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PONS SCHÜLERWÖRTERBUCH LATEIN PRÜFUNGSTRAINER FÜR DIE OBERSTUFE

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  • PONS SCHÜLERWÖRTERBUCH LATEIN

    PRÜFUNGSTRAINER FÜR DIE OBERSTUFE

  • PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    2 Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis

    Grammatiktrainer ....................................................................................................................................................3

    Tipps und Übungen ..................................................................................................................................................4

    1. Satzglieder ...........................................................................................................................................................4

    2. Die Satzreihe (Parataxe / Koordinierung) .............................................................................................................6

    3. Das Satzgefüge (Hypotaxe / Subordinierung) ......................................................................................................7

    4. Der Accusativus cum Infinitivo (AcI) .....................................................................................................................8

    5. Das Partizip ........................................................................................................................................................ 12

    6. Der Ablativus absolutus ..................................................................................................................................... 13

    7. Die KNG-Kongruenz und ihre Funktion ............................................................................................................... 14

    8. Die -nd-Formen: Gerundium – Gerundivum........................................................................................................ 14

    9. Die Modi des Verbs ............................................................................................................................................. 16

    10. Der Konjunktiv im Hauptsatz............................................................................................................................ 16

    11. Der Konjunktiv im Nebensatz ............................................................................................................................17

    Lösungen zu den Übungen ..................................................................................................................................... 18

    Übersetzungstrainer ............................................................................................................................................. 20

    Wege vom lateinischen Original zum deutschen Text ........................................................................................... 20

    1. Was heißt Übersetzen? ..................................................................................................................................... 20

    2. Übersetzungsmethoden ................................................................................................................................... 20

    3. Verstehens- und Übersetzungshilfen auf Grund textlinguistischer Überlegungen .............................................. 21

    4. Übungen ............................................................................................................................................................22

    Lösungen zu den Übungen .....................................................................................................................................26

    Tipps für die Prüfung .............................................................................................................................................28

    Vor der Prüfung .....................................................................................................................................................28

    In der Prüfung .......................................................................................................................................................28

    Prüfungstrainer für die Oberstufe

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    PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    Grammatiktrainer

    „Wozu brauche ich einen Grammatiktrainer?“

    Wenn Sie vor dem Abitur in Latein überprüfen möch-ten, ob Ihre Sprachkenntnisse und Ihre Übersetzungs-fähigkeit auf einem soliden Fundament stehen, hilft Ihnen der Grammatiktrainer. Er bietet Ihnen Material, mit dem Sie in kurzer Zeit die wichtigsten Bestandteile der Grammatik (Formenlehre, Syntax, Analyse, Über-setzungsmethoden) wiederholen können. Wie Sie wissen, besteht die schriftliche Abiturprüfung in Latein – wie schon die Lateinarbeiten in der Kurspha-se – aus zwei Teilen. Im ersten Teil müssen Sie einen lateinischen Text in angemessenes Deutsch übertragen. Dafür stehen Ihnen in der Regel zwei Drittel der Ge-samtarbeitszeit zur Verfügung. Dementsprechend geht die Übersetzungsleistung mit doppelter Punktzahl in die Wertung der Gesamtarbeit ein. Hier zählt also jeder Punkt doppelt. Darum ist es besonders wichtig, dass Ihre Übersetzungsfähigkeit ein möglichst hohes Niveau hat, das nicht beeinträchtigt wird durch vermeidbare Fehler im Elementarbereich.Wenn Sie den Grammatiktrainer durchgearbeitet haben, wird sich das auf Ihre nächsten lateinischen Klassenarbeiten und Ihre Abiturarbeit ganz sicher positiv auswirken.

    „Wie hilft mir der Grammatiktrainer?“

    Der Grammatiktrainer nennt und erklärt die für die Übersetzung wichtigsten Bestandteile der Gram-

    matik. Er gibt Ihnen Übungen zur Analyse und zum angemessenen Übersetzen von lateinischen Texten. Er erinnert Sie daran, wenn nötig, in kleinen Portionen ganz elementare Teile der Formenlehre zu wiederholen, damit Sie leicht vermeidbare Fehler auch möglichst vermeiden.Die Lösungen zu allen Übungen finden Sie im Anhang.

    „Und wie arbeite ich mit dem Grammatiktrainer?“

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten:

    1. Sie sehen sich das Inhaltsverzeichnis an und schau-en, bei welchen Themen Sie Lücken haben, die Sie füllen wollen. Dann notieren Sie sich, was Sie über diese Themen bereits wissen. Danach überprüfen Sie Ihre Notizen anhand des Textes und machen, wenn nötig, die Übungen.

    2. Sie lesen alle fett gedruckten Texte und Textbei-spiele, um sich zu überprüfen, und entscheiden dann, was Sie tun wollen.

    3. Sie lesen den ganzen Grammatiktrainer in kleinen Portionen durch. Wenn Sie ihn durchgearbeitet haben, lesen Sie zur Sicherheit und Wiederholung noch einmal alles fett Gedruckte.

    Grammatiktrainer

  • PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    4 Tipps und Übungen

    Ein Text besteht aus Sätzen, die miteinander verknüpft sind. Sätze bestehen aus Wörtern, die nach bestimmten Regeln einander zugeordnet sind. Hierüber Bescheid zu wissen ist umso wichtiger, je komplizierter ein Text ist, damit man auf Grund einer sauberen Analyse zu einem möglichst guten Textverständnis gelangen kann. Dazu braucht man Informationen, Übungen und Tipps.Wir beginnen mit der Satzgliedbestimmung in ganz einfachen Sätzen.

    Tipps und Übungen

    1. Satzglieder

    Die einzelnen Bestandteile, aus denen Sätze gebildet sind, nennt man Satzglieder oder Satzteile. Diese ha-ben jeweils bestimmte Aufgaben. In der traditionellen, auf dem Lateinischen beruhenden Syntax unterschei-det man vier Satzglieder: Prädikat, Subjekt, Objekt und Adverbiale (adverbiale Bestimmung).Ein Satzglied kann selbst wieder aus einzelnen Be-standteilen gebildet sein; diese nennt man Satzglied-teile. Man unterscheidet drei Satzgliedteile: Attribut, Prädikativum und Prädikatsnomen.

    1.1 Prädikat, Subjekt, Objekt

    Komplizierte Sätze muss man analysieren. Für die Ana-lyse benutzen wir Bestimmungsfragen, die man sich am besten am einfachen Satz klar macht. Wir schauen als Erstes auf die in jedem Satz enthaltenen Satzglieder Subjekt und Prädikat.

    Nach dem Prädikat fragen wir:

    Was wird über das Sub-jekt mitgeteilt?

    Nach dem Subjekt fragen wir:

    Wer (oder Was) …? (Wir ergänzen die Frage durch das Einsetzen des Prädi-kats)

    Nach dem Objekt (Akku-sativobjekt) fragen wir:

    Wen (oder Was) …? (Prädikat und Subjekt einsetzen)

    Nach dem Objekt (Dativ-objekt) fragen wir:

    Wem …? (Prädikat und Subjekt einsetzen)

    BeispielManus manum lavat.Hand wäscht Hand.

    Grammatikalische Analyse Wir ermitteln das Prädikat mit der Frage: Was wird über das Subjekt mitgeteilt? Wir erkennen das Prädikat, nämlich lavat, an der Personalendung -t. Die Formbestimmung ergibt: Das Prädikat steht in der 3. Person Singular Indikativ Präsens.Antwort: Das Subjekt wäscht.

    Zur Form des Subjekts erfahren wir aus dem Prädikat, dass es im Singular stehen muss.Frage nach dem Subjekt: Wer wäscht? Antwort: manus „die / eine Hand“.Jetzt können wir nach dem Akkusativobjekt fragen: Wen oder was wäscht die / eine Hand? Antwort: manum „die / eine Hand“.

    Das Tempus von lavat ist Präsens. Das Präsens ist in erster Linie dafür zuständig, eine Aussage über die Gegenwart zu machen – in Abgrenzung von Vergangenheit oder Zukunft. In unserem Satz aber drückt es eine zeitlos gültige Aussage aus: Wenn man schmutzige Hände hat, wäscht man sie.

    Übersetzung: Eine Hand wäscht die andere. (Textsorte: Sprichwort)

    Zur Erinnerung Der Akkusativ Singular endet bei maskulinen und femininen Nomina immer auf -m, der Akkusativ Plural auf -s mit langem Vokal davor, im Neutrum auf kurzes -a.

    1.2 Das Adverbiale

    Das Adverbiale, auch „adverbiale Bestimmung“ oder „Umstandsbestimmung“ genannt, gibt die näheren Umstände einer Handlung, eines Geschehens, eines Vorgangs an. Je nach seiner Art lautet die Frage nach einem Adverbiale u. a.: Wo? (Adverbiale des Ortes / lo-kal), Wann? (Adverbiale der Zeit / temporal), Warum? (Adverbiale des Grundes / kausal), Wie? (Adverbiale der Art und Weise / modal).

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    PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    Tipps und Übungen

    BeispieleHodie pluit.Wann regnet es? Heute regnet es.

    Inter arma leges silent.Leges silent. „Die Gesetze schweigen.“Wann oder wo schweigen die Gesetze? Unter den Waffen (Wenn Krieg ist) schweigen die Gesetze.

    Deo volente vos cras visitabimus.Wann / Unter welcher Bedingung werden wir euch morgen besuchen? Wenn Gott will, werden wir euch morgen besuchen.

    Im Lateinischen sind neben den Adverbien fast sämt-liche Präpositionalausdrücke, die meisten Ablative und alle Ablativi absoluti Adverbiale.

    1.3 Das Attribut

    Das Attribut ist ein Satzgliedteil. Es bezieht sich immer auf ein Substantiv, das durch die Beifügung näher be-stimmt wird. Das Attribut dient zur Qualifizierung oder Differenzierung des Substantivs. Am häufigsten sind adjektivische Attribute, zweitens Genitivattribute, drittens Attributsätze.Lässt man die Attribute weg, so wird die Information reduziert, die Satzstruktur aber bleibt korrekt.

    Alle Attribute lassen sich erfragen mit: Was für ein(e) …? und, wenn das Substantiv im Plural steht, mit: Welche …?

    Beispielehomo improbusWas für ein Mensch? ein schlechter Mensch

    Catonis filiumWas für einen Sohn? den Sohn des Cato

    Catonis filium, qui in eadem legione militabatWas für einen Sohn Catos? (Welchen Cato-Sohn?) den, der in eben dieser Legion diente

    Tipp Fragen Sie auch nach einem Genitivattribut immer mit Was für ein? Die Frage Wessen? soll nur benutzt werden, wenn es um ein Genitiv-objekt geht.

    Zur Erinnerung Dativ und Ablativ Plural sind gleichlautend und enden immer auf -is (mit langem i) oder auf -bus.

    1 Füllen Sie die Lücken aus und übersetzen Sie dann den Text:

    Ingratus unus omnibus miseris nocet. (Publilius Syrus I 13)

    Grammatische Analyse:Wir ermitteln das Prädikat mit der Frage: Was wird 1.

