osho - bhagwan shree rajneesh - vorsicht sozialismus (1985, 220 s., text)

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Vorsicht Sozialismus Fünf Vorträge, gehalten im Cross Maidan, Bombay, Indien, vom 13. bis 17. April 1970

Bhagwan Shree Rajneesh

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Vorsicht Sozialismus

Fünf Vorträge, gehalten im

Cross Maidan, Bombay, Indien, vom 13. bis 17. April 1970

Bhagwan Shree

Rajneesh

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Rajneesh Foundation Europe, Zürich Erste Auflage Februar 1985 Beware of Socialism Erstauflage 1978, Delhi, Indien Neuauflage Juli 1984, Rajneesh Foundation International Englische Ausgabe

©1984 Rajneesh Foundation International Rajneeshpuram, Oregon 97741, USA Deutsche Ausgabe © 1985 Rajneesh Foundation Europe

©1984 Rajneesh Foundation International Mahasattva Swami Prem Nirvano M.M.,D.M.(RIMU), Arihanta ©1985 Rajneesh Foundation International Rajneesh Times Verlagsgesellschaft mbH, Köln Kota Rajneesh Neo-Sannyas Commune, Cooperative, Zürich Eisnerdruck GmbH, Berlin Rajneesh Services GmbH,

Venloer Str. 5-7,5000 Köln 1

Dieses ist die einzige von der Rajneesh Foundation Inter- national autorisierte Übersetzung ins Deutsche. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur bei schriftlicher Genehmigung der Herausgeber. ISBN: 3-9800883-2-4 @ und Rajneesh sind eingetragene Handelsmarken.

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Inhalt Ich spreche die Wahrheit aus 9

Sozialismus und Selbstverwirklichung 43

Es führt kein Weg zurück in die Vergangenheit 83 Ein demokratischer Sozialismus ist eine Lüge 117 Gandhiismus, Kapitalismus und Sozialismus 155

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Vorwort Der Mensch ist eine in Kämpfe verstrickte Spezies.

Wenn er nicht gerade in einen Krieg mit Bomben und Munition verwickelt ist, schlägt er in einem Krieg der Ideen und Ideologien um sich.

Der Konflikt, der in diesem Jahrhundert am meisten an den körperlichen und geistigen Kräften der Mensch- heit gezehrt hat, ist der Kampf zwischen den zwei öko- nomischen Systemen Kapitalismus und Sozialismus.

Bisher fand der Kampf als Schlacht zwischen zwei Ungeheuern statt - den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Und deren sogenannte Experten sind völlig am springenden Punkt vorbeigegangen. Sie haben blind nur das eigene System vertreten und das andere verteufelt, ohne je die innere Wechselbezie- hung und tiefe Harmonie zwischen beiden zu erken- nen.

Zum erstenmal weist jetzt Bhagwan Shree Rajneesh darauf hin, daß der Kapitalismus nicht der Feind des Sozialismus ist. Nur aus dem Kapitalismus heraus kann der Sozialismus geboren werden, und der Sozialismus ist der legitime Erbe des Kapitalismus.

Dies ist nicht das Zeitalter des Sozialismus, sagt Bhagwan Shree Rajneesh, sondern das Zeitalter des Kapitalismus. Jetzt ist die Zeit, den Kapitalismus

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uneingeschränkt zur Entfaltung zu bringen. Es muß jetzt geschehen, denn nur der Kapitalismus kann die Aufgabe erfüllen, genügend Reichtum zu schaffen, Reichtum bis zum Uberfluß für alle. Erst aus diesem Überfluß heraus kann das Kind des Kapitalismus mühelos geboren werden: der Sozialismus - ein Zustand, wo die Menschen in der Gemeinschaft ganz natürlich miteinander teilen. Das, so zeigt Er uns, ist der wahre Sozialismus.

Bhagwan Shree Rajneesh verliert bei der Darstel- lung Seiner Erkenntnis keinen Augenblick das wesent- liche Element jedes ökonomischen Systems aus den Augen: den einzelnen, lebendigen Menschen, das Indi- viduum. Er durchbricht das Gewirr der Mythen, der Rhetorik und politischen Lügen, die die Menschheit in verworrenen Ideen und sinnlosen Kriegen gefangen gehalten haben.

Seine Einsichten sind so einfach und klar und so unmittelbar wahr, daß sie die Bühne bereiten für den nächsten Akt der Menschheitsgeschichte: eine Zeit der Verständigung zwischen den Nationen der Welt. Aus dieser neuen Dimension der Verständigung heraus kann die Menschheit jetzt einen konkreten Kurs ein- schlagen, der zur ökonomischen und persönlichen Befreiung des einzelnen führt.

Swami Dhyan John, M.D.

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Ich spreche die Wahrheit aus

Ich möchte heute mit einer Anekdote beginnen. In einer großen Stadt füllten sich eines Tages die

Straßen mit Zehntausenden von Menschen. In großer Erwartung sahen sie der Ankunft des Königs entgegen. Wenig später kam der königliche Aufzug daher und jeder in der riesigen Menge fing an, voller Bewunde- rung von den himmlischen Gewändern des Königs zu schwärmen. Aber merkwürdigerweise war der König splitternackt; kein Fetzen Kleidung war an ihm zu sehen.

Von der ganzen Menge sah das nur ein kleiner Junge, der auf den Schultern seines Vaters hockte. Und der Junge sagte voller Erstaunen zu seinem Vater: „Ahe reden sie von den Kleidern des Königs. Aber ich sehe, daß er ganz nackt ist." Sein Vater sagte: „Halt den Mund, du Narr! Wir kommen in große Schwierig- keiten, wenn jemand gehört hat, was du gesagt hast." Und der Vater floh eilig aus der Menge. Der König war nackt, und die Leute priesen seine Gewänder. Was war geschehen?

Ein paar Monate zuvor war ein schlauer Mann an den Hof gekommen und hatte sich erboten, dem König die Gewänder der Götter zu bringen. Er hatte gesagt: „Du magst die ganze Welt erobert haben, aber die Klei-

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der der Götter hast du noch nicht. Die kann ich dir beschaffen." Die Habgier des Königs war angestachelt. Er hatte alles, aber die Kleider der Götter hatte er nicht. Er hatte sie noch nie gesehen; er hatte sogar noch nie von ihnen gehört. Der Mann sagte: „Majestät, macht Euch keine Sorgen. Es wird Euch einiges kosten, aber ich werde sie herbeischaffen." Er bat um eine Frist von sechs Monaten.

Der Mann wurde in ein Haus im Palast gesperrt, von Wachen umstellt. Von Zeit zu Zeit kam der Mann und bat um große Geldsummen. Und im Laufe der sechs Monate wurden ihm Millionen von Rupien aus dem Schatz gezahlt. Aber da er im Palast eingeschlossen war, konnte er mit dem Geld nicht entkommen. Und so machte sich der König keine Sorgen.

Nach sechs Monaten erschien der Mann wieder bei Hofe - die göttlichen Kleider in einer kostbaren Schachtel. Viele Könige waren in den Palast eingela- den worden, um dem großen Ereignis beizuwohnen. Der Mann öffnete die Schachtel und sagte zum König: „Bitte gib mir deinen Turban." Er legte den Turban des Königs in die Schachtel, nahm einen anderen heraus und machte sich daran, ihn auf dem Kopf des Königs zu arrangieren. Aber seine Hände waren leer. Der König sah es wohl. Der Mann sagte zum König: „Siehst du den Turban?" und flüsterte gleich darauf: „Als ich mich heute in den Palast begab, sagten die Götter mir, daß nur diejenigen, die legitime Söhne ihrer Väter sind, diese himmlischen Kleider sehen würden." Seine Hände waren leer, aber augenblicklich begann der König den Turban „zu sehen". Und er sagte: „Ich habe nie einen so prächtigen Turban gesehen."

Und so wurden dem König nach und nach alle Klei- der fortgenommen und in die Schachtel gelegt, und der König legte die Kleider an, die übgrhaupt nicht da waren. Er wurde nach und nach entkleidet. Und als es zum letzten Stück kam, war der König sehr verstört. Aber der Mann sagte: „Es hat jetzt keinen Zweck, sich Gedanken zu machen. Die Reise der Unwahrheit muß,

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wenn sie einmal angetreten wurde, auch beendet wer- den. Es gibt keinen Ausweg. Und was sollen die Leute sagen?" Und daraufhin verkündete er laut dem Hof, daß diese Kleider nur denen sichtbar sein würden, die wahrhaft die Söhne ihrer Väter seien. Und der König wurde im selben Augenblick sein letztes Kleidungs- stück los. Aber jetzt sah jeder im Palast die göttlichen Kleider, die überhaupt nicht da waren. Jeder einzelne Höfling dachte, wenn die Kleider allen anderen sicht- bar seien, dann müßten sie auch da sein. Jeder glaubte außerdem zu seiner Schande, er sei als einziger in der ganzen Versammlung unfähig, die Kleider zu sehen und zweifelte an seiner Abstammung. Aber das klügste war, das für sich zu behalten.

All dies geschah innerhalb der Palastmauern. Dann sagte der Mann: „Euer Hoheit, die Götter

haben noch etwas gesagt. Weil es das erste Mal sei, daß die göttlichen Kleider auf die Erde geschickt würden, sei es notwendig, sie durch eine öffentliche Prozession zu feiern. Euer Prunkwagen steht bereit. Laßt uns alle hinausgehen." Der König zögerte erneut. Aber der Mann sagte augenblicklich: „Macht Euch keine Sor- gen. Die Trommler werden der Prozession vorangehen und verkünden, daß die Kleider der Götter nur denen sichtbar sein werden, die die wahren Kinder ihrer Väter sind. Also wird sie jeder sehen. Du brauchst keine Angst zu haben."

Der König bestieg den Prunkwagen, und die Prozes- sion begann. Jeder in der Menge auf den Straßen sah, daß der König nackt war. Aber niemand hatte den Mut, es zu sagen. Nur ein kleines Kind hatte es gesagt und wurde dafür von seinem Vater beschimpft. Sein Vater hatte gesagt: „Halt den Mund, du Narr! Du siehst nur die gewöhnlichen Dinge. Wenn du erst ein- mal erwachsen wirst, wirst du auch die Kleider sehen können. Laß uns nach Hause gehen, denn wir werden in Schwierigkeiten kommen, wenn jemand dich gehört hat." Warum beginne ich dann mit dieser Anekdote, wenn

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ich heute über den Sozialismus sprechen möchte? Was hat er damit zu tun?

Im Namen des Sozialismus wird heute auf der gan- zen Welt viel Lärm gemacht. In der riesigen Menge, die dem Sozialismus „Hurra!" zuschreit, ist meine Position die des kleinen Kindes, das ausrief: „Vater, der König ist splitternackt; da sind gar keine Kleider an seinem Leib."

Ich habe das Gefühl, es wird Zeit, daß jemand das sagt.

Die menschliche Natur ist so beschaffen, daß sie eine gut publizierte Lüge als Wahrheit akzeptiert. Eine Lüge, wieder und wieder ausgesprochen, sieht allmäh- lich aus wie die Wahrheit. Und eine Wahrheit, zum ersten Mal ausgesprochen, sieht nicht wie die Wahrheit aus. Während der letzten hundert Jahre ist ein systema- tischer Mythos um den Sozialismus geschaffen worden. Und die ständige Propaganda und Parolenklopferei hat Sozialisten aus Leuten gemacht, die überhaupt keine Sozialisten sind. Selbst Leute, die ihn im Herzen über- haupt nicht akzeptieren, haben angefangen, Lobes- hymnen auf den Sozialismus zu singen. Und niemand scheint den Mut zu haben, etwas dagegen zu sagen. Ich bin ein unerfahrener Mann unter lauter erfahrenen Leuten, und darum werde ich öffentlich gegen den Sozialismus sprechen.

Die Geschichte der Menschheit zeigt, daß das, was die große Menge, die Masse, akzeptiert, nicht notwen- dig die Wahrheit sein muß. Die Masse hat schon immer große Lügen akzeptiert und mit ihnen gelebt. Heute hat eine neue Lüge unter dem Namen Sozialismus vom Geist der Menschen Besitz ergriffen. Es ist also wesent- lich, die volle Tragweite davon zu begreifen.

Als allererstes gilt es zu verstehen, daß der Sozialis- mus heute als ein Feind, als ein Gegner des Kapitalis- mus dasteht. Aber was immer Sozialismus auch sein mag - er ist ein Kind des Kapitalismus. Der Kapitalis- mus entstand aus dem System des Feudalismus. Und wenn der Kapitalismus sich voll entfalten darf, wird er

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zum Sozialismus führen. Und der Sozialismus wird, wenn er sich voll entfalten darf, zum Kommunismus führen. Und auf die gleiche Weise kann der Kommu- nismus zum Anarchismus führen. Aber die Grundvor- aussetzung ist, daß diese Systeme sich jeweils erst ein- mal vollständig und ganz entfalten dürfen. Aber ein Kind kann vorzeitig aus dem Mutterleib gerissen wer- den, und die Mutter mag versucht sein, ein Kind lieber früher als später zu haben. Eine ungeduldige Mutter möchte das Kind vielleicht schon nach fünf Monaten statt nach neun Monaten haben; auf diese Weise umgeht sie vier Monate mühsamer Schwangerschaft und wird ihr Kind eher zu Gesicht bekommen. Aber so ein Kind wird ein totes Kind sein, kein lebendiges. Und selbst wenn das Kind überlebt, wird es schlimmer dran sein, als wenn es tot wäre.

Der Sozialismus, der in Rußland geboren wurde, ist ein solches vorzeitiges Kind. Rußland war kein kapitali- stisches Land, und so wurde der Sozialismus ihm lange vor seiner Zeit aufgezwungen. Der Sozialismus wurde geboren, aber er wurde tot geboren. Das ist der Grund, warum zehn Millionen Menschen, alles arme Men- schen, genau die Menschen, für die der Sozialismus ein- geleitet wurde, gnadenlos getötet werden mußten. Viel- leicht haben in der Geschichte keine anderen Länder zu so kolossalen Massenmorden gegriffen, wie es die bei- den sozialistischen Länder Rußland und China getan haben. Und die Ironie ist, daß die Menschen, die da abgeschlachtet wurden, genau die waren, für die der Sozialismus eingeführt wurde. Rußland besaß nie und nimmer zehn Millionen Kapitalisten. Zehn Millionen Kapitalisten gibt es nicht einmal im Amerika von heute. Und doch wurden zehn Millionen in Rußland abge- schlachtet. Soviel wissen wir. Und es waren genau dieje- nigen, für die der Sozialismus eingeführt wurde.

Das Töten wird leicht, wenn das Töten „in deinem eigenen Interesse" geschieht. Wenn dich jemand in deinem Namen tötet, bist du wehrlos, du kannst dich nicht einmal dagegen verteidigen.

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Und selbst nachdem es zehn Millionen seiner Männer und Frauen und Kinder ermordet hat, bleibt Rußland ein armes Land. Selbst heute ist Rußland kein reiches Land. Sein Sozialismus ist blutleer und krank; er ist leblos. Und das ist der Grund, warum Rußland sich in den letzten paar Jahren wieder dem kapitalistischen Weg zugewandt hat. Der Fehler, den sie gemacht haben, wird durch eine Rückkehr zu kapitalistischen Maßnahmen korrigiert. Der Grund- konflikt Mao-Tse-Tungs mit Rußland ist einfach nur der, daß Rußland immer mehr zum Kapitalismus zu- rückkehrt.

Die Erfahrungen der letzten fünfzig Jahre haben Rußland zu der Erkenntnis gebracht, daß der Sozialis- mus ein voreiliger Schritt gewesen ist, denn sie haben damit kein Kapital, keinen Wohlstand geschaffen. Ver- geßt nicht, wenn der Kapitalismus richtig entwickelt ist, wird der Sozialismus seine natürliche Folge sein - bei einer Schwangerschaft von neun Monaten kommt das Kind ganz natürlich und still aus dem Mutterleib heraus. Von Sozialismus zu sprechen, solange der Kapitalismus sich noch nicht zu seiner vollen Höhe ent- wickelt hat, ist reiner Selbstmord.

Ich bin selbst ein Sozialist. Es wird euch also überra- schen, wenn ich euch zur Vorsicht vor dem Sozialismus rate. Auch ich wünsche, daß das Kind Sozialismus nach Indien kommt, aber nur unter der einen Bedingung, daß es seine vollen neun Monate im Mutterleib erfüllt. Dieses Land hat bis heute noch nicht den Kapitalismus erreicht. Darum ist das Gerede vom Sozialismus hier und zum jetzigen Augenblick so gefährlich... so gefähr- lich, wie es sich in Rußland gezeigt hat und wie es sich in China zeigen wird.

China ist drauf und dran, Millionen zu töten, und doch wird der Sozialismus nicht dort hinkommen, weil im Leben nichts vor seiner Zeit geschieht. Das Gesetz des Lebens erlaubt keine Überstürzung. Dieses Land muß erst noch sein kapitalistisches System entfalten. Es ist notwendig zu verstehen, was Kapitalismus

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bedeutet. Heute kommt uns das Wort Kapitalismus wie ein übles Schimpfwort vor. Es ist ein vielgeschmähtes Wort. Wir überstürzen uns mit der Verurteilung des Kapitalismus ohne zu wissen, welchen Segen er der menschlichen Gesellschaft gebracht hat und daß er das Instrument ist, das die menschliche Gesellschaft zum Sozialismus führen wird. Wenn jemals alle Menschen zur Gleichheit gelangen sollten, wenn sie jemals alle frei von Armut sein und zu Wohlstand gelangen soll- ten, dann wird dies zu hundert Prozent dem Kapitalis- mus anzurechnen sein.

Es ist allerdings wichtig, daß wir erst einmal ein paar Dinge über den Kapitalismus sehr klar verstehen. Erstens ist der Kapitalismus ein System, das Kapital schafft, das Reichtum kreiert. Vor dem Kapitalismus hatte es kein System auf der Welt gegeben, das Kapital produzierte. Mit Kapital meine ich nicht die natürli- chen Vorkommen - ich meine jenen greifbaren Reich- tum, der vom Menschen selbst geschaffen wurde. Wenn der Mensch ihn nicht geschaffen hätte, wäre er nicht von selbst aus der Erde oder aus dem Himmel gekommen. Reichtum bedeutet solider Reichtum, akkumuliertes Kapital, welches heute die Quelle aller Investitionen, aller Produktion überhaupt ist. Der Reichtum in der gegenwärtigen Welt ist geschaffener Reichtum. Und zu ihm gehört nicht jener natürliche Reichtum, der uns vom Land und vom Meer, aus Berg- minen und Wäldern, aus Flüssen und Wasserfällen oder von sonstwo her zukommt. Während der vergan- genen einhundertundfünfzig Jahre hat der Kapitalis- mus ein echtes wohlstandproduzierendes System geschaffen.

Alle Gesellschaftssysteme, die dem Kapitalismus vorausgegangen sind, waren Raubsysteme - Systeme, die vollkommen auf Plünderei und Beutemacherei basierten. Ob es Dschinghis Khan oder Tamburlaine oder sonst ein Feudalherr in aller Welt war, sie alle haben ihre Leute ausgebeutet und ihre Truhen mit dem Reichtum des Plünderns gefüllt. Aber der Wohlstand

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im kapitalistischen System ist ein anderer: Der Kapita- lismus schuf seinen eigenen Wohlstand.

Ohne darüber nachzudenken, sind wir gewohnt, den Kapitalismus mit dem Feudalsystem gleichzusetzen. Wir glauben, daß der Kapitalismus ebenfalls den Reichtum anderer ausgebeutet hat. Dies ist nicht so. Der Kapitalismus hat wirklich Kapital geschaffen; er hat wirklich Wohlstand geschaffen, eine Menge Wohl- stand.

Erst wenn Reichtum geschaffen wird, erst und nur dann ist eine gerechte Verteilung möglich. Wenn gar kein Reichtum geschaffen wurde - was wollen wir dann verteilen? Heute glauben Indira Gandhi und ihre dum- men Freunde, daß der Sozialismus in Indien eingeführt und daß der Reichtum verteilt werden kann. Das bedeutet, daß sie daran denken, einen Reichtum zu verteilen, den sie gar nicht haben. Heute hat das Land keinen Reichtum. Wenn wir uns ans Verteilen machen, können wir nur Armut verteilen, nicht Reichtum. Es gibt keinen Reichtum. Und Armut haben wir mehr als genug. Und sie ist bereits reichlich verteilt.

Die Verteilung ist notwendig; aber vor der Vertei- lung müssen wir erst einmal Reichtum haben. Erst kommt die Produktion, die Verteilung folgt ihr. Der Kapitalismus produziert Reichtum, und der Sozialis- mus verteilt ihn. Wenn es keinen Kapitalismus gibt und damit auch keinen Reichtum, dann kann der Sozialis- mus nur Armut verteilen und Elend. Wenn unser Land sich entschließt, sozialistisch zu werden, bedeutet dies, daß wir uns entscheiden, arm zu bleiben, und für immer arm zu bleiben. Es kann nichts anderes bedeuten, weil wir nicht die Instrumente besitzen, die den Reichtum hervorbringen.

Als zweites gilt es zu verstehen, daß nicht alle Men- schen auf der Welt dazu beigetragen haben, daß Reich- tum entsteht. Der heutige Reichtum ist das Werk einer Handvoll von Menschen, einiger weniger Individuen. Er ist nicht von den Massen geschaffen worden. Nur ein Rockefeiler, nur ein Morgan, ein Rothschild, ein Tata,

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ein Birla, ein Sahu schafft Reichtum, nicht jeder belie- bige. Wenn wir zehn Namen aus Amerika entfernen, würde Amerika so arm sein wie wir. Ohne sie könnte Amerika nicht seinen gegenwärtigen Überfluß erreicht haben.

Ich habe gehört, daß Henry Ford einmal nach Lon- don kam. Im Flughafen ging er zum Informationsbüro und erkundigte sich nach einem billigen Hotel. Der Angestellte am Informationsschalter erkannte ihn und sagte: „Ich habe doch Ihr Foto in den Zeitungen gese- hen. Es scheint, Sie sind Henry Ford. Warum fragen sie nach einem billigen Hotel? Wenn Ihre Söhne und Töchter hierherkommen, erkundigen Sie sich nach den teuersten Hotels."

Ford antwortete: „Meine Söhne sind die Söhne von Henry Ford. Söhne eines sehr reichen Mannes. Ich dagegen bin der Sohn eines armen Mannes. Ich habe den Reichtum selbst geschaffen. Ich bin nicht der Sohn eines Henry Ford, der Reichtum produziert hat. Las- sen Sie mich also ein billiges Hotel finden."

Aller Reichtum, den Amerika heute besitzt, ist geschaffen worden von einer Handvoll erfinderischer Genies und ein paar anderen, die die Kunst beherrsch- ten, Reichtum zu schaffen. Warum hat nicht die ganze Welt Reichtum produziert? Warum produziert Indien ihn bis heute noch nicht? Es ist immer noch so arm! Indien hat die älteste Kultur der Welt, und doch hat es keinen Wohlstand hervorbringen können. Es ist uns nicht gelungen, die Kunst zu entwickeln, Reichtum zu schaffen, weil wir als Volk gegen den Reichtum sind, weil wir anti-Reichtum sind. Das ist der Grund, warum unser Genius nicht den Weg zu Wohlstand und Über- fluß einschlagen konnte. Alle Intelligenz, alles Talent, die wir hatten, haben wir in Richtung von Sannyas, Richtung Weltabkehr, kanalisiert. Ein Mann, der ein Ford hätte werden können, wurde ein Shankaracharya. Der Mann, der ein Rockefeller hätte werden können, wurde ein Gautama Buddha. Und so haben wir zwar große Sannyasins hervorgebracht, haben Buddha,

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Shankara, Nagarjuna, Mahavira hervorgebracht; aber wir haben es nicht vermocht, fähige Kapitalisten her- vorzubringen - Menschen, die in der Kunst bewandert waren, Wohlstand zu kreieren. Aufgrund unserer Ablehnung von Reichtum konnten wir unser Talent nicht in diese Richtung lenken.

Ein Reisender, Graf Keyserlingk, schrieb nach einem Besuch Indiens einen kleinen Satz in sein Tage- buch: „Indien ist ein reiches Land, wo arme Leute leben." Ich war ein wenig erstaunt, dies zu lesen, und ich dachte, Keyserlingk wäre einfach verrückt. Wenn Indien ein reiches Land war, wie konnten dann seine Menschen arm sein? Und wenn seine Menschen arm waren, wie konnte man es ein reiches Land nennen? Aber dann verstand ich seinen Witz. Ein Paradox-und doch, wie wahr! Indien hat das Potential, das Talent, reich zu werden. Aber es ist wesentlich, daß dann auch das Talent und der Wille dieses Landes in diese Rich- tung fließen, und zwar auf eine organisierte Art und Weise. Nur dann lassen sich Werte hervorbringen.

Bitte klammert euch nicht an die Illusion, daß Kapi- tal durch Arbeit, durch die Plackerei des Arbeiters her- vorgebracht würde. Der Arbeiter, der Proletarier, ist nicht derjenige, der den Reichtum hervorbringt. Die primitiven Menschen der ganzen Welt haben sich Jahr- hunderte abgeplagt und haben doch keinen Wohlstand hervorbringen können. Die Armen Afrikas haben schwer gearbeitet, und doch steckt Afrika tief in Armut. Die Armen Asiens haben sich ebenfalls abge- rackert, aber sind so arm wie nur irgend jemand. Wenn Arbeit allein schon Reichtum hervorbrächte, würde die ganze Welt heute im Reichtum schwelgen. Der Pro- duzent von Reichtum ist ein anderer. Er ist der Unter- nehmer - das kreative Talent hinter dem Kapitalismus. Der Kapitalismus gab genau diesem Talent die Gele- genheit, Werte zu produzieren, zu organisieren und zu steuern. Kapitalismus ist organisierte Produktion auf Massenebene. Die große Veränderung, die der Kapitalismus mit

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sich brachte, war die, daß er die Muskelarbeit durch Maschinen ersetzte. Denn die Arbeit des Menschen kann keinen Reichtum hervorbringen. Wie hart auch immer seine Hände schuften mögen, sie können nicht genug produzieren, um auch nur seinen Magen zu fül- len.

In der Zeit Buddhas war die Gesamtbevölkerung Indiens zwanzig Millionen. Und diese Bevölkerung konnte nicht größer sein, weil neun von zehn Kindern aus Mangel an Nahrung, Arzneien und Wohnung ster- ben mußten. Es gab keine Möglichkeit, sie zu retten. Aber während der letzten einhundertundfünfzig Jahre ist etwas Gewaltiges geschehen; man nennt es die Bevölkerungsexplosion. Heute gibt es bereits dreiein- halb Milliarden Menschen auf unserer Erde. Dreiein- halb Milliarden Menschen verdanken heute ihr Leben allein dem Kapitalismus. Ohne ihn wären sie unterge- gangen. Es war undenkbar in den Zeiten vor dem Kapi- talismus, daß dieser Planet eine so riesige Bevölkerung unterhalten könnte. Was tat der Kapitalismus?

Erstens, er ersetzte den Menschen durch die Maschine. Er führte die Technologie ein. Er befreite den Menschen von seiner mühseligen Arbeit und beschäftigte die Maschine. Dies wiederum hatte zwei Ergebnisse. Die Fähigkeit der Maschine ist unbe- grenzt. Für das, was eine Maschine an einem Tag tun kann, würden Zehn tausende von Menschen Jahrmil- lionen brauchen, müßten sie es mit eigenen Händen tun. Es liegt an der Maschine, daß das Phänomen der Massenproduktion möglich wurde. Mit der Maschine begann die enorme Reichtumsspeicherung auf der Welt.

Und zweitens wurde der Mensch mit der Ankunft der Maschine frei - frei von Sklaverei. Das Ende der Leibeigenschaft, die Aufhebung der Sklaverei war ein weiteres Geschenk des Kapitalismus an die Mensch- heit. Wäre die Maschine nicht aufgekommen, hätte die Sklaverei niemals ein Ende gehabt. Es wäre unmöglich gewesen, Leibeigenschaft und Sklaverei ohne die

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Maschine zu bannen. Ohne die Maschine hätte der Mensch in Knechtschaft verharren müssen, denn dann hätte er weiter zur Arbeit gezwungen, weiter zur Schwerarbeit gepeitscht werden müssen. Denn ohne Zwang ist es nicht möglich, den Menschen zu harter Arbeit zu bringen. Nur mit dem Aufkommen der Maschine konnte die Sklaverei abgeschafft werden.

Heute ist der Mensch frei, er ist kein Sklave. Aber der Sozialismus hat eine andere Illusion verbreitet, eine andere Lüge. Er hat eine falsche Vorstellung in Umlauf gebracht, nämlich die, daß es die Arbeit, daß es der Arbeiter sei, durch den Kapital und Reichtum geschaffen werde. Das stimmt nicht. Schon jetzt spielt Arbeit eine zweitrangige Rolle, eine sehr geringfügige, unbedeutende Rolle bei der Produktion von Reichtum. Und früher oder später wird der Arbeiter überflüssig werden, wenn die Maschine ihn vollständig ersetzt haben wird. Innerhalb von fünfzig Jahren wird kein Mensch auf dieser Erde als ,Arbeiter' bekannt sein. Und das wird gut sein. Es ist erniedrigend für einen Menschen, eine Arbeit zu verrichten, die eine Maschine tun kann. Somit wird der Arbeiter nutzlos sein. Allmählich hat der Arbeiter auch aufgehört, Teil des Produktionssystems zu sein. Und in fünfzig Jahren wird er vollkommen nutzlos werden. Er wird über- haupt nicht mehr gebraucht werden, weil Arbeit eine unerhebliche Rolle bei der Produktion spielt. Die wesentliche Rolle bei der Produktion spielt der pro- duktive Geist. Aber die Sozialisten haben die Illusion in Umlauf gesetzt, daß Reichtum durch Muskelkraft, durch Mark und Knochen hervorgebracht werde, und daß Arbeit der Schlußstein des Produktionsapparates sei. Wenn diese hartnäckige Lüge siegt, und die Mus- kelkraft die Geisteskraft beherrscht, dann wird der Geist verschwinden, und die Muskelkraft wird zu genau den Zeiten zurückkehren, Tausende von Jahren zurück, als Armut und Hunger die Erde beherrschten.

Der gesamte Reichtum der Welt war eine Erfindung des Geistes. Der Geist hat allen Reichtum geschaffen.

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Und vergeßt nicht: Nicht alle Menschen haben zu sei- nem Entstehen beigetragen. Nicht alle Menschen haben dafür gearbeitet. Ein Einstein entdeckt ein Gesetz, und die gesamte Menschheit profitiert davon. Ein Ford schafft Reichtum, und er wird unter alle ver- teilt. Aber es wird behauptet, daß der Kapitalist den Reichtum der Menschen ausbeute. Es könnte keine größere Lüge geben als diese. Der Reichtum, der gar nicht existiert - wie könnte er ausgebeutet werden? Nur der Reichtum kann ausgebeutet werden, der irgendwo existiert. Wie kann ein nicht-existierender Reichtum ausgebeutet werden?

Der Kapitalismus beutet nicht aus; er erzeugt den Reichtum. Aber ist dieser erst einmal erzeugt worden, wird er sichtbar und wird so zum Gegenstand des Nei- des für Tausende. Die Faszination des Sozialismus liegt nicht darin, daß er an die Gleichheit zwischen Mensch und Mensch glaubt. Es ist nicht wahr, daß jeder Mensch den anderen für seinesgleichen hält. Die eigentliche Ursache für seine Faszination ist der tiefsit- zende Neid des Menschen. Er ist neidisch auf die, die Erfolg gehabt haben, die zu Wohlstand gelangt sind, die einen Platz im Leben gesucht und gefunden haben. Ein überwiegender Teil der Menschen hat eh und je in Trägheit gelebt; sie haben niemals Wohlstand oder Macht oder Wissen hervorgebracht. Aber sie haben ganz gewiß gemerkt, haben gesehen, daß einige wenige Intelligenz und Wissen und Wohlstand besitzen. Die haben etwas. Und eins ist sicher: der Neid der Massen, der Millionenmassen, kann geweckt und aufgestachelt werden. Die Revolution, die in Rußland stattfand, war das Ergebnis des Neides. Und die chinesische Revolu- tion desgleichen. Und das Gerede vom Sozialismus in Indien stammt ebenfalls genau aus dieser Quelle. Hin- ter allem steht der Neid. Aber denkt daran, wir können eine Gesellschaft nicht durch Neid verändernd Und ver- geßt ebenfalls nicht, daß eine Veränderung, die durch Neid zustande kommt, niemals fruchtbar sein kann und der Gesellschaft auch keinen Frieden, kein Wohlbefin-

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den und kein Glück bringen kann. Sie kann nichts Gutes ausrichten. Es ist auch ratsam, sich klarzuma- chen, daß wir durch Neid zwar ein System zerstören, aber keine neue Ordnung herstellen können. Neid war noch nie eine kreative Kraft. Er kann zersetzen, er kann zerstören, aber er kann nicht erschaffen; Neid kann sich das noch nicht einmal vorstellen.

Ich habe gehört, daß ein Mann starb. Ehe er starb, rief er alle seine Söhne an sein Totenbett und bat sie um ein Versprechen. Er bat sie, ihrem sterbenden Vater einen letzten Wunsch zu erfüllen. Seine älteren Söhne kannten sich gut in den Eigenarten ihres Vaters aus und so hielten sie Distanz. Aber der Jüngste kannte den Vater nicht sehr gut und ging hin. Der Vater sagte zu ihm mit einem Flüstern: „Du bist mein einziger wahrer Sohn, und ich betraue dich mit einer wichtigen Auf- gabe. Wenn ich tot bin, zerschneide meine Leiche in Stücke, und wirf sie auf die Häuser der Nachbarn." Als der Sohn fragte: „Was soll das heißen?", sagte der Ster- bende: „Wenn meine Seele auf dem Weg zum Himmel ist, wird es mir eine tiefe Genugtuung sein, meine Nachbarn ins Gefängnis wandern zu sehen. Mein Herz wird endlich gesättigt sein. Mein ganzes Leben lang habe ich mir gewünscht, sie ins Gefängnis zu schicken. Der eine Nachbar hat ein riesiges Haus, während ich nur ein kleines habe. Der andere hat schöne Pferde, und ich habe keine. Sie haben alles Mögliche, während ich nichts habe. Wenigstens eins kann ich tun: Nach meinem Tod soll meine Leiche in Stücke geschnitten und ihnen auf die Hausdächer geworfen werden."

Dieser Mann lebt im Neid. Man kann ganz sicher ein großes Haus haben, aber nicht durch Neid. Das geschieht nur durch Kreativität. Wohl kann der Neid ein großes Haus in ein kleines verwandeln, aber er kann aus einem kleinen Haus kein großes Haus machen. Der Neid hat keine kreative Kraft; er ist der Geselle des Todes, nicht des Lebens.

Neid ist die Wurzel des Einflusses, den der Sozialis- mus in der Welt hat. Neid ist seine eigentliche Basis.

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Das Interessante ist nun, daß dieser Neid gar nicht so sehr die wirklich armen Menschen plagt, als vielmehr diejenigen, die auf halbem Wege zwischen den Armen und den Reichen sind - die politischen Führer. Und vergeßt auch nicht, daß der Schaden, den der Neid bei den Reichen anrichtet, nicht so groß ist. Letzten Endes werden es die Armen sein, die am meisten leiden. Denn der Reichtum, den die Reichen erzeugen, wird ohnehin in die Hände der Armen gelangen; er ist bereits dahin unterwegs, er muß dorthin gelangen. Es gibt keine Möglichkeit, diesen Prozeß aufzuhalten.

Einmal fuhr ich mit den Zug nach Delhi. Ein Gentle- man saß mit mir im gleichen Abteil. Unterwegs fuhren wir an einem großen Gebäude vorbei und drumherum standen ein paar Hütten. Der Gentleman wies mich auf das große Haus hin und sagte: „Sehen Sie dort das große Gutshaus? Wie groß es geworden ist? Es ist auf deren Kosten so groß geworden, auf Kosten jener Hüt- ten. Dieses Haus ist verantwortlich für deren elenden Zustand." Ich sagte zu ihm: „Sie sehen es falsch. Neh- men sie das große Haus aus ihrer Mitte fort, und Sie werden sehen, was passiert. Die kleinen werden nicht größer, und stattdessen werden sie, wenn das große Gebäude verschwindet, auch einfach verschwinden. Nur weil dieses große Gebäude errichtet wurde, sind auch diese Hütten entstanden; und so muß es auch sein. Die kleinen schulden ihre Existenz jenem großen Haus. Kein Haus kann allein gebaut werden. Wenn ein großes Haus gebaut wird, entstehen zehn kleine in sei- nem Kielwasser. Wer soll schließlich für den Bau des großen Hauses arbeiten? Und wenn sie es niederreis- sen, werden alle anderen sehr bald verschwinden."

Früher mußten von zehn Kindern, die geboren wur- den, neun sterben. Der Kapitalismus hat diese neun vor dem Tod gerettet. Als Ergebnis hat es einen phäno- menalen Zuwachs in der Bevölkerung der Armen gege- ben, die alle in kleinen Häusern leben müssen, in Armutshütten. Es ist eine schmerzliche Sache, daß sie in elenden Umständen leben. Aber das Problem, sie

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mit guten Häusern zu versorgen, wird nicht gelöst, indem man die großen einreißt.

Ich sage, wenn ihr die großen zerstört, werden die kleinen ebenfalls untergehen. Sie sind im Kielwasser der großen gekommen. In gewissem Sinne schulden die neu überlebenden Kinder, die früher einmal gestorben sind, heute ihr Leben den großen Häusern. Es liegt am Kapitalismus, daß der Arbeiter Beschäftigung und Lohn und eine Wohnung bekommt, worin er leben kann. Dieser Arbeiter wird sterben, wenn man das Kapital enteignet und es verteilt.

Unsere Anstrengungen sollten dahin gehen, den Arbeiter auf das Niveau des Kapitalisten zu führen; stattdessen versuchen wir, den Kapitalisten auf die Ebene des Arbeiters herunterzuzerren. Wir müssen danach streben, die kleinen Häuser in große zu verwan- deln; und damit dies geschehen kann, müssen wir immer größere und größere Häuser bauen. Nur so kön- nen wir zum Sozialismus kommen, anders nie und nim- mer.

Aber sehr oft stellen sich uns falsche Vorstellungen in den Weg. Genau das passierte im kommunistischen China. Dort glauben sie, sie brauchen die großen Häu- ser nur einzureißen, um die Höhe der kleinen aufstok- ken zu können. Das ist nicht möglich. Sicher, das große Haus wird verschwinden, aber den Armen wird das nicht helfen. Wenn die armen Leute mit ihren kleinen Häusern große Häuser bauen könnten, hätten sie es schon vor langer Zeit getan. Nein, wenn die Reichen kaputtgemacht werden, werden die Armen zu ihrer alten Trägheit zurückkehren, zu ihrer gewohnten Lethargie.

Bevor er aus seinem hohen Amt in Rußland entfernt wurde, sagte Chruschtschow etwas sehr Bedeutsames, das der näheren Beobachtung wert ist. Er sagte, das größte Problem, vor das sich sein Land gestellt sehe, sei, daß niemand arbeiten wolle, daß die Jugend Ruß- lands überhaupt nicht daran interessiert sei, irgend etwas zu tun. Seltsam: die Arbeiter Rußlands, die jun-

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gen Männer dieses sozialistischen Landes, sind nicht bereit zu arbeiten! Sie fallen in Lethargie und Faulheit zurück. Stalin hatte sie zur Arbeit gezwungen, und so ist die Behandlung, die er nach seinem Tode erfuhr, verständlich. Seine Leiche wurde aus dem Mausoleum auf dem Roten Platz gegenüber dem Kreml entfernt, wo er jahrzehntelang den Gruß seines Volkes erwidert hatte. Solange er am Leben war, tyrannisierte er Ruß- land wie ein Monster und suhlte sich in Massenmorden. Gewalt und Todesangst hatten das Volk zur Arbeit getrieben. Aber sobald diese Angst weg war, verfielen die Menschen in Tatenlosigkeit.

Der Kapitalismus dagegen führte den Faktor des Produktionsanreizes ein - den Anreiz zu arbeiten, zu produzieren. Produktive Arbeit wurde sehr attraktiv gemacht. Diese Attraktion, dieser Anreiz zu arbeiten, wird verschwinden, sobald der Kapitalismus ver- schwindet. Genau das ist in Rußland geschehen. Aber aus diesem Dilemma gibt es einen Ausweg. Wenn dem Kapitalismus gestattet wird, sein Wachstum voll zu entfalten, und der Sozialismus sich ganz natür- lich aus dem Kapitalismus ergibt, dann bleibt der Anreiz erhalten. Und dies erscheint mir möglich. In Amerika wird es möglich sein. So paradox es ist, so wahr ist es, daß im Laufe der nächsten fünfzig Jahre Amerika sich zunehmend dem Sozialismus und Ruß- land dem Kapitalismus annähern wird. Unmerklich und ohne blutige Revolution wird Amerika mit jedem Tag mehr sozialistisch. Warum? Weil Privatei- gentum zu dem Augenblick bedeutungslos wird, wenn der Reichtum überfließt, wenn zuviel Reich- tum da ist. Privateigentum wird erst dann sinnlos, wenn es einen Überfluß an Reichtum gibt, sehr viel mehr als nötig. Wenn wir heute in ein Dorf gehen, wer- den wir sehen, daß es kein Privateigentum an Wasser gibt, weil es im Dorf genug Wasser für wenige Einwoh- ner gibt. Aber wenn es morgen eine Wasserknappheit gibt und die Zahl der Einwohner steigt, wird sofort per- sönliches Eigentum an Wasser aufkommen. Heute ist

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die Luft für alle frei, aber wenn morgen eine Luft knappheit kommt, eine Knappheit an Sauerstoff, und die Zahl der Menschen zunimmt, dann werden geris- sene und erfinderische Leute Sauerstoff in Behältern speichern und diese in ihren Häusern verschließen. Damit hätte Privateigentum begonnen. Privateigen- tum an materiellen Werten wird es solange geben, wie es einen Mangel an materiellen Werten und einen Überschuß an Bevölkerung gibt. Es gibt nur eine ein- zige logische und natürliche Möglichkeit, dem Privatei- gentum ein Ende zu setzen, und die ist, daß es einen solchen Überfluß an materiellen Werten gibt, wie an Luft und Wasser.

Und das ist möglich. Schon heute ist jemand, der in Amerika für arm gilt, nach russischen Maßstäben ein reicher Mann. Der Reiche Rußlands liegt weit hinter dem Armen Amerikas. Aber es ist kein Zufall, und es ist einer ernsthaften Betrachtung wert, daß Rußland selbst nach fünfzig Jahren Sozialismus nach wie vor ein armes Land geblieben ist. In den letzten zehn Jahren hat Rußland nicht einmal genug Nahrung für sein Volk produziert. Nicht nur Indien muß Nahrung von außen importieren, selbst Rußland kauft seine Nahrungsmit- tel schon lange von den kapitalistischen Ländern. Wo ist der Sozialismus, wenn sozialistische Mägen mit kapitalistischem Essen gefüllt werden müssen?

Lethargie und Trägheit haben Rußland wieder ein- mal im Griff. Der Kapitalismus bietet Anreiz zur Arbeit, zu produzieren. Wenn dieser Anreiz entfernt wird, dann ist Zwang die einzige Alternative, dann muß man die Menschen mit vorgehaltenem Gewehr zur Arbeit zwingen. Aber eine soziale Ordnung, die durch Zwang aufrechterhalten wird, kann nicht von Dauer sein.

Ich habe eine Anekdote über Chruschtschow gehört. Chruschtschow hielt eine Rede auf einem Parteikon- greß und kritisierte Stalin heftig. Jemand rief von hin- ten: „Genosse, als Stalin diese Verbrechen begangen

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und Millionen ermordet hat und Zehntausende in die Konzentrationslager von Sibirien deportiert hat und ganz Rußland in ein Blutbad gezerrt hat, warst du doch bei ihm. Warum hast du damals nicht protestiert?" Chruschtschow schwieg eine volle Minute lang und sagte dann: „Würde derjenige, der diese Frage gestellt hat, mir bitte seinen Namen und seine Adresse nen- nen?" Aber der Mann stand nicht wieder von seinem Sitz auf. Da sagte Chruschtschow: „Bitte steh auf und zeig dein Gesicht." Aber niemand stand auf. Da sagte Chruschtschow: „Ich habe aus dem gleichen Grund geschwiegen, der dich jetzt in diesem Augenblick zum Schweigen zwingt. Um am Leben zu bleiben, mußte ich den Mund halten."

Im Kapitalismus wird Reichtum auf eine sehr natür- liche Weise hervorgebracht. Der Kapitalismus macht von keinem Stock, keinem Gewehr, keinerlei Zwang Gebrauch. Er sorgt dafür, daß ein Anreiz da ist zu arbeiten, zu produzieren. Jeder Mensch hat eine kleine Welt für sich und seine eigene Motivation, seinen Antrieb. Wenn meine Frau krank ist, kann ich die ganze Nacht durcharbeiten um ihretwillen, aber wenn man mir sagt, daß die Menschheit auf dem Kranken- bett liegt, geht das über meinen Horizont. Die Mensch- heit ist etwas so Entferntes, daß ich mich unmöglich darauf beziehen kann. Ich bleibe vollkommen unbe- rührt. Damit mein Kind eine Ausbildung bekommt, kann ich alles Mögliche tun. Ich kann unter der Mit- tagssonne dafür schuften, aber wenn man mir erzählt, daß wir die gesamte Menschheit ausbilden müssen, inspiriert mich das, bewegt mich das absolut nicht. Es kommt mir so unwirklich vor. Wenn ich dazu angeregt werde, ein eigenes Haus mit meinem eigenen schönen Garten davor zu haben, kann ich das sehr wohl verste- hen, weiß ich das zu schätzen; aber verlangt von mir für den Reichtum und das Wohl der Nation zu arbeiten, sie in einen großen Garten zu verwandeln, und die Sache verliert sich im Nebel. Der Horizont des menschlichen Bewußtseins ist sehr

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klein; es ist wie eine irdene Lampe, die ihr Licht auf einen begrenzten Fleck von ein paar Quadratmetern wirft. Genauso ist das menschliche Bewußtsein; sein Radius ist sehr begrenzt, es hat sich bisher hauptsäch- lich auf die Familie beschränkt. Und es ist noch nicht einmal genug gewachsen, um über deren Grenzen hin- auszugehen. In dem Maße, wie der Mensch versucht, seine Augen über die Familie hinaus zu erheben - und über sie hinaus heißt hier Gesellschaft, Nation und Menschheit - fängt er an, das Interesse zu verlieren, seinen Antrieb, seine Motivation. Gesellschaft, Nation und Menschheit - das sind so riesige Bereiche, daß sie ihm überhaupt nichts bedeuten, daß sie sein Bewußt- sein überhaupt nicht berühren. Sie inspirieren ihn ein- fach nicht.

Der Kapitalismus gewann seinen Antrieb zur Pro- duktion und Reichtum genau auf dieser Basis - auf der Basis der begrenzten Interessen des Menschen, auf der Basis individueller Antriebe. Er ließ den Menschen für sich selbst und seine Familie arbeiten und verdienen, und dieser Antrieb hatte ungeheuren Erfolg. Der Kapi- talismus brachte sowohl Wissen, als auch Reichtum. Das Wissen, das wir in den hundertundfünfzig Jahren Kapitalismus gewonnen haben, entspricht dem Wissen der Welt, das während des Zeitraums von achtzehn- hundert Jahren seit Christus gewonnen wurde. Und in den letzten fünfzig Jahren hat die Menschheit wie- derum so viel Wissen angesammelt, wie sie in den ersten hundertfünfzig Jahren des Kapitalismus gewon- nen hat, und die Menge an Wissen, die in den letzten fünf Jahren gewonnen wurde, entspricht wiederum den früheren Zuwachsraten. Wozu die alte Welt achtzehn- hundert Jahre gebraucht hatte, das hat die Welt des Kapitalismus in nur fünf Jahren vollbracht. Wahrhaftig ein Wunder! Und wir verdammen den Kapitalismus immerzu und merken nicht, was er für uns getan hat. Er hat den Weg dafür bereitet, daß jeder Mann und jede Frau sich an der Herstellung von Reichtum beteiligen können. Er

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hat die Voraussetzungen geschaffen, daß es Reichtum wie Wasser regnen kann. Er hat die Ausgangsbasis geschaffen, daß ein ungeheurer Wohlstand kommen kann, daß ein Überfluß an Reichtum entstehen kann. An dem Tag, an dem wir diesen Überfluß an Reichtum haben, wird das Kind des Kapitalismus geboren wer- den. Das wird der wahre Sozialismus sein.

Was will ich damit sagen, wenn ich euch vor dem Sozialismus warne? Ich bitte euch, die Zeit der Schwangerschaft voll ausreifen zu lassen. Der Kapita- lismus ist diese Zeit der Schwangerschaft - laßt ihm seine neun Monate! Selbst Marx hätte sich nie träumen lassen, daß der Kapitalismus als erstes in Rußland beseitigt werden würde, weil Rußland gar nicht kapita- listisch war. Marx hätte sich nicht träumen lassen, daß China kommunistisch würde, weil dieses Land damals furchtbar zurückgeblieben und arm war. Marx hatte gedacht, daß der Kapitalismus zuerst in Amerika oder Deutschland zusammenbrechen würde, aber er brach in Rußland und in China zusammen, und jetzt will man ihn in Indien beseitigen. Das alles sind arme und zurückgebliebene Länder, ohne wirkliches Kapital, ohne irgendwelche Anlagen. Aber sie haben eines im Überfluß: Sie haben riesige Massen an Armen. Und der Neid der Massen kann sehr leicht aufgestachelt werden. Der Gedanke von Marx war sehr wissenschaftlich. Er sagte zu Recht, daß der Kapitalismus in den entwik- keltsten Ländern abgeschafft werden würde - dort, wo er seine volle Entfaltung gefunden hätte; denn wenn Reichtum im Überfluß da ist, wird Privatbesitz sinnlos. Marx ahnte nicht, daß Revolutionen nicht nach Maß- gabe kapitalistischer Entwicklung und kapitalistischen Überflusses stattfinden würden, sondern durch den aufgestachelten Neid der Armen. Die Länder, die sozialistisch wurden, sind alle sehr arme Länder. Der Sozialismus hätte zuerst in Amerika entstehen müssen, tat es aber nicht. In gewisser Weise hält der Sozialismus heute Einzug in Amerika, aber sehr leise. Alles Wich-

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tige im Leben kommt sehr leise; es kommt nicht mit Pauken und Trompeten. Niemand weiß, wann ein Samenkorn aufbricht und zum Sproß wird; es gibt keine Ankündigung, wann die Sonne aufgeht. Alles Bedeutsame im Leben geht auf Zehenspitzen und man nimmt sein Kommen erst wahr, nachdem es bereits angekommen ist. Wenn etwas mit Pauken und Trom- peten kommt, dann wißt ihr, daß es versucht, vor seiner Zeit zu kommen.

Der Sozialismus möchte mit Getrommel seinen Ein- zug halten, ohne zu wissen, daß er gar nicht kommen kann, ehe der Kapitalismus sich nicht erfüllt hat. Was würde in Indien passieren, wenn wir sein kapitalisti- sches System, das gerade erst in den Kinderschuhen steckt und sich entwickelt, zerstören würden und damit anfingen, seinen dürftigen Reichtum zu verteilen? Dies würde natürlich den Neid des armen Mannes befriedi- gen; aber er weiß nicht, daß das nur zu noch mehr Elend und Armut führen würde.

Das System der Kapitalentwicklung in Indien braucht heute jede Art von Kooperation. Für Indien ist jetzt tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, sich zu ent- scheiden und sich zu entschließen, in den nächsten fünfzig Jahren den Kapitalismus aufbauen und kapitali- stisch werden zu wollen. Dann wird der Sozialismus kommen; er muß dann zwangsläufig kommen - und er wird von sich aus kommen. Er wird auf keine Indira oder sonst jemanden angewiesen sein, der ihm kom- men hilft. Er wird von sich aus kommen, genauso wie der Kapitalismus. Hat irgend jemand den Kapitalismus „eingeführt"? Nein, der Kapitalismus ist von sich aus gekommen, als das Feudalsystem seinen Höhepunkt erreicht hatte. Der Sozialismus wird auf genau die glei- che Weise kommen. Aber dazu gehört Geduld. Geduld ist die Grundvoraussetzung, und wir scheinen über- haupt keine Geduld zu haben. Und unsere Ungeduld wird uns einen so großen Schaden zufügen, daß er sich gar nicht berechnen läßt. Und was hat es für einen Zweck, hinterher klüger zu sein?

