qualität und risiko: auf diese steine können sie bauen…

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Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes mussten die Auto- mobilhersteller im Jahr 2003 insgesamt 144 Rückrufaktionen durchführen. Insgesamt waren 939.884 Fahrzeuge betroffen. In den letzten fünf Jahren ist die Anzahl der Rückrufe um fast 70 Prozent gestiegen. Die bisher teuerste Aktion (der Rückruf des Ford Explorer in den USA) verursachte einen Schaden von schät- zungsweise 3 Milliarden US-Dollar. Qualität und Risiko

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Page 1: Qualität und Risiko: Auf diese Steine können Sie bauen…

Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes mussten die Auto-mobilhersteller im Jahr 2003 insgesamt 144 Rückrufaktionendurchführen. Insgesamt waren 939.884 Fahrzeuge betroffen. Inden letzten fünf Jahren ist die Anzahl der Rückrufe um fast 70Prozent gestiegen. Die bisher teuerste Aktion (der Rückruf desFord Explorer in den USA) verursachte einen Schaden von schät-zungsweise 3 Milliarden US-Dollar.

Qualitätund Risiko

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11RISKNEWS 02/04

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Um die „Risiken und Nebenwirkungen“ zuminimieren, wurden die Qualitäts- und Zulas-sungsanforderungen für neue Medikamentein den letzten Jahren erheblich verschärft.Einzelne Medikamente werden heute an biszu 30.000 Probanden getestet, bevor sie aufden Markt kommen. Doch trotz der strengenZulassungsvoraussetzungen und ausgefeilterinterner Systeme zur Qualitätssicherung ste-hen die Unternehmen vielen Risiken macht-los gegenüber. So wurde im Jahr 1982 dasvon Johnson & Johnson hergestellte ProduktTylenol von Unbekannten mit einem tödli-chen Gift versehen. Die unmittelbaren Folgenwaren katastrophal: Tylenol verlor innerhalbvon zwei Wochen 87 Prozent seines Markt-anteils. Die Rückrufkosten beliefen sich aufüber 100 Millionen Dollar.

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Ein Lebensmittelskandal jagt den nächsten:Unsere Nahrung ist mit dem KunststoffAcrylamid belastet, Eier und Hühnerfleischaus Belgien sind dioxinverseucht usw. ZurÜberprüfung der Qualitätsstandards undMinimierung von Risiken führt das Bundes-amt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-sicherheit jährlich ein Lebensmittel-Moni-toring durch. Hühnereier werden hierbei aufdie folgenden Giftstoffe untersucht: Bromo-cyclen, Chlordan-cis, Chlordan-oxy, Chlordan-trans, DDD-pp’, DDE-pp’, DDT-op’, DDT-pp’,Delta-Ketoendrin, Dieldrin, Endosulfan-alpha,Endosulfan-beta, Endosulfansulfat, Endrin,HCB, HCH-alpha, HCH-beta, Heptachlore-poxid-cis, Lindan, Moschus-Keton, Moschus-Xylol, PCB 138 , PCB 153, PCB 180.

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Die Kennzeichnung „Made in Germany“ war1887 in England eingeführt worden, um dieBevölkerung vor deutschen Produkten zuwarnen. Die Pläne der EU-Kommission zurAbschaffung nationaler Herkunftsbezeich-nungen (wie z. B. „Made in Germany“) riefenzu Jahresbeginn heftige Empörung hervor.

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In Folge der enormen Schadensersatzforde-rungen aufgrund von Asbestklagen musstenbislang über 60 US-Unternehmen Insolvenzanmelden. Vor amerikanischen Gerichten lau-fen derzeit ungefähr 200.000 Verfahren ge-gen Firmen, die den Dämmstoff produziertund verarbeitet hatten.

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Page 7: Qualität und Risiko: Auf diese Steine können Sie bauen…

Qualität [lateinisch »Beschaffenheit,

Eigenschaft«] die,

Philosophie: in Aristoteles’ Ontologie die

wesentliche Eigenschafteines Dings, die es zu dem

macht, was es ist;

in Kants Erkenntnistheorieeine Urteilsart und einer derdie Erfahrung aufbauenden

Verstandesbegriffe. (Quelle: Brockhaus)

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Premiumanspruch, nur nicht in der Qualität ...

Der designierte Mercedes-Chef Wolfgang Bern-hard brachte es jüngst auf den Punkt: „Qualitätsteht an erster Stelle, Kosten stehen an zweiterStelle, und dann kommt lange nix. Qualität istdas Fundament unserer Zukunft.“ In den ver-gangenen Jahren ist insbesondere der Kosten-aspekt bei vielen Unternehmen stark in denVordergrund gerückt, wodurch die Qualität ge-litten hat. Bei DaimlerChrysler führte dies dannzu Elektronikproblemen bei der E-Klasse, einerschlechten Verarbeitung bei der M-Klasse undeinem katastrophalen Abschneiden bei Kunden-zufriedenheitsstudien. So befragte das CenterAutomotive Research (CAR) vor einigen Monatenim Auftrag des ADAC etwa 40.000 Autofahrernach deren Zufriedenheit. Die Kunden solltensich zu ihren Erfahrungen mit ihrem Auto imAllgemeinen sowie zu Werkstattbesuchen äußern. Die ersten sieben Plätze gingen komplettan japanische Marken. Platz 1 wird von Toyotabelegt, direkt gefolgt von Subaru. Die deutschenHersteller landen im Bereich der Kundenzufrie-denheit weit abgeschlagen auf den hinterenRängen. So rangiert Audi auf Platz 26. Dieangebliche Premiummarke Porsche muss sichmit dem achten Rang begnügen. BMW landetauf Platz 11 und Mercedes kann die schlechteste

Produktzufriedenheit unter allen 33 untersuch-ten Marken für sich beanspruchen. Nicht bessersieht es bei einer weiteren CAR-Befragung zurQualität aus. Auch hier ist Toyota einsamerSpitzenreiter, gefolgt von Mazda, Nissan undMitsubishi. Erst auf dem fünften Platz folgt mitBMW eine deutsche Marke. Mercedes landet aufPlatz 6. „Vom guten Stern zur Allerweltsmarke“,fassen die Tester zusammen. Die Befragungführte zu einem verblüffenden Ergebnis: dendeutschen Fahrzeugen fehlt es ausgerechnet an dem, wofür sie berühmt sind, nämlich anQualität. Oder kurzum: Premiumanspruch beimPreis aber nicht bei der Qualität:

Risikomanagement — „Modewelle“ mitnur kurzer Halbwertzeit

Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre(Produktrückrufkosten, Schadenersatzklagen, Reputationsschäden etc.) sollte allen Entschei-dungsträgern klar sein, dass ein gutes Quali-tätsmanagement die Risiken des Unternehmensganz wesentlich reduzieren kann. So könnenetwa das Risiko eines Produktrückrufs oderauch potenzielle Haftungsrisiken vermieden oderzumindest minimiert werden.

Neben einem guten Qualitätsmanagement soll-ten die Unternehmenslenker jedoch auch das

Qualität und Risiko:Auf diese Steine können Sie bauen ...

Gutes Qualitätsmanagement senkt die Risiken, gutes Risikomanagement stei-gert die Qualität. Beide Ansätze haben mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt.Die Vorgehensweise, sich beim Umgang mit Risiken allein auf das (in allerRegel bereits bestehende) Qualitätsmanagement zu verlassen, könnte sichallerdings als gefährlicher Trugschluss erweisen. Zwar besitzen viele der dortdefinierten Prozesse und Kennzahlen mit Sicherheit auch große Relevanz fürdas Risikomanagement, allerdings reflektieren diese in vielen Fällen nur einenrelativ kleinen Teilausschnitt im Bereich der eigentlichen Leistungserstellung.Wesentliche Risiken, insbesondere solche strategischer Natur wie beispiels-weise Reputationsrisiken, abrupte Technologiesprünge oder das Aufkommenneuer Wettbewerber lassen sich dadurch nicht erkennen. Ebenso wenig kannein Qualitätsmanagementsystem die Bewertung und Steuerung derartigerRisikofaktoren leisten.

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Risikomanagement in ihre „To-Do-Liste“ auf-nehmen. Oder noch besser: Sie sollten beideUnternehmensinseln miteinander verknüpfen.So wird ein noch so ausgefeiltes Qualitätsma-nagement nicht helfen, Risiken strategischerNatur, wie beispielsweise Reputationsrisiken,abrupte Technologiesprünge oder das Aufkom-men neuer Wettbewerber vollständig zu vermei-den. Ein Qualitätsmanagement unterstützt dieUnternehmen vor allem nicht bei der Identifika-tion und Bewertung solcher Risiken. Ebensowenig kann ein Qualitätsmanagementsystemdie Steuerung und den Transfer potenziellerRisiken leisten.

„Vor sechs Jahren hat mir die Einführung unse-res EFQM- und DIN EN ISO 9000-Qualitätsma-nagement-Systems den letzten Nerv geraubt.Ich habe keine Lust, das gleiche noch mal beimdem Thema ‚Risikomanagement’ durch zu ma-chen.“, erzählte uns kürzlich der Geschäftsführereines mittelständischen Maschinenbaubetriebs.Wird womöglich in drei, fünf oder zehn Jahrenüberhaupt noch jemand von „Risikomanage-ment“ reden? Oder wird es sich in die langeReihe der Management-Ansätze einreihen, dienach kurzer Blüte wieder in der Versenkung verschwanden:

1989: Management-Kybernetik1990: Lean Production und Chaos Management1991: Just-in-time

Kaizen und Lernende Organisation1992: Zen-Management, Evolutionäres

Management, Liberation Management1993: Reengineering, Komplementäres

Management & Total Quality Management1994: Fraktale Organisation1995: Empowerment und Dialog-Management1996: Coopetition und Change Management1997: Human Performance Management und

Wissens-Management1998: Complexity Management und

Simulationsmanagement1999: Performance Improvement und

Schnittstellenmanagement2000: Werte-Management und Emotionale

Effizienz2001: Management der drei Horizonte

und so weiter und so weiter …

Ein integrierter Ansatz ist gefragt

Schillernde Begriffe für einen bunten Strauß vonProblemlösungs-Rezepturen. Manchmal kann manallerdings den Problemlösungs-Gehalt nur sehrschwer von elegant etikettierter Verpackungs-kunst unterscheiden. Sowohl beim Aufbau eines

Qualitäts- als auch eines Risikomanagements sollte man sich daran erinnern, dass in beidenDisziplinen der Begriff „Management“ vorkommtund sich dieser vom lateinischen „manumagere“ ableitet: jemanden an der Hand führen.

Sowohl Qualitäts- als auch Risikomanagementsollte nicht als jeweils einzelner „Silo“ im Unter-nehmen aufgebaut werden und sich nicht aufdie formale Erfüllung von regulatorischen bzw.gesetzlichen Anforderungen reduzieren. Viel-mehr sollten Qualitäts- und Risikomanagementzentrale Bausteine einer wertorientierten Un-ternehmenssteuerung sein. Die Maximierung desUnternehmenswertes ist dabei die wesentlicheSteuerungsgröße bei der Führung jedes Unter-nehmens. Dies kann im Wesentlichen durch die folgenden Steuerungsmöglichkeiten erreichtwerden:

� Steigerung des Umsatzes (etwa basierend aufeiner guten Qualität),� Steigerung der Umsatzrentabilität (etwa basie-rend auf Kostenreduktionen bei gleich bleiben-der Qualität),� Effizientere Kapitalnutzung (etwa basierendauf einer Optimierung des ökonomischen Kapi-tals oder einem guten Forderungsmanagement),� Vermeidung und Reduzierung von Risiken(etwa basierend auf einem guten Risikomanage-ment).

Unternehmen, die über ein gutes Qualitätsma-nagement verfügen, erkennen recht schnell,dass der Schritt zum Risikomanagement ein sehrkurzer ist, da das Rad kein zweites Mal erfundenwerden muss. Die Informationen, die ein Unter-nehmen beim Aufbau eines Qualitätsmanage-ments gesammelt hat, können direkt auch indas Risikomanagement einfließen. Sowohl derProzess des Qualitätsmanagements als auch derProzess des Risikomanagements basiert auf einerRegelkreislogik, d. h. die einzelnen Prozessschrit-te müssen periodisch wiederholt werden.

Sehr häufig findet man in Unternehmen sehrdetaillierte Qualitäts- und Risiko-Handbücher, -Verfahrensanweisungen, -Audits und -Berichte.Gelebt wird jedoch weder das eine noch dasandere. Für den Erfolg eines integrierten Qua-litäts- und Risikomanagement-Systems ist ent-scheidend, dass alle Mitarbeiter mitmachen undsich damit identifizieren können.

Denn es gilt: „Qualität hat man erreicht, wennder Kunde wiederkommt - und nicht das Produkt.“<fr/re>

17RISKNEWS 02/04

Die EFQM (European Foundation forQuality Management), die von führenden europä-ischen Unternehmengegründet wurde, zielt aufumfassende Qualität ineinem Betrieb oder einemTeil eines Betriebes. Das EFQM-Modell kenntneun Kriterien mit insgesamt dreiunddreißigSubkriterien mit denen es versucht, einen Betriebmöglichst vollständig zu erfassen.

Die DIN EN ISO 9000 ff.sind die von der International Organizationfor Standardization (ISO) erarbeiteten ISO-Normen,die von den Mitgliedsländern unverändert übernommenwerden sollen, z. B. in der BundesrepublikDeutschland als DIN ISO-Normen.

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