    ________________________________________________?

    Antwort: Das Subjekt schadet. Zur Form des Subjekts erfahren wir aus dem Numerus des Prädikats: Das Sub-jekt steht im 2. ___________________________________.

    Wir fragen nun nach dem Subjekt: Wer schadet?Antwort: ingratus (ingratus „undankbar“ ist ein Ad-jektiv; da es das Subjekt des Satzes ist, ist es hier ein substantiviertes Adjektiv: „der / ein Undankbare(r)“). Zum Subjekt ingratus gehört unus „ein“ als adjekti-visches Attribut; ingratus wird also durch die Anzahl qualifiziert: Ein Undankbarer reicht, mehr müssen es nicht sein. Bis jetzt können wir also übersetzen: „Ein einziger Undankbarer schadet.“

    Im Satz bleiben noch die Worte omnibus miseris übrig. Von der Endung her könnte das Dativ oder Ablativ Plural sein. Vom Verb ausgehend können wir aber nun fragen: Wem schadet ein einziger Undankbarer? Die Antwort lautet: omnibus miseris „allen Unglücklichen“. Omnibus miseris ist also Dativobjekt zu nocet. Dabei ist omnibus 3. ______________________________ Attribut zu (dem substantivierten Adjektiv) miseris. Wenn wir unseren Verstand gebrauchen, werden wir sagen, dass nocet hier ein 4. ____________________________ Präsens ist: Der Undank eines Einzelnen ärgert die Spender so, dass sie keinem Bettler mehr etwas geben wollen.

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    Textsorte: Lebensregel / Lebensweisheit

    Zur ErinnerungDie Personalendungen lauten im Aktiv:-o / -m (ich), -s (du), -t (er / sie / es), -mus (wir), -tis (ihr), -nt (sie).

    Nur für den Indikativ Perfekt Aktiv gelten andere Personalendungen, nämlich:-i (ich), -isti (du), -it (er / sie / es), -imus (wir), -istis (ihr), -erunt (sie).

  • PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    6 Tipps und Übungen

    Wenn zwei Aussagen inhaltlich eng zusammengehören, kann man sie nebeneinandersetzen, sodass eine Satz-reihe entsteht. Das nennt man Parataxe oder Koordinie-rung. Beide Aussagen haben dann das gleiche Gewicht.Beim Sprechen wird dann oft eine kleine Pause zwi-schen den beiden Sätzen gemacht, bei geschriebenem Text steht dort meist ein Komma.

    Zur ErinnerungDie Personalendungen im Passiv beim Präsensstamm lauten:-or / -r, -ris, -tur, -mur, -mini, -ntur.

    2 Füllen Sie die Lücken aus und übersetzen Sie dann den Text:

    Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. (Kaiser Lothar I. 795-855)

    Grammatische Analyse:Das Komma lässt vermuten, dass zwei Sätze vorliegen. Wir finden zwei finite Verben, also zwei Prädikate. Das erste Prädikat ist 1. ________________________; das Subjekt dazu ist 2.________________________. Das zweite Prädikat ist 3. ________________________; das Subjekt dazu ist 4. __________________________. Die beiden Sätze sind durch die koordinierende Kon-junktion 5. ________________________ verbunden. Wir haben also eine Satzreihe vor uns: Die beiden Aussagen haben das gleiche Gewicht. in illis (Ablativ Pl.) ist ein Adverbiale, und zwar ein Ad-verbiale des Ortes, denn wir können danach fragen mit der Frage: Wo geschieht die Änderung? Das Demons-trativpronomen illis verweist auf das zuerst genannte Substantiv tempora.

    Da der Urheber der Änderungen ungenannt bleibt, können wir vermuten, dass das Passiv von mutare hier reflexiv / medial gemeint ist: „sich ändern“. Nach dem Inhalt der Sätze zu urteilen handelt es sich hier um ein 6. _________________________ Präsens.

    Zur Reihenfolge der Satzteile: Es liegt ein Parallelismus vor, denn in beiden Sätzen sind die Satzteile in derselben Reihenfolge angeordnet (Sub-jekt – Prädikat; Subjekt – Prädikat). Mit diesem Stilmit-tel wird eine Gleichartigkeit ausgedrückt: Der Vorgang der Veränderung betrifft uns genauso wie die Zeiten.

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    Textsorte: Sprichwort / Lebensregel

    3 Analysieren Sie diesen Satz entsprechend dem Beispiel 2 selbst.

    Vox audita perit, littera scripta manet.

    Analyse:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    Textsorte: Sprichwort / Redensart

    2. Die Satzreihe (Parataxe / Koordinierung)

  • Tipps und Übungen 7

    PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    Die Subordinierung oder Hypotaxe (Unterordnung) ermöglicht es, bei inhaltlich zusammengehörigen Aus-sagen unterschiedliche Gewichte zu verteilen: Was der Adressat als besonders wichtig ansehen soll, kommt in den Hauptsatz, die weniger gewichtige Aussage in den Nebensatz.Bei der Analyse eines Satzgefüges muss man die Ne-bensätze isolieren; was übrig bleibt, ist der Hauptsatz.Die Erkennungsmerkmale von Nebensätzen sind die Einleitungswörter. Diese stehen meist – aber nicht im-mer (!) – am Anfang des Nebensatzes. Als Einleitungs-wörter kommen vor:

    a) Subjunktionen, auch unterordnende Konjunktionen genannt (z. B. quia, cum, postquam, ut),

    b) Relativwörter, also Relativpronomen (z. B. qui, quos) oder Relativadverbien (z. B. ubi, quo),

    c) Fragewörter, also Interrogativpronomen (z. B. quis) oder Interrogativadverbien (z. B. quando).

    Ein zusätzliches optisches Signal ist oft ein Komma zwischen Haupt- und Nebensatz.

    Tipp Bei einem Nebensatz wie quod cum diceret „als er das sagte“ ist das Einleitungswort nicht quod sondern cum. Das Relativpronomen quod stellt hier einen relativischen Anschluss her und steht anstelle des Demonstrativpronomens id.Von einem relativischen Anschluss spricht man, wenn statt eines Demonstrativpronomens (z. B. id) ein Relativpronomen (quod) oder wenn statt eines demonstrativen Adverbs (z. B. ibi) ein relatives Adverb (ubi) steht, wodurch eine engere Verbindung zum vorher Gesagten entsteht. Man übersetzt im Deutschen dann mit dem Demonstrativpronomen bzw. dem demonstrativen Adverb.

    Man kann die Entstehung eines Nebensatzes / Glied-satzes auch anders erklären: Sämtliche Gliedsätze lassen sich als expandierte (d. h. zu einem Satz aus-geweitete) Satzglieder verstehen. Dazu ein Beispiel: Wegen seiner langen Krankheit hat er in der Schule viel versäumt. Das Adverbiale Wegen seiner langen Krank-heit kann man auch in Form eines Gliedsatzes, nämlich eines Adverbialsatzes, ausdrücken: Weil er lange krank war, hat er in der Schule viel versäumt. Der Adver-bialsatz Weil er lange krank war übernimmt für den Hauptsatz also dieselbe Aufgabe wie das Adverbiale Wegen seiner langen Krankheit. Daher ist der Adver-bialsatz ein zu einem Satz ausgeweitetes Adverbiale des Hauptsatzes.

    Zur Erinnerung Der Konjunktiv Imperfekt sieht aus wie der Infinitiv Präsens Aktiv mit angehängter Personalendung:

    Konjunktiv Imperfekt von amare: amarem, amares, amaret, amare-mus, amaretis, amarent.

    4 Füllen Sie die Lücken aus und übersetzen Sie dann den Text:

    Cum uxores Romulus et populus suus non haberent, invitavit ad spectaculum ludorum vicinas urbis Romae nationes atque earum virgines rapuit. (Eutróp um 370 n.Chr.)

    Grammatische Analyse: Es finden sich drei finite Verben / Prädikate, nämlich 1. ______________________________________________, 2. ______________________________________________ und 3. __________________________________________, von denen die beiden ersten durch ein Komma vonei-nander getrennt sind. Zum ersten Prädikat non haberent gehört das Ein-leitungswort 4. _________________________. Dieses Einleitungswort ist eine Subjunktion (unterordnende Konjunktion), also handelt es sich beim ersten Satz um einen Nebensatz / Gliedsatz. Die anderen beiden Prä-dikate sind durch atque miteinander verbunden, also liegen hier zwei Hauptsätze vor, deren Aussagen beide das gleiche Gewicht haben. (Man könnte auch sagen: Es liegt ein Hauptsatz mit zwei Prädikaten vor).

    Da der Nebensatz vorn steht, hat der Autor offen-bar gewollt, dass man diesen als Erstes zur Kenntnis nimmt. Also beginnen wir mit dem Nebensatz: Cum … non haberent. Der Konjunktiv in lateinischen Nebensätzen / Gliedsätzen erscheint in der deutschen Übersetzung meistens als Indikativ. Wir übersetzen also vorläufig: „Als / weil sie … hatten“.Der Nebensatz hat zwei durch et verbundene Subjekte 5. _____________________________ und 6. _______________________________, daher steht das Prädikat haberent im Plural.

    Das Possessivpronomen suus ist Attribut zu populus.uxores, das von der Endung her Nominativ oder Akku-sativ Plural sein kann; es muss hier aber Akkusativ und daher Akkusativobjekt sein, da der Subjektsplatz ja bereits besetzt ist.Die Hauptsatzprädikate invitavit und rapuit stehen im Singular (3. Pers. Sg. Perf.): Der Handelnde, das Subjekt zu den Prädikaten, kann also nur Romulus allein sein. Wie reagiert Romulus auf den Mangel an Ehefrauen? Zunächst ganz friedlich mit einer Einladung. Damit das dem Leser sofort klar ist, steht das Prädikat invitavit an erster Stelle im Hauptsatz.

    Wenn man im Lateinischen von Vergangenem erzählt, nimmt man in der Regel als Erzähltempus das Perfekt. In der deutschen Schriftsprache hingegen wird das Präteritum / Imperfekt als Erzähltempus verwendet: „Er lud … ein und er raubte …“Wir fragen nun: Wozu lud er ein? Antwort: ad specta-culum. (Es handelt sich hier um ein Adverbiale in Form eines Akkusativs mit Präposition, also eines Präpositio-nalausdrucks).

    3. Das Satzgefüge (Hypotaxe / Subordinierung)

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    8 Tipps und Übungen

    Wir fragen weiter: Zu was für einem Spektakel / Anblick? Antwort: ludorum (Gen. Pl., ludorum ist also Genitivattribut zu spectacu-lum).Zu invitare „einladen“ erwarten wir ein Akkusativob-jekt. Wir fragen also: Wen lud er ein? Antwort: vicinas nationes. (Akk. Pl., vicinas nationes ist Akkusativobjekt). 7. _________________________ ist Attribut zu nationes. Wir erfahren durch dieses Attribut, um welche Stämme es geht. Der Ausdruck vicinas nationes hat selbst noch ein weiteres Attribut, und zwar ein Genitivattribut, nämlich urbis Romae.virgines (Akk. Pl.) ist Objekt zu 8. ____________________ und das Pronomen earum ist Genitivattribut zu vir-gines, es gibt an, um welche Jungfrauen es geht: earum vertritt nationum.

