montakab, h. chinesische medizin heutehuang di nei jing (innerer klassiker des gelben kaisers)....

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Montakab, H. Chinesische Medizin heute by naturmed Fachbuchvertrieb Aidenbachstr. 78, 81379 München Tel.: + 49 89 7499-156, Fax: + 49 89 7499-157 Email: [email protected], Web: http://www.naturmed.de zum Bestellen hier klicken

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Page 2: Montakab, H. Chinesische Medizin heuteHuang Di Nei Jing (Innerer Klassiker des Gelben Kaisers). Historiker sind sich noch immer uneins darüber, wann das Nei Jing verfasst wurde. Jedwede

Hamid Montakab

Chinesische Medizin heute

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Hamid Montakab

Chinesische Medizin heuteEin westliches Lehrbuch deröstlichen Heilkunst

Deutsche Übersetzung vonPetra Zimmermann

Mit Beiträgen vonSimon Becker, WinterthurDr. Bartosz Chmielnicki , KatowiceChristine Dam, WinterthurDr. Stefan Englert, WinterthurPeter Firebrace, LondonPhillip Haas, EffretikonSolange Montakab-Pont, SavieseBernhard Nessensohn, Nieuw-BruinenChristine Reist, Marthalen

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Zuschriften, Verbesserungsvorschläge und KritikVerlag Systemische Medizin AG, Müllerstraße 7 – 93444 Bad Kö[email protected]

Wichtiger Hinweis für den LeserDurch Forschung und klinische Erfahrungen unterliegen die Erkenntnisse in Medizin und Natur-wissenschaften einem beständigen Wandel. Die Autoren haben sorgfältig geprüft, dass die in die-sem Werk getroffenen therapierelevanten Aussagen und Angaben dem derzeitigen Wissensstandentsprechen. Hierdurch wird der Leser dieses Werkes jedoch nicht von der Verpflichtung entbun-den, ggf. auch anhand anderer Werke zu diesem Thema zu prüfen, ob die dort getroffenen Aussa-gen und Angaben von denen in diesem Werk abweichen. Der Leser trifft seine Therapieentschei-dung in eigener Verantwortung. Ggf. erwähnte Produktnamen sind geschützte Marken oder ein-getragene Markenzeichen der jeweiligen Eigentümer, Unternehmen oder Organisationen, auchwenn sie im Einzelnen nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet wurden.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; de-taillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2016© Verlag Systemische Medizin AG, Bad Kötzting

Das Werk ist, einschließlich aller seiner Teile, urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung au-ßerhalb der durch das Urheberrechtsgesetz gesetzten Grenzen ist ohne ausdrückliche und schrift-liche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfälti-gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in digita-len On- und Offlinemedien bzw. -systemen.

Planung und Lektorat: Lisa Lorz, BayreuthDeutsche Übersetzung: Dr. Petra Zimmermann, BraunschweigHerstellung und Produktion: SZ Publishing Support, MünchenVorstufe: inmedialo UG, Plankstadt bei HeidelbergDruck und Bindung: aprinta Druck GmbH, WemdingGrafiken: Stefan Dangl, München; Gerda Raichle, UlmUmschlaggestaltung: Stefan Dangl, MünchenCoverfoto: Gang Yao @ gettyimagesISBN 978-3-86401-043-9Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.verlag-systemische-medizin.de

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V

Inhalt

Über die Autoren VII

Vorwort XI

Vorbemerkung XIV

Einführung XVII

Teil I Prinzipien der Chinesischen Medizin 1

Kapitel 1 Die Sicht vom Universum 3

Kapitel 2 Dialektische Systeme 9

Teil II Physische und energetische Struktur des Körpers 49

Kapitel 3 Die chinesische Auffassung vom Körper und von den Organen 51

Kapitel 4 Der Dreifache Erwärmer (San Jiao) 89

Teil III Das Konzept von Gesundheit und Krankheit in der Chinesischen

Medizin

119

Kapitel 5 Krankheitsursachen 121

Kapitel 6 Äußere Krankheitsursachen 125

Kapitel 7 Innere Krankheitsursachen 135

Kapitel 8 Andere Krankheitsursachen (halb innen, halb außen) 143

Teil IV Diagnose in der Chinesischen Medizin 153

Kapitel 9 Ziel und Zweck der chinesischen Diagnose 155

Kapitel 10 Betrachten 161

Kapitel 11 Riechen 239

Kapitel 12 Hören 243

Kapitel 13 Muster-Bestimmung 263

Kapitel 14 Tasten 311

Kapitel 15 Ein ganzheitlicher Diagnoseansatz 351

Teil V Werkzeuge und Therapiemethoden der Chinesischen Medizin 357

Kapitel 16 Bandbreite der Therapien 359

Kapitel 17 Äußerliche Therapien 361

Kapitel 18 Massage (Tui Na, An Mo , ) 379

Kapitel 19 Chinesische Arzneimedizin 387

Kapitel 20 Chinesische Ernährungslehre – Heilen mit Nahrungsmitteln 403

Kapitel 21 Qi Gong – Kultivierung der Heilungsenergien 413

Kapitel 22 Kultivierung des Geistes (Psychoenergetik) 431

Kapitel 23 Welche Medizin, welche Methode? 453

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VI Inhalt

Teil VI Zusätzliche Methoden der Chinesischen Medizin 461

Kapitel 24 Yi Jing (I Ching, Buch der Wandlungen) und seine Anwendung in der

Chinesischen Medizin

463

Kapitel 25 Chinesische Astrologie (Ba Zi) 475

Kapitel 26 Akupunktur der Stämme und Zweige 487

Kapitel 27 Feng Shui ( ) in der medizinischen Praxis 503

Anhang 513

Evidenzbasierte Akupunktur 515

Historischer Hintergrund der chinesischen und europäischen Akupunktur 559

Glossar chinesischer Begriffe 565

Literaturverzeichnis 577

Hinweise zur Pinyin-Aussprache 588

Stichwortverzeichnis 589

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XVII

Einführung

Historischer Hintergrund

Die theoretischen Konzepte der Chinesi-schen Medizin sind ein integraler Bestand-teil der chinesischen Geschichte und kön-nen nicht von den 5000 Jahre alten Mythenund Legenden, die um ihre Ursprünge krei-sen, getrennt werden. Historisch betrachtetexistiert kein schriftliches Dokument, dasmit Sicherheit in die Zeit vor dem 12. Jahr-hundert v.Chr. datiert werden konnte. Mankann sagen, dass die Chinesische Medizin,wie wir sie heute kennen, auf drei Ur-sprünge zurückgeht: die historischen Be-lege, die sich teilweise im Nebel der Legen-den verlieren, die schriftliche Tradition so-wie die mündliche Überlieferung.

Auf der einen Seite finden wir die Legen-den der drei Kaiser Fu Xi, Shen Nong undHuang Di. Fu Xi (ca. 2900 v.Chr.) gilt alsder Erfinder der „Trigramme“ und einerrudimentären Schrift sowie als Initiator derHochzeitsriten. Ihm folgte Shen Nong (ca.2800 v.Chr.), der als „Göttlicher Arbeiter“bezeichnet wurde. Er lehrte den Gebrauchvon Pflug und Hacke in der Landwirtschaft.Ihm wird auch das Wissen über Pflanzenund Arzneimedizin zugeschrieben.

Der dritte Kaiser ist Huang Di (ca.2600 v.Chr.), der Organisator des Staatesund der Regierung, der die Schrift verfei-nerte und als Autor des ältesten Medizin-klassikers Huang Di Nei Jing gilt ( } Abb. 1).

Auf der anderen Seite liegen uns die klas-sischen Werke vor – das älteste ist dasHuang Di Nei Jing (Innerer Klassiker desGelben Kaisers). Historiker sind sich nochimmer uneins darüber, wann das Nei Jing

verfasst wurde. Jedwede Datierung zwischen1000 und 200 v.Chr. scheint möglich zu sein.Die Legende besagt, dass das Nei Jing sichaus vier Bänden zusammensetzte: Su Wen(Reine Fragen), das die allgemeinen Kon-zepte der Chinesischen Medizin beinhaltet,und Ling Shu (Zentrum des Wirkvermö-gens), das die primären und sekundärenLeitbahnen der Akupunktur beschreibt.Zwei weitere Bände sind verloren gegangen:Tai Su (Große Grundlage) und Ming Tang(Halle des Lichts). Das Nei Jing bildet zu-sammen mit dem Nan Jing (Klassiker derSchwierigkeiten) aus dem 2. Jahrhundertv.Chr. sowie dem Shang Han Lun (Abhand-lung über fieberhafte, durch Kälte verur-sachte Erkrankungen) aus dem 1. Jahrhun-dert n.Chr. das Rückgrat von Schrifttum undGedankenwelt der Chinesischen Medizin.

Zwischen diesen beiden Polen ist diemündliche Überlieferung angesiedelt, dievom Meister an den Schüler weitergegebenwurde und auf diese Weise bis in die heu-tige Zeit überlebt hat. Sie wird von Sinolo-gen häufig in Frage gestellt, da sie keineschriftlichen Belege vorzuweisen hat.

Um die Dinge noch komplizierter zu ma-chen, wurden die älteren Konzepte ausEhrerbietung gegenüber den Klassikernnicht ausgelöscht, als sich die ChinesischeMedizin weiterentwickelte und sich neueTheorien und Konzepte herausbildeten. Inder Folge haben die heutigen Schüler undTherapeuten damit zu kämpfen, dass sichKonzepte überlappen, unterscheiden undsich manchmal sogar zu widersprechenscheinen.

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XVIII Einführung

Abb. 1 Die drei mythischen Kaiser: Huang Di (links), Fu Xi (Mitte), Shen Nong (rechts).

Die fernöstliche Sichtweise –Westen versus Osten

Als die westliche wissenschaftliche Medizinauf die alte chinesische Heiltradition stieß,hatte sie keine andere Wahl, als sie „empi-risch“ zu nennen. Man ging sogar so weit,

die Entdeckung der Akupunktur und derkomplexen Leitbahn-Verläufe als reinenZufall abzutun.

Ich bin der Auffassung, dass es zwischenden mystischen und mythischen Ursprün-gen, die gottähnlichen Persönlichkeiten zu-

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XIXEinführung

geschrieben wurden, und der zufälligenEntdeckung eines sehr komplexen Systemsnoch eine weitere mögliche Erklärung gibt.

Was könnte der Grund dafür sein, dassdie Chinesen Jahrhunderte, bevor dies imWesten geschah, zahlreiche Technologienentdeckten und entwickelten, beispiels-weise

Landwirtschaftliche Technologien mehrals 2000 Jahre, bevor die gleichen Me-thoden im Westen angewendet wurden.Die Verarbeitung von Eisen und Stahl,die Druckerpresse und der Kompass fast1400 Jahre vor dem Westen.Die Entdeckung des Blutkreislaufsys-tems 1800 Jahre vor Harvey.Die verschiedenen Konzepte über diemenschliche Physiologie und die Inter-aktionen zwischen Psyche und Soma so-wie das tiefe Verständnis für die Ursa-chen, Prognose und Therapie vonKrankheiten.Die Betonung der Prävention, mit demVersuch, Impfungen durchzuführen(bereits im 2. Jahrhundert).Und am wichtigsten die Entdeckung derBinärsprache 27 Jahrhunderte, bevor derWesten die Computersprache erfand.

Ich glaube wirklich nicht, dass die obigenEntdeckungen auf übermenschliche Eigen-schaften zurückzuführen sind. Vielmehrspielt eine andere Art, die Welt zu betrach-ten, in der wir leben, eine Rolle – eine gänz-lich andere Wahrnehmung der Realität.

Im „Oxford Dictionary“ wird Realität als„Zustand der Dinge, wie sie tatsächlichexistieren“ definiert. In einem sehr weit ge-fassten Sinne beinhaltet dies alles, was ist,ob man es nun beobachten bzw. begreifen

kann oder nicht. Auf einer breiteren undsubjektiveren Ebene formen persönlicheErfahrungen und die persönliche Deutungvon Ereignissen die Realität, wie sie von ei-nem Individuum wahrgenommen wird.Dies bezeichnet man als phänomenologi-sche Realität.

In der Geschichte wurde im Westen dieRealität auf Tatsachen gegründet. Eine Tat-sache ist ein beobachtetes Phänomen in dernatürlichen Welt, das als elementares Prin-zip wahrgenommen wird. Sie kann eigent-lich nicht der persönlichen Deutung unter-liegen. Und doch dominierten Aussagenwie „die Erde ist eine Scheibe“ oder „dieSonne bildet das Zentrum des Universums“jahrhundertelang die Wahrnehmungenund Definitionen dessen, was real ist. Heut-zutage könnte man die „feste“ Eigenschaftvon Materie als gängigste „Tatsache“ an-führen. Obwohl wir heute wissen, dass derkleinste Bestandteil von Materie, das Atom,vor allem aus leerem Raum besteht, erlaubtes unsere jahrhundertealte Konditionie-rung nicht, Materie anders als „fest“ anzu-sehen. Physiker haben berechnet, dasswenn man den leeren Raum aus dem größ-ten Gebäude der Welt entfernen würde, dieverbleibende Materie nicht größer als eineNuss wäre, die Milliarden von Tonnen wie-gen würde!

Die jahrhundertealte fernöstliche undspeziell chinesische Sichtweise vom Men-schen und der Welt gründet auf einem ei-nenden und globalisierenden Prinzip, nachdem man sich Phänomenen durch Analo-gien nähert, während die westliche Heran-gehensweise darauf basiert, die sich aufgleicher Ebene befindenden Phänomene zutrennen und zu analysieren. Der fernöstli-che Ansatz, in dem Symbole eine wichtige

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XX Einführung

Rolle spielen, ist daher viel intellektuellerund intuitiver. Selbst die chinesische Spra-che und Schrift, die „Ideogramme“, spie-geln diesen Gedanken wider. Dem gegen-über ist die westliche Sichtweise viel wis-senschaftlicher und technologischer undstützt sich mehr auf das Sichtbare statt aufdas Verborgene.

Es geht oft tiefer zu wissen, warumetwas wahr ist, als einen Beweis da-für zu haben, dass es wahr ist.

A. Zee

In der Quantenphysik brachte HeisenbergsUnschärferelation den Kernphysiker AmitGoswami zu der Annahme, dass keine Rea-lität unabhängig von unserem eigenen Be-wusstsein als Beobachter existiert. Ob diesnun wahr ist oder nicht, bringt uns dieserGedankengang zurück zu den antiken phi-losophischen Systemen wie Buddhismusoder Daoismus, in denen behauptet wird,dass das Leben, wie wir es wahrnehmen,nur eine Illusion sei. Diese Illusion wirdvom Geist erschaffen, der die natürlichenPhänomene wahrnimmt und sie gemäß dersoziokulturellen Konditionierung deutet.Dieses soziale Gefüge erweckt den An-schein von Zusammenhang und bewahrt

die geistige Gesundheit, aber dafür hindertsie uns daran, das „Unmögliche“ wahrzu-nehmen.

Im Westen konnten die großen Durch-brüche in der Wissenschaft nur gelingen,wenn ein Individuum es schaffte, aus denetablierten Denksystemen auszubrechen,wie es etwa bei Galilei, Newton und Ein-stein der Fall war.

Um die Chinesische Medizin und die an-tike chinesische Sichtweise zu verstehen, istes daher unabdingbar, einen globalen undauf Analogien gegründeten Ansatz zu ver-folgen, in dem Symbole von entscheidenderBedeutung sind und Zahlen zu Symbolenwerden.

Wenn der Finger auf den Mond zeigt,schau auf den Mond, nicht auf denFinger.

Zen-Spruch

Zahlen haben den großen Vorteil, dass sieeine universelle Symbolik besitzen, die überKultur- und Sprachgrenzen hinausgeht.Wie Pythagoras sagte:

Evolution ist das Gesetz des Lebens,Zahlen sind das Gesetz des Univer-sums, Einheit ist das Gesetz Gottes.

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I Prinzipien derChinesischen Medizin

1 Die Sicht vom Universum 3

2 Dialektische Systeme 9

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1 Die Sicht vom Universum

1.1 Mikrokosmos – Makrokosmos 51.2 Die Substanz des Universums: Energie Qi 5

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1.1 Mikrokosmos – MakrokosmosNach chinesischer Vorstellung ist derMensch eine Widerspiegelung des Univer-sums. Die Chinesen bezeichnen den Men-schen als Ren (Mensch, menschliches We-sen) . Die Gesetze, die den „Makrokos-mos“ des Universums beherrschen, bestim-men auch den menschlichen „Mikrokos-mos“. So können wir, wenn wir den Men-schen verstehen wollen, die Welt um unsherum erforschen.

. . . wie oben, so auch untenHermes Trismegistos

Das Leben, wie wir es erfahren, resultiertaus der Interaktion zweier gegensätzlicherKräfte, die durch Himmel und Erde inner-halb eines Zeit-Raum-Rahmens symboli-siert werden.

Das Universum ist ein dynamisches Sys-tem, in dem alle Phänomene wechselseitigvoneinander abhängen.

Dieses dynamische System (Makrokos-mos) befindet sich in ständiger Verände-rung, aber es gibt einen Mechanismus derSelbstregulierung, der Gleichgewicht undHarmonie aufrechterhält.

Der Mensch in der Welt gleicht einem Mi-krokosmos innerhalb eines Makrokosmos.Die Menschen sind den gleichen, sich ständigabspielenden äußeren Veränderungen unter-worfen. Durch konstante Anpassungen sor-gen ihre Mechanismen der Selbstregulierungautomatisch für Ausgewogenheit und Ge-sundheit bzw. Wohlbefinden (Homöostase).

Geht diese Anpassungsfähigkeit verloren,kommt es zu Un-Ausgewogenheit und Un-Wohlsein (Krankheit).

Wir können die Menschen und ihre Ge-sundheit bzw. Krankheit nicht ergründen,ohne ihre Umwelt zu berücksichtigen. Diesbildet die Grundlage der „ganzheitlichen“Medizin.

Die Schwankungen im Makrokosmoswerden vor allem in Form von Tag- undNachtzyklen, Jahreszeiten und Klimaverän-derungen erlebt. Beim Menschen werdendiese Schwankungen als Veränderungender vitalen Aktivitäten bzw. vitalen Sub-stanzen beschrieben, die man als Bewegun-gen des „Qi“ (Energie) bezeichnet.

Erkenne dich selbst und du wirst auchdas Universum und die Götter erkennen.

Sokrates

1.2 Die Substanz des Universums:Energie Qi ( / )Das Universum und seine Vielzahl von Ma-nifestationen sind Ausdruck von Schwan-kungen und Bewegungen einer vitalen Sub-stanz, die man „Qi“ nennt.

Zwischen Himmel und Erde existie-ren Qi und das Gesetz.

Alle Phänomene im Universum sowie alleZustände, in denen sich Menschen befin-den können, sind Ausdruck dieser vitalenSubstanz Qi in ihren unterschiedlichen Ab-stufungen von Bewegung und Konzentra-tion ( } Abb. 1.1).

51.2 Die Substanz des Universums: Energie Qi ( / )

1

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Dunst, Dampf

Unter dem Dach,von der Erdeausströmend

Reisgarbe

Der feinstoffliche Körper:Geist und Seele, diefeinstofflichen Emanationen

Der emotionale Körper:die fließende Zwischenphase

Der physische Körper:dichter Kern

Dampf Wasser Eis

Erhitzenbeschleunigt dieSchwingungen

Abkühlenverlangsamt dieSchwingungen

Feinstofflich(unsichtbarer

Zustand)

Materie(sichtbarerZustand)

Abb. 1.1 Das Ideogramm von Qi versinnbildlicht denaufsteigenden Dampf von kochendem Reis. Dieses Bildruft die Vorstellung der Transformation von sichtbarerMaterie in unsichtbaren Dunst unter dem Einfluss vonFeuer hervor.

Abb. 1.3 Die drei Dimensionen des Körpers.

Abb. 1.2 Die drei Aggregat-zustände von Wasser (fest –flüssig – gasförmig) repräsentie-ren die Formen des Qi.

Eine verdichtete Konzentration von Qi er-zeugt den materiellen Zustand, seine Zer-streuung bzw. Verdünnung den immateri-ellen, feinstofflichen oder unsichtbaren Zu-stand. Ein anschauliches Beispiel hierfürsind die unterschiedlichen Aggregatzu-stände von Wasser: Im Normalzustand istes eine Flüssigkeit, die zu Eis wird, wenn siesich konzentriert und verdichtet, bzw. zuDampf, wenn man sie zerstreut und verfei-nert ( } Abb. 1.2).

Qi wird u.a. mit vitaler Kraft, Energie,materieller Kraft, Dampf, Emanation, Flui-dum, Lebensgeist und Äther übersetzt.

Im chinesischen Verständnis ist das Le-ben eine Materialisierung von Qi, der Todhingegen eine Zerstreuung oder Entmateri-alisierung von Qi.

Die Menschen sind dem Wechselspielzweier gegensätzlicher, einander ergänzen-der Kräfte unterworfen, die durch das Kon-

zept von „Himmel und Erde“ versinnbild-licht werden.

Der Himmel symbolisiert demnach allefeinstofflicheren Energien, die Erde all das,was materiell ist.

Wir betrachten den Menschen stets indiesem dreidimensionalen System:

dem Feinstofflichen: Geist, Seele,dem Fließenden: Emotionen, Energien,dem Materiellen: Körper.

Feinstofflich, fließend und materiell sinddie unterschiedlichen Zustände des Qi, diesich in ständiger Veränderung befindenund sich auf verschiedene Weise manifes-tieren ( } Abb. 1.3).

Materie ist verdichtetes Qi, die Seele im-materielles Qi. Zwischen diesen Polen be-findet sich das fließende Qi, das wir einfachals Qi (Energie) bezeichnen. Der Körperselbst besteht aus verschiedenen Dichtegra-den: Knochen, Muskeln, Flüssigkeiten undsogar elektromagnetischen Feldern.

6 1 Die Sicht vom Universum

1

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Auf der einen Seite befindet sich der Kör-per, bei dem es sich um den verdichtetenAspekt von Qi handelt, auf der anderenSeite die Seele, die wir als Geist oder geis-tige Aktivitäten bezeichnen. Diese gehenvon neurohormonellen Impulsen aus undsind daher viel weniger dicht. Zwischenden beiden Extremen befinden sich dieEmotionen, die viel feinstofflicher sind alsder Körper, aber weniger feinstofflich alsSeele bzw. Geist.

In der Chinesischen Medizin sind Körper,Emotionen und Geist Aspekte und Manifes-tationen desselben Qi und können nicht ge-trennt voneinander betrachtet werden.

Qi verändert seine Form und seinen Na-men, aber letztlich ist alles eine Manifesta-tion derselben „Substanz“, d.h. desselbenQi.

Die Spielarten des Qi folgen bestimmtenGesetzmäßigkeiten. Diese Gesetzmäßigkei-ten werden in Form von dialektischen Sys-temen als grundlegende Prinzipien formu-liert:

Das „Yin-Yang“-System untersucht dieInteraktion zwischen Feinstofflichemund Materiellem.

Das System von „Himmel – Mensch –Erde“ betrachtet in allem, was existiert,drei Zustände.Die „Vier Phasen“ erläutern die grundle-genden Veränderungen bei den Spielar-ten des Qi.Die „Fünf Bewegungen“ beschreiben diefünf dynamischen Aspekte des Qi imUniversum und im Menschen.Die „Sechs Energien“ geben die ganzeBandbreite möglicher Spielarten des Qian, d.h. die drei Intensitäten des jeweili-gen Yin- oder Yang-Prinzips.

Interessanterweise haben in der modernenKernphysik Einsteins Theorien, in denenMaterie mit Energie in Zusammenhang ge-bracht wird, bereits gezeigt, dass sich derZustand der Materie mit Schwingungsge-schwindigkeit ändert. Jahrzehntelang ha-ben Physiker versucht, die Quantenmecha-nik und die allgemeine Relativitätstheoriemiteinander in Einklang zu bringen. Sieentwickelten die Stringtheorie, ein mathe-matisches Modell, mit dessen Hilfe manalle grundlegenden Kräfte und Formen vonMaterie beschreiben kann. Dieses Konzeptbezeichneten die alten Chinesen als „Qi“.

71.2 Die Substanz des Universums: Energie Qi ( / )

1

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2 Dialektische Systeme

2.1 Eins (Yi) Schöpfung: der Menschals Abbild des Dao 11

2.2 Zwei (Er) Dualität: Yin und Yang 142.3 Drei (San) Trilogie: Himmel – Mensch – Erde 202.4 Vier (Si): die Vier Phasen und die Fünf Elemente

(4 + 1) 232.5 Fünf (Wu): die Fünf bewegenden Kräfte (3 + 2) 302.6 Sechs (Liu) die Sechs Energien: die Sechs

Ebenen und die Sechs Schichten 372.7 Sieben (Qi): Vollbringung 412.8 Acht (Ba) Unendlichkeit: alles Existierende 422.9 Neun (Jiu) Vollendung: Ende eines Zyklus 462.10 Zehn (Shi) Perfektion: Integration 48

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Die Leere im Zentrum

Abb. 2.1 Die Leere im Zentrum des Rads.

2.1 Eins (Yi ) Schöpfung: der Mensch alsAbbild des DaoUm die chinesische Gedankenwelt und diedaoistische Sichtweise zu begreifen, ist eswichtig, die symbolische Bedeutung derverschiedenen dialektischen Systeme zuverstehen.

Die Weisheit der Menschen früherer Zei-ten wurde uns in einer Reihe von Symbolenüberliefert.

Bevor Zahlen zum Zählen und Rechnenverwendet wurden, waren sie universelleSymbole, die man in allen antiken philoso-phischen Systemen findet und die interes-santerweise die gleichen metaphorischenBedeutungen aufweisen.

2.1.1 Die LeereUnter den fernöstlichen (besonders in denchinesischen) daoistischen Prinzipien istder Gedanke der Leere von grundlegenderBedeutung ( } Kap. 22.2). Sie wird als Ur-sprung und Ausdruck aller Formen der

Schöpfung betrachtet, als Raum, wo das Qiseine Form ändert und mutiert.

Die Fülle ist das Erscheinen einerForm.Es ist die Leere der Form, die ihreNützlichkeit ausmacht.

Lao Zi

Die Leere ist nicht die Abwesenheit von et-was, sondern der Ort, wo die kreativenKräfte aufeinandertreffen. Es ist die Leereim Zentrum, die dem Rad seine Nützlich-keit verleiht ( } Abb. 2.1). Es ist der stilleRaum zwischen den Noten, der eine musi-kalische Harmonie ergibt, und der leereRaum zwischen den Buchstaben, der dasWort bildet.

Wie oben erwähnt, ist es in der Kernphy-sik der leere Raum zwischen den Atomteil-chen, der der Materie zur Form verhilft,und der Raum zwischen den Molekülen,der den Aggregatzustand von Materie (fest,flüssig, gasförmig) definiert ( } Abb. 1.2).

2.1.2 Schöpfung, Tai Ji, DaoDas Urchaos (Wu Ji ) ist der form-und grenzenlose, unendliche Zustand vorder Schöpfung. Es kann mit dem Gedankender Leere gleichgesetzt werden.

Das Erscheinen eines Zentrums bringtOrdnung in die Unordnung. Dieses Zen-trum wird mit verschiedenen Begriffenbenannt: Zhong Ji (Zentrale Erhöhung)

oder der Polarstern als organisieren-des Zentrum, das auch als Tai Ji (ÄußersteErhöhung oder Großer Pol) be-zeichnet wird ( } Abb. 2.2).

112.1 Eins (Yi ) Schöpfung: der Mensch als Abbild des Dao

2

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Wu Ji (die Leere)

Zhong Ji (Zentrale Erhöhung)

Tai Ji (Großer Pol), polarisiert sich in:• Yang, das sich in der Höhe sammelt, um den Himmel zu bilden• Yin, das sich in der Tiefe verdichtet, um die Erde zu schaffen

Yang-Bewegung von oben:„dynamisiert“ das YinYin-Bewegung von unten:„unterstützt“ das Yang

Kein Yang ohne YinKein Yin ohne Yang

Abb. 2.2 Die Phasen derSchöpfung.

Daraus erklärt sich die Symbolik der ZahlEins als Ursprung der Schöpfung, da sie alleanderen Zahlen enthält, d.h., alle anderenZahlen sind bloße Ausdrucksformen vonEins.

Diese Ordnung trennt Oben von Unten,Licht von Dunkelheit, Himmel von Erdeoder Yang von Yin.

Der Himmel wurde durch eine An-sammlung von Yang, dem Elementdes Lichts, erschaffen, die Erde durch

eine Ansammlung von Yin, dem Ele-ment der Dunkelheit.

Su Wen (Reine Fragen), Kapitel 5

Die kombinierten Bewegungen von Yinund Yang legen die Lebensrhythmen fest,in der Bildlichkeit einer Spirale mit zwei ge-gensätzlichen zentrifugalen und zentripeta-len Bewegungen ( } Abb. 2.3). In der chine-sischen Vorstellung spielen sich das Lebenund alle Transformationen in einer Spiral-form ab.

12 2 Dialektische Systeme

2

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Yang-Bewegung

Yin-Bewegung

Kopf, das Oberhauptzeigt den Weg auf

Fußalternierende Schritte

Abb. 2.3 Die Spirale des Lebens: Yang breitet sich vomZentrum aus, Yin verdichtet sich zum Zentrum hin.

Abb. 2.4 Die Goldene Mitte oder der Goldene Schnitt( = 1,618...), angewendet auf die Spirale (Fibonacci-Spirale).

Abb. 2.5 Dao, der Weg, der durch das Prinzip aufge-zeigt wird.

Dieses Modell, das auch im Westen exis-tiert, ist überall in der Natur sichtbar undhat den Anstoß für das 300 v.Chr. entwi-ckelte euklidische Konzept des GoldenenSchnitts (auch Proportio divina genannt)gegeben ( } Abb. 2.4). Es ist daher nicht er-staunlich, dass der Grundbaustein lebenderOrganismen, die DNA, eine Spiralstrukturaufweist.

Der Übergang bzw. Weg vom ursprüng-lichen Chaos hin zur manifesten Ordnungwird als Dao oder Tao (Weg) bezeichnet( } Abb. 2.5). Es heißt, dass das Dao nichtdefiniert werden kann – das Dao, das defi-niert wird, ist nicht das Dao. Dao ist reinesPotential, wie Lao Zi in Kapitel 42 des DaoDe Jing (Taoteking) darlegt:

Dao erzeugt das Eine. Das Einebringt Zwei hervor.Zwei bringt Drei hervor.Drei bringt alle Dinge hervor.Das Dao, das benannt werden kann,ist nicht das ewige Dao.Der Name, der genannt werden kann,ist nicht der ewige Name.

Lao Zi, Dao De Jing

Die Menschen sind als Teil der Schöpfungeiner Ordnung unterworfen und können

den Gedanken des Chaos nicht begreifen.Menschen als manifeste Wesen stehen un-ter dem Gesetz der Dualität und könnennur einen Vorgeschmack der Einheit erfah-ren, aber nicht darin leben.

Mit dem Körper kann Einheit nichterkannt werden,aber ohne den Körper kann das Daonicht erfahren werden.

Der Daoismus ist keine Religion, sondernein Denksystem. Nach diesem philosophi-schen Konzept ist unsere Herkunft ein Ge-heimnis, über das wir nachdenken können,aber das wir nicht voll und ganz verstehen,solange wir auf unseren physischen Körperbeschränkt sind.

Die Erkenntnis, dass alle Dinge eins sind,von denen man vormals dachte, sie seienverschieden, ist eine Einsicht, die man inverschiedenen mystischen Traditionen fin-

132.1 Eins (Yi ) Schöpfung: der Mensch als Abbild des Dao

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Berg, Hügel

Yang

Sonne überdem Horizont

Sonnenstrahlen

Zum jetzigenZeitpunkt

WolkenYin

Abb. 2.6 Yang ist die sonnige Seite desBergs, Yin die schattige Seite.

det, u.a. im tantrischen Hinduismus, imBuddhismus, Daoismus, Zen und Sufismus.

Im Westen existiert ein sehr ähnlichesKonzept, das Aristoteles zugeschriebenwird. Danach wird das Chaos oder die Ma-teria prima in ein aktives Prinzip (Seele)und ein passives Prinzip (Körper) aufge-spalten. Die beiden Gegensätze müssen sichwieder vereinigen, um in einem alchemisti-schen Ritual das magische Kind zu formen.

Es heißt, dass bei der Schöpfung des Kos-mos und des personifizierten Selbst dasEingreifen eines Demiurgen vonnöten ge-wesen sei. Dieser Gedanke wurde von derKirche abgelehnt und durch die Vorstel-lung eines allmächtigen Gottes ersetzt.

Diese Schöpfungstheorien findet manauch im kosmologischen Modell des BigBang (Urknall) wieder, das die Entwicklungdes Universums erklärt.

2.2 Zwei (Er ) Dualität: Yin und YangDie Yin-Yang-Theorie ist ein symbolischesund dialektisches System, demzufolge Naturund Dasein einer Dualität unterworfen sind.Dieses Konzept bildet das Herzstück nichtnur der Chinesischen Medizin, sondernauch der chinesischen Kultur und der fern-östlichen Denkweise insgesamt. Es stelltwohl den wichtigsten Unterschied zwischendem fernöstlichen und westlichen Weg dar,die Welt zu verstehen. Im Westen führte diededuktive Logik der frühen griechischenPhilosophen wie Plato und besonders des-sen Schüler Aristoteles zur Gegenüberstel-

lung gegensätzlicher Phänomene. Diese ana-lytische und daher einschränkende Denk-weise hat seither das Denken des Westensbestimmt. Die grundlegende Prämisse derchinesischen Weltsicht ist, dass Gegensätzeeinander ergänzen, dass das Eine nicht ohnedas Andere existieren kann. In der daoisti-schen Sichtweise ist Zwei nicht das Doppeltevon Eins, sondern eher eine Unterscheidunginnerhalb des Einen. Anders gesagt, enthältjeder Aspekt der Yin-Yang-Dualität nichtnur das Gegenteil, sondern ist auch der Ur-heber des Gegenteils ( } Kap. 2.2.1).

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Abb. 2.7 Tai Ji: Symbol für die fundamentalen Gesetzevon Yin und Yang.

Die Beobachtung der Natur und der zykli-schen Veränderungen von Tag und Nachtließ die frühen Denker offenbar zu demSchluss kommen, dass das Leben und allePhänomene ein ständiger Fluss bzw. einepermanente Bewegung zwischen zwei ge-gensätzlichen Polen sind.

Dies erklärt, warum die Ideogramme fürYin und Yang einen Bezug zu Dunkelheitund Licht aufweisen ( } Abb. 2.6).

Tai Ji (Äußerste Erhöhung) polarisiertdas Urchaos in Yang, das Feinstoffliche undFlüchtige, und Yin, das Dichtere undSchwere.

Das Leben besteht mithin aus einemdichten materiellen und einem feinstoffli-chen immateriellen Energiebestandteil.

Die Existenz setzt sich aus zwei gegen-sätzlichen, aber einander ergänzendenPrinzipien zusammen.

2.2.1 Die Gesetze von Yin undYangDas altbekannte Symbol von Tai Ji, das ei-nen Kreis aus zwei ineinander verschlunge-nen Spiralen zeigt, symbolisiert die viergrundlegenden Gesetzmäßigkeiten von Yinund Yang. Dieses schlichte Bild mit seinerharmonischen Schönheit und elegantenEinfachheit vermittelt die fundamentalstenGesetze, die die Menschen und das Univer-sum beherrschen und die den Kern desfernöstlichen philosophischen und medizi-nischen Denkens ausmachen ( } Abb. 2.7).

Gegensatz und Ergänzung: Der Kreisvon Tai Ji in Abbildung 2.7 besteht auszwei gegensätzlichen Prinzipien, die ein-ander ergänzen und auf diese Weise einGanzes erschaffen. Dies bedeutet, dass esfür jedes Phänomen ein gegensätzliches,

es ergänzendes Phänomen gibt, wie diezwei Seiten einer Medaille. Es kann keinLicht ohne Dunkelheit geben, keine Ak-tivität ohne Ruhe, keinen Himmel ohneErde, keine Gesundheit ohne Krankheit.Relativität: Nichts ist absolut. Der kleinePunkt in den jeweils andersfarbigenHälften besagt, dass sogar ein Maximuman Yang einen Hauch von Yin enthältund umgekehrt. Dieses Gesetz bedeutetauch, dass Yin in Relation zu Yang sowieYang in Relation zu Yin definiert wird.Dies ist ein sehr wichtiger Gedanke, danichts Existierendes eindeutig Yin odereindeutig Yang ist. Vielmehr treten diePhänomene in Relation zueinander alsYin oder Yang auf. Ein Beispiel: DieSonne wird in Relation zur Erde alsYang betrachtet, der Mond in Relationzur Erde ebenfalls als Yang, aber derMond in Relation zur Sonne als Yin.Interaktion: Das Gesetz der wechselsei-tigen Abhängigkeit oder Dynamik be-sagt, dass Yin Yang erzeugt und nährt,und Yang im Gegenzug Yin schützt undbewegt. Diese Interaktion erklärt, wa-rum es automatisch Auswirkungen aufden Gegenpart hat, wenn eine Polaritätaus dem Gleichgewicht geraten ist. Bei-spielsweise bilden in der Medizin Blutund Qi ein Yin-Yang-Paar. Es heißt, dassQi das Blut bewegt und dass das Blut Qierhält und nährt. Wenn also das Blut im

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a)

b)

c)

d)

e)

f)

Yang

Yang

Yang

Yang

Yang

Yin

Yang

Yin

Yin

Yin

Yin

Yin

Der Zustand von Gesundheit ist durch einGleichgewicht von Yin und Yang definiert

Das Gleichgewicht ist nicht statisch;am Tag gibt es mehr Yang, in der Nacht mehr Yin

Ein Zustand wird als Yang bezeichnet, wenn mehr Yang als Yin vorliegt: entweder aufgrund einer Fülle von Yang (Überschuss)

oder durch nicht genügend Yin (Mangel)

Ein Zustand wird als Yin bezeichnet, wennmehr Yin als Yang vorliegt: entweder aufgrund einer Fülle von Yin (Überschuss)

oder durch nicht genügend Yang (Mangel)

Abb. 2.8 Variationen von Yin und Yang: a–b) Gleichgewicht (Gesundheit), c–d) Yang-Störungen entweder durchYang-Überschuss oder durch Yin-Mangel, e–f) Yin-Störungen entweder durch Yin-Überschuss oder durch Yang-Mangel.

Mangel ist, wird das Qi geschwächt. Istdas Qi geschwächt, kommt es tendenziellzu einer Blut-Stagnation. Diese dynami-sche, wechselseitige Abhängigkeit erklärtauch die vier möglichen Ungleichge-wichtszustände, die in der Pathologieauftreten ( } Abb. 2.8):– Dominanz des Yang: Dies kann durch

eine Fülle (Überschuss) an Yang oder

einen Mangel (Leere) an Yin bedingtsein.

– Dominanz des Yin: Die Ursache kanneine Fülle (Überschuss) an Yin oderein Mangel (Leere) an Yang sein.

Transformation: Jede Spirale beginnt indem Moment, in dem der Gegenpart seinMaximum erreicht hat. Dabei wandeltsich extremes Yin in Yang um und extre-

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mes Yang in Yin. Diese Gesetzmäßigkeiterklärt z.B., warum äußere Kälte (Yin)Fieber (Yang) verursacht. Eine Transfor-mation kann sich nur zu einem be-stimmten Zeitpunkt ereignen, wenn alleBedingungen zusammentreffen, d.h.,wenn eine Polarität ihr volles Ausmaßerreicht hat. Ein anschauliches Beispielhierfür sind die Bewegungen eines Pen-dels. Auf seiner Bahn beginnt das Pendelmit einer langsamen Geschwindigkeit,steigert sich zur maximalen Geschwin-digkeit und wird allmählich langsamer,bis es eine maximale Amplitude mit ei-ner Geschwindigkeit gleich Null erreichthat. In diesem Moment sind die Bedin-gungen dafür erfüllt, dass das Pendelseine Richtung ändert und sich in dieandere Richtung bewegt.

Die genannten Gesetzmäßigkeiten werdenerstmals im Yi Jing bzw. I Ching (Buch derWandlungen) erwähnt. In diesem Werkwird Yang mit einer durchgehenden Linieund Yin mit einer durchbrochenen Liniedargestellt. Alle möglichen energetischenKombinationen können auf symbolischeWeise durch verschiedene Kombinationenvon Yin und Yang abgebildet werden ( }Kap. 24.1). Wir sehen hier das gleiche Kon-zept, das 27 Jahrhunderte später im Westenverwendet wurde, um die erste binäreComputersprache zu entwickeln. Das YiJing beschreibt 64 Hexagramme, d.h., 64 istdie Gesamtsumme aller möglichen Phäno-mene zwischen Himmel und Erde. DieserAnsatz war das grundlegende Prinzip derYin-Yang-Schule, die auch als Naturalisten-schule bezeichnet wurde. Ihr wichtigsterVertreter war Zou Yan (305–240 v.Chr.),den John Needham als „den wahren Grün-

der des gesamten chinesischen naturwis-senschaftlichen Denkens“ bezeichnete.

2.2.2 Klassifizierung derYin- und Yang-PhänomeneDas Yin- und Yang-Konzept ist äußerst ein-fach. Dennoch stellt es für den Anfänger,besonders für den westlichen Verstand,eine ständige Herausforderung dar. Es istoftmals schwer zu verstehen, dass ein be-stimmtes Phänomen in dem einen Zusam-menhang Yin sein kann, in einem anderenjedoch Yang ( } Tab. 2.1).

Tab. 2.1 Eigenschaften von Yin und Yang

Yin/Yang imKosmos

Yang Yin

Himmel Erde

Sonne Mond

Tag Nacht

Feuer Wasser

Hitze Kälte

Sommer Winter

Oben Unten

Außen Innen

Expansion Kontraktion

Yin/Yang inallgemeinerHinsicht

(+) (–)

Aktiv Passiv

Männlich Weiblich

Schnell Langsam

Trocken Feucht

Jung Alt

Ausbreitung Konzentration

Geben Nehmen

Yin/Yang imKörper

Hinten Vorn

Kopf Rumpf undGliedmaßen

Links Rechts

Oberfläche: Biao Tiefe: Li

Organfunktion(z.B. Atmung)

Organstruktur(z.B. Lunge)

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Tab. 2.1 Eigenschaften von Yin und Yang (Fortsetzung)

Leitbahnen Organe

Fu-Organe Zang-Organe

Energie: Qi Blut: Xue

Sympathisch Parasympathisch

Ausatmung Einatmung

Intellekt Intuition

Extrovertiert Introvertiert

Erregt Ruhig

Wei Qi (Abwehr-Energie)

Ying Qi (Nähr-Energie)

Yin/Yang inder Pathologie

Überschuss/Fülle

Mangel/Leere

Akut Chronisch

Rot Blass

Fieber Kälte, Frösteln

Unruhig Deprimiert

Entzündung Ödeme

Anurie Polyurie

Krämpfe Lähmung

Durst/kühleGetränke

Kein Durst/warme Getränke

Laute Stimme Leise Stimme

Raue Atmung Schwache At-mung

Voller oderschneller Puls

Schwacher oderlangsamer Puls

Rote Zunge,gelber Belag

Blasse Zunge

Yin/Yang inBezug aufSchmerzen

Stark Dumpf

Lokalisiert Diffus

Oberflächlich Tief

Intermittierend Kontinuierlich

Schmerzver-schlimmerung

Tagsüber Nachts

Bei Wärme Bei Kälte

Schmerz-linderung

Nachts Tagsüber

Bei Kälte Bei Hitze

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich ausden damit verbundenen Werten und Urtei-len. Bestimmte Eigenschaften von Yang,etwa Aktivität, Dynamik und logischesDenken, werden im Westen hoch geschätzt,

wohingegen Passivität, Ruhe und Intuition,die Yin zuzurechnen sind, im Osten hoheWerte darstellen. „Positiv“ und „männlich“sind Yang-Zuschreibungen, „negativ“ und„weiblich“ Yin-Attribute. Dies irritiertwestliche Anfänger oftmals sehr, die „posi-tiv“ und „negativ“ eher in einem jüdisch-christlichen Kontext sehen und nicht alszwei Pole der gleichen Bewegung.

Gesundheit ist als Gleichgewichtszustandzwischen Yin und Yang definiert.

Allgemein ist der Mensch tagsüber mehrYang, nachts mehr Yin. Das Gleichgewichtzwischen Yin und Yang ist daher nicht sta-tisch, sondern dynamisch in Raum und Zeit.

2.2.3 Die Acht diagnostischenPrinzipienHierbei handelt es sich um das wichtigsteDiagnosewerkzeug in der chinesischen Me-dizin, das in jeder Situation angewendetwerden kann.

Jedes Symptom muss einzeln nach diesenAcht Prinzipien analysiert werden. DieseAnalyse erfolgt über die klassische chinesi-sche Diagnose (Beobachten, Hören, Rie-chen und Tasten), auch wenn vielleichtnicht jedes Symptom alle folgenden Merk-male aufweist:

Yin-Yang: Definiert die Gesamtsummeder Manifestationen und grenzt die Un-tersuchung ein. Die klinische Manifesta-tion kann immer als Yin oder Yang klas-sifiziert werden, egal wie komplex sie ist.Pathologische Phänomene werden alsYin klassifiziert, wenn mehr Yin alsYang existiert. Dies ist bei Kälte, Nässe,Weichheit, Langsamkeit, Ruhe oder Ak-kumulationen der Fall. Symptome wer-den als Yang klassifiziert, wenn Yang

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stärker als Yin ist, was sich in Hitze, Rö-tung, Trockenheit, Verhärtung, Erre-gung, Schnelligkeit und Expansion ma-nifestiert.Biao-Li (Oberfläche-Inneres): Hiermitgibt man die Lokalisation der Krankheit,ihren Ursprung, ihre Entwicklung unddie Prognose an. Das Biao-Li-Konzeptist schwer zu übersetzen, da es sich nichtso sehr auf Oberfläche und Tiefe bezieht,was durch die Wai-Nei-Konzepte ausge-drückt wird, sondern eher auf die Au-ßenschicht und ihre Ausfütterung. Dieslässt sich mit einem Mantel vergleichen,der zwei Funktionen hat: Die Außen-schicht fungiert vor allem als Wind-schutz und ist wasserabweisend, wäh-rend die Innenschicht hauptsächlichwärmt. Auf ähnliche Weise bezieht sichdas Biao-Konzept auf die äußeren ener-getischen Strukturen, die reich an WeiQi (Abwehr-Energie) sind, nämlich diePi Bu (Hautzonen) und die Jing Jin (ten-dinomuskuläre Leitbahnen). Hier kon-zentriert sich das Wei Qi, um den Kör-per gegen äußere klimatische Angriffe,vor allem Wind und Kälte, zu schützen.Die Jing Luo (Primärleitbahnen) und dieBlut-Gefäße, die das Ying Qi (Nähr-Energie) transportieren, um das Wei Qizu unterstützen, bilden die InnenschichtLi. Eine Ausnahme ist die Zu-Tai-Yang-Leitbahn (Blase), die zu Biao gehört.Eine Biao-Pathologie gilt als akut unddurch äußere Faktoren verursacht. Sieist leicht zu behandeln. Eine Pathologie,die zu Li vorgedrungen ist, kann weiternach innen zu Nei fortschreiten und dieOrgane schädigen; die Pathologie kannchronisch werden und potentiell gravie-render sein.

Hitze-Kälte: Bestimmt vor allem denCharakter der Krankheit und ihre klini-schen Manifestationen, etwa Hitze, Be-schleunigung, Rötung, Trockenheit usw.Diese Unterscheidung wird auch oftvollzogen, um die Yin-Yang-Kategorisie-rung zu untermauern: Eine Yin-Erkran-kung bessert sich bei Wärme und ver-schlimmert sich bei Kälte. Bei einerYang-Erkrankung ist es umgekehrt.Überschuss-Mangel (Shi-Xu, Fülle-Leere): Hierbei handelt es sich um einsehr wichtiges diagnostisches Konzept.Es beurteilt zum einen den Zustand ei-ner Yin- bzw. Yang-Störung, d.h., obeine Yang-Störung durch eine Yang-Fül-le oder durch eine Yin-Leere bedingt istoder ob eine Yin-Störung auf eine Yin-Fülle oder eher Yang-Leere zurückzu-führen ist. Diese Einschätzung ist voneminenter Wichtigkeit, da sie zu voll-kommen unterschiedlichen Therapiean-sätzen führt: Auffüllen (Tonisieren) ei-ner Leere oder Verringern (Sedieren) ei-ner Fülle. Zum anderen wird durch dasKonzept von Shi (Fülle) und Xu (Leere)auch das Vorhandensein eines äußerenpathogenen Faktors (Überschuss bzw.Fülle) und die Schwäche der WahrenEnergie (Mangel bzw. Leere) untersucht.Normalerweise sollte der Begriff „Über-schuss“ nur bei einem Übermaß einesder „Sechs Übel“ (Wind, Kälte, Hitze,Feuer, Feuchtigkeit oder Trockenheit)verwendet werden, obschon der Begriffin den meisten Werken auch für Über-schuss-Störungen verwendet wird, dieaufgrund innerer Ursachen entstandensind, etwa Stagnationen oder Emotio-nen. Ein ausgeglichenes System erzeugtkeine überschüssige Energie, sodass bei

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Mensch

Yangfließt

abwärts

Yinfließt

aufwärts

Himmel

Erde

einem offensichtlichen Überschuss(etwa bei Hyperaktivität) entweder dasKontrollsystem nicht funktioniert (Man-gel) oder die Energie nicht frei fließt undsich in einem Areal ansammelt (Stagna-tion). Anders gesagt, ist „Stagnation“ dasinnere Gegenstück zu „Überschuss“.

Es ist sehr aufschlussreich, die Acht dia-gnostischen Prinzipien auf ein Symptomwie Schmerz anzuwenden, da man auf di-rekte Weise viele Informationen sammelnkann. Beispielsweise verschlimmert sich einYang-Typ-Kopfschmerz bei Wärme oderhellem Licht, ein Mangel- bzw. Leere-Schmerz bessert sich bei Druck, wohinge-

gen sich ein Schmerz vom Überschuss-Ty-pus bei Druck verschlimmert. Eine Stagna-tion wird durch Bewegung oder Wärme ge-lindert und verschlimmert sich durch Aus-ruhen oder Kälte.

Bei bestimmten pathologischen Störun-gen wie etwa organischen Erkrankungen,mechanischen (osteopathischen) Dysfunk-tionen, Tumoren, Narbengewebe oderbestimmten neurologischen Krankheitenkann es vorkommen, dass das Symptomkein in sich stimmiges Muster nach denAcht diagnostischen Prinzipien ergibt, z.B.Schmerzen, die sich sowohl bei Wärme alsauch Kälte oder sowohl bei Ruhe als auchAktivität verschlimmern.

2.3 Drei (San ) Trilogie: Himmel – Mensch –ErdeNach dem dialektischen System von Him-mel und Erde steht der Himmel für dieYang-Energien, die Erde für die Yin-Ener-gien. Der Mensch symbolisiert all das, waserschaffen wurde, d.h. die Interaktion zwi-schen Yin und Yang und alle möglichenKombinationen ( } Abb. 2.9).

Das reine und klare Element desLichts steht für den Himmel,das trübe Element der Dunkelheit fürdie Erde.

Su Wen (Reine Fragen), Kapitel 5

Alles Erschaffene wird vom Himmelbedeckt und von der Erde gestützt.

Su Wen (Reine Fragen), Kapitel 6 Abb. 2.9 Trilogie: Himmel – Mensch – Erde.

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