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Ich habe gehört... Einmal besuchte ein Sozialist den Rothschild der USA und sagte: „Sie haben den Reich- tum der Nation an sich gerissen. Wenn Sie ihn vertei- len, wird das Land reich werden." Rothschild hörte ihm geduldig zu, zog dann ein Stück Papier heraus, machte ein paar Berechnungen, händigte ihm fünf Cent aus und sagte: „Hier ist Ihr Anteil. Nehmen Sie ihn. Jeder andere, der zu mir kommen wird, wird eben- falls seinen Anteil erhalten. Wenn ich meinen ganzen Reichtum verteilen müßte, würde jeder im Lande fünf Cent erhalten. Ich bin bereit, ihn zu verteilen, und ich werde niemanden abweisen, der kommt, um seinen Anteil zu holen. Aber glauben Sie vielleicht, daß der Sozialismus kommen wird, wenn jeder fünf Cent erhält?"

Rothschild hatte wenigstens fünf Cents zu geben. Birla, Tata und Sahu in Indien könnten nicht einmal einen einzigen Cent geben. Wir haben keine eigentli- chen Kapitalisten, denn der Kapitalismus steckt hier noch in seiner embryonalen Phase. Bombay hat einen gewissen Wohlstand, aber Bombay ist nicht Indien. Indien als Ganzes ist arm. Seine Lebensbedingungen gleichen heute denen von Europa vor der industriellen Revolution. Wir haben noch nicht einmal unsere indu- strielle Revolution gehabt, und wir träumen vom Sozia- lismus! Laßt erst einmal die industrielle Revolution kommen, laßt erst einmal das ganze Land von Indu- strien und noch mehr Industrien überzogen werden, laßt das ganze Land sich auf die Produktion von Reich- tum konzentrieren; laßt Millionen großer und kleiner Tatas und Birlas entstehen, und laßt das ganze Land gesättigt sein mit Reichtum. Und wenn es hier Reich- tum im Überfluß gibt, kann kein Tata und kann kein Birla die Verteilung dieses Reichtums verhindern.

Ich verstehe das Problem so: Kein anderer als gerade die Tatas und die Birlas können den enormen Reich- tum hervorbringen, der zu einer Verteilung nötig ist. Andernfalls kann es gar keine Verteilung geben. Wenn ich euch vor dem Sozialismus warne, heißt das

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nicht, daß ich der Feind des Sozialismus bin. In Wirk- lichkeit sind die heutigen Sozialisten seine Feinde, weil sie keine Ahnung haben, was sie tun. Sie zünden genau das Haus an, in dem sie leben. Sie werden verbrennen, und mit ihnen das ganze Land.

Die Armut Indiens ist sehr chronisch. Überlegt es euch also gut, ehe ihr einen Schritt in dieser Richtung tut. Laß nicht zu, daß der Prozeß der Kapitalbildung in diesem Land zusammenbricht. Tatsächlich wird er schon immer schwächer, aber wir erkennen es nicht. Es scheint, daß wir entschlossen sind, nichts mit offenen Augen zu sehen. Die Regierung macht aus allem, was sie anpackt, ein heilloses Durcheinander. Auf jede Rupie, die im Privatsektor der Industrie investiert wird, kommen zwei, die im öffentlichen Sektor inve- stiert werden. Aber alle öffentlichen Unternehmen machen nichts als Verluste. Und im gleichen Atemzug sagt die Regierung, daß alle Industrien verstaatlicht werden sollen!

Es ist wichtig, zu sehen und zu verstehen, was sich hinter der Fassade des Sozialismus verbirgt. Wir reden vom Sozialismus, und was in Wirklichkeit kommt, ist die Absolutsetzung des Staates. Im Namen des Sozia- lismus wird der Staatskapitalismus auf den Thron geho- ben. Es ist nichts anderes als Staatskapitalismus. Sozia- lismus bedeutet eigentlich, daß die Gesellschaft den Reichtum besitzen sollte; d.h., daß der Reichtum in den Händen der Gesellschaft sein sollte. Geschieht das aber wirklich in sozialistischen Ländern? Genau das Gegenteil geschieht. Aus den Händen der Gesellschaft geht der Reichtum in die Hände des Staates über. Wo es vorher zahllose Kapitalisten gab, gibt es jetzt nur noch einen - den Staat. Und wir wissen, wie inkompe- tent der Staat ist. Selbst der kleine Ladenbesitzer in einem Dorf ist nicht so inkompetent wie der Staat. Die Inkompetenz des Staates ist beängstigend. Selbst der kleine Krämer, selbst der Straßenhändler ist intelligen- ter als der Staat, und wir erwägen, den gesamten Reich- tum des Landes und all seine Produktionsmittel diesem

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Staat anzuvertrauen. Man fragt sich, ob Indien etwa die Absicht hat, Harakiri zu begehen!

Es ist einfach gefährlich. Menschen, die Macht besit- zen, sind bereits wahnsinnig - wahnsinnig vor Macht. Und jetzt wollen sie auch noch die Macht des Reich- tums für sich. Sie können es nicht ertragen, daß der Reichtum in den Händen anderer bleiben soll. Tatsäch- lich sind die machtberauschten Leute der ganzen Welt hinter nichts so sehr her, als auch die ökonomische Macht zu ergattern. Dann hätten sie totale Macht, die absolute Macht in Händen. Politische Macht plus öko- nomische Macht ergibt das, was man ein totalitäres Regime nennt. Schon politische Macht allein hat genügt, um ihnen den Kopf zu verdrehen; wenn auch noch die ökonomische Macht in ihre Hände gelangt, werden sie zu Diktatoren, und dann kann man nichts mehr tun, um sie wieder loszuwerden. Schließlich konnte man nichts tun, um Stalin und Hitler wieder aus der Macht zu entfernen.

Wißt ihr, daß Hitler ein Sozialist war? Der Name sei- ner Partei war Nationalsozialistische Partei. Er war auch ein Sozialist. Heute kann man Mao nicht aus der Macht entfernen.

Und überlegt auch: Die Regierungen auf der Welt verfügen schon über enorme Macht, politische Macht. Wenn auch noch die ökonomische Macht in ihre Hände übergeht, wird der einzelne vollkommen machtlos. Die ganze Nation wird machtlos werden. Dann bleibt dem einzelnen überhaupt keine Macht mehr, gar nichts mehr. Ihr mögt euch nicht bewußt sein, daß die indivi- duelle Freiheit, die Gedankenfreiheit, nur solange exi- stieren kann, wie es auch politische Freiheit gibt, wie es ökonomische Freiheit gibt. Wenn die ökonomische und die politische Macht in den Händen einer einzigen Gruppe liegen, dann wird der einzelne seiner Gedan- kenfreiheit beraubt. In Rußland gibt es keine Gedan- kenfreiheit. In China gibt es keine Gedankenfreiheit. Morgen gibt es sie vielleicht auch hier in Indien nicht mehr.

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Aber diese Dinge geschehen Schritt für Schritt - all- mählich - und machen sich unbemerkt breit. Nehmt einem Menschen seinen Besitz, und ihr habt 90 Prozent seiner Persönlichkeit zerstört. Mit dem Verlust des Besitzes ist er zu 90 Prozent tot. Mit dem Verlust des Besitzes schrumpft seine Fähigkeit zu denken, weil seine Fähigkeit geschrumpft ist, ein Individuum zu sein, er selbst zu sein. Das Individuum wird sterben, wenn der Staat die absolute Macht hat. Im Augenblick ist das größte Problem, vor das die Welt und auch die- ses Land gestellt ist, folgendes: Wie kann das Indivi- duum gerettet werden? Der Staat ist darauf aus, alles in seine Klauen zu bekommen. Aber er geht dabei listig vor. Sein Wahnsinn hat Methode. Er ergreift die Macht im Namen der Menschen selbst, er sagt, daß dies in ihrem Interesse geschehe; es ist in ihrem Interesse, daß der Reichtum und die Produktionsmittel übernommen werden. So saugen die Politiker nicht nur die Macht an sich, sie gewinnen außerdem noch den Beifall der Men- schen - genau der Menschen, die enteignet werden. Die Menschen, die ihnen applaudieren, wissen nicht, daß sie ihren eigenen Henkern applaudieren, die die Schlinge um ihren Hals immer enger zusammenziehen. Bald werden sie gehenkt sein.

Wenn aller Besitz und die Produktionsmittel erst einmal in die Hände des Staates übergegangen sind, wird dieser Staat absolut, despotisch. Und im gleichen Maße wird der einzelne hilflos und impotent ihm gegenüber. Der einzelne wird gesichtslos, ja sogar see- lenlos. Während der letzten fünfzig Jahre hat eine kleine Gruppe von fünfzig Personen Rußland beherrscht. Die Macht ist ununterbrochen in den Hän- den dieser einen Gruppe geblieben; sie wird nirgend- woanders hingelassen. Ob Stalin stirbt oder Chruscht- schow antritt; ob der, der da ist, Koszygin, Breshnew oder wie auch immer heißt, dieser Clan von fünfzig, unzugänglich verschanzt hinter der Macht, hat ganz Rußland seitdem unter der Knute. Diese Gruppe ist bis heute der Frankenstein Rußlands geblieben. Keine

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Opposition ist möglich, keine abweichende Meinung ist möglich. Ehe ein Mensch noch daran denken kann, eine andere Meinung zu haben, hat man ihm vielleicht schon die Zunge abgeschnitten; ehe er daran denkt, Widerstand zu leisten, ist er vielleicht schon selbst aus der Welt geschafft worden. Was kann der einzelne tun, wenn die gesamte Macht in den Händen des Staates ist?

Vergeßt also nicht: Die Macht des Staates muß mehr und mehr reduziert werden; sie darf auf keinen Fall zunehmen, denn letzten Endes brauchen wir eine Gesellschaft, in der der Staat nur eine funktionale Größe sein wird, mehr nicht. Ich glaube nicht, daß der Ernährungsminister eines Landes sehr viel Gewicht haben sollte. Wieso ist er wichtig? Der Familienkoch hat seinen Platz in der Familie - genau den gleichen Platz, den ein Ernährungsminister in einem Land hat. Er ist ein großer Koch, wenn er uns ein gutes Essen vor- setzt. Dann verdient er ab und zu ein Lob, aber auch nur soviel, wie eben jeder Koch ab und zu ein Lob bekommt. Ihr mögt ihm ab und zu ein Trinkgeld geben, aber auch nicht anders, wie ihr einem Koch ein Trink- geld gebt. Aber der gegenwärtige Ernährungsminister ist kein Koch, er ist ein Mann der Macht. Er hat sehr viel Macht, aber er hat das Gefühl, daß seiner Macht etwas fehlt. Ihr fehlt etwas, weil die Menschen noch persönüches, privates Eigentum besitzen. Und Privat- eigentum kann rebellieren. Privateigentum kann widersprechen, kann Widerstand leisten und kämpfen. Der Besitzmensch kann denken, und zwar frei denken. Der Machtmensch möchte ihm das wegnehmen.

Der Politiker ist sehr ehrgeizig. Er möchte alle Macht in seinen Händen haben, und wenn der Staat sowohl die politische Macht als auch die ökonomische Macht usurpiert, wird Revolution unmöglich; dann gibt es keine Möglichkeit mehr zu rebellieren und zu revoltieren. Was ist es für eine merkwürdige Tatsache, daß Rußland eine Revolution hatte, und daß das heu- tige Sowjetrußland das einzige Land auf der Welt ist, wo Revolution unmöglich ist. Es ist undenkbar, dort

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eine neue Revolution in Gang zu bringen, weil der Staat enorme und nie dagewesene Mittel zu seiner Ver- fügung hat, seine Menschen zu unterdrücken, sie zu reglementieren, zu kontrollieren. Die Wände haben Ohren und die Fangarme des Staates reichen über das ganze Land. Der Ehemann hat Angst vor seiner Frau. Während er mit ihr spricht, überlegt er es sich zweimal, ob er ihr sagt, was er sagen möchte, denn - wer weiß? - sie könnte ja eine Geheimagentin sein. Der Vater kann nicht frei zu seinem Sohn sprechen, weil es gefährlich ist, frei zu sprechen. Vielleicht gehört der Sohn zur Liga der Jungen Kommunisten, und er könnte die Information an die Behörden weitergeben. Jedem Sohn wird eingeschärft, daß es auf die Nation ankommt, nicht auf den Vater oder die Mutter. Der Ehemann, die Ehefrau sind nicht wichtig. Was wichtig ist, ist die Gesellschaft, ist der Staat.

Der Sozialismus verbreitet eine sehr illusorische Idee: daß nämlich das Individuum keinen Wert hat, während in Wirklichkeit das Individuum und nur das Individuum Wert besitzt. Der einzelne ist tatsächlich der höchste Wert überhaupt. Was hat die Gesellschaft für einen Wert? Was ist Gesellschaft anderes als ein leeres Wort, eine Abstraktion? Der einzelne ist wirk- lich; das Individuum ist konkret. Die Gesellschaft ist lediglich eine Ansammlung einzelner, eine beliebige Anhäufung. Aber bei dem großen Lärm und dem vie- len Wind, den der Sozialismus macht, ist das, was kei- nen Wert besitzt, und das, was gar nicht da ist, wertvoll geworden. Das ist der Grund, warum der einzelne auf dem Altar der Gesellschaft geopfert werden kann. Tat- sache ist, daß der Einzelmensch seit eh und je für Göt- ter geopfert wurde, die gar nicht existieren. Ein Gott, eine Göttin, ein Ritus - jedem Popanz werden Men- schen geopfert!

Der neueste Gott ist die Gesellschaft. Und hinter der Gesellschaft steht deren wirklicher Gott - der Staat. Der Einzelmensch darf diesem Supergott geopfert wer- den. Ihr dürft den einzelnen niedermetzeln, weil er kei-

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nen Wert besitzt, weil er nichts ist, was zählt. Es ist die Gruppe, ist die Gesellschaft. Aber wo ist das Ding, das sich Gesellschaft nennt? Mir ist es nie begegnet. Ich habe hier und da und überall danach gesucht. Aber überall ist mir nur der Einzelmensch begegnet und nicht die Gesellschaft. Wo immer du hingehst, wirst du immer nur den einzelnen finden, nur der Einzelmensch ist. Und er ist der höchste Wert. Und es ist gefährlich, diesen Wert zu zerstören.

Irgendwann wird der Sozialismus kommen, das steht fest. Aber er wird kommen, nicht um den individuellen Menschen auszulöschen, sondern um ihn zu erfüllen. Vorsicht vor einem Sozialismus, welcher kommt, um das Individuum auszulöschen! Es ist kein Sozialismus, sondern schlicht und einfach Mord am Individuum.

Hinter dem Sozialismus steht der Staat. Hinter dem Sozialismus steht der machthungrige Politiker. Sie haben Angst vor einer dezentralisierten Macht, und deswegen wollen sie alle Macht für sich.

Und als letztes möchte ich heute sagen, daß der Staat noch nie so viel Macht besessen hat wie jetzt. Das liegt an der ungeheuren Entwicklung auf dem Gebiet der Technologie.

Kürzlich hat mir ein Freund ein Bild geschickt. Ich war schockiert, als ich dieses Bild sah; ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich machte mir die größten Sorgen. Aber ich frage mich, ob es in der übrigen Welt überhaupt irgendwelche Bedenken ausgelöst hat? Die Nachricht wurde überall in den Zeitungen gedruckt. Ein Wissenschaftler hatte den Schädel eines Pferdes geöffnet, eine Elektrode eingeführt und dann den Schädel wieder geschlossen. Und das Pferd weiß abso- lut nichts. Jetzt können diesem Pferd über Radio Signale zugeschickt werden, von Orten aus, die Tau- sende von Meilen entfernt sind. Und das Pferd wird die Signale befolgen; es wird tun, was ihm befohlen wird. Das Pferd wird das Gefühl haben, daß die Signale aus seinem eigenen Hirn kommen. Wenn der Wissen- schaftler, der in seinem Labor sitzt, Tausende von Mei-

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len entfernt, dem Pferd signalisiert, sein Bein zu heben, wird das Pferd es auf seinen Befehl hin tun. Wenn es aufgefordert wird zu tanzen, wird es tanzen. Der Freund schickte mir das Bild mit dem Pferd und sagte: „Was für eine großartige Erfindung!"

Ich schickte es ihm zurück mit den Worten: „Es ist eine einzige Tragödie". Warum habe ich das gesagt? Weil früher oder später der Staat diese Elektrode dem Menschen ins Hirn setzen wird, und dieser nichts davon wissen wird. Dann wird Rebellion unmöglich sein.

Im Augenblick findet eine chemische Revolution statt. Es sind Drogen entdeckt worden, die es unmög- lich machen, daß es zu irgendeiner Revolution kom- men kann. Man hat herausgefunden, daß ein Rebell bestimmte Elemente in sich hat, bestimmte Chemika- lien in seinem System hat, die der Nicht-Rebell, der Konformist, nicht besitzt. Und es ist eine Untersu- chung im Gang, um herauszufinden, ob es Drogen wie LSD, Meskalin und andere gibt, die den Rebellen im Menschen auslöschen können. Irgendwann wird es möglich sein, ein paar Tropfen einer Chemikalie ein- fach heimlich unter das Trinkwasser des Wasserwerks eurer Stadt zu mischen - von woher die ganze Bevölke- rung ihr Wasser bezieht; und ohne daß sie es wissen, werden sie so ihren rebellischen Geist verlieren, ihre Macht, nein zu sagen. Es ist ungeheuer gefährlich, den Staat die absolute Macht übernehmen zu lassen, weil er eine so überlegene Technologie zur Verfügung hat, daß er den einzelnen vollkommen auslöschen kann.

Es sind neue Techniken der Gehirnwäsche entwik- kelt und perfektioniert worden, die das Gedächtnis des Menschen ausradieren können. Wenn ein Mensch sechs Monate lang in Einzelhaft gesteckt wird, kann sein Gedächtnis mit Hilfe von Elektroschocks, Drogen und Gehirnwäschemethoden und dergleichen völlig ausgelöscht werden. Wenn er ein Neinsager war, ein Nonkonformist, ein Rebell, wird er das alles vergessen; er wird sogar vergessen, wer er war. Wenn er eine Ideo- logie hatte, wird seine Ideologie weg sein. Er wird nicht

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einmal mehr sagen können, wer er war und was seine Ideologie war. Er wird wie ein kleines Kind sein und wird das Alphabet von vorn lernen müssen. Er wird wieder ganz von vorn anfangen müssen.

Wenn die Wissenschaft soviel Macht in die Hände des Staates legt und dann auch noch die ökonomische Macht von derselben Instanz übernommen wird, bedeutet dies, daß wir unsere eigene Beerdigung vor- bereiten.

Der Politiker hat keine Macht verdient. Der Politi- ker ist es einfach nicht wert. Die Wahrheit ist, daß es ihm die ganze Historie hindurch nicht gelungen ist, sei- nen Wert zu beweisen; er hat einzig und allein seinen Unwert bewiesen, seinen absoluten Unwert. Tatsäch- lich sollte man dem Politiker seine Macht wegnehmen. Es ist absolut unnötig, ihm noch mehr zu geben.

Der Politiker weiß sehr gut, daß die Leute nein sagen würden, wenn er offen ausspräche, daß alle Macht, alles Eigentum dem Staat gehören sollen. Darum trägt er eine andere Maske und sagt, daß alle Macht, alles Eigentum der Gesellschaft gehören sollen. Aber die Gesellschaft ist eine Abstraktion, und so beschlag- nahmt der Staat alles im Namen der Gesellschaft. Alles, was sich heute im Namen des Sozialismus abspielt, ist in Wirklichkeit Staatskapitalismus. Ich halte dafür, daß der Privatkapitalismus dem Staatska- pitalismus weit überlegen ist. Warum?

Privatkapitalismus ist überlegen, weil der einzelne im privaten Kapitalismus frei ist. Er ist überlegen, weil jeder einzelne den Antrieb hat, Reichtum zu produzie- ren. Er ist überlegen, weil die Macht verteilt und dezen- tralisiert wird. Und er ist überlegen, weil dann eines Tages, wenn irgendwann Reichtum im Überfluß produ- ziert wird, der Sozialismus von allein kommen wird. Nicht, daß er herbeigezwungen werden müßte, um zu kommen. Er wird von allein kommen. Er wird kommen und nicht gezwungen werden zu kommen. Ein erzwun- gener Sozialismus wird gefährlich sein. Laßt ihn von selbst kommen. Aber wie wird er kommen?

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Er wird genauso kommen, wie ein Samenkorn zur Blume aufblüht. Er wird ganz natürlich kommen und ganz von allein, nicht vom Gärtner gezwungen. Wenn der Gärtner irgendwelchen Zwang gebraucht, wird das Samenkorn höchstwahrscheinlich dabei zerstört und verschwinden. Und es wird weit und breit von der Blume keine Spur zu sehen sein.

Aber dann bleibt die Frage, was sollte die Rolle des Gärtners sein?

Der Gärtner sollte den Boden bereiten, den Samen aussäen, ihn bewässern, ihn umhegen, ihn vor seinen Feinden schützen. Dann wird das Samenkorn sprießen, wird die Pflanze wachsen und Blume, Frucht und alles übrige hervorbringen. In gleicher Weise muß das Samenkorn des Kapitalismus gepflegt werden, wenn der Sozialismus kommen soll.

Viele Menschen finden Widersprüche in dem, was ich sage. Aber was ich sage, ist so einfach, so klar. Ich wiederhole: Der Sozialismus wird aus dem Kapitalis- mus hervorgehen, wenn letzterer sich voll entfalten darf. Aber der Kapitalismus sollte erst dann abtreten, wenn er seine Aufgabe erfüllt hat.

Aber heute ist der Kapitalist unglücklicherweise selbst von Angst übermannt. Er kann nicht mit Selbst- bewußtsein sagen, daß der Kapitalismus em Daseins- recht, eine Existenzberechtigung hat. Sogar er sagt, daß der Sozialismus recht hat. Und hierfür gibt es Gründe.

Der Kapitalist hat Angst. Er hat Angst vor der gros- sen Masse ringsum. Er ist eingeschüchtert durch die Slogans und Flaggen und den Lärm, den die macht- hungrigen Politiker machen. Und in seiner Panik sagt er: „Dann hat der Sozialismus recht". Ich sehe, daß sogar der größte Kapitalist vor Angst schlottert; ihm zittern die Knie. Er glaubt, eine Sünde zu begehen; er hat Schuldgefühle. Und das ist erstaunlich. Der Kapitalismus hat Wege und Mittel gefunden, eine so riesige Gesellschaft von Menschen am Leben zu erhalten. Es ist allein dem Kapitalismus zu verdanken,

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daß heute dreieinhalb Milliarden Männer und Frauen auf diesem Planeten leben. Es ist der Kapitalismus, der den Reichtum geschaffen und die Sklaverei abgeschafft hat und die Maschine und die Technologie eingeführt hat und damit die Menschheit von der Fron der Körper- arbeit befreit hat. Und letztlich wird der Sozialismus aus ihm hervorgehen. Aber die Tragödie ist, daß der Erfinder, der Architekt dieses großartigen Systems von Angst gelähmt ist.

Eisenhower hat gesagt, daß er einmal bei einem Gespräch mit einem Kommunisten ins Schwimmen geriet - er konnte nicht gegen ihn argumentieren, weil er das Gefühl hatte, daß das, was der Kommunist sagte, richtig war. Selbst Eisenhower hatte keine Argumente! Der Kapitalismus hat keine Antwort, keine Philoso- phie. Dann wird er sterben, wenn er keine Antwort auf den Kommunismus hat.

Ich sähe es gern, wenn der Kapitalismus eine Ant- wort hätte. Der Kapitalismus sollte seine eigene Philo- sophie haben, damit er voll zum Leben aufblühen und schließlich dem Sozialismus zur Geburt verhelfen kann. Der Sozialismus ist das Kind des Kapitalismus. Und vergeßt nicht: Wenn die Mutter krank ist, wird das Kind auch nicht anders sein, muß es zwangsläufig kränklich sein. Aber alle Welt strengt sich an, das Kind ins Leben zu holen, indem man die Mutter umbringt. Es tut not, sich vor diesen Idioten zu hüten, die solche Anstrengungen machen.

Im Laufe der folgenden vier Abende werde ich mit euch viele Seiten dieses Problems besprechen. Und ich möchte, daß ihr mir eure Fragen schickt, wenn ihr wel- che habt, und zwar schriftlich, damit ich ausführlich auf sie eingehen kann. Es ist eine sehr lebenswichtige Frage, und sie ver- dient ernsthafte Betrachtung. Vieles muß neu über- dacht werden, das Problem muß von jeder Seite her neu untersucht werden. Die Mühe lohnt sich. Was ich sage, muß nicht notwendig richtig sein; es mag falsch sein. Darum fordere ich euch auf, einfach nachzuden-

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ken, und zwar objektiv nachzudenken. Mehr erwarte ich nicht. Wenn so viele von uns hier gemeinsam nach- denken, und den Sozialismus mit Distanz untersuchen, wird dies dem ganzen Land helfen.

Ich bin euch dankbar, daß ihr meinen Worten mit Aufmerksamkeit und Liebe zugehört habt, und ich ver- neige mich vor dem Gott, der in den Herzen eines jeden von euch wohnt. Bitte nehmt meinen Gruß ent- gegen.

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Gandhiismus, Kapitalismus und Sozialismus

Hunderte von Fragen - alle im Zusammenhang des- sen, was ich im Laufe der vier letzten Diskurse gesagt habe - sind eingegangen. Ich will so viele wie möglich davon kurz beantworten.

Ein Freund hat gefragt, ob meiner Ansicht nach der Sozialismus durch Vinoba Bhaves Sarvodaya kommen kann - Bhaves Utopie von der anspruchslosen, gerech- ten, vorindustriellen Gesellschaft.

Eine solche Utopie, ob sie nun von Vinoba oder von Gandhi ist, kann den Sozialismus nicht herbeiführen, weil es bei der ganzen Vorstellung vom Sarvodaya darum geht, den Menschen in die Wildnis zurückzu- bringen - zum primitiven Lebensstil. Das Ideal vom Sarvodaya ist gegen den Kapitalismus - nicht um über ihn hinauszuführen, sondern um hinter ihn zurückzu- fallen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Kapitalismus loszu- werden - entweder man geht über ihn hinaus, oder man fällt hinter ihn zurück. Und für gewisse Leute ist das Zurückgehen immer leicht und dazu verlockend. Aber eine Rückkehr in die Vergangenheit ist weder möglich noch wünschenswert. Wir müssen vorwärtsgehen, ob wir wollen oder nicht. Die, die unter Zwang vorwärts- gehen, tun es apathisch wie Tiere. Und die, die freiwil-

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Der Fragesteller möchte wissen, welche Beziehung zwischen Selbstverwirklichung und meiner Kritik am Sozialismus besteht.

Der Zusammenhang ist tief. In der Geschichte des Menschen hat sich der Sozialismus als die erschrek- kendste Anti-Ideologie zu dem entwickelt, was ihr „das Selbst", „die Seele" oder „Gott" nennt. Noch nie in der Vergangenheit konnte sich der Atheismus irgendwo in der Welt durchsetzen. Noch nie hatte sich ein atheisti- sches System, eine atheistische Gesellschaft oder ein atheistisches Land auf diesem Planeten etabliert. Warum? Weil die früheren Atheisten einen direkten Angriff auf die Existenz Gottes und der Seele versucht hatten. Und sie verloren den Kampf, sie konnten ihn nicht gewinnen. Aber der Kommunismus hat dieses Schlachtfeld von hinten betreten. Und zum ersten Mal in der Geschichte haben die Kommunisten eine athei- stische Gesellschaft, einen atheistischen Staat geschaf- fen. Charvak und Epikur konnten nicht gewinnen. Wo alle Atheisten der Vergangenheit verloren, haben Marx, Engels und Lenin gewonnen.

Was ist das Geheimnis? Das Geheimnis ist, daß der Kommunismus den Atheismus durch die Hintertür ein- führt. Er kämpft nicht direkt gegen die Religion; seine direkte Gegnerschaft richtet sich gegen den Reichen, gegen den Kapitalisten. Und dann sagt er, daß es, um den Reichen zu zerstören, auch notwendig ist, die Reli- gion zu zerstören: Der Reiche kann nicht eher erledigt werden, als bis die Religion erledigt wird. Der Kommu- nismus argumentiert außerdem, daß es für die Abschaffung des Reichen wesentlich ist, auch alle Ideologien der Vergangenheit abzuschaffen, die der wohlhabenden Klasse als Grundlage gedient haben. Marx glaubte, daß jede Ideologie klassenorientiert sei.

Die Marxisten sagen, daß ein reicher Mensch nur darum von Religion redet, weil die Religion ihn tarnt und schützt. Und darin steckt einige Wahrheit - Reli- gion kann als ein Schutzschild des Reichen benutzt wer- den. Wenn ein Dieb aus den Fängen der Polizei ent-

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kommt, indem er sich in einem Tempel versteckt, dann steht fest, daß der Tempel an seinem Schutz teil hat. Aber dies bedeutet nicht, daß der Tempel verkehrt ist. Es ist wahr, daß die Reichen die Religion als ihren Schutz- schild benutzt haben, aber das bedeutet nicht, daß die Religion falsch ist. Aber die Kommunisten benutzen dies als Vorwand, um Religion an sich zu zerstören.

Der Sozialismus glaubt außerdem, daß der Mensch nur ein Nebenprodukt der Materie ist. Seiner Anschau- ung nach gibt es keine Seele, keinen Geist, nichts jen- seits der Materie. Aufgrund dieses Glaubens konnte Stalin sich Massenmorde in einem so ungeheuren Aus- maß gestatten. Wenn der Mensch nur Materie ist, dann stirbt nichts, wenn dir der Hals abgeschnitten wird - Materie stirbt nicht. Mao kann ebenfalls mit Leichtig- keit im Töten schwelgen, weil der Mensch nur Materie ist. Es waren Kommunisten, denen es zum ersten Mal gelang, Menschen ohne jede Gewissensbisse zu töten. Und zwar nur deshalb, weil die Seele des Menschen geleugnet wurde. Und ununterbrochen werden Anstrengungen gemacht, jede Möglichkeit, jede Chance, daß die Seele entdeckt werde und wachsen könnte, zu ersticken.

In diesem Zusammenhang ist es gut, wenn wir ein paar Dinge verstehen. Erstens braucht die Seele, die tief in einem Menschen verborgen liegt, die richtige Gelegenheit und Hilfe, um sich zu entfalten. Im Samenkorn verbirgt sich ein Baum. Aber der Baum wird nicht in Erscheinung treten, wenn du das Samen- korn zerstörst. Zweifellos ist der Baum darin verbor- gen, aber um in Erscheinung treten zu können, braucht er so manche Dinge - die richtige Erde, Wasser, Sonne, Dünger, Pflege und einen liebevollen Gärtner, der sich um ihn kümmert. Gott ist so im Menschen verborgen, wie eine Blume im Samen verborgen ist. Gott läßt sich nicht dadurch finden, daß man einen Menschen seziert. Bringt ihn in ein Labor, legt ihn auf einen Tisch und seziert seinen Körper, aber Gott werdet ihr dabei nie- mals finden.

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Ich habe gehört, Marx habe einmal gewitzelt, daß er Gott gern akzeptieren wolle, wenn er sich in einem Reagenzglas im Labor nachweisen ließe. Und danach sagte er: „Aber bitte bringt euren Gott nicht einmal aus Versehen ins Labor, denn was wäre das für ein Gott, wenn er sich in einem Reagenzglas einfangen ließe."

Nein, Gott läßt sich nicht in einem Reagenzglas ein- fangen, weil ein Reagenzglas dafür zu klein ist. Wir können ihn nicht dadurch finden, daß wir den Körper eines Menschen zerlegen. Was aber nicht heißt, daß es keinen Gott gibt.

Wenn ihr meinen Schädel öffnet und mein Hirn seziert, werdet ihr dann so etwas wie „Denken" darin finden? Aber dennoch gibt es das Denken. Ganz ähn- lich werdet ihr auch nicht so etwas wie Liebe finden, wenn ihr das Herz eines Menschen öffnet und zerlegt. Aber Liebe gibt es; obwohl es nichts gibt, das zu bewei- sen. Sie läßt sich nicht in einem Labor einfangen. Sie ist nicht einmal durch das Sezieren eines menschlichen Herzens zu finden, welches ihr Sitz ist. Und doch wißt ihr, was Liebe ist. Und selbst wenn euch alle wissen- schaftlichen Labors der Welt erzählen, daß es keine Liebe gibt, werdet ihr ihren Befund nicht akzeptieren. Ihr werdet sagen: ,,Ich werde es nicht akzeptieren, weil ich selbst Liebe erfahren habe".

Gott ist eine Erfahrung, und die ist jenseits der Materie.

Aber die Leugnung Gottes ist etwas Fundamentales für den Sozialismus. Und sobald eine Gesellschaft die- ses Prinzip akzeptiert, wird sie alle Zugänge verschlies- sen, die zu Gott führen. Wozu soll man den Samen noch säen, wenn man zu dem Glauben gelangt ist, daß nichts darin steckt, was einem Baum gleicht? Es wird das größte Mißgeschick des Menschen sein, wenn es beschlossene Sache ist, daß es keinen Gott gibt. Dann wird Selbsterkenntnis etwas sein, was der Vergangen- heit angehört, dann wird sie etwas Unmögliches sein. Wenn die Menschheit akzeptiert, daß es keinen Baum im Samenkorn gibt, wer soll sich dann die Mühe

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machen, es auszusäen, es zu bewässern, es zu pflegen? Das Samenkorn wird verschimmeln und sterben.

Der gefährlichste Grundsatz des Sozialismus ist sein Materialismus. Und vergeßt nicht, daß der Sozialismus alle Voraussetzungen für die Selbsterkenntnis - das nötige Klima, das Abenteuer, die Ungewißheit und Freiheit - zerstören wird. Zumindest die Art von Sozia- lismus, die im Augenblick heraufzuziehen droht, wird das mit Sicherheit tun. Das Allerwichtigste für den Sozialismus von heute ist die Zerstörung der menschli- chen Freiheit. Ohne den Menschen die Freiheit wegzu- nehmen, kann er keinen Erfolg haben.

Und wirtschaftliche Freiheit - die Freiheit zu produ- zieren und das Produzierte auch zu besitzen - macht den größten Teil der menschlichen Freiheit aus. Wirk- lich, die wirtschaftliche Freiheit ist die Grundfreiheit des Menschen. Und der Sozialismus kann im Augen- blick nicht eingeführt werden, ohne dem Menschen seine Freiheit zu nehmen. Natürlich, wenn der Kapita- lismus zu seiner vollen Reife heranwachsen kann, dann und nur dann wird ein Sozialismus mit Freiheit möglich sein. Dann wird der Sozialismus die Freiheit nicht zu zerstören brauchen.

Aber der Sozialismus mit Freiheit setzt einen sol- chen Überfluß an Reichtum voraus, wie es einen Über- fluß an Wasser und Luft gibt. Das ist die erste Voraus- setzung für einen Sozialismus, der ganz natürlich und von selbst kommen wird. Im Augenblick erfüllt kein Land der Welt, nicht einmal Amerika, die Vorausset- zungen für einen Sozialismus mit Freiheit. Vielleicht in fünfzig Jahren wird Amerika diesen Gipfel des Wohl- stands erreichen. Aber wenn wir den Sozialismus jetzt haben wollen, können wir ihn nur durch Zwang einfüh- ren. Und ein aufgezwungener Sozialismus wird den Tod der Freiheit bedeuten. Und wo die Freiheit fehlt, werden die Chancen für ein geistiges Wachstum des Menschen düster aussehen. Der Geist des Menschen braucht den offenen Himmel der Freiheit, um zu wach- sen und zu blühen.

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Und wenn die ökonomische Freiheit des Menschen verschwunden ist, wird das nächste Angriffsziel die Freiheit des Denkens sein. Die Befürworter des Sozia- lismus sagen, daß sie ein sozialistisches System nicht mit Erfolg einrichten könnten, solange die Gedanken- freiheit erlaubt ist. Also können sie keine Ideologie akzeptieren, die gegen den Sozialismus ist.

Es ist interessant festzuhalten, daß es in Rußland nur eine einzige politische Partei gibt. Ist es da nicht erstaunlich, daß bei einer einzigen Partei Wahlen abge- halten werden? Das ist der Grund, warum Stalin immer die Wahlen mit solchen ungeheuren Mehrheiten gewann - so wie noch nie ein Mensch auf der ganzen Welt gewonnen hat. Stalin gewann immer mit hundert Prozent. Und diese Tatsache wurde der ganzen Welt mit großen Fanfaren verkündet, und es wurde großes politisches Kapital daraus geschlagen. Niemand fragte auch nur, ob er einen Gegenkandidaten hatte. Er hatte keinen Gegenkandidaten, keinen Rivalen. Was heißt das? Das heißt einfach, daß es in Rußland keine Gedan- kenfreiheit gibt. Im Laufe der fünfzig Jahre Sozialis- mus in diesem Lande haben sich sehr erstaunliche Dinge abgespielt. Selbst Wissenschaftler bekommen von der Regierung vorgeschrieben, was sie zu denken und nicht zu denken haben. Ihnen wird vorgeschrie- ben, was für wissenschaftliche Theorien sie formulie- ren sollen, und sie müssen sie den Grundsätzen des Marxismus entsprechend formulieren. Wenn eine wis- senschaftliche Theorie nicht mit dem Marxismus über- einstimmt, wird sie verworfen und verdammt. Als Folge davon waren dort in den letzten dreißig Jahren biologische Lehren in Umlauf, die in keinem anderen Teil der Welt Gültigkeit hatten. Wissenschaftler und Forscher in der ganzen Welt sagten, sie seien falsch, aber in Rußland hatten sie Gültigkeit, weil Stalin es so befahl. Natürlich wurden sie nach dem Tode Stalins wertlos. Die russischen Wissenschaftler mußten vor der kommunistischen Partei ja sagen und sich ihr

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fügen, denn um am Leben zu bleiben, waren sie der Gnade der Partei ausgeliefert.

Vor 1917, vor der bolschewikischen Revolution, hatte Rußland einige der intelligentesten Männer der ganzen Welt hervorgebracht - Namen, die es wert sind, in Goldbuchstaben geschrieben zu werden. Aber nach 1915 konnte Rußland keinen einzigen Menschen von solcher Statur hervorbringen. Nicht ein Mensch von der Größe eines Leo Tolstoi, Maxim Gorki, Lenin, Turgenjev, Gogol, Dostojevski! Was ist passiert?

Es ist wahr, daß das kommunistische Rußland Schriftsteller und Denker hervorgebracht hat, die Preise von ihrer Regierung erhalten haben, aber nicht ein einziger unter ihnen reicht an die Größe und den Glanz derjenigen heran, die Rußland in den Tagen sei- ner äußersten Armut und Erniedrigung, in den schlimmsten Zeiten der Zaren, hervorbrachte. Ruß- land hat seitdem nie wieder einen Denker von der Intelligenz und der Kreativität jener Männer aus der vorrevolutionären Zeit hervorgebracht. Warum?

Es liegt daran, daß im kommunistischen Rußland die Grundvoraussetzung für jegliches spirituelles Wachs- tum verweigert wird. Was soll man von einem Tolstoi, Turgenjev und Dostojevski sagen - selbst ein Lenin ist im gegenwärtigen Rußland nicht mehr möglich. Wenn Lenin - seine Seele - wiedergeboren werden möchte, wird er nach England oder Amerika gehen müssen; er kann nicht in Rußland wiedergeboren werden. Tatsächlich behaupten Leute, die es wissen müssen, daß Lenin vergiftet wurde, daß er keines natürlichen Todes gestorben ist. Der Mann, der die Revolution gemacht hat, und der Rußland in ein sozialistisches Land verwandeln wollte, wurde getötet. Der zweite Mann war Trotzki, der als Architekt der Revolution gleich nach Lenin kam. Er mußte aus Rußland flüch- ten, um sein Leben zu retten, mußte von einem Land ins andere hetzen, um sich zu verstecken. Er hatte in Rußland seinen Lieblingshund zurückgelassen - den die Kommunisten aus Rache töteten! Und dann jagten

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sie Trotzki, bis sie ihn in Mexiko faßten und brutal umbrachten.

Zu keiner Zeit in ihrer Geschichte hat die menschli- che Gesellschaft Morde von so massiven Ausmaßen miterlebt. Aber das war leicht, weil es keine Seele gibt, weil es nur Materie gibt. Und so wurden die Menschen getötet wie die Fliegen. Es machte für die Kommuni- sten keinen Unterschied, ob sie ihre eigenen Leute oder Ratten töteten. Es geschah in Übereinstimmung mit ihrer Philosophie.

Eine weitere logische Schlußfolgerung des Gedan- kens, daß der Mensch keine Seele hat, ist die, daß der Mensch keine Freiheit braucht. Wenn der Sozialismus Erfolg hat - der Sozialismus, den wir kennen - muß er zwangsläufig den Menschen in eine Maschine verwan- deln. Der Prozeß ist bereits im Gange.

In diesem Zusammenhang möchte ich wiederholen, was ich gestern gesagt habe: Daß die Sklaverei des Menschen erst dann ihr endgültiges Ende finden wird, wenn die Maschine den Menschen von der Fron der Arbeit befreit hat. Der Mensch wird erst dann wirklich von Armut jeglicher Art befreit sein, wenn automati- sche Maschinen alles tun werden und der Mensch nicht mehr arbeiten muß. Der eine Weg dorthin führt über die volle Entwicklung des Kapitalismus. Aber wenn wir es so eilig haben, den Sozialismus gleich jetzt einzufüh- ren, dann müssen wir den anderen Weg wählen, den entgegengesetzten Weg, nämlich den, die Menschen in Maschinen zu verwandeln. Das ist genau das, was in Rußland und China im Augenblick passiert. Das ist die andere Alternative: Macht den Menschen zur Maschine, dann braucht er nicht zu denken; eine Maschine denkt nicht. Und da sie glauben, daß der Mensch nur ein Körper ist, scheint ihr Argument logisch: Er braucht nicht zu denken: Was er braucht, ist Nahrung für seinen Magen, Kleider für seinen Körper und ein Dach über seinem Kopf. Das ist alles, was er braucht. Habt ihr jemals gehört, daß ein Sozialist gesagt

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hätte, daß der Mensch auch eine Seele braucht? Der Sozialismus kennt nicht mehr als drei Bedürfnisse des Menschen: Brot, Kleider und Wohnung. Der Mensch braucht nicht mehr als das, zu denken braucht er über- haupt nicht, zu denken versetzt ihn nur in unnötige Schwierigkeiten. Es ist gut, daß er dieser Mühe entho- ben wird. Dann wird er ungestört leben, wird er so leben wie ein Tier. Er sollte genug zu essen und zu trin- ken haben, er sollte vernünftig gekleidet sein, er sollte eine gute Unterkunft haben, er sollte arbeiten und glücklich leben. Aber denken - wozu? Es bringt nur Sorgen und alle möglichen Probleme. Es führt sogar zu Rebellion.

Der Sozialist sagt es nicht nur, er arbeitet auch auf dieses Ziel hin: Er erfindet Mittel und Wege, um das Denken auszuschalten. Und ihr bestes Mittel ist: das Kind, ehe es zu denken anfängt, mit den sozialistischen Denkvorstellungen und Glaubensbegriffen zu indok- trinieren, so daß sein Geist in Ketten gelegt wird - tief konditioniert.

Fragt man ein Kind in Rußland: „Gibt es Gott?", wird es augenblicklich sagen: „Nein, es gibt keinen Gott." Ein Freund von mir besuchte Rußland im Jahre 1936. Er besuchte eine Schule und stellte den Kindern genau diese Frage. „Gibt es Gott?" Wißt ihr, was die Kinder ihm geantwortet haben? Sie haben gesagt: „Wir fragen uns, wie ein Mann in Ihrem reifen Alter eine sol- che Frage stellen kann." Vor 1917 gab es einen Gott; jetzt nicht mehr. Es gibt ihn nicht; es gab ihn. Die Kin- der lernen, daß es keinen Gott gibt, keine Seele, keine Religion, keine höheren Werte im Leben. Es gibt nur einen Wert im Leben des Menschen: Wenn er genug zu essen, Kleidung und Wohnung hat, ist er zufrieden.

Eine merkwürdige Art Kastensystem ist in Rußland entstanden, ähnlich wie in Indien. Es gibt heute dort zwei Kasten: Einerseits die der Herrscher oder Mana- ger, und andrerseits die der Beherrschten oder Gema- nagten. Die Klassen sind in Rußland nicht abgeschafft worden; es gibt sie immer noch, aber sie haben ihre

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Formen verändert. Hier in Indien gibt es, wie wir das nennen, Leute, die ausbeuten, und andere, die ausge- beutet werden. Ähnlich gibt es in Rußland Leute, die verwalten, und andere, die verwaltet werden. Rußland ist immer noch eine Klassengesellschaft, keine klassen- lose Gesellschaft. Eine Reihe von Leuten sind die Ver- walter, und der Rest der Leute sind die Verwalteten. Und der Trennstrich ist scharf gezogen. Tatsächlich ist es verkehrt, sie als Klassen zu bezeichnen, in Wirklich- keit sind es Kasten.

Zwischen Klasse und Kaste besteht ein Unterschied. Klasse ist fließend - es ist leicht für das Individuum, von der einen Klasse in die andere überzuwechseln; Kaste ist starr, fixiert - sie ist nicht fließend, nicht flexibel. Die Shudras in Indien z. B. sind eine Kaste. Wie sehr sich ein Shudra auch anstrengen mag, er kann kein Brahmane werden. Was immer er tut, er kann nicht in die Kaste der Brahmanen aufgenommen werden. Die Brahmanen sind eine Kaste, keine Klasse. Und die Grenzen einer Kaste sind genau definiert, rigide festge- legt.

In Rußland wird ein neues Kastensystem eingerich- tet, so wie einst in Indien. Rußland hat zwei Kasten: die der Verwalter und die der Verwalteten - Herrscher und Beherrschte. Ein Mitglied der verwalteten Kaste kann nicht in die Kaste der Verwalter eindringen. Das ist so schwierig, das geht überhaupt nicht. Der Verwalter wird es ihm nicht erlauben, weil er seine eigenen Inter- essen hat, sein verbrieftes Eigeninteresse. Bitte begeht nicht den Fehler zu glauben, daß Stalin nur gerade so viele Rechte und Privilegien besessen hätte, wie der arme Arbeiter des heutigen Rußlands. Und glaubt nicht, daß es in Rußland Gleichheit gibt, oder etwa in China. Mao und seine Helfer haben nicht gleiche Rechte und Privilegien.

Gleichheit ist heute einfach nicht möglich. Bevor es nicht einen absoluten Überfluß an Reichtum gibt - soviel Reichtum, daß er bedeutungslos wird - werden die Klassen bleiben. Die Kasten werden nicht ver-

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schwinden, sie werden nur ihre Form verändern. Wenn je eine klassenlose Gesellschaft entsteht, wird dies in einer Gesellschaft geschehen, wo der Reichtum so all- gegenwärtig ist wie Wasser und Luft. Solange der Reichtum dünn gesät ist, und die Hochschätzung und Bedeutung behält, die er bis heute gehabt hat, wird die klassenlose Gesellschaft ein Traum bleiben. Diejeni- gen Menschen, die Macht und Eigentum unter Kon- trolle haben, werden automatisch eine neue Klasse bil- den.

In meiner Sicht ist aber Klasse besser als Kaste. Weil eine Kaste starr und fixiert ist, hat sie keine fließenden Grenzen. Klasse ist besser, weil sie Mobilität besitzt. Ein armer Mann kann reich werden, und ein reicher Mann kann arm werden. Der Arme und der Reiche sind Klassen, nicht Kasten; und das russische System kreiert Kasten. Dort wird alles unflexibel und starr. Und die Kluft zwischen dem Establishment und der übrigen Bevölkerung ist so tief, daß es unmöglich scheint, von der einen in die andere überzuwechseln.

Aber es erscheint notwendig, daß wir gemeinsam die fundamentalen Gesetze des Sozialismus untersuchen. Ein Freund hat gefragt:

Lehnst du die Grundvoraussetzung des Sozialismus ab, daß alle Menschen gleich sind?

Wir wollen das näher untersuchen. Erstens sind alle Menschen nicht gleich, und können alle Menschen nicht gleich sein. In dieser Frage geht es nicht um das Recht der Gleichheit. Tatsache ist, daß alle Menschen nicht gleich sind und es auch nicht sein können. Aber ich sage, es sollte gleiche Entwicklungschancen für alle geben. Was heißt das?

Das heißt, daß jeder Mensch die gleiche Chance haben sollte, ungleich zu sein. Ich wiederhole: Jeder Mensch sollte die gleiche Chance haben, ungleich zu sein. Jeder hat das Recht, das zu sein, was er sein möchte, und dieses Recht, er selbst zu sein, sollte glei- chermaßen allen zustehen. Und das Recht, Reichtum

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zu erzeugen, ist ein solches Recht. Das Recht, Wissen zu erwerben, ist ein weiteres.

Nicht jeder auf der Welt kann ein Einstein werden, oder ein Buddha oder Mahavir. Selten wird ein Mensch mit dem Genie Einsteins geboren. In gleicher Weise sage ich, daß nicht jeder ein Ford werden kann. Aber merkwürdigerweise akzeptieren wir nicht, daß die Fähigkeit, materielle Werte hervorzubringen, genauso angeboren ist, wie die Fähigkeit, Dichtungen hervorzu- bringen oder Mathematik, Philosophie oder Religion. Und die Fähigkeit, Reichtum hervorzubringen, ist genauso angeboren. Ein Ford wird nicht gemacht, er wird geboren. Manche Menschen werden mit dem Talent geboren, Reichtum zu produzieren, und viele andere werden ohne dieses Talent geboren. Das ist eine Tatsache, keine Theorie. Und wenn wir diejeni- gen Menschen, die mit dem Talent geboren werden, Reichtum zu erzeugen, frustrieren und unterdrücken, wenn wir sie daran hindern, Reichtum zu produzieren, dann wird die Welt umso ärmer sein, wird sie niemals zu Wohlstand gelangen. Das ist so, als würde man sagen, die Menschen sollten doch alle gleichermaßen Dichtung hervorbringen, und auch kein Kaiidas oder Shakespeare dürften am Gipfel stehen - das bräuchten wir uns nicht gefallen zu lassen. Wir wollen eine Gesell- schaft der klassenlosen Dichtung, in der jeder gleichbe- rechtigt Dichtung schreibt. In einem solchen Fall würde es ein groteskes Verseschmieden geben; Dich- tung käme niemals dabei heraus. Dann würde kein Kalidas, kein Shakespeare geboren. Sicher, jeder kann ein paar gereimte Verse zusammenzimmern. Aber dabei kommt kein Shakespeare oder Kaiidas heraus. Shakespeare und Kaiidas waren keine Reimer. Dich- tung ist etwas sehr anderes und Seltenes. Jeder von uns kann Farbe auf ein Plakat oder auf eine Leinwand schmieren, aber das macht uns noch nicht zu einem Picasso oder zu einem van Gogh. Van Gogh und Picasso sind geborene Genies. Daß der Sozialismus nicht akzeptieren will, daß

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jeder Mensch anders geboren wird - daß er einfach er selbst ist und nicht wie jeder andere - ist ein sehr gefähr- licher Umstand. Die Wahrheit ist, daß jeder Mensch einmalig ist, ohne seinesgleichen und unvergleichbar. Es ist unmöglich, einen zweiten Menschen zu finden, der ihm in jeder Weise entspricht. Keine zwei Men- schen, nicht einmal Zwillinge, sind sich gleich, sind sich identisch - geschweige denn die ganze Menschheit. Das hat es nie gegeben. Und so hat jeder Mensch eine Seele, ein höheres Selbst. Seele bedeutet: das Potential, sich zu unterscheiden. Maschinen können gleich sein, iden- tisch; hunderttausend Fiat-Autos, die vom Fließband kommen, können gleich sein, aber nicht zwei Perso- nen. Das Fiat-Auto hat keine Seele, es ist einfach eine Maschine. Maschinen können gleich sein; nur Maschi- nen können gleich sein. Und wenn man den Versuch unternimmt, alle Menschen zur Gleichheit zu zwingen, geht das nur, wenn man den Menschen auf die Ebene der Tiere hinunterzieht. Auf jedem höheren Niveau als dem tierischen werden die Menschen immer ungleich bleiben. Macht den Menschen also zur Maschine, und er wird Gleichheit besitzen.