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    Textsorte: Erzählung / Bericht

    4. Der Accusativus cum Infinitivo (AcI)

    Der AcI ist eine satzwertige Konstruktion zur Wieder-gabe von indirekten Äußerungen (indirekte Rede). Er erscheint vor allem nach den verba sentiendi et dicendi, also den Verben, die wahrnehmen, fühlen, merken, meinen oder sagen / mitteilen bedeuten. Meist ist der AcI das Akkusativobjekt zu dem Verb, von dem er abhängt. Er hat zwei Bestandteile: den Sub-jekts-Akkusativ und den Prädikats-Infinitiv. Übersetzt wird der AcI häufig durch einen dass-Satz (darum nennt man ihn satzwertig). Stilistisch besser ist oft ein ver-kappter Nebensatz im Konjunktiv (dass-Satz: „Er sagt, dass er kommt.“, verkappter Nebensatz im Konjunktiv: „Er sagt, er komme.“).

    Zur ErinnerungDie Konstruktion AcI gibt es auch im Englischen und im Deutschen, allerdings nicht so häufig. Englisch: He hears the birds sing. Deutsch: Er hört die Vögel singen.

    4.1 Der AcI als Objekt zum Ausdruck einer abhän-gigen Aussage

    BeispielMater magistro scribit filium aegrotare.

    filium aegrotare ist der AcI. filium ist der Subjekts-Akkusativ, aegrotare der Prädikats-Infinitiv. Was schreibt die Mutter dem Lehrer? – filium aegrotare „dass der Sohn krank sei“.Stilistisch besser ist die Übersetzung mit verkapptem Nebensatz im Konjuktiv:Die Mutter schreibt dem Lehrer, der (besser: ihr) Sohn sei krank.

    Dass das Kranksein des Sohnes zeitgleich mit dem Schreiben der Mutter ist, wird durch den Infinitiv Präsens ausgedrückt, welcher für die Gleichzeitigkeit zuständig ist.

    Wenn sich die Mitteilung auf den vorhergehenden Tag beziehen soll, muss der AcI lauten: filium aegrotavisse „ihr Sohn sei krank gewesen“.In diesem Fall liegt die Erkrankung des Sohnes zeitlich vor dem Schreiben der Mutter. Daher wird hier der In-finitiv Perfekt verwendet, welcher für die Vorzeitigkeit zuständig ist.

    Wenn die Mutter mitteilt, ihre Tochter werde am nächsten Tage nicht in die Schule gehen, muss der AcI lauten: filiam postero die scholam frequentaturam non esse.In diesem Fall tritt das Nicht-zur-Schule-Gehen der Toch-ter erst nach der Mitteilung der Mutter ein. Es liegt also Nachzeitigkeit vor. Daher wird hier der Infinitiv Futur verwendet, welcher für die Nachzeitigkeit zuständig ist.Das Partizip Futur frequentaturam steht dabei in KNG-Kongruenz zu filiam, d. h. es stimmt mit filiam in Kasus, Numerus und Genus überein.

    Beispiele für die Erscheinungsformen der Infinitive:

    Gleichzeitigkeit

    Infinitiv Präsens Aktiv: laudare, delere, audire, legere

    Infinitiv Präsens Passiv: laudari, deleri, audiri, legi

    Vorzeitigkeit

    Infinitiv Perfekt Aktiv:

    laudavisse, delevisse, audivisse, legisse

    Infinitiv Perfekt Passiv (Partizip Perfekt Passiv plus esse)

    -tum / -tam / -tum / -tos / -tas / -ta + esse

    bzw. -sum / -sam / -sum / -sos / -sas / -sa + esse;

    z. B. laudatos esse, visas esse

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    PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    Tipps zum Grammatiklernen

    Nachzeitigkeit

    Infinitiv Futur Aktiv (Partizip Futur plus esse)

    -turum / -turam / -turum / -turos / -turas / -tura + esse

    bzw. -surum / -suram / -surum / -suros / -suras / -sura + esse;

    z. B. deleturos esse, visuras esse

    Infinitiv Futur Passiv: (selten vorkommend:) -tum iri bzw. -sum iri

    (Diese Form ist unveränderlich, denn es handelt sich hier nicht um das Partizip Perfekt Passiv, sondern um das Supinum auf -um zur Angabe der Bewe-gungsrichtung plus Infinitiv Präsens Passiv von ire „gehen“.)

    Wenn der Subjekts-Akkusativ dieselbe Person bezeich-net wie das Subjekt zu dem übergeordneten Verb, von dem der AcI abhängt, erscheint er als reflexives Perso-nalpronomen se, weil der AcI als Satzglied / Satzteil gilt.Auch im Deutschen ist ja der AcI, allerdings nur sehr beschränkt, möglich, z. B.: „Karl hört ihn singen.“ Wenn Karl nun aber z. B. eine Tonaufnahme von sich selbst hört, wie er singt, gebrauchen wir im deutschen AcI, wie im lateinischen, das reflexive Personalpronomen: „Karl hört sich singen.“

    BeispielAmici putant se erravisse.

    Die Freunde glauben hier nicht, dass sich irgendwelche dritten Personen geirrt haben, sondern sie glauben, dass sie selbst sich geirrt haben. Daher steht hier das reflexive Personalpronomen se als Subjekts-Akkusativ. se ist hier also Pro-Form für amicos, wobei damit dieselben gemeint sind, wie mit amici im Hauptsatz.

    Die Freunde glauben, dass sie (selbst) sich geirrt haben.Bessere Übersetzung mit einem verkappten Nebensatz: Die Freunde glauben, sie hätten sich geirrt.Oder mit einem satzwertigen Infinitiv: Die Freunde glauben, sich geirrt zu haben.

    Ob das reflexive Personalpronomen se als Subjekts-Akkusativ des AcI mit „er“ oder „sie“ im Singular oder mit „sie“ im Plural zu übersetzen ist, können wir nur an dem Subjekt des Prädikats erkennen, von dem der AcI abhängt, im obigen Beispielsatz also an amici.

    se erravisse allein könnte übersetzt werden mit a) „er habe sich geirrt“ oder b) „sie habe sich geirrt“ oder c) „sie hätten sich geirrt“, je nachdem ob das Subjekt des Prädikats, von dem der AcI abhängt, a) ein Maskulinum Singular, b) ein Femininum Singular ist oder c) im Plural steht.

    Tipp Verwenden Sie bei der Übersetzung eines AcI (wie auch generell bei einer indirekten Rede) den Konjunktiv Präsens, wo er erkennbar ist. Erkennbar ist er immer in der 3. Person Singular. Schreiben sie dann also z. B. immer: er / sie / es werde, habe, wolle, lobe, laufe, springe usw. (und nicht: er würde, er hätte, er würde loben usw.).Bei dem Hilfsverb „sein“ lautet der Konjunktiv Präsens: ich sei, du seiest / du seist (auch: du wärest), er / sie / es sei, wir seien, ihr seiet (auch: ihr wäret), sie seien.

    5 Übersetzen Sie die AcIs mit einem verkappten Nebensatz:

    se fortem esse 1. er / sie sei tapfer; sie seien tapfer

    se salvos esse 2. __________________________

    __________________________

    __________________________

    se fugere noluisse 3. __________________________

    __________________________

    __________________________

    se domos relicturos esse

    4. __________________________

    __________________________

    __________________________

    se ab omnibus amari 5. __________________________

    __________________________

    __________________________

  • PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    10 Tipps und Übungen

    6 Beantworten Sie die Fragen und übersetzen Sie dann den Text:

    Numquam se cenasse domi Philo iurat, et hoc est. (Martial V 47)

    Hilfennumquam = Adverbiale zu cenassecenasse = Kurzform für cenavissehoc est = „das ist so, das stimmt“

    Wie lautet der Infini-tiv des AcI?

    1. __________________________

    __________________________

    Wie lautet der Subjekts-Akkusativ?

    2. __________________________

    __________________________

    Wovon hängt der AcI ab?

    3. __________________________

    __________________________

    Welche Person ist mit se gemeint?

    4. __________________________

    __________________________

    In welchem Zeitver-hältnis steht der AcI zum übergeordneten Prädikat?

    5. __________________________

    __________________________

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    (Der Text geht weiter: Non cenat, quotiens nemo vocavit eum. „Er speist nicht, wenn ihn niemand eingeladen hat.“)

    Tipp Beim nachzeitigen AcI im Aktiv wird esse häufig weggelassen.

    7 Beantworten Sie die Fragen und übersetzen Sie dann den Text:

    Male vivunt, qui se semper victuros putant. (Publilius Syrus M 22)

    Hilfenqui statt: ii, qui

    Wie lautet der Infini-tiv des AcI?

    1. __________________________

    __________________________

    Wie heißt der Subjekts-Akkusativ?

    2. __________________________

    __________________________

    Wovon hängt der AcI ab?

    3. __________________________

    __________________________

    Welche Person ist mit dem Subjekts-Akkusativ gemeint?

    4. __________________________

    __________________________

    In welchem Zeitver-hältnis steht der AcI zum übergeordneten Prädikat?

    5. __________________________

    __________________________

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    4.2 Der AcI als Objekt zum Ausdruck eines Begehrens

    Der AcI als Objekt steht bei einigen wenigen Verben zum Ausdruck eines Begehrens (Wunsch, Befehl oder Verbot) wie iubere „befehlen, auffordern“, vetare „verbieten“, velle „wollen“, nolle „nicht wollen“, malle „lieber wollen“, cupere „wünschen“.

    Weil das im AcI ausgedrückte Begehren und seine Ausführung im Kopf des Begehrenden / Befehlenden zur gleichen Zeit vorhanden sind, steht hier immer der Infinitiv Präsens.

  • Tipps und Übungen 11

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    BeispielCaesar milites pontem facere iussit.

    Caesar befahl, dass die Soldaten eine Brücke bauen sollten.Oder:Caesar befahl den Soldaten, eine Brücke zu bauen.

    4.3 Besonderheiten beim AcI, die seltener auftreten

    Der AcI als abhängige Aussage nach unpersönlichen Ausdrücken:Bei unpersönlichen Ausdrücken wie constat „es steht fest“, manifestum est „es liegt auf der Hand“, necesse est „es ist unausweichlich“ steht der AcI als Subjekt zu dem unpersönlichen Ausdruck.

