätsmanagement fest-zulegen.

Institutionen zur Qualitäts- sicherung in der Medizin

Zahlreiche Institutionen für Qualitätsma-nagement in der Medizin wurden bislang ins Leben gerufen, die bisher konkurrie-rend und überlappend agieren. Diese sind die Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (GQMG), eine Fachgesellschaft für Qualitätsma-nagement in den Einrichtungen des Ge-sundheitssystems, die Positionspapiere und Empfehlungen herausgibt. Das Ärzt-liche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) ist ein gemeinsame Kompetenz-zentrum von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung zur Erarbeitung medizinischer Leitlinien und Patienteninformationen und auch zustän-dig für andere Themen wie Patientensi-cherheit, evidenzbasierte Medizin, Qua-litätsindikatoren und medizinisches Wis-sensmanagement. Das ÄZQ ist z. B. als Wissensmanagementdienstleister maß-geblich an der Erstellung der S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom beteiligt.

Die Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ) stellt eine Branchenlösung für das Ge-sundheitswesen dar, ist eine als GmbH

eine eigenständige Rechtsperson und zer-tifiziert das Qualitätsmanagement von Kliniken, bislang mehr als 2000. Das KTQ wurde vom Bundesministerium für Ge-sundheit gefördert. Dann gibt es das Insti-tut für Qualitätsmanagement im Gesund-heitswesen (IQMG), das es sich zur Auf-gabe gemacht hat, Qualitätsmanagement-instrumente für den Gesundheitssektor zu entwickeln und ein Qualitätsmanage-ment-Programm-Reha (IQMP-Reha) ent-wickelt hat.

Weitere Akteure sind das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge-

Zusammenfassung · Abstract

Urologe 2014 · 53:1150–1155DOI 10.1007/s00120-014-3540-2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

O.W. Hakenberg · A. Schroeder

Qualitätssicherung, Zertifizierung und das neue Institut für Qualität in der Medizin

ZusammenfassungDer Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Gründung eines neuen Instituts für Qualitätssicherung vor, das auf gesetzli-cher Grundlage Transparenz in der Qualitäts-bewertung von Krankenhäusern für die Öf-fentlichkeit schaffen soll. Wie ordnet sich ein solches Institut in die bestehende Land-schaft des Qualitätsmanagements in der Me-dizin ein?

SchlüsselwörterInstitut für Qualität · Koalitionsvertrag · Qualitätsmanagement · Qualitätssicherung · Zertifizierung

Quality assurance, certification and the new Institute for Quality in Medicine

AbstractThe political partners of the new coalition federal government in Germany have agreed on the founding of a new Institute for Qual-ity in Medicine based on a law regulating more transparency in the quality assessment of hospitals. How can such an institute find its place in the already existing diverse land-scape of quality control and quality manage-ment in the German health care system?

KeywordsInstitute for quality · Legislation, medical · Quality management · Quality assurance · Certification

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sundheitswesen (IQWiG), ein unabhängi-ges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten bewerten soll. Es soll wis-senschaftliche Bewertungen erarbeiten, welche Vor- und Nachteile verschiede-ne Therapien und Diagnoseverfahren ha-ben. Das IQWIG erstellt z. B. Stellungnah-men zu neuen Medikamenten für den G-BA, der dann darüber befindet, ob diese einen Zusatznutzen für die Patienten ha-ben oder nicht. Auch äußert sich die Lei-tung des IQWIG z. B. gerne zum Nutzen eines PSA-Screenings.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hatte zunächst gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband, den HELIOS-Kliniken und dem Forschungs- und Ent-wicklungsinstitut für das Sozial- und Ge-sundheitswesen Sachsen-Anhalt begon-nen, ein Qualitätsmessverfahren auf der Basis von Routinedaten zu entwickeln, mit dem Fokus auf der Ergebnisqualität. Dies wird z. B. im AOK-Krankenhaus-navigator dargestellt, in dem Ergebnis-se von Behandlungen anhand möglicher Komplikationen bewertet werden. Für die externe Qualitätssicherung sind das IQMG und das Institut für angewand-te Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA-Institut) zu-ständig

Externes Qualitätsmanagement der deutschen Krankenhäuser

Krankenhäuser folgen bisher den Vorga-ben zur Qualitätssicherung und melden dazu Statistikdaten für retrospektive Be-trachtungen an das IQMG. Diese exter-ne Qualitätsbewertung der Krankenhäu-ser umfasst Vergleiche zwischen verschie-denen Kliniken auf der Basis von mess-baren Daten (Qualitätsindikatoren). Eine unmittelbare Qualitätsverbesserung wird dabei nicht bewirkt.