Und die Menschen werden umso ungleicher sein, je höher sie geistig aufsteigen. Und sie werden umso glei- cher sein, je tiefer sie absteigen. Auf der Ebene des Schlafs sind wir alle gleich. Auf der Ebene unseres Hungers und unserer Bedürfnisse sind wir ziemlich gleich. Jeder braucht etwas zu essen, etwas zum Anzie- hen, ein Dach über dem Kopf und Sex. In diesen Din- gen sind wir alle gleich. Sogar noch gleicher als Tiere. Aber in dem Maße, wie wir zu den höheren Ebenen aufsteigen, die ein Buddha, ein Kaiidas, ein Picasso, ein Einstein, ein Bertrand Russell erreichen, nimmt die Ungleichheit im gleichen Maße zu. Denn wenn die Seele aufsteigt, wird sie alleingelassen, ist sie mehr und mehr allein. Dann ist ein Mann wie Mahavira oder Buddha allein, einzeln, einzig - einmalig. Dann wird Jahrtausende lang kein zweiter wie er in Erscheinung treten.

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Aber die Masse, brennend vor Neid, kann sagen: „Wir werden es nicht mehr dulden; wir wollen alle Menschen gleich machen." Und wenn uns dieser Gleichheitswahn erst einmal überrennt - das tut er jetzt überall auf der Welt - dann werden wir den Glanz und die Größe und die Hoheit und die Herrlichkeit zerstö- ren, auf die der Mensch Anspruch erheben kann. Natürlich, damit werden wir die Einebnung der Men- schen erreichen, die Gleichheit der Menschen. Jeder wird dann Nahrung und Kleidung und Arbeit und Sex haben. Eßt, trinkt und vergnügt euch! - Nur auf diesem Lebensniveau ist Gleichheit zu erreichen. Aber zu wel- chem Preis?

Gleichheit ist nicht möglich; sie ist nicht einmal wün- schenswert. Aber Chancengleichheit ist ein Muß.

Der Sozialismus richtet seine erste und frontale Attacke gegen die Chancengleichheit. Die Produzen- ten des Reichtums sind seine erste Zielscheibe; sie wer- den als erste ausgesiebt und erledigt. Seine nächste Zielscheibe ist der Denker - der ohnegleichen, überle- gen im Denken ist. Der Sozialist sagt: Wir wollen alle gleich machen, also können wir keine Ungleichheit im Denken dulden.

Nun, es überrascht, daß in den letzten fünfzig Jah- ren keine große geistige Auseinandersetzung in Ruß- land stattgefunden hat - nicht eine einzige. Fünfzig Jahre ist eine lange Zeit. Die Wahrheit ist, daß es im Leben des Menschen keine einzige Idee gibt, um die sich nicht eine Debatte, eine Kontroverse entfachen ließe. Jede Idee kommt aus dem besonderen Blickwin- kel dessen, der sie denkt, und es ist nicht notwendig, daß auch nur ein einziger weiterer Mensch damit über- einstimmt. Selbst die allerhöchsten Gedanken sind angefochten worden, und zwar unweigerlich angefoch- ten worden.

Große Debatten um Ideen, Aufeinanderprallen von Ideen, ideologische Schlachten sind ein Hinweis dar- auf, daß die Intelligenz des Menschen wächst. Aber in den letzten fünfzig Jahren hat Rußland nicht eine ein-

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zige große Debatte gesehen, keinen Aufschwung des Denkens, keine Explosion der Ideen oder kulturelle Revolution, die die Psyche des Landes bis in ihre Wur- zeln aufgerüttelt hätte. Nicht die kleinste Welle hat sich in diesen fünfzig Jahren auf dem psychischen Meer Rußlands geregt, geschweige denn eine Springflut. Warum?

Wenn ihr die Sozialisten nach dem Warum fragt, werden sie einfach sagen: „Wir sind damit beschäftigt, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, darum können wir keine Debatten, Diskussionen und Opposi- tionen zulassen; wir können keinerlei Revolte und Rebellion tolerieren." Sie sagen ebenfalls: „Im Augen- blick haben wir keinen Raum für freies Denken, wir können es uns nicht leisten. Daher unterdrücken wir lieber im Augenblick die Freiheit des Denkens, aber wir werden sie ganz gewiß wieder zulassen, wenn alles okay ist."

Aber dann wird es zu spät sein. Es wird unmöglich für Rußland sein, wieder zu denken, und kühn zu den- ken, nachdem das Denken fünfzig Jahre lang gedros- selt wurde. Stellt euch vor, daß ein Mensch fünfzig Jahre lang die Füße in Ketten hatte, und dieser Mensch dann eines schönes Morgens entlassen wird und gesagt bekommt: „Jetzt bist du frei, lauf zu und klettere den Berg hinauf." Glaubt ihr, daß er auf den Berg klettern kann? Es wird ihm sogar unmöglich sein, auch nur ein paar Schritte im eigenen Hof zu tun. Der Geist des Menschen beginnt zu schwinden und zu sterben, wenn er eine gewisse Zeitlang in Ketten gelegt wird.

Dem Freund, der wissen möchte, was es für eine Beziehung gibt zwischen dem, was ich über den Sozia- lismus sage und Selbstverwirklichung, möchte ich sagen: Die größte Gefahr, die dem Menschen und sei- ner Suche nach der Seele droht, liegt in der wachsenden Entschlossenheit des Politikers in aller Welt, alle Macht - die politische und die ökonomische - in den Händen des Staates zu konzentrieren, so daß er den Geist und die Seele des Menschen fangen und unter

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seine Kontrolle bringen kann. Somit ist es absolut vor- rangig, darüber nachzudenken, zu diskutieren und unsere Stimmen dagegen zu erheben.

Wenn die Sozialisten die Freiheit angreifen, tun sie es mit List und Vorsicht. Ihre Taktik ist verführerisch. Sie sagen, daß sie die Gleichheit wollen und daß es des- halb notwendig sei, der Freiheit Schranken aufzuerle- gen. Mit Freiheit, so argumentieren sie, könnten sie die Gleichheit nicht erreichen. Die Sozialisten reden nicht von Freiheit; sie legen den ganzen Akzent auf Gleich- heit. Gleichheit kommt für sie zuerst; ohne Gleichheit sei Freiheit ein Mythos und solange die Ungleichheit bestehe, werde die Freiheit ein Traum bleiben. Also muß zuerst die Gleichheit erreicht werden, so argu- mentieren sie, selbst wenn ihr zuliebe die Freiheit zer- stört werden muß.

Wir müssen uns jetzt entscheiden. Wir müssen eine klare Wahl treffen, welches der höhere Wert ist, Gleichheit oder Freiheit. Wir müssen eine klare Priori- tät setzen. Und die ganze Menschheit muß sich ent- scheiden, und zwar sehr bald entscheiden: Was ist der höhere Wert, Freiheit oder Gleichheit?

Vergeßt nicht: Wenn die Freiheit am Leben bleibt, macht sie die Gleichheit in der Zukunft möglich. Aber wenn wir die Freiheit für die Gleichheit opfern, dann gibt es keine Möglichkeit mehr, die Freiheit in der Zukunft zurückzugewinnen. Denn haben wir die Frei- heit erst einmal verloren, wird es außerordentlich schwierig, sie wieder zurückzugewinnen.

Und diese ganze Sache, die sich Gleichheit nennt, ist sehr unwissenschaftlich und antipsychologisch. Die Menschen sind nicht gleich. Und eine Gleichheit, die wir dem Menschen mit Zwang auferlegen, wird ihn nur ' zerstören. Der Mensch muß die volle Gelegenheit haben, ungleich und unterschiedlich zu sein; er muß die Freiheit haben, abzuweichen, anderer Meinung zu sein, zu leugnen, zu rebellieren. Nur dann wird er • wachsen und blühen und Früchte tragen.

Der heutige Sozialismus ist die lauteste Stimme

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gegen den menschlichen Geist, die Seele, gegen das Göttliche und das Religiöse.

Ein anderer Freund hat gefragt: Der Sozialismus will das Wohl der Armen. Bist du

gegen das Wohl der Armen ? Ich - und gegen das Wohl der Armen! Überhaupt -

wer darf gegen das Wohl der Armen sein? Aber ver- geßt nicht, dieses Gerede vom Dienst an den Armen geht nun schon Tausende von Jahren so - und unzäh- lige Diener der Armen sind gekommen und gegangen - aber bis jetzt haben sie absolut noch nichts für die Armen getan. Dafür haben sie im Namen der Armen eine Menge für sich selbst getan. Und die Armen sind geblieben, wo sie schon immer waren. Die Diener der Armen haben nichts mit den Armen zu schaffen, aber die Armen werden zu ihren Parteianhängern, weil ihnen erzählt wird, daß alles nur ihretwegen geschieht. Und die Armen folgen ihnen und gehen sogar auf ihren Wink hin zum Galgen.

Aber die Leute, die sich zum Märtyrer für den Sozia- lismus machen, sind nicht die, die im Namen des Sozia- lismus die Macht ergreifen. Das sind völlig andere Leute. Die Armen leiden und sterben für den Sozialis- mus, aber diejenigen, die an die Macht kommen, sind nicht arm. Sie sind eine neue Klasse von Reichen, eine neue Bourgeoisie.

Tatsächlich wird der Mensch, der zur Macht gelangt, augenblicklich reich. Da sind die Menschen wirklich alle gleich. Heute ist er noch ein Parteiläufer der Armen, aber morgen, wenn er zur Macht gelangt, ver- folgt er schon seine eigenen Interessen. Jetzt will er an der Macht bleiben. Und um das zu erreichen, wird er systematisch die Leiter zerstören, auf der er hochge- klettert ist. Wer weiß? - auf der gleichen Leiter könn- ten andere an die Spitze kommen und ihn absetzen.

Den Armen ist noch nie gedient worden; ihnen ist noch niemals geholfen worden. Ja, es hat im Namen der Armen genug Bewegungen gegeben, genug Revo-

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lutionen und genug Blutvergießen. Aber den Armen hat das alles nichts gebracht. Es wird Zeit, daß wir uns den Schwindel bewußt machen. Seid wach und bleibt klar, wenn euch jemand erzählt, daß er den Armen hel- fen möchte; ganz sicher ist er ein gefährlicher Mann. Auch er wird die Armen als Leiter mißbrauchen. Und die Armen sind dumm; sonst wären sie nicht arm geblieben. Sie sind arm aufgrund ihrer Dummheit. Und so werden sie diesen als ihren neuen Messias begrüßen. Das ist genau die Art und Weise wie sie wie- der und wieder ihre Messiasse bekommen, Messiasse die sie ausbeuten, versklaven, foltern.

Hitler kam an die Macht, indem er „für das Wohl der Armen" sorgte. Moussolini kam an die Macht „zum Wohl der Armen." Und Stalin und Mao auch. Alle Welt scheint damit beschäftigt zu sein, etwas zum Wohl der Armen zu tun, und nie passiert irgendetwas zu ihrem Wohl. Die Armen sind so arm wie eh und je. Warum ist das so?

Es gibt einen einzigen Grund, warum: Der Reich- tum ist zu knapp und die Zahl der Menschen zu groß. So, wie es steht, könnt ihr kein bißchen zum Wohl der Armen tun. Ihr könnt auf den Stuhl der Macht setzen, wen immer ihr wollt, und nichts wird geschehen. Das wirkliche Problem ist, daß der Reichtum auf der Erde sehr viel geringer ist, als die Anzahl der Menschen. Wir brauchen mehr Reichtum, sehr viel mehr. Der Reich- tum, den wir brauchen, muß größer sein als die Anzahl der Menschen. Wir brauchen einen Reichtum, der grö- ßer ist als die Bedürfnisse der Menschen. Und das nächste Problem ist: Wie kann man so viel Reichtum produzieren?

Die Ironie ist, daß die armen Menschen Gegner der- jenigen sind, die mehr Reichtum produzieren können. Die Armen kämpfen gegen ihre eigenen Wohltäter. Und das ist seit ältesten Zeiten eine Gewohnheit der Menschheit. Und das ist erstaunlich. Galileo wurde getötet, und doch profitiert heute die ganze Welt von seiner Entdeckung. Wir kreuzigten Jesus, und doch

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helfen die Lehren von Jesus mit, die Welt menschlicher zu machen. Wir vergifteten Sokrates, und doch werden die Worte des Sokrates nicht aufhören, die spirituelle Evolution der Menschheit bis in alle Ewigkeit zu inspi- rieren.

Der Mensch ist wirklich eine seltsame Kreatur. Er kann niemals erkennen, wer tatsächlich für sein Wohl arbeitet. Seine Schwierigkeit ist, daß nur Leute die brüllen und schreien und ihre Sorge für das Volk beteu- ern, ins Rampenlicht treten, während die wirklichen Wohltäter ihre Arbeit schweigend verrichten, unauf- fällig. Und wir werden durch Propaganda beeinflußt. Aber ich versichere euch, die wahren Wohltäter sind ganz andere Menschen. Ein Wissenschaftler, der in sei- nem Labor seiner Forschung nachgeht, ist einer. Aber nicht ein Politiker, der in Delhi damit beschäftigt ist, zu politisieren, doppelzüngig zu reden und Intrigen anzu- zetteln. Von einem Politiker kann nichts Gutes kom- men, und doch hat das Volk ihn immer vor Augen. Und der arme Mann wird nie erfahren, daß sein Kind heute deshalb lebt, weil irgendein Pasteur einen Impfstoff in einem Labor entdeckt hat. Er wird nie wissen, wer ihn gerettet hat, als er von Tuberkulose befallen war. Er wird nie die Namen derer erfahren, die hart gearbeitet haben, um sein Leben zu verlängern und ein Gegenmit- tel gegen den Krebs und andere tödliche Krankheiten zu finden. Der arme Mann hat kein Dankbarkeitsge- fühl gegenüber dem Menschen , der die Elektrizität ent- deckte. Aber den Politiker kennt er, weil er eine Flagge in der Hand hält und brüllt. Es gibt tatsächlich ein paar Leute, die es genießen, herumzubrüllen und das zu ihrem Geschäft zu machen.

Ich habe gehört... Ein Junge stand auf dem Bürgersteig und brüllte mit

heiserer Stimme, um seine Zeitungen zu verkaufen. Ein Mann wurde neugierig und fragte ihn: „Wieviel verdienst du eigentlich? Ich seh dich jeden Tag, wie du deine Stimmbänder strapazierst." Der Junge sagte: „Ich verdiene überhaupt nichts. Ich kaufe diese Zeitun-

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gen vom Zeitungsverkäufer am andern Ende der Straße für 10 Paisa das Stück und verkaufe sie zum glei- chen Preis." Der Mann sagte: „Bist du verrückt? Du brüllst dir umsonst die Kehle aus dem Hals?" Der Junge sagte: „Nein, ich bin nicht verrückt." Was den Mann zu einer weiteren Frage reizte. Er fragte: „Wozu dann?" Der Junge sagte: „Damit ich brüllen kann. Ich brülle so gern." Der Neugierige ging mit den Worten davon: „Dann wird mal ein guter Politiker aus dir."

Wer sind die Leute, die wirklich für das Wohl des Menschen arbeiten? Sie tun es sehr still. Sie sind nicht einmal bekannt. Sie sterben für euch, aber ihr kennt sie nicht. Wißt ihr, wer der Wissenschaftler war, der daran starb, daß er an seiner eigenen Zunge ein tödliches Gift ausprobierte, vor dem er euch retten wollte? Kennt ihr die Namen derjenigen, die daran starben, daß sie an Krankheitserregern arbeiteten, um euch lebendig und gesund zu erhalten? Ihr kennt die Wissenschaftler nicht, die heute die Automatisierung entwickeln, um Menschen von der Mühsal der Arbeit zu befreien.

Aber ihr kennt den Politiker, der von allen Dächern schreit, daß er zu eurem Wohle arbeitet.

Die Politiker haben noch nie etwas Gutes getan. Die Revolutionäre haben noch nie etwas Gutes getan. Und alle Revolutionen sind gescheitert. Nicht nur haben die uns bekannten Revolutionen, nie etwas Gutes bewirkt, sondern sie haben der Gesellschaft des homo sapiens defi- nitiv ungeheuren Schaden zugefügt. Sie haben das Wachs- tum der Menschheit behindert; sie haben den natürli- chen Fluß des Lebens an vielen Punkten gehemmt.

Jetzt brauchen wir eine andere Revolution - völlig anders als alle vergangenen Revolutionen. Wir brau- chen eine Revolution, die uns alle anderen Revolutio- nen vergessen läßt. Wir brauchen eine Revolution, die all den Wohltätern sagt: „Laßt uns verdammt nochmal in Ruhe. Wir haben die Nase voll. Fünftausend Jahre lang habt ihr nichts zu unserem Wohl zustande gebracht. Wir brauchen euch nicht mehr, haltet den Mund!"

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Das Wohl der Armen beruht auf der Produktion von Wohlstand, von mehr Wohlstand. Es beruht auf der Produktion von Instrumenten, die die Produktion tau- sendfach vermehren können. Das Wohl der Armen verlangt, daß alle Klassenkonflikte mit Stumpf und Stiel von der Erde verschwinden.

Aber der Sozialismus, gleich welcher Spielart, profi- tiert vom Klassenkonflikt. Klassenkonflikte sind der Sauerstoff, von dem die Sozialisten der ganzen Welt leben. Die Armen gegen die Reichen aufzustacheln, die Produktion in den Fabriken zu bremsen und zum Stillstand zu bringen, Streiks und Bünde und Märsche - das sind ihre gängigen Mittel. Und die Armen verken- nen mit seligen Unschuldsaugen, daß sie durch all diese Streiks und Märsche nur ihre eigene Armut vergrö- ßern, ihr Elend vervielfachen. Denn sie machen sich zum Werkzeug, die Produktion zu behindern, überall die Produktion zu verringern. Meint ihr das vielleicht mit „Wohl der Armen"?

Wenn ihr wirklich euer „Wohl" wollt, dann vergeßt die Politiker und steckt all eure Energien in die katego- rische Aufgabe, die Produktion zu vermehren und etwas zum Wohlstand der Gesellschaft beizusteuern. Vergeßt die Politiker und arbeitet mehr. Hindert die Produktion nicht, indem ihr die eine Klasse gegen die andere hetzt. Klassenkonflikte müssen verschwinden. Es ist an der Zeit, daß die Klassen sich immer mehr annähern und gemeinsam für eine massive Produktion arbeiten.

Aber der Politiker würde seinen Job verlieren, wenn er für eine freundliche Beziehung und Verständigung zwischen den Klassen eintreten würde. Der politische Führer lebt davon, daß er Konflikte anzettelt und Zwietracht zwischen den verschiedenen Gruppen und Klassen sät. Ohne sie würde er aufhören zu existieren. Und solange noch der Führertyp auf dieser Erde lebt, wird es weiterhin Kriege geben.

Sagt allen euren Politikern Adieu und alle Kriege werden euch Adieu sagen. Sie sind die Architekten von

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Konflikt und Zwist und Krieg. Und sie brauchen das als Existenzgrundlage.

Hitler hat in seiner Autobiographie gesagt, daß du, wenn du ein großer Führer sein willst, einen großen Krieg führen mußt. Und wenn kein wirklicher Krieg vorhanden ist, dann genügt auch ein kalter Krieg. Aber Krieg ist ein Muß, damit die Menschen in Angst gehal- ten werden. Denn wenn sie in der Angst leben, brau- chen sie einen Führer, an den sie sich klammern kön- nen. Wenn sie dagegen frei von Angst sind, wenn sie keine Sorgen haben, dann brauchen sie den Politiker nicht. Also mußt du den Krieg schüren, neue Konflikte und Kriege entfachen, und die Massen werden dir scha- renweise zulaufen und dich anflehen, sie zu führen.

In den zwanzig Jahren nach der indischen Unabhän- gigkeit haben die Politiker die Industrialisierung Indiens dadurch vereitelt, daß sie im ganzen Lande Klassenkonflikte entfacht haben. Das ist das größte Verbrechen, das sie begangen haben; sie sind dem Land mit dem Dolch in den Rücken gefallen. Aber die Armen werden niemals wissen, daß es vor allem ein Dolchstoß in ihren Rücken war.

Ein anderer Freund hat gefragt: Alles, was du sagst, unterstützt die Kapitalisten.

Hast du nicht auch etwas gegen sie zu sagen ? Natürlich, ich habe eine Menge gegen sie zu sagen.

Und ich muß es, weil die Kapitalisten eine ebenso grundsätzliche Rolle bei der Entstehung von Klassen- konflikten gespielt haben. Tatsache ist, daß der Mann, der reich wird, bald anfängt zu glauben, daß er einer anderen Welt angehört - einer anderen als die übrige Gesellschaft. Das ist völlig falsch; kein Mensch kann dadurch groß werden, daß er Reichtum anhäuft. Durch das Anhäufen von Reichtum hat noch niemand den Gipfel der Welt erstiegen. Wenn jemand ein Bild malt, erklimmt er damit nicht den Gipfel der Welt. Ein Bild- hauer hält sich nicht für groß, aber ein reicher Mann glaubt, die Nase über alle anderen erheben zu dürfen.

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Und solange ein Reicher sein Ego immerzu mit Reich- tum füttert, wird er den Neid der Armen wecken; das ist unvermeidlich. Ich sagte gestern, daß der Neid der Armen geweckt und angefacht würde. Der Neid des armen Mannes geht zu fünfzig Prozent auf das Konto der Armut; die anderen fünfzig Prozent gehen auf das Konto des Egos seines reichen Nachbarn. Der Reiche wird seine Überheblichkeit aufgeben müssen.

Sein Vergnügen sollte die Produktion von Reichtum sein. Aber wenn er sein Ego mit Reichtum aufbläst und sich für höher als andere, für einen Halbgott hält, dann ist es unvermeidbar, daß die Menge um ihn her alles tun wird, um ihn herunterzuzerren. Wirklich, Reichtum darf nicht zu einem Mittel wer- den, das Ego zu befriedigen. Im Gegenteil, je mehr Reichtum ein Mensch hat, desto demütiger und egolo- ser sollte er sein; und zwar deshalb egolos, weil er durch den Überfluß des Reichtums hindurchgegangen ist, und so herausgefunden hat, daß nichts damit gewonnen ist, Reichtum zu gewinnen. Buddha und Mahavir waren Söhne von Reichen, aber sie kehrten dem Reich- tum den Rücken und stiegen aus. Warum?

Buddha hielt sich einmal in einem Dorf auf, das nicht zu dem Staat gehörte, den sein Vater regierte. Der Herrscher dieses Staates suchte ihn auf und sagte: „Ich muß mit dir zanken. Bist du denn verrückt, deinen Palast aufzugeben, deinen ganzen Reichtum und die Größe und den Ruhm, der damit zusammenhängt? Das ist Wahnsinn! Ich flehe dich an, mach diesem Wahnsinn ein Ende, heirate meine Tochter und werde mein Thronfolger. Meine Tochter ist mein einziges Kind. Lege das Mönchsgewand ab und verwalte die Geschäfte meines Königreichs." Buddha sagte: „Das Königreich, das ich zurückgelassen habe, ist größer als deines. Es ist zwecklos, mich jetzt zu versuchen." Daraufhin fragte der König: „Was hat dich denn veranlaßt, dein König- reich zu verlassen?" Und Buddha antwortete: „Ich erkannte, daß ich alles hatte und daß da trotzdem eine Leere in mir war, die kein Reichtum füllen konnte."

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Aus meiner Sicht ist es schwer für einen Armen, sein Ego fallenzulassen, weil er nicht weiß, daß er sogar dann nichts besitzt, wenn er reich geworden ist. Aber der Reiche sollte von seinem Ego ablassen. Nur der ist wirklich reich, der, obwohl er alles hat - Reichtum und große Häuser, Autos und alles, was man mit Geld erwerben kann, zu der Erkenntnis gekommen ist, daß in ihm etwas ist, das absolut leer bleibt.

Wenn du diese Leere mit Reichtum füllst, wirst du egoistisch und überheblich. Wenn du die Leere mit aller Klarheit siehst, vor dem Hintergrund deines Reichtums, steigt die Egolosigkeit auf.

Wenn der reiche Mann sein Ego aufgibt, wird es dem Armen leichter fallen, seinen Neid abzulegen. Aber wenn die Reichen weiter so zügellos egoistisch und überheblich bleiben, dann bleibt den Armen nichts anderes übrig, als ihren Neid und ihre Bitterkeit zu nähren.

Die Arroganz der Reichen gibt dem Politiker die Chance, den Neid der Armen zu entfachen. Und wenn der Politiker das tut, wird der Reiche aus Selbstschutz noch arroganter. Er versucht sein Ego - er nennt es sein Prestige - mit allen möglichen Methoden zu schützen; aber diese Methoden sind gefährlich. Sie gießen nur Öl ins Feuer.

Nein, wenn das Land reich sein soll, ist es dringend notwendig, daß aller Klassenkonflikt reduziert und bei- gelegt wird. Und das ist die Verantwortung der Rei- chen - weit mehr, als der Armen, weil der Neid des armen Mannes ganz natürlich ist. Während es auf Sei- ten des Reichen unnatürlich ist, egoistisch zu sein. So real der Neid des Armen ist, so irreal und irrational ist das Ego des Reichen.

Ich muß an eine kleine Geschichte denken. In einem Gefängnis gibt es ein Krankenhaus mit hundert Betten, wo kranke Gefangene zur Behandlung eingeliefert werden. Ebenso wie die Gefangenen, sind auch ihre Betten numeriert. Bett Nummer eins bekommt ein

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Gefangener, der ein bißchen kriecherisch ist und die Gunst der Gefängnisautoritäten genießt. Das zweite Bett geht an einen, der weniger Einfluß bei den Vorge- setzten hat. Der Gefangene auf Bett Nummer hundert hält sich für einen Niemand, eine Null. Der Mann auf Bett Nummer eins wird genau wie alle anderen an sei- nem Bett festgekettet, aber er hat einen Ausdruck von Arroganz an sich, der Arroganz, jemand Besonderes zu sein. Sein Bett steht direkt neben dem Fenster. Jeden Morgen, wenn er aufsteht, schaut er hinaus und sagt: „Was für ein schöner Morgen." Und alle anderen Gefangenen fühlen sich ihm gegenüber benachteiligt. Sie halten ihn für den glücklichsten Menschen und sind neidisch auf ihn. Und der Gefangene in Bett Nummer eins redet immerzu. Manchmal ergeht er sich in ent- zückter Bewunderung des Vollmondes am Himmel, ein anderes Mal beschreibt er die Schönheit und den Duft verschiedener Blumen.

Nach und nach wird das Bett Nummer eins zum meist begehrten Bett im Krankenhaus, der Gegenstand aller Wünsche und Träume von 99 Gefangenen. Die Mitgefangenen sagen zu dem Mann auf Bett Nummer eins: „Du bist der glücklichste von uns. Du mußt es dir in früheren Leben verdient haben." Aber im Grunde ihres Herzens beten sie, daß er stirbt. Und jedesmal, wenn er einen Herzanfall hat - die Inhaber von Bett Nummer eins leiden häufig unter Herzbeschwerden - geht eine Welle der Freude durch seine Mitgefange- nen. Und sie freuen sich schon auf die Zeit, wo er end- lich sterben wird. Aber er überlebt, weil Leute wie er nicht so leicht sterben können. Und sobald es ihm wie- der etwas besser geht, fängt er wieder mit seinen Hym- nen an über die Großartigkeit der Welt auf der anderen Seite des Fensters.

Schließlich und endlich stirbt der Gefangene in Bett Nummer eins.

Sein Tod löst eine Welle der Freude unter den 99 Gefangenen aus, von denen jeder hofft, sein Bett zu bekommen. Ein Wettrennen beginnt - genau wie in

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Delhi nach dem Tod des Mannes Nummer eins. Ein wahnsinniges Rennen geht los. Sie schmeicheln den Gefängnisbeamten, um ihre Gunst zu gewinnen. Sie bestechen sie sogar. Und am Ende gewinnt derjenige Gefangene das Rennen, der das größte Bestechungsge- schenk geboten hat. Der Gewinner ist überglücklich und bezieht bald das heißbegehrte Bett. Und das erste, was er tut, nachdem er es belegt hat: Er macht Bestandsaufnahme vom Bett und seiner Umgebung. Genau das, was man tut, wenn man Präsident des Lan- des geworden ist. Als der neue Inhaber des Bettes aus dem Fenster schaut, ist seine große Freude plötzlich verflogen. Er ist tief enttäuscht, sehen zu müssen, daß es da nichts anderes zu sehen gibt als die massive Feuer- wand des Gefängnisses.

Da ist kein Himmel, kein Sonnenaufgang, keine Blume, kein Gesang der Vögel - nichts von all den Freuden, von denen sein Vorgänger jahrelang so scha- denfroh geschwärmt hatte. Und jetzt ist er in der Klemme - wie soll er zugeben, daß da gar nichts ist? Und wißt ihr, was er zu seinen Mitgefangenen sagte? Er sagte: „He Jungs, hab ich ein Glück gehabt! Die Sonne geht auf, die Blumen blühen und die Vögel singen." Und wieder sagen die anderen Gefangenen nach außen hin: „Was du für ein Glück hast!" Und heimlich beten sie wieder, daß er stirbt.

Ich habe auch gehört, daß dies Gefängnisspital schon seit Jahrhunderten existiert und daß dort seit Jahrhunderten das gleiche Schauspiel immer wieder aufgeführt wird. Und bis heute hat noch kein Gefange- ner auf Bett Nummer eins genug Mut besessen, die Wahrheit zu sagen. • Der Mann, der die Leiter des Reichtums hinaufge- klettert ist, sollte seinen Mut zusammennehmen und sagen, daß er trotz seines angehäuften Reichtums seine Seele nicht gefunden hat, daß er die Wahrheit nicht erkannt hat, daß er die Liebe nicht erfahren hat. Ja, er sollte sich die absolute Armut seines Daseins eingeste- • hen, und es auch sagen. Dann wird er aufhören, der

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• Ego-Klotz zu sein, der er ist - und wenn das Ego ver- schwunden ist, wird er auch aufhören, die Neidgefühle der Armen zu schüren. Wenn der Klassenkonflikt abgeschafft werden soll, muß der Reiche seinen Hoch- mut aufgeben und von seiner eingebildeten Höhe her- • unterkommen.

Der Mensch wird nicht groß durch Reichtum. Ein Buchhalter in einem Büro ist nicht klein, weil er ein Buchhalter ist. Wirkliches Menschsein ist etwas völlig anderes. Es kommt aus dem Reichtum des Seins - was nichts mit äußerem Reichtum zu tun hat. Und der Mensch, der keine Achtung für seinen inneren Reich- tum besitzt, schadet der Gesellschaft in vieler Hinsicht. Der Reiche muß wissen, daß Wohlstand nicht inneren Reichtum bedeutet. Er muß außerdem wissen, daß Gott auch in den Armen zuhause ist. Er darf nicht auf den armen Mann herabblicken, als wäre er ein Tier. Nur dann werden wir den Brand des Klassenkonflikts löschen. Und dieser Brand kann gelöscht werden. Und das Land kann sich erst dann in die Kreativität stürzen, in die Produktion von Wohlstand, wenn der Klassen- • konflikt aufhört.

Ein Freund hat gefragt: Wie kommt es, daß Indien keinen Wohlstand her-

vorgebracht hat? Dafür gibt es Gründe. Und ich möchte gerne auf ein

paar davon eingehen. Der erste Grund ist, daß wir als Volk gegen den Wohlstand sind. Es muß ein sehr unglückseliger Augenblick in unserer lang zurücklie- genden Vergangenheit gewesen sein, als wir uns ent- schlossen, gegen den Reichtum zu sein. Jahrtausende- lang haben wir die Armut verehrt, ja sogar vergöttlicht. Und wir verehren auch die Armen. Vielleicht war der Grund der, daß wir sehr arm waren und aus Neid gegenüber den Reichen anfingen, die Armen zu ach- ten. Wenn ich ein Bettler bin, und es absolut keine Möglichkeit gibt, ein König zu sein, dann ist es ein letz- ter Ausweg, mir einzureden, daß ich glücklich damit

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bin, ein Bettler zu sein, und daß ich niemals ein König sein möchte. Das wäre für das Ego des armen Mannes ein letzter Schleichweg.

Indien ist jahrtausendelang arm geblieben. Unsere Armut geht soweit zurück, daß eine Ausrede nötig wurde, die unser Ego noch mitten in der Armut befrie- digen konnte. Und wir sind schließlich auf diese verfal- len: Wir haben der Armut viele gute Namen gegeben. Wir haben gesagt: es ist aus Einfachheit, Selbstbeschei- dung, Weltabkehr, und was es noch alles gibt. Und wenn irgendein reicher Mensch sich freiwillig für die Armut entschied, haben wir uns vor ihm verbeugt und ihm die Füße berührt. Alle vierundzwanzig Teerthan- karas des Jainismus waren Königssöhne. Warum kam kein einziger Sohn eines armen Mannes als Teerthan- kara in Frage?

Dafür gibt es einen Grund. Der arme Mann hat nichts, worauf er verzichten kann, und wir messen die Größe eines Menschen an dem, worauf er verzichtet. Wirklich, der Reichtum ist unser Maßstab, egal ob man ihn anhäuft oder auf ihn verzichtet. Mahavir ist deshalb groß, weil er einen riesigen Berg von Reichtum in den Wind schlug. Buddha ist groß, weil er auf seinen Reich- tum verzichtete. Niemand hätte von ihm weiter Notiz genommen, wenn er in einer armen Familie geboren worden wäre. Er wäre gefragt worden: „Auf wieviel Gold, Elefanten und Pferde hast du verzichtet?" Und er hätte gesagt: „Keine, weil ich nichts hatte." Wie konnte man ein Teerthankara sein, wenn man keinen Reichtum besaß? Um ein Teerthankara zu sein, mußte man erst Millionär sein. Wir messen alles am Geld. Arme Menschen messen alles mit Geld. Wir messen den Reichtum eines Menschen an der Menge der Güter, die er besitzt. Wir messen seinen Verzicht an der Menge der Güter, die er aufgibt.

Ich habe einmal Jaipur besucht. Ein Mann kam zu mir und sagte: „Hier lebt ein großer Sannyasin. Du mußt ihn aufsuchen. Er ist ein außergewöhnlicher Sannyasin." Ich fragte: „Wie hast du herausgefunden,

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daß er ein großer Sannyasin ist?" Und die Antwort war: „Der König von Jaipur selbst berührt seine Füße." Ich sagte zu dem Mann: „Du achtest den König von Jaipur, nicht den Sannyasin. Was würdest du sagen, wenn sich der König weigern würde, seine Füße zu berühren?"

Bei einer anderen Gelegenheit war ich zufällig Gast eines Sannyasin. Im Laufe unserer Unterhaltungen ließ er gelegentlich einfließen, daß er einem Besitz im Wert von hunderttausenden Rupien entsagt habe. Einmal fragte ich ihn: „Kannst du mir erzählen, wann genau du auf so viel Reichtum verzichtetest?" Und er sagte: „Das ist fast dreißig Jahre her." Daraufhin sagte ich: „Dein Verzicht hat nicht richtig eingerastet, wenn du ihn selbst nach dreißig Jahren noch nicht vergessen kannst. Du genießt deinen Reichtum ja immer noch.» Damals hat sich dein Ego an deinem Besitz aufgebläht, jetzt bläht es sich an deinem Verzicht auf. Aber gehupft» wie gesprungen: Das Geld bleibt die Basis."

Das Maß des armen Mannes ist der Reichtum. Aber es war eine einzige Katastrophe, daß wir die

Armut akzeptierten und dachten, daß sie ein Segen sei. Wir sagten, daß Zufriedenheit das Höchste sei. Und genau das ist der Grund, warum es uns nicht gelungen ist, Wohlstand hervorzubringen, und warum wir arm geblieben sind.

Nun, um Wohlstand hervorbringen zu können, müs- sen wir erst aufhören, die Armut zu respektieren. Wir müssen aufhören, die Armen Daidranarain zu nennen, zu sagen: Die Armen sind Gott. Wir haben genug von diesem Unsinn mitgemacht. Die Armen sind nicht Gott und Armut ist keine Tugend. Armut ist eine große Krankheit, ein Fluch, eine Geißel. Sie ist eine Pest, und dem Reichtum gebührt Achtung. Wir werden nur dann Reichtum hervorbringen, wenn wir ihn achten.

Wir erzeugen das, was wir uns wünschen, wonach wir uns zutiefst sehnen. Wir haben Armut hervorge- bracht, weil wir sie akzeptiert haben. Wenn jemand Gandhi fragte, warum er in der Eisenbahn immer in der dritten Klasse fuhr, antwortete er regelmäßig: „Weil es

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auf unseren Eisenbahnen keine vierte Klasse gibt." Hätte es eine vierte Klasse gegeben, wäre Gandhi in dieser Klasse gereist und hätte gesagt: „Ich reise in der vierten, weil es im Zug keine fünfte Klasse gibt." Nun, Gandhi wäre nicht eher zufrieden gewesen, als bis er im Zug der Hölle gesessen hätte. Wir sagen, daß Gandhi ein Mahatma, eine große Seele, ein Heiliger war, weil er sich mit der dritten Klasse begnügte.

Weil wir alle, arm wie wir sind, in der dritten Klasse fahren, halten wir Gandhi für den wirklichen Mahatma. In Wirklichkeit stinkt es uns, in der dritten Klasse zu reisen. Wir würden gern erste Klasse fahren, wenn wir es uns leisten könnten. Aber das ist nicht möglich, also müssen wir der dritten Klasse Respekta- bilität verleihen, indem wir jemanden ehren, der darin reist. Jetzt ist die dritte Klasse begehrenswert. Sie wird Gegenstand unserer Achtung. Sie wird wichtig gemacht - und das befriedigt unser Ego.

Diese verlogene und sinnlose Befriedigung des Egos hat das Land ruiniert. Es wird Zeit, daß das aufhört. Wir brauchen Wohlstand. Wohlstand ist nicht alles,

• aber ganz gewiß etwas. Selbstverwirklichung ist nicht durch Wohlstand möglich, aber es ist ebenso wahr, daß ohne Wohlstand die Selbstverwirklichung schwieriger zu erreichen ist. Es liegt zumindest ein großer Wert im Wohlstand: Er hilft uns, unseren Körper zu vergessen, unsere körperlichen Bedürfnisse. Brot erfüllt zumin- • dest einen großen Zweck: Wir werden unsere körperli-

chen Sorgen los. Im Hunger ist es schwierig, den Kör- per zu vergessen. Wenn ich Kopfschmerzen habe, kann ich meinen Kopf nicht vergessen, aber wenn das Kopf- weh weg ist, vergeß ich ihn völlig. Wenn ich einen Dorn im Fuß habe, konzentriert sich mein ganzes Bewußt- sein darauf und kreist um den schmerzenden Fuß. Ist der Dorn draußen, verläßt das Bewußtsein den Fuß, es wird frei, sorglos. Wo ein Mangel ist, da ist eine Wunde. Sie schmerzt und verfolgt uns. Der arme Mann lebt in seinem Körper, er lebt auf der Ebene des Kör- pers. Er kann nicht über ihn hinausdenken. Der reiche

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Mann hat einen Vorteil: Er kann seinen Körper verges- sen.

Das ist der Grund, warum ich das Gefühl habe, daß die ganze Welt wohlhabend und reich gemacht werden sollte, damit jeder einzelne sich über seinen Körper erheben kann. Und an dem Tag, an dem wir unseren • Körper vergessen, fangen wir an, uns um unsere Seele zu kümmern. Wenn die Bedürfnisse des Körpers erfüllt sind, dann kommt die Frage auf: „Was jetzt? Was als nächstes suchen?" Die Suche nach Religion und Gott beginnt erst, nachdem alle körperlichen Bedürfnisse des Menschen befriedigt worden sind. Sie ist der letzte Luxus. Wenn du all die guten Dinge dieser Welt • besitzt, beginnt die letzte Reise.

Wir müssen also jetzt unsere gesamten alten Priori- täten ändern; sie waren illusorisch und verkehrt und beruhten auf falschen Vorstellungen.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt zu bedenken. Daß wir die Armut akzeptieren, hat noch einen anderen Grund: Wir in Indien glauben, daß ein Mensch wegen seiner vergangenen Sünden, der Sünden vergangener Leben, arm ist. Dies war ebenfalls ein Trostmittel. Wir haben gesagt, daß die Reichen reich sind, weil sie in ihren vergangenen Leben Verdienste gesam- melt hätten, und daß die Armen arm wären, weil sie einst so viele Sünden begangen hätten. Diese fatalistische Denkweise hat uns ebenfalls Trost gespendet. Und sie machte Armut und Elend erträglich. Aber sie machte es ebenfalls unmöglich, der Armut ein Ende zu setzen.

Armut ist nicht das Ergebnis irgendwelcher Fehler, die wir in unseren vergangenen Leben gemacht haben, sondern ist das Ergebnis der Fehler, die wir im gegen- wärtigen Leben gemacht haben. Wenn das, was wir in diesem Leben tun, nicht zu Reichtum führt, dann ist Armut unvermeidlich.

Und zweitens ist Armut nicht nur das Ergebnis unse- rer individuellen Lebensweise, sondern ist ebenfalls die geballte Auswirkung unseres Gruppen- oder Kollektiv- lebens und dessen innerer Organisation.

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Wenn wir zwei Dinge verstehen, den Trugschluß vergangener Karmas und den individueller Lebens- weise, dann können wir unsere jahrhundertealte Armut loswerden.

Solange wir noch glaubten, daß die Lebensspanne eines Menschen durch das Schicksal bestimmt war, konnten wir unser Leben nicht verlängern. Aber unsere Lebensspanne nahm beträchtlich zu, als unser Schicksalsglaube abnahm.

In Tibet gab es eine seltsame Sitte. Wenn ein Kind geboren wurde, wurde es in eiskaltes Wasser getaucht, und dann wieder herausgenommen. Dieses Ritual wurde mehrmals wiederholt, und als Folge davon star- ben sieben von zehn Kindern - nur drei überlebten. Das tibetische Volk glaubte, daß sieben von zehn Kin- dern deshalb starben, weil sie zum Sterben bestimmt waren, und daß die restlichen drei deshalb überlebten, weil sie zum Leben bestimmt waren. Und sie hielten dies Ritual nur für eine Methode, das Schicksal der Kinder zu prüfen. Diese Sitte währte über Jahrhun- derte, und als Ergebnis verloren Millionen von Kin- dern ihr Leben.

Es ist falsch, aus der Geschichte dieser tibetischen Sitte zu schließen, daß die Millionen Kinder, wäre ihnen diese Tortur erspart geblieben, sowieso bald gestorben wären, weil sie vom Schicksal dazu bestimmt waren. Ihr Tod beweist lediglich ihre geringe Wider- standskraft. Aber die Widerstandskraft hätte verbes- sert werden können. Doch die Tibeter zogen es vor, sie zu töten.

Unsere Lebensdauer nahm zu, als wir erkannten, daß Langlebigkeit nicht vom Schicksal bestimmt wurde. Heute leben wir sehr viel länger.

Ganz ähnlich glaubten wir früher, daß Krankheiten durch die Gesetze des Karmas verursacht wurden, und so taten wir nichts, um Krankheiten zu bekämpfen oder auszurotten. Als wir jedoch diesen Glauben fallen lies- sen, veränderte sich die Situation radikal. Heute sind alle möglichen Krankheiten verschwunden, und es

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wird eine Zeit kommen, wo sie endgültig verschwinden werden.

Wir sind arm, weil wir uns dafür entschieden haben. Und die Armut kann nur dann enden, wenn wir sie mit unserem ganzen Herzen und Verstand ablehnen. Und wenn das ganze Land diesen Entschluß faßt und der Armut Adieu sagt, wird es keinerlei Schwierigkeiten geben. Aber erst muß der Wille da sein, die Armut zu beenden - enden wird sie dann unweigerlich von selbst.

Heute werden dem Armen neue Dummheiten ein- getrichtert, ein neuer Aberglaube ersetzt den alten. Ihm wird pausenlos vorgeredet, daß er arm ist, weil er vom Reichen ausgebeutet wird, und daß zunächst der Ausbeuter beseitigt werden muß, um die Armut zu beseitigen. Dies ist ein absolut sinnloses Argument. Die Beseitigung des sogenannten Ausbeuters wird nie und nimmer die Armut abschaffen.

Ein anderer Freund hat gefragt: Du irrst, wenn du sagst, der Arme wird nicht ausge-

beutet. Warum bekommt er vom Arbeitgeber nur zwei Rupien für eine Arbeit, die zehn wert ist?

Ich frage diesen Freund, was passieren wird, wenn dieser Arme sich weigert, für zwei Rupien zu arbeiten. Und dann laß ihn versuchen, seine zehn Rupien-Arbeit für zehn und nicht weniger zu verkaufen. Wo wird er diesen Betrag bekommen? Vielleicht kann er nicht ein- mal zwei Paisa verdienen, wenn er sich weigert, für zwei Rupien zu arbeiten. Und wie hast du den Wert sei- ner Arbeit auf zehn Rupien festgesetzt? Weiß du, wie Löhne, der Preis der Arbeit, festgelegt werden?

Marx predigte eine merkwürdige Theorie. Dem Arbeiter werde sehr viel weniger gezahlt, als seine Arbeit in Wahrheit wert sei. Aber die Frage ist, ob der Arbeiter, der sich weigert, für zwei Rupien zu arbeiten, irgendwo anders für mehr angestellt wird. Es ist wahr, daß man sich um höhere Lohntarife als die gegenwärti- gen bemühen sollte und ebenfalls um eine höhere Pro- duktion. Aber wenn wir in Kategorien wie Ausgebeu-

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tete und Ausbeuter denken, richten wir nur eine Mauer der Feindschaft zwischen den Armen und den Reichen auf, und das Land wird leiden. Es wird nie- mals zu Wohlstand gelangen, wenn die Institution der Produktion in eine Institution des Konflikts, des Klassenkampfes und der Feindseligkeit verwandelt wird.

Nein, es muß eine Institution der Freundschaft und Kooperation sein. Arbeiter und Arbeitgeber müssen verständnisvoll und kooperativ miteinander arbeiten. Der Arbeiter muß wissen, daß es sich nicht um Ausbeu- tung handelt, sondern um die Vermehrung der Produk- tion und der Produktionskraft, und der Arbeitgeber muß wissen, daß es sich nicht nur darum handelt, Profit zu machen, sondern darum, Profite in weitere Produk- tion zu investieren. Und sobald dieses beiderseitige Verständnis einsetzt, wird das Land unweigerlich zu Wohlstand gelangen.

• Wenn dagegen akzeptiert wird, was die Sozialisten sagen, wird das Land an die Wand gedrängt, weil wir in 20 Jahren ärmer sein werden, als wir es jetzt schon sind. Die Sozialisten machen sich keine Gedanken über die Frage der Produktion. Ihre einzige Sorge ist die Vertei- lung des Reichtums. Und das ist etwas, was dem Armen einleuchtet - daß er umsonst am Wohlstand des Reichen teilhaben wird. Er ist arm, weil ihm der Wille fehlt zu arbeiten, kreativ zu sein, zu produzieren. Was könnte er sich also Besseres wünschen, als daß ihm der Reichtum umsonst in den Schoß fällt? Und er schließt sich dem Chor an: „Stoppt die Arbeit und marschiert!

• Wir fordern die Verteilung des Reichtums!" Wenn dieser wahnsinnige Wunsch sich wirklich in

den Armen des Landes festsetzt, bedeutet das, daß Indien sich endgültig dazu entschlossen hat, ewig arm zu bleiben. Dann wäre es einfach unmöglich, die Armut loszuwerden.

Und nun der letzte Punkt... Es bleiben noch eine Reihe von Fragen unbeantwortet; ich werde sie mor- gen beantworten. Ein Freund möchte wissen, ob ich

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von den Kapitalisten dafür bezahlt werde, daß ich sie unterstütze?

Keine Zahlungen bisher, aber wenn du etwas davon hörst, laß es mich wissen. Es ist merkwürdig, unser gan- zes Denkmuster läuft so ab. Wenn ich zu Gunsten des Sozialismus spreche, bekomme ich Briefe, daß ich ein Agent Maos sei und von China bezahlt werde. Und wenn ich den Sozialismus kritisiere, sagen sie, daß ich im Sold Amerikas stehe und ein Agent des amerikani- schen Kapitals bin.

Ist es ein Verbrechen zu denken? Denken nur Agen- ten und niemand sonst? Ich frage mich, ob der Frage- steller etwa selbst in irgendeinem Agentendienst steht. Wenn nicht, warum dann die Frage?

Wir können uns nicht vorstellen, daß jemand unab- hängig denken kann. Wir sagen, er muß ein Agent sein. Das bedeutet, daß der Mensch keine eigene Seele hat und er nicht selbständig denken kann.

Ein anderer Freund sagt, daß ich Verwirrung stifte, weil ich manchmal den Sozialismus unterstütze und dann wieder gegen ihn spreche.

In Wirklichkeit liegt unser Problem woanders. Wir behandeln Sozialismus und Kapitalismus als einander entgegengesetzt. Das ist eine sehr falsche Einschät- zung. Der Sozialismus ist nichts anderes als die entwik- kelte Phase des Kapitalismus; sie sind keine Gegen- sätze. Wenn ich also für den Sozialismus spreche, dann spreche ich vom Ende, vom Ziel. Und wenn ich den Kapitalismus unterstütze, spreche ich von den Mitteln, vom Prozeß. Da ist nicht der geringste Widerspruch. Aber weil wir die Angewohnheit haben, in Kategorien des Widerspruchs zu denken, können wir gar nicht anders denken als so. Wir sind darin geschult, in Kate- gorien des Konflikts zu denken, nicht der Kooperation. Der politische Führer kennt nur die Sprache des Kon- flikts. Aber ich bin kein Führer. Mir scheint der Sozialis- mus das Ziel zu sein - und der Kapitalismus das Mittel. Und das ist der Grund, warum ich für den Sozialismus

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bin und warum ich nicht gegen den Kapitalismus bin. Das muß sehr klar verstanden werden.

Jede Menge von Freunden haben mir geschrieben, daß ich Dinge sage, die sehr widersprüchlich sind, daß ich manchmal das eine sage und ein andermal das genaue Gegenteil davon. Dieser Vorwurf ist wiederum falsch.

Gestern warst du jung und heute bist du ein alter Mann. Und wenn dir jemand sagt, daß du sehr wider- sprüchlich bist - einst warst du Kind und danach ein junger Mann und jetzt bist du alt - was würdest du ihm sagen? Du wirst sagen, daß es kein Widerspruch ist, sondern Wachstum. Kindheit führt zu Jugend und Jugend wiederum führt zu Alter. Genauso wird der Kapitalismus zum Sozialismus führen, der Sozialismus zum Kommunismus und der Kommunismus zum Anar- chismus. An dem Tage, an dem der Kommunismus richtig eingeführt worden ist, braucht es keinen Staat mehr zu geben. Aber so sind die allmählichen Prozesse gesellschaftlichen Wachstums; sie sind überhaupt nicht widersprüchlich.

Ich widerspreche mir nicht. Alles, was ich sage, ist relevant, und darum sage ich es. In meinen Augen wird der Sozialismus nicht durch die kommen, die von ihm reden - die Demagogen. Aller Voraussicht nach wer- den sie ihn verhindern, ihn unmöglich machen. Es mag ihnen gelingen, die kapitalistische Entwicklung zu unterminieren und zu sabotieren, und als Konsequenz davon den Sozialismus aus Indien fernzuhalten. Aber niemand kann sich vorstellen, daß die Tatas und Birlas den Sozialismus in diesem Land einführen werden. Ich sage euch: Tatas und Birlas tun genau das. Was ich sage ist, nur wenn der Reichtum, den sie im Augenblick pro- duzieren, massiv wird und überfließt, muß er zwangs- läufig im Sozialismus gipfeln; anders führt kein Weg dorthin. Es ist unausweichlich. Und dann wird der Sozialismus eine sehr natürliche Konsequenz des Kapi- talismus sein.

Aber Karl Marx dachte in Begriffen von These und

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Antithese. Er dachte in Begriffen von Konflikt und Kampf und von Revolution des Proletariats. Und seine Anhänger sind durch seine Lehren konditioniert. Marx hatte keinen Begriff von Evolution. Das ist die Grundschwäche seiner Philosophie. Aber Evolution ist das fundamentale Gesetz des Lebens und dessen Grundfunktion. Und Revolution wird nur dann nötig, wenn der evolutionäre Prozeß blockiert wird. Revolu- tion darf nicht dort einschreiten, wo die Evolution noch gar nicht stattgefunden hat. Wie ich gestern sagte, wäre es verkehrt, eine Geburt schon viel frü- her zu erzwingen, als bis das Kind seine neun Monate im Mutterleib vollendet hat. Das wäre gefährlich. Das Kind wird sterben; selbst die Mutter mag ster- ben. Und wenn das Kind überlebt, wäre es praktisch tot.

Es ist aber ebenso möglich, daß selbst nach Ende der Schwangerschaft die Geburt ausbleibt und daß ein Kai- serschnitt unvermeidlich wird. Genauso würde eine Revolution notwendig, wenn der evolutionäre Prozeß behindert wird. Revolution ist angesagt, um das Hin- dernis zu beseitigen. Wenn Amerika in fünfzig Jahren noch nicht sozialistisch wird, kann dort eine Revolution notwendig werden. Aber sie war nicht notwendig für Rußland und China. Und sie ist auch in Indien noch nicht fällig. Es ist ein Unglück, daß die Revolutionen dort stattfinden, wo sie überhaupt nicht gebraucht wer- den.

Lenin hatte vorhergesagt, daß der Weg des Kommu- nismus nach London über Moskau, Peking und Kal- kutta führt. Dies ist eine gefährliche Prophezeiung, die wahr zu werden scheint. Schon gibt es eine gepflasterte Straße zwischen Moskau und Peking, und zwischen Peking und Kalkutta sind schon Trampelpfade sicht- bar. Niemand kann sagen, ob Lenins Vorhersage Wirk- lichkeit werden wird. Sollte sie wahr werden, wäre es eine einzige Katastrophe für Asien und die Welt. Noch ist Zeit, die Trampelpfade zu beseitigen, denn sie stek- ken noch in den Anfängen. Aber wie kann das gesche-

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hen, wenn es an einer klaren Vision und einem Ziel fehlt?

Die Ironie ist, daß, während der Sozialismus eine Bewegung und Philosophie hat, der Kapitalismus keine hat. Der Kapitalismus hat keine eigene Philosophie. Darum fehlt ihm der Mut, eine klare Stellung zu bezie- hen; er ist immer in der Defensive. Und wenn er nicht seine Haltung ändert, sein Haupt erhebt, wird er ster- ben. Daß er sich verteidigt, heißt, daß er die Niederlage schon akzeptiert hat. Kein Mensch, kein System darf in der Defensive sein, wenn er oder es gewinnen will. Aber genau diesen Fehler begeht der Kapitalismus. Der Kapitalismus sagt: „Es macht nichts, wenn Kal- kutta verloren ist. Dann werden wir uns eben um Bom- bay kümmern." Und wenn morgen Bombay verloren ist, kümmern sie sich um Delhi. Das ist der sichere Weg des Rückzugs und der endgültigen Niederlage.

Nein, das wird nicht genügen. Wenn eine Bewegung auf Neid, Haß und Gewalt aufbaut, sammelt sie viel Zündstoff und breitet sich aus wie ein Waldbrand. Eine große Kraft des Denkens, der Ideologie und Philoso- phie ist nötig, um ihr entgegenzuwirken und sie zu schlagen. Und ich sage, es ist möglich, diese Kraft auf- zubauen. So wie ich es sehe, stirbt der Kapitalismus am Mangel jeglicher Argumente, jeglicher Philosophie.Er ist unfähig, überzeugend für sich zu argumentieren, und er hat Angst, vor das Gericht hinzutreten, weil er keine Beweise zu seinen Gunsten vorbringen kann. Nur eine einzige Partei ist bei Gericht vorstellig und hat leichtes Spiel mit einem einseitigen Urteil.

Der Kapitalismus muß seinen Fall, seine Philosophie vortragen. Er muß klipp und klar sagen: „Wir gehören zum Sozialismus, sind Teil seiner Entwicklung." Der Sozialismus ist nicht die erste, sondern die letzte Stufe des Kapitalismus. Wenn der Kapitalismus überzeu- gend für sich eintritt, werden wir den Kommunismus nicht nur aus Kalkutta und Peking, sondern selbst auch aus Moskau vertreiben. Das ist nicht so schwierig.

In Rußland herrscht im Augenblick große Unruhe.

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Es siedet vor Unzufriedenheit, Stress und Belastung. Die Jugend gärt, aber sie ist nicht in der Lage zu rebel- lieren. Ihnen fehlt der Hebel - die unentbehrliche Ideo- logie. Diese Ideologie, diese Rebellion muß auch Ruß- land erreichen. Amerika leidet unter dem gleichen Mangel - es hat keine zupackende Ideologie. Amerika befindet sich ebenfalls in der Defensive, und das ist der Grund, warum es in Schwierigkeiten steckt. Aber ich glaube, daß der Sozialismus nicht über Moskau, Peking und Kalkutta nach London kommt. Sollte sich der Sozialismus je in der Welt verbreiten, wird sein Haupt- quartier Washington sein. Der Sozialismus führt über Washington. Einen anderen Weg kann es nicht geben.

Und wenn sich der Sozialismus von Washington aus über die ganze Welt verbreitet, wird er natürlich, gesund und glücklich sein.

Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, gebt sie mir bitte schriftlich, und wir werden sie gemeinsam bespre- chen.

Ich bin euch dankbar, daß ihr mir mit soviel Liebe und Aufmerksamkeit zugehört habt. Ich grüße den Gott, der in jedem von Euch wohnt. Bitte nehmt mei- nen Gruß entgegen.

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Es führt kein Weg zurück in die Vergangenheit

Ein Freund hat eine Frage, und es gibt noch ein paar andere Fragen zum gleichen Punkt. Der Freund hat gefragt:

Wie kommt es, daß du den Kapitalismus unterstützt, der auf Selbstsucht basiert?

Ein paar Dinge müssen in diesem Zusammenhang verstanden werden. Erstens: Man hat uns über die Jahrhunderte viel Falsches beigebracht, und dazu gehört, daß es verkehrt ist, für uns selbst zu leben. In Wirklichkeit wurde der Mensch dazu geboren, für sich selbst zu leben. Aber ihm wird beigebracht, für andere und nicht für sich selbst zu leben. Der Vater sollte für seinen Sohn leben, und der Sohn wiederum sollte für seinen eigenen Sohn leben. Dies bedeutet, daß weder der Vater noch der Sohn wirklich leben können. Es heißt: lebe für die Gesellschaft, lebe für die Nation, lebe für die Menschheit, lebe für Gott, lebe für die Erlösung, aber bitte, begehe nie den Fehler und lebe für dich selbst. Dies Ding ist so pausenlos gepredigt worden, daß es tief in unser Bewußtsein eingesunken ist und wir tat- sächlich glauben, daß es Sünde ist, für was selbst zu

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leben. Aber die Wahrheit ist, daß wenn ein Mensch leben soll, er nur für sich selbst leben kann und für nie- mand anderen sonst. Und wenn es vorkommt, daß jemand für andere lebt, ist das nur die Konsequenz davon, daß er sehr tief für sich selbst gelebt hat; es ist nur der Duft davon.

Kein Mensch auf der Welt kann für den anderen leben; es ist einfach unmöglich. Eine Mutter lebt nicht für ihren Sohn; sie lebt für die Freude, eine Mutter zu sein. Und wenn sie für ihren Sohn stirbt, ist es wirklich ihre eigene Freude. Der Sohn ist ein Vorwand. Wenn du siehst, wie ein Mensch ertrinkt, und du in den Fluß springst, um ihn zu retten, magst du zu anderen sagen, daß du dein Leben riskiert hast, um das Leben eines anderen zu retten, aber es wäre eine falsche Behaup- tung deinerseits. Die Wahrheit ist, daß du nicht ertra- gen konntest, diesen Menschen sterben zu sehen. Und das war dein eigener Schmerz; und um dich von diesem Schmerz zu befreien, bist du in den Fluß gesprungen und hast ihn gerettet. Du hattest in Wirklichkeit nichts mit dem anderen zu tun. Hättest Du ihn gerettet, wenn du nicht diesen Schmerz empfunden hättest? Es stan- den auch noch viele andere am Flußufer, sie spürten keinen Schmerz, und sie haben keinen Finger gerührt. Immer wenn ein Mensch einen anderen vor dem Ertrinken rettet, tut er es in Wirklichkeit, um sich vor dem Schmerz zu retten, weil er nicht mit ansehen konnte, den anderen sterben zu sehen. Tief drinnen rettet er sich vor Schmerz und Trauer.

Ein Mensch dient den Armen, weil er nicht ertragen kann, sie leiden zu sehen, also darf er nicht sagen, daß er den Armen dient. Die Armut eines anderen Men- schen wird zu seinem eigenen Kummer, und er tut etwas, um ihn zu erleichtern. Er kann einfach mit die- sem Kummer nicht leben, und so dient er den Armen. Bis jetzt hat noch kein Mensch für einen anderen Men- schen gelebt; jeder Mensch lebt um seiner selbst willen.

Aber man kann auf zweierlei Weise um seiner selbst willen leben. Du kannst so leben, daß du anderen scha-

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dest; du kannst so leben, daß du andere verletzt und tötest. Und du kannst so leben, daß auch anderen geholfen ist zu leben und zu wachsen. Aber das Gerede vom Altruismus, vom Dienst am anderen, ist gefähr- lich. Wenn wir jemanden bitten, für andere zu leben, fordern wir ihn in Wirklichkeit auf, ein Leben zu leben, das unnatürlich und ungesund ist.

Ich habe gehört, daß ein Vater seinem Sohn einmal den Zweck des Lebens erklärte. Oft haben sich solche Lehren als gefährlich erwiesen. Er sagte zu seinem Sohn: „Gott hat dich zum Dienst am anderen erschaf- fen." Der Sohn, wäre er gewesen wie die Söhne aus alten Zeiten, hätte sich nun angeschickt, anderen zu dienen, wie sein Vater verlangte - aber er gehörte zum New Age und sagte: „Wenn ich recht verstanden habe, hat Gott mich dazu erschaffen, anderen zu dienen. Aber warum, glaubst du, hat er die anderen gemacht? Nur um sich von mir bedienen zu lassen? Dann war Gott zu mir ungerecht. Und wenn er mich gemacht hat, um anderen zu dienen, und die anderen, um mir zu die- nen, dann scheint Gott ziemlich konfus zu sein. Statt die Sache so kompliziert zu machen, hätte er eine ganz einfache Regel festlegen können: ,Jeder soll um seiner selbst willen leben.'"

Und vergeßt nicht, wenn jemand anderen dient, tut er es immer mit einem Motiv. Der Dienst am anderen ist ein Köder, mit dem er andere beherrscht. In Wirk- lichkeit fängt er mit Dienen an und hört mit Herrschaft auf. Hüte dich vor jedem, der behauptet, dir zu dienen! Er wird mit Sicherheit den Preis fordern. Er wird sagen: „Ich habe dir gedient. Ich habe alles für dich geopfert." Eine Mutter, die ihrem Kind erzählt, daß sie ihm alles geopfert hat, wird das Kind verkrüppeln, ja zugrunde richten. Und ein Vater, der das zu seinem Sohn sagt, wird ihn sein ganzes Leben lang besitzen und beherrschen. Es ist ganz natürlich. Es ist natürlich, daß er den Preis seiner Dienste verlangen wird.

Ich sage, daß eine Mutter keine Mutter ist, die ihrem Kind erzählt, sie hätte seinetwegen gelitten und sich

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geopfert. Sie mag seine Kinderfrau gewesen sein, aber nicht seine Mutter. Tatsächlich weiß sie gar nicht, was Mutterschaft ist. Sich um das Kind zu kümmern, ist die Freude der Mutterschaft. Es ist ein Lohn in sich. Es hat nichts mit dem Kind zu tun. Hätte sie kein Kind gehabt, hätte sie sich für den Rest ihres Lebens die Augen aus- geweint; sie hätte ihr Leben vertan.

Es ist die Natur des Menschen, sein angeborenes Wesen, für sich selbst zu leben. Aber diese einfache und saubere Wahrheit konnte nicht akzeptiert werden - wir haben sie verdammt; wir nannten sie Selbstsucht. Aber Selbstsucht ist natürlich und darum richtig; sie ist nicht unnatürlich. Sie ist erst dann unnatürlich, wenn ich auf Kosten anderer lebe, wenn ich andere um mei- netwillen verletze. Eine Gesellschaft darf also nicht so organisiert sein, daß wir von jedem verlangen, für die Gesellschaft zu leben, sich für die Gesellschaft aufzu- opfern; sie sollte so organisiert sein, daß sie jedem Mit- glied erlaubt, um seiner selbst willen zu leben. Und das Gesetz oder der Staat sollte nur dann einschreiten, wenn einer die Interessen anderer verletzt.

Aber die sogenannte sozialistische oder kommuni- stische Ideologie glaubt, daß der einzelne auf dem Altar des Kollektivs, der Gesellschaft, aufgeopfert werden müsse. Für sie ist die Gesellschaft der End- zweck, und der einzelne Mensch muß für die Gesell- schaft leben. Wann immer solche Ziele gesetzt werden, wird der einzelne entwaffnet, wird er hilflos. Er sagt: „Was kann ich tun? Die Gesellschaft ist so groß, daß ich mich ihr unterwerfen, ihr opfern muß." Diese Denk- weise hatte die ganze Menschheitsgeschichte hindurch ein unvorstellbares Blutvergießen und Morden zur Folge. Der eine stirbt für den Islam und der andere tötet für den Islam. Sie sagen: „Wenn du für den Islam stirbst, ist dir der Himmel sicher. Lebe nicht für dich selbst, lebe für den Islam." Ein anderer sagt, daß du für den Hinduismus leben mußt und nicht für dich selbst. Du mußt für den Tempel leben, für den Götzen im Tempel - du mußt um der Götzen willen sterben. Wie-

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der ein anderer sagt, daß du für das Wohl Indiens leben sollst oder für das Wohl Pakistans oder Chinas oder für das Wohl des Sozialismus.

Aber niemand sagt, daß jeder für sich selbst leben sollte, was so natürlich und einfach ist. Wir lassen uns natürliche und einfache Wahrheiten entgleiten; wir vergessen sie völlig. Die Wahrheit ist, daß jeder Mensch nur für sich selbst leben kann. Und wenn wir ihn zwingen, anders zu handeln, wird er zum Heuchler. Das ist der Grund, warum Leute, die sich auf den Dienst an anderen einlassen, zwangsläufig, unvermeid- lich zu Heuchlern werden. Denn obwohl sie für sich selbst leben, müssen sie so tun, als ob sie für andere leben würden. So führen sie ein Doppelleben; innerlich sind sie das eine und äußerlich ganz etwas anderes. Das ist unvermeidlich.

Der Politiker behauptet, für das Vaterland zu ster- ben, und in Wirklichkeit stirbt er für seinen Sessel, für seine Position. Der Sessel ist für ihn gleichbedeutend mit der Nation geworden. Wenn sein Sessel draufgeht, ist ihm das Vaterland völlig egal. Von ihm aus kann es zur Hölle fahren. Ähnlich verkündet der Priester, daß er für Gott und die Religion stirbt, während er in Wirk- lichkeit für seine Position in der Kirche stirbt. Er stirbt für sein Ego.

Aber wir sind nicht bereit, diese einfache Wahrheit zu akzeptieren. Und das ist der Grund, warum sich Heuchelei in unser Leben einschleicht und es zersetzt. Und aufgrund von Heuchelei und ihren tausend Kra- kenarmen gerät das Leben in falsche Bahnen und wird höllisch.

Ich sage euch, selbstsüchtig zu sein, heißt gesund zu sein. Es ist nichts Sündhaftes daran. In meiner Sicht sind Menschen wie Mahavir, Buddha und Christus die selbstsüchtigsten Menschen auf dieser Erde. Warum? - Weil sie einzig und allein sich selbst lebten, sich selbst suchten, ihre Seele, ihre Seligkeit, ihre Freiheit, ihren Gott. Und merkwürdig genug: gerade sie sind die altru- istischsten Menschen, die diesen Planeten je betreten

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haben. Und der Grund ist, daß wenn ein Mensch sich selbst entdeckt und seine Erleuchtung und Seligkeit findet, er augenblicklich beginnt, sie mit anderen zu teilen. Er ist jetzt auf einer neuen Reise - auf dieser Reise teilt er seine Freude und seinen Segen aus. Was sonst kann er tun? Wenn Wolken voll sind, regnen sie; wenn die Seligkeit voll ist, fließt sie über, teilt sie sich anderen aus.

Und auch das ist Selbstsucht. Und genauso ist es mit Unglück. Wenn jemand vol-

ler Unglück ist, teilt er es aus, indem er andere ver- letzt. Das sind die märtyrerhaften Leute, von denen es überall wimmelt, in Form von Eltern, Lehrern, Politikern, Heiligen, Gurus und Mahatmas. Sie ver- suchen, für andere zu leben und sie sind sehr gefährli- che Leute. Angefangen damit, daß sie selbst nicht wachsen und blühen, bleiben sie unentfaltet und sind zunehmend unglücklich. Und je unglücklicher sie sind, desto mehr dienen sie euch. Und dann fordern sie ihren Lohn, den Preis für ihre Dienste. Indem sie euch also dienen, beherrschen sie euch, erdrosseln sie euch. Das ist der Preis, den ihr für ihre Dienste zahlt.

Die Leute, die diesem Land bis 1947 dienten, gehen jetzt herum und sammeln ihren Lohn ein. Sie haben in Gefängnissen gesessen und jetzt fordern sie als Preis den Präsidentenstuhl im Land. Keiner sagt ihnen, daß es ihr eigenes Vergnügen war, wenn sie unbedingt poli- tische Gefangene sein wollten, und daß sie es genossen haben. Niemand hatte ihnen die Präsidentschaft als Lohn versprochen, wenn sie ins Gefängnis gingen. Sie kämpften für die Freiheit des Landes, das war ihre eigene Wahl. Niemand hatte sie dazu gezwungen. Aber jetzt möchten sie uns dafür beherrschen, uns auf immer und ewig regieren. Sie sagen, daß wir sie für ihre Dien- ste ehren sollen, und daß wir es ihnen zurückzahlen müssen.

Jeder Diener verlangt seinen Preis. Und niemand weiß, wann ein Diener zum Boß wird. Der Diener ist

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immer schon auf dem Weg, ein Boß zu werden. Dienen ist nur ein Mittel zu diesem Zweck.

Nur der allein dient wahrhaft anderen, der uneinge- schränkt selbstsüchtig ist. Und selbstsüchtig zu sein heißt, daß jemand sein eigenes höchstes Gut sucht, sei- nen eigenen Segen. Und am gleichen Tag, wo er ihn fin- det, erfaßt der Duft, die Freude davon unwiderstehlich auch andere. Man ist erfüllt, fließt über von Seligkeit und kann gar nicht anders als sie teilen. Aber dann weiß dieser Mensch, daß alles, was er tut, wieder zu seiner eigenen Freude geschieht. Er erwartet nicht einmal ein Dankeschön zurück.

Buddha besuchte ein Dorf. Die Leute im Dorf sag- ten: „Wir danken dir, daß du zu uns gekommen bist und deine Weisheit mit uns teilst. Aus Mitgefühl um unseretwillen bist du so weit gereist." Buddha sagte: „Bitte sagt das nicht. In Wirklichkeit bin ich euch dank- bar, daß ihr so freundlich hergekommen seid, um mir zuzuhören. Ich bin erfüllt, ich fließe über vor Seligkeit, und ich möchte es gern mit euch teilen. Wärt ihr nicht gekommen, hätte ich euch von Haus zu Haus besucht. Ich bin wie eine Regenwolke auf der Suche nach ausge- trocknetem Land, wo sie sich ausregnen kann; ich bin wie ein Fluß auf der Suche nach dem Meer, um sich zu ergießen; ich bin wie die Blume in voller Blüte, die ihren Duft in alle Winde verströmt. Ich bin euch dank- bar, daß ihr zu mir gekommen seid, so daß ich mich euch ausschenken kann."

Die, die wissen, wissen sehr wohl, daß Dienst an anderen ebenfalls ein Akt tiefer, unergründlicher Selbstsucht ist. Dienst ist nichts als die Freude des Die- nenden, und diese Freude ist nur dann möglich, wenn wir die Selbstsucht akzeptieren, statt sie zu verdammen. Das kapitalistische System ist das natürlichste System, in dem niemand aufgefordert wird, sich für andere aufzuopfern. Jeder lebt für sich selbst, auf der Suche nach dem Leben. Und durch diese Suche wird er ganz gewiß auch für andere leben, weil niemand allein und für sich leben kann. Leben heißt, in Beziehung zu

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sein. Leben ist Beziehung. Wenn wir alle unser Glück und unsere Seligkeit suchen, wenn tausend Leute, die hier sitzen, ihr Glück finden, dann haben wir ein tau- sendfaches Glück. Und wir werden es austeilen müs- sen; es wird sich immer weiter ausbreiten. Es gibt kei- nen anderen Weg. Wenn dagegen jeder von uns für andere lebt, wenn jeder dazu gezwungen wird, sich für andere aufzuopfern, dann stehen wir alle am Ende nur noch mit lauter Häuflein Unglück da; es wird kein Körnchen Glück da sein, es anderen zu schenken.

Zu dem Freund, der sagt, daß die Welt aufgrund von Selbstsucht so sehr im Argen liegt, möchte ich sagen, daß er irrt, wenn er das glaubt. Daß es so schlimm um die Welt bestellt ist, liegt nicht an der Selbstsucht, son- dern an der unnatürlichen und unwissenschaftlichen Lehre des Altruismus, der Nächstenliebe. Es ist genug, wenn du dein eigenes Glück findest. Denn das ist natür- lich und leicht. Wenn du das in einer Lebensspanne schaffst, wenn es dir gelingt, zwischen Geburt und Tod dein eigenes Glück zu finden, wird die Welt dir dank- bar sein. Denn der Mensch, der sein Glück findet, hört auf, anderen wehzutun, anderen Unglück zu bereiten. Warum?

Der Mensch, der weiß, daß er glücklich sein möchte, weiß auch, daß es unmöglich ist, dadurch glücklich zu sein, daß er anderen wehtut. Und der Mensch, der sein eigenes Glück verliert, wenn er anderen wehtut, weiß ebenfalls, daß sich sein eigenes Glück vervielfacht, wenn er andere glücklich macht. Das ist die einfache Mathematik des Lebens. Und am selben Tag, an dem ein Mensch diese Wahrheit sieht, passiert in seinem Leben eine Revolution. Er wird transformiert.

Aber die Religionen der ganzen Welt lehren Ver- zicht. Sie fordern euch auf zu verzichten, zu opfern und nicht selbstsüchtig zu sein. Das Sanskritwort für Selbst- sucht ist Swartha, und es ist sehr schön. Swartha bedeu- tet: „Was für das Selbst sinnvoll ist", Swa bedeutet das Selbst, die Seele, und artha bedeutet Sinn.

Wieso muß das, was in meinem Interesse ist, not-

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wendig gegen dein Interesse verstoßen? Wenn du immer tiefer gehst, wirst du sehen, daß das, was gut für dich ist, nicht gegen das sein kann, was gut für andere ist. Denn tief drinnen, auf der Ebene des Seins, sind wir alle verbunden und eins. Es ist unmöglich, daß das, was gut für mich ist, grundsätzlich schlecht für dich sein sollte. Und die Umkehrung stimmt ebenfalls - was für dich schädlich ist, ist es auch für mich.

Ich besuchte einmal einen Berg, der einen Echo- punkt hatte. Egal welchen Ton man dort macht, der ganze Berg hallt davon wieder. Einer der Freunde, mit denen ich dort war, konnte verschiedene Tierstimmen nachmachen. Er bellte wie ein Hund, und schon hallte der ganze Berg vom Bellen eines Hundes wider. Und es schien, daß tausend Hunde bellten und daß sie überall gleichzeitig waren. Ich sagte zu dem Freund: „Siehst du, du hast einen einzigen Hund nachgemacht, und jetzt ist es ein Lärm von tausend Hunden - als wären wir von lauter Hunden eingekreist. Wegen deiner eige- nen kleinen Hundestimme sind wir jetzt umringt vom Lärm von tausend Hunden. Wie schön wäre es, wenn du mit der Stimme des Kuckucks sprechen könntest."

Der Freund konnte es, und er rief wie ein Kuckuck, und jetzt war der Berg erfüllt von der süßen Melodie von tausend Kuckucks, die wunderschön von überall herüber klang.

Jetzt wurde der Freund still und nachdenklich und zog sich zurück. Nach einer Weile kam er wieder zu mir und sagte: „Mir scheint, als wolltest du mir durch das, was sich vorhin abgespielt hat, etwas ganz Bestimmtes sagen." Ich stimmte ihm zu und fragte: „Kannst du mir sagen, was?" Er sagte: „Mir erscheint dieser Berg mit seinem Echopunkt symbolisch für das Leben des Menschen. Was wir hier sagen oder tun kommt tausendfach zu uns zurück. Wenn wir wie ein Hund bellen, sind wir von tausend bellenden Hunden umringt. Wenn wir andere verletzten, kommt die Verletzung tausendfach verviel- fältigt zu uns zurück . Wenn wir die Welt mit Wut, Haß

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und Gewalt behandeln, kommt der gleiche Haß, die gleiche Gewalt riesig vergrößert zu uns zurück. Der alte Spruch ist wahr: Wenn wir einen einzigen Dorn säen, ernten wir allein ein Dickicht von Dornen. Genauso kommt es tausendfach zurück, wenn wir unsere Liebe und Seligkeit mit anderen teilen. Das Leben ist wirklich ein Echopunkt."

Das ist der Grund, warum ich sage, daß ich nicht gegen die Selbstsucht bin. Wenn du dein SWartha fin- den kannst - den Sinn deines Selbst - wirst du der Welt sehr viel Gutes tun - Gutes, das du auf keine andere Weise tun kannst.

Genau aus diesem Grund bin ich nicht gegen das System des Kapitalismus - welches auf der Selbstsucht basiert. Im Gegenteil: Ich bin durchaus dafür. Genau dieses selbstsüchtige System wird sich allmählich zu einem sozialistischen System entwickeln. Meine Vision ist die, daß wenn jeder seinen Selbstinteressen folgt, wir alle früher oder später erkennen werden, wie unnö- tig es ist, den Interessen anderer in die Quere zu kom- men. Und dann hören wir einfach damit auf. Wenn es euch allen gelingt, eure Selbstsucht - euer Eigeninter- esse, euer Glück - tausendfach zu vermehren, dann bleibt der Menschheit gar nichts anderes übrig, als den Sozialismus zu erreichen. Er wird kommen, nicht durch den Konflikt der Eigeninteressen, sondern durch das Zusammenspiel der Eigeninteressen.

Ein anderer Freund hat gefragt: Der Kapitalismus ist voll von Korruption und Schie-

berei. Was hast du dazu zu sagen ? Der Kapitalismus ist nicht die Ursache für Schiebe-

rei und Korruption. Mangel an Kapital ist der Grund. Wenn der Reichtum knapp ist, können wir Korruption nicht verhindern. Wo die Bevölkerung groß und der Reichtum knapp ist, werden die Leute Mittel und Wege finden, in den Besitz von Reichtum zu kommen; die richtigen Mittel und Wege kümmern sie wenig. Wenn du die Korruption abschaffen willst, dann hör

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auf, dir über Korruption Gedanken zu machen. Denn Korruption ist eine Begleiterscheinung, mit der wir uns nicht abzugeben brauchen. Aber all die Politiker, all die Heiligen bekämpfen eifrig die Korruption. Sie sagen: „Wir sind entschlossen, der Korruption das Handwerk zu legen." Aber das wirkliche Problem liegt woanders - und zwar im Mangel an Reichtum. Korrup- tion ist die natürliche Konsequenz der Armut. Wenn hier tausend Menschen sind und es nur Essen für zehn gibt, glaubt ihr vielleicht, daß dann keine Versuche gemacht werden, sich Essen durch Diebstahl zu sichern?

Dr. Frankel hat ein kleines Memoirenbuch geschrie- ben. Dr. Frankel war ein Psychologe, der in eins von Hitlers Konzentrationslagern geworfen wurde. Übri- gens - Hitler war ein Sozialist. Dr. Frankel sagt in sei- nen Memoiren, daß er in diesem Gefangenenlager das wahre Gesicht des Menschen erkannte. Die Gefange- nen erhielten nur eine Mahlzeit in 24 Stunden, und selbst die war sehr mager. Man ließ sie fast verhungern. Dr. Frankel sagt, er hätte Leute gesehen, die als große Dichter, Schriftsteller, Ärzte und Ingenieure bekannt waren, wie sie Brotbrocken aus den Tüten ihrer Mitge- fangenen stahlen, während diese schliefen. Unter ihnen waren Männer, die großes Ansehen genossen wegen ihres vorbildlichen Charakters und ihrer hohen Moral, Männer die hohe Ämter bekleideten, wie z.B. Bürgermeister einer Großstadt. Er sah sie, wie sie auf Knien um eine Zigarette bettelten - und zwar ohne jede Scham. Und keiner von ihnen dachte, irgendetwas Falsches zu tun.

Und über sich selbst schreibt der berühmte Psycho- loge, daß das Brot, das er bekam, so wenig war, daß es nie seinen Hunger befriedigte. Er war immer in einem halbverhungerten Zustand. Und so brach er sein Brot in lauter kleine Stücke, um sie zu essen, damit sie 24 Stunden vorhielten. Und er entdeckte, daß er tagein, tagaus nur an Brot dachte und an sonst nichts. Gott und Seele und Bewußtsein und Unterbewußtsein, Analyse

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und Psychologie und was alles dazu gehört, all das ver- gaß er. Und das waren bis dahin die wichtigsten Dinge in seinem Leben gewesen. In Hitlers Konzentrationsla- ger erkannte er, daß Brot alles war, und daß es auf nichts anderes ankam. Frankel gesteht auch, sich nicht sicher zu sein, ob er ebenfalls das Brot eines anderen gestohlen hätte, wenn er die Gelegenheit dazu gehabt hätte.

Bestechung, Korruption und Schieberei beweisen nur, daß es zu viele Menschen gibt und zu wenig Waren. Wir weigern uns, diese einfache Tatsache ein- zusehen. Korruption ist keine Krankheit, sondern nur das Symptom einer Krankheit, die tiefe Wurzeln hat. Wenn ein Mensch Fieber hat, sagt man, er liege „mit Fieber im Bett". Das Fieber wird für die Krankheit selbst gehalten. Aber in Wirklichkeit ist Fieber ein Symptom, ein Hinweis auf irgendeine tiefe Unordnung in der Physiologie dessen, der jetzt eine hohe Tempera- tur hat. Ahnlich ist Korruption ein Symptom für eine gesellschaftliche Krankheit - Armut. Aber der Politi- ker und der Priester glauben, man könne die Korrup- tion beenden, ohne sich um Produktion und Bevölke- rungskontrolle zu kümmern. Sie sagen, Gott würde mehr und mehr Menschen auf diese Erde schicken. Wenn Gott für unsere zunehmende Bevölkerung ver- antwortlich ist, dann ist Gott am meisten für die Kor- ruption heute verantwortlich zu machen, weil die Kor- ruption mit wachsender Bevölkerung wächst. Wir müs- sen diese ständige Geschenkflut Gottes einschränken, ja sogar zum Halten bringen. Wir müssen ihm sagen: „Es reicht jetzt! Wir brauchen nicht noch mehr Men- schen. Und wenn du uns noch mehr schickst, dann gib auch jedem von ihnen zehn Hektar Land und eine Fabrik mit, wo er arbeiten kann".

Die Menschen sind nicht unmoralisch, wie uns die Priester und Politiker gern weismachen möchten. Ein- zig und allein die Situation ist unmoralisch, kein Mensch ist unmoralisch. Wirklich, der Mensch ist weder moralisch noch unmoralisch, sondern die Situa-

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tion ist unmoralisch. Und jemand kann zwar in einer unmoralischen Situation moralisch sein, wenn er sich sehr viel Mühe gibt, aber dann verschwendet er sein ganzes Leben mit dieser Mühe. Er wird es gar nicht anders schaffen können. Er wird sich irgendwie selbst davor bewahren, unmoralisch zu sein, er wird mit unge- heurer Anstrengung die Versuchung unterdrücken zu stehlen. Das ist alles, was er zustande bringen wird.

Es handelt sich also nur darum, die Situation zu ver- ändern. Denn in Wirklichkeit ist die Situation unmora- lisch. Man kann noch so viele Kampagnen gegen die Korruption durchführen, aber sie werden erfolglos bleiben, wenn die Situation nicht verändert wird. Aber wenn die Produktion wächst und Reichtum in Hülle und Fülle vorhanden ist, wird die Korruption von allein verschwinden. Niemand wird stehlen, wenn in der Gesellschaft ein Überfluß an Reichtum herrscht.

Ein anderer Freund hat gefragt: Buddha, Mahavir, Krishna undRama-sie alle spra-

chen von Verzicht. Du aber sagst, daß der Reichtum vermehrt werden muß. Warum dieser Widerspruch?

Es ist wahr, daß ich euch auffordere, mehr Reichtum zu produzieren. Es ist heute schwierig, genau festzu- stellen, was Buddha, Rama und Krishna gesagt haben. Aber wenn sie gesagt haben, daß kein Reichtum produ- ziert werden muß, dann haben sie sich geirrt.

Von Verzicht zu sprechen, wenn man keinen Reich- tum hat, ist lächerlich. Worauf wollten sie denn ver- zichten? Buddha konnte von Verzicht reden, weil er in einer reichen Familie geboren wurde. Buddha konnte es sich leisten, Yashodhara, seine Frau, zurückzulassen und in die Wälder zu gehen, um das Leben eines Aske- ten zu führen, weil er wußte, daß Yashodhara einen Palast und alle anderen Mittel besaß, die man zur Sicherheit braucht. Aber wenn ein Buddha von heute seine Yashodhara zwölf Jahre lang verläßt, dann wird er am Ende der zwölf Jahre Yashodhara in irgendei- nem Bordell finden und nicht in ihrem Haus. Buddha

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konnte seinen Sohn Rahul zurücklassen, weil er ihn bei seiner Rückkehr in seinem eigenen Hause wiederfin- den würde. Aber wenn ein Buddha von heute seinen Sohn verläßt und in die Wildnis geht, wird er seinen Sohn entweder in irgendeinem Waisenhaus oder als Bettler auf den Straßen Bombays wiederfinden. Es würde sogar schwierig werden, ihn überhaupt ausfindig zu machen. Buddha hatte einen unendlichen Reich- tum, und Menschen wie er können sehr wohl vom Opfern reden, weil sie genug zum Opfern haben.

Aber die Ironie ist, daß Menschen, die nichts hatten, ausgerechnet denen folgten, die viel hatten. All die weisen Männer dieses Landes kamen aus reichen Fami- lien, während das übrige Volk in Armut und Elend lebte. Ich frage mich, wieso das Volk ihre Lehren akzeptierte und ihnen bereitwillig folgte? Aber dahin- ter steckt Logik. Es gibt einen Grund. Die Armen zogen ein gewisses Vergnügen daraus, eine gewisse Befriedigung daraus, daß sie die Buddhas akzeptier- ten. Jetzt sagten sie sich: „Was ist schon Reichtum? Buddha hatte so viel und jetzt bettelt er in den Straßen. Wir sind bereits Buddhas, wir sind bereits Bettler."

Indien, das unter so viel Armut gelitten hatte, fühlte sich getröstet und befriedigt. Wir freuten uns, Buddha und Mahavir betteln zu sehen. Wir verbeugten uns vor ihnen, nicht ihretwegen, sondern wegen des Trostes, den wir aus ihnen zogen. Wir glaubten uns in unserem Elend gesegnet.

Aber vergeßt nicht: In einem Palast zu leben und ihn dann zu verlassen und zu betteln, ist das eine. Aber es ist etwas ganz anderes, niemals in einem Palast gelebt zu haben und Bettler auf den Straßen zu sein. Buddha war kein gewöhnlicher Bettler; selbst als Bettler ging er mit der Würde und dem Anstand eines Herrn. Selbst Kaiser erschienen klein vor ihm, weil er auf etwas ver- zichtet hatte, wofür sie starben. Er war der Kaiser aller Kaiser, weil für ihn Kaiserreiche bedeutungslos gewor- den waren. Auf der anderen Seite sind die, die niemals den Reichtum gekannt haben, und deren ganzes Da-

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sein nach Reichtum lechzt. Aber sie haben nicht Willen und Energie und Intelligenz genug, um ihn zu gewin- nen. Und dann sagen sie, daß die Trauben sauer sind. Buddha und Mahavir liefern ihnen ein Alibi, eine Aus- rede. Auf diese Art trösten sie sich.

Indien lebt schon sehr lange in diesem Zustand der Selbsttäuschung, und genau deswegen steht es so schlimm da. Und dies ist Indiens Hauptschwierigkeit, sein wirkliches Problem. Wir müssen uns ganz klarma- chen, daß Buddha und Mahavir und Männer wie sie auf den Reichtum verzichtet hatten, nicht auf die Armut. Sie hatten keine Armut und kein Elend gekannt. Bud- dhas Vater hatte alle schönen Frauen um ihn versam- melt, die es damals im Lande Bihar gab. Buddha hatte die Frauen durch und durch kennengelernt. Und so ist es verständlich, daß er den Sex transzendierte.

Aber es gibt Menschen, die ihr ganzes Leben lang keine Frau kennengelernt haben, nicht einmal eine berührt haben, und die versuchen, Buddhas zu werden. Sie träumen ständig von Frauen. Es gibt eine Befreiung vom Sex, aber erst, wenn man ihn durch und durch ken- nengelernt hat. Aber jemand, der enthaltsam lebt und sich von Frauen weghält, wird sich mehr in den Sex ver- stricken als je ein verheirateter Mann. Ja, der verheira- tete Mann möchte viel lieber vor den Frauen davonlau- fen; der Ehemann versucht ständig, vor seiner Frau davonzulaufen, sie loszuwerden. Aber der unverheira- tete Mann hat keine Ahnung von den Qualen des Ver- heirateten. Und wenn er sich zum Zölibat entschließt, dann kann er sich auf etwas gefaßt machen, auf sehr viel gefaßt machen. Die Selbstbescheidung der Armut als Ausflucht ent- gegenzusetzen, ist das eine; aus Weisheit auf Reichtum zu verzichten, ist etwas sehr anderes. Es war ein Unglück, daß Indien sich von Menschen führen ließ, die wirklichen Reichtum kennengelernt und dann auf ihn verzichtet hatten. Das ist der eigentliche Grund, warum dieses Land nie reich werden konnte, warum es jahrhundertelang arm geblieben ist. Wir legten uns fest

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auf eine Philosophie - eine Philosophie der Armut - und wurden deren Gefangene. Und merkwürdiger- weise scheinen wir es zu genießen. Es ist, wie wenn man einen Juckreiz genießt.

Es reicht jetzt mit diesem Unsinn. Es wird Zeit, daß wir ihm auf immer Adieu sagen. Die Intelligenz des Landes muß ganz klar verstehen, daß wir Reichtum brauchen. Reichtum ist ein Muß, denn wir können uns erst dann über ihn erheben, wenn wir ihn haben; andernfalls ist es ungeheuer schwierig.

Ich sage nicht, daß es keine Ausnahme von dieser Regel geben kann, aber Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Jemand hat mir geschrieben, daß ein bestimm- ter Weiser arm war und dennoch erleuchtet wurde. Er mag eine Ausnahme gewesen sein. Es ist vielleicht möglich, aber es ist nicht die Regel. Regeln kann man nicht auf der Grundlage von ein paar Ausnahmen machen. Wenn es in einem bestimmten Dorf Malaria gibt und einer der Dorfbewohner der Ansteckung ohne Malaria-Impfung entgeht, beweist das dann, daß es sinnlos ist, sich gegen Malaria impfen zu lassen? Viel- leicht entkam er nur, weil die Malaria-Infektion bei ihm nicht stark genug war? Aber er kann nicht zur Regel gemacht werden. Und das ganze Dorf wird ster- ben, wenn er zur Regel gemacht wird; und wenn das ganze Dorf stirbt, kann er auch nicht weiterleben. Es ist ebenfalls möglich, daß dieser Mann nur deshalb über- lebte, weil alle anderen geimpft worden waren; ihre Immunität hat ihm geholfen.

Niemals darf eine Ausnahme zur Grundlage einer Regel gemacht werden. Aber genau das ist der Fehler, den Indien so lange gemacht hat. Wir machen die Aus- nahme zur Regel; wir machen keine Regeln auf der Basis gewöhnlicher Menschen - das Ungewöhnliche, das Außergewöhnliche, das Seltene ist unsere Basis. Und dann will man die gewöhnlichen Männer und Frauen nach diesem Maß reglementieren. Aber wenn man das Ungewöhnliche als Ideal für das Gewöhnliche aufstellt, kommt das der Zerstörung des letzteren

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gleich. Und genau das ist geschehen. Wenn Mahavir zum Ideal gemacht wird, weil er nackt geht, und alle Leute dann aufgefordert werden, es ihm gleichzutun, muß es zwangsläufig Probleme geben. Mahavir hatte Kleider benutzt, er hatte in reichen Gewändern gelebt, er war in den Genuß reicher Kleidung gekommen. Nun, diese Kleider tragen entscheidend zu der Freude bei, die Mahavir in der Nacktheit empfindet. Wenn ihr dagegen einem Mann, der nackt geboren wurde, und der niemals Kleider besaß, erzählt, daß Nacktsein Freude macht, wird er nur lachen. Er wird sagen: „Mahavir war ein Gott, ein Teerthankara, ein außerge- wöhnlicher Mann. Er mag es genossen haben, nackt zu sein, aber was mich betrifft, genieße ich Kleider sehr." Seht euch nun den Unterschied an. Mahavir genoß Nacktheit aufgrund von Kleidern; dieser Mann genießt Kleider aufgrund von Nacktheit. Da ist es kein großer Unterschied in ihrer Grundeinstellung. Ihre Logik ist die gleiche: Das Glück kommt aus dem Unbekannten, Unvertrauten. Die verbotene Frucht reizt. Und das Bekannte, das Vertraute macht überdrüssig, ist unnütz. Für Mahavir sind Kleider - vertraut, wie sie waren - unnütz geworden; für diesen Mann dagegen Nacktheit unnütz, aus dem gleichen Grund.

Wir müssen alle Lehren loswerden, die für die Armut sind. Solche Lehren erzeugen eine undynami- sche Gesellschaft, eine statische Gesellschaft. Sie sind schuld, daß die indische Gesellschaft so stagniert, so tot ist. Sie hat alle Lebensdynamik verloren.

Wenn wir eine dynamische Gesellschaft schaffen wollen, eine lebendige Gesellschaft, müssen wir sie auf dem Grundstein der Unzufriedenheit errichten, nicht auf dem der Zufriedenheit. Wir fragen uns immer, warum wir arm sind. Wir sind arm aus dem einfachen Grund, weil wir mit der Armut zufrieden sind. Und solange wir mit ihr zufrieden sind, werden wir arm blei- ben. Der Reichtum muß erst noch geschaffen werden, und er kann nur von Menschen geschaffen werden, die mit der Armut unzufrieden sind. Es gibt keinen ande-

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ren Weg als die Unzufriedenheit. Reichtum muß erst produziert werden; er regnet nicht vom Himmel. Er ist ein menschliches Produkt, und ein unzufriedener Geist, ein suchender Geist, ein unternehmungsfreudi- ger Geist ist seine allererste Voraussetzung.

Aber all unsere religiösen Lehren loben die Selbst- bescheidung. Und genau diese Lehren machen eine Gesellschaft statisch und tot. Und wir müssen sie los- werden.

Ein Freund hat gefragt: Gestern hast du von Gandhi gesprochen und ihn kri-

tisiert. Aber Gandhi wollte doch immer, daß das Land wohlhabend und glücklich und das Volk gut sei. Was sagst du dazu?

Ganz sicher wollte er das alles. Aber vergiß nicht: Die Straße zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepfla- stert. Es einfach nur zu wünschen, genügt nicht. Ich mag noch so sehr wünschen, daß dein Krebs verschwin- det, aber wenn ich dir bloß Wasser zur Behandlung gebe, wird dein Krebs nicht verschwinden. Er wird nicht allein durch gute Absichten geheilt. Ich wünsche von Herzen, daß du deine Tuberkulose loswirst und binde dir einen Talisman an den Arm; deine Tuberku- lose wird bleiben. Um sie zu heilen, muß die Tuberku- lose erst wissenschaftUch verstanden werden.

Gandhi wollte immer, daß sein Land wohlhabend und glücklich und das Volk gut sei. Aber die Metho- den, die er vertrat, waren Wege, die zu Armut und Erniedrigung führen. Wenn Gandhi siegt, wird ganz Indien für immer dazu verdammt sein, in Armut zu leben. Wenn das, was er gesagt hat, in diesem Land voll akzeptiert wird, müssen 250 Millionen von 500 Millio- nen zu sterben bereit sein und zwar bald. Und wenn die ganze Welt Gandhi folgt, müssen zwei Milliarden von dreieinhalb Milliarden augenblicklich untergehen. Gandhis Gedanken allein können mehr Menschen töten, als alle Mörder der Geschichte, Dschingis Khan, Hitler, Stalin und Mao zusammengenommen. Warum?

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Weil das, was Gandhi sagt - ich meine sein Denken - vorsintflutlich ist; er gehört dem vorindustriellen Zeit- alter, dem Feudalzeitalter an. Er ist im Kern seines Wesens ein Reaktionär, der das Mittelalter wiederer- wecken will. Die Produktionsinstrumente, die er preist, wie das Spinnrad und die Spindel, gehören mit- telalterlichen Zeiten an und sind absolut unbrauchbar und unangemessen für die riesige menschliche Bevöl- kerung von heute. Mit so primitiven Produktionsmit- teln können wir eine so riesige Bevölkerung nicht am Leben erhalten; sie werden einfach verhungern und sterben. Also nehmt seine Lehren bitte nicht an und setzt sie nicht ,um; denn sonst wird die zukünftige Geschichte sagen, daß Gandhi der größte Killer war, den die Welt je gesehen hat, weil er die bei weitem größte Anzahl von Menschen auf dem Gewissen hätte. Wir brauchen einen Produktionsmodus, der die riesige Bevölkerung, die wir jetzt haben, unterhalten kann. Der Produktionsmodus, den Gandhi propagierte, mag für das Zeitalter Ramas angemessen gewesen sein, die uralten Zeiten, als die Weltbevölkerung noch sehr klein war. Das langsame Spinnrad konnte genügen. Aber heute werden sehr schnelle Produktionswerk- zeuge gebraucht, weil es so viele Münder zu füttern gibt, so viele Körper zu kleiden, so viele Männer und Frauen am Leben zu erhalten. Die Methoden Gandhis können sie nicht am Leben erhalten. Wenn ihr den Gandhiismus akzeptiert und ihm folgt, wird die Armut permanent werden; wir werden sie nie mehr loswer- den.

Der Fragesteller hat außerdem gesagt, ich würde einen Menschen wie Gandhi kritisieren, der das, was er lehrte, auch praktiziert habe, und daß zwischen sei- nen Worten und Taten eine völlige Einheit bestanden habe. Es kann keine größere Lüge geben als diese. Zwi- schen dem, wozu sich Gandhi bekannte, und dem, was er praktizierte, war eine so tiefe Kluft, wie man sie sonst kaum im Leben eines Menschen finden kann. Es

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gibt keine Parallele dafür. Was ich sage, mag euch überraschen, aber es ist wahr.

Gandhi war immer gegen die Eisenbahnen, und er verbrachte den größeren Teil seines Lebens auf der Eisenbahn, kreuz und quer durch Indien. Er war zeit seines Lebens gegen die Eisenbahnen und reiste zeit seines Lebens in Eisenbahnen. Er war zeit seines Lebens Gegner der Allopathie, der modernen Medi- zin, und er sagte, daß das Singen des Namens Rama die beste Medizin sei. Aber jedesmal, wenn er ernsthaft krank wurde, und der Tod nahte, nahm er seine Zuflucht zur Allopathie - die ihm das Leben rettete. Weder der Name Ramas, noch die Naturheilkunde konnten ihn retten - obwohl er sie so lange einsetzte, bis die Krankheit sehr ernst wurde. Wenn alles andere fehlschlug, nahm er seine Zuflucht immer zur Allopa- thie und überlebte. Es ist merkwürdig, daß er sein gan- zes Leben lang Gegner dieses Heilsystems war, welches ihn sein ganzes Leben hindurch immer wieder rettete. Gandhi war ein Gegner des modernen Post- und Tele- graphensystems. Und er machte maximalen Gebrauch davon. Er gehörte zu den Menschen, die Unmengen von Briefen schreiben, um sie dann von der Post beför- dern zu lassen.

Hier haben wir also einen Mann, der das System der Eisenbahnen bekämpft - und dabei ständig in einem Zugabteil sitzt. Ich bin der einzige Mensch, der sich als Kunde der Eisenbahnen mit Gandhi vergleichen läßt, und das auch nur, wenn ich bis an mein Lebensende weiter so oft reise wie jetzt. Und bedenkt dabei, er war ein Feind der Eisenbahn; er sagte, daß die Eisenbah- nen eine Sünde seien und daß sie von der Erde ver- schwinden sollten. Er war ein Gegner jedes modernen Instruments, machte aber trotzdem vollsten Gebrauch davon. Und du sagst, daß zwischen seinen Überzeu- gungen und seiner Lebenspraxis Übereinstimmung herrschte? Was für eine Übereinstimmung? Ich sage, daß es zwischen Gandhis Worten und Taten keine Einheit gab. Was er sagte, setzte er in sei-

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nem Handeln einfach nicht um. Wenn man sich sein ganzes Leben anschaut, wird man finden, daß es sich sehr von seiner Philosophie unterschied. Aber unser Problem ist, daß wir, wenn wir jemanden als einen Mahatma, eine große Seele, anerkennen, die Augen schließen, daß wir ihm gegenüber blind werden.

Ich habe Gandhi nur ein einziges Mal gesehen und danach nie wieder den Wunsch verspürt, ihn noch ein- mal zu sehen. Ich war damals sehr jung, ein Schüler. Sein Zug kam durch meine Stadt, und viele Leute gin- gen hin, um auf dem Bahnhof einen kurzen Anblick von ihm zu erhaschen. Ich ging mit. Als ich das Haus verließ, steckte meine Mutter mir drei Rupien in die Tasche, für kleine Ausgaben, weil der Bahnhof gute fünf Kilometer entfernt lag.

Als ich ankam, fand ich den Bahnsteig zugepackt mit Leuten, und es war für einen Jungen wie mich unmög- lich, von dort aus einen Blick auf ihn zu werfen. Und so ging ich auf die andere Seite der Gleise, wo es keinen Bahnsteig gab. Als Gandhis Zug ankam, stieg ich durch das Fenster in sein Abteil ein. Gandhi schaute nicht auf mich, seine Augen fielen zuerst auf die drei Silbermün- zen, die durch die Brusttasche meines Musselinhemdes hindurchschimmerten. Er fragte, was es sei, nahm eilig das Geld heraus und sagte, daß ich es für den Wohl- fahrtsfond der Unberührbaren stiften solle. Und ehe ich ja oder nein sagen konnte, ließ er das Geld in die Sammelbüchse für den Fond fallen. Und so, wie ich nun einmal bin, sagte ich ohne weiteres: „Das ist in Ordnung. Gut, daß du das Geld in die Büchse getan hast." Und tatsächlich fühlte ich mich froh dabei und dachte, wie gut, daß ich es nicht schon ausgegeben hatte. Und dann, dem Diktat meiner Intuition folgend, nahm ich die Sammelbüchse an mich und sagte zu Gandhi: „Jetzt nehme ich die Büchse mit und will dies Geld für die Unterstützung der armen Schüler meiner Schule nutzen." Tatsächlich hatte ich nicht die leiseste Absicht, die Büchse mitzunehmen, die ich nur deshalb an mich genommen hatte, um zu sehen, wie Gandhi

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darauf reagieren würde. Er sagte: „Nein, nein, nimm die Büchse nicht mit. Sie ist für eine große Aufgabe gedacht. Dieser Fond ist für die Unberührbaren. Laß sie in Ruh." Daraufhin sagte ich: „Mein Herr, es fällt Ihnen offenbar schwer, sich mit der gleichen Leichtig- keit von dieser Büchse zu trennen, mit der ich Ihnen meine drei Rupien gegeben habe." Da gab er mir eine Apfelsine, die anzunehmen ich mich weigerte, mit den Worten: „Ich will diese Apfelsine nicht. Für drei Rupien ist sie mir zu teuer. Behalten Sie sie nur." Dann schaute ich ihm in die Augen und sagte zu mir: ,Der Mann, den zu sehen ich gekommen bin, ist nicht da.'"

Ich stieg aus dem Zug und stellte mich an den Rand der Menge. Der Zug fuhr an, und Gandhi schaute noch immer zu mir hin und sah die Menge nicht. Er schien verwirrt durch das, was geschehen war.

Als ich zurück nach Hause kam, fragte mich meine Mutter, ob ich Mahatmaji gesehen hätte. Ich sagte: „Mahatmaji ist nicht gekommen." Jetzt war Mutter verwirrt, und sie sagte: "Was meinst du damit? Alle Leute sagen, daß er durch die Stadt gekommen ist." Da sagte ich: „Der Mann, der durch die Stadt gekommen ist, war Mr. Mohandas Karanchand Gandhi. Er machte mir eher den Eindruck, ein gerissener Geschäftsmann zu sein, aber kein Mahatma, keine große Seele."

Dieser Vorfall ereignete sich in meinen jungen Jah- ren.

Von da an habe ich mir sehr viel Mühe gemacht, um Gandhi zu verstehen. Und je mehr Mühe ich mir machte, desto mehr bestätigte und verstärkte sich mein erster Eindruck von ihm. Aber unser Problem besteht darin, daß wir uns weigern, über etwas nachzudenken und es zu prüfen, wenn wir es erst einmal glauben. Ich sage nicht, daß ihr mir zustimmen sollt, aber ich sage sehr wohl: Bitte haltet nicht an verkalkten Meinungen über Männer und Dinge fest, denn das schadet dem Denkprozeß des Landes; es könnte sich sogar als töd- lich erweisen. Heute denkt jeder, daß alles, was Gandhi gesagt hat,

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zwangsläufig dem Lande nützen müsse, nur weil er ein Mahatma, ein Heiliger, war. Aber es ist nicht unbe- dingt so, daß man einfach dadurch, daß man ein Heili- ger ist, der Gemeinschaft Gutes tut.

Ich besuchte vor kurzem Rajkot. Auf dem freien Gelände, wo ich zu einer Versammlung sprechen sollte, sah ich eine Reihe Stiere und Kühe. Sie waren alle sehr krank und abgemagert, fast im Sterben. Als ich nachfragte, erfuhr ich, daß es infolge einer Dürre in den Dörfern um Rajkot eine Wasserknappheit gab, und daß diese Tiere dort eingesammelt worden waren, damit sie nicht sterben mußten. Daraufhin fragte ich, was man denn dafür täte, um sie zu retten. Der Mann, der mir die Sache erklärte, erzählte mir eine seltsame Geschichte.

Ein Heiliger sei nach Rajkot gekommen und habe die ausgemergelten Kühe mit teuren Süßigkeiten gefüt- tert, die sich das Volk sonst nur für Feste leisten könne, und noch am selben Tag seien vierzig von ihnen gestor- ben. Aber die Zeitungen brachten das Foto des Heili- gen und sagten: „Was für ein Heiliger, der Tieren teure Süßigkeiten zu fressen gibt, die sonst nur Menschen essen!" Es scheint, wer ein Heiliger sein will, muß seine Intelligenz zuerst völlig aufgeben. Er gibt Tieren, die dringend Wasser und Futter brauchten, Süßigkeiten, um sie zu retten. Es wäre besser gewesen, sie wären stattdessen geschlachtet worden - sie hätten in Frieden sterben können. Aber man applaudierte diesem Heili- gen, der so ein freundlicher Heiliger und ein Verehrer von Kühen sei.

Die Armut Indiens wird nie verschwinden, sie wird bleiben, wenn das Heilmittel angewandt wird, das Gandhi vorschlägt. Um der Armut ein Ende zu machen, ist Technologie nötig. Und Gandhi war der größte Feind der Technologie. Er sagte, Technologie sei eine Erfindung des Satans. Dabei ist es gerade die Technologie, die eines Tages die Armut beenden und dieser Erde Wohlstand bringen wird. Und es ist wie- derum die Technologie, die uns zum Mond und zum

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Mars bringen wird, wenn die Erde überbevölkert sein wird. In fünfzig Jahren wird dieser unser Planet aufhö- ren, ein geeigneter Wohnort für uns zu sein.

Ich weiß nicht, wie mit Gandhis Spinnrad Millionen und Milliarden von Menschen ernährt und gekleidet und untergebracht werden sollen. Und ich weiß nicht, wie der Mensch mit seinem Spinnrad zum Mond und anderen Planeten fahren will, um sich dort niederzulassen.

Zum Glück gibt es da aber keine echte Gefahr, weil sogar die Leute, die „Heil Gandhi!" schreien, gar nicht an seine Lehren glauben, ihm nicht folgen. Also ist jede Gefahr ausgeschlossen. Aber sollten seine Ideen ein breites Echo finden, bestünde Gefahr, und seine Ideen würden die Uhr um zweitausend Jahre zurückstellen; wir würden wieder in grauen Vorzeiten leben. Was er sein Rama-Rajya nennt, das legendäre Reich Ramas, ist nichts als ein anderer Name für ein extrem zurückge- bliebenes Gesellschaftssystem. Rama-Rajya war, gemessen an der Gegenwart, weit zurück. Aber Gandhi sehnt ständig das Rama-Rajya herbei.

Ein anderer Freund hat gesagt, daß das, was ich sage, genau das gleiche sei, wofür einmal die alte Hin- dukultur stand; was die Hindukultur verkündet habe, sei der wahre Sozialismus.

Aber ich vermag nicht einzusehen, was er damit meint. Er sagt ebenfalls, daß es den Sozialismus in Indien schon einmal gegeben habe.

Den Sozialismus hat es bis heute auf der ganzen Welt noch nicht gegeben. Und was Indien betrifft, so ist es absolut ausgeschlossen, daß es ihn hier hätte geben können. Und je früher ihr loswerdet, was ihr eure „alte Kultur" nennt, desto besser. Eine Krankheit wird nicht dadurch gut, nur weil sie deine Krankheit ist. Und nichts wird respektabel, nur weil es alt und altherge- bracht ist. Aber die Schwierigkeit ist die, daß wir anfan- gen, unsere Ketten zu lieben, wenn sie Tausende von Jahren an unseren Füßen gehangen haben. Ich ver- stehe nicht, wovon du redest. Wann haben wir denn den Sozialismus in Indien gehabt?

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Ein anderer Freund hat gesagt, daß es alles Gute schon einmal in Indien gegeben hätte, und deswegen sollten wir in die Vergangenheit zurückgehen.

Es hat in der Vergangenheit nichts Gutes gegeben, wohin wir zurückkehren sollten. Erstens hätten wir es gar nicht zurückgelassen, wenn es gut gewesen wäre. Niemand läßt das Gute zurück. Und wenn er das Gute zurückläßt, tut er es wegen seiner Suche nach Besse- rem. Aber wir haben uns mit großen Illusionen gequält. Wir glauben, daß das Indien der Vergangen- heit ein goldener Vogel war. Das war es nie. Natürlich war es für einige wenige ein goldener Vogel, und das gilt auch für heute noch; aber es war niemals ein golde- ner Vogel für alle.

Wir glauben, daß die Häuser im alten Indien ohne Schloß und Riegel gewesen seien. Die Menschen waren so gut und ehrlich, daß Schlösser überhaupt nicht gebraucht wurden! Aber ich glaube nicht, daß das wahr sein kann. Und selbst wenn es wahr war, dann aus anderen Gründen als ihr annehmt. Buddha hat die Menschen ermahnt, nicht zu stehlen; Mahavir hat die Menschen ermahnt, nicht zu stehlen. Wären die Men- schen so gut und ehrlich gewesen, daß sie ihre Häuser nicht zu verschließen brauchten, wer waren dann dieje- nigen, die Buddha, die Mahavir aufforderten, nicht zu stehlen? Wenn die Menschen wirklich gut und ehrlich waren, dann waren Buddha und Mahavir verrückt.

Diebstahl hat es immer gegeben, aber wenn es wirk- lich nirgendwo Schlösser zu sehen gab, dann heißt das nur, daß die Menschen nichts in ihren Häusern hatten, was es wert gewesen wäre zu stehlen. Es kann keinen anderen Grund geben. Oder vielleicht besaßen sie nicht die spätere Mentalität, die die Schlösser erfand. Nur: die Abwesenheit von Schlössern beweist nicht, daß die Menschen ehrlich waren.

All die Schriften predigten das Nicht-Stehlen. Bud- dha sprach gegen das Stehlen und gegen die Unehrlich- keit, tagein, tagaus. Sokrates sagte vor zweitausend- fünfhundert Jahren die gleichen Dinge in Griechen-

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land. Er sagte, daß die Jugendlichen vom Weg abge- kommen seien, daß sie nicht auf ihre Eltern hörten, daß die Lehrer nicht geachtet würden, daß die Menschen unehrlich und korrupt geworden seien. In China gibt es ein sechstausend Jahre altes Buch. Wenn ihr das Vor- wort davon lest, könntet ihr meinen, den Leitartikel der heutigen Morgenzeitung zu lesen. Da heißt es, daß die Menschen unehrlich sind, daß sie materialistisch geworden sind, daß es einen großen moralischen Ver- fall gibt, daß überall Korruption herrscht, daß die Anarchie ausgebrochen ist, und daß das jüngste Gericht vor der Tür steht. Und dieses sechstausend Jahre alte Buch sagt ebenfalls, daß die Menschen frü- her gut und ehrlich gewesen wären.

Daß die Menschen der Vergangenheit gut gewesen seien, ist nicht mehr als ein Mythos, eine Phantasie. Die Wahrheit ist, daß wir die Menschen der Vergan- genheit vergessen haben und daß eine Handvoll von ihnen, die wir noch heute in Erinnerung haben, eigent- lich an diesem Aberglauben schuld sind. Wir erinnern uns an Mahavir, aber wir erinnern uns nicht an die Menschen seiner Zeit. Und so glauben wir, daß die Menschen seiner Zeit gute Menschen gewesen sein müssen. Aber wären die Menschen seiner Zeit wirklich gut gewesen, hätten wir uns überhaupt nicht die Mühe zu machen brauchen, uns an Mahavir zu erinnern. Mahavir ist nur wegen der Menschen seiner Zeit noch in unserem Gedächtnis lebendig.

Der Schullehrer schreibt mit einem Stück weißer Kreide auf eine schwarze Tafel. Würde er auf eine weiße Tafel schreiben - und er kann es - könntet ihr es nicht lesen. Die Schrift erscheint auf der Tafel nur wegen des Kontrastes. Mahavir glänzt seit zweitau- sendfünfhundert Jahren als ein großer Mann. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn der soziale Hintergrund, vor dem er sich abhob, weiß und sauber gewesen wäre. Tatsächlich muß die Gesellschaft seiner Zeit korrupt und häßlich gewesen sein. Ein paar wenige große Män- ner leuchten über ganze Zeitalter hin, weil der Rest der

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Menschheit wie eine schwarze Tafel war, von der sich weiße Schrift abhebt.

Die gesamte menschliche Gesellschaft ist noch nie gut gewesen. Sie war noch nicht einmal so gut, wie sie heute ist. Jeden Tag werden wir besser, aber wir sind Opfer der falschen Vorstellung, daß wir auf dem abstei- genden Ast sind, daß wir verfallen, daß wir schlimmer und schlimmer werden. Wir sagen, daß es in der Ver- gangenheit ein Satyug, ein Zeitalter der Wahrheit, gegeben habe. Wir sagen, daß wir unser goldenes Zeit- alter hinter uns haben und daß jetzt das Kaliyug herrscht, das dunkle Zeitalter, und der Weg vor uns nur noch bergab und wieder bergab geht.

Und der Niedergang einer Gesellschaft steht in dem Augenblick fest, wo der Gedanke Besitz von ihr ergreift, daß es in Zukunft nur noch abwärts geht. Denn unser Denken setzt uns in Gang. Aber wir glau- ben fest, daß unser goldenes Zeitalter, die beste Zeit, vorbei ist, daß wir alles, was Wert hatte, hinter uns gelassen haben und daß uns jetzt nur noch Dunkelheit und Bosheit erwarten. Das ist zu unserer Konditionie- rung geworden. Wir glauben wirklich, daß es in Zukunft nur noch immer schlimmer wird.

Wenn jetzt jemand aus eurer Nachbarschaft jeman- den erdolcht, schreit ihr Kaliyug, schreit ihr „Wolf"; ihr sagt, daß jetzt das dunkle Zeitalter da ist. Und wenn jemand mit der Frau eines anderen davonläuft, jam- mert ihr, daß nun die schlimmste Zeit des dunklen Zeit- alters angebrochen sei. Aber wenn eure Heiligen und Seher, eure Rishis der Vergangenheit, mit den Frauen anderer davonliefen, dann war es Satyug, das Zeitalter der Wahrheit und Rechtschaffenheit! Und es war Satyug, als die Götter des Himmels herabstiegen und die Frauen anderer verführten - eure eigenen Prophe- ten! Und jetzt ist das dunkle Zeitalter da, nur weil der Entführer zufällig ein gewöhnlicher Mann ist, der in eurer Nachbarschaft lebt! Merkwürdiges Argument. Es war eine gute Welt, als die Frau Ramas gestohlen wurde. Und wenn die Frau irgendeines heutigen Ram-

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Chandra, der in eurer Ortschaft wohnt, gestohlen wird, wird die Sache böse, dunkel, abscheulich.

Nein, der Mensch wird von Tag zu Tag besser. Und wenn wir unsere Zukunft verbessern wollen, dann tun wir gut daran, unser goldenes Zeitalter in die Zukunft zu verlegen, und das dunkle Zeitalter hinter uns zu las- sen. Die richtige Verteilung ist: Dunkelheit in der Ver- gangenheit und Licht in der Zukunft; das dunkle Zeit- alter hinter uns und das goldene Zeitalter vor uns. Wenn eine helle Zukunft geschaffen werden soll, ist Hoffnung, eine intensive Hoffnung notwendig. Ohne Hoffnung können wir keine schöne Zukunft bauen. In meiner Sicht ist der Mangel an Hoffnung einer der Gründe, warum der Mensch auf seiner Vorwärtsreise ins Straucheln geraten ist. Er hat keine Hoffnung für seine Zukunft; ihm ist, als wäre vor ihm alles dunkel. Diese Dunkelheit ist unsere eigene Erfindung.

Noch nie war der Mensch so gut, wie er heute ist. In Bihar gab es vor kurzem eine Hungersnot. Zwanzig Millionen Menschen wären umgekommen, so groß war die Hungersnot. Aber nur vierzig Personen starben. Wie kam es, daß zwanzig Millionen Menschen gerettet wurden? - Die ganze Welt kam ihnen zu Hilfe. Schul- kinder in weit entfernten Ländern, die noch nie von Bihar gehört hatten, sparten ihr Taschengeld und schickten es für die Rettung der verhungernden Men- schen. Die ganze Welt lief zusammen zur Rettung die- ser Menschen in Bihar, die ihnen allen unbekannt waren und die sie eigentlich nichts angingen. Das war noch nie vorgekommen; es geschah zum allerersten Mal. Ebenfalls zum allerersten Mal passiert es, daß man sich in Bombay darüber aufregt, wenn es einen Krieg in Vietnam gibt. Die ganze Welt fühlt Betroffen- heit, wenn sich in irgendeinem Winkel der Welt ein Unrecht ereignet. Zum ersten Mal hat die Menschheit diesen Grad an Empfindlichkeit, diese Bewußtheit erreicht. So etwas hat es noch nie gegeben. Der Mensch ist gewachsen - seine Erkenntnis ist gewachsen; sein Glück ist gewachsen.

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Ein letztes Wort. Zwei oder drei Freunde haben gefragt:

Du bewunderst Amerika sehr. Du sagst, daß der Sozialismus zuerst in Amerika entstehen wird, aber gerade in Amerika nimmt nun die Zahl der Hippies, Beatles und Beatniks ständig zu, verfallen immer mehr Menschen dem Alkohol und Drogen wie LSD und Meskalin, nimmt der Verbrauch von Schlafpillen und Beruhigungsmitteln alarmierende Proportionen an, sind die Menschen verstört und ruhelos. Kannst du dar- über etwas sagen ?

Ihr müßt wissen, daß kein Tier jemals verstört ist. Habt ihr je davon gehört, daß ein Wasserbüffel seinen Gleichmut verloren hätte? Habt ihr je einen Esel gese- hen, der schlaflose Nächte verbringt oder sich lang- weilt? Habt ihr je gesehen, daß ein Ochse Selbstmord begeht, weil das Leben so sinnlos geworden ist? Nein, kein Tier ist jemals gelangweilt, verstört oder sorgen- voll; und Selbstmord begehen sie auch nicht. Warum?

Der Grund ist, daß das Bewußtsein der Tiere sehr unentwickelt ist. Je mehr sich das Bewußtsein entwik- kelt, desto empfindlicher und verständiger wirst du. Mit wachsendem Bewußtsein wächst auch dein Sehver- mögen; du fängst an, die Dinge um dich her mit Klar- heit wahrzunehmen. In dem Maße, wie sich dein Bewußtsein ausdehnt, dehnt sich dein Wesen aus. Und mit der Entwicklung der Intelligenz beginnt die Suche nach dem Sinn des Lebens, seiner Bedeutung. Wenn es in Amerika von heute Hippies, Beatles und Beatniks gibt, wenn seine jungen Menschen rebellisch werden, ist das ein Barometer für die Tatsache, daß dort das Bewußtsein neue Höhen erreicht, daß sie Dinge sehen, die von uns noch nicht gesehen werden.

Die Intelligenz des Menschen hat sich großartig ent- wickelt, und es ist genau diese entwickelte Intelligenz, die ihn ruhelos macht. Je mehr Intelligenz, desto mehr Ruhelosigkeit. Und vergeßt nicht: je größer eure Ruhelosigkeit,

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desto größer der Friede, den ihr erreichen könnt. Das Maß an Frieden und an Ruhelosigkeit - die Proportio- nen sind immer gleich. Wenn die Ruhelosigkeit eines Menschen sagen wir einmal zwei Milligramm wiegt, wird der Friede, den er erreichen wird, nicht mehr und nicht weniger als zwei Milligramm betragen. Und wenn seine Ruhelosigkeit zu tausend Tonnen anwächst, wird sein Frieden zu den gleichen tausend Tonnen anwach- sen. Unsere Fähigkeiten wachsen in beide Richtungen zugleich - dialektisch. Sie sind ko-extensiv. Wenn ich sehr empfindlich für alles Häßliche werde, muß ich zwangsläufig genauso empfindlich für alles Schöne werden. Der Mensch mit einem hohen Schönheitssinn wird auch einen hohen Sinn für Häßlichkeit haben. Natürlich wird das Häßliche ihn verletzen, aber die Schönheit wird ihn in gleichem Maße trösten.

In dem Maße, wie das Bewußtsein des Menschen sich ausdehnt, wird auch die Welt seiner Ängste wach- sen, weil jetzt die Ängste anderer in sein Bewußtsein eintreten. Der Mensch ist heute intelligenter als zuvor, und genau darum ist er so angsterfüllt und unglücklich. Aber unsere steigende Angst und unser Unglück ist kein Grund zu verzweifeln. Wir brauchen nicht zurück- zugehen und zur Vergangenheit zurückzukehren. Unsere neuen Schwierigkeiten und Probleme sind nur eine Herausforderung, und wir müssen die Herausfor- derung annehmen und weiter und vorwärts gehen. Wir müssen neue Arten des Friedens finden - einen Frie- den, der unserer Ruhelosigkeit ebenbürtig ist. Alte Wege genügen nicht; neue müssen gefunden werden.

Der Mensch steht heute am Rand eines Abgrunds! Und sein Bewußtsein nähert sich einem großen Sprung nach vorn, einem Quantensprung. Zum Beispiel: als der erste Affe vom Baum herun- terkam und zum ersten Mal auf zwei Beinen statt auf allen vieren lief, muß er sich sehr linkisch gefühlt haben. Und die älteren Affen, seine älteren Verwand- ten, die oben auf dem Baum sitzen blieben, müssen höhnisch über ihn gelacht und gesagt haben: „Was tust

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du da, du Narr! Wie idiotisch das aussieht! Gehört es sich für Affen, auf zwei Beinen zu laufen?" Und der Affe, der auf zwei Beinen ging, muß eine Menge Sor- gen und Ängste durchgestanden haben, jede Menge Leiden. Vielleicht hat ihm das Rückgrat wehgetan und er hat schlecht geschlafen. Aber genau von diesem Affen stammt die Menschheit ab und entwickelte sich zu ihrem gegenwärtigen Stand. In gleicher Weise wird das gereifte menschliche Bewußtsein von heute - wel- ches im Augenblick so viel Schmerzen durchmacht, daß es ihn an den Rand des Selbstmords treibt - bald eine neue Menschheit, eine höhere Menschheit, gebä- ren.

Das Auftauchen eines neuen Bewußtseins im Men- schen steht unmittelbar bevor. Und vergeßt nicht, die Primitiven, die immer noch in den Dschungeln leben, werden an diesem Quantensprung nicht teilhaben, noch werden die Heiligen und Priester, die in Tempeln und Moscheen sitzen und singen, an dieser großen Transformation teilhaben. Sie alle suchen Trost und Zufriedenheit, und sie haben solche Angst vor der Unzufriedenheit! Nur diejenigen Menschen werden bei der glorreichen Geburt des neuen Menschen eine Rolle spielen, die bereit sind, durch das Feuer der Unzufriedenheit zu gehen und den Mut besitzen, dar- über hinauszugehen. In dieser Hinsicht sind wir sehr arm dran als Volk. Wir können keine Hippies hervorbringen. Wir können nicht so angstvoll sein, wir können nicht so intensiv lei- den. Und die Konsequenz ist, daß wir auch diesen tie- fen Frieden nicht erreichen können. Amerika steht heute als Vorhut an vorderster Front, von wo aus der Sprung möglich wird. Es ist eine sehr kritische Situa- tion, und man mag oft versucht sein, davonzulaufen und sich zurückzuziehen. Das ist der Grund, warum Männer wie Mahesh Yogi Einfluß in Amerika besitzen. Leute, die sich panisch fühlen und lieber zurückgehen wollen, werden von Mahesh Yogi und seinesgleichen beeinflußt, die ihnen erzählen: „Wozu sich Sorgen

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machen, geh raus aus dem Schlamassel. Mach die Augen zu, sing ein Mantra und geh zurück zur Vergan- genheit." Aus dem gleichen Grund hat Gandhi Ame- rika mehr beeinflußt als sein eigenes Land. Der rück- wärts gerichtete Geist ist in Panik geraten und er sagt: „Dort vor uns gähnt ein Abgrund, laßt uns zurückge- hen! Gandhi hat recht, wenn er sagt, daß Technologie und Wolkenkratzer sinnlos sind."

Den Ruf „Zurück zur Vergangenheit" hat es schon immer gegeben und er hat uns nichts genützt. Wir müs- sen vorwärts gehen, es kann kein Zurück geben. Es geht einfach nicht. Und selbst wenn es ginge, es wäre viel zu gefährlich. Nichts läßt sich dadurch gewinnen, zur Vergangenheit zurückzukehren. Wenn ein Schüler der vierten Klasse in die erste Klasse zurückgehen möchte, weil da die Hausaufgaben leichter waren, dann hat es keinen Sinn. Und selbst wenn er wirklich zurückgeht, wird er es unsinnig finden. Er hat jetzt die Reife, die kommt, wenn man drei Klassen hinter sich hat. Er kann nicht in der ersten Klasse bleiben. Ebenso kann der Mensch heute mit seinem hochentwickelten Verstand nicht in die Zeiten Ramas zurückkehren. Er kann nicht in die Höhlen zurück. Natürlich mag er es genießen, sich zur Abwechslung einmal eine Zeitlang in die Wildnis zurückzuziehen. Vor kurzem bin ich mit etwa zwei Dutzend Freunden von mir aus Bombay nach Kaschmir gefahren. Genauer gesagt waren sie aus Bombay geflohen und hielten sich mit mir in Pahalgaon auf, einem besonders schönen Ort in Kaschmir. Der Mann, der in Pahalgaon für mich kochte, sagte mir jeden Tag, daß er dankbar wäre, wenn ich ihn nach Bombay mitnähme. Er würde es so gern sehen. Ich sagte zu ihm: „Du scheinst ver- rückt zu sein. Du siehst doch, diese Freunde hier mit mir, sie kommen aus Bombay, und sie sind hier, um Pahalgaon zu sehen. Du hast das große Glück, in Pahalgaon selbst zu leben. Genieße es lieber!" Darauf sagte er: „Das Leben ist hier so langweilig, daß ich mich frage, warum überhaupt Leute herkommen. Hier ist ja

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gar nichts. Ich sehne mich danach, Bombay zu sehen." Er möchte Bombay sehen, und ich wünsche ihm, daß er Gelegenheit bekommt, diese Stadt einmal zu sehen. Warum? Weil er dann in der Lage sein wird, auch Pahalgaon zu genießen. Das wird sein Gewinn sein, wenn er Bombay besucht.

Der Mensch muß vorwärts gehen. Ab und zu kann er in die Vergangenheit zurücktauchen, um ein wenig Urlaub zu machen. Das ist angenehm, aber eine Rück- kehr in die Vergangenheit überhaupt ist nicht möglich. Es ist etwas anderes, wenn ihr zum Spaß manchmal mit Spinnrädern im Rajghat, im indischen Parlament sitzt, wie es die politischen Führer tun. Es ist ein vergnügli- ches Hobby und ein billiges dazu, wenn ihr gelegentlich das Spinnrad zur Hand nehmt und euch dabei fotogra- fieren oder filmen laßt. Aber es wäre katastrophal, wenn wir das Spinnrad zum Kernstück unserer Indu- strie machen würden. In dem Moment würde das Spinnrad gefährlich.

Keine Kultur der Vergangenheit, sei sie nun hindu- istisch, mohammedanisch oder christlich, könnte den Menschen glücklich machen, wenn er zu ihr zurückkeh- ren würde. Der Mensch muß vorwärts gehen, muß in die Zukunft vorwärts gehen. In dieser Zukunft wird kein Hindu, kein Mohammedaner und kein Christ überleben; nur der Mensch wird überleben. In dieser Zukunft wird es nur noch den Menschen geben.

Die Zukunft gehört dem Menschen. Und wir müssen uns hier gemeinsam überlegen, wieviel Kreativität nötig ist, um diese Zukunft einzuleiten. Wir müssen uns ebenfalls überlegen, wieviel Wohlstand und Gesundheit nötig ist, um den Menschen glücklich zu machen, so daß er vor lauter Glück Musik spielt, sich auf die Suche nach seiner Seele macht und am Ende den Tempel Gottes betritt.

Es gibt noch viele Fragen zu beantworten. Ich werde sie morgen aufgreifen. Und wenn ihr noch mehr Fragen habt, könnt ihr sie mir schriftlich geben.

Ich bin euch dankbar, daß ihr meinen Worten

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schweigend und mit so viel Liebe zugehört habt. Und zum Schluß verbeuge ich mich vor dem Gott, der in jedem von euch wohnt. Bitte nehmt meinen Gruß ent- gegen.

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Ein demokratischer Sozialismus ist eine Lüge

Eine Reihe von Fragen sind entgegengenommen worden. Sie hängen mit den bisherigen Vorträgen zusammen. Ein Freund hat gefragt:

Im Laufe deiner Ausführungen über Sozialismus und Kommunismus hast du dem demokratischen Sozialismus keinerlei Beachtung geschenkt. Kannst du etwas über den demokratischen Sozialismus sagen?

Zunächst wird es nützlich sein, ein paar Dinge über den demokratischen Sozialismus zu verstehen. Ein demokratischer Sozialismus ist ein in sich widersprüch- licher Ausdruck; er ist die Kombination von zwei Wör- tern, die sich widersprechen. Das ist so, als würde man sagen, „der Sohn einer unfruchtbaren Frau", was eben- falls ein Widerspruch in sich ist. Wenn eine Frau einen Sohn hat, kann sie nicht unfruchtbar gewesen sein; und wenn sie unfruchtbar ist, kann sie keinen Sohn gehabt haben. Es steckt kein grammatischer Fehler in dem Ausdruck „der Sohn einer unfruchtbaren Frau", aber er kann nicht wahr sein. Genausowenig kann es so etwas wie einen demokratischen Sozialismus geben; es ist nur eine leere Phrase, ein bedeutungsloses Klischee. Warum?

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Demokratie und Sozialismus, jedenfalls der Sozialis- mus in seiner heutigen Form, können nicht zusammen- gehen, weil das eine das andere ausschließt. Allein schon bei der Einführung des Sozialismus muß die Demokratie zerstört werden. Der sogenannte Sozialis- mus läßt sich nicht einführen, ohne daß dabei die Demokratie umgebracht wird. Und es ist absolut wich- tig zu verstehen, warum die Demokratie verschwinden muß, damit der Sozialismus kommen kann.

Das allererste Prinzip, das fundamentale Prinzip der Demokratie ist, daß sie jedem individuellen Menschen die Freiheit gibt, zu leben, zu arbeiten, zu verdienen, zu produzieren und seine Produktion, sein Eigentum zu besitzen, zu gebrauchen und anzuhäufen. Es ist eines seiner Grundrechte. Das nächste fundamentale Prinzip der Demokratie gebietet, daß niemandem ein Unrecht geschehen darf. Und ein weiteres Grundprin- zip der Demokratie sagt, daß die Mehrheit die Minder- heit nicht irgendwelchen Ungerechtigkeiten unterwer- fen darf. Wenn in einem Dorf hundert Mohammedaner und zehn Hindus leben und die Mohammedaner beschließen, die Hindus zu töten, und sie behaupten, es auf demokratischem Wege tun zu wollen, weil die Mehrheit fürs Töten und nur die Minderheit dagegen ist, dann würden wir sagen, daß es verkehrt ist, daß es gegen die Demokratie verstößt. Demokratie bedeutet, daß selbst dann, wenn die Minderheit aus einem einzi- gen Menschen besteht, die Mehrheit ihm keine Unge- rechtigkeiten antun darf, daß sie ihm keines seiner Grundrechte rauben darf. Der Kapitalismus - oder der Kapitalist - ist heute eine Minderheit. Wenn die Mehrheit, für die der soge- nannte Sozialismus zu sprechen und zu arbeiten behauptet, die Demokratie dazu benutzt, diese Min- derheit zu vernichten, dann zerstört sie die Basis der Demokratie. Und Minoritäten ändern sich mit der Zeit. Heute ist die eine Gruppe eine Minderheit, mor- gen hat vielleicht eine andere ihren Platz eingenom- men. Nun sagen ein paar Leute, daß der Reichtum ver-

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teilt werden sollte - der eine sollte nicht mehr und die anderen nicht weniger haben - weil Reichtum Neid und Verbitterung weckt. Aber dann muß man fragen, ob es gerecht ist, wenn Leute, die nichts dazu getan haben, um den Reichtum hervorzubringen, die keinen Anteil an seiner Produktion hatten, die einfach nur zuge- schaut haben, jetzt, nachdem der Reichtum geschaffen wurde, aufstehen und seine Austeilung verlangen dür- fen.

Es ist interessant festzuhalten, daß jedesmal, wenn eine Erfindung gemacht wurde - eine Erfindung, die später zu einer großen Produktion verhalf - sie anfangs überhaupt nicht zu verkaufen war, überhaupt keine Käufer fand. Erfinder und Erneuerer sind eh und je für verrückte Leute gehalten worden.

Ich habe gehört, daß ein Wissenschaftler einmal einen Erfinder einer ganzen Reihe von Leuten vor- stellte, um ihnen seinen neuen Entwurf zu zeigen. Der Erfinder war bereit, seinen Entwurf für nur 50 Rupien zu verkaufen, aber niemand tat ihm den Gefallen. Der erste Entwurf des Automobils wurde für eine Ausge- burt des Wahnsinns gehalten, und genau so war es mit dem ersten Entwurf des Flugzeugs. Niemand war bereit, die Entwürfe zu kaufen und auszuprobieren, weil man nicht wirklich glauben konnte, daß sie loh- nenswert seien. Es müssen Männer von einmaligem Mut gewesen sein, die an diesen neuen Plänen und Ent- würfen arbeiteten und damit die Türen zu einer nie dagewesenen Produktion öffneten. Aber jetzt, wo der Wohlstand da ist, melden sich alle, die untätig zuge- schaut und die Pioniere verrückt und wahnsinnig genannt hatten, und fordern einen Anteil an diesem Reichtum und sagen, daß der Reichtum allen gehört.

Eine Handvoll Menschen hat den Reichtum geschaf- fen, aber sobald er geschaffen wurde, erheben alle Leute, die nichts zu seiner Produktion beigesteuert haben, Anspruch auf einen Besitzanteil. Aber das ist es nicht, was Demokratie bedeutet. Demokratie bedeu- tet, daß der Produzent sein Produkt besitzen sollte.

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Und wenn er es verteilt, an andere austeilt, dann ist das sein Vergnügen. Aber die Leute mit den angeblichen Ansprüchen haben kein Recht dazu. Und sollen es je eine Sache des Rechts werden, dann weiß niemand, wo diese Sache noch hinführen wird.

Wohlstand ist eine Schöpfung von Intelligenz und Talent. Wir beneiden heute diese Intelligenz und sagen, daß der Reichtum gleichmäßig verteilt werden sollte. Mit dem gleichen Recht werden wir morgen sagen, daß wir es nicht mit ansehen können, daß einige Leute schöne Frauen haben, während andere häßliche haben. Wir werden sagen, daß dies Ungleichheit ist, daß es nicht geduldet werden kann; jeder sollte die glei- chen Rechte auf schöne Frauen haben.

Wir werden das dann nicht zu Unrecht sagen, weil es im Grunde die gleiche Logik ist; da ist absolut kein Unterschied. Und am nächsten Tag werden wir dann sagen, daß es unerträglich ist, daß eine Handvoll Leute intelligent sind, während andere dumm sind. Auch das ist Ungleichheit; wir fordern die gerechte Verteilung der Intelligenz und der Talente. Auch das ist die gleiche Logik, die die gerechte Verteilung des Reichtums ver- langt.

Aber der ganze Ansatz ist antidemokratisch. Tat- sächlich ist jeder Mensch anders und einmalig. Jeder Mensch wird mit deutlich unterschiedlichen Anlagen geboren, und jeder wird sein eigenes Potential suchen und entwickeln und erschaffen, was zu erschaffen er bestimmt wurde. Und als solche wird seine Schöpfung ihm gehören. Und wenn er sie mit anderen teilt, tut er es aus seiner eigenen Freude heraus. Aber wir haben nicht das Recht, es zu fordern; es wäre ausgesprochen ungerecht.

Der Sozialismus aber heißt viele solcher Ungerech- tigkeiten gut, denn es ist leicht, die Mehrheit dafür zu gewinnen, Ungerechtigkeiten zu billigen. Aber Unge- rechtigkeit wird nicht Gerechtigkeit und Lüge wird nicht Wahrheit, nur weil die Mehrheit dafür ist. Die Freiheit, Privateigentum zu besitzen, ist eins der funda-

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mentalen Menschenrechte, und die Demokratie bejaht dieses Recht des Individuums. Wenn also jemand sagt, daß ein Sozialismus mit Demokratie möglich ist, lügt er einfach. Der Sozialismus bricht das fundamentale Prin- zip der Demokratie. Demokratie und Sozialismus kön- nen nicht zusammengehen.

Das zweite ist, daß der Sozialismus von den hohen Werten, auf denen seine Philosophie beruht, redet; er kann sie nie erreichen. Es wird sich also lohnen, etwas ausführlicher auf einige dieser Werte einzugehen.

Freiheit ist vielleicht der höchste Wert im Leben des Menschen. Es gibt keinen höheren Wert als diesen, weil die Freiheit die Voraussetzung für alle menschli- che Entwicklung ist. Das ist der Grund, warum Gefan- genschaft oder Sklaverei der schlimmste Zustand menschlicher Existenz ist und Freiheit deren bester und schönster. Und der Sozialismus kann nicht eingeführt werden, ohne die Freiheit zu bekämpfen und zu zerstö- ren. Es ist natürlich möglich, daß die Mehrheit einwil- ligt, die Freiheit der Minderheit zu zerstören. Aber es bleibt trotzdem unfair und ungerecht. Die Zerstörung der Freiheit kann niemals demokratisch sein.

Die Freiheit des Denkens ist der eigentliche Lebens- nerv der Demokratie; sie ist ihre eigentliche Seele. Aber der Sozialismus kann Freiheit des Denkens nicht ertragen, weil Freiheit des Denkens auch die Freiheit einschließt, für den Kapitalismus zu sein. Das ist etwas, was der Sozialismus schwer schlucken kann. Der Sozia- lismus möchte den Kapitalismus mit Stumpf und Stil ausrotten, und darum muß er die Freiheit des Denkens zerstören. Und es ist undenkbar, wie der Sozialismus noch demokratisch sein kann, wenn er erst einmal das Recht des einzelnen auf Besitz von Eigentum und auf Gedankenfreiheit zerstört hat.

Ein demokratischer Sozialismus ist eine unverfro- rene Lüge. Tatsache ist, daß das Wort Demokratie Achtung genießt und der Sozialismus auf diese Acht- barkeit nicht verzichten will. Das ist der Grund, warum Rußland demokratisch ist, China demokratisch ist und

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sie allesamt demokratisch sind. Der Mensch kann Worte in großem Stil mißbrauchen. Er kann Satan untaufen zu Gott. Wer kann es verhindern? Das ist nicht leicht.

Laßt keinen Zweifel daran, daß Demokratie ein Wert ist, der mit dem Kapitalismus einhergeht und nicht mit dem Sozialismus. Und wenn Demokratie leben soll, kann sie nur mit dem Kapitalismus leben; sie kann nicht mit dem Sozialismus leben. Demokratie ist ein unveräußerlicher Bestandteil der kapitalistischen Lebensweise, und als solche kann sie nur mit dem Kapi- talismus einhergehen.

Ganz ähnlich gibt es andere Werte - wir sind uns ihrer nicht einmal bewußt - die sehr leicht zerstört wer- den können. Und sie werden bereits zerstört. Das Indi- viduum ist der höchste aller Werte. Aber in den Augen des Sozialismus ist nicht das Individuum, sondern das Kollektiv, die Menge, an höchster Stelle. Und der Sozialismus bejaht, daß das Individuum für das Kollek- tiv, für die Gesellschaft geopfert werden kann. Das Individuum ist tatsächlich schon immer im Namen gro- ßer Prinzipien geopfert worden, und zum Wohle gro- ßer und edel klingender Wörter. Manchmal wurde es zum Wohl der Nation geopfert und manchmal zum Wohl der Religion und manchmal zum Wohl des Korans, der Gita und unzähliger anderer Dinge. Aber der Mensch weigert sich, aus der Geschichte zu lernen. Wenn alte Altäre verschwinden, schafft er neue her und hört nicht auf, das Individuum darauf zu opfern. Der Sozialismus ist solch ein neuer Altar.

Wenn der Mensch überhaupt etwas aus seiner Geschichte lernen soll, dann diese Lektion: Das Indivi- duum darf für nichts auf der Welt geopfert werden. Selbst die größte Nation hat nicht das Recht, das Opfer auch nur eines einzigen Menschen zu fordern. Selbst die größte „Menschheit" hat nicht das Recht, einen individuellen Menschen um ihretwillen zu opfern-weil der individuelle Mensch eine lebendige Bewußtheit ist, und weil es gefährlich ist, diese lebendige Bewußtheit

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auf dem Altar eines Systems oder einer Organisation zu opfern, mögen sie noch so großartig sein. Denn das System ist eine leblose Struktur, ein totes Etwas, und es ist nicht recht, einen lebendigen Menschen einem toten System zuliebe zu opfern.

Aber wir haben uns längst daran gewöhnt, den ein- zelnen Menschen dafür zu töten. Und selbst heute suchen wir noch nach neuen Perspektiven, nach neuen Altären, auf denen der einzelne geopfert werden kann. Der neue Altar ist der Sozialismus.

Sozialismus ist nicht demokratisch. Der Sozialismus, den man uns aufzuzwingen versucht, kann niemals demokratisch sein. Es gibt nur einen Weg für den Sozialismus, auf dem er kommen kann, ohne die Frei- heit zu opfern - und zwar wenn er auf dem natürlichen Weg, wenn er mühelos kommt, von sich aus. Andern- falls ist es für den Sozialismus nicht möglich, demokra- tisch zu sein.

Erst heute sagte ein Freund zu mir, daß er in irgend- einer Zeitung von einem einmaligen kleinen Inselchen irgendwo im Pazifik gelesen habe. Die Bevölkerung dieser Insel ist nicht groß, vielleicht leben hundert Leute dort. Aber die Insel ist so reich an Phosphormi- nen, und diese Minen werfen soviel Wohlstand ab, daß jeder einzelne mindestens 8000 Rupien daran verdient. Auf dieser Insel ist niemand arm, ist niemand reich, einfach weil es wenig Menschen gibt, dafür aber viel Reichtum.

Diese kleine Insel ist im Augenblick vielleicht die erste sozialistische Gesellschaft auf dieser Erde. Aber die Leute auf dieser Insel wissen nicht mal, daß sie eine sozialistische Gesellschaft sind - sie brauchen es nicht zu wissen.

Überfließender Reichtum und eine geringe Bevöl- kerungszahl sind die Voraussetzungen für den Sozialis- mus.

Der Freund erzählte mir noch von einer einmaligen Sitte, die es auf dieser Insel gibt und vielleicht nir- gendwo sonst. Wenn jemand bei einer Familie zu Gast

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ist und irgendetwas bewundert - sagen wir das Radio im Wohnzimmer - dann wird das Radio dem Gast sofort zum Geschenk gemacht, weil sie meinen, wenn jemandem etwas besonders gefällt, dann soll er es auch haben. Es gehört in Wirklichkeit ihm. Diese Sitte exi- stiert dort, weil sie überfließenden Reichtum haben und sich jegliches Klammern an Besitz erübrigt.

Eines Tages können wir den Sozialismus auf der gan- zen Erde haben. Er ist notwendig, und er wird kom- men, wenn die Sozialisten es nicht zu eilig haben. Aber wenn die Sozialisten es weiterhin so eilig haben wie jetzt, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß der Sozialismus nie kommt. Er wird bis in alle Ewigkeit auf sich warten lassen. Der Sozialismus wird kommen, sobald wir eine Situation geschaffen haben, in der es einen Überfluß an Reichtum gibt und weniger Men- schen. Aber dann werden wir nicht wissen, wann er kam, wie er kam. Er wird leise kommen, so wie alles Wichtige im Leben.

Da ist noch etwas anderes, das unsere Aufmerksam- keit verdient und genau verstanden werden muß. Viele Freunde beschweren sich darüber, ich hätte gesagt, Arbeit spiele bei der Produktion von Reichtum keine Rolle. Ich habe nie gesagt, daß Arbeit bei der Produk- tion von Reichtum keine Rolle spielt. Ich habe nur gesagt, daß Arbeit früher oder später ein unwesentli- cher Faktor bei der Produktion von Waren sein wird. Schon seit geraumer Zeit verliert sie mehr und mehr an Stellenwert. Arbeit spielt eine Rolle bei der Produk- tion von Reichtum, aber sie war nie der zentrale Fak- tor, der fundamentale Faktor der Produktion, sie spielt nicht die Hauptrolle. Der eigentliche Faktor, der Schlüsselfaktor ist der Geist des Menschen - seine Intelligenz, sein Talent. Nur durch seine Intelligenz hat der Mensch neue Dimensionen entdeckt, Reichtum zu schaffen.

Außerdem muß man sich klarmachen, daß Arbeit keine haltbare Ware ist; sie stirbt schnell und ohne zu warten, wenn sie nicht genutzt wird. Ungenutzte

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Arbeitskraft stirbt jeden Tag. Wenn ich heute nicht gearbeitet habe, dann kann meine ungenutzte Arbeits- kraft in keinem Tresor zum künftigen Gebrauch aufge- hoben werden.

Ich werde die Arbeit, die ich hätte tun können, wenn ich heute gearbeitet hätte, nie wieder tun, weil Arbeit nicht aufgehoben werden kann. Sie geht jeden Tag ver- loren. Sie ist nicht haltbar. Es ist nicht so, daß ein Arbeiter der Ausbeutung dadurch entgeht, daß er sein ganzes Leben lang nicht auf dem Feld oder in der Fabrik arbeitet. Er wird trotzdem sterben, denn Arbeit läßt sich nicht aufheben; sie kann nicht in einem Safe hinterlegt werden. Der Kapitalismus ist das erste System, das Mittel und Wege fand, um Arbeit zu erhal- ten. Er hat Arbeit, eine nicht-haltbare Ware, in Form von Geldlöhnen haltbar gemacht; d.h., er hat sie zu Kapital gemacht. Auch das hat erst der Kapitalismus möglich gemacht. Wenn ich am heutigen Tage arbeite und fünf Rupien von meinem Lohn spare, ist das halt- bar gemachte Arbeitskraft. Hätte sie sich nicht in die Form der Rupien verwandelt, wäre sie vertan gewesen. Es ist nicht so, daß meine unverausgabte Arbeitskraft auch in dem Fall bei mir verblieben wäre, wenn ich nicht gearbeitet hätte, um Lohn in Form von Geld zu verdienen. Aber es wäre skurril zu behaupten, daß ich eine Arbeit im Wert von zehn Rupien getan, aber nur fünf dafür bekommen hätte. Tatsache ist: Wenn ich überhaupt nicht gearbeitet hätte, wäre meine Arbeit keine einzige Paisa wert gewesen. Es ist zwar wün- schenswert, daß mir eines Tages zehn Rupien statt der fünf bezahlt würden, die ich im Augenblick bekomme, aber das heißt nicht, daß diese zehn Rupien dadurch möglich werden, daß der kapitalistische Produktions- modus zerstört wird. Nein, dieses System muß erhalten bleiben und immer weiter entwickelt werden. In seiner heutigen Form ist das kapitalistische System dürftig. Und glaubt nicht - wie viele Freunde gesagt haben - daß ich das System, so wie es ist, unter-stütze. Das System, so wie es ist, muß ungeheuer ver-

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bessert und entwickelt werden. So, wie es ist, ist es pri- mitiv; es ist erst das ABC des Kapitalismus. Aber das sozialistische Geschrei kommt seinem Wachstum sehr ungelegen und wird es nicht weiter wachsen lassen, wenn es nach ihm geht. Aber wenn der Kapitalismus sich entwickeln darf, wird es durchaus möglich sein, dem Arbeiter statt der heutigen fünf Rupien zehn, oder gar zwanzig Rupien zu zahlen. Es wird sogar möglich sein, den zu bezahlen, der nicht arbeitet. Und wenn wir eine volle technologische Revolution hinter uns haben werden - sie bahnt sich schon an - ist es durchaus denk- bar, daß Leute, die Arbeit wollen, weniger bezahlt bekommen, und Leute, die sich bereiterklären, das Nichtstun zu genießen, mehr bezahlt bekommen. Das wird so sein, weil die Brauchbarkeit der Arbeit mit sehr vielen anderen Dingen zusammenhängt.

Wenn morgen deine Stadt mit allen möglichen voll- automatischen Maschinen ausgestattet wird, werden bald Zehn tausende von Menschen arbeitslos sein. Aber was wollt ihr mit dem riesigen Wohlstand anfan- gen, den diese automatischen Maschinen produzieren werden? Ihr werdet ihn in Form eines finanziellen Aus- gleichs an die unbeschäftigten Menschen austeilen müssen. Aber der eine oder andere von ihnen mag dann sagen, daß er nicht vierundzwanzig Stunden lang tatenlos herumsitzen kann, daß er mindestens zwei Stunden Arbeit pro Tag braucht, weil er sonst verrückt wird.

So jemand wird weniger ausgezahlt bekommen müs- sen, weil er beides will: Arbeit und Geld. Und ein ande- rer, der bereit ist, untätig herumzusitzen und sich nur mit Geld zufrieden gibt, wird mehr bezahlt bekommen müssen als der, der Arbeit fordert.

Das kann in fünfzig Jahren möglich sein, falls das kapitalistische Produktionssystem voll entwickelt und automatisiert wird und man aufhört, es von allen Seiten zu torpedieren.

Die Methoden der Sabotage sind hinterhältig; sie sind nicht leicht zu erkennen. Auf der einen Seite

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schreien die politischen Führer, daß das Land arm ist, und daß Produktion, mehr Produktion, das Gebot der Stunde sei; und auf der anderen Seite kassieren sie immer höhere Steuern genau von den Leuten, die mehr produzieren. Das ist absolut idiotisch. Wenn es euch wirklich ernst damit ist, Reichtum zu produzieren, muß das ganze Besteuerungssystem radikal verändert wer- den. Leute, die mehr produzieren, sollten weniger Steuern zahlen, und diejenigen, die weniger produzie- ren, sollten herangezogen werden, um mehr Steuern zu zahlen. Wer jährlich Waren im Wert von 200000 Rupien produziert, sollte weniger Steuern zahlen als der, der nur Waren im Wert von 100000 Rupien produ- ziert. Ähnlich sollte der Produzent von Waren im Wert von 500000 Rupien weniger zahlen als der, der Waren im Wert von 200000 Rupien produziert. Wer, sagen wir, Waren im Wert von einer Million Rupien in einem Jahr produziert, sollte völlig von allen Steuern freige- stellt werden. Und wer Waren im Wert von zehn Mil- lionen produziert, den sollte die Regierung sogar im Gegenteil bezahlen.

Nur so kann Reichtum, überfließender Reichtum entstehen. Der Schlüssel zur Produktion ist die Motiva- tion. Wenn ein Unternehmer heute 200000 Rupien Profit hat, wird er gezwungen, 90 Prozent seines Ein- kommens in Form von Steuern abzugeben. Und wenn ein anderer Unternehmer - sagen wir mal - 500 000 ver- dient, muß er sein gesamtes Einkommen drangeben, um seine Steuern zu bezahlen. Und im Fall, daß jemand es wagt, eine Million Rupien zu verdienen, muß er seine Aktien verkaufen, um seine Steuern zu bezahlen. Und unter diesen Umständen denkt der Pro- duzent - und er denkt es zu recht - daß es sinnlos ist zu produzieren. So hindert ihr also gerade diejenigen, die Reichtum produzieren können, und singt Loblieder auf die allergrößte Gruppe, die Bequemen, die überhaupt nichts produzieren und verdienen. Kann es eine bes- sere Methode geben, ein Land zugrundezurichten? Die Lobeshymnen, mit denen man die Massen

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besänftigen will, mögen im Augenblick angenehm sein, aber sie werden sich als sehr kostspielig und gefährlich erweisen.

Es ist interessant festzuhalten, daß die große Mehr- heit der Menschheit vollkommen unkreativ ist. Diese Mehrheit gibt sich damit zufrieden, zu essen und Kin- der zu zeugen. Sie hat nichts anderes getan. Nur ein sehr kleiner Bruchteil der Menschheit hat sich kreativ betätigt und Großes geleistet. Egal auf welchem Gebiet, sei es Dichtung oder Malerei, wirtschaftliche Produktion, Wissenschaft oder Religion - nur eine Handvoll Männer und Frauen haben den Gipfel der Kreativität erstiegen. Die Tragödie ist, daß es ausge- rechnet diese Menschen sind, die in den Schmutz gezo- gen, in ihrer Entwicklung gehemmt und unterdrückt werden.

Und es ist zudem eine sehr absurde Logik: Einerseits sagt ihr, daß dringend mehr Wohlstand nötig ist, und auf der anderen Seite lobt ihr diejenigen, die keinerlei Reichtum haben. Und warum haben sie keinen Reich- tum?

Sie sind seit Millionen von Jahren auf dieser Erde. Ihre Vorfahren waren hier. Habt ihr je darüber nachge- dacht, warum sie keinen Reichtum hatten? Sie produ- zieren Kinder und keinen Reichtum - und so sind sie immer arm geblieben. Es ist erstaunlich, daß den Schöpfern des Reichtums deswegen Schuldgefühle gemacht werden, daß sie wie Kriminelle behandelt und von der Gesellschaft ans Kreuz geschlagen werden. Ihr einziges Verbrechen ist, daß sie nicht Kinder hervorge- bracht und faul am Wegrand gesessen haben wie der Rest der Menschheit. Und ihr schlimmstes Verbrechen ist, daß sie Wohlstand produziert haben. Jetzt wollen die, die an dieser Produktion von Reichtum keinen Anteil hatten, sich dafür rächen. Sie wollten sie mit der Begründung abwürgen, daß sie Ausbeuter seien. Das ist wirklich seltsam. Dieser Reichtum ist nicht durch Ausbeutung zustande gekommen; er wurde durch große Intelligenz und harte Arbeit geschaffen. Er

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wurde durch das Abenteuer des Geistes in alle mögli- chen Richtungen geschaffen.