    Beispiel Mendacem memorem esse oportet. (Nach Quintilian, institutio oratoria 4. 2,91)

    Das Prädikat dieses Satzes ist der unpersönliche Ausdruck oportet „es ist nötig“. Die Frage nach dem Subjekt (Wer oder was ist nötig?) wird durch den AcI beantwortet: mendacem memorem esse „dass der Lügner ‚erinnerungsstark‘ ist“. Der AcI ist also Subjekt des un-persönlichen Ausdrucks. Die Übersetzung des Satzes lautet daher in schlichtem Deutsch: Der Lügner muss ein gutes Gedächtnis haben.

    8 Beantworten Sie die Fragen und übersetzen Sie dann den Text:

    Constat ad salutem civium civitatumque incolumitatem vitamque hominum quietam et beatam inventas esse leges. (Cicero, de legibus 2. 11)

    Nennen Sie den AcI. 1. __________________________

    __________________________

    Von welchem Verb hängt er ab?

    2. __________________________

    __________________________

    Welches Zeitverhält-nis liegt vor?

    3. __________________________

    __________________________

    Woran haben Sie das erkannt?

    4. __________________________

    __________________________

    __________________________

    Nennen Sie die KNG-Kongruenzen. (Welche Adjek-tive / Partizipien stimmen in Kasus, Numerus und Genus mit welchen Subs-tantiven überein?)

    5. __________________________

    __________________________

    __________________________

    Warum stehen die Substantive salutem, incolumitatem und vitam im Akkusativ?

    6. __________________________

    __________________________

    __________________________

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    Der AcI im Relativsatz (relativische Verschränkung):Ein AcI im Relativsatz führt zu einem Satzbau, der für den Lateiner bequem ist, der aber im Deutschen nur durch eine Umschreibung verständlich wird: der soge-nannten relativischen Verschränkung.

    Beispiele Alium silere quod voles, primus sile! (Seneca, Phaedra 876)

    Man könnte zur besseren Durchschaubarkeit des Satzbaus den Rela-tivsatz alium silere quod voles durch das Demonstrativpronomen id ersetzen. Dann wird klar, dass der Relativsatz als Ganzes das Objekt zu sile ist:Id primus sile. „Verschweige das als Erster.“Die inhaltliche Füllung des Demonstrativpronomens id ist der Rela-tivsatz: „das, was nach deinem Willen ein anderer verschweigen soll.“

    Erklärung: voles („du wirst wollen“, einfach zu übersetzen durch: „du willst“) hat als Akkusativobjekt den AcI alium silere: „du willst, dass ein anderer … verschweigen soll.“ Das Relativpronomen quod wiederum ist das Akkusativobjekt zu silere: „das, von dem du willst, dass ein anderer es verschweigen soll.“Wir können also den ganzen Satz einfacher so übersetzen: Was ein anderer verschweigen soll, das verschweige du als Erster.

    Ein weiteres Beispiel:Aemilius, quem amicum patris fuisse scitis, mortuus est.

    Drei Übersetzungsmöglichkeiten bieten sich an:Aemilius, von dem ihr wisst, dass er ein Freund unseres Vaters war, ist gestorben.Aemilius, der, wie ihr wisst, ein Freund unseres Vaters war, ist gestorben.Aemilius – ihr wisst, er war ein Freund unseres Vaters – ist gestorben.

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    12 Tipps und Übungen

    Partizipien drücken wie auch die Infinitive kein Tempus aus, sondern ein Zeitverhältnis:

    Partizip Perfekt Passiv

    Vorzeitigkeit z. B. laudatus, a, um

    Partizip Präsens Aktiv

    Gleichzeitigkeit z. B. legens, legentis

    Partizip Futur Aktiv

    Nachzeitigkeit z. B. oppugnatu-rus, a, um

    Das Lateinische hat eine größere Vorliebe für Parti-zipien als das Deutsche. Das führt dazu, dass wir nicht jedes Partizip einfach wörtlich übersetzen können.

    Beispiele1) Semper quiescens des iniuriae locum. Immer ruhig bleibend, gibt man (gibst du) dem Unrecht Raum.

    Wenn man immer ruhig bleibt, gibt man (gibst du) dem Unrecht Raum.

    2) Urbs diu obsessa expugnata est. Die lange belagerte Stadt wurde erobert.

    3) Civitates magnis affectae beneficis Pompeium diligebant. Die mit großen Wohltaten überhäuften Staaten liebten Pompeius.

    Was ist im ersten Satz gemeint?„Immer, wenn man ruhig bleibt, ermuntert man zu neuem Unrecht.“ (temporales Partizip)Oder vielleicht besser:„Dadurch dass man sich nicht wehrt, ermuntert man zu neuem Unrecht.“ (modales Partizip)

    Was ist im zweiten Satz gemeint?„Die lange belagerte Stadt wurde erobert.“ (im Unter-schied zu anderen nicht belagerten Städten)Oder:„Nachdem die Stadt lange belagert worden war, wurde sie zerstört“ bzw. stilistisch besser: „Nach langer Bela-gerung wurde die Stadt erobert.“ (temporales Partizip)

    Und was ist im dritten Satz gemeint?„Die mit großen Wohltaten überhäuften Staaten …“ (im Unterschied zu anderen, nicht mit großen Wohltaten überhäuften Staaten)Oder:„Die Staaten liebten Pompeius, weil er sie mit großen Wohltaten überhäuft hatte.“ (kausal gemeintes Partizip)

    Offensichtlich traut der Lateiner seinem Zuhörer oder Leser zu, dass er schon den richtigen semantischen Wert, also das richtige gedankliche Verhältnis findet – oder es ist ihm nicht so wichtig. Wenn der Lateiner das gedankliche Verhältnis eindeutig festlegen will, muss er einen eindeutigen Adverbialsatz verwenden.

    Ein Partizip, das sich so mit einem Satzteil verbindet, nennt man Participium coniunctum oder auch Prädika-tivum (weil es eine zusätzliche Aussage ähnlich einem Prädikat enthält).

    Generell empfiehlt es sich, ein Participium coniunctum erst einmal so zu übersetzen, als ob es ein Attribut wäre („die lange belagerte Stadt“), und dann zu sehen, ob die prädikative Auffassung eher einleuchtet („nachdem die Stadt lange belagert worden war“).

    Die folgende Tabelle zeigt verschiedene Möglichkeiten, bei der Übersetzung ins Deutsche temporale, kausale, konzessive, modale und konditionale Wertungen aus-zudrücken.

    gedank-liches Verhältnis

    Subordinie-rung mittels der Subjunk-tion

    Präpositio-nalausdruck (Präpostion plus Subs-tantiv)

    Koordinie-rung (mit „und“ und) mit einem Adverb

    temporal (Gleichzei-tigkeit)

    während, als während, bei

    (und) dabei

    temporal (Nachzeitig-keit)

    als, nachdem nach (und) dann

    kausal weil, da wegen (und) deshalb / daher

    konzessiv obwohl, obgleich

    trotz (und) trotzdem / dennoch

    modal indem; da-durch, dass; (verneint:) ohne dass

    unter, mit (und) so

    konditional wenn, falls – –

    5. Das Partizip

  • Tipps und Übungen 13

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    Der Ablativus absolutus ist eine satzwertige Konstruk-tion, die einen Adverbialsatz ersetzt. Entstanden ist er sprachgeschichtlich vermutlich aus Sätzen wie dem folgenden:

    Flectitur iratus voce rogante deus. (Ovid, ars amatoria I 442) Der erzürnte Gott lässt sich erweichen (wird gebeugt) voce rogante.

    Ob hier voce rogante ein instrumentaler Ablativ mit einem Partizip als Attribut ist („durch eine Stimme, die fleht“), oder mit einem Partizip als Prädikativum („durch eine Stimme, wenn sie fleht“), lässt sich nicht entscheiden.Eine solche Konstruktion hat sich als sehr bequeme Formulierung weit verbreitet und flößt jetzt in der Grammatik unter der Bezeichnung Ablativus absolu-tus – völlig unnötig – manchem Schüler Furcht ein.

    Der Ablativus absolutus besteht im Kern aus zwei Wör-tern im Ablativ: einem Substantiv bzw. Pronomen (das wir als Subjekts-Ablativ bezeichnen können) mit einem Partizip (dem Prädikats-Ablativ).

    Der Prädikats-Ablativ kann sein:a) ein Partizip Perfekt (bei Vorzeitigkeit) oderb) ein Partizip Präsens (bei Gleichzeitigkeit).

    Seltener tritt als Prädikats-Ablativc) ein Substantiv oderd) ein Adjektiv auf.In den Fällen c) und d) besteht immer Gleichzeitigkeit.

    Der Ablativus absolutus wird meist durch einen Adver-bialsatz mit „nachdem“ bzw. „indem / als“ oder durch ein präpositionales Adverbiale übersetzt.

    Beispiele

    9 Übersetzen Sie entsprechend den Beispielen:Matre invita puella templum intravit.

    1. __________________________

    __________________________

    __________________________

    (Daedalus mahnt Ikarus, ihm zu fol-gen, denn …)

    Me duce tutus eris.

    2. __________________________

    __________________________

    __________________________

    (Juvenal VI 212 zu einem Armen, der eine reiche Frau heiraten will:)

    Nihil umquam invita donabis coniuge, vendes hac obstante nihil, nihil, haec si nolet, emetur.

    Nichts wirst du je verschenken …

    3. __________________________

    __________________________

    __________________________

    __________________________

    __________________________

    Der Ablativus absolutus ist im Lateinischen sehr häufig anzutreffen, im Englischen fast nur in der Schriftsprache:This done he went off.The weather being fine we went out for a walk.

    6. Der Ablativus absolutus

    Adverbialsatz präpositionales Adverbiale

    rege expulso nachdem der König vertrieben worden ist/war (temporal)

    nach der Vertreibung des Königs (temporal)

    hostibus sequentibus

    indem/wobei die Feinde folgen/folg-ten (modal)

    natura duce indem die Natur Führerin ist/war (modal)

    unter Führung der Natur (modal)

    patre invito (indem der Vater nicht willig ist/war) (modal)

    gegen den Wil-len des Vaters (modal)

  • PONS Schülerwörterbuch Latein© Pons GmbH, Stuttgart 2020

    14 Tipps und Übungen

    Alle Adjektive sowie adjektivisch gebrauchten Parti-zipien und Pronomina haben mit dem Substantiv, zu dem sie gehören, Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) gemein. Diese Übereinstimmung in Kasus, Numerus und Genus nennt man KNG-Kongruenz.

    Beispielepater incertusincertus (Nom. Sg. m.) richtet sich nach pater (Nom. Sg. m.)

    in urbe vestravestra (Abl. Sg. f.) richtet sich nach urbe (Abl. Sg. f.)

    maritis difficilibusdifficilibus (Dat. / Abl. Pl. m.) richtet sich nach maritis (Dat. / Abl. Pl. m.)

    Die KNG-Kongruenz ermöglicht im Lateinischen eine relativ freie Satzstellung. Der Lateiner kann daher die Satzglieder eines Satzes verschieden anordnen, je nachdem, was er besonders hervorheben will.

    Pater semper incertus est.

    Dies ist die gewöhnliche Wort-stellung. Sätze in gewöhnlicher Wortstellung beinhalten nüch-terne / neutrale Aussagen ohne besondere Hervorhebungen.