Ziele der externen Qualitätssiche-rung sind die Sicherung eines akzeptab-len Qualitätsniveaus in der Patientenver-sorgung sowie mehr Transparenz von Er-gebnissen der Behandlungen. Um dies zu erreichen, werden nach Vorgaben des G-BA vergleichbare Daten in allen Kran-kenhäusern für ausgewählte Operationen und Diagnosen gesammelt, auf Basis fest-gelegter Qualitätsmerkmale anonymisiert

ausgewertet und jährlich als Bericht an die Krankenhäuser zurückgesandt.

Rechtsgrundlage für die externe Qua-litätssicherung sind wiederum § 135a und § 137 SGB V. Der G-BA erstellt praktische Vorgaben für die Krankenhäuser und seine Richtlinien sind bindend. Landes-geschäftsstellen für Qualitätssicherung der Landesärztekammer oder Landes-krankenhausgesellschaften sammeln die Daten. Das nominal unabhängige AQUA-Institut wertet die Daten auf Bundesebe-ne aus. Einbezogen in diese externe Quali-tätssicherung sind zurzeit 30 Operationen und Diagnosen (z. B. Hüftendoprothesen, Nierentransplantation).

Bei wesentlichen Abweichungen vom Referenzbereich schließt sich für die be-troffene Klinik ein sog. „strukturierter Dialog“ an, eine schriftliche Stellung-nahme wird eingefordert, theoretisch um konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu erzielen. Vom G-BA ausgewählte Ergeb-nisse der externen Qualitätssicherung müssen alle 2 Jahre in einem Qualitätsbe-richt von den Kliniken veröffentlicht wer-den.

Qualitätsmanagement in der ambulanten Versorgung

Vertragsärzte sind ebenfalls gesetzlich zum Qualitätsmanagement verpflich-tet. Dies wird geregelt durch die Richt-linie zum Qualitätsmanagement des G-BA. Eines der für niedergelassene Ärz-te entwickelten Systeme ist „Qualität und Entwicklung in Praxen“ (QEP), welches von ca. 25% der niedergelassenen Ärz-te genutzt wird [4]. Besondere Bedeu-tung für die Praxis hat auch die nach § 4a Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) für laboratoriumsmedizi-nische Untersuchungen im Bereich der Heilkunde vorgeschriebene ständige in-terne Qualitätskontrolle mit Teilnahme an Ringversuchen nach der Richtlinie der Bundesärztekammer (Rili-BÄK), mit Do-kumentations- und 5-jähriger Archivie-rungspflicht [5].

Insgesamt beschäftigen sich also sehr viele Institutionen mit Qualitätssiche-rung und -management im Gesundheits-wesen. Zusätzlich zu den bereits genann-ten sind dies noch die Ärztekammern und die Bundesärztekammer, die Kassenärzt-

liche Vereinigungen und die Kassenärzt-liche Bundesvereinigung, das Institut für Qualität & Patientensicherheit (BQS), die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli-chen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krankenhausge-sellschaft (DKG) und der Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dazu kommen noch Qualitätszirkel im niedergelassenen und Klinikbereich.

Die Pläne der Bundesregierung zum Institut für Qualitätssicherung

Im Koalitionsvertrag der Parteien, die die Bundesregierung stellen, wurde festgelegt, dass die sektorübergreifende Qualitätssi-cherung mit Routinedaten ausgebaut wer-den soll. Weiter heißt es: „Wir werden ge-setzlich ein Institut gründen, das dauer-haft und unabhängig die Qualität der am-bulanten und stationären Versorgung er-mittelt und dem G-BA Entscheidungs-grundlagen liefert“. Dazu sollen die ge-setzlichen Krankenkassen verpflich-tet werden, dem Institut geeignete pseu-donymisierte Routinedaten zur Verfü-gung zu stellen. In dem neu zu gründen-den Qualitätsinstitut sollen sektorenüber-greifend Routinedaten gesammelt, aus-gewertet und einrichtungsbezogen ver-öffentlicht werden. Das Qualitätsinstitut soll auch online einsehbare Vergleichslis-ten von Krankenhäusern führen, auch um zu bewerten, ob die Vielzahl von in Kran-kenhausfluren oder Arztpraxen hängen-den Zertifikate und Qualitätssiegel, Qua-lität zuverlässig abbilden.(Koalitionsver-trag von CDU, CSU und SPD. http://www.cdu.de).