Aber wir denken nicht darüber nach und wir sind entschlossen, alle zu vernichten, die Reichtum und Wohlstand hervorbringen. Das ist durchgängig unsere seltsame Logik. Es ist ein grundlegender Widerspruch.

Vor kurzem besuchte ich ein Familienplanungszen- trum. Das ganze Land und die Regierung führen gerade eine Kampagne gegen kinderreiche Familien durch, um die Bevölkerungsexplosion in Indien unter Kontrolle zu bekommen. Aber unsere Logik steht überall auf dem Kopf. Wenn wir Familienplanung wol- len, ist es notwendig, darüber umfassend nachzuden- ken. Hier verhält es sich genauso, wie ich es eben schon an dem Beispiel erklärt habe - der Produzent sollte jede Art von Ermutigung und Anreiz bekommen, doch das Gegenteil ist der Fall: Er wird bestraft und verfolgt. Und wie soll er produzieren können, wenn er dafür bestraft wird? Die Leute, die nicht produktiv sind, wer- den es auch so nicht werden. Und diejenigen, die pro- duzieren können, werden ihre Hände verzweifelt in den Schoß legen, und als Konsequenz davon wird das Land leiden und zugrundegehen. Es kann niemals reich sein.

Als ich in dem Zentrum ankam, sah ich, daß eine Menge Propaganda für die Wichtigkeit der Familien- planung im Gange war. Ich fragte den leitenden Beam- ten des Zentrums, ob er über das Verhältnis der Ein- kommensteuer für Junggesellen und verheiratete Paare und von Familien mit Kindern Bescheid wüßte. Der Beamte sagte, es gäbe nicht den geringsten Zusam- menhang zwischen Einkommensteuer und Familien- planung. Ich sagte ihm darauf, in dem Fall gäbe es keine Verbindung zwischen Intelligenz und Familien- planung.

Wenn die Regierung die Familie begrenzen will, sollte sie hohe Steuern von allen fordern, die mehr als die vorgeschriebene Zahl Kinder hervorbringen. Aber genau das Gegenteil geschieht auch an dieser Front.

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Eltern mit vielen Kindern zahlen sehr viel weniger Steuern, als Eltern mit weniger oder gar keinen Kin- dern. Und dieses Gesetz wirkt sich gegen die Gebur- tenkontrolle aus. Wenn sie Erfog haben soll, muß man von Eltern mit mehr Kindern höhere Steuern fordern als von anderen mit weniger oder gar keinen Kindern. Eine Familie mit drei Kindern - wenn wir die Grenze einmal bei drei ziehen - sollte sehr viel weniger Steuern zahlen als die Familie mit mehr als drei Kindern. Wenn eine Familie die Zahl von fünf überschreitet, dann soll- ten Schulen und Krankenhäuser dazu angehalten wer- den, für die Ausbildung und Behandlung dieser Kinder mehr Geld zu verlangen. Nur dann werden sich Fami- lien gezwungen sehen, ihre Zahl einzuschränken.

Aber im Augenblick erhalten Eltern mit einer grö- ßeren Anzahl von Kindern höhere Vergünstigungen bei der Einkommensteuer. Junggesellen zahlen höhere Steuern als Verheiratete. Das ist vollkommen idio- tisch. Junggesellen sollten völlig von den Steuern befreit werden, oder wenn sie Steuern zahlen müssen, dann sollten sie sehr viel niedriger eingestuft werden, so daß junge Leute aufs Heiraten verzichten oder erst spät heiraten. Auf der anderen Seite sollten verheira- tete Leute stärker belastet werden, so daß Heiraten teuer wird. Und richtet die Einkommensteuerklassen so ein, daß sie langsam mit der Zahl der Kinder steigen. Dann bekommt das staatliche Management ein System, eine Logik; ansonsten ist die ganze Sache, so wie sie ist, einfach lächerlich. Was soll es heißen, wenn ihr einerseits schreit, die Familien müßten kleiner wer- den und gleichzeitig weiter Leute belohnt, die uferlose Familien haben? Das gleiche Chaos herrscht auf dem Gebiet der Pro- duktion. Und genauso ist es in vielen anderen Dimen- sionen des Lebens auch, daß wir einfach aus Mangel an einer klaren Perspektive vor uns hintreiben. Wenn wir der Armut ein Ende setzen wollen, dann müssen der Produktion alle Tore geöffnet werden. Für die, die das Talent haben, zu produzieren, muß jede Möglichkeit

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und jeder Anreiz bereitgestellt werden. Wenn die Armut des Landes reduziert werden soll, dann sollte aus der ganzen Welt Kapital eingeladen werden, in Indien zu investieren. Aber wir glauben, daß Men- schen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, uns ausbeuten wollen. Ich habe es schon einmal gesagt: Wenn Arbeitskraft nicht genutzt wird, verdirbt sie ein- fach.

Wenn also ausländisches Kapital hier investieren darf, kann es die gesamte ungenutzte Arbeitskraft die- ses Landes in soliden Reichtum verwandeln. Aber wir haben Angst, ausgebeutet zu werden. Das ist ein sehr verkehrter Gedankengang. Internationales Kapital wird uns nicht ausbeuten; im Gegenteil: es wird uns ungeheuer helfen, es wird das gewaltige unbeschäftigte Menschenpotential dieses Landes nutzen, welches im Augenblick nur Tag für Tag verlorengeht. Wie die Wasser des Ganges und des Narmada - wenn ihr sie nicht nutzt, verschwinden sie im Ozean. Wenn wir es nicht vermögen, unsere Arbeitsenergie zu nutzen, die wir in Hülle und Fülle besitzen, wird sie in den Kosmos verschwinden und uns für immer verlorengehen. Laßt sie uns nutzen und in Reichtum verwandeln. Nur so kann sie bewahrt werden.

Aber wir sind ein seltsames Volk. Wir sagen, daß es nichts ausmacht, wenn ein Arbeitswert von zehn Rupien ungenutzt verpufft, aber wir sind nicht bereit, für fünf Rupien zu arbeiten und uns die anderen fünf nehmen zu lassen, so als hätten wir fünf Rupien in bar bei uns und jemand wollte sie an sich reißen. Nein, so ist es nicht; niemand beraubt euch.

Diese ganze Theorie der Ausbeutung ist voll von Unsinn. Der Kapitalismus ist ein Instrument, Arbeitskraft in Reichtum zu verwandeln. Und wenn man dem Kapita- lismus erlaubt, sich ungehindert zu entfalten, kann er Wege finden, die gesamte Arbeitskraft des Landes in Reichtum zu verwandeln. Aber die Sozialisten sagen, daß sie alles - die Produktionsmittel und die Arbeits-

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kraft - dem Staat in die Hände geben wollen. Die Iro- nie ist, daß die Politiker die unfähigste und wertloseste Klasse von Leuten auf der Welt sind und immer schon waren.

Hierfür gibt es einen Grund. In allen menschlichen Lebensbereichen wird nämlich Wert auf Leistung gelegt, außer in der Politik. Nur in der Politik haben Leistung und Verdienst keinerlei Wert. Jemand, der in einem Schuhladen keine Einstellung als Schuhverkäu- fer finden kann, kann ohne weiteres Erziehungsmini- ster eines Landes werden - da gibt es keine Schwierig- keit. Denn ein Erziehungsminister braucht keinerlei Bildungsqualifikationen vorzuweisen. Tatsache ist, daß die Politik das Asyl, und zwar das einzige Asyl, für Leute ist, die nirgendwo hinpassen und die nichts im Kopf haben.

Jemand, der überhaupt keine Qualifikationen besitzt, ist für Politik qualifiziert. In der Politik brau- chen die, die diese Arena betreten wollen, keine beson- dere Qualifikation, kein Spezialwissen. Es ist ein selt- samer Beruf, der nichts anderes verlangt, als Slogans zu rufen und ein paar Anhänger um sich zu versammeln. Und was tut so einer, wenn er Erziehungsminister wird? Universitätsrektoren und Akademiker tanzen wie Lakaien um ihn herum, und sie setzen ihre Dau- menabdrücke dorthin, wo sie ihre Unterschrift schrei- ben sollten. Es ist eine einzige Verhöhnung des Bil- dungssystems, daß es von Polikern geleitet wird, die nicht mal ihre Namen schreiben können. Einer, der nichts von Medizin versteht, wird Gesundheitsminister und soll sich um die Gesundheit des ganzen Landes kümmern. Die Politik - die nichts als ein Schonraum für Schwachköpfe ist, will nun auch noch den Reichtum des Landes übernehmen. Sie sagt, daß Handel, Kom- merz und Industrie, einschließlich aller Produktions- mittel, in die Hand des Staates übergehen soll, der nur ein anderer Name für den Politiker ist. Also werden Politiker das ökonomische Leben des Landes managen und kontrollieren. Es scheint, daß sie sich geschworen

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haben, das Land für immer zu ruinieren. Und sie wer- den es tun; sie werden sich nicht eher zufriedengeben.

Meine Vision ist anders. Und zwar, daß man den Politiker nur dann hindern kann, die menschlichen Gesellschaften der Welt zugrundezurichten, wenn man ihn daran hindert, direkte Kontrolle über den Staat, über Regierung und Gesamtorganisation zu gewinnen. Die gewählten Vertreter des Volkes sollen selbstver- ständlich das Parlament bilden. Aber das Parlament oder die Mehrheitspartei im Parlament wird nicht das Kabinett oder den Ministerrat bilden. Die Mehrheits- partei soll hochqualifizierte, erfahrene Spezialisten fin- den, Experten aus den verschiedensten Bereichen der Administration - wie Erziehung, Gesundheitswesen, Finanzen usw. - und mit diesen dann den Ministerrat bilden. Zum Beispiel wäre es die Aufgabe der Mehr- heitspartei, den besten Erziehungswissenschaftler für den Job des Erziehungsministers zu suchen. Ähnlich wird sie den besten Arzt zum Gesundheitsminister machen. Das Recht, die Experten für das Kabinett aus- zusuchen, wird ganz gewiß der Mehrheitspartei gehö- ren, aber keine Volksvertreter werden selbst als Erzie- hungsminister oder Gesundheitsminister oder über- haupt als Minister ernannt.

Was wir im Augenblick haben, ist Mob-o-kratie; es ist ganz sicher keine Demokratie. Es ist völlig in Ord- nung, daß das Volk seine Vertreter für das Parlament wählt, aber klar festgelegte Aufgabe der Mehrheitspar- tei im Parlament soll es sein, die besten Leute auszusu- chen, verdiente Leute, die all die verschiedenen Berei- che und Funktionen der Regierung zu verwalten fähig sind. Sie soll dafür sorgen, daß die ausgesuchten Mini- ster voll für ihre verschiedenen Aufgaben qualifiziert sind. Dann werden wir statt der Mob-o-kratie, die wir jetzt haben, eine Meriiokratie bekommen. Solange Demokratie nicht mit Meriiokratie - Herrschaft der Erfahrensten - verbunden wird, wird sie ein Werkzeug in den Händen von unwissenden und dummen Leuten bleiben. Und solange Demokratie nicht mit Meritokra-

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tie verbunden wird, wird Demokratie das Instrument zum Niedergang und zur Erniedrigung des Menschen sein; sie kann niemals das Instrument zu seiner schön- sten Entfaltung und seinem Ruhm werden.

Ich bin absolut dafür, daß das Volk seine Vertreter wählt. Das ist sein Recht - aber das Volk hat nicht das Recht, seinen Vertreter zum Erziehungsminister des Landes zu machen. Den Volksvertretern steht so viel Recht zu: nach dem besten Erziehungswissenschaftler zu suchen und ihn einzuladen, die Verantwortung des Erziehungsministers auf seine Schultern zu nehmen. Das Kabinett, und somit die Verwaltung des Landes, sollte in den Händen der Erfahrensten liegen. Merito- kratie bedeutet die Herrschaft der Experten, der Spe- zialisten, der qualifizierten Leute; sie ist die Herrschaft der verdienten Leute.

Wir leben im Zeitalter der Spezialisierung - wir haben selbst für die kleinsten Lebensdinge Speziali- sten. Die Tage sind vorbei, wo man nur zu seinem Dorfarzt zu gehen brauchte, der einem den Puls abnahm und Arznei verschrieb, ohne erst zu fragen, ob man an Bauchschmerzen oder an Kopfschmerzen litt. So war es in den Tagen vor aller Spezialisierung, als der Dorfarzt noch angeblich alles wußte. Die Dinge haben sich seither geändert.

Ich habe gehört, daß eine Frau - fünfzig Jahre in der Zukunft - einen Arzt aufsuchte und ihm sagte, sie hätte Sehschwierigkeiten. Der Arzt nahm sie mit ins Behandlungszimmer und fragte, welches ihrer beiden Augen ihr Schwierigkeiten mache. Als sie auf ihr linkes Auge zeigte, sagte der Arzt: „Tut mir leid, ich bin ein Spezialist für rechte Augen. Der Spezialist für linke Augen wohnt im Nachbargebäude."

Selbst ein einzelnes Auge ist etwas so Großes, daß ein Arzt für beide Augen nicht weit kommen wird. Selbst ein einzelnes Auge ist ein riesiges Phänomen - viel zu komplex in sich. Es erfordert Spezialwissen und seinen eigenen Spezialisten. Das Auge ist ganz sicher ein komplexes Organ. Aber

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das allerkomplexeste Organ ist der Staat, und der liegt in den Händen der allerunfähigsten, der allerunerfah- rensten und ungeschultesten Leute. Sie werden das Land immer weiter in den Ruin treiben. Und ausge- rechnet die, die keine Ahnung haben, wollen alles monopolisieren. Sie wollen alle Macht für sich. Neben der politischen Macht wollen sie auch noch die ökono- mische Macht monopolisieren. Sie wollen Handel und Industrie, ja alles in Händen haben. Selbst Wissen- schaft und Religion werden nicht ausgespart - sie wol- len alles unter der Sonne. Das mag zwar ihr Wunsch sein, aber wenn wir ihnen auch noch erlauben, sich ihre Wünsche zu erfüllen, ist garantiert Gefahr angesagt.

Das ist der Grund, warum ich euch diese Idee der Meritokratie vorschlage. Meritokratie ist nicht gegen Demokratie. Meritokratie ist vielmehr ein Konzept, das demokratisch vorgeht. Und früher oder später, mit zunehmener Erkenntnis, wird die Wichtigkeit des Spe- zialisten auf der ganzen Welt deutlich werden. Viel- leicht wird früher oder später alles in den Händen des Experten, des Wissenden liegen.

Ein Freund hat mir folgenden Kommentar geschickt:

So, wie du sagst, daß die Kapitalisten es verstehen, Reichtum zu produzieren, hatten die Brahmanen ein- mal den Anspruch, allein Wissen produzieren zu kön- nen. Wo sind diese Brahmanen und ihr Monopol des Wissens heute? Heute produziert jeder Wissen, und genauso werden alle Menschen Reichtum produzieren, wenn die Kapitalisten erst einmal verschwunden sind.

Ich möchte diesem Freund sagen, daß er sich nicht bewußt ist, was wir in Indien hierüber gesagt haben. Wir haben nicht gesagt, daß nur der Brahmane Wissen produzieren kann; was wir gesagt haben ist, daß derje- nige, der Wissen produziert, ein Brahmane ist. Und das ist auch heute noch so; es ist der Brahmane, der auf der ganzen Welt Wissen erzeugt. Einstein ist ein Brah- mane, kein Geschäftsmann. Und Bertrand Russell ist

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ein Brahmane, und ebenso Marx. Allesamt sind sie Brahmanen. Wäre Marx in Indien geboren worden, wäre er schon längst Maharishi - ein großer Seher. Aber was meine ich mit „Brahmane"?

Niemand ist von Geburt an Brahmane. Es war ein schwerwiegender Fehler und dazu eine Ungerechtig- keit, den Begriff des Brahmanen mit Geburtsrecht zu verknüpfen. Die Vorstellung, daß es vier Menschenty- pen auf dieser Erde gibt, ist sehr bedeutsam. In dieser Vorstellung steckt tatsächlich eine tiefe Erkenntnis.

Der Irrtum schlich sich erst ein, als sie mit Geburts- recht verbunden wurde. Niemand ist ein Brahmane von Geburt - oder ein Geschäftsmann oder ein Krieger von Geburt. Aber es gibt Leute, für die wird die Suche nach Erkenntnis geradezu zu ihrem Atem, zu ihrer Seele. Es gibt Menschen, die mit der gleichen Leiden- schaft und Bereitschaft nach Reichtum streben. Dann gibt es andere, die die Macht suchen, so, als wäre sie ihr Leben. Und schließlich gibt es Menschen, deren zen- trales Lebensthema Arbeit, Plackerei ist.

Diese Theorie der vier Typen - der Brahmane, der Wissende; der Kshatriya, der Krieger; der Vaishya, der Händler; der Shudra, der Arbeiter - hatte tiefe Bedeu- tung. Als sie aber mit Geburtsrecht verknüpft wurde, wurde sie krankhaft und verzerrt. Aber an sich war die Sache sehr anders. In ihrem wahren Sinn bedeutete die Theorie, daß es nur vier Typen von Menschen auf der Welt gibt. Und diese Vorstellung ist selbst heute noch nicht überholt; sie wird nie überholt sein.

Es gibt nur vier Typen, nicht mehr. Es gibt Menschen, die Reichtum hervorbringen kön-

nen, und es sind wenige. Es ist nicht notwendig, daß der Sohn eines Reichen Reichtum hervorbringen muß; er mag etwas anderes tun. So enthält diese Systemvorstel- lung ein fließendes Element. Aber einige werden mit dem Talent geboren, Reichtum hervorzubringen; das werden die guten Geschäftsleute sein. Und einige andere können Wissen hervorbringen. Hier gehört Karl Marx hin, der zwanzig Jahre in der Bibliofhek des

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britischen Museums verbrachte, um „Das Kapital" schreiben zu können. Er war immer so in seine Studien vertieft, daß ihn der Museumsbeamte jeden Abend, wenn die Bibliothek schloß, bewußtlos in seinem Stuhl fand und ihm helfen mußte, nach Hause zu gehen. Er hatte den ganzen Tag über soviel gelesen, daß er abends ohnmächtig wurde. Dieser Mann ist ein Brah- mane. Tatsache- ist, daß Erkenntnis nicht ohne den Brahmanen Zustandekommen kann. Wer immer Erkenntnis in die Welt trägt, ganz gleich wo, gehört zur Kategorie der Brahmanen. Und ebenso können nur ein paar Menschen Reichtum hervorbringen.

Und nach Macht und Politik zu streben, ist etwas anderes, als nach Reichtum zu streben. Wenn die Pas- sion für Politik stimmig und rein ist, dann gehört dies Streben in die Kategorie des Kriegers. Der Krieger geht total im Streben nach Macht auf und verausgabt sein Leben in diesem Streben. Und der Shudra, der Arbeitertyp wird nicht von der Erde verschwinden. Natürlich darf niemand von Geburt ein Shudra sein. Ein Shudra ist ein Menschentyp, der arbeitet, ißt, sich fortpflanzt und stirbt.Und viele Menschen sind Shu- dras, Arbeiter; sie sind überall auf der Welt zu finden. Sie sind in den Familien der Brahmanen, Krieger und Geschäftsleute zu finden. Shudra ist kein abschätziger Begriff. Shudra ist jemand, der nichts weiter tut, als die Grundbedürfnisse der Natur zu erfüllen. Er arbeitet nur, ißt, schläft, zeugt Kinder und stirbt. Er beendet sein Leben auf der Ebene eines Tieres.

Aber wir sind gewohnt zu denken, daß jemand dann ein Brahmane ist, wenn er in der Familie eines Brahma- nen geboren wurde. Den Brahmanen von Geburt gibt es nicht mehr. Und den Geschäftsmann von Geburt wird es nicht mehr lange geben. Aber wenn jemand das Talent hat, Reichtum zu produzieren, sollte sicherge- stellt werden, daß er dies Talent frei ausüben darf. Ähnlich sollte der Arbeiter frei sein zu arbeiten, ebenso wie der Wißbegierige frei sein sollte in seiner eigenen Bahn.

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Der Sozialismus wird sich jedem Streben in den Weg stellen; er wird selbst das Wissen unter seine Kontrolle nehmen. Im heutigen Rußland wird die Suche nach Wissen im Keim erstickt. Auf allen möglichen Gebie- ten darf weder Wissen gesucht noch gefunden werden. Wenn in Rußland jemand den Bereich der Meditation erforschen will, ist es einfach unmöglich. Es gibt keine Möglichkeit, im heutigen Rußland Sannyasin zu sein. Der Sannyasin sucht ebenfalls, und wer kann sagen, ob sein Suchen sich nicht als das letztendliche entpuppt? Wenn alles Wissen sich erschöpft hat und gescheitert ist, könnte sich das Suchen des Sannyasin vielleicht als das richtige erweisen. Denn immerhin sagt ein For- scher wie Einstein am Ende seines Lebens, daß er nach all seinem Suchen an einen Punkt kam, wo er nur noch sagen konnte, daß er nichts wußte. Je mehr er suchte, desto mehr fand er, daß er unwissend war. Und je mehr er suchte, desto mehr fand er, daß es noch immer eine ganze Unendlichkeit zu entdecken gab. Am Ende konnte er nur eines sagen: daß das Leben ein Myste- rium ist - anfanglos und endlos.

Nun, dieser Mann ist ein Sannyasin; er ist unmittel- bar am Ufer des Geheimnisvollen angelangt. Aber in Rußland darfst du nicht vom Geheimnisvollen spre- chen. Die Suche nach Gott ist verboten; sie gilt für gefährlich. Dies bedeutet, daß es keine Möglichkeit in Rußland gibt, ein Brahmane zu sein. Selbst die Suche nach Reichtum ist verboten.

Erst heute hat mir jemand berichtet, daß Ford von der russischen Regierung eingeladen wurde, eine Motorenfabrik in ihrem Lande einzurichten. Jetzt laden sie schon Ford aus Amerika ein, und dabei haben sie in den letzten fünfzig Jahren die Möglichkeit zer- stört, daß in Rußland selbst ein Ford geboren werden könnte. Ford hätte auch in Rußland passieren können; es wäre nicht nötig gewesen, ihn von Amerika zu im- portieren - doch sie mußten. Warum? Was ist passiert? Auch Rußland hatte einmal seine Klasse von Geschäftsleuten, mit dem Genie, Reichtum hervorzu-

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bringen. Was ist aus ihr geworden? In einem Zeitraum von fünfzig Jahren hat die sozialistische Regierung sie entmündigt, unterdrückt und schließlich zerstört. Sie liegt im Augenblick in Ketten. Sie kann keinen Finger rühren.

Der Sozialismus gibt keinem dieser vier Menschen- typen Freiheit. Und darum ist für mich der Sozialismus unmenschlich. Der Kapitalismus ist auf der anderen Seite ein humanistisches System, welches allen mögli- chen Leuten die volle Freiheit, und zwar in allen Lebensbereichen, gibt - zu wachsen und sie selbst zu sein. Wenn er im Augenblick diese volle Freiheit nicht gewährt, dann muß alles getan werden, damit es pas- siert. Wenn es irgendwelche Hindernisse gibt, müssen sie ausgeräumt werden. Aber es gibt Leute, die sagen: „Warum die Krankheit loswerden? Laßt uns den Kran- ken selbst loswerden!" Sie sagen, daß es keinen Zweck hat, den Patienten zu behandeln. Tötet ihn besser. Allerdings, der Kapitalismus hat Fehler, aber sie lassen sich ausräumen. Aber die Sozialisten behaupten, er hätte so viele Fehler, daß es besser sei, das System selbst abzuschaffen. Sie wissen nicht, daß der Tod des Kapitalismus sich als das Totenglöckchen des Men- schen selbst erweisen könnte.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch an etwas anderes erinnern.

Gestern nannte ich Gandhi einen Bania, einen Geschäftsmann, und einige Freunde fühlten sich dadurch verletzt.

Gandhi war ein Geschäftsmann; er war ein Geschäftsmann in dem gleichen Sinn, wie ich mich auf eben vier menschliche Typen bezogen habe. Jemand hat gesagt, ich hätte einen abschätzigen Begriff auf ihn angewendet. Einige Leute halten „Geschäftsmann" für einen abschätzigen Begriff. Selbst der Geschäftsmann fühlt so. Aber kein Wort ist abschätzig. „Geschäfts- mann" ist rein faktisch; es ist ein Menschentypus. Und ich sage, daß Ghandi kein Brahmane ist, kein Krieger, kein Arbeiter. Seine Grundpersönlichkeit ist die eines

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Geschäftsmannes. Aber das ist nur eine Tatsachenfest- stellung. Es schließt keine Verdammung ein.

Wir sind so schwach in unserem Denken geworden, daß wir nur die Sprache des Lobes und der Verdam- mung kennen; wir akzeptieren keine Tatsache als sol- che, akzeptieren nicht, daß es so etwas wie eine „Tatsa- che" gibt. Wenn ich sage, daß der und der an Tuberku- lose leidet, sagt er vielleicht, ich hätte ihn verleumdet. Aber es ist einfach Tatsache, daß er an Tbc leidet - mit Verdammung hat das nichts zu tun. Ich habe Gandhi nur deshalb einen Geschäftsmann genannt, weil er ein Geschäftsmann ist. Ich hatte nicht die geringste Absicht, ihn zu verdammen. Seine gesamte Persönlich- keit war so. Aber der Freund möchte, daß ich ein paar weitere Beispiele gebe. Tausend Beispiele könnte man geben, aber ich werde nur ein paar erwähnen.

Mahavir Tyagi spricht in seinen Memoiren von einem solchen Vorfall. Eines Tages besuchte Gandhi seine Stadt und sprach am Abend zu einem großen Publikum. Am Ende der Veranstaltung bat er seine Zuhörer um Spenden. Viele Leute gaben Geld; Frauen schenkten ihren Schmuck, wie Ohrringe, Armbänder und Fußkettchen. Gandhi nahm sie entgegen und häufte sie aufs Podium. Ehe er die Versammlung ver- ließ, bat er Mahavir Tyagi, ihm die Spenden nach Hause zu bringen.

Tyagi kam etwa gegen Mitternacht in Gandhis Haus. Er glaubte, Gandhi sei zu Bett gegangen; er glaubte auch, bis zum nächsten Morgen damit warten zu kön- nen, Gandhi aufzusuchen. Aber er hatte keine Ahnung von der Mentalität eines Geschäftsmannes. Er geht nie zu Bett, bevor er nicht seine Buchführung abgeschlos- sen hat. Und so war er überrascht, den alten Mann noch zu so später Stunde hellwach zu finden.

Kaum war Tyagi eingetroffen, erkundigte sich Gandhi, ob er alles vom Versammlungsort mitgebracht habe, öffnete augenblicklich die Tasche und prüfte deren Inhalt. Er endeckte, daß ein Ohring fehlte. „Keine Frau wird nur einen einzigen Ohrring geben; sie

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wird alle beide spenden. Geh bitte zu dem Versamm- lungsplatz zurück und suche den anderen", sagte er zu Tyagi. Ein todmüder Mahavir Tyagi ging um ein Uhr morgens zum Versammlungsplatz zurück und fand mit Hilfe einer Gaslampe den fehlenden Ohring. Als er wieder zu Gandhis Haus zurückkehrte, glaubte er wie- der, Gandhi sei jetzt schlafen gegangen. Aber nein, wieder fand er den alten Mann wach. Als er den Ohr- ring entgegennahm, war er zufrieden und sagte zu Tyagi: „Jetzt kannst du gehen. Die Rechnung stimmt."

Ich habe nichts Abschätziges über Gandhi gesagt. Dies ist auch eine Mentalität. Mit Verurteilung hat das nichts zu tun. Und hätten wir die Persönlichkeit Gan- dhis richtig verstanden, hätte das einen großen Unter- schied im Leben Indiens ausgemacht. Denn wenn die Führung dieses Landes in den Händen eines Geschäfts- mannes lag, dann war die Gefahr unvermeidlich. Die Aufgabe, die sich Gandhi, ein Geschäftsmann, stellte, war in Wirklichkeit Sache eines Kriegers. Bhagat Singh hätte sie gut gemacht; Subhas Bose hätte sie sogar noch besser gemacht. Aber so konnte es nicht geschehen. Und Gandhi tat, was sein Typ zu tun fähig war.

Das Land wurde geteilt, und die Unabhängigkeit, die wir bekamen, war verstümmelt und leblos; denn der Geschäftsmann ist immer für den Kompromiß; er kann es sich nicht erlauben, ein Extremist zu sein. Er sagt: „Einigen wir uns auf fifty-fifty." Indiens Teilung war das Ergebnis von Gandhis Führerschaft. Weil die Mentalität des Geschäftsmanns keine Lust zum Kämp- fen hat, zieht er den Kompromiß vor. Er glaubt an eine Vereinbarung, die auf Geben und Nehmen basiert. Er meidet Konflikt und Konfrontation. Ob Gandhi das deutlich ausgesprochen hat, darum geht es nicht. Durch die Führerschaft Gandhis gewann das Land die Mentalität eines Geschäftsmannes. Ganz genau das ist der Grund, warum Gandhi mit den Briten zurechtkam. Denn auch sie sind ein Volk von Geschäftsleuten. Die Briten hätten sich mit kei- nem anderen so gut einig werden können. Es wäre

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unmöglich gewesen, mit Bhagat Singh oder Subhas Bose zu einer Einigung zu kommen. Mit Gandhi wur- den sie sich einig, weil sie alle den gleichen Typ von Mentalität hatten. Die Briten sind im Grunde Geschäftsleute, die durch Zufall Herrscher über ein Land wurden und Macht ausübten. Und der Mann, der ihnen entgegentrat, war zu ihrem Glück ebenfalls ein Geschäftsmann. Es ist überraschend zu sehen, wie sehr die britische Regierung Gandhi jede Art von Schutz gewährte - so hatte sich noch nie auf Erden eine Regie- rung gegenüber ihrem Erzfeind aufgeführt. Wir Inder konnten Gandhi, nachdem die Briten Indien verlassen hatten, nicht am Leben erhalten. Aber solange sie im Lande waren, blieb er am Leben. Es ist eine ausgespro- chen interessante Episode der Geschichte.

Die Briten gewährten Gandhi ihren vollen Schutz, weil ihnen klar wurde, daß er ihnen früher oder später nützlich sein würde. Also lohnte es sich, mit ihm auf gutem Fuß zu stehen. Wären andere an seiner Stelle gewesen, wäre es schwierig geworden, mit ihnen fertig zu werden. Zwischen ihm und den britischen Herr- schern Indiens existierte eine Art innere Kommunion. Zu dieser Beziehung mußte es zwangsläufig kommen, weil sie so natürlich war - sie gehörten zur gleichen Kategorie, was ihre mentale Struktur betraf. Sie ver- standen einander, und so kam zwischen ihnen ein Ein- vernehmen zustande.

Das ist der Grund, warum Indien seine Unabhängig- keit nicht gewinnen konnte; sie kam als Geschenk. Und so eine Unabhängigkeit ist schlimmer als Sklaverei. Unabhängigkeit wird abgerungen, wird erkämpft, ist nicht durch Betteln zu haben. Unabhängigkeit ist nicht durch Verhandlungen und Kompromisse zu haben; sie wird immer nur unwilligen Händen entrissen. Und eine Freiheit, die abgerungen wurde, ist lebendig und dyna- misch; sie hat ihre Verve und eigene Vitalität; und eine Unabhängigkeit, die als Geschenk gewährt und entge- gengenommen wird, ist so gut wie eine Leiche. Es war eine glanzlose Unabhängigkeit, die Indien 1947 in den

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Schoß fiel; ihr fehlte der Ruhm und die Größe, die nun einmal dazugehört. Und sie kam mit all den häßlichen Konsequenzen einer geschenkten Unabhängigkeit.

Gandhi wurde nie müde, die Gewaltlosigkeit zu pre- digen, weil ein Geschäftsmann sich Gewalt nicht leisten kann. Habt ihr euch schon einmal die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, daß der Teerthankara der Jains, Mahavir, ein kshatriya ist, ein Krieger, die Gemeinde dagegen, die sich um ihn versammelt hat, ausschließlich aus Händlern besteht? Mahavir ist Krie- ger, und die vierundzwanzig Teerthankaras der Jains sind Krieger, aber kein einziger Jain ist ein Krieger - alle Jains sind Geschäftsleute. Was ist passiert? Es gibt keinen anderen Grund als die Tatsache, daß die Gewaltlosigkeit auf die Kaufmannsschicht eine tiefe Anziehungskraft ausübte. Mahavirs Gewaltlosigkeit machte einen tiefen Eindruck auf das Gemüt der Krä- mer. Ähnlich befand sich die Kaufmannsmentalität in Indien in Einklang mit Gandhis Gewaltlosigkeit. Sie sagte, Gandhi hatte recht: Wenn wir keine Gewalt gegen andere anwenden, werden andere auch keine Gewalt gegen uns anwenden. An Gandhis Führung lag es, daß das Prinzip der Gewaltlosigkeit zur Basis einer ganzen Unabhängigkeitsbewegung wurde. Indien mußte ungeheueres Unglück durchmachen, weil seine Unabhängigkeitsbewegung gewaltloser Art war.

Es war ein enormes Unglück, daß Gandhi nicht erlaubte, daß die Gefühle von Haß und Gewalt, die ganz natürlich in der Seele Indiens den Briten gegen- über hochkamen, sich ausdrückten. Er unterdrückte es. Wann immer sich ein wenig Gewalt zeigte, geriet der Geschäftsmann in Gandhi in Panik und zog sich zurück, so als hätte er laut gedacht: „Krämer können sich keine Gewalt erlauben, sie sind allemal für Kom- promisse." Er zog sich jedesmal zurück. Mir fällt eine Geschichte ein; es ist vielleicht eine von den Volkslegenden Rajasthans. Die Geschichte sagt, daß es einmal einen Krieger, einen kshatriya in einem Dorf gab, der sehr stolz auf seinen Schnurrbart war; er

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symbolisierte seine Männlichkeit. Den ganzen Tag lang saß er vor seinem Haus und zwirbelte die Enden seines Schnurrbarts nach oben. Er üeß im Dorf bekanntge- ben, daß niemand, dessen Schnurrbartenden nach oben zeigten, an seinem Haus vorbeikommen dürfe.

Eines Tages kam ein Kaufmann, der sich gerade im Dorf niedergelassen hatte und einen Schnurrbart trug, zufällig an dem Haus des Kriegers vorbei und zwirbelte die Enden seines Schnurrbarts nach oben. Der Krieger hielt ihn an und sagte: „He da, Krämer; hör auf die Enden deines Schnurrbarts nach oben zu zwirbeln." Der Kaufmann sagte: „Wer bist du, daß du mir solche Befehle geben kannst?" Der Krieger stand auf und gab dem Kaufmann ein Schwert mit den Worten: „Da, nimm dies Schwert und laß uns die Sache ein für allemal regeln."

Der Kaufmann war wie vor den Kopf gestoßen. Er hatte sich nicht träumen lassen, daß die Sache so extrem sein konnte. Er sagte: „Okay, aber bevor wir uns duellieren, laß uns eine notwendige Pflicht erfül- len. Im Fall meines Todes werden meine Frau und Kin- der leiden. Und wenn du stirbst, wird deine Frau zur Witwe und deine Kinder werden betteln müssen. Es wird besser sein, wenn jeder von uns erst nach Hause geht und mit seinen Angehörigen abschließt. Und dann können wir unsere Rechnung begleichen."

Der Krieger war sofort einverstanden. Wäre er intel- ligent gewesen, hätte er sich nicht so aufgeblasen wegen seines Schnurrbarts. Der Kaufmann ging nach Hause, und der Krieger auch. Der Krieger tötete seine Frau und seine Kinder, kehrte auf seine Bank zurück und zwirbelte an seinem Schnurrbart. Als der Kauf- mann zurückkam, hatte er keinen Schnurrbart mehr. Er hatte ihn abrasiert. Und er sagte: „Ich fand es sinn- los, wegen einer solchen Lappalie auf Leben und Tod zu kämpfen. Also habe ich mir den Schnurrbart abra- siert!"

Es ist eine Frage der Mentalität; es hat nichts Abschätziges an sich. Damit ist nur gesagt, daß der

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Krieger so ist und der Kaufmann so. Es ist keine Verur- teilung.

Jedesmal wenn Gandhi in Schwierigkeiten geriet, ob es nun die Chaurichaura-Episode war oder wann immer es zu gewalttätig wurde, zog er sich sofort zurück. Er hielt es für besser, seinen Schnurrbart abzu- rasieren. Wozu kämpfen? Die Konsequenz war, daß der Haß und die Gewalt des indischen Volkes gegen die Briten, die einfach natürlich waren, unterdrückt wur- den. Und aufgrund dieser Unterdrückung fingen die beiden größten Religionsgemeinschaften Indiens, die Hindus und die Mohammedaner, miteinander zu kämpfen an, und im ganzen Land kam es zu blutigen Aufständen. Hätte Indien Großbritannien offen bekämpft - mit dem Schwert - hätten die Hindus und Mohammedaner nicht untereinander gekämpft. Da wir nicht gegen die Briten kämpfen durften, mußte der unterdrückte Haß, die aufgestaute Gewalt, irgendwo anders ihr Ventil finden. Wohin mit ihr? Und sie fand ein Ventil in Zusammenstößen zwischen Hindus und Mohammedanern, in einem gewaltsamen Bruderkrieg.

Alle Welt glaubt, daß Gandhi sein Bestes versuchte, den Bruderkrieg zwischen Hindus und Mohammeda- nern zu verhindern. Aber ich sage, daß er für die ganze Tragödie verantwortlich war. Man kann das ganz leicht einsehen, wenn man mit den Entdeckungen der moder- nen Psychologie vertraut ist. Das Gefühl von Haß und Gewalt gegenüber den fremden Herrschern war so übermächtig - und außerdem ganz natürlich - daß es die britische Herrschaft in Brand gesteckt und aus Indien hinausgeworfen hätte. Eine so gewaltige Ener- gie wurde unterdrückt, und sie mußte andere Wege fin- den, um sich auszudrücken. Sie hätte nichts anderes tun können. Ein Beispiel: In irgendeinem Büro arbeitet ein klei- ner Angestellter. Eines Tages schnauzt ihn sein Chef an. Er ist so verletzt, daß er am liebsten den Chef erdrosseln möchte, aber er kann es einfach nicht; es ist undenkbar. Und so unterdrückt er seine Wut, legt ein

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falsches Lächeln auf und wedelt weiter wie gewöhnlich um den Chef herum.

Dann fährt der Angestellte abends nach Hause. Beobachtet sein Fahrrad! Er tritt mit viel Kraft in die Pedale. Warum? Er macht einfach nur seiner unter- drückten Wut gegen den Chef Luft. Am liebsten hätte er ihn mit Schuhen getreten, aber er konnte es nicht. Jetzt tritt er gleichsam die Pedale mit den selben Schu- hen. Und er fährt schnell. Jetzt sollte seine Frau wissen, daß ihr Herr und Ehemann auf dem Weg nach Hause ist, nachdem er Schwierigkeiten mit seinem Chef gehabt hat. Aber sie hat nicht die geringste Ahnung. Sie freut sich, daß ihr Mann nach Hause kommt. Der Mann weiß ebensowenig, was er tun wird, sobald er zu Hause ankommt. Aber ihr könnt sehen, daß er jetzt anstelle seines Chefs seine Frau erwürgen wird. Er wird tausend Ausreden finden, um sie zu bestrafen - das Brot zum Abendessen ist angebrannt, das Bett ist nicht gemacht, und so weiter und so fort. Und er knöpft sie sich vor, er verprügelt sie. In Wirklichkeit müßte er den Chef verprügeln, aber das hat er sich nicht getraut. Also sucht sich die Wut einen neuen Weg und nimmt sich die Frau zur Zielscheibe.

Der Haß hat sich in ihm aufgestaut; jetzt bricht er aus. Wenn du in deinem Haus die Kanalisation ver- stopfst, wird sich überall Schmutz ausbreiten. Genauso wie ein Haus Kanalisation braucht, so braucht auch unsere Aggression einen Ausweg. Und wenn sie das richtige Ventil nicht haben darf, wird sie sich ein fal- sches suchen. Und die Gewalt, die am falschen Ort zum Ausdruck kommt, fügt euch mehr Schaden zu, als die, die am richtigen Ort ausgedrückt wird. Und genauso war es. Aber die Frau ist genauso hilflos; sie kann es dem Mann nicht heimzahlen und ihn verprügeln. Bis jetzt haben Ehefrauen diesen Mut noch nicht aufgebracht... aber sie sollten das. Die Ehemänner selbst haben den Ehefrauen beigebracht, ihre Männer seien Götter. Nun ist es gefährlich, einen Gott zu verprügeln, obwohl

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die Frau durchaus ihre Zweifel hat. Was soll das für ein Gott sein, der seine Frau ohne Grund verprügelt? Aber sie muß glauben, was man ihr zu glauben beigebracht hat.

Also wartet die Frau des Angestellten nun ihrerseits darauf, daß ihr Sohn aus der Schule kommt. Das alles sind unbewußte Umleitungen. Der Sohn kommt aus der Schule nach Hause; ihm ist nicht bewußt, was zwi- schen seinem Vater und seiner Mutter passiert ist. Er kommt nach Hause und singt ein Lied aus einem Film. Die Mutter packt ihn sofort beim Kragen und sagt: „Was singst du da für schmutzige Lieder?" Es ist genau das gleiche Lied, das er schon gestern abend und vorge- stern abend geträllert hatte. Und die Mutter selbst hat es gesungen, und der Vater auch. Ihre Vorfahren haben es auch schon getan - dieses Lied ist absolut nichts Neues - aber heute will die Mutter ihn fast dafür erdrosseln, daß er ein unanständiges Lied gesungen hat.

Nun, was soll der Sohn tun? Soll er seine Mutter zurückschlagen? Aber so zivilisiert ist die Welt noch nicht. Also geht er in sein Zimmer, nimmt seine Puppe und zerreißt sie in Stücke.

Die Psyche hat ihre eigene Energie. Gandhi führte die natürliche Energie Indiens auf Abwege, indem er sie blockierte, indem er sie unterdrückte. Hätte sich die Gewalt Indiens gegen die Briten richten können - wohin sie ganz natürlich tendierte - hätte es einen kla- ren Kampf gegeben, aus dem ein großartiges Land her- vorgehen konnte. Dann wäre Indien nicht in zwei Teile geteilt worden. Es wäre eins und ganz geblieben. Ein direkter Kampf mit der britischen Macht hätte uns als Volk diszipliniert, hätte unserer Energie Form und Klarheit verliehen und uns unsere eigene Würde und Größe gegeben. Ein mutiger und sauberer Kampf mit den fremden Herrschern hätte uns mit Hoffnung und Zuversicht, mit Schwung und Vitalität erfüllt; das hätte unser Leben lebendig, saftig und schön gemacht. Aber das durfte nicht sein.

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Aber das Schwert mußten wir trotzdem gebrauchen, und wir richteten es gegen unser eigenes Volk. Darum kam es zu dem Zusammenstoß zwischen Hindus und Mohammedanern, und sie stießen zusammen wie die Barbaren. Und wer ist verantwortlich für die massive Gewalt, die dieses Land in die Luft sprengte, nachdem es am 15. August 1947 unabhängig wurde?

Leute, die sagen, daß die britische Regierung die beiden Religionsgemeinschaften gegeneinander aufge- hetzt und so den Bruderkrieg angestiftet hätte, sind unehrlich. Es gibt Leute, die sagen, daß Mr. Jinnah dafür verantwortlich war. Andere sagen andere Dinge. Nein, das ist nicht wahr. Keiner von ihnen, weder Jin- nah noch die Briten, steckten hinter dem Holocaust. Der wirkliche Grund war, daß ein Vulkan des Hasses und der Gewalt in der Psyche Indiens schwelte, aber kein Ventil hatte. Kaum war Indien also unabhängig, sah der unterdrückte Vulkan seine Chance gekommen und brach aus. Der Schmerz von Jahrhunderten von Sklaverei fand ein Ventil. Das Land wurde geteilt und Millionen Menschen wurden getötet. Zu dem Preis von einer Million Menschenleben hätten wir den Briten schon lange vorher unsere Freiheit abringen können. Wenn eines schönen Morgens eine Million Menschen auch nur die Entschlossenheit gezeigt hätten, für die Freiheit ihres Landes zu sterben, hätte die britische Regierung schon am nächsten Morgen ihre Koffer gepackt. Aber es durfte nicht sein.

Wenn ich sage, daß Gandhi ein Geschäftsmann war, sage ich es nach reiflicher Überlegung. Und ich habe nicht die geringste Absicht, ihn zu verleumden. Und ihr werdet euch selbst einen Gefallen tun, wenn ihr ihn als das nehmt, was er ist - einen Geschäftsmann. Dann werdet ihr in Zukunft vorsichtiger mit ihm sein. Wenn dieses Land irgendwie vom Krämergeist geprägt wird, kann es niemals die Dynamik, den elan vital haben, ohne den wir als Volk so gut wie tot wären.

Der Händler hat seine Nützlichkeit. Er hat seinen Platz in der Gesellschaft, und er ist wertvoll. Ähnlich

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wie der Krieger seinen Platz in der Gesellschaft hat und nützlich und wertvoll ist. Der Gelehrte ist ebenso nütz- lich und wertvoll. Und der Arbeiter ebenfalls. Sie alle haben ihren klar umrissenen Zweck und ihren Wert. Und was das Menschliche betrifft, so ist niemand weni- ger oder mehr wert als der andere.

Aber man muß sich völlig klar machen, daß der Soziaüsmus diese unterschiedlichen Typen radikal aus- löschen wird, weil er sie nicht akzeptiert. Er sagt, daß alle Menschen gleich sind - aber alle Menschen sind nicht gleich.

Ein Freund hat eine Frage, und ein paar andere Freunde haben die gleiche Frage mit Variationen gestellt. Sie wollen wissen, mit welcher Autorität ich sage, daß Gandhi gegen die Eisenbahnen, Telegraphen und Flugzeuge war. Sie sagen ebenfalls, daß ich mich irre, wenn ich dies sage.

Ich frage mich, was ihr dann überhaupt gelesen habt. Ihr braucht nur Gandhis Hind Swaraj zu lesen, und ihr werdet sehen, daß Gandhi die modernen Maschinen und die Technologie tausendfach mehr denunziert als ich es hier erwähnt habe. Aber das Buch Hind Swaraj wurde weit zurück im Jahre 1905 geschrieben, und man mag sagen, daß es nicht richtig sei, einen Menschen, der 1948 starb, nach seinen Schriften von 1905 zu beur- teilen. Da gebe ich ihm recht. Aber in diesem Zusam- menhang gibt es einen Brief von Gandhi, den er an Jawaharlal Nehru im Jahre 1945 geschrieben hat. Nehru hatte bei Gandhi schriftlich angefragt, ob er immer noch an seiner Feindschaft gegenüber Eisen- bahnen und Telegraphen festhalte, wie er sie einst in seinem Buch Hind Swaraj zu Papier gebracht hatte. Gandhi schrieb an Nehru zurück - und das im Jahre 1945 - daß er zu jedem Wort stehe, das er in Hind Swa- raj geschrieben habe. Es scheint, daß die Fragesteller kein Wort lesen. Sie haben gesagt, daß ich die Fakten nicht kenne. Aber die Wahrheit ist: Gandhi selbst hatte schon

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nicht viel Bildung, und seine Anhänger haben noch viel weniger. Nach meiner Erkenntnis ist Gandhi der unge- bildetste Mann unter den großen Männern dieses Jahr- hunderts. Er wußte nichts von den großen Entdeckun- gen der Gegenwart. Er wußte nichts von Freud oder Jung. Und alles, was er über das Zölibat sagte, war dreitausend Jahre alt und ist heute überholt. Er hatte keine Ahnung von den wissenschaftlichen Studien über Geburtenkontrolle. Er las Marx 1942 im Gefängnis und ich zweifle, ob er ihn gründlich gelesen hat. Sein Ver- ständnis des Marxismus jedenfalls ging nie sehr tief. Natürlich hatte er die Gita und das Ramayana gelesen, aber die Gita und das Ramayana sind Bücher für die Analphabeten auf den Dörfern, nicht für die Gebilde- ten. Gandhi war schwach im Lesen und schwach im Denken, und seine Anhänger, so scheint es, lesen noch nicht einmal die Schriften ihres Anführers.

Ein letztes Wort. Ein anderer Freund hat gesagt, ich hätte meine Behauptung, zwischen Gandhis Überzeu- gungen und seiner Praxis sei ein Widerspruch gewesen, nicht genügend illustriert.

Ich möchte gern ein paar Beispiele geben. Gandhi predigte sein ganzes Leben lang die Gewaltlosigkeit. Aber seine eigene Persönlichkeit war gewalttätig, absolut gewalttätig. Er wurde nie müde, von Gewaltlo- sigkeit zu reden. Ihr fragt vielleicht, wie ich so etwas sagen kann. Wir müssen diese Sache sehr sorgfältig begreifen.

Wenn ich dir ein Messer auf die Brust setze und sage, daß ich dich umbringen werde, wenn du nicht akzep- tierst, was ich sage, dann wirst du sagen, daß ich ein gewalttätiger Mensch bin. Jetzt dreht einfach die ganze Sache um. Statt daß ich das Messer dir auf die Brust setze, setze ich es mir auf die Brust und sage, daß ich mich selbst töten werde, wenn du nicht akzeptierst, was ich sage. Werde ich jetzt ein gewaltloser Mensch? Wird man gewaltlos dadurch, daß man einfach nur die Rich- tung des Messers umdreht? Oder seine Zielscheibe wechselt?

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Sein ganzes Leben lang hat Gandhi diese Drohung benutzt, hat er diesen Druck ausgeübt, daß er sich selbst töten würde, wenn man seinen Standpunkt nicht akzeptiere. Das ist Zwang, das ist Gewalt. Gandhi bezwang Dr.Ambedkar durch Fasten. Er konnte ihn nicht im Herzen umstimmen, obwohl er unzählige Male fastete und Fastenzeiten anfing, die zum Tode führen sollten. Kein einziges Herz wurde auf diesem Wege umgestimmt, obwohl Gandhi immer von „Her- zenswandel" sprach - das sei der Zweck seiner Fasten- zeiten. Ambedkar gab einfach nur unter Druck nach und akzeptierte Gandhis Forderungen. Später hat Ambedkar gesagt, daß Gandhi sich nicht einbilden dürfe, sein Herz verändert zu haben. Er glaubte immer noch, daß er im Recht war und Gandhi im Unrecht. Aber er unterwarf sich, weil er erkannte, daß es zuviel wäre, wenn Gandhi aufgrund seiner Ansprüche sein Leben verlöre. Im Herzen änderte sich kein bißchen bei ihm. Er gab nach, weil Gandhi Zwang ausübte. Gandhi setzte ständig diese Art von Gewalt ein.

Ob du damit drohst, dich selbst zu töten oder andere, ist völlig egal, es ist Gewalt. Beide Drohungen sind gewalttätig. Aber wir bemerken es nicht und wir denken, daß die Drohung, sich selbst zu töten, gewalt- los sei. Die Wahrheit liegt anders; es ist subtile Gewalt. Es ist nicht Gewaltlosigkeit. Gewaltlosigkeit ist etwas anderes. Gewaltlosigkeit bedeutet, daß es keine Dro- hung geben darf, keinerlei Erpressung, sich selbst oder andere zu töten. Fragt die Leute, die mit Gandhi zusammenlebten. Fragt seine eigenen Söhne. Fragt Haridas Gandhi, ob sein Vater gewaltlos war. War er es? Warum wurde er dann ein Mohammedaner? Wenn er gewaltlos war, wie kommt es dann, daß sein Sohn anfing zu trinken und Fleisch zu essen? Wenn Gandhi gewaltlos war, warum mußte der Sohn dann sein ganzes Leben lang gegen seinen Vater kämpfen?

Es lag daran, daß Gandhis Gewaltlosigkeit so sadi- stisch, so quälerisch war, daß er seine eigenen Söhne folterte. Haridas verließ sein Zuhause und lief aus

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Angst vor dem Vater davon - daß dieser ihn zerstören würde. Haridas wußte nicht, daß der Mensch, der sei- nem eigenen Sohn noch nicht einmal ein wahrer Vater sein konnte, der Vater einer ganzen Nation werden sollte.