    Incertus semper est pater.

    Hier ist das Prädikatsnomen an den Satzanfang gerückt. Dadurch wird sein Inhalt, hier die Unsicher-heit des Vaters, stark betont.

    Pater semper est incertus.

    Hier ist das Prädikatsnomen an das Satzende gerückt. Sein Inhalt (die Unsicherheit des Vaters) wird leicht betont.

    Semper pater est incertus.

    Hier ist das Adverbiale an den Satzanfang gerückt. Damit wird sein Inhalt (dass der Vater eben immer unsicher ist) stark betont.

    8.1 Das Gerundium

    Das Gerundium ist ein Substantiv. Es ersetzt die obli-quen Kasus (also Genitiv, Dativ, Akkusativ und Ablativ) des Infinitivs Präsens, der sich – anders als im Deut-schen – nicht deklinieren lässt. Das Gerundium nennt man Verbalsubstantiv, weil es sich von einem Verb ableitet und auch den Charakter des Verbs beibehält: Es kann nämlich wie ein Verb als Ergänzung ein Objekt oder ein Adverbiale bei sich haben.

    Die möglichen Formen des Gerundiums sind: -ndi (Genitiv), -ndo (Dativ / Ablativ) und (nur wenn eine Präposition davor steht) -ndum (Akkusativ)

    Alle übrigen -nd-Formen sind eindeutig Gerundiva (siehe 8.2).

    10 Bestimmen Sie die Kasus der Nomina und die Satzglieder.

    Veterem ferendo iniuriam invites novam. (Publilius Syrus V 16)Durch Ertragen von altem Unrecht lädt man (lädst du) zu neuem ein.

    ferendo 1. _____________________

    veterem iniuriam 2. _____________________

    veterem 3. _____________________

    invites 4. _____________________

    novam 5. _____________________

    iniuriam novam 6. _____________________

    8.2 Das Gerundivum

    Das Gerundivum ist ein passivisches Verbaladjektiv (ein von einem Verb abgeleitetes Adjektiv).

    Form (im Nominativ): -ndus, -nda, -ndumEs kommen sämtliche Kasus vor, z. B. laudandus – delenda – faciendos – ducendas – audiendum – perse-quendi.

    Das Gerundivum wird a) als Partizipersatz und b) als Prädikatsnomen gebraucht.

    a) Das Gerundivum als Partizipersatz: Wenn das Gerundivum in KNG-Kongruenz mit

    einem Substantiv steht (wenn es also mit ihm in Kasus, Numerus und Genus übereinstimmt), dient es als Partizipersatz, und zwar als Ersatz für das (im Lateinischen nicht vorhandene) Partizip Präsens Passiv oder Partizip Futur Passiv. laudandus heißt dann etwa „gelobt werdend“.

    Bei einem als Partizipersatz benutzten Gerundivum begegnet uns dieselbe Erscheinung wie bei der Partizi-pialkonstruktion ante Christum natum: In einer solchen Verbindung von einer Person oder Sache mit einer Handlung ist im Lateinischen die Person oder Sache vorrangig; die Handlung erscheint als präzisierende Zusatzinformation in Form eines Attributs (vor Chri-stus, nämlich: dem geborenen / als er geboren war). Im Deutschen stellen wir dagegen die Handlung an die grammatikalisch erste Stelle und ordnen ihr die Person oder Sache als Genitivattribut unter (vor der Geburt Christi / vor Christi Geburt).Also: ante Christum natum: „vor der Geburt Christi / vor Christi Geburt“.

    8. Die -nd-Formen: Gerundium – Gerundivum

    7. Die KNG-Kongruenz und ihre Funktion

  • Tipps und Übungen 15

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    Genauso verfahren wir beim Gerundivum, wenn es als Partizipersatz auftritt.

    Beispiele(Collatinus rief das Volk auf:) ad regem expellendum

    expellendum wird im Deutschen zum Substantiv („Vertreibung“); regem wird zum Genitivattribut („des Königs“): zur Vertreibung des Königs

    consilium copiarum reducendarum

    reducendarum wird im Deutschen zum Substantiv („der Plan / Rat der Zurückführung“); copiarum wird zum Attribut („der Truppen“):der Plan / Rat zur Zurückführung der Truppenbesser: der Plan / Rat, die Truppen zurückzuführen

    in mit einer -nd-Form im Ablativ bedeutet „bei“.

    Beispielein libro legendo beim Lesen des Buches

    in inscriptionibus legendis beim Lesen der Inschriften

    in urbe defendenda bei der Verteidigung der Stadt

    11 Übersetzen Sie entsprechend den Beispielen:ars epistularum scribendarum

    1. __________________________

    __________________________

    __________________________

    cogitatio furti faciendi

    2. __________________________

    __________________________

    __________________________

    ad liberos educandos paratus

    3. __________________________

    __________________________

    __________________________

    in urbe liberanda 4. __________________________

    __________________________

    __________________________

    Superstitione tollen-da religio non tollitur. (Cicero, div. II 148)

    5. __________________________

    __________________________

    __________________________

    b) Das Gerundivum als Prädikatsnomen: Sehr häufig tritt das Gerundivum als Prädikatsno-

    men auf, hat also eine finite Form von esse bei sich – innerhalb eines AcI dann natürlich den Infinitiv esse (der aber im AcI oft weggelassen ist und dann ergänzt werden muss).

    In seinem Gebrauch als Prädikatsnomen drückt das Ge-rundivum aus, dass etwas geschehen soll / muss – oder im Falle der Verneinung – nicht geschehen darf. Kurz: es bringt dann eine Notwendigkeit zum Ausdruck.

    BeispieleBonam voluntatem laudandam putamus.Wir glauben, dass der gute Wille gelobt werden muss.

    Bonum factum vituperandum non est.Eine gute Tat darf nicht getadelt werden.

    In den obigen Beispielsätzen sind keine Personen ge-nannt, die etwas tun oder lassen sollen. Die durch das Gerundivum ausgedrückte Notwendigkeit gilt daher allgemein.Wenn die Notwendigkeit nicht allgemein ist, sondern nur für eine bestimmte Person gilt, welche die durch das Gerundivum angegebene Handlung ausführen muss / soll (bzw. nicht ausführen darf), dann steht diese Person im Dativ. Diesen speziellen Dativ nennt man Dativus auctoris (Dativ des Urhebers).

    BeispieleDiscipulis multi libri legendi sunt. Viele Bücher müssen gelesen werden.Für wen gilt das? Für die Schüler.Also: Schüler müssen viele Bücher lesen.

    Militibus pons faciendus erat. Eine Brücke musste gebaut werden.Für wen gilt das? Für die Soldaten.Also: Die Soldaten mussten eine Brücke bauen.

    12   Im folgenden Text kommen dreimal Gerundiva als Prädikatsnomen vor. Übersetzen Sie den Text.

    (Seneca, epist. 107,7: Es gibt auch naturgegebene Zwänge, z. B.:) Hiems frigora adducit: algendum est. Aestas calores refert: aestuandum est. Intemperies caeli valetudinem temptat: aegrotandum est.

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    c) Das Gerundivum zum Ausdruck des Wünschens-werten:

    Das ist ziemlich selten.

    BeispieleMihi librum legendum tradidit. Er gab mir ein Buch zum Lesen / zu lesen.

    factum laudandum eine lobenswerte Tat

    vox intoleranda ein unerträgliches Wort

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    16 Tipps und Übungen

    Bei lateinischen Verben unterscheidet man wie im Deutschen die Modi Indikativ, Imperativ und Konjunk-tiv. Allerdings gelten vor allem für den Konjunktiv im Lateinischen zum Teil andere Regeln als im Deutschen.

    9.1 Der Indikativ

    Bei einer im Indikativ (dem Anzeige-Modus) formu-lierten Mitteilung oder Frage wird sich der Leser / Hörer den Inhalt als unzweifelhaft real vorstellen.

    9.2 Der Imperativ

    Meint der Sprecher, die Sache solle realisiert werden, so wählt er den Imperativ (Befehl) oder, wenn er es nur wünscht, den Konjunktiv. Der Konjunktiv hat nämlich auch die Funktion, Wünsche zum Ausdruck zu bringen. In dieser Teilfunktion nennt man ihn daher Optativ (Wunschform; von optare „wünschen“).

    Zur ErinnerungDer Imperativ lautet in der Regel wie der Präsensstamm, im Plural wird -te angehängt.Ora et labora „Bete und arbeite!“, cantate „singt!“

    Aber: dic „sprich!“, fac „tu / mach!“

    Beim Deponens lautet der Imperativ im Singular wie der Infinitiv Ak-tiv: sequere „folge!“ (von sequi „folgen“); Imperativ Plural: sequimini „folgt!“

    9.3 Der Konjunktiv

    Die im Konjunktiv stehenden Äußerungen haben grundsätzlich weniger Anspruch auf Realität, sie sind eher Meinungen, Vorstellungen oder Erwartungen. Daher wird auch ein Wunsch oder eine vorsichtige Behauptung im Konjunktiv ausgedrückt. Also muss man bei einem Konjunktiv überlegen, warum er benutzt wird.Auch im Futur stehende Äußerungen haben weniger Realitätsgehalt, weil sie ja erst noch stattfinden sollen.

    Zur ErinnerungErkennungsmerkmale des Konjunktiv Präsens: Das Moduszeichen ist -a- (z. B. audiam, audias, deleam, ducam).Bei der a-Konjugation ist das Moduszeichen jedoch -e-, welches den Stammauslaut -a- ersetzt (z. B. laudem, laudes).Bei esse, velle, nolle, malle schließlich ist das Moduszeichen -i- (sim, velim, nolim, malim).

    Erkennungsmerkmale der anderen Konjunktive: Der Konjunktiv Imperfekt sieht aus wie der Infinitiv Präsens Aktiv mit angehängter Personalendung, z. B. laudare (Infinitiv), laudarem (Konjunktiv Imperfekt). Der Konjunktiv Perfekt wird gebildet mit Perfektstamm plus Infix -eri- plus Personalendung, z. B. audiverim. Der Konjunktiv Plusquamperfekt sieht aus wie der Infinitiv Perfekt Aktiv mit angehängter Personalendung, z. B. fecisse (Infinitiv Perfekt Aktiv), fecissem (Konjunktiv Plusquamperfekt).

    9. Die Modi des Verbs

    Bei einem Konjunktiv im Hauptsatz muss man aus dem Kontext herausfinden, warum er benutzt wird. Nur bei irrealen Bedingungssätzen (Konditionalsätzen) werden die Konjunktive von Imperfekt und Plusquam-perfekt genauso gebraucht wie im Deutschen:„Si essem imperator, essem Alexander“ – „Wenn ich ein Feldherr wäre, wäre ich Alexander“, sagte ein angeberischer Redner. Darauf bekam er die spöttische Antwort: „Si esses cloaca, esses cloaca maxima.“ – „Wenn du ein Abwasserkanal wärest, wärst du der Hauptabwasserkanal.“

    Außer den irrealen Bedingungssätzen gibt es noch fünf weitere Fälle, in denen im Lateinischen der Konjunktiv steht, im Deutschen aber nicht. Man muss daher bei je-dem Konjunktiv überlegen, welche der folgenden sechs Möglichkeiten die wahrscheinlichste ist:

    1) eine höfliche Aufforderung (Jussiv, von iubere „auf-fordern, befehlen“) oder ein Wunsch (Optativ, von optare „wünschen“)

    BeispieleVideant consules, ne quid res publica detrimenti capiat. Die Konsuln sollen sehen, dass der Staat keinen Schaden nimmt!

    Sit pudor. (Scham möge sein) Schäm’ dich doch!

    Sit tibi terra levis! Möge dir die Erde leicht sein! (Grabinschrift)

    2) eine abgeschwächte Aussage (Potentialis)

    Beispiel Diu apparandum est bellum, ut vincas celerius. (Publius Syrus D2) Lange muss man einen Krieg vorbereiten, damit man schneller siegt.

    3) eine vorgestellte Aussage (in einer Erörterung)

    Beispiel Perdidisse honeste mallem quam accepisse turpiter. Ich möchte lieber auf ehrenhafte Weise verloren haben, als auf schändliche Weise bekommen haben.

    4) eine Verallgemeinerung (in der 2. Person Singular der Konjunktive von Präsens, Imperfekt und Perfekt)

    BeispielNam quod emas, possis iure vocare tuum. (Martial: II 20)Denn was man kauft, kann man wohl mit Recht sein Eigen nennen.

    10. Der Konjunktiv im Hauptsatz

  • Tipps und Übungen 17

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    5) Zweifelnde Frage (nur bei der 1. Person)

    Beispiel Quid agam? Was soll ich tun?

    6) Irrealität (Konjunktiv Imperfekt und Konjunktiv Plusquamperfekt, genauso wie im Deutschen)

    BeispielSi tacuisses, philosophus mansisses. Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben (hättest weiterhin als weise gegolten).

    Oft dient der lateinische Konjunktiv nur zur Kennzeich-nung eines Nebensatzes (daher der Name Konjunktiv von coniungere „verbinden“, also „Verbindungsform“). Im Deutschen steht dann meist der Indikativ.

    11.1 Der Konjunktiv in Abhängigkeit von Subjunk-tionen (unterordnenden Konjunktionen)

    Nach einer ganzen Reihe von Subjunktionen steht der Konjunktiv, z. B. nach cum „als, nachdem, weil, obwohl, während“, ut „dass, damit; sodass“ usw.Das muss man beim Lernen der Vokabel unbedingt mitlernen.

    Beispielcum interrogatus esset als er gefragt worden war

    cum venissemus als wir gekommen waren

    Mons altissimus impendebat, ut perpauci iter prohibere possent. (Caesar, b.G. I 6,1)Ein sehr hoher Berg hing über, sodass ganz wenige Leute den Weg sperren konnten.

    11.2 Der Konjunktiv in Nebensätzen innerhalb einer indirekten Rede

    Alle Nebensätze, die Teil einer indirekten Rede sind, stehen im Lateinischen im Konjunktiv. Das gilt natürlich auch für indirekte Fragesätze, die im Deutschen in der Umgangssprache oft im Indikativ stehen.

    Zur ErinnerungIn der indirekten Rede stehen im Lateinischen alle Hauptsätze, die Aussagen oder Fragen ausdrücken, im AcI. Nur die Begehrssätze (Wünsche / Befehle) stehen im Konjunktiv.

    11.3 Der Konjunktiv im Relativsatz

    Wenn ein Relativsatz im Konjunktiv steht, kann es sein, dass er einfach Teil einer indirekten Rede ist. Es können aber auch andere Gründe für die Verwendung des Kon-junktivs vorliegen:

    a) Finaler Nebensinn: Manchmal hat ein solcher Relativsatz einen finalen

    Nebensinn, der im Deutschen meist mit „sollen“ wiedergegeben wird.

    BeispielCaesar misit, qui viderent … Caesar schickte Leute, die sehen sollten …

    b) Konsekutiver Nebensinn Es kann aber auch ein konsekutiver Nebensinn vor-

    liegen, den wir im Indikativ wiedergeben müssen.

    BeispielSunt, qui dicant … Es gibt Leute, die sagen … Oder: Manche Leute sagen, …(Der konsekutive Nebensinn wird deutlich, wenn man den Konjunktiv so interpretiert: „Es gibt Leute, die so beschaffen / eingestellt sind, dass sie sagen …“)

    13    a) Schreiben Sie die jeweils passende der ange-gebenen Formen in die Lücke:

    1. cetera, ceteras, ceteris, ceterorum, ceteros2. spelunca, speluncam, speluncarum, speluncis3. vulpem, vulpes, vulpibus, vulpium4. leoneque, leonemque, leonique, leonibusque,

    leonisque5. vestigia, vestigiis, vestigio, vestigiorum

    Leo annis deficiens aegrotare se simulabat eaque fallacia 1. ________________________ bestias, ut 2. _______________________ ad se visitandum introirent, adducebat; ita eas consumebat. 3. _________________________ autem ante speluncam restitit 4. ______________________ salutavit. Interrogata igitur ab illo, quare non intraret, respondit: “Quia video intrantium, sed non exeuntium 5.____________________________.

    b) Übersetzen Sie den Text.

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    11. Der Konjunktiv im Nebensatz

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    18 Lösungen zu den Übungen

    1. Ingratus unus omnibus miseris nocet. (Publilius Syrus I 13)Grammatische Analyse: 1. über das Subjekt mitgeteilt?; 2. Singular; 3. adjektivisches; 4. zeitloses Übersetzung: Ein einziger Undankbarer schadet allen Unglücklichen.

    2. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. (Kaiser Lothar I. 795-855) Grammatische Analyse: 1. mutantur; 2. tempora; 3. mutamur; 4. nos; 5. et; 6. zeitlosesÜbersetzung: Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen.

    3. Grammatische Analyse: Der Satz besteht aus zwei Teil-sätzen, die unverbunden (ohne Konjunktion) auf einer Stufe stehen. Es handelt sich also um eine Satzreihe (zwei aneinandergereihte Hauptsätze). Die beiden Prä-dikate sind „perit“ und „manet“. Das Subjekt zu „perit“ ist „vox audita“ und das Subjekt zu „manet“ ist „littera scripta“. Beide Subjekte bestehen aus einem Substantiv und einem Attribut dazu: „audita“ ist Attribut zu „vox“ und „scripta“ ist Attribut zu littera“. In beiden Teilsät-zen stehen die Satzglieder in derselben Reihenfolge (Subjekt – Prädikat); ebenso steht in beiden Teilsätzen das Attribut hinter dem Substantiv: Es liegt also ein Parallelismus vor (obwohl inhaltlich ein Gegensatz dargestellt wird). Übersetzung: Die gehörte Stimme / Das gehörte Wort vergeht, der geschriebene Buchstabe bleibt.

    4. Grammatische Analyse: 1. haberent; 2. invitavit; 3. rapuit; 4. cum; 5. Romulus; 6. populus; 7. vicinas; 8. rapuit.Übersetzung: Da / Weil / Als Romulus und sein Volk keine Ehefrauen hatten, lud er die (der Stadt) Rom benachbarten Stämme (oder: Roms Nachbarstämme) zum Anschauen von Spielen ein und raubte ihre Jung-frauen.

    5. 1. er / sie sei tapfer; sie seien tapfer; 2. sie seien gesund; 3. er / sie habe nicht fliehen wollen; sie hätten nicht flie-hen wollen; 4. sie würden die (ihre) Häuser verlassen; 5. er / sie werde von allen geliebt, sie würden von allen geliebt

    6. Grammatische Analyse: 1. cenasse; 2. se; 3. iurat; 4. Philo; 5. vorzeitigÜbersetzung: Niemals habe er zu Hause gespeist, schwört Philo, und das stimmt.

    7. Grammatische Analyse: 1. victuros; 2. se; 3. putant; 4. Subjekt des AcI sind die mit „qui“ Gemeinten, also alle, die das glauben; 5. nachzeitigÜbersetzung: Schlecht leben die, die glauben, sie würden ewig leben. (Kürzer:) Schlecht lebt, wer ewig zu leben glaubt.

    8. Grammatische Analyse: 1. inventas esse leges; 2. constat; 3. Vorzeitigkeit; 4. inventas esse (Infinitiv Perfekt steht für Vorzeitigkeit); 5. „quietam et beatam“ kongruieren mit „vitam“, „inventas“ kongruiert mit „leges“; 6. Die Substantive „salutem“, „incolumitatem“ und „vitam“ stehen im Akkusativ, weil sie von „ad“ abhängen.Übersetzung: Es steht fest, dass die Gesetze zum Wohl der Bürger, zur Unversehrtheit der Staaten und zu einem ruhigen und glücklichen Leben der Men-schen erfunden worden sind. (Wenn man versucht, die auffällige Wortstellung des lateinischen Satzgefüges nachzubilden, könnte man sagen:) Es steht fest, dass zum Wohl der Bürger, zu der Staaten Unversehrtheit und zu einem Leben der Menschen in Ruhe und Glück die Gesetze erfunden worden sind.

    9. 1. Gegen den Willen der Mutter betrat das Mädchen

    den Tempel. 2. (Daedalus mahnt Ikarus, ihm zu folgen, denn:)

    Unter meiner Führung (oder: Wenn ich dich führe,) wirst du sicher sein.

    3. Nichts wirst du je verschenken gegen den Willen deiner Gattin, verkaufen wirst du nichts, wenn sie sich dem widersetzt, nichts wird, wenn sie nicht will, gekauft werden.

    10. 1. Ablativ des Gerundiums; Adverbiale zu „invites“; 2. Akkusativ; Objekt zu „ferendo“; 3. Akkusativ; adjekti-visches Attribut zu „iniuriam“; 4. Prädikat; 5. Akkusativ (zu ergänzen ist „iniuriam“); adjektivisches Attribut zu „iniuriam“; 6. Akkusativ; Objekt zu „invites“.

    11. 1. die Kunst, Briefe zu schreiben2. das Nachdenken darüber (oder: der Plan), einen

    Diebstahl zu begehen3. zur Erziehung der Kinder bereit 4. bei der Befreiung der Stadt 5. Durch die Beseitigung des Aberglaubens wird die

    Religion nicht beseitigt.

    12. Der Winter bringt Kälte: Man muss frieren. Der Som-mer bringt Hitze: Man muss schwitzen. Die unbestän-dige Witterung greift die Gesundheit an: Man muss krank werden (oder: Man wird zwangsläufig krank).

    Lösungen zu den Übungen

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    Lösungen zu den Übungen

    13.a) 1. ceteras; 2. speluncam; 3. vulpes; 4. leonemque;

    5. vestigia.b) Übersetzung: Als der Löwe altersschwach geworden

    war, gab er vor (oder: Der altersschwache Löwe gab vor), er sei krank, und veranlasste durch diese Täuschung die übrigen Tiere, die Höhle zu betreten, um ihn zu besuchen; so fraß er sie. Der Fuchs aber blieb vor der Höhle stehen und grüßte den Löwen. Von diesem daher gefragt (oder: Als der ihn deswe-gen fragte), warum er nicht eintrete, antwortete er: „Weil ich Spuren von Eintretenden sehe, aber nicht von Hinausgehenden.“

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    20 Übersetzungstrainer

    Im Abitur wird von Ihnen verlangt, dass Sie einen latei-nischen Text in angemessenes Deutsch übersetzen. Das erfordert Dreierlei: erstens, dass Sie alle Aussagen des Textes möglichst genau verstehen, also richtig deko-dieren, zweitens, dass Sie das Erkannte im Deutschen möglichst gut verstehbar wiedergeben (rekodieren), und drittens, dass das sprachliche Niveau Ihrer Über-setzung dem lateinischen Text angemessen ist. Wahrscheinlich wird aber auch erwartet, dass Sie nicht ausgangsprachenorientiert übersetzen sollen, son-dern zielsprachenorientiert, das heißt, dass man Ihrer Übersetzung nicht sofort ansehen soll, ob da z. B. im Lateinischen ein Ablativus absolutus steht.

    Im Idealfall, der aber in einer Prüfungssituation sicher nicht erreichbar ist, zumal sie zeitlich begrenzt ist,

    würde zu der inhaltlichen Gleichwertigkeit von Original und Übersetzung die Gleichwertigkeit in Satzbau und Ausdrucksweise, die Gleichwertigkeit in Hinsicht auf die sprachliche Schönheit und die Gleichwertigkeit des Erlebens auf Seiten der Leser hinzukommen.

    Was Ihre Prüfer erwarten, sollte Ihnen aus dem Unter-richt deutlich geworden sein. Wenn nicht, sollten Sie nachfragen. Da Ihre Übersetzung auch der Kontrolle Ihrer Lateinkenntnisse dient, kann es schon sein, dass – außer vielleicht bei dichterischen Texten – die Prüfer er-warten, dass Ihre Übersetzung die lateinische Struktur durchscheinen lässt oder dass Sie sie durch erläuternde Zusätze deutlich machen, wenn Sie von dieser Struktur bewusst abweichen.

    ÜbersetzungstrainerWege vom lateinischen Original zum deutschen Text

    1. Was heißt Übersetzen?

    Von einer Übersetzungsmethode sollte man erwarten, dass sie den Anwender methodisch – in kleinen über-schaubaren und konsequenten Schritten – vom Original zu einer fertigen Übersetzung führt.Bevor man einen Text übersetzen kann, muss man ihn dekodieren, und dazu dient die grammatische Analyse. Wenn man einen Text sofort intuitiv versteht, kann diese Analyse knapp ausfallen oder auch gänzlich weg-fallen. In der Regel wird aber eine gründliche Analyse nötig sein.

    2.1 Die Konstruktionsmethode

    Die Konstruktionsmethode eignet sich besonders gut für die Analyse.Nach Abgrenzung von Haupt- und Nebensätzen sucht man zuerst Prädikat und Subjekt des Hauptsatzes und erstellt für diese eine Arbeitsübersetzung (eine vorläufige Übersetzung). Dann überlegt man, welche weiteren Satzglieder zu erwarten sind, stellt diese fest und fügt deren Übersetzung in die Arbeitsübersetzung ein. Wenn man dabei den Satz von vorn durchgeht, wird man wahrscheinlich kaum jemals ein Satzglied aus-lassen. Dann verfährt man mit dem ersten Nebensatz genau so, stellt fest, wo sich der Nebensatz mit dem Hauptsatz verbindet, und fügt schrittweise alles in das bereits Übersetzte ein. Hat man so eine Arbeitsüberset-zung des ersten Satzes bis zum Punkt (oder Semikolon oder Fragezeichen) erstellt, überprüft man sie auf Ver-ständlichkeit und sprachliche Korrektheit. Dann geht man zum nächsten Satz / Satzgefüge über.

    Für die sprachliche Gestalt der deutschen Übersetzung selbst gibt diese Methode weniger her.

    2.2 Analyse durch optische Gliederung

    Ein Verfahren, das vielleicht von visuellen Lernern bevorzugt wird, ist das Gliedern in Sätze und Blöcke, wobei alle Nebensätze eingerückt werden. Das Ziel ist, die Satzstruktur (Teilsätze, Satzabschnitte) optisch sofort ins Auge fallen zu lassen.Da dies das Abschreiben des Textes erfordert, kann man es in einer Prüfungssituation aus Zeitgründen kaum anwenden.

    2.3 Die Drei-Schritt-Methode

    Ein Verfahren, das sich von vornherein stärker auf den Inhalt des jeweiligen Textes einlässt, ist die Drei-Schritt-Methode, auch Pendel-Methode genannt. Hier macht man sich zunächst den Satzanfang klar, weil man dann schon eine Vorstellung hat, worum es überhaupt geht. Dann sucht man das zugehörige Prädikat (meist am Satzende) und dann das Subjekt (man pendelt also vom Anfang zum Ende und dann wieder zum Anfang zurück), übersetzt das Erkannte und sucht vom Anfang aus alle übrigen Satzglieder zu verstehen und in seine Arbeitsübersetzung einzubauen. Dabei spielen die Fragen „Was weiß ich jetzt schon?“ und „Wie könnte es weitergehen?“ eine entscheidende Rolle.

    2. Übersetzungsmethoden

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    Übersetzungstrainer

    2.4 Mischung der Methoden

    Ob jemand mit einer Methode gut zurechtkommt, hängt auch von seiner persönlichen Eigenart ab. Wer kein visueller Typ ist, wird vermutlich keinen großen Nutzen aus einem Verfahren ziehen, das gerade auf

    eine optische Gliederung aus ist; einem anderen liegt vielleicht ein konsequentes Analysieren weniger. Schon wegen der Vielfalt der Texte ist es angebracht, sich nicht stur auf eine einzige Methode zu beschränken, sondern die verschiedenen Methoden zu kombinieren.

    Ein Text ist etwas „Gewobenes“, „Vernetztes“. Heraus-zufinden, was einen Text zusammenhält, erleichtert das Textverständnis und damit die Übersetzung. Um die Vernetzung eines Textes zu erkennen, ist es sinnvoll, sich den Text zunächst als Ganzes anzuschauen, um sich zuerst einmal einen Überblick zu verschaffen. Im Folgenden sind einige Mittel beschrieben, mit deren Hilfe Sätze zu einem Text vernetzt werden.

    3.1 Mittel zur Vernetzung von Texten

    a) Es gibt satzverknüpfende Elemente (Konnektoren, die oft auch gedankliche Beziehungen einzelner Teilaussagen festlegen); z. B. autem, itaque, enim.

    b) Es werden Ersatzwörter (Pronomina und ande-re Pro-Formen) verwendet, um „Textökonomie“ (Sparsamkeit im Ausdruck, um möglichst viel mit möglichst wenig Wörtern auszudrücken) zu erreichen. Wofür diese Wörter stehen, muss man herausfinden, dabei muss man im Deutschen oft z. B. Pronomina durch Namen ersetzen.

    Zuweilen wird die „Textökonomie“ so weit getrie-ben, dass vereinzelte Ellipsen (Auslassungen ganzer Satzglieder) vorkommen: Dann muss man z. B. ein fehlendes Subjekt oder Objekt aus dem Textzusam-menhang erschließen und ergänzen.

    c) Jeder Text hat ein Thema (ein Hauptthema oder mehrere von unterschiedlichem Gewicht), das meist am Anfang genannt wird. Der thematische Zusammenhang hat zur Folge, dass im Text viele Begriffe / Vokabeln aus demselben Sachgebiet auftreten. Diese Wörter erleichtern es zu erkennen, worum es im Text geht.

    d) Am Anfang eines Textes werden regelmäßig Er-wartungen geweckt, die am Ende im Wesentlichen befriedigt werden (manchmal in überraschender Weise). Zu dieser Abrundung kommt es in einem Prüfungstext wahrscheinlich nicht immer, weil des-sen Länge beschränkt ist.

    3.2 Mittel zur Unterstreichung der Redeab-sicht / Sprecherintention

    Der Verfasser eines Textes kann, um seine Redeab-sicht / Sprecherintention zu verdeutlichen, z. B. einzelne Aussagen oder Aussageteile hervorheben. Dazu hat er u. a. folgende Mittel, die auch der Übersetzer kennen sollte:– Kalkulierte Verteilung der Informationen auf Haupt-

    und Nebensätze

    Was als besonders wichtig erscheinen soll, kommt in den Hauptsatz. Alles in Hauptsätze zu packen, bewirkt, dass alles gleich wichtig erscheint, was aber leicht zur Langeweile führt.

    – Tempuswahl / Zeitrelief Die Hauptaussagen stehen im Lateinischen in erzäh-

    lenden Texten im Perfekt; was besonders eindrücklich erscheinen soll, kann im Präsens stehen. Zustände oder Handlungen, die als weniger wichtig erscheinen sollen, aber doch zum Verständnis notwendig sind, setzt der Lateiner ins Imperfekt bzw. Plusquamper-fekt.

    – Änderung der Satzart Anstelle eines Aussagesatzes kann z. B. eine rhe-

    torische Frage oder ein Ausruf stehen. Dabei findet immer auch ein Appell an Gefühle statt.

    – Auffälliger Satzbau durch ungewöhnliche Stellung der Satzglieder

    Beispiele dafür sind: Parallelismus (wenn in den beiden Sätzen einer Satzreihe die Satzglieder in der-selben Reihenfolge stehen) bzw. Chiasmus (wenn sie in gegensätzlicher Reihenfolge stehen); Abweichung von der gewöhnlichen Reihenfolge (Subjekt – Objekt – Prädikat), z. B., wenn das Subjekt am Ende oder das Prädikat am Anfang des Satzes steht; Trennung von zusammengehörigen Wörtern (Hyperbaton / Sper-rung).

    – Wiederholungen (wörtlich oder durch Pro-Formen).

    3.3 Stilmittel

    Auch die Verwendung von Stilfiguren dient dazu, bestimmte Teilaussagen oder Begriffe herauszuheben. Außerdem machen sie den Text für den kundigen Leser schöner und damit interessanter oder vergnüglicher. Die genaue Absicht der Verwendung eines Stilmittels lässt sich in einem Text nicht immer eindeutig beschreiben.Zur Erhöhung des ästhetischen Genusses und zur bes-seren Behaltbarkeit dient im Deutschen die Verwen-dung von Reim und verschiedenen Versmaßen. Im klas-sischen Latein gibt es keine Reime, dafür aber in der Nachfolge der Griechen mannigfaltige, zum Teil sehr komplizierte Versmaße. Bei Prosatexten wie öffentli-chen Reden werden oft die Schlüsse von Satzperioden rhythmisch gestaltet.