Bedeutsam ist, dass nach den Vorstel-lungen der Bundesregierung zukünftig Qualität und Vergütung verknüpft wer-den sollen: „Gute Qualität muss sich für die Krankenhäuser auch finanziell loh-nen. Das heute bestehende System der Mehrleistungsabschläge wollen wir dabei differenzieren: Leistungen mit nachgewie-sen hoher Qualität können von Mehrleis-tungsabschlägen ausgenommen werden, für besonders gute Qualität sind Zuschlä-ge möglich. Umgekehrt sollen bei unter-durchschnittlicher Qualität für einzelne Leistungen auch höhere Abschläge mög-lich sein. Die Qualität soll dabei risikoad-

justiert und anhand wesentlicher Indika-toren gemessen werden“.

Der Gesetzentwurf, der dies regelt, liegt bereits vor [Gesetz zur Weiterent-wicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Kranken-versicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG)] und sieht vor, dass die Re-gelungen zum neuen Qualitätsinstitut be-reits Mitte 2014 in Kraft treten sollen, die Rechtsform des Instituts wird das einer Stiftung sein, bereits 2015 soll es seine Arbeit aufnehmen, über den Sitz ist noch nicht entschieden.

Die Abgrenzung gegenüber dem IQWIG ist nach Verlautbarung des Bun-desgesundheitsministeriums eindeutig: das IQWiG bewertet mit gesetzlichem Auftrag wissenschaftlich, inwieweit neue Therapien und Methoden einen Mehr-wert für die Patienten bringen und die-se Bewertungen sind die Entscheidungs-grundlage für den G-BA, ob neue Leis-tungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufge-nommen werden. Das neue Qualitätsins-titut soll Verfahren und Instrumente ent-wickeln, die sicherstellen, dass diagnos-tische und therapeutische Leistungen in sachgerechter Weise und in der erforder-lichen Qualität erbracht werden. Soweit die Planungen.

Diskussion

Bemühungen und Regelungen zur Qua-litätssicherung und zum Qualitätsma-nagement gibt es also schon reichlich. Das neue Institut soll aus den Routine-daten der GKV Möglichkeiten zur verglei-chenden Qualitätsbewertung erarbeiten. Dies ist sicherlich keine einfache Aufgabe, nachdem bisherige diesbezügliche Versu-che oft wenig ergiebig gewesen sind.

Jahrelang mussten die Kliniken schon Datensammlungen zur Qualitätssiche-rung bei der TUR-P und der Nieren-transplantation für das BQS durchfüh-ren. Der Erkenntnisgewinn war ge-ring, die TUR-P Dokumentation wur-de aus diesem Grund schließlich einge-stellt. Für die Nierentransplantation exis-tieren gleich zwei externe Dokumenta-tionen, eine für das AQUA-Institut und eines für die Deutsche Stiftung Organ-

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Leitthema

transplantation (DSO). Der Nutzen die-ser Doppel dokumentation erschließt sich nicht. Beide Qualitätssicherungssysteme waren unfähig, die Unregelmäßigkeiten bei der Leberallokation in einigen Zent-ren zu erkennen. Eine wirkliche Verbes-serung durch diese Dokumentationen ist nicht zu erkennen, aber nachdem die ge-samte Transplantation durch die Hand-lungen einzelner Krauthobels Chirurgen in Verruf gekommen ist, besteht gegen-wärtig kaum eine Chance, diese Redun-danzen abzubauen.

Im Rahmen der Qualitätssicherung wird Medizin wird heute bewusst als Dienstleistung definiert, das 19. Jahrhun-dert mit dem Verständnis der Heilkun-de als Kunst ist lange vorbei. Auch sind Betrachtungsweisen, die zumindest Teile der Medizin als Handwerk ansehen, vie-len Laien sehr eingängig. Damit kann das Massenprodukte standardisierten Quali-tätskriterien unterwerfen werden. Die Er-gebnisqualität soll gleichbleibend hoch sein, Ausrutscher soll das System verhin-dern. Zur Messung der medizinischen Er-gebnisqualität fällt dem Laien zuallererst immer die operative Sparte der Medizin ein. Was in der Fließbandproduktion von Fahrzeugen möglich ist, muss doch auch bei der standardisierten Operation der immer gleichen Anatomie des Menschen möglich sein. Daher haben wir immer mehr und zunehmend Qualitätssicherung bei operativen Eingriffen. In dieser Weise sind wir heute gehalten, alles, was wir in der Medizin tun, mit gesicherter Qualität Tag für Tag zu erledigen.

Und v. a. ist Qualitätsmanagement Vo-raussetzung für Zertifizierungen jedwe-der Art. Diese wiederum brauchen wir aber, um die Klinik oder die Praxis wett-bewerbsfähig zu halten. Zertifikate, die man gerahmt aufhängen kann oder de-ren Logos den Briefbogen zieren, sind begehrt, es sei denn jeder hat es. Wenn das neue Institut nach dem Wunsch der Bundesregierung auch eine Bewertung von unterschiedlichsten Zertifikaten vor-nimmt, von denen etliche schlicht käuf-lich sind, ist dies sicherlich zu begrüßen. Ein nicht ganz unbedeutender Punkt sind die Kosten der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements.