Wirklich, es ist ein leichtes, der Vater einer Nation zu werden; es ist sehr viel schwieriger, einem einzigen Sohn ein richtiger Vater zu sein. Wenn du der Vater der Nation bist, bist du in Wirklichkeit niemandes Vater. Fragt Haridas, und ihr werdet wissen, ob Gandhis Per- sönlichkeit gewaltsam oder gewaltlos war. Fragt Kas- turba, seine Frau. Es wird sehr viel über das Eheleben von Gandhi und Kasturba geschrieben, und man trom- petet hinaus, daß sie die ideale Ehe symbolisiert hät- ten. Es ist reine Angeberei; aber im Angeben sind wir ein unvergleichliches Volk.

In Wirklichkeit litt die Ehe Gandhis unter ständigen Konflikten und Kämpfen, aber wir behaupten, daß sie das Ideal aller Ideale gewesen sei. Fragt Kasturba; schaut euch ihr ganzes Leben an. Aber wir haben über- haupt keine Augen; wir sind so geschickt im Schreien und Sprüchemachen, daß wir gar nicht hinzusehen brauchen.

Immer wenn sie in ihrem Haus in Südafrika jeman- den zu Gast hatten, verlangte Gandhi von Kasturba, daß sie das Nachtgeschirr der Gäste säuberte. Einmal sah Gandhi, wie Kasturba weinend die Treppen herab- kam, mit dem Nachttopf des Gasts in den Händen. Er forderte sie zur Rechenschaft mit den Worten: „Weine nicht. Dienst am Menschen muß man mit einem Lächeln auf den Lippen verrichten." Die arme Frau wird gezwungen, die Latrine anderer Leute zu putzen; sie tut es nicht aus Menschenliebe. Sie tut es, weil sie in der Falle ihres Ehemanns sitzt, der wiederum in der Falle von soundsovielen Prinzipien sitzt. Und so zwingt er seine Frau, Latrinen mit einem Lächeln zu putzen. Oft hat er Kasturba beim Handgelenk genommen und sie um Mitternacht aus dem Hause geworfen, mit der Begründung, sie gehorche seinen Prinzipien nicht.

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Dieser Mann ist nicht gewaltlos; er ist äußerst gewalttätig. Aber er schwört auf die Gewaltlosigkeit; sie ist sein Ideal. Und genau dieses sein Ideal der Gewaltlosigkeit macht es so schwierig, seine Persön- lichkeit zu verstehen.

Das Leben ist eine sehr komplexe Sache; ganz so ein- fach ist es nicht. Wenn ich also etwas sage, zieht bitte keine allzu voreiligen Schlüsse. Alles, was ich sage, ist überlegt; es ist nicht unbedacht von mir dahergesagt.

Aber die Anbeter Gandhis glauben, ihn in Schutz zu nehmen, indem sie mir solche Fragen stellen. Sie irren, wenn sie das annehmen. Je mehr Fragen sie stellen, desto mehr stellen sie ihn bloß für Prügel. Ich habe nicht das geringste für Gandhi übrig. Ich halte ihn für eine absolut krankhafte Persönlichkeit. Laßt ihn also nicht unnötig Prügel beziehen. Es ist nicht notwendig, ihn in den Mittelpunkt unserer gegenwärtigen Ausein- andersetzung hineinzuzerren. Im Augenblick spreche ich über die Frage des Sozialismus und Kapitalismus, und ihr schleppt ihn zu einer Tracht Prügel an. Es ist absolut fehl am Platz.

Ich bin euch dankbar, daß ihr mir so aufmerksam und mit Liebe zugehört habt. Und am Ende verbeuge ich mich vor dem Gott, der im Herzen eines jeden von euch seinen Tempel hat. Bitte nehmt meinen Gruß ent- gegen.

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Gandhiismus, Kapitalismus und Sozialismus

Hunderte von Fragen - alle im Zusammenhang des- sen, was ich im Laufe der vier letzten Diskurse gesagt habe - sind eingegangen. Ich will so viele wie möglich davon kurz beantworten.

Ein Freund hat gefragt, ob meiner Ansicht nach der Sozialismus durch Vinoba Bhaves Sarvodaya kommen kann - Bhaves Utopie von der anspruchslosen, gerech- ten, vorindustriellen Gesellschaft.

Eine solche Utopie, ob sie nun von Vinoba oder von Gandhi ist, kann den Sozialismus nicht herbeiführen, weil es bei der ganzen Vorstellung vom Sarvodaya darum geht, den Menschen in die Wildnis zurückzu- bringen - zum primitiven Lebensstil. Das Ideal vom Sarvodaya ist gegen den Kapitalismus - nicht um über ihn hinauszuführen, sondern um hinter ihn zurückzu- fallen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Kapitalismus loszu- werden - entweder man geht über ihn hinaus, oder man fällt hinter ihn zurück. Und für gewisse Leute ist das Zurückgehen immer leicht und dazu verlockend. Aber eine Rückkehr in die Vergangenheit ist weder möglich noch wünschenswert. Wir müssen vorwärtsgehen, ob wir wollen oder nicht. Die, die unter Zwang vorwärts- gehen, tun es apathisch wie Tiere. Und die, die freiwil-

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lig vorwärtsgehen, tun es mit einem Lied im Herzen und mit beschwingtem Schritt. Sie gehen mit einer Hoffnung und einem Traum und gespannt auf ihre Zukunft.

Der Gedanke, in die Vergangenheit zurückzugehen, hat Indien so fest in den Griff bekommen, daß wir jedesmal, wenn wir mit Schwierigkeiten konfrontiert werden, augenblicklich ans Umkehren denken. Und der Grund ist ein psychologischer, und wir täten gut daran, ihn zu verstehen. Es lohnt sich, die psychologi- sche Bedeutung von Vinobas Sarvodaya und des gan- zen Gandhi'schen Gedankens und Standpunkts zu untersuchen.

Erstens denkt jeder, daß in der Vergangenheit alles so gut war. Das Dorf war gut und die Stadt ist schlecht, einfach weil das Dorf zum Alten gehört und die Stadt neu ist. Aber nur Städter stellen sich das Leben auf dem Lande so vor. Die Dorfbewohner selbst finden es nicht so. Sich einen Tag frei zu nehmen und in einem Dorf spazierenzugehen, ist das eine, und es ist etwas sehr anderes, sein ganzes Leben auf dem Lande zu verbrin- gen. Es ist komisch, daß Leute, die so von einer rück- wärtsgerichteten Utopie und vom alten System dörfli- cher Selbstbestimmung schwärmen, selbst nicht in Dörfern leben - sie leben alle in Städten. In Städten lebend, schreiben sie Bücher über die Großartigkeit und Schönheit des natürlichen Dorflebens.

Diese Illusionen, die wir da nähren, sind natürlich sehr schön anzuschauen, aber sie sind nichtsdestoweni- ger gefährlich.

Das Dorf hat keine Zukunft, die Zukunft gehört der Stadt. In der kommenden Welt wird es keine Dörfer geben; es wird Städte geben, und zwar so große Städte, wie wir es uns gar nicht vorstellen können. Ein Dorf verhält sich zur Stadt wie eine Strohhütte zu einem Wolkenkratzer. Weder die Strohhütte noch das Dorf werden in der kommenden Welt existieren. Tatsächlich wird die zukünftige Welt die Welt der Städte und deren Bewohner sein.

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Die Wahrheit ist, daß der Mensch, je mehr er fort- schreitet, sich desto mehr von seiner Abhängigkeit vom Lande befreien wird. Und solange der Mensch sich noch nicht völlig vom Lande freigemacht hat, wird er noch kein wirklich kultivierter Mensch sein. Der Mensch hat sich ständig von seiner Abhängigkeit von vielen Dingen befreit, aber er ist immer noch vom Lande abhängig, das ihn ernährt. Aber es ist möglich, daß er auch in dieser Hinsicht bald frei sein wird. So wie ich es sehe, wird der Zuwachs an Technologie dieser ganzen Abhängigkeit vom Lande ein Ende bereiten. Der Tag, an dem der Mensch nicht mehr vom Lande abhängig ist, der Ernährung wegen, liegt nicht mehr in ferner Zukunft. Nahrungsmittel werden genauso pro- duziert werden wie jede andere industrielle Ware - in Werkstätten und Fabriken. Nahrung wird chemisch und synthetisch produziert werden.

Und es ist nicht möglich, immer und ewig ans Land gebunden zu sein. Der Erd-Anteil an kultivierbarem Land ist gering, und schon jetzt ist die Bevölkerung zu groß. Und die Landwirtschaft, so wie wir sie kennen, ist viel zu überholt und archaisch, und sie kann keine tiefere Beziehung mit der hochentwickelten Technolo- gie von heute eingehen. Neue Arten von Nahrung und neue Wege der Nahrungsproduktion müssen gefunden werden. Nahrung kann aus den Meeren gewonnen wer- den. Tatsächlich ist Meeresnahrung bereits auf dem Markt. Und es werden bereits Anstrengungen unter- nommen, Nahrung aus der Luft und aus den Sonnen- strahlen zu gewinnen. Und früher oder später wird man Nahrung direkt aus kosmischen Strahlen gewinnen können.

Ehe der Mensch sich nicht von seiner Land-Abhän- gigkeit befreit, werden seine Armut und Erniedrigung nicht völlig verschwinden, weil die Menge an verfügba- rem Land gering ist und die Bevölkerung zunehmend größer wird. Wir haben unsere Sterberate gesenkt, aber es scheint, die Geburtenrate läßt sich unmöglich senken.

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Sarvodaya ist eine Bewegung, die ans Land gebun- den ist. Und es ist eine rückwärts gerichtete Bewegung, die glaubt, die Rettung des Menschen liege in der Rückkehr zu den Höhlen. Es ist keine zukunftsgerich- tete Bewegung. Und es gibt keine Zukunft für eine Landbewegung, für eine Rückwärtsbewegung.

Zweitens basiert diese gesamte Philosophie auf Ver- zicht, Anspruchslosigkeit und Einfachheit. Jahrtausende- lang hat man den Menschen die Tugenden des Verzichts und der Anspruchslosigkeit gelehrt. Aber niemand befolgt sie in der Praxis, und niemand wird sie auch jemals befolgen. Manchmal, ganz selten, kommt jemand, der einfach und anspruchslos lebt, aber auch er ist nicht wirklich einfach. Er mag einfache Kleidung tra- gen und einfache Nahrung essen, aber sein Geist ist kom- plexer als der eines gewöhnlichen Menschen. Einfachheit entspricht nicht der Natur des Lebens; Ausdehnung und Komplexität entsprechen der Natur des Lebens.

Denkt daran, daß das Leben sich vom Einfachen zum Komplexen entwickelt. Die Amöbe ist das erste, winzige Lebewesen, von dem der Mensch abstammt. Über riesige Zeiträume hinweg war es eine Amöbe, die sich zum Menschen entwickelte. Und die Amöbe hat nur eine einzige Zelle. Sie lebt mit einer einzigen Zelle. Sie ist die einfachste Kreatur dieser Erde. Sie hat keine Intelligenz; sie hat nichts. Sie kann nur atmen; sie exi- stiert und stirbt. Aber indem das Leben sich entwickelt, weiterwächst, wird es allmählich komplex. Der Mensch ist komplexer als der Affe. Der Mensch aus Bombay ist komplexer als der Primitive. Je komplexer das Hirn, desto entwickelter ist man.

Gandhi und Vinoba sind zu besessen von der alten Idee der Einfachheit. Sie glauben, daß das Leben des Menschen einfach und seine Bedürfnisse gering sein sollten. Sie fänden es großartig, wenn jeder seine eige- nen Kleider am Spinnrad produzieren würde und seine Äcker ohne Werkzeuge, mit den eigenen Händen bear- beiten würde. Werkzeuge und Instumente sind nach der Ideologie Gandhis überflüssig.

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Aber solche Ideale sind unnatürlich. Dieses Gerede von der Rückkehr zur Natur ist sehr unnatürlich. Der Mensch hat sich unentwegt zu gesteigerter Komplexität entwickelt, und seine Bedürfnisse haben sich ständig multipliziert. Alle Lehrer der Welt haben gesagt: „Schränkt eure Bedürfnisse ein", aber niemand hat auf sie gehört. Bedürfnisse können nicht eingeschränkt werden; das liegt nicht in der Natur der Dinge. Das ist nicht die Art, wie das Leben funktioniert. Das Leben ist immer für wachsende Bedürfnisse. Natürlich könnt ihr sie ruhig verringern, wenn ihr sterben wollt. Wenn die Bedürfnisse auf das Minimum reduziert werden, werdet ihr schließlich sterben. Durch die Beschrän- kung auf das Nötigste wird eine masochistische Persön- lichkeit, eine selbstmörderische Persönlichkeit gebo- ren - ein Mensch, der sich ständig selbst zerstört.

Das Leben dehnt sich immer weiter aus; es ist eine Erweiterung der Bedürfnisse. Und je größer die Aus- weitung der Bedürfnisse, desto größer die Produktion. Je größer die Bedürfnisse, desto mehr erfindet der Mensch. Je größer die Bedürfnisse, desto mehr latente Teile des menschlichen Gehirns werden aktiviert. Je größer die Bedürfnisse, desto mehr wird der Mensch von seiner Animalität befreit. Ein Tier ist ein Tier, weil es sehr wenige Bedürfnisse hat. Und wenn die Bedürf- nisse des Menschen absolut reduziert werden, wird er wieder auf der Ebene der Tiere leben müssen. Seine Menschlichkeit wird einfach verkümmern. „Mensch" heißt ein komplexes Leben, voller wachsender Bedürf- nisse.

Eine Bewegung wie die von Gandhi und Vinoba betont Einfachheit und ein Minimum an Bedürfnissen. Hierauf liegt der ganze Akzent. Das heißt, daß ihr das richtige Verständnis vom menschlichen Geist und vom menschlichen Gehirn fehlt. Trotzdem zieht so etwas an. Es zieht an, sobald wir uns von komplexen Situatio- nen überwältigt fühlen, sobald sie uns zuviel werden und wir nicht mehr ein noch aus wissen. Dann nämlich neigen wir dazu, in die Vergangenheit zurückzukeh-

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ren, zu unserer Kindheit, zum Zustand der Einfach- heit. Dann seht ihr, wie ein fünfzigjähriger Mann, des- sen Haus in Flammen steht, sich wie ein zehnjähriges Kind benimmt. Er wird in völliger Hilflosigkeit schreien und jammern. Das ist psychologische Regres- sion. Jetzt ist er ein Zehnjähriger, kein Fünfzigjähriger mehr. Daß das Haus in Flammen steht, hat plötzlich die Situation für ihn zu komplex werden lassen; er kann sie nicht mehr verstehen und bewältigen. Nicht wissend, was er tun soll, schlägt er sich auf die Brust, rennt ziel- los hin und her und heult. Für ein Kind war es völlig in Ordnung, zu handeln, wie er handelt. Aber es ist fehl am Platz, wenn ein Erwachsener schreit und brüllt. Was ist mit ihm passiert? Wie kommt es, daß ein Mann von Fünfzig sich in einen Zehnjährigen verwandelt hat? Warum ist er so kindisch?

Die Situation ist für ihn zu kompliziert, als daß er sie verstehen könnte, und er weiß nicht, was er tun soll - folglich ist er im Geiste in seine Kindheitstage regre- diert und benimmt sich wie ein Zehnjähriger.

Oft im Laufe eines Tages werden wir wie Kinder. Und zwar, weil jedesmal, wenn ein komplexes Problem auftaucht, die Vernunft verlangt, uns dem Problem gewachsen zu zeigen, mehr Intelligenz und Bewußtheit an den Tag zu legen. Und wenn wir uns nicht gewach- sen zeigen können, regredieren wir einfach, ziehen wir uns einfach zurück. Der eine betrinkt sich, der andere findet andere Möglichkeiten, unbewußt zu werden. Im Rausch vergißt er das Problem, läuft er ihm davon. Und wenn das Problem noch komplizierter Ist, sucht er Zuflucht zu bhajan-kirtan - singt heilige Lieder und betet zu Göttern und Göttinnen. Wenn er heilige Lie- der singt, ist er wieder wie ein Kind, das versucht, das Problem zu vergessen. Das Bedürfnis nach Rausch oder bhajan oder Rückkehr in die Vergangenheit ist immer Eskapismus.

Das Leben ist ein Kampf mit neuen Problemen, neuen Herausforderungen, die ununterbrochen auf- tauchen.

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Utopien und ähnliche Dinge sind alle eskapistisch. Sie sind nichts als Aufforderungen, vor der Welt der Komplexitäten davonzulaufen. Sie sagen: „Warum in Bombay leben? Warum in New York leben? Warum in Moskau leben? Kehrt zurück zum Althergebrachten; geht wieder in die Wildnis zurück und lebt wie die Leute dort." Wenn ihr ohne Kleider leben könnt, umso besser; dann seid ihr sogar von der Arbeit am Spinnrad befreit. Geht zurück und immer weiter zurück bis in die Zeit, als die Menschen noch von Wurzeln und Früchten lebten. Wenn das nicht geht, tut es auch ein wenig Landwirtschaft. Der ganze Akzent hegt auf der Rück- kehr zur Vergangenheit. Warum?

Das ist so, weil sich einige Leute von den großen und komplexen Lebensproblemen überrollt fühlen; sie sind ängstlich und panisch. Das sind die Leute, die vom Zurück zur Vergangenheit, zur Einfachheit reden.

Meine Vision ist da eine ganz andere. Ich halte • dafür: Zeiten großer Probleme sich auch immer Zeiten für einen Sprung nach vorn. Das menschliche Bewußt- sein macht einen Sprung, sobald ihr von so großen Pro- blemen bedrängt werdet, daß ihr zum Nachdenken und zur Selbstbesinnung, zur Auseinandersetzung und sogar zum Einsatz eures Lebens gezwungen seid. Erst wenn es wirklich um Leben und Tod geht, bequemt sich • das Bewußtsein zu einem großen Sprung.

Im Augenblick sieht sich die Menschheit vor unzäh- lige komplexe Probleme und große Herausforderun- gen gestellt. Und es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen bilden die große Mehrheit - und sie erwecken auch noch den Eindruck, recht zu haben. Diese Mehr- heit sagt: „Warum sich mit Problemen herumschlagen? Laßt uns lieber zur Vergangenheit zurückkehren, als wir keine Probleme hatten. Laßt uns zurückgehen zu den Tagen, als es keine Eisenbahnen, keine Autos, keine Flugzeuge und keine Großstädte gab. Es gab nur kleine Dörfer, und wir sollten dahin zurückkehren."

Damals gab es keine großen Universitäten, sondern nur kleine gurukuls - Familienschulen von Lehrern, wo

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sich eine Handvoll von Schülern mit der Familie des Lehrers verband und dort studierte. Heute entstehen riesige Probleme, weil eine einzige Universität mit zwanzigtausend Studenten fertigwerden muß. Da muß es einfach Probleme geben. Nie zuvor auf der Welt haben sich zwanzigtausend junge Menschen versam- melt und gemeinsam auf einem Universitätscampus gelebt. Ein Sohn lebte in alten Zeiten mit seinem Vater zusammen, der ihn ständig unter Kontrolle hatte. Heute sind zwanzigtausend Söhne zusammen. Aber nirgendwo findet man zwanzigtausend Väter zusam- menleben.

Es ist tatsächlich ein enormes Problem. Zwanzigtau- send Söhne erdrücken ihre Eltern; jetzt fühlen sich die Eltern unter Kontrolle und unterdrückt. Nun ist die eine Möglichkeit: Ihr könnt euch wirklich hinsetzen und überlegen, wie ihr das Problem löst, daß zwanzig- tausend junge Leute gemeinsam auf einem Campus wohnen. Dies ist nicht leicht, denn die alten Kulturen haben keine Antworten auf solche Probleme. Ihr könnt nirgendwo in alten Schriften eine Antwort finden, weil diese Probleme so neu sind. Die Ballung einer so gro- ßen Anzahl junger Menschen an einem einzigen Ort ist eine vollkommen neue Erscheinung. Die Wahrheit ist, daß die Jugend als solche eine neue Erscheinung ist. Eine Jugend hat es in der alten Welt nicht gegeben. In alten Zeiten gab es nur das Kind und dann den alten Mann, aber es gab nicht den „Jugendli- chen". Noch bevor er jugendlich wurde, wurde er schon verheiratet - verheiratet schon in der frühen Kindheit. Und so tauchte früher das Phänomen der Jugend mit ihren spezifischen Problemen einfach gar nicht auf, weil die Jugend umgangen wurde und man direkt aus der Kindheit in das Erwachsenenalter über- ging. Wenn ein Junge im Alter von zehn Jahren verhei- ratet wurde, hatte er nicht die Chance, ein Jugendlicher zu werden. Wenn er zwanzig wird, ist er bereits Vater zweier Kinder. Und so trägt er bereits die Bürde der Verantwortung eines alten Mannes. Ein Vater ist nie-

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mals jung; er ist immer ein alter Mann. Das war die Antwort alter Zeiten auf die Probleme der Jugend - sie erlaubten dem Kind erst gar nicht, die Phase der Jugend durchzumachen. Und dann lebten die Kinder mit ihren Eltern, und so gab es wiederum kein Pro- blem. Heute leben zwanzig- bis fünfundzwanzigtau- send - an manchen Orten sogar hunderttausend-junge Leute zusammen. Offenbar ist damit ein absolut neues Problem aufgetaucht. Was also tun?

Die Befürworter von rückwärtsgerichteten Utopien wollen, daß die Universitäten aufgelöst und die jungen Leute in ihre Dörfer zurückgeschickt werden, wo sie nur eine Vorschulerziehung genießen dürfen - das, was Gandhi „Grundbildung" nannte. Das ist die ganze Bil- dung, die sie brauchen - daß sie das Zimmern, Schu- stern, Weben, und dergleichen Dinge mehr lernen. Mehr ist nicht nötig.

Dieses Land wird zugrundegehen, wenn es die Leh- ren Gandhis befolgt. Ist diese Art Bildung überhaupt Bildung? Es ist absolut keine Bildung, sondern in Wirklichkeit eine Flucht vor Bildung. Aber für diese Leute hat sich das Problem damit erledigt; sie behaup- ten, daß wir so über alle Probleme hinwegkommen können.

Wir müssen uns dem Problem stellen; wir können nicht vor ihm davonlaufen. Jetzt, wo das neue Problem nun einmal da ist, muß es auch auf eine neue Art und Weise gelöst werden.

Aber da diese Vertreter einer dekadenten Weisheit keine Antwort haben, plädieren sie für eine Rückkehr zu den Zeiten, als es diese Probleme noch gar nicht gab. Ich sage, daß nicht nur Indien, sondern die ganze Welt vor dieses Problem der jungen Menschen gestellt ist. Überall auf der Welt kommen sie zusammen und sind zu einer Klasse geworden. Die alten Menschen dage- gen sind keine Klasse. So müssen wir die Sache durch- denken und eine Lösung finden, und wir müssen ein paar neue Gedanken denken. Meiner Erkenntnis nach reicht es nicht, in die Dörfer

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zurückzukehren, die Familienschulen der Lehrer wie- der einzuführen und die jungen Leute aufzufordern, sich zu Füßen der alten Gurus zu setzen. Die Zeiten sind vorbei. Und das, was die alten Lehrer lehrten, ist jetzt nicht mehr zu gebrauchen. Es gibt jetzt so viel zu lernen, daß die kleinen gurukuls nicht damit fertigwer- den. Selbst die existierenden Universitäten zeigen sich der Herausforderung nicht gewachsen - sie ist gewaltig. Wir brauchen noch größere Universitäten. Wir brau- chen sehr viel größere Bibliotheken. Ein unvorstellbar großes Wissen ist entstanden, und zwar mit solcher Geschwindigkeit, daß es schwierig geworden ist, es der neuen Generation zu vermitteln. Die gurukuls der alten Zeit können das nicht; ein einziger alter Lehrer kann es nicht. Das ist einfach außer Frage.

Also bleibt die Frage, das Problem, wie man Tau- sende oder Zehntausende von Studenten ausbilden soll. Was tun? Der Ruf der Obskuranten, der Eskapi- sten ist: „Schließt einfach die Universitäten und geht in die Vergangenheit zurück." Gandhi war strikt gegen Universitäten. Er schickte seine eigenen Söhne nicht auf Schulen und Colleges; seine Söhne blieben unaus- gebildet. So sehr war er gegen die Universitäten! Er hielt die Universität und die moderne Erziehung für Krankheiten, denen man aus dem Wege gehen müsse.

Dieser ganze Standpunkt rührt daher, daß es diesen Leuten an neuen Gedanken mangelt.

Dagegen sage ich: Strengt euch gewaltig an, setzt euch mit den neuen Fragen auseinander und findet neue Antworten. Meiner Erkenntnis nach ist es not- wendig, die neue und die alte Generation zusammen- zubringen. Wo immer es einen Universitätscampus gibt, sollte ein Campus alter Menschen gleich nebenan liegen. Wenn alte Menschen sich aus ihrem aktiven Leben zurückziehen, laßt sie auf einen Universitäts- campus ziehen. Wenn es zehntausend junge Menschen in einer Universität gibt, laßt auch zehntausend alte Menschen dort wohnen, und laßt die beiden Klassen sich von Angesicht zu Angesicht begegnen, laßt sie

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zusammenwohnen. Zweifellos werden sich die Jungen vor der lebenslangen Einsicht und Erfahrung und Erkenntnis verbeugen, die die Alten mitbringen. Darum sage ich: Statt wegzulaufen, laßt die Alten mit den Jungen zusammenleben. Das wird zu wertvollen Ergebnissen führen.

In einer Universität, wo zehntausend alte Men- schen, die die Erfahrung eines ganzen Lebens mitbrin- gen, mit jungen Menschen zusammenwohnen, und mit ihnen spielen, sich mit ihnen mischen, mit ihnen schwatzen und ihnen etwas beibringen, kann es keine Jugendprobleme geben. Laßt die beiden Generationen sich direkt begegnen!

Hier steckt eine große Schwierigkeit. Wir sagen, daß es zwei Generationen gibt - die alte und die neue. Aber während die neue Generation Tatsache ist, läßt sich das so nicht von der alten sagen. Die alte Generation ver- sammelt sich nicht; sie lebt überall verstreut. Der neuen Generation kann man begegnen, wie sie zu Tau- senden an einem Ort zusammenlebt. Aber wo kann man der alten begegnen? Führt also die alte Genera- tion zusammen. Aber daraus ergeben sich neue Fra- gen, weil diese Probleme neu sind. Und auch sie wer- den wieder neue Gedankengänge und neue Antworten erfordern. Die Schwierigkeit ist aber, daß wir lieber zur Vergangenheit zurückgehen, statt uns wirklich anzu- strengen.

Während der Bhudan-Bewegung, der freiwilligen Landverteilungs-Bewegung, wurde eine Menge Land unter diesem Banner verteilt, ohne daß man auch nur einen Gedanken darauf wandte, daß der landwirt- schaftlich nutzbare Boden in diesem Lande bereits so stark zersplittert ist, daß jede weitere Aufsplitterung nur die Armut und das Elend im Lande vergrößern.

Aber Vinoba hat eine sehr amüsante Theorie. Er sagt, daß ein Stück Land, das von einem armen Bauern gestiftet wurde, für ihn sehr viel mehr Wert besitze. Für ihn ist es keine große Spende, wenn ein Bauer, der ein- hundert Hektar hat, ihm fünf davon abgibt. Aber

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wenn ein armer Bauer zweieinhalb Ar von seinen fünf Ar abgibt, dann ist es wirklich ein großes Opfer. Dies ist eine sehr gefährliche Theorie, denn ein Hof von fünf Ar ist bereits klein und unproduktiv. Er gehört zur Kategorie der unrentablen Landwirtschaftsbetriebe. Nun möchte Vinoba aber, daß der Besitzer eines sol- chen Hofes zweieinhalb Ar opfert, und er somit nur die Hälfte seines eh schon kleinen Hofes behält. Nun, die zwei Höfe von je zweieinhalb Ar werden sehr viel weni- ger produzieren als ein einziger Hof von fünf Ar.

Das erinnert mich sehr an eine Geschichte, die ich gehört habe.

Ein König wollte seinen Sohn verheiraten. Er bat seinen Minister, ein schönes Mädchen von sechzehn für seinen Sohn zu finden. Der Minister suchte und suchte, aber er konnte keine Sechzehnjährige finden. Da er nun ein Mathematiker war, brachte er stattdessen zwei Mädchen von je acht Jahren mit. Er rechnete sich aus, daß zwei halbe Rupien-Stücke genauso viel wert sind wie ein ganzes Rupien-Stück. Und wenn der Minister nicht zwei achtjährige Mädchen gefunden hätte, hätten es für ihn auch vier Vierjährige getan. Aber vier Vier- jährige ergeben keine Sechzehnjährige. Es ist keine Mathematik.

Die Mathematik Vinobas führte zu einer zusätzli- chen Aufsplitterung des nutzbaren Bodens im Lande. Aber wir sind so dumm, daß wir einfach nicht verste- hen, was Wirklichkeit ist und lieber von Propaganda leben.

Vor kurzem unternahm die Universität von Nagpur eine Untersuchung der Bhudan-Bewegung. Ich kann mich nicht an die exakte Statistik dieser Forschungsar- beit erinnern, aber die Zahlen sind ungefähr so, wie ich gleich sagen werde.

Die Untersuchung hat sehr merkwürdige Dinge zutage gefördert, und ich finde, daß diese Ergebnisse jeden Haushalt in Indien erreichen sollten. Es hat sich herausgestellt, daß neunzig Prozent der gesamten Landmenge, die im Zuge dieser Bewegung an Schen-

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kungen zusammengekommen war, Regierungsland ist. Nehmt einfach zur Kenntnis, daß neunzig Prozent davon Regierungsland ist, das angeblich vom Volk gespendet wurde. Von den übrigen zehn sind sieben Prozent unfruchtbares Land, wo gar nichts wachsen kann. Und um ein Prozent von den restlichen drei Pro- zent wird prozessiert, es wird noch gerichtlich darum gestritten. Wieviel Land hat Vinoba oder seine Bewe- gung also tatsächlich gewonnen?

Aber wen kümmert es? Ihnen geht es nur um hohe Zahlen, Zahlen, die in die Hunderttausende gehen - aus Propagandagründen. Niemanden interessiert es nachzuprüfen, ob die Stiftungen echt sind, ob das gestiftete Land tatsächlich den Spendern gehörte, und ob das Land überhaupt existiert. Es sind Fälle ans Licht gekommen, daß sogar Leute, die keinen Quadratzenti- meter Land besitzen, Land gestiftet haben. Aber wenn die Massen in Bewegung gesetzt werden, ist alles mög- lich.

Die Ironie ist, daß der Grund und Boden im Lande bereits so fragmentiert ist, daß man ein so nationales Problem nicht ausgerechnet dadurch lösen kann, daß man das Land durch Abgaben und Landverteilung noch weiter aufsplittert. Das wirkliche Problem ist, wie man diese Fragmentierung aufhebt, damit eine großzü- gige Landwirtschaft stattfinden kann. Wenn das gesamte Land eines Dorfes zusammengefaßt würde, könnte die Landwirtschaft zu einer eigenen Industrie werden. Und es ist dringend notwendig. Aber wir glau- ben seit uralten Zeiten an die Tugend der milden Gabe - daß Probleme durch Spenden gelöst werden könnten. Das konkrete Problem, mit dem wir es jetzt zu tun haben, ist ungeheuer, und es läßt sich nicht durch Almosen lösen.

Wenn wir wirklich unsere Probleme lösen wollen, müssen wir ihnen an die Wurzeln gehen, an ihre eigent- lichen Wurzeln.

Aber wir glauben, das Problem wäre schon dadurch gelöst, daß wir den Leuten beibringen, bescheiden zu

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leben, sich mit ein paar Brocken Brot und einem Klei- dungsstück zufriedenzugeben. So einfach ist die Sache nicht. Der Mensch ist nicht bereit, sich mit einem Klei- dungsstück zufriedenzugeben und zwei Scheiben Brot. Bis zu dem Augenblick, wo er noch nicht einmal zwei Scheiben Brot hat, mag er Zustimmung nicken, wenn ihr ihm das weismachen wollt, aber kaum hat er zwei Scheiben in Händen, wird er mehr verlangen. Er wird jetzt Waschpulver verlangen. Und wenn er Waschpul- ver in der Hand hat, wird er um ein Radio bitten, und nach dem Radio wird er ein Auto fordern.

Und er hat recht, wenn er mehr und immer mehr will. Er ist nicht im Unrecht. Das Leben steigert sich ständig und erhebt neue Ansprüche. Genauso muß es sein. Denn nur so entwickelt das Leben seine eigene Dynamik.

Und wenn eine Gesellschaft beschließt, sich zu bescheiden und mit immer weniger auszukommen, wird sie zu wachsen aufhören, wird sie stagnieren, sta- tisch werden, stumpf und tot.

Es gibt primitive Gesellschaften. Es sind keine dyna- mischen Gesellschaften, sondern tote Gesellschaften. Sie bewegen sich nicht, sie wachsen nicht, sie vegetie- ren einfach nur vor sich hin. Sie bringen keinen Tansen oder Einstein oder Kaiidas hervor; sie bringen nichts Wertvolles hervor. Primitive leben wie Tiere; sie essen, schlafen, produzieren Kinder und sterben. Sie leben nicht auf menschlicher, sondern auf tierischer Ebene. Sie existieren einfach nur.

Die Philosophie Vinobas oder des Gandhiismus hat nichts mit dem Wachstum oder der Weiterentwicklung des Menschen zu tun; sie ist nicht zukunftsorientiert. Der Sozialismus wird niemals durch diese Art von Den- ken Zustandekommen. Um den Sozialismus herbeizu- führen, brauchen wir eine Philosophie des Wachstums und der Entfaltung, eine Philosophie, die an eine unendliche Steigerung der Bedürfnisse glaubt. Und das Schöne dabei ist, daß im gleichen Maße, wie die Bedürfnisse des Menschen wachsen und sich vervielfäl-

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tigen, und wie er sich anstrengt, um sie zu erfüllen, sich auch seine Intelligenz und seine Seele erweitern und kristallisieren. Und die endgültige Kristallisation, zu der es dann kommt, ist einmalig und außergewöhnlich. Am Ende dieser Kristallisation, die mit der Erweite- rung der Bedürfnisse und deren Erfüllung kommt, gelangt man zu der Erkenntnis, daß es noch eine ganz andere Dimension des Lebens gibt - die Dimension des Inneren, der Seele. Und solange diese Dimension nicht wächst und sich entfaltet, bringen Reichtum, Überfluß und Paläste nichts ein. Nur ein reicher Mann kann die Nichtigkeit des Reichtums erkennen. Der letztliche Zweck des Reichtums ist es, dir die Möglichkeit zu geben, dich vom Reichtum zu befreien, über den Reichtum hinauszugehen. Nur wer durch das ganze Verwirrspiel äußerer Bedürfnisse hindurchgegangen ist, wird sich der inneren Bedürfnisse erstmalig bewußt.

Ich habe eine Geschichte aus den Upanishaden gehört.

Ein junger Mann kehrte von seiner Gurukul, der Familienschule seines Lehrers, nach Hause zurück, nachdem er die Doktrin der höchsten Erkenntnis gelernt hatte - die Erkenntnis des Brahman. Auf dem ganzen Nachhauseweg und zu Hause redete er von nichts anderem als vom Allerhöchsten, von Gott, Seele, dem Geist und was sonst noch dazugehört. Von morgens bis abends hörten ihn die Leute ununterbro- chen von göttlicher Erkenntnis reden. Dann sagte eines Tages sein Vater: „So mein Sohn, jetzt faste erstmal einundzwanzig Tage lang, und dann wollen wir über die letzten Wahrheiten diskutieren." Der junge Mann begann eine einundzwanzigtägige Fastenzeit. Der erste Tag verging, dann der zweite Tag - er hörte auf, von höchster Erkenntnis zu reden; statt- dessen fing er an, vom Essen zu reden. Nach sieben Tagen hörte man ihn nur noch von morgens bis abends vom Essen reden. Selbst im Schlaf träumte er vom Essen. Nach fünfzehn Tagen blieb er jedesmal stumm,

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wenn sein Vater ihn bat, doch ein wenig von der höch- sten Erkenntnis zu erzählen; aber sobald jemand das Wort Essen erwähnte, quoll sein Redefluß wie ein unwiderstehlicher Strom. Am einundzwanzigsten Tag sagte sein Vater: „Nun wollen wir uns zusammensetzen und über das Brahman diskutieren." Der Sohn sagte: „Zur Hölle mit dem Brahman, erzähl mir etwas vom Essen, Vater!"

Darauf sagte der alte Vater: „Hör zu, mein Sohn. Ich sage dir, das Essen ist das erste Brahman, der erste Gott. Lerne das also als erstes. Was man die gewöhnli- chen Bedürfnisse des Lebens nennt, ist der erste Gott. Nach dieser Erfüllung fängt das Leben an, sich zu erweitern, dann kommt die Welt der erweiterten Bedürfnisse. Und das ist der äußere Gott. Und wenn der äußere Gott erkannt worden ist, wird man sich all- mählich des inneren Brahman, des Höchsten, bewußt."

Es gilt als selbstverständlich, daß ein Gesellschafts- system auf der Grundlage Gandhischer Prinzipien ein religiöses System wäre. Aber mir will das ganz und gar nicht einleuchten. Keine religiöse Gesellschaft kann in Bedingungen der Armut und Entwürdigung entstehen. Die Blume der Religion blüht immer nur in Bedingun- gen des Überflusses und Wohlstands auf. Jedesmal, wenn eine Gesellschaft zu materiellem Wohlstand gelangt ist, interessieren sich ihre Mitglieder für reli- giöse Dinge. Nur Menschen, die den Bauch voll haben, können sich auf die Suche nach spiritueller Erfüllung begeben. Für leere Bäuche stellt sich die Frage ganz einfach nicht. Nach meiner Erkenntnis wird der Sozialismus nicht mit Sarvodaya, der Utopie von der einfachen, gerech- ten Gesellschaft der Vergangenheit, eintreffen; im Gegenteil, wenn eines Tages der Sozialismus kommt, kann es sein, daß Sarvodaya ihm als Konsequenz folgt. Der Sozialismus kann nur nach der vollen Entfaltung des Kapitalismus kommen. Der Sozialismus wird gleichsam eine Frucht vom Baum des Kapitalismus

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sein. Und wenn sich der Sozialismus richtig entwickelt, dann mögen sich Sozialbedingungen einstellen, in denen sich Gleichheit und das „Wohl aller" von allein ergeben. Ob man das dann Sarvodaya nennt, oder ob man es Kommunismus nennt - Namen machen keinen Unterschied. Der Weg führt nicht vom Sozialismus zum Sarvodaya; und es ist kein Sozialismus möglich, wenn nicht zunächst der Kapitalismus entwickelt wird.

Aber Vinobas Utopie ist gegen die Entfaltung des Kapitalismus, er ist ein Gegner des Maschinen- und Industriezeitalters. „Zurück zu den Zeiten von Rama, zu den primitiven Zeiten," ist sein Schlachtruf. Wenn ihr also meinen Standpunkt wirklich verstehen wollt, lautet er so: Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine rückwärts- orientierte Bewegung das größte Hindernis auf dem Weg zum Sozialismus, weil sie an Rückkehr in die vor- kapitalistische Phase glaubt, während der Sozialismus eine Stufe über den Kapitalismus hinaus ist. Wenn Indien sich an der Vergangenheit orientiert, können wir niemals sozialistisch sein. Dann wird Sozialismus unmöglich.

Aber wir werden diesen Weg nicht gehen. Vinoba ist erbärmlich gescheitert, und er ist müde und erschöpft. Er ist so kläglich gescheitert, daß es nicht so aussieht, als ob er noch irgendetwas tun könnte. Aber das ist nicht Vinobas Schuld und auch nicht die Schuld des Volkes. Schuld ist, daß die Vision und Philosophie des Sarvodaya einfach nicht stimmt - und sie ist für das Fiasko verantwortlich. Vinoba kann gar nicht anders als erschöpft und geschlagen sein; sein Scheitern steht fest, und zwar, weil wir keine Ahnung haben, was menschliche Natur ist. Jede Lebensphilosophie und Beurteilung des Lebens müssen völlig übereinstimmen mit der Natur des Menschen. Meiner Erkenntnis nach ist der Kapitalismus eine Lebensphilosophie, die sich in völliger Übereinstimmung mit dem Menschen und sei- ner Natur befindet. Er ist nicht nur ein ökonomisches System, sondern er ist auch eine Lebensphilosophie, eine Lebensweise.

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Ein Freund hat gefragt: Du sagst, daß der Sozialis- mus kommt, wenn der Kapitalismus sich voll entwik- kelt hat. Aber wer soll den Sozialismus einführen ?

Wir glauben immer, daß gewisse Dinge nur dann passieren, wenn sie von dem einen oder anderen einge- führt werden. Wenn ich sage, daß ein Kind allmählich ins Jugendalter hineinwächst, fragst du auch nicht, wer es einführt. Wenn ich sage, daß sich mit zunehmender Jugend allmählich das Alter einstellt, fragst du eben- falls nicht, wer es einführt. Die Kindheit wächst von sich aus in die Jugend hinein, und ähnlich geht Jugend in Alter über. Da ist nichts, was durch irgendeinen Mittler eingeführt werden muß. Ebenso wie es natürli- che Lebensstufen gibt, ebenso gibt es natürliche Stufen sozialen Wachstums. Wenn sich der Kapitalismus ent- wickelt, geht er von allein in den Sozialismus über; nie- mand wirkt als Mittler; und wenn ihr von einem Mittler redet, heißt das, daß der Kapitalismus noch nicht reif genug ist und sich deswegen die Frage nach einem Mitt- ler stellt. Ein Mittler gilt erst dann als notwendig, wenn sich der Kapitalismus nicht so entwickelt hat, wie er soll, und der Sozialismus deshalb eingeführt werden muß. Aber das wird ein aufgezwungener Sozialismus sein und kein natürlicher. Doch er wird von sich aus kommen, wenn wir ihn nur kommen lassen. Der Sozia- lismus kann nur kommen, wenn wir ihn nicht erzwin- gen.

Als Antwort auf deine Frage kann ich nur sagen, daß die Transformation eines Gesellschaftssystems sich von allein vollzieht - so wie Jugend zu Alter wird. Kannst du sagen, an welchem bestimmten Kalendertag der junge Mann alt wurde? Viele von euch sind aus der Jugend ins Alter hineingewachsen. Könnt ihr sagen, wann das jeweils der Fall war? Ihr müßt zugeben, daß ihr es nicht wißt. Das Wachstum des Lebens ist so still, ist etwas so Unmerkliches, daß keine Grenzlinien zwi- schen den verschiedenen Stufen eines Wachstums gezogen werden können.

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Trotzdem wollen wir unbedingt wissen, wann genau der Kapitalismus in den Sozialismus übergehen wird. Nach meiner Sicht müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit dieser Wandel passieren kann.

Erstens wird sich alles verändern, wenn es einen Überfluß an Reichtum gibt-nicht eher. Alle Versuche, vor diesem Zeitpunkt etwas zu ändern, müssen schei- tern. In kommunistischen Ländern wie der Tschecho- slowakai und Jugoslawien kehrt der Kapitalismus zurück, weil sie so voreilig den Sozialismus durch Zwang einführten. Jetzt verlangsamen sie den Prozeß der Verstaatlichung, weil sie ihren Fehler erkannten. Sie erkannten, daß es ein Fehler war, das Tempo der Kollektivierung künstlich voranzutreiben, und jetzt lassen sie etwas locker. Die Erfahrungen der letzten dreißig oder vierzig Jahre haben ihnen gezeigt, daß das alles nicht mit der menschlichen Natur übereinstimmt, und daß man ihr freie Bahnen lassen muß. Ihr könnt einen Mann dazu zwingen, einen oder zwei oder selbst drei Tage lang zu schuften, aber ihr könnt es nicht auf immer und ewig tun. Nur, was sich in Harmonie mit der menschlichen Natur befindet, kann immer und ewig dauern. Der Sozialismus basiert auf einem Überfluß an Reichtum - auf überschüssigem Reichtum. Das ist das eine. Aber die Frage ist, wie es zu diesem Überfluß an Reichtum kommen soll.

Ein Überfluß an Reichtum kann nicht durch die Arbeit des Menschen Zustandekommen. Arbeit wird durch Technologie ersetzt werden müssen, wenn dieses Ziel erreicht werden soll. Es lohnt sich darum nicht, den Sozialismus an die Stelle des Kapitalismus setzen zu wollen. Wtr sollten uns lieber daran machen, menschliche Arbeit durch Technologie zu ersetzen.

Ein anderer Freund hat gefragt: Du redest davon, daß wir die Technologie entwik-

keln sollen, aber ist das so kinderleicht? Ja, Technologie zu entwickeln ist kinderleicht. Geht

und seht euch Deutschland an oder auch Japan zum

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Beispiel. Deutschland war während des Zweiten Welt- krieges dem Erdboden gleichgemacht worden; es wurde in einem Maße zerstört wie noch kein Land zuvor. Aber in einem Zeitraum von zwanzig Jahren ist Deutschland nach dem Kriege sehr viel wohlhabender geworden, als es je zuvor gewesen ist. Genauso wurde auch Japan im selben Krieg zerstört, aber in nur zwan- zig Jahren hat Japan einen Wohlstand erlangt, den es noch nie zuvor hatte.

Aber es gibt einen krassen Unterschied zwischen den Leistungen der beiden Teile Deutschlands. Einige meiner Freunde waren vor kurzem in Berlin. Sie sagten mir, daß es zwischen dem östlichen Teil Berlins, der sich in den Händen der Kommunisten befindet, und seinem westlichen Teil, der in den Händen von Nicht- Kommunisten ist, einen unendlichen Unterschied gäbe. Während der kommunistische Teil Berlins immer noch arm und elend ist, ist der Wohlstand, den das nicht-kommunistische Berlin erreicht hat, überwäl- tigend. Berlin steht heute als ein Symbol da - wo der Unterschied zwischen den beiden Systemen so gesto- chen klar sichtbar wird, daß die Wahl leichtfällt.

Ein anderer Freund hat gefragt: Du lobst nur den Kapitalismus, während du die Lei-

stungen Rußlands unterschlägst. Hat Rußland etwa keine Technologie entwickelt? Haben die Russen etwa nicht den Mond erreicht? Haben sie nicht alles, was der Kapitalismus auch hat?"

Rußland hat sich entwickelt; ich leugne es nicht. Es gibt auch in Moskau einen Wolkenkratzer, aber es gibt in New York Hunderte von Wolkenkratzern. Und der einzige Wolkenkratzer von Moskau ist auf Kosten der hungernden Menschen Rußlands gebaut worden. Das Volk wurde zu Opfern gezwungen, damit Dinge wie dieser Wolkenkratzer gebaut werden konnten. Und er ist einzig und allein zum Zweck der Propaganda gebaut worden - sie wollen den Besuchern ihres Landes sagen, daß sie kein armes Volk sind, daß auch sie ihre Wolken

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kratzer haben. Aber in Amerika sind die Wolkenkrat- zer mit der gleichen Leichtigkeit entstanden, mit der das Gras aus dem Boden wächst. Kein Zwang wurde in Amerika angewendet und keine Opfer gebracht, um Wolkenkratzer bauen zu können; sie kamen von selbst. Moskau hat auch eine Untergrundbahn, deren Statio- nen mit Marmor ausgelegt sind, aber die Untergrund- bahn ist ebenfalls ein Schaustück, das zu einem unge- heuren Preis errungen wurde - bezahlt mit dem Schweiß und Blut des Volkes. Es gibt in Moskau erst- klassige Hotels für Besucher, und in der unmittelbaren Nachbarschaft dieser Hotels mußten 1934 arme Men- schen Schlange stehen für ihr tägliches Brot. Beides - Schaustücke und leidende Menschen - stehen Seite an Seite, aber wir sehen es nicht.

Vor kurzem taten die Russen ihr Bestes, um den Mond zu erreichen. Sie mußten ihre Anstrengungen bremsen, weil sich das Spiel als zu teuer erwies. Einen Mann auf den Mond zu bringen, sollte mehr als 180 Milliarden Rupien kosten, also bremsten sie ihr Tempo unter dem Druck der armen Millionen, die sagten, daß sie ausgehungert würden, um ein wahnsinniges Wett- rennen zu bezahlen. Rußland erkannte schließlich, daß der Einsatz zu teuer war. Für Amerika dagegen war es tatsächlich kinderleicht, zum Mond zu fliegen.

Rußland hat selbstverständlich seine Technologie entwickelt, aber es ist eine erzwungene Entwicklung. Und weil sie erzwungen wurde, hinkt sie jetzt hinter- her. Das schuftende Volk hat die Lust verloren, und sie sind nicht mehr bereit, so schwer zu arbeiten. Die Tage des revolutionären Eifers sind vorbei; das revolutio- näre Fieber hat nachgelassen. Das Leben folgt natürlichen Gesetzen. Und für den Menschen .liegt eines dieser natürlichen Gesetze im Kapitalismus. Wenn ich sage, daß Technologie kinder- leicht ist, sage ich damit nicht, daß sie durch Zauberei zum Vorschein kommt. Aber zwanzig oder fünfund- zwanzig Jahre im Leben eines Landes sind nichts. Wenn ihr jedoch fortfahrt zu glauben, daß Technologie

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nicht kinderleicht ist und sich in kurzer Zeit verwirkli- chen läßt, werdet ihr es nicht einmal in tausend Jahren schaffen.

Ich habe eine Geschichte gehört: Ein Mann sitzt mit seiner Lampe am Rande seines Dorfes, und es ist dun- kel ringsherum. Jemand kommt vorbei und fragt ihn, was er da tut. Der Mann sagt, daß er weit zu laufen hat, zu einem Tempel oben auf dem Berg da drüben, in zehn Meilen Entfernung. Der Vorübergehende sagt: „Dann komm mit, laß uns zusammen gehen, warum fängst du nicht zu laufen an?" Der Mann antwortet: „Meine Lampe ist so klein, daß sie nicht einmal drei Fuß weit leuchtet - und die Reise ist so weit. Ich hab' nachgerechnet und frage mich, wie ich eine so lange Strecke mit dieser kleinen Lampe ausleuchten kann." Der andere Mann sagt: „Du bist ja verrückt! Wenn du hier sitzen bleibst, wirst du sterben, bevor du mit deiner Reise angefangen hast. Du wirst nie den Tempel errei- chen. Deine Rechnerei wird dich umbringen. Steh auf und setz dich in Gang. Wenn du drei Schritte zurückge- legt hast, wird die Lampe die nächsten drei beleuchten, und so kannst du immer weiter gehen. Wenn du weiter so rechnest, wirst du niemals dein Ziel erreichen. Wenn du mit dem Rechnen aufhörst und jetzt gleich anfängst, kannst du selbst eine Reise von tausend Meilen mit die- ser Lampe zurücklegen."

Das Problem mit uns ist, daß wir uns seit undenkli- chen Zeiten für ein weises Volk halten. Aber jahrhun- dertelang haben wir nur über alles nachgerechnet und gestritten, ohne einen Handschlag zu tun.

Genau deshalb fragst du, wie Technologie möglich sein kann - so eine große Sache wie Technologie wird mindestens zwanzig Jahre brauchen. Ich sage, daß es nicht einmal in zwanzig Jahren passieren kann, wenn ihr glaubt, daß es lange dauern wird. Und es kann in nur zehn Jahren passieren, wenn ihr euch entschließt, gleich jetzt mit der Arbeit anzufangen. Es kommt nur darauf an, klar und positiv zu sein und augenblicklich mit der Arbeit anzufangen. Und die Sache drängt so,

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daß ihr, wenn ihr nicht mit einem Gefühl der Dringlich- keit an sie herangeht und euch ins Zeug legt, in fünzig Jahren nirgendwo sein werdet. Vielleicht wird der Abstand zwischen euch und dem Rest der Welt in fünf- zig Jahren etwa so groß sein wie der Abstand zwischen den Primitiven von Bastar und der Bevölkerung von Bombay heute. Wir sind bereits auf bestem Wege, und mit jedem Tag mehr. Wir sind uns nicht bewußt, mit welchem Tempo sich die Dinge weltweit entwickeln.

Kürzlich stieß ich auf ein paar statistische Fakten, die erschreckend sind. Die Wissenschaftler, die heute auf der Welt sind, bilden 90% der Gesamtzahl aller Wissenschaftler, die die Welt im Laufe der Mensch- heitsgeschichte hervorgebracht hat. Das bedeutet, daß 90% aller Wissenschaftler erst in den letzten 50 Jahren geboren wurden, und nur 10% in einem Zeitraum von zehntausend Jahren. Und 50% von den jetzt lebenden 90% Wissenschaftlern sind in einem einzigen Lande geballt, und zwar in Amerika. Dies wiederrum bedeu- tet, daß Amerika 50% der gesamten Ernte an wissen- schaftlicher Intelligenz und wissenschaftlichem Wissen zur Verfügung steht, die die menschliche Rasse seit ihrem Bestehen hervorgebracht hat. Diese Ballung wissenschaftlicher Intelligenz mag schon bald eine Wachstumsrate erreichen, die es uns unmöglich machen wird, sie aufzuholen. Also müssen wir schnell anfangen und mit dem Gefühl äußerster Dringlichkeit an die Arbeit gehen. Aber wir sind seltsam. Wir machen uns keine Gedanken um Technologie und Wachstum. Wir machen uns über andere Dinge Gedanken. Wir machen uns darüber Gedanken, wie man den Sozialis- mus einführen und den Reichtum gerecht verteilen kann. Wir machen uns Gedanken über Streiks und Arbeit nach Vorschrift, über gharaos und über den lan- gen Marsch durch die Institutionen und dergleichen Dinge mehr. Wir machen uns Gedanken über die Ver- tagung von Universitätsexamen. Wir machen uns Gedanken, ob ein bestimmtes Dorf im Staat Mysore

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bleiben soll oder zu Maharashtra gehört. Wir machen uns Sorgen, ob Chandigarh zum Punjab oder zu Hariyana gehört. Unser Wahnsinn scheint keine Gren- zen zu kennen. Chandigarh wird bleiben, wo es ist. Wir dagegen machen uns überflüssige Sorgen.

Ich habe gehört, daß bei der Teilung Indiens ein Irrenhaus direkt auf der Grenze stand und zwischen Indien und Pakistan geteilt werden mußte. Aber die Schwierigkeit war, daß weder Indien noch Pakistan an den Irren interessiert war. Und so kamen die Behörden auf den Gedanken, die Insassen selbst zu fragen. Man mußte ihnen die ganze Sache immer wieder von vorn erklären, bis sie schließlich begriffen. Das Interessante ist nun, daß die Nicht-Wahnsinnigen damit einverstan- den waren, ihr Land zu teilen, die Irren dagegen frag- ten: "Warum sollen wir uns überhaupt teilen?" Die Beamten sagten: „Wegen der Hindus und Mohamme- daner." Die Irren sagten: „Okay, sollen sie. Aber wir hier sind Hindus und Mohammedaner, und wir streiten uns nie. Die Hindus und Mohammedaner draußen müssen viel weiter sein als wir. Wir leben wie Freunde zusammen. Da gibt es kein Problem. Wir essen und trinken zusammen, und wir gehen nie mit Messern und Gewehren aufeinander los. Warum nennt ihr uns eigentlich verrückt?"

Die Beamten erklärten weiter: „Wir haben nicht viel zu sagen, wir fragen euch nur, auf welche Seite ihr lie- ber gehen wollt - ob ihr zu Indien oder zu Pakistan gehören wollt." Da sagten die Irren: „Wir wollen blei- ben, wo wir sind." Die Beamten sagten wieder: „Keine Sorge, natürlich bleibt ihr hier, aber ihr müßt uns sagen, zu welchem Land ihr gehören wollt." Die Irren sagten: „Seid ihr denn wirklich verrückt geworden? Wenn wir sowieso hierbleiben sollen, wie kommt ihr darauf, uns zu fragen, wohin wir gehören wollen?"

Da sahen sich die Beamten in einer unlösbaren Situation. Es war schwierig, mit Wahnsinnigen zu argu- mentieren. So verfielen sie auf einen Trick, statt weiter mit ihnen zu streiten. Sie zogen einfach einen weißen

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Kreidestrich und teilten das Irrenhaus in zwei Teile. Die eine Hälfte wurde Pakistan, und die andere Hälfte wurde Indien, und es wurde eine Mauer gezogen. Erst vor kurzem hörte ich, daß gelegentlich die Irren über die Mauer klettern und zueinander sagen: „Merkwür- dig, wir sind, wo wir sind, sind alle am gleichen Ort. Aber jetzt sind wir zwei Völker - Inder und Pakistanis. Und das alles nur wegen dieser Mauer."

Der Wahnsinn, der einst als „Indien und Pakistan" auftrat, hat neue Formen angenommen. Heute streiten wir darüber, ob ein bestimmter Bezirk in Mysore blei- ben soll oder an Maharashtra gehen soll. Die Wahnsin- nigen von Mysore rufen: „Wir wollen, daß er in Mysore bleibt! Und die aus Maharashtra schreien: „Nein wir wollen, daß er uns gehört!" Und niemand fragt, warum wir uns Sorgen um einen Bezirk machen, der sowieso immer an Ort und Stelle bleiben wird. Aber das ganze Land gibt sich mit unzähligen solcher Pseudoprobleme ab. Die Politiker pervertieren das Denken des Landes, indem sie falsche Probleme statt der echten zum Thema machen. Während die wahren Probleme des Landes woanders liegen, agitieren seine Führer für sinnlose Ideen. Es gibt Leute, die sagen, daß keine Kühe mehr geschlachtet werden sollten. Während der Mensch selbst vom Tod bedroht ist, schützen Politiker die Kuh. Andere mögen sich dafür stark machen und agitieren, daß keine Mücken und Flöhe getötet werden, und sie werden zweifellos als Führer anerkannt werden.

Heute stehen die Menschen am Rande des Todes, und das Land ist nahe daran, auf immer und ewig zurückzufallen. Das Land ist ernstlich bedroht. Leute mit Weitblick sagen, daß Indien im Jahre 1978 mit einer großen Hungersnot rechnen muß, bei der 200 Millio- nen Menschen umkommen können. Als ich darüber mit einem großen politischen Führer in Delhi sprach, sagte er: „1978 ist weit weg. Was für uns im Augenblick wichtig ist, sind die Wahlen von 1972. Wenn die Hun- gersnot kommt und 200 Millionen Menschen sterben, werden wir uns damit beschäftigen. Aber die vorran-

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gige Frage ist, wer auf den Stuhl des Premierministers unseres Landes kommt."

Im Augenblick gibt es nur eine allerwichtigste Frage, vor der das ganze Land steht, und zwar die, wie wir Reichtum produzieren können. Es ist eine entschei- dende Frage: Wie können wir das Land durch eine technologische Revolution führen, damit wir genügend Nahrung und Kleidung und andere Lebensnotwendig- keiten produzieren können?

Aber das Problem wird nicht gelöst. Es wird deshalb nicht gelöst, weil die Politiker die Aufmerksamkeit und Energie des Volkes in falsche Richtungen lenken. Sie haben das Land schon immer in sinnlose Probleme ver- wickelt, und sie können nur solche Fragen stellen, die ihre kleinen Hirne auszudeuten fähig sind. Es scheint, daß ihr Ideal der Einfachheit auch Abstinenz von Intel- ligenz bedeutet. Vielleicht ist der Verzicht auf Intelli- genz eine wesentliche Voraussetzung dafür, ein politi- scher Führer zu sein. Ihre Köpfe sind voller Spinnwe- ben - Spinnweben aller Art und Größe, und es finden sich immer Leute, die diese Spinnweben so verehren, daß man sie nicht entfernen darf. Sie tragen das Güte- siegel irgendwelcher Götter und Göttinen, Heiligen und Mahatmas. Es ist so schwierig, sie wegzufegen, weil ihre Schutzpatrone sich immer in den Weg stellen.

Wir müssen die Spinnrad-Ideologie vergessen, wenn wir wirklich das Land durch eine technologische Revo- lution führen wollen. Wir müssen uns an den Gedan- ken gewöhnen, daß wir gigantische Maschinen und Automation brauchen. Die Schwierigkeit ist, daß wir einerseits Technologie entwickeln wollen und anderer- seits „Heil Gandhi!" schreien und seiner Ideologie die Treue schwören. Dies führt uns in einen inneren Widerspruch, in ein gespaltenes Bewußtsein. Gandhi ist gegen Industrie und Industrialisierung; er ist gegen die Zentralisierung der Produktion. Und ihr feiert sei- nen hundertjährigen Geburtstag mit Pauken und Trompeten. Ihr wollt aber auch die technologische Revolution. Aber Gandhi und technologische Revolu-

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tion können einfach nicht Zusammengehn. Der Geist des Landes muß sich zu einem Ganzen zusammen- schließen, und wir müssen uns sehr klar darüber wer- den, was wir wollen und was wir tun werden. Wir müs- sen ohne jeden weiteren Zeitverlust handeln.

Und wir können handeln. Das Land hat eine enorme Arbeitskraft und es gibt auch genug Intelligenz. Ja, das Land hat heute einen Überschuß an Intelligenz. Zum erstenmal hat die Jugend Indiens einen Funken Weis- heit gezeigt, aber sie wissen nicht, wie sie ihn kreativ nutzen können. Das ist der Grund, warum sie sich in destruktive Aktivitäten stürzen. Bitte denkt daran, daß die Energie, die in Destruktion einfließt, in gleichem Maße kreativ sein kann. Es ist die gleiche Energie, wel- che erschafft und zerstört - der Unterschied liegt nur in der Richtung. Wenn sie keine Gelegenheit bekommt, sich kreativ zum Ausdruck zu bringen, wendet sie sich zerstörerischen Aktivitäten zu. Diesem Land fehlt der schöpferische Wille, obwohl es genug Energie besitzt, einander zu berauben und zu raffen.

Darum sage ich, daß der Sozialismus kein schöpferi- sches Ziel ist. Er glaubt nur an Beschlagnahmung und Erbeutung und an Verteilung der Beute. Die Habe- nichtse wollen die Besitzenden plündern. Aber die Tra- gödie ist, daß wir nicht genug Reichtum zur Verteilung besitzen. Sehr wenige Menschen haben Reichtum. Wenn viele Leute reich wären, hätten wir längst nach ihrem Reichtum gegriffen und ihn verteilt.

Und wir haben keine Idee, wie wir Reichtum schaf- fen sollen. Wir können auch keinen schaffen, solange wir nicht die gesamte Jugendkraft, die heranwachsende Kraft des Landes, mit einer Vision der Kreativität inspirieren. So eine Vision, so ein Geist der Kreativität läßt sich kaum herbeiführen, solange die Führer des Landes damit beschäftigt sind, der Jugend einzureden, daß wir arm sind - nicht weil es uns etwa an Kreativität mangeln würde, sondern aufgrund von Ausbeutung. Doch was sie sagen, ist absolut falsch. Den Leuten wird ebenfalls erzählt, sie wären arm

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aufgrund des Niedergangs unseres moralischen Cha- rakters. Diesen Punkt möchte ich gerne bis in die nähe- ren Einzelheiten diskutieren, weil er uns sehr wichtig ist. Auch zu diesem Problemkomplex sind ein paar Fra- gen da.

Dem ganzen Land wird erzählt, erst müsse der Cha- rakter wiederhergestellt werden, denn überall herrsche Charakterlosigkeit. Und solange wir das nicht täten, könnten wir nicht reich und wohlhabend werden. Sobald die Rede auf Korruption und Destruktivität kommt, ziehen sie sofort diese Theorie aus der Tasche - das alles liege daran, daß es uns grundsätzlich an Cha- rakter mangele. Aber ich sage euch, Charakterfestig- keit ist in der Armut einfach unmöglich. Charakter und Armut gehen nicht zusammen. Auch Charakter ist ein Luxus, der nur unter Wohlstandsbedingungen und im Überfluß möglich ist. Ich sage nicht, daß Charakter notgedrungen mit dem Wohlstand kommt; was ich damit sagen will ist, daß mit dem Wohlstand Charakter überhaupt erst möglich wird.

Aber wie soll ein armer Mensch Charakter haben? Das Leben rückt ihm von allen Seiten auf den Leib und erstickt ihn, so daß er gezwungen ist, allem Charakter Adieu zu sagen. Nichtsdestotrotz hören die Politiker nicht auf zu behaupten, daß die Armut nicht eher aus- zurotten ist, als bis die Korruption beseitigt ist.

Das heißt, das Pferd am Schwanz aufzäumen. Darum sage ich: Reden wir besser nicht von Charakter und Charakterlosigkeit und stecken wir zunächst unsere ganze Energie in die Beseitigung der Armut. Und wenn die Armut verschwindet, wird die Korrup- tion von selbst verschwinden. Erst muß die Armut auf- hören. Sie wird nicht dadurch aufhören, daß die Cha- rakterlosigkeit aufhört - ganz einfach, weil letztere ein- fach nicht aufhören wird. Aber wenn Armut und Erniedrigung aufhören, wird sich das Niveau des Cha- rakters ganz von allein zu heben beginnen.

Neulich besuchte mich ein Richter. Nebenher erzählte er mir, daß er keine Bestechungen annehme.

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Ich bat ihn, mir die Grenze zu nennen, bis zu der er Bestechungen zurückweise. Er war verunsichert und sagte, er verstehe nicht recht, was ich meine. Ich sagte: „Würden Sie eine Bestechung von fünf Paisa akzeptie- ren?" Er sagte: „Wie bitte?! Fünf Paisa, nie und nim- mer!" „Und wenn ich fünf Rupien biete?", fragte ich wieder. Wieder sagte er nein. Und ich fragte: „Und was ist mit 500?" Er wiederholte sein Nein, aber diesmal war es nicht ganz so emphatisch. Als ich den gedachten Betrag auf eine Bestechung von fünftausend Rupien steigerte, fragte er, was ich eigentlich wolle, aber nein sagte er nicht mehr. Und als ich schließlich die Summe auf fünfhunderttausend brachte, sagte er, er müsse es sich überlegen.

Was bedeutet Mangel an Charakter? Du bist ein Mann von Charakter, wenn du eine Bestechung von fünf Paisa ablehnst. Und wenn du einhunderttausend akzeptierst, wirst du charakterlos? Nein, jeder Mensch hat seine Grenze. Wenn das Angebot nur fünf Paisa ist, kann er nein sagen und seinen Charakter behalten, weil er eine Menge von Paisa besitzt. Aber wenn ein Ange- bot von fünfhundert Rupien kommt, stellt sich die Frage, ob man sie ablehnt oder nicht. Der eine kann es sich leisten, fünfhundert Rupien abzulehnen, weil er weit mehr auf der Bank liegen hat. Aber bei einem Angebot von fünfhunderttausend denkt er, daß sein Charakter eine so hohe Summe nicht wert ist - für den Augenblick kann er ihn dafür verkaufen; er wird in der Zukunft genug Zeit haben, ihn wieder auszubessern.

Vor einiger Zeit berichtete mir ein Freund, daß der Jain-Heilige Chitrabhan auf Reisen in ein fremdes Land gefahren sei. Da er ein Jain-Heiliger ist, darf er eigentlich nicht ins Ausland reisen. Aber er fuhr trotz der Opposition der Jains. Der Freund wollte von mir wissen, was ich davon halte.

Ich sagte, daß erstens Chitrabhan kein wahrer Heili- ger sei, nicht weil er etwa ins Ausland gereist sei, son- dern weil er noch immer ein Jain ist und ein Jain kein Heüiger sein kann. Ein wahrer Heiliger ist einfach nur

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Mensch. Er ist kein Jain und kein Hindu und kein Christ und kein Moslem. Und zweitens ist er mit dem Kamandol - dem Wasserbehälter - und ähnlichen anderen Symbolen des Jain-Heiligen gereist, die die Jains ihn gebeten hatten zurückzugeben. Die Jains waren zum Flughafen gekommen, als Chitrabhan abfuhr und wollten ihm seine Symbole wegnehmen, aber er konnte sie mit Erfolg verteidigen. Es scheint, daß dieser Heilige im gleichen Boot sitzt wie seine Geg- ner, weil beide glauben, daß der Heiligenstatus auf die- sen Gegenständen beruht. Chitrabhan entkam mit die- sen Dingen, weil er glaubte, er werde ohne sie zu einem Nichts. Er hatte nichts anderes bei sich; ohne diese Symbole hätte sich seine Reise ins Ausland nicht gelohnt. Sein Heiligenstatus beschränkte sich auf diese Dinge.

Da der Freund meine Ansicht wissen will, sage ich, daß es reine List von ihm war, so zu handeln. Wenn er es für richtig hielt, ins Ausland zu reisen, hätte er das Symbol des Jain-Heiligen zurückgeben müssen, da die Jains dagegen waren, daß er als ein Jain-Heiliger ins Ausland reiste. Denn er klammerte sich an den Symbo- len fest und behielt sie mit großer Mühe bei sich, weil er nicht die Ehre verlieren wollte, die an diesen Symbolen hängt. Es war reines Kalkül, reine Unehrlichkeit sei- nerseits. Die Frage ist nicht, ob seine Auslandsreise richtig oder falsch war - es geht darum, daß man die Ehre behalten möchte, die mit diesen Jain-Symbolen einhergeht, die Ehre der Jains, die aber etwas gegen diese Reise haben. Das war durchaus nicht gut gehan- delt.

Der Freund wollte ebenfalls wissen, was Chitrabhan wohl tun werde, wenn er von der Auslandsreise zurück ist. Ich sagte, er würde dafür Buße tun. Er würde Buße tun und sich entschuldigen und der Sühneakt wird nicht allzu streng sein, denn es gab zu der Zeit, als die Schrif- ten der Jains geschrieben wurden, kein Flugzeug. Also wird er so büßen, als hätte er ein ochsenkarrenähnli- ches Vehikel benützt, und danach wird er wieder in die

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Gemeinde der Jains aufgenommen. Er wird wieder ein Heiliger sein.

Worauf es hier ankommt, ist folgendes: Er mußte zwischen Charakter und dem verführerischen Angebot einer Auslandsreise wählen. In Indien selbst hatte er nie irgendein Transportmittel benutzt, war er immer zu Fuß von einem Ort zum anderen gewandert. Und er genoß dafür die Ehre eines Jain-Heiligen. Jetzt kam eine Einladung aus der Schweiz: ein großes Problem. Es war wie ein Bestechungsangebot von fünfhundert- tausend Rupien. Was tun? Das Angebot annehmen oder nicht? Das war die Frage. Er mußte eine Wahl treffen zwischen seinem Charakter als Jain-Heiliger und dem Ansehen, das mit einer Auslandsreise verbun- den ist. Die Wahl war wirklich schwer, und er mußte seinen Charakter aufgeben, weil die Versuchung zu groß war. Wenn man ihm angeboten hätte, im Auto nach Poona mitzufahren, hätte er ohne weiteres ableh- nen können, denn das wäre wie eine Bestechung von fünf Paisa gewesen. Er wäre nach Poona gelaufen, er hätte das Angebot rundweg abgelehnt. Aber das Ange- bot einer Reise in die Schweiz war zuviel; er war noch nie dort gewesen. Bis dahin kannte er nur Bombay; er hatte noch nicht einmal Poona gesehen. Die Schweiz - das war zuviel. Also mußte er seinen Charakter opfern. Im allgemeinen ist der Bewegungsspielraum eines Jain-Mönches sehr beschränkt. Weil er keine Trans- portmittel benutzen darf, muß er laufen und immer nur laufen. Er lebt wie ein Frosch in einem Brunnen. Wenn also ein Jain-Mönch aus dem einen Teil seiner Stadt, sagen wir Bombay, in einen anderen kommt, sagen die Leute, daß er seine Stadt gewechselt hat. Er ist immer noch in Bombay, aber er hat seine Stadt gewechselt! Es ist die gleiche Geschichte wie mit dem Irrenhaus, die sich wiederholt. Das war Chitrabhans Situation, bevor er in die Schweiz fuhr. Sein Besuch in der Schweiz war wie eine Bestechung von fünfhunderttausend Rupien und er akzeptierte das Angebot in der Hoffnung, daß er seinen Charakter später flicken könne. Schließlich

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gehört nicht viel Zeit dazu, einen Charakter auszubes- sern.

Genauso funktioniert der Verstand bei jedem. Wirklich, es ist Armut, was den Charakter am

Wachstum hindert. Und wer ist arm? Irgendein Man- gel, jede Art von Minderwertigkeit erzeugt Armut. Zum Beispiel hält sich ein indischer Heiliger, der Europa und Amerika noch nicht besucht hat, für kei- nen großen Heiligen und denkt, daß er weit hinter Vivekanand zurücksteht. Ihn bedrückt das Gefühl, daß er ein unwichtiger Heiliger bleiben wird, solange er nicht den Westen besucht hat. Ein Mensch mit Minder- wertigkeitsgefühlen ist ein armer Mensch. Ob nun min- derwertig an Reichtum oder an Wissen oder an Anse- hen oder an was auch immer - er ist ein armer Mensch. Und Armut führt zu Korruption, zu Charakterlosig- keit. Jede Art von Korruption entsteht aus Armut. Und da es viele Formen der Armut gibt, gibt es soviele Formen der Korruption.

Ähnlich gibt es viele Arten von Reichtum. Es gibt einen Reichtum an Wohlstand - und es ist schwer, einen reichen Menschen zu bestechen. Dann gibt es einen Reichtum an Wissen - ihr könnt einen wirklich Wissenden nicht mit Universitätswürden kaufen. Selbsterkenntnis oder Erleuchtung hat ihren eigenen Reichtum; es ist schwer, einen Buddha mit den Dingen des Egos zu verführen. Und der Frieden hat seinen eigenen Reichtum; Provokationen und Spannungen verfangen einfach nicht.

Charakter kommt aus Reichtum, aus Erfüllung - Erfüllung jeder Art. Indien muß also endlich begrei- fen, daß es Reichtum hervorbringen muß, statt große Worte über Moral und Charakter zu machen. Ist der Reichtum erst da, kann es ohne weiteres seinen Cha- rakter ausbilden. Aber wenn wir am verkehrten Ende anfangen, wenn wir glauben, erst den Charakter pro- duzieren zu können, werden wir keins von beiden haben - weder Charakter noch Wohlstand. Im Gegen- teil, unsere Armut wird dadurch nur noch extremer

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und unüberwindlicher. Dieser Fehler ist mehr als ein- mal begangen worden.

Ein Bauer sät Weizen auf sein Feld. Mit der Weizen- ernte kommt Spreu. Ein dummer Bauer mag denken: „Wenn ich Weizen säe und mit dem Weizen auch Spreu kommt, müßte ja auch Weizen kommen, wenn ich Spreu säe." Aber das wird nie passieren. Im Gegenteil, selbst die Spreu wird verschwendet sein. Wenn Spreu mit Wei- zen kommt, heißt das noch nicht, daß Weizen auch mit Spreu kommt. Spreu ist ein Nebenprodukt des Weizens, aber Weizen ist nicht ein Nebenprodukt von Spreu.

Genauso ist das, was ihr Charakter nennt, ein Nebenprodukt von Wohlstand, Reichtum und Erzie- hung. Aber wir denken einseitig, wir stellen die Dinge auf den Kopf. Wir glauben, wenn wir den Charakter bilden, daß Wohlstand und Uberfluß von selbst folgen, aber dem ist nicht so. Es ist unmöglich, Charakter zu bilden, wenn nicht erst Reichtum gebildet wurde. Wenn wir Charakter haben sollen, laßt uns damit beginnen, daß wir Reichtum bilden. Laßt uns am Anfang anfangen.

Laßt uns in den nächsten zwanzig Jahren nur noch ein einziges, gemeinsames Ziel verfolgen, das dem gan- zen Land vor Augen steht. Laßt uns aufhören, große Worte zu machen, Unsinn zu reden und stattdessen auf dieses eine Ziel hinarbeiten, mit unbeirrbarer Ent- schlossenheit. In zwanzig Jahren müssen wir da sein, wo Japan, ein vom Kriege zerrissenes und besiegtes Land, und Israel, ein armes, neugeborenes Land, in zwanzig Jahren hingekommen sind. Wenn sie es schaf- fen konnten, zu solchem Wohlstand zu gelangen, warum dann nicht auch wir?

Sicher können auch wir es, aber wir sind gespalten; wir denken unzusammenhängend. Wir denken an tau- send verschiedene Dinge - lauter absurde und dumme Dinge. Die kreative Energie des Volkes wird in falsche Kanäle gelenkt. Aber das alles passiert im Interesse des Politikers, der zur Macht kommt, indem er die Men

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Die Wichtigkeit des Politikers in Indien muß .weni- ger werden. Es ist absolut notwendig, ihn zu entwerten. Im Augenblick wird ihm zuviel Wert beigemessen; er steht mitten auf der Bühne, er nimmt unsere ganze Aufmerksamkeit, unser ganzes Ansehen, alles - als ob Politik unser Leben wäre. Sie ist ganz und gar nicht unser Leben; sie hat diese Rolle mit Betrug an sich gerissen, und sie muß vom Sockel geholt werden.

Ein letztes Wort. Wenn ihr das Wohl eures Landes wollt, hört auf, dem Politiker Achtung und Verehrung entgegenzubringen, und sorgt dafür, daß er von der Mitte der Bühne abtritt. Er hat sie nicht verdient. Es ist unfaßbar, daß die Jahrestagung der Handelskammer vom Premierminister eröffnet wird. Und der Premier- minister beleidigt die Geschäftsleute mitten ins Gesicht, und sie hören ihm schweigend zu, mit einem breiten, aber verlogenen Lächeln auf den Lippen. Und wenn ein Universitätskongreß stattfindet, wird wieder- rum der Politiker eingeladen, um die Eröffnungsrede zu halten. Leute, die nie eine Universität von innen gesehen haben, halten die Eröffnungsrede. Es ist wirk- lich genug. Es wird Zeit, daß wir den Politiker aus sei- ner überhöhten Position entfernen; es ist überhaupt nicht nötig, ihn aufs Podest zu heben, ihm Nimbus zu verleihen. Wir dürfen nicht länger zu ihm aufschauen und müssen unsere Augen in andere Richtungen len- ken.

Wir müssen unsere Augen dorthin richten, wo die Kreativität herkommt. Wo immer das Leben kreativ ist, ob das auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Pro- duktion, der Gesundheit, der Literatur, Dichtung oder Religion ist - die Augen des Landes sollten sich dorthin richten. Laßt uns den Wissenschaftler verehren, den Technologen, den Erzieher, den Dichter, den Schrift- steller, den Produzenten, den Arbeiter - das sind die Menschen, die wirklich unser Leben hervorbringen und es berreichern. Wir brauchen nur dem Politiker den Rücken zu kehren, und wir werden in zwanzig Jah- ren alles haben: Technologie, Wohlstand und Charak-

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ter. Und erst wenn das Land wohlhabend ist, werden wir in der Lage sein, Gott zu danken, und nur dann.

Wie kann ein armer Mensch Gott danken? Wofür denn?

Selbst wenn er zum T. npel geht, bettelt er um die Verheiratung seiner Tochter, um einen Arbeitsplatz für seinen Sohn und um die medizinische Versorgung seiner Frau. Und während er mit gefalteten Händen vor einer Statue steht, fragt er sich, ob seine Gebete überhaupt erhört werden, fragt er sich, ob es einen Gott gibt oder nicht, redet er sich ein, daß er sofort an Gott glauben wird, wenn seine kranke Frau die richtige medizinische Versorgung bekommt und sein Sohn Anstellung findet. Die Existenz Gottes hängt von der Gesundheit seiner Frau und der Beschäftigung seines Sohnes ab! Der arme Mann kann nur betteln, er kann Gott nicht danken.

Aber wahre Religion ist Danksagung. Wahre Reli- gion ist ein Gefühl der Dankbarkeit. Und wer ist dank- bar? Dankbar ist der, der alles hat im Leben. Und er sagt wahrhaft zu Gott: „Danke! Du hast mir Glück geschenkt, du hast mir Frieden geschenkt, du hast mir das innere Glück geschenkt. Du hast mir den Duft und die Musik des Lebens geschenkt, und ich bin dir unge- heuer dankbar!" Der arme Mann kann nicht religiös sein. Einzig und allein der reiche Mensch, ein Mensch, der Reichtum jeglicher Art hat, der Frieden, Glück und Seligkeit hat, kann Gott von Herzen danken.

Am Ende bete ich zu Gott, daß der Tag kommen mag, da wir nicht in seinen Tempel gehen werden um zu betteln, sondern um ihm zu danken. Und dieser Tag kann kommen.

Ich bin euch dankbar dafür, mir in Stille zugehört zu haben und mit großer Liebe. Und ich verneige mich vor dem Gott, der in euch allen wohnt. Bitte, nehmt mei- nen Gruß entgegen.

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the RAJNEESh BiBLE

BHAGWAN SHREE RAJNEESH SPRICHT WIEDER

Allabendlich antwortet er auf Fragen seiner Schüler und Besucher.

Die Vorträge sind auf Video- und Audiokassetten erhältlich.

Bitte Informationsmaterial anfordern bei Rajneesh Services GmbH ■ Venloer Str. 5-7 • 5000 Köln

1 0221/5740743

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Neubearbeitung Bhagwan Shree Rajneesh antwortet auf Fragen

von Schülern und Besuchern Mit einem Feuerwerk an Witz und Humor, voller

Leichtigkeit und ohne Respekt .verabschiedete Bhagwan sich mit diesen Vorträgen von seinen

Sannyasins, bevor er in eine dreieinhalb jährige Zeit des Schweigens eintrat.

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Die Gans ist raus von Bhagwan Shree Rajneesh

Der Beamte Riko bat einmal den Meister Nansen, ihm das alte Problem mit der Gans in der Flasche zu erklären. „Wenn man ein Gänseküken in eine Flasche steckt", sagte Riko, „und es füttert, bis es ausgewachsen ist, wie kann man dann die Gans herausholen, ohne sie zu töten oder die Flasche zu zerbrechen?" Nansen klatschte kräftig in die Hände und rief: „Riko!" „Ja, Meister?", schreckte der Beamte hoch. „Siehst du", sagte Nansen, „die Gans ist draußen." Dies ist der einzige und endgültige Witz in der Exi- stenz. Ihr seid erleuchtet. Ihr seid Buddhas - die so tun, als wären sie keine, die so tun, als wären sie jemand anders. Und meine ganze Arbeit hier ist, euch zu ent- larven. Seht doch, die Gans ist draußen! Ihr werdet jede Anstrengung machen, sie wieder in die Flasche zu stop- fen; denn wenn die Gans erstmal draußen ist, dann habt ihr keine Probleme mehr...

.. .Euer Leiden ist ein Witz. Ekstase ist eure wirkli- che Natur. Du bist Wahrheit. Du bist Liebe. Du bist Seligkeit. Du bist Freiheit.

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NIRVANA Die letzte Hürde auf dem Weg

Neuerscheinung Bhagwan spricht über fünf japanische Zen-Anekdoten und beantwortet Fragen von Schülern und Besuchern.

Die Satsang-Lesungen des Zweiten Jährlichen Weltfestivals 1983 in Rajneeshpuram wurden diesem

Buch entnommen.

Bhagwan Shree Rajneesh

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Nirvana, die letzte Hürde auf dem Weg von Bhagwan Shree Rajneesh

Wie kann man der Leere, dem Nirvana, nachren- nen? Der Rennende muß aufhören zu sein, nur dann ist die Leere da - wie also kannst du hinter ihr her jagen? Wie kannst du sie suchen? Der Sucher muß wegfallen. Du mußt völlig, endgültig verschwinden.

Selbst daraus haben die Leute ein Ziel gemacht. Der Verstand scheint so süchtig zu sein, daß er aus allem, egal was es ist, ein Ziel macht. Zum Beispiel sage ich ständig: „Seid hier und jetzt." Und ich weiß genau, daß ihr versuchen werdet, hier und jetzt zu sein. Da habt ihr etwas mißverstanden - weil ihr es verfehlt habt, sobald ihr es versucht. Man kann nicht versuchen, hier und jetzt zu sein, denn indem man es versucht, verkriecht sich das Hier und Jetzt. Man kann sich nur entspannen. Man kann es wohl sein, aber man kann es nicht versu- chen...

Dann seid ihr heute mit Gott, nicht morgen. Denn ihr werdet Gott morgen nicht finden, er ist immer heute. Gott ist heute.

Morgen ist Hölle, heute ist Nirvana. Aber der Ver- stand behandelt selbst das Nirvana immer so, als würde es dem Morgen angehören. So wird das Nirvana selbst zur letzten Hürde auf dem Weg...

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D ieses kleine Buch beschreibt in prägnanter Kurzform alle wesentlichen Züge des Rajneeshismus: Bhagwans Vision von einem neuen Menschen, die Einrichtungen und Feiern und die Funktionen der Priester dieser neuen Religion. Als Anhang sind zwei Texte aus dem Jahr 1983 angefügt, in denen Bhagwan Shree Rajneesh „eine Krise von ungeheuren Ausmaßen" für die Jahre 1984 bis 1999 ankündigt.

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Das orangene BUCH

DIE MEDITATIONSTECHNIKEN VON

Bhagwan Shree

RAJNEESH Eine Schatzgrube voller Meditationstechniken für

jede Tageszeit, jede Situation und jeden Ort. Für den Alltag und zum Feiern. Eine Widerspiegelung von

Bhagwans Verständnis und Einblick in den Kern der menschlichen Natur.

262 S., DM 9,80 • SFr 9,80 • ISBN 3.922 461-02-6

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Vor tausend Jahren entstand in Tibet aus der tiefen Kommunion zwischen dem erleuchteten Meister Tilopa

und seinem Schüler Naropa der „Gesang von Mahamudra". Das ungewöhnliche Dokument stellt den

innersten Kern der Großen Lehre des Tantra dar. Bhagwan Shree Rajneesh erläutert dieses Dokument

höchster menschlicher Einsicht. Bhagwan hat einmal gesagt, daß Freud, Jung, Reich und die gegenwärtige Psychoanalyse im Westen ein Klima

für eine tantrische Explosion erzeugt haben, deren Zeitpunkt gekommen ist... heute.

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BÜCHER VON BHAGWAN SHREE RAJNEESH

veröffentlicht von der Rajneesh Foundation International Einen vollständigen Katalog mit Einzelbeschreibungen der Bücher der Rajneesh Foundation International erhalten Sie bei: Rajneesh Foundation International P.O. Box 9, Rajneeshpuram, Oregon 97741 USA

Tel.: 001 - 503 - 489 - 33 01 Rajneesh Services GmbH

Venloer Straße 5-7, 5000 Köln 1, Tel.: 0221-5740743

Kota Rajneesh Neo-Sannyas Commune Baumackerstraße 42,8050 Zürich, Tel.: 01 - 31216 00

VERÖFFENTLICHUNGEN DER AKADEMIE DES RAJNEESHISMUS Rajneeshism an introduction to Bhagwan Shree Rajneesh and His religion The Book an introduction to the teachings of Bhagwan Shree Rajneesh

Band I von A-H, Band II von I- Q, Band III von P-Z ANTWORTEN AUF FRAGEN Be Still and Know The Goose is Out My Way: The Way of the White Clouds Walking in Zen, Sitting in Zen

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Walk Without Feet, Fly Without Wings and Think Without Mind

Zen: Zest, Zip, Zap and Zing

DIE BAULS The Beloved (2 Bände) BRIEFE UND FRÜHE SCHRIFTEN A Cup of Tea Briefe an Freunde From Sex to Superconsciousness And Now, and Here (Bandl) Beware of Socialism The Long and the Short and the All The Perfect Way

In Search of the Miraculous (Band 1)

BUDDHA The Book of the Books (Band 1-4 bisher erschienen) Das Dhammapada The Diamond Sutra Das Vajrachchedika Prajnaparamita Sutra The Discipline of Transcendence (4 Bände) Das Sutra der 42 Kapitel The Heart Sutra Das Prajnaparamita Hridayam Sutra BUDDHISTISCHE MEISTER The Book of Wisdom (2 Bände) Atishas sieben Ermahnungen The White Lotus Die Sprüche Bodhidharmas

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CHASSIDISMUS

The Art of Dying The True Sage

INITIATIONSGESPRÄCHE ZWISCHEN MEISTER UND SCHÜLER

Hammer On The Rock (10. Dezember 1975 -15. Januar 1976) Above All Don't Wobble (16. Januar-12. Februar 1976) Nothing To Lose But Your Head (13. Februar-12. März 1976) Be Realistic: Plan For a Miracle (13. März-6. April 1976) Get Out of Your Own Way (7. April-2. Mai 1976) Beloved of My Heart (3.-28. Mai 1976) The Cypress in the Courtyard (29. Mai-27. Juni 1976) A Rose is a Rose is a Rose (28. Juni-27. Juli 1976) Dance Your Way to God (28. Juli-20. August 1976) The Passion for the Impossible (21. August-8. September 1976) The Great Nothing (19. September-11. Oktober 1976) God is Not for Sale (12. Oktober-7. November 1976) The Shadow of the Whip (8. November-3. Dezember 1976)

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Blessed are the Ignorant (4. -31. Dezember 1976) The Buddha Disease (Januar 1977) What Is, Is, What Ain't, Ain't (Februar 1977) The Zero Experience (März 1977) For Madmen Only (Price of Admission: Your Mind) (April 1977) This Is It (Mai 1977) The Further Shore (Juni 1977) Far Beyond the Stars (Juli 1977) The No Book (No Buddha, No Theaching, No Discipline) (August 1977) Don't Just Do Something, Sit There (September 1977) Only Losers Can Win in this Game (Oktober 1977) The Open Secret (November 1977) The Open Door (Dezember 1977) The Sun Behind the Sun Behind the Sun (Januar 1978) Believing the Impossible Before Breakfast (Februar 1978)

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Don't Bite My Finger, Look Where I'm Pointing (März 1978) Let Go! (April 1978) The 99 Names of Nothingness (Mai 1978) The Madman's Guide to Enlightenment (Juni 1978) Don't Look Before You Leap (Juli 1978) Hallelujah! (August 1978) God's Got a Thing About You (September 1978) The Tongue-Tip Taste of Tao (Oktober 1978) The Sacred Yes (November 1978) Turn On, Tune In, and Drop the Lot (Dezember 1978) Zorba the Buddha (Januar 1979) Won't You Join the Dance? (Februar 1979) You Ain't Seen Nothin' Yet (März 1979) The Shadow of the Bamboo (April 1979) Be Realistic: Plan For a Miracle (Mai 1979) Snap Your Fingers, Slap Your Face And Wake Up (Juni 1979)

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The Sound of One Hand Clapping (März 1981) JESUS Come Follow Me (4 Bände) Die Worte Jesu (Neues Testament) I Say Unto You (2 Bände) Die Worte Jesu (Neues Testament) The Mustard Seed

Die Worte Jesu (Thomas-Evangelium)

KABIR

The Divine Melody Ecstasy: The Forgotten Language The Fish in the Sea is Not Thirsty The Guest The Path of Love The Revolution MEDITATION The Orange Book - The meditation techniques of Bhagwan Shree Rajneesh PHOTOBIOGRAPHIEN The Sound of Running Water Bhagwan Shree Rajneesh und sein Werk 1974 -1978 The Lotus Paradise Bhagwan Shree Rajneesh und sein Werk 1978-1984

SUFISMUS Just Like That

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The Perfect Master (2 Bände)

The Secret

Sufis: The People of the Path (2 Bände) Unio Mystica (2 Bände) Die „Hadiqa" von Hakim Sanai Until You Die

The Wisdom of the Sands (2 Bände)

TANTRA The Book of the Secrets (Band 4 und 5) Vigyana Bhairava Tantra Tantra, Spirituality & Sex Auszüge aus: The Book of the Secrets Tantra: The Supreme Understanding Tilopas Gesang vom Mahamudra

The Tantra Vision (2 Bände) über Sarahas Lied an den König TAOISMUS The Empty Boat Tschuang Tse, Geschichten The Secret of Secrets (2 Bände) Das Geheimnis der Goldenen Blüte Tao: The Golden Gate (Band 1) The Pathless Path (2 Bände) Lieh Tse, Geschichten Tao: The Three Treasures (4 Bände) Das „Tao Te King" von Lao Tse When The Shoe Fits Tschuang Tse, Geschichten

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DIE UPANISCHADEN I Am That Isa Upanischade The Ultimate Alchemy (2 Bände) Atma Puja Upanischade Vedanta: Seven Steps to Samadhi Akshya Upanischade

Philosophia Ultima Mandukya Upanischade

WESTLICHE MYSTIKER The Hidden Harmony Die „Fragmente" des Heraklit The New Alchemy: To Turn You On über Mabel Collins Buch „Light on the Path" Philosophia Perennis (2 Bände) Die „Goldenen Verse" des Pythagoras Guida Spirituale Die „Desiderata" Theologia Mystica Die Abhandlung des Hl. Dionysius

YOGA Yoga: The Alpha and the Omega (10 Bände) Die Yoga Sutren des Patanjali Yoga: The Science of the Soul (Band 1-3) (urspr. Titel: „Yoga: The Alpha and the Omega")

ZEN Ah, This! Ancient Music in the Pines

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And the Flowers Showered Dang Dang Doko Dang The First Principle The Grass Grows By Itself Nirvana: The Last Barrier on the Path (urspr. Titel: The Last Nightmare) Zen: The Special Transmission No Water, No Moon Returning to the Source A Sudden Clash of Thunder Zen: The Path of Paradox (3 Bände)

ZEN-MEISTER The Search Die zehn Zen-Stiere Take It Easy (2 Bände) über Ikkyus Gedichte This Very Body the Buddha Hakuins Lied der Meditation

BÜCHER ANDERER VERLAGE

Englische Bücher GROSSBRITANNIEN The Book of the Secrets (Band 1) (Thames & Hudson) Roots and Wings (Routledge & Kegan Paul)

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The Supreme Doctrine (Routledge & Kegan Paul) Tao: The Three Treasures (Band 1) (Wildwood House)

USA The Book of the Secrets (Band 1-3) (Harper & Row) The Great Challenge (Grove Press) Hammer on the Rock (Grove Press) I Am The Gate (Harper & Row) Journey Towards the Heart (ursprünglicher Titel: „Until You Die") (Harper & Row) Meditation: The Art of Exstasy (Harper & Row) The Mustard Seed (Harper & Row) My Way: The Way of the White Clouds (Grove Press) The Psychology of the Esoteric (Harper & Row) Roots and Wings (Routledge & Kegan Paul) The Supreme Doctrine (Routledge & Kegan Paul) Words Like Fire (ursprünglicher Titel: „Come Follow Me", Band 1) (Harper & Row)

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BÜCHER IN ANDEREN SPRACHEN DÄNISCH Hemmelighedernes Bog (Band 1) (Borgens Forlag) Hu-Meditation Og Kosmisk Orgasme (Borgens Forlag) DEUTSCH Auf der Suche (Sannyas Verlag) Das Buch der Geheimnisse (Heyne Taschenbuch) Das Orangene Buch (Sannyas Verlag) Der Freund (Sannyas Verlag) Sprung ins Unbekannte (Sannyas Verlag) Ekstase: Die vergessene Sprache (Herzschlag Verlag, ehemals Ki-Buch) Esoterische Psychologie (Sannyas Verlag) Rebellion der Seele (Sannyas Verlag) Ich bin der Weg (Sannyas Verlag) Intelligenz des Herzens (Herzschlag Verlag, ehemals Ki-Buch) Jesus aber schwieg (Sannyas Verlag)

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Jesus der Menschensohn (Sannyas Verlag) Kein Wasser, Kein Mond (Herzschag Verlag, ehemals Ki-Buch) Komm und folge mir (Sannyas Verlag) Meditation: Die Kunst zu sich selbst zu finden (Heyne Verlag) Mein Weg: Der Weg der weißen Wolke (Herzschlag Verlag, ehemals Ki-Buch) Mit Wurzeln und mit Hügeln (Edition Lotus) Nicht bevor du stirbst (Edition Gyandip, Schweiz) Die Schuhe auf dem Kopf (Edition Lotus) Das Klatschen der einen Hand (Edition Gyandip, Schweiz) Spirituelle Entwicklung (Fischer) Vom Sex zum Kosmischen Bewußtsein (New Age) Yoga: Alpha und Omega (Edition Gyandip, Schweiz) Sprengt den Fels der Unbewußtheit (Fischer) Tantra: Die höchste Einsicht (Sannyas Verlag) Tantrische Liebeskunst (Sannyas Verlag)

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Die Alchemie der Verwandlung (Edition Lotus) Die verborgene Harmonie (Sannyas Verlag) Was ist Meditation? (Sannyas Verlag) Rajneeshismus - Bhagwan Shree Rajneesh und seine Religion. Eine Einführung (Rajneesh Foundation International) Die Gans ist raus (Rajneesh Foundation Europe) Vorsicht Sozialismus (Rajneesh Foundation Europe) Nirvana, die letzte Hürde auf dem Weg (Rajneesh Foundation Europe) FRANZÖSISCH L'éveil à la Conscience Cosmique (Dangles) Je Suis La Porte (EPI) Le Livre Des Secrets (Band 1) (Soleil Orange) La Meditation Dynamique (Dangles) GRIECHISCH I Krifi Armonia (The Hidden Harmony) (Emmanual Rassoulis) HEBRÄISCH Tantra: The Supreme Understanding (Massada)

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ITALIENISCH L'Armonia Nascosta (Band 1 und 2) (Re Nudo) Dieci Storie Zen di Bhagwan Shree Rajneesh (Né Aqua, Né Luna) (Il Fiore d'Oro) La Dottrina Suprema (Rizzoli) Dimensioni Oltre il Conosciuto (Mediterranee) Estasi: Il Linguaggio Dimenticato (Riza Libri) 10 Sono La Soglia (Mediterranee) 11 Libro Arancione (Mediterranee) Il Libro dei Segreti (Bompiani) Meditazione Dinamica: L'Arte dell'Estasi Interiore (Mediterranee) Nirvana: L'Ultimo Incubo (Basaia) La Nuova Alchimia (Psiche) Philosophia Perennis (Alkaest) La Rivoluzione Interiore (Mediterranee) La Ricerca (La Salamandra)

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Il Seme della Ribellione (Band 1 - 3 ) (Rajneesh Foundation Italiy) Tantra: La Comprensione Suprema (Bompiani) Tao: I Tre Tesori (Band 1 - 3 ) (Re Nudo) Tecniche di Liberazione ( L a Salamandra) Semi di Saggezza (Sugar Co) Rajneeshismo Una introduzione a Bhagwan Shree Rajneesh e la sua religione

JAPANISCH Dance Your Way to God (Rajneesh Publications) The Empty Boat (Band 1 und 2) (Rajneesh Publications) From Sex to Superconsciousness (Rajneesh Publications) The Grass Grows by Itself (Fumikura) The Heart Sutra (Merkmal) Meditation: The Art of Ecstasy (Merkmal) The Mustard Seed (Merkmal) My Way: The Way of the White Clouds (Rajneesh Publications)

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The Orange Book (Wholistic Therapy Institute) The Search (Merkmal) The Beloved (Band. 1 und 2) (Merkmal) Tantra: The Supreme Understanding (Merkmal) Tao: The Three Treasures (Band 1 - 4 ) (Merkmal) Until You Die (Fumikura) Rajneeshism an introduction to Bhagwan Shree Rajneesh and His religion

NIEDERLÄNDISCH Drink Mij (Ankh-Hermes) Het Boek Der Geheimen (Band 1 - 5 ) (Mirananda) Geen Water, Geen Maan (Mirananda) Gezaaid In Goede Aarde (Ankh-Hermes) Ik Ben De Poort (Ankh-Hermes) Ik Ben De Zee Die Je Zoekt (Ankh-Hermes) Meditatie: De Kunst van Innerlijke Extase (Mirananda)

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Mijn Weg, De Weg van de Witte Wölk (Arcanum) Het Mosterdzaad (Band 1 und 2) (Mirananda) Het Oranje Meditatieboek (Ankh-Hermes) Psychologie en Evolutie (Ankh-Hermes) Tantra: Het Allerhoogste Inzicht (Ankh-Hermes) Tantra, Spiritualiteit en Seks (Ankh-Hermes) De Tantra Visie (Band 1) (Arcanum) Tau (Ankh-Hermes) Totdat Je Sterft (Ankh-Hermes) De Verborgen Harmonie (Mirananda) Volg Mij (Ankh-Hermes) Zoeken naar de Stier (Ankh-Hermes)

PORTUGIESISCH (BRASILIEN) O Cipreste No Jardim (Soma) Dimensöes Alem do Conhecido (Soma) O Livro Dos Segredos (Band 1) (Maha Lakshmi Editora)

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Eu Sou A Porta (Pensamento) A Harmonía Oculta (Pensomento) Meditacäo: A Arte Do Extase (Cultrix) Meu Caminho: O Comainho Das Nüvens Brancas (Tao Livraria & Editora) Nem Agua, Nem Lúa (Pensamento) O Livro Orange (Soma) Palavras De Fogo ( Globall Ground) A Psicologia Do Esotérico (Tao Livrarai & Editora) A Semente De Mostarda (Band 1 und 2) (Tao Livrarai & Editora) Tan tra: Sexo E Espiritualidade (Agora) Tan tra: A Supreme Comprensao ( Cultrix) Antes Que Voce Morra (Maha Lakshmi Editora) Extase: A Linguagem Esquecida (Global) Arte de Morrer (Global) SCHWEDISCH Den Väldiga Utmaningen (Livskraft)

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SPANISCH Introducción al Mundo del Tantra (Colección Tantra) Meditación: El Arte del Extasis (Colección Tantra) Psicológia de lo Esotérico: La Nueva Evolución del Hombre (Cuatro Vientos Editarial) ¿Qué Es Meditatión? (KoanlRoselló Impresions) Yo Soy La Puerta (Editorial Diana) Solo Un Cielo (Band 1 und 2) (Colección Tantra) El Sutra del Corazon (Sarvogeet) Ven, Sigúeme (Band 1) (Sagaro)

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RAJNEESH MEDITATIONS-ZENTREN, ASHRAMS UND KOMMUNEN

Es folgt eine Liste der Rajneesh Neo-Sannyas Ashrams und Kommunen, der Sie die Adresse des Ihnen am nächsten gelegenen Zentrums ent- nehmen können. Dort erfahren Sie auch, wo Sie Bücher von Bhagwan Shree Rajneesh auf englisch oder in fremdsprachigen Ausgaben bekommen können. Allgemeine Informationen sind bei der Rajneesh Foundation International in Rajneesh- puram, Oregon, erhältlich.

AMERIKA USA: RAJNEESH FOUNDATION INTERNATIONAL P.O.Box 9, Rajneeshpuram, OR 97741 Tel.: (503)489-3301 UTSAVA RAJNEESH MEDITATION CENTER 20062Laguna Canyon Rd., LagunaBeach, CA92651 Tel.: (714) 497-4877 CANADA: SHANTI SAD AN RAJNEESH MEDITATION CENTER 1817 Rosemont, Montreal, Quebec H2G 1S5 Tel.:(514)272-4566 BRASILIEN: UDGITI RAJNEESH MEDITATION CENTER R. Macaubal 7, Sumare, 01256 Säo Paulo

AFRIKA

PREETAM RAJNEESH MEDITATION CENTER Spring Valley Estate, P.O.Box 10256, Nairobi, Kenya Tel.: 582093

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ASIEN INDIEN: RAJ YOGA RAJNEESH MEDITATION CENTER C5/44 Safdarjang Development Area, New Delhi 100016 Tel.: 654533 RAJNEESHDHAM NEO-SANNYAS COMMUNE 17 Koregaon Park, Poona 411001, MS Tel.: 28127 JAPAN: SHANTIYUGA RAJNEESH MEDITATION CENTER Sky Mansion 2 F, 1 -34-1 Okayama, Meguro-ku, Tokyo Tel.: (03)724-9631

AUSTRALIEN

MESTO RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE 4A Ormond St., Paddington, NSW2021 Tel.: (02)336570 SAHAJAM RAJNEESH NEO-SANNYAS ASHRAM 6 Collie Street, Fremantle 6160, W. A. Tel.: (09)336-2422

EUROPA NIEDERLANDE: DE STAD RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE Prinsengracht 719,1017 JW Amsterdam Tel.:020-221296 SCHWEIZ: KOTA RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE Baumackerstraße 42, 8050 Zürich Tel.:01-3121600 WESTDEUTSCHLAND: AMIT RAJNEESH MEDITATION CENTER Friesenstraße 15, 3000 Hannover Tel.:0511-342217 BAILE RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE Karolinenstraße 7-9,2000 Hamburg 6 Tel.:040-432140

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DÖRFCHEN RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE Kurfürstendamm 102,1000 Berlin 31 Tel.: 030-32000725/26 RAJNEESH BYEN NEO-SANNYAS COMMUNE Klenzestraße 41, 8000 München 5 Tel.:089-269077 RAJNEESH STADEN NEO-SANNYAS COMMUNE Kartäuserstraße 96,7800 Freiburg Tel.:0761-31402 WIES RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE Schloßstraße 60 A, 7000 Stuttgart 1 Tel.:0711-610571 WIOSKA RAJNEESH NEO-SANNYAS COMMUNE Venloer Straße 5/7,5000 Köln 1 Tel.: 0221-5740730/31

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