    3. Verstehens- und Übersetzungshilfen auf Grund textlinguistischer Überlegungen

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    22 Übersetzungstrainer

    3.4 Und wenn der Text gar keinen Sinn ergibt?

    Das Beachten von textgrammatischen Tatbeständen erleichtert das Verstehen von Texten. Wenn Ihnen den-noch ein Text völlig unvernünftig oder unverständlich erscheint, haben Sie wahrscheinlich irgendein sprach-liches Signal übersehen oder falsch gedeutet; denn Sie können doch davon ausgehen, dass Ihnen in einer Prüfung keine unsinnigen Texte vorgelegt werden. Hat Ihnen vielleicht eine für den Textautor selbstver-

    ständliche Information gefehlt? Oder sind Sie von Ihren heutigen Weltvorstellungen ausgegangen und haben diese absolut gesetzt?

    Tipp Bei der Texterschließung kann es sinnvoll sein, unverstandene Textteile zunächst zu übergehen, um sie dann später in das Ganze einzufügen.

    1 Welche Übersetzungsverfahren auch immer Sie anwenden und was Sie an textlinguistischen Einsichten mit einbringen, auf jeden Fall benötigen Sie eine gewisse Sicherheit in der Formenlehre. Das wird sofort klar, wenn Sie versuchen, sich die ersten vier Zeilen aus Ovids Metamorphosen zu erschließen.

    Zu Ovid, Metamorphosen I, 1-4 In nova fert animus mutatas dicere formascorpora. Di, coeptis1 – nam vos mutastis2 et illas – adspirate meis primaque ab origine mundiad mea perpetuum deducite tempora carmen.

    Hilfen:1 coeptum, i das Begonnene, das Beginnen, das Vorhaben

    2 mutastis Kurzform für mutavistis

    Füllen Sie die Lücken aus.1) Wenn wir mit der Pendelmethode beginnen und

    zuerst den Anfang des Textes betrachten, stellen wir fest: Es geht um etwas Neues. Gleich danach sehen wir das Prädikat und Subjekt, nämlich: _______________________, _______________________ „der Geist trägt / treibt“. Dazu passt der Infinitiv dicere „sagen, erzählen“. Damit haben wir das Material für die erste Arbeitsübersetzung:

    Der / Mein Geist treibt zu erzählen / zu berichten.

    2) Welche KNG-Kongruenzen gibt es im ersten Satz (also welche Adjektive / Partizipien stimmen mit welchen Substantiven in Kasus, Numerus und Genus überein)? ________________________________ _______________________________________________

    3) Was ist das Objekt zu dicere? _______________________. Wir können nun das Erkannte in unsere Arbeitsübersetzung einbauen:

    Mein Geist treibt mich die Formen / Gestalten zu berichten (oder) von den Formen zu reden.

    Wenn wir nun die restlichen Satzglieder bestimmen und auch diese in die Arbeitsübersetzung einbauen, lautet diese etwa so:

    Von den in neue Körper verwandelten Gestalten zu berichten / zu reden, treibt mich mein Geist.

    4) Bei der Übersetzung des zweiten Satzes lassen wir zuerst die zwischen den Gedankenstrichen stehende Paranthese (eingeschobener Satz) nam vos mutastis et illas außer Acht und suchen mittels der Konstruktionsmethode von hinten nach vorn gehend das Prädikat. Dieses lautet: _____________________________.

    5) Den Text weiter nach vorn durchgehend ent-decken wir davor noch ein weiteres Prädikat: _____________________________.

    Nachdem wir zu den beiden Prädikaten auch das Subjekt entdecken, können wir etwa folgende Arbeitsübersetzung anfertigen:

    Ihr Götter, seid günstig / seid gewogen und geleitet …

    6) Welche KNG-Kongruenzen liegen vor? meis kongru-iert mit _______________________, welches also ein Substantiv ist. prima kongruiert mit _______________________. ad mea kongruiert mit _______________________. perpetuum kongruiert mit ______________________.

    7) Jetzt fehlt noch die bisher ausgelassene Paren-these nam vos mutastis (Kurzform für mutavi-stis) et (auch) illas. Was ist mit illas gemeint? _______________________

    8) An dem einleitenden _______________________ sehen wir, warum der Dichter die Götter anruft.

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    4. Übungen

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    Übersetzungstrainer

    2  Lesen Sie sich den Text langsam durch und über-legen Sie, wie Sie vorgehen möchten, um ihn sich zu er-schließen. Vielleicht wollen Sie sich den Text auf Grund der oben angestellten methodischen und textgramma-tischen Überlegungen erschließen, indem Sie die unten stehenden Fragen beantworten, bevor Sie den Text als Ganzes übersetzen.

    (Nach Caesars Ermordung im Jahre 44 vor Christi Ge-burt kam es erneut zu Bürgerkriegen; Caesar Augustus Octavianus einigte sich nach der Besiegung der Caesar-mörder mit Marcus Antonius. Dieser bekam Ägypten und den Ostteil des Reiches zugesprochen.)

    Eutrop VII, 6b + 7a Antonius, qui Orientem et Asiam tenebat, repudiata sorore Caesaris Augusti Octaviani reginam Aegypti du-xit uxorem. Contra Persas etiam ipse1 pugnavit. Primis eos2 proeliis vicit, regrediens tamen fame et pestilentia laboravit et, cum instarent Parthi fugienti3, ipse pro victo recessit.Hic4 quoque ingens bellum civile commovit cogente uxore Cleopatra regina Aegypti, quae cupiditate muliebri optabat etiam in urbe regnare. Victus est ab Augusto navali pugna clara et illustri apud Actium, qui locus in Epiro est; ex qua fugit in Aegyptum et despe-ratis rebus, cum omnes ad Augustum transirent, ipse5 se interemit.

    1) Welche Namen kommen vor (Personen, Orte)?

    a) Personen: ______________________________________ _______________________________________________

    b) Orte: _________________________________________ ______________________________________________

    2) Sehen Sie sich den Anfang und das Ende des Textes an: Wovon handelt der Text?

    _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________

    3) Wo sind die Hintergrundinformationen?

    _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________

    _______________________________________________ _______________________________________________

    4) Wer ist mit folgenden Pro-Formen gemeint? 1. ipse _____________________________________

    _____________________________________

    2. eos _____________________________________ _____________________________________

    3. fugienti _____________________________________ _____________________________________

    4. hic _____________________________________ _____________________________________

    5. ipse _____________________________________ _____________________________________

    5) Suchen Sie die Konnektoren heraus:

    _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________

    Übersetzung:

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

    __________________________________________________

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    24 Übersetzungstrainer

    3 Wenn Sie die römische Geschichte der frühen Kaiserzeit einigermaßen kennen, könnten Sie allein aus den vorkommenden Namen sehen, wovon der folgende Text handelt. Das würde ihnen für die Übersetzung einen gewaltigen Vorteil verschaffen.

    Lesen Sie sich den Text durch und überlegen Sie sich dann, wie Sie sich den Text erschließen wollen. Welche Informationen haben Sie bereits beim ersten Durchle-sen verstanden?

    Ob Ihnen die unten stehenden Anweisungen helfen? Versuchen Sie die Fragen zu beantworten; lesen Sie dann die in der Lösung zu Übung 3 vorgeschlagenen Antworten, danach übersetzen Sie den Text. Tipp: Be-achten Sie das Zeitrelief und lassen Sie bei der Überset-zung zunächst die Hintergrundinformationen weg.

    Zu Eutrop VIII, 6-7Defuncto Traiano Aelius Hadrianus creatus est prin-ceps sine aliqua quidem voluntate Traiani, sed ope-ram dante Plotia, Traiani uxore; nam eum Traianus quamquam consobrinae suae filium vivus noluerat adoptare. Natus et ipse Italicae in Hispania. Qui Traiani gloriae invidens statim provincias tres reliquit, quas Traianus addiderat, et de Assyria, Mesopotamia, Armenia revocavit exercitum ac finem imperii esse voluit Euphraten. Idem de Dacia facere conatum amici deterruerunt, ne multi cives Romani barbaris traderen-tur, propterea quia Traianus victa Dacia ex toto orbe Romano infinitas eo copias hominum transtulerat ad agros et urbes colendas; Dacia enim diuturno bello De-cebali viris fuerat exhausta. Pacem tamen omni imperii sui tempore habuit, semel tantum per praesidem di-micavit. Orbem Romanum circumiit. Multa aedificavit. Facundissimus Latino sermone, Graeco eruditissimus fuit. Non magnam clementiae gloriam habuit, diligen-tissimus tamen circa aerarium et militum disciplinam. Obiit in Campania maior sexagenario imperii anno vicesimo primo, mense decimo, die vicesimo nono. Senatus ei tribuere noluit divinos honores, tamen cum successor ipsius Titus Aurelius Antoninus Fulvius hoc vehementer exigeret et universi senatores palam resisterent, tandem obtinuit.

    1) Wovon handelt der Text?

    _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________

    2) Wie wurde Hadrian Kaiser?

    _______________________________________________ _______________________________________________

    _______________________________________________

    3) Warum hat er laut Text das Reich verkleinert?

    _______________________________________________ _______________________________________________

    _______________________________________________

    4) Was hinderte ihn, die römischen Truppen aus der Provinz Dacia zurückzuziehen?

    _______________________________________________ _______________________________________________ _______________________________________________

    5) Der Text gibt einen Einblick, wie die Römer unter-worfene Gebiete sicherten, nämlich:

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    Übersetzungstrainer

    4 Lesen Sie sich den unten stehenden Text durch und überlegen Sie, welche Wege Sie zur Erschließung wählen wollen. Dazu ein paar Anregungen:

    a) Beim zweiten Satz des Textes könnte wegen der verschiedenen Nebensätze am Anfang eine op-tische Gliederung helfen, die deutlich macht, welche Aussagen auf einer Stufe stehen. Dabei sehen Sie sehr schnell, was ut hier bedeutet und wo der Hauptsatz beginnt.

    b) Wenn Sie nach der Konstruktionsmethode analysie-ren und übersetzen, müssen Sie die einzelnen Teile erst einmal durcheinanderwirbeln, dann wieder ordnen.

    c) Sie können aber auch ganz anders vorgehen, indem Sie sich zunächst einen Überblick über den ganzen Text verschaffen. Dazu könnten Sie sich z. B. folgende Fragen stellen:

    – Welche Information kann man aus den Wörtern enim, ut und sic im zweiten Satz entnehmen?

    – Was lassen die zahlreichen Namen hinsichtlich des Inhalts des Textes vermuten?

    – Was kann man über den Inhalt des zweiten Teils des Textes, der mit dem Satz beginnt: Pyrrhi quidem de captivis reddendis illa praeclara vermuten?

    – Was ist offenbar das Thema des Textes?

    d) Sie können aber auch ganz einfach versuchen, ohne lange Vorüberlegung den Text von vorn zu verstehen.

    Zu Cicero, de officiis I,