Die gesetzlichen Vorgaben sind nirgend-wo abgebildet und werden aus dem Be-stehenden erfüllt. Die zusätzlich ge-wünschte Dokumentation, der Aufbau und die Pflege eines Qualitätsmanage-mentsystems, wenn z. B. das Klinikum gerne ein Prostatakrebszentrum hätte, er-fordern erhebliche Vorarbeit und immer wiederkehrende Dokumentationsarbeit, die auch aus dem Bestand heraus geleistet werden muss. Die externe Zertifizierung durch Firmen, die geschickter Weise jähr-lich zu wiederholen ist, kostet darüber hi-naus echtes Geld, das jedes Jahr aufs Neue bezahlt werden muss. Hier hat sich eine durchaus lukrativ arbeitende Branche eta-bliert, deren Geschäftsmodell die Zertifi-zierung ist und deren Gewinn darin be-steht, möglichst viele Kliniken und Pra-xen extern zu zertifizieren und letztend-lich ein „Gütesiegel“ zu verkaufen. Diese Kosten sind nicht unbedingt produktiv, sie sind keine Investitionen, die die Pro-duktion verbessern oder steigern. Oder doch?

Zunächst einmal sind all diese Maß-nahmen im Rahmen des Wettbewerbs notwendig, um „am Markt“ bestehen zu können. Ob das hehre Ziel, dass hier-durch die Ergebnisqualität der Behand-lung wirklich verbessert wird, in irgend-einer Weise erreicht wird, ist völlig offen. Das einzige, was die Prostatakrebszent-ren z. B. nachweislich erreichen, ist die Einhaltung von Struktur- und Prozess-qualitätsmerkmalen. Eine Verbesserung von Kontinenz- und Potenzraten oder eine Senkung der biochemischen Rezidi-ve nach Strahlentherapie wird durch die-se Zertifizierungen nicht erreicht; jeden-falls gibt es keinerlei wissenschaftlichen Beweis dafür.

Für die Behandlung des Hodgkin-Lymphoms in Deutschland wurde bereits nachgewiesen, dass die Ergebnisqualität (progressionsfreies Überleben) bei der Behandlung in Praxen nicht anders ist als in zertifizierten Zentren [6]. Aus den USA mehren sich Daten, die akkreditier-ten Zentren zwar bessere dokumentierte Struktur- und Prozessqualität, aber keine bessere Ergebnisqualität bescheinigen [7]. Die enorme Komplexität solcher Frage-stellungen ist evident; daher wird es eine formidable Aufgabe für das neue Quali-

tätsinstitut sein, aus den statistischen Roh-daten der GKV zuverlässige und allseits akzeptierte Qualitätsindikatoren heraus-zufiltern.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. O.W. HakenbergKlinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsmedizin Rostock,Schillingallee 35, 18057 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  O.W. Hakenberg und A. Schroe-der geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

1.  Behrens J (2001) Erfolgsfaktor Qualitätsmanage-ment. Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit. Beispiele aus der Praxis. BW, Bildung-und-Wissen-Verlag, Nürnberg, ISBN 3-8214-7605-2

2.  Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. (1995) Be-griffe zum Qualitätsmanagement, DGQ-Schrift. Nr. 11-04. Neu bearbeitet durch den DGQ-Lenkungs-ausschuss Gemeinschaftsarbeit (LAG), 6. Aufl. Beuth, Berlin, ISBN 3-410-32860-2

3.  Preißner A (2006) Balanced Scorecard anwenden. Kennzahlengestützte Unternehmenssteuerung (= Pocket-Power, Controlling. Bd. 305), 2. Aufl. Han-ser, München, ISBN 3-446-40738-3

4.  QMA (2014) Qualitätsmanagement in der ambu-lanten Versorgung, Lehrbuch und Glossar (Hrsg. BÄK, KBV, ÄZQ). http://www.aezq.de/aezq/kom-pendium_q-m-a

5.  Bundesärztekammer (2014) Richtlinie der Bun-desärztekammer zur Qualitätssicherung laborato-riumsmedizinischer Untersuchungen – Rili-BÄK. Bundesärztekammer, berlin. http://www.baek.de

6.  Klimm B et al (2012) Einfluss von onkologischen Behandlungszentren auf den Therapieerfolg beim Hodgkin-Lymphom. Dtsch Arztebl Int 109(51–52):893–899. doi:10.3238/arztebl.2012.0893

7.  Merkow RP et al (2014) Relationship between cancer center accreditation and performance on publicly reported quality measures. Ann Surg 259(6):1091–1097

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