modellbildung und rechnersimulation als werkzeug der sicheren reaktionsführung

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Modellbildungund Rechnersimulationals Werk- zeug der sicheren Reaktionsfuhrung* Gerhart Eigenberger** Moglichkeiten und Probleme bei der Simulation des dynami- schen Betriebsverhaltens von Reaktoren werden am Beispiel des katalytischen Festbettreaktors diskutiert. Nach einem Ruckblick auf die Entwicklung von mathematischen Model- len zur Untersuchung von Reaktorstabilitat und -Dynamik und einer knappen Diskussion von Problemen bei der numerischen Berechnung der Modellgleichungen wird die Anwendung der vorhandenen Methoden an drei Beispielen der Praxis erlautert : am Beispiel der abschnittsweisen Temperaturprofilregelung und an zwei Beispielen zur Unter- suchung der Dynamik und Regelung bei gekuhlten Rohrbun- delreaktoren fur partielle Oxidationsreaktionen. ~ ~~- ~ Model formation and computer simulation as tools for safe reaction engineering. The possibilities and problems of the simulation of the transient operating behaviour of reactors are discussedfor the example of a catalytic fixed bed reactor. A survey of the development of mathematical models for the study of reactor stability and dynamics and a terse discussion of problems of digital calculation of model equations are followed by three examples of the application of available methods in practice : an example of section-wise temperature profile control and two examples of the study of the dynamics and contrd of cooled tube bank reactors for partial oxidation reactions. Auf dem Gebiet der mathematischen Modellierung chemi- scher Reaktoren wurden in den letzten Jahren grofie Fortschritte erzielt. Das betrifft insbesondere die stationare Berechnung und Auslegung. Aber auch Probleme der Reaktionsfuhrung im Sinne der Reaktorregelung, der Reak- tordynamik und der Reaktorstabilitat sind mit den Methoden der Modellbildung und Rechnersimulation vie1 besser fafibar geworden. Den Moglichkeiten, die sich aus dieser Entwick- lung fur praktische Aufgaben der Reaktionsfuhrung abzeich- nen, gilt dieser Beitrag. Dabei wird als Beispiel €ur ein komplexes Reaktionssystem der katalytische Festbettreaktor betrachtet. 1 Modellbildung, Stabilitat und Dynamik des Festbettreaktors Ansatze zur Modellbildung und zur Betrachtung der Stabili- tiit des Festbettreaktors reichen mehr als 60 Jahre zuruck. So beschreibt Liljenroth [l] 1918 als erster das Problem der thermischen Stabilitat eines einzelnen Katalysatorkorns mit einfacher, stark exothermer Reaktion. Von C. Wagner [2] und Frank-Kamnetzki [3] erneut aufgegriffen, liefert dieses Pro- blem nach wie vor Stoff fur eine grofie Anzahl von Publikationen, bei denen das komplexe Zusammenspiel von inneren (Porendiffusion, Warmeleitung) und aufieren Trans- porteffekten (Stoff- und Warmeubergang) mit Sorption/ Desorption und Oberflachenreaktion im Mittelpunkt steht (fur einen Uberblick s. Ark [4]). Ebenfalls von C. Wagner stammen erste Uberlegungen zur Verknupfung der Einzel- kornbeziehungen zu einem einfachen Zweiphasenmodell des Festbettreaktors [2]. Dagegen zielten die Arbeiten von Damkohler [5] auf eine einphasige Beschreibung des Festbettreaktors, bei der der Unterschied zwischen Korn und Gastemperatur im Reaktor vernachlassigt wird. Entschei- dende Impulse enthielt die Entwicklung durch die Ent- * Uberarbeitete Fassung des Vortrags anlanlich der Verleihung des DECHEMA-PreiSeS 1977 der Max Buchner Forschungsstif- tung am 24. 11. 1978 in Frankfurt/M. ** Priv. Doz. Dr.-Ing. G. Eigenberger, BASF AG, 6700 LudwigshafenIRh. deckung der Warmeruckfuhrung (autotherme Reaktionsfuh- rung) [6] und der Warmeruckleitung [7] als weitere Ursachen fur thermische Instabilitaten in Festbettreaktoren durch van Herrden. In der Folge erschienen eine grol3e Anzahl Arbeiten, insbesondere der Amundson-Schule [8 - 111, in denen Mog- lichkeiten der Modellbildung und der Deutung thermischer Instabilitaten diskutiert wurden. Als richtungsweisend fur die Entwicklung in Deutschland seien hier nur zwei Namen genannt : E. Wicke, der mit seiner Schule die grundlegenden experimentellen Arbeiten und die maljgebenden physikalisch chemischen Vorstellungen schuf, gegen die sich die unter- schiedlichen Modellvorstellungen zu messen hatten, und E. D. Gilles, der mit der Systemdynamik chemischer Prozesse eine Brucke zwischen Regelungstechnik und chemischer Technologie schlug und das Instrument der Modellbildung und Modellsimulation entscheidend weiterentwickelt hat. Die zweckmafiige modellmafiige Beschreibung des Festbett- reaktors war lange Zeit umstritten. Dabei standen sich Einphasen-, Zweiphasen- und Zellenmodelle gegenuber . Gravierende Unterschiede ergaben sich insbesondere bei der Beschreibung der thermischen Instabilitat . So kommt in Einphasenmodellen nur eine der beiden Ursachen fur Instabilitaten, die Warmeriickleitung, zur Geltung. Zweiphasen- und Zellenmodelle enthalten zwar die zweite Ursache, die von der Einzelkorninstabilitat herruhrt, dagegen brachte die unvollstandige Berucksichtigung der Warmeruckleitung zunachst verwirrende Ergebnisse [8, 12, 131.Erst die Annahme von Warmeleitung in der Katalysator- phase des Zweiphasenmodells fuhrte zu einer sinnvollen Verknupfung beider Instabilitatsursachen [13, 141. Mittlerweile hat sich in der Frage der zweckmafiigen Modellbeschreibung fur Festbettreaktoren eine etwas prag- matischere Beurteilung durchgesetzt. Wegen des einfacheren Aufbaues wird haufig dem Einphasenmodell der Vorzug gegeben [26,28], zumal es sich gezeigt hat, dalj die Ergebnisse von Ein- und Zweiphasenmodellen bei entsprechender Modifikation des Einphasenmodells auch im Bereich thermi- scher Instabilitaten nahe beieinander liegen [24] und gewohn- lich ohnehin nur die Gaskonzentration und eine Mitteltempe- ratur zwischen Gas und Korn der Messung zuganglich sind. Zellenmodelle haben gegenuber den kontinuierlichen Ein- Chem.-1ng.-Tech. 51 (1979) Nr. 11, S. 1105-1110 0 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1979 0009-286X/79/1111-1105$02.50/0 1105

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Modellbildung und Rechnersimulation als Werk- zeug der sicheren Reaktionsfuhrung*

Gerhart Eigenberger**

Moglichkeiten und Probleme bei der Simulation des dynami- schen Betriebsverhaltens von Reaktoren werden am Beispiel des katalytischen Festbettreaktors diskutiert. Nach einem Ruckblick auf die Entwicklung von mathematischen Model- len zur Untersuchung von Reaktorstabilitat und -Dynamik und einer knappen Diskussion von Problemen bei der numerischen Berechnung der Modellgleichungen wird die Anwendung der vorhandenen Methoden an drei Beispielen der Praxis erlautert : am Beispiel der abschnittsweisen Temperaturprofilregelung und an zwei Beispielen zur Unter- suchung der Dynamik und Regelung bei gekuhlten Rohrbun- delreaktoren fur partielle Oxidationsreaktionen.

~ ~~- ~

Model formation and computer simulation as tools for safe reaction engineering. The possibilities and problems of the simulation of the transient operating behaviour of reactors are discussed for the example of a catalytic fixed bed reactor. A survey of the development of mathematical models for the study of reactor stability and dynamics and a terse discussion of problems of digital calculation of model equations are followed by three examples of the application of available methods in practice : an example of section-wise temperature profile control and two examples of the study of the dynamics and contrd of cooled tube bank reactors for partial oxidation reactions.

Auf dem Gebiet der mathematischen Modellierung chemi- scher Reaktoren wurden in den letzten Jahren grofie Fortschritte erzielt. Das betrifft insbesondere die stationare Berechnung und Auslegung. Aber auch Probleme der Reaktionsfuhrung im Sinne der Reaktorregelung, der Reak- tordynamik und der Reaktorstabilitat sind mit den Methoden der Modellbildung und Rechnersimulation vie1 besser fafibar geworden. Den Moglichkeiten, die sich aus dieser Entwick- lung fur praktische Aufgaben der Reaktionsfuhrung abzeich- nen, gilt dieser Beitrag. Dabei wird als Beispiel €ur ein komplexes Reaktionssystem der katalytische Festbettreaktor betrachtet.

1 Modellbildung, Stabilitat und Dynamik des Festbettreaktors

Ansatze zur Modellbildung und zur Betrachtung der Stabili- tiit des Festbettreaktors reichen mehr als 60 Jahre zuruck. So beschreibt Liljenroth [l] 1918 als erster das Problem der thermischen Stabilitat eines einzelnen Katalysatorkorns mit einfacher, stark exothermer Reaktion. Von C. Wagner [2] und Frank-Kamnetzki [3] erneut aufgegriffen, liefert dieses Pro- blem nach wie vor Stoff fur eine grofie Anzahl von Publikationen, bei denen das komplexe Zusammenspiel von inneren (Porendiffusion, Warmeleitung) und aufieren Trans- porteffekten (Stoff- und Warmeubergang) mit Sorption/ Desorption und Oberflachenreaktion im Mittelpunkt steht (fur einen Uberblick s. Ark [4]). Ebenfalls von C. Wagner stammen erste Uberlegungen zur Verknupfung der Einzel- kornbeziehungen zu einem einfachen Zweiphasenmodell des Festbettreaktors [ 2 ] . Dagegen zielten die Arbeiten von Damkohler [5] auf eine einphasige Beschreibung des Festbettreaktors, bei der der Unterschied zwischen Korn und Gastemperatur im Reaktor vernachlassigt wird. Entschei- dende Impulse enthielt die Entwicklung durch die Ent-

* Uberarbeitete Fassung des Vortrags anlanlich der Verleihung des DECHEMA-PreiSeS 1977 der Max Buchner Forschungsstif- tung am 24. 11. 1978 in Frankfurt/M.

** Priv. Doz. Dr.-Ing. G . Eigenberger, BASF AG, 6700 LudwigshafenIRh.

deckung der Warmeruckfuhrung (autotherme Reaktionsfuh- rung) [6] und der Warmeruckleitung [7] als weitere Ursachen fur thermische Instabilitaten in Festbettreaktoren durch van Herrden. In der Folge erschienen eine grol3e Anzahl Arbeiten, insbesondere der Amundson-Schule [8 - 111, in denen Mog- lichkeiten der Modellbildung und der Deutung thermischer Instabilitaten diskutiert wurden. Als richtungsweisend fur die Entwicklung in Deutschland seien hier nur zwei Namen genannt : E. Wicke , der mit seiner Schule die grundlegenden experimentellen Arbeiten und die maljgebenden physikalisch chemischen Vorstellungen schuf, gegen die sich die unter- schiedlichen Modellvorstellungen zu messen hatten, und E . D. Gilles, der mit der Systemdynamik chemischer Prozesse eine Brucke zwischen Regelungstechnik und chemischer Technologie schlug und das Instrument der Modellbildung und Modellsimulation entscheidend weiterentwickelt hat.

Die zweckmafiige modellmafiige Beschreibung des Festbett- reaktors war lange Zeit umstritten. Dabei standen sich Einphasen-, Zweiphasen- und Zellenmodelle gegenuber . Gravierende Unterschiede ergaben sich insbesondere bei der Beschreibung der thermischen Instabilitat . So kommt in Einphasenmodellen nur eine der beiden Ursachen fur Instabilitaten, die Warmeriickleitung, zur Geltung. Zweiphasen- und Zellenmodelle enthalten zwar die zweite Ursache, die von der Einzelkorninstabilitat herruhrt, dagegen brachte die unvollstandige Berucksichtigung der Warmeruckleitung zunachst verwirrende Ergebnisse [8, 12, 131. Erst die Annahme von Warmeleitung in der Katalysator- phase des Zweiphasenmodells fuhrte zu einer sinnvollen Verknupfung beider Instabilitatsursachen [13, 141. Mittlerweile hat sich in der Frage der zweckmafiigen Modellbeschreibung fur Festbettreaktoren eine etwas prag- matischere Beurteilung durchgesetzt. Wegen des einfacheren Aufbaues wird haufig dem Einphasenmodell der Vorzug gegeben [26,28], zumal es sich gezeigt hat, dalj die Ergebnisse von Ein- und Zweiphasenmodellen bei entsprechender Modifikation des Einphasenmodells auch im Bereich thermi- scher Instabilitaten nahe beieinander liegen [24] und gewohn- lich ohnehin nur die Gaskonzentration und eine Mitteltempe- ratur zwischen Gas und Korn der Messung zuganglich sind. Zellenmodelle haben gegenuber den kontinuierlichen Ein-

Chem.-1ng.-Tech. 51 (1979) Nr. 11, S. 1105-1110 0 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1979 0009-286X/79/1111-1105$02.50/0

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und Zweiphasenmodellen an Bedeutung verloren, weil eine einfache Formulierung des Warmetransports zwischen be- nachbarten Kornern Schwierigkeiten bereitet [ 101 und die strenge Zuordnung Korn/Zelle gewohnlich rechentechnische Nachteile bringt (Zu hohe Stutzpunktzahl). Neben thermischen Instabilitaten sind in jungster Zeit kinetische Instabilitaten bei katalytischen Reaktionen in den Blickpunkt geruckt. Bei diesen Effekten, die im wesentlichen durch experimentelle Untersuchungen von Wicke und Mitarbeitern 129, 301 bekannt wurden, handelt es sich um Instabilitaten (mehrfache stationare Zustande und Dauerschwingungen), die auch unter isothermen Bedingun- gen auftreten und somit nur durch die kinetischen Besonder- heiten heterogen-katalytischer Oberflachenreaktionen er- klart werden konnen. Mittlerweile sind auch hierfur Modell- ansatze bekannt geworden, die auf einer detaillierteren Beschreibung der Kinetik der Oberflachenreaktion beruhen

Fur den Betrieb von technischen Festbettreaktoren sind Instabilitaten gewohnlich nur in Form des sog. ,,Durchge- hens" von exothermen Reaktionen von Bedeutung. Durch- gehgefahrdet sind insbesondere Reaktionen, bei denen der gewunschte Reaktionsweg umschlagen kann in einen Reak- tionsweg, der zu unerwunschten Zerfallsprodukten fuhrt. Typische Beispiele sind partielle Oxidationen oder partielle Hydrierungen, bei denen die Gefahr besteht, daI3 die Reaktion zur Totalverbrennung oder Methanisierung um- schlagt. Hierbei wird verstarkt Warme freigesetzt und das Durchgehen weiter beschleunigt. