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Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen und ihre forensische Relevanz Teil 3 1 Manuela Dudeck

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Page 1: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen und ihre

forensische Relevanz Teil 3

1

Manuela Dudeck

Page 2: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Internationale Klassifikation psychischer

Störungen (ICD-10) der WHO, 1994

F0 Organisch, einschließlich symptomatischer psychischer

Störungen

F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope

Substanzen

F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen

F3 Affektive Störungen

F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen

F5 Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen

Störungen und Faktoren

F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

F7 Intelligenzminderung

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Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen nach ICD-10

F 40 phobische Störungen z.B. Agoraphobie mit/ohne Panikstörung F 41 sonstige Angststörungen z.B. Generalisierte Angststörung F 42 Zwangsstörungen F 43 Reaktionen auf schwere Belastungen und

Anpassungsstörungen z.B. Posttraumatische Belastungsstörung F 44 dissoziative Störungen z.B. Amnesie, Fugue, Stupor F 45 somatoforme Störungen F 48 sonstige neurotische Störungen

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4

• weltweit 1 - 3 % der Bevölkerung*

• „the hidden disease“

• 1 Mio. Erkrankte in Deutschland

• zumeist chronisch - episodische Verläufe

Zwangsstörungen

*Bebbington, 2000; Grabe et al. 2000,2001; Kano et al. 1988

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Subsyndromale Zwangssymptome

• Kontrollieren der Elektrogeräte vor einem längeren Urlaub

• Kontrollieren des Inhalts und der Anschrift eines wichtigen

Briefs

5

Kontrollzwänge

Wasch-/Putzzwänge

Symmetriezwänge

Ordnungszwänge

Wiederholungszwänge

Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken

Zwangssymptome

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6

Genetische

Faktoren,

familiäre

Belastung mit

Zwangsstörung

Stress

Belastende

Lebensereignisse

(z.B. Hausbau,

Geburt Kind,

sexuelle Erfahrung,

Tod Angehöriger

Biologische Faktoren

PANDAS als Kind,

Imbalancen im

Transmitterhaushalt,

Hyperaktivität im

Frontalhirn, strukturelle

Veränderung,

neurologische

Erkrankung

Hormonelle

Veränderungen

Persönlichkeits-

eigenschaften:

z.B. Ängstlichkeit,

hohe

Schadensvermeidung,

Perfektionismus,

Impulsivität,

Risikovermeidung,

Genauigkeit,

Pedanterie, Rigidität

Erziehung:

Bindung,

Kontrolle,

Überfürsorge

,

Ängstlichkeit

der Eltern

Umgang mit

Stress

(Coping)

Nicht-funktionale

(falsche)

Überzeugungen

Vulnerabilitäts-Stress Modell der Zwangsstörung

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Kognition-Neutralisierung-Konditionierung

am Friedhof vorbeifahren Triggernder Stimulus

Aufdringl. Gedanke jemand aus der Familie

könnte sterben

Automat. Gedanke So etwas darf ich nicht

denken. Ich muss es

verhindern. Anspannung

Angst

Neutralisieren= Zwang

positives Gegenbild

vorstellen

beten

anrufen

II. Neg.Verstärkung

I. Angstreduktion

kognitives Modell für Zwänge nach Salkovskis und Warwick, 1988

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Therapieoptionen

• Exposition-Reaktionsmanagement (Video)

• Pharmakotherapie-SSRI/Atypika

• Kognitive Therapie

• Psychodynamische Therapie

• Tiefenhirnstimulation

N. accumbens

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Trauma & Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)

Alle berühmten Moralisten der Vergangenheit haben darauf

hingewiesen, dass bestimmte Ereignisse unauslöschliche

quälende Erinnerungen hinterlassen- Erinnerungen, die den

Leidenden ständig heimsuchen und ihn Tag und Nacht

quälen (Janet, 1919)

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Trauma: Definition gemäß WHO

Ein kurz oder lang anhaltendes Ereignis oder

Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung

oder mit katastrophalem Ausmaß, dass nahezu

bei jedem Betroffenen eine tief greifende

psychische Verzweiflung und Hilflosigkeit

auslösen würde

11

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Trauma: Definition (Fischer und Riedesser, 1998)

• … vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten

12

Bedrohung Bewältigung

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Desillusionierung

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Dauerhafte Erschütterung einer positiven und kontrollierbaren Umwelt eigene Unverletzlichkeit Welt verständlich, kontrollierbar Wahrnehmung des Selbst als positiv und wertvoll

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Posttraumatische Belastungsstörung

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A. Traumakriterium

B. Intrusionen

C. Vermeidung/Numbing

D. Hyperarousal

E. Symptome länger als ein Monat

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Ereignisfaktoren*

Unerwartetheit

Dauer, Schweregrad

Kontrollierbarkeit

Interpersonelle Brutalität

Risikofaktoren**

Alter bei Ereignis

Geschlecht

Frühere Traumata

Frühere psychische Störungen

Peritraumatische Dissoziation

Psychosoziale Variablen

Schutzfaktoren***

Kohärenzsinn

Soziale Unterstützung

Interpretation als einmalig

Temperament

PTSD

Literatur z.B.

* Litz & Roemer, 1996

** Breslau & Davis, 1992

*** Frankl, 1973;

Schützwohl, 1999;

Pennebaker, 1989

Hyperaktivität des limbischen Systems?

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AKZEPTANZ (Einbettung in biografische

Geschichte)

KONFRONTATION

EMDR

Kognitives Umstrukturieren

(Veränderung problematischer

Interpretationen)

Exposition

Abbau von Vermeidung

Erholungsphase:

SICHERHEIT UND STABILITÄT

Symptomlinderung

Therapeutische Beziehung

Aktivierung sozialer Ressourcen

Wesentliche Schritte der Therapie

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Therapie: Debriefing

• Traumazentrierte Frühintervention

– keine Reduktion von psychischem Stress

– keine Risikosenkung für PTSD

– 1 Jahres-Follow-up: erhöhtes Risiko für PTSD (OR 2.01 - 2.88)

Erklärung:

- Unterbrechung des naturalistischen Verarbeitungsprozesses

- Debriefing durch unbekannten Therapeuten

17

Metaanalysen u.a.: Arendt et al., 2001; Rose et al., 2001

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Effektstärken von Therapieformen bei PTSD Bezogen auf Hauptsymptomatik, Fragebogenmaße

(aus: van Etten & Taylor, 1998, Metaanalyse )

Abbrecher-

Raten (%) Prä-Post-Effektstärken

Kognitive Verhaltenstherapie 15,1 1,27 (nach 4 Monaten 1,63)

EMDR 14,4 1,24 (nach 4 Monaten 1,33)

Tiefenpsychologische Therapien 11,0 0,90

Entspannungsverfahren 8,0 0,45

Hypnose 11,0 0,94

Psychotherapie insg. (27 Studien) 14,0 1,17

Trizyklische Antidepressiva 26,4 0,54

MAO-Hemmer 36,4 0,61

Serotonin-Wiederaufn.-Hemmer 36,0 1,38

Pharmakotherapie insg. (17 Studien) 31,9 0,69

Kontrollbedingungen (15 Studien) 16,6 0,43 18

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Studienlage in Maßregel und Gefängnis

Art und Schwere früher

Traumatisierungen

Hohe Prävalenzraten

hinsichtlich Missbrauch und

Vernachlässigung

Driessen et al., 2006

Spitzer et al., 2006

PTBS und Dissoziative Störungen

4-20% Aktualprävalenz von PTBS; 25%

dissoziative Störungen

Kristiansson et al., 2004

Goff et al., 2007

Cycle of sexual violence

Früher sexueller Missbrauch häufiger in

Biographie von Sexualstraftätern

Burton et al., 2002

Salter et al., 2003

Auswirkung von Antisozialität und

Traumata auf Schwere des Delikts

ASPS -> mehr und schwerwiegen-

deres kriminelles Verhalten

Kosson, et al.;2006

Driessen et al., 2006

19

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PTBS - Prävalenzen

Spitzer C, Dudeck M et al., 2001: Journal of Forensic Psychiatry

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Berichtete Traumata

Traumata Alle Traumata in %

PTBS in % Partielle PTBS in %

Körperliche Misshandlung 24.5 9.4 11.3

Verlust relevanter Dritter 24.5 9.4 -

Eigenes Delikt 9.4 7.5 1.9

Sexueller Missbrauch 5.7 1.9 1.9

Emotionale Vernachlässigung 5.7 3.8 1.9

Zeuge bei traumatischen Ereignissen 5.7 1.9 3.8

Folter 5.7 5.7 -

Vergewaltigung 3.8 3.8 -

Politische Repression 2.0 - 1.9

21

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Trauma und PTBS

Drenkhahn & Dudeck, 2007: Neue Kriminalpolitik 22

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Individuelles Risiko von Sexual-und Gewaltdelikten in Abhängigkeit von früher Traumatisierung (N = 1055)

21

***

n.s. *

***p <.001; *p <.05 (Vierfelder-Chi2-Test)

n.s.

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Zusammenfassung Studie I und II

Maßregelpatienten (N = 53)

Gefängnisinsassen (N = 1055)

SHIP-I* (N = 4310)

Traumata (M) 2.0 3.0 0.5

Aktual-PTBS 17.0% 13.7% 1.6%

Opfer-Täter-Transfer (Sex)

ja ja -

22 * Study of Health in Pomerania, BMBF gefördert seit 1997, 2. Katamnesephase

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Dissoziative Störungen Lebenszeitprävalenz dissoziativer Störungen:

• in der Allgemeinbevölkerung 2-12%

• Im klinisch psychiatrischen Bereich ca. 23%

• Sexualstraftäter ca. 70%

• Gewaltstraftäter ca. 50%

• Deliktübergreifend im forensischen Kontext 21-49%

• Psychisch kranke Straftäter > Gefängnisinsassen

25

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Dissoziative experiences and disorders in forensic inpatients (Spitzer et al., 2003)

Instrumente: 1. SCID-D (Steinberg, 1994)

2. FDS (Spitzer et al., 2005)

Ergebnisse:

• 24,5% erfüllten die Kriterien für eine Dissoziative Störung

• 5,7% Dissoziative Amnesie

• 3,8% Depersonalisation

• 15,1 % Nicht näher bezeichnete dissoziative Störung

26

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Truman Capote: Kaltblütig

In der Nacht des 15. November

1959 wurden der Farmer Herb

Clutter (48), seine Frau Bonnie

(45), die Tochter Nancy (16) und

der Sohn Kenyon (15) in ihrem

Haus bei Holcomb, Kansas, auf

grauenvolle Weise umgebracht.

Ein Motiv war zunächst nicht

erkennbar, denn mehr als 40 oder 50

Dollar gab es nicht zu erbeuten. Die

beiden jungen Mörder gingen der

Polizei am 30. Dezember 1959 in Las

Vegas „ins Netz“. Sie wurden am 14.

April 1965 gehängt.

27

Dudeck et al., 2007: Dissoziative Phänomene während der Straftat bei forensischen Patienten – eine

Pilotstudie

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Entwicklungsmodell Trauma-Dissoziation-Delinquenz ( Burgess,1987; Meloy, 1988)

28

Frühere kumulative Traumata:

Missbrauch, Vernachlässigung

Vor-Trauma-Phase: famliäre

Instabilität, Gewalt,Kriminalität,

Substanzmissbrauch, emot.

Isolation

Defizitäre/negative Ich-,Charakter-

undKognitionsentwicklung;path.

Abwehrformen

Prädisposition des traumatisierten

Kindes für Ärger und Groll,

Rachegefühle,-phantasien,

Identifikation mit Gruppenaggression

Trauma-

phase

Nach-

Trauma-

Phase

Mehrere Abwehrebenen beginnen mit Dissoziation, Änderung physiologischer

Zustände: Abstumpfung, Angst, Ausbildung externalisierter aggressiver Acting-Outs,

internalisierender Muster (Vermeidung, Rückzug)

Dissoziation bewirkt massive Blockierung auf: 1.sensorischer Ebene z.B: Überwindung

von Abstumpfung via Erregungszustände (Drogen etc. ,2. Wahrnehmungebene:

Bedürfnis nach minimaler zwischenmenschlichen Kontakten gepaart Vorliebe für

deviante Stimuli, kognitiv:Verzeihen sexueller Gewalt, Negation sozialer Werte

Dissoziation führt zur Versiegelung traumatischer Erfahrungen und Trennung der

psychischen und sensorischen Erfahrungen. Unverarbeitete traumatische

Erfahrungen werden agiert via Verhaltensreinzenierungen: Aggression, Delinquenz

Verleugnung von Verletzlichkeit/Hilflosigkeit als kindliches Opfer verstärkt Identifikation

Mit Aggression = erzeugt Verbindung vom Missbrauchten zum Missbräuchler.

D

E

L

I

N

Q

U

E

N

Z

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suggerieren zunächst eine somatische Krankheit (deshalb auch der Begriff somatoform)

umfassen verschiedene Formen von Störungen, deren Hauptmerkmale einzelne oder vielfältige körperliche Symptome sind

Gemeinsames Merkmal: Vorhandensein körperlicher Beschwerden, die nicht vollständig

durch einen körperlichen Befund, eine Substanzeinwirkung oder durch eine andere psychische Störung erklärt werden können.

gehen mit deutlichen Beeinträchtigungen in unterschiedlichen Lebensbereichen einher

im Gegensatz zur Vorgetäuschten Störung und zur Simulation sind die körperlichen Symptome nicht absichtlich erzeugt

Was sind somatoforme Störungen?

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Arten somatoformer Störungen

30

Verlauf Symptomatik Diagnose

k.A. (pseudo) neurologische

Symptome

Konversionsstörung

Dauer > 6 Monate Angst vor einer ernsthaften

Erkrankung

Hypochondrie

k.A. Eingebildeter körperlicher

Mangel, Entstellung

Körperdysmorphe Störung

Dauer > 6 Monate

Akut (< 6 Monate

Chronisch (> 6 Monate)

Beginn vor 30 LJ

Langjähriger Verlauf

1+ körperliche Symptome Undifferenzierte

Somatoforme Störung

Schmerzsymptome

polysymptomatisch

Schmerzstörung

Somatisierungsstörung

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F 5 Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen

F 50 Essstörungen

F 51 nichtorganische Schlafstörungen

F 52 nichtorganische sexuelle Funktionsstörungen

F 55 Missbrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen

31

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Begutachtung Beeinträchtigunsschwere – Score nach Schepank 1982:

• Körperlicher Leidens- und/oder Beeinträchtigungsgrad (Schmerzen, Gehbehinderung etc.) 0-6 Punkte

• Psychischer Leidens- und/oder Beeinträchtigungsgrad (Ängste, Zwänge, Hypochondrien etc.) 0-6 Punkte

• Auswirkungen auf die sozial-kommunikativen Bezüge (Arbeit, Beziehung etc.) 0-8 Punkte

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Bewertung von Beeinträchtigungen Foerster (1999) keine Wiederherstellung der

Erwerbsfähigkeit bei:

1. Mehrjähriger Verlauf der Störung

2. Kontinuierliche, primär chronische Zunahme der Symptomatik

3. Regelmäßige ambulante Therapie

4. Stationäre Behandlungsversuche mit unterschiedlichen Therapieansätzen

5. Scheitern von Rehabilitationsmaßnahmen.

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Sozialrecht • GdB und MdE je nach Schwere der Störung von 0 – 100

• Zwangsstörungen punkten wesentlich höher

• Zusammenhangsfragen nach Unfällen

Fahreignung

• Muss selten beurteilt werden und hängt von z.B. der Impulsivität ab

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Page 35: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Exkurs: Simulation und Aggravation Formen der Simulation: • Die Inszenierung eines Vorfalls, z.B. eines „Anfalls“ vor oder

in unmittelbarer Nähe des gewünschten Beobachters

• Das Erfinden von Symptomen, z.B. Schmerzen, die nicht näher zu objektivieren sind.

• Die Selbstschädigung, um ärztliche Intervention zu fordern oder dem Beobachter einen Schaden zu demonstrieren.

• Die Fälschung ärztlicher Befunde, um dadurch das angestrebte Ziel zu erreichen.

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Page 36: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Motive • Vermeidungsverhalten: Vermeidung von Gefahr und

Schwierigkeiten, Verantwortung oder Strafe.

• Sekundärer Krankheitsgewinn: Krankenhausbehandlung, Versorgung durch Familie, Medikamentengabe, Unterkunft, Berentung

• Vergeltung und Entschädigung: Nach Schädigung oder Verlust, z.B. durch Unfall, oder Arbeitsplatzverlust, als Folge von Kränkungen.

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Kriterien für Simulation (Glatzel, 1998)

• Ausweichen in nichtsprachliche Ausdrucksformen

• Lange Antwortlatenzen

• Wiederholter Themenwechsel

• Mehrdeutige Antworten

• Abbruch der Exploration oder der therapeutischen Beziehung unter dramatischer Darstellung der Symptome

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Page 38: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Delinquenz

• Bei den meisten Delikten – wie bei den meisten

Menschlichen Handlungen – spielen unbewusste Motive und emotional bedingte Intentionen eine nicht unwesentliche Rolle.

• Universität München: Untersuchung von Aggressionstätern von 1972 – 1987 nur 2% NEUROSEN

• „Affektdelikte“

38

Page 39: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Strafrecht • Diagnose der neurotischen Störungen allein sagt über die

Schuldfähigkeit nichts aus

Zivilrecht

• Selbst schwer Zwangskranke sind selten geschäftsunfähig

• Beurteilung bei Scheidung oder Wohnungswechsel ob unzumutbare Härte

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Page 40: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen nach ICD-10

F 60 Persönlichkeitsstörungen

F 61 kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen

F 62 andauernde Persönlichkeitsänderung

40

Page 41: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

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Achse II Störungen II (kategorial)

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Temperament & Charakter

42

Personen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung: • Niedrige Ausprägungen auf den Charakterdimensionen • Hohes Neugierverhalten / Geringe Schadensvermeidung / Geringe Belohnungsabhängigkeit

** p < 0.01 * p < 0.05

TCI, Rohwerte Allgemein (N = 133)

Gefängnis (N = 89)

A vs. G (T) p

Alter (MW) 41.2 28.7 -13.025 .000**

Neugierverhalten 18.2 21.8 5.731 .000**

Schadensvermeidung 12.4 13.7 2.032 .045*

Belohnungsabhängigkeit 14.5 13.1 -3.192 .002**

Kooperativität 32.7 27.5 -6.672 .000**

Selbstlenkungsfähigkeit 36.4 29.1 -8.917 .000**

Page 43: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Hippokrates (400 v. Chr.): Vier Säfte - Lehre

Sanguiniker: leichtblütig, wechselhafte Stimmungen

Melancholiker: schwerblütig, schwermütig

Choleriker: heftig, leicht erregbar

Phlegmatiker: kaltblütig, schwer erregbar

43

Historisches

Page 44: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Persönlichkeit I

44

Die individuelle Persönlichkeit zeichnet sich durch das

Bestehen unterschiedlicher Persönlichkeitszüge aus

(Big-five-Modell).

Extraversion (kontaktfreudig-zurückhaltend)

Verträglichkeit (friedfertig-streitsüchtig)

Gewissenhaftigkeit (gründlich-nachlässig)

Neurotizismus (entspannt-überempfindlich)

Offenheit (kreativ-phantasielos)

Page 45: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Persönlichkeitsstörung ist ein tief verwurzeltes, anhaltendes und weitgehend

stabiles Verhaltensmuster, das sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigt.

In vielen Fällen geht diese Störung mit persönlichem Leid und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher.

Gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung zeigen sich deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in der Beziehung zu anderen.

45

Page 46: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Entstehung und Aufrechterhaltung

46

Schemata Äußere Ereignisse

Voreingenommene

Wahrnehmung und

Erinnerung Reaktionen anderer

Automatische Gedanken

Emotionale Reaktion Zwischenmenschliches Verhalten

Page 47: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Threshold liability model (FARAONE,1999)

47

Page 48: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Prävalenz (TORGERSON et al., 2001; CASEY, 1989)

0

10

20

30

40

50

unbehandelt poliklinisch stationär

48

Deutschland: ca. 11% MAIER et al.,1992

Page 49: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

49

Komorbidität

Persönlichkeitsstörung

60%

Komorbidität

Depression

Panik

Störungen

Dissoziation

Sucht

Störungen

PTSD Psychosen

Somatoforme

Störungen

Zwangs

störungen

Page 50: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Klassifikation nach DSM IV • Hauptgruppe A = „sonderbar, exzentrisch“: (1) paranoid (2) schizoid (3) schizotyp • Hauptgruppe B = „dramatisch, emotional, launisch“: (1) narzisstisch (2) histrionisch (3) antisozial (4) borderline • Hauptgruppe C = „ängstlich“: (1) selbstunsicher (2) dependent (3) zwanghaft

50

Page 51: Psychiatrische Krankheitslehre Einzelne Erkrankungen … · Aggressive/sexuelle Zwangsgedanken Zwangssymptome . 6 Genetische Faktoren, familiäre Belastung mit Zwangsstörung Stress

Die paranoide Persönlichkeitsstörung I

51

Die wesentlichen Merkmale

sind:

ausgeprägtes Mißtrauen

übertriebene Empfindlichkeit

rigides, streitsüchtiges

Beharren auf vermeintlichen

eigenen Rechten

Unbehandelte Prävalenz:

3%, mehr Männer, Gefangene,

Flüchtlinge, Immigranten,

Hörgeschädigte, Ältere

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Die paranoide Persönlichkeitsstörung II

Definition: Patienten mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung zeigen in verschiedensten Situationen die durchgängige und ungerechtfertigte Neigung, die Handlungen anderer als absichtlich erniedrigend oder bedrohlich zu interpretieren. Die Patienten vermeiden engere Kontakte und neigen zu pathologischer Eifersucht. Richtet sich die situationsunangemessene Reaktion auf eine überwertige Idee, so spricht man auch von einer fanatischen Persönlichkeit. Steht der Kampf gegen ein wirkliches oder vermeintliches Unrecht im Mittelpunkt, dann wird auch von einer querulatorischen Persönlichkeit gesprochen.

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Die narzisstische Persönlichkeitsstörung

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Diese Persönlichkeitsstörung

zeichnet sich durch ein

durchgängiges Muster von

"Großartigkeit" (in Phantasie oder

Verhalten), von Überempfindlichkeit

gegenüber der Einschätzung durch

andere und von Mangel an

Einfühlungsvermögen aus. Das

Selbstwertgefühl ist oft sehr instabil.

Das überwertige Selbstwertgefühl

kann auch plötzlich in das Gefühl

der absoluten Wertlosigkeit

umschlagen. Durch dieses verhalten

sind die zwischenmenschlichen

Beziehungen meist deutlich gestört.

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Die antisoziale Persönlichkeitsstörung

Definition: Das Hauptmerkmal der dissozialen Persönlichkeitsstörung ist ein

Muster von verantwortungslosem und antisozialem Verhalten, das in der Kindheit oder frühen Adoleszenz beginnt und bis ins Erwachsenenalter fortdauert. • Unvermögen zur Beibehaltung längerer Beziehungen • Geringe Frustrationstoleranz • Kein Schulderleben • Unfähigkeit aus Erfahrung (Strafe) zu lernen • Rationalisierungen für eigenes Verhalten

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Die antisoziale Persönlichkeitsstörung Prävalenz:

• 3-7% der Männer; 1-2% der Frauen (Robins et al., 1991)

• In Strafvollzugsanstalten 12-70% (Cummings et al., 1989)

Ursachen:

• Genetik 50-60% Konkordanz bei monozygoten Zwillingen

• Alkohol- und Drogenabhängigkeit ist prädiktiv (Carey & Goldmann, 1997)

• Minderfunktion im serotonergen System (Carey & Goldmann, 1997)

• Mindefunktion der fronto-limbischen Affektkontrolle

(Herpertz, 2001)

• Peer-Gruppen

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Historisches Die Bezeichnung „Borderline“ hielt vor ca. 110 Jahren Einzug in die

Psychiatrie (Stone 1986). • Kraepelin 1904: impulsives Irresein, Triebmenschen • Bleuler 1911: latente Schizophrenie • 1923 K. Schneider: stimmungslabiler, explosibler Psychopath • 1925 Reich: triebhafte Charaktere • 1938 Stern: Borderline ist ein Phänomen im

„Übergangsbereich“ von Neurose und

Psychose • 1954 Peterson: subklinische Schizophrenie • 1958 Knight: pseudoneurotische Schizophrenie • 1980 Stone: Borderline - Syndrom • Schmiedeberg: Stabilität in der Instabilität

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Die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus

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Es kommt oft zu

selbstschädigendem Verhalten,

z.B. durch multiple

Schnittverletzungen an den

Unterarmen.

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Epidemiologie

• Prävalenz: ca. 1,5 – 2%

(in Deutschland 3% aller Frauen, ca. 1% aller Männer)

• In psychiatrisch/psychotherapeutischer Behandlung: ca. 80%, Ersthospitalisation mit 24 Jahren

• Häufigkeit in Klinik: 15%

• Suizidraten: 7-10%

• Direkte Kosten: ca. 3 Mrd. Euro jährlich

(d.h. 15 % der Kosten für psychische Störungen)

• 90% davon sind stationäre Kosten

• Liegezeit 68 Tage

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Leitsymptom der BPS

– Einschießende, starke Spannung, die als äußerst aversiv erlebt wird und keiner klaren, handlungsweisenden Emotion zugeordnet werden kann.

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Psychopharmakotherapie Studien beruhen auf :

• Kleinen Fallzahlen

• Kurzen Beobachtungszeiträumen

d.h. bislang gibt es kein zugelassenes Medikament zur

Behandlung von Persönlichkeitsstörungen.

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Therapie (Behandlungsrichtlinien der APA 2001)

• Kognitive Verhaltenstherapie

(Dialektisch – behaviorale Therapie nach Linehan)

• Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

• Metaanalyse zur Effizienz von Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen

(Leichsenring und Leibing, Am J Psychiatry, 2003)

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Begutachtung Die Begutachtung ist in allen Rechtsbereichen schwierig, da

schon die klinische Abgrenzung zwischen

Persönlichkeitsakzentuierungen und

Persönlichkeitsauffälligkeiten problematisch ist.

Strafrecht • Großer individueller Ermessensspielraum für den Gutachter

• Erheblichkeit ist entscheidend

• Motivationaler und situativer Zusammenhang

• Dissoziale Täter sind meistens voll schuldfähig

• Schwere andere seelische Abartigkeit

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Vorgehen bei der Begutachtung

1) Liegt eine PST gemäß ICD-10 oder DSM – IV vor?

2) Ist diese Diagnose unter der Kategorie „schwere seelische Abartigkeit „ einzuordnen?

3) Ist die Straftat symptomatisch für die PST?

4) Bedingt die PST eine erhebliche Beeinträchtigung der Einsichts-oder Steuerungsfähigkeit?

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Gründe dafür… (Boetticher et al. 2005)

1. Erhebliche Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit bzw. der Affektregulation.

2. Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens.

3. Durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auffälligkeiten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste Denkstile.

4. Durchgehende Störung des Selbstwertgefühls.

5. Deutliche Schwäche von Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen.

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Gründe dagegen… (Boetticher et al., 2005)

1. Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungsfähigkeit.

2. Weitgehend erhaltene Verhaltensspielräume.

3. Selbstwertproblematik ohne durchgängige Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung und psychosoziale Leistungsfähigkeit.

4. Intakte Realitätskontrolle, reife Abwehrmechanismen.

5. Altersentsprechende biographische Entwicklung.

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Zivilrecht

• Häufig Prozessrecht betroffen bei sog. „Querulanten“ siehe paranoide Persönlichkeitsstörung

Sozialrecht • PST allein bedingen praktisch nie Arbeitsunfähigkeit

Fahreignung • „Krankheit und Kraftverkehr“: Hohe Risikobereitschaft,

niedrige Selbstkontrolle, häufige Sorgfaltsfehler und Fehler bei psychometrischen Leistungstests sind Risikofaktoren

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Schluss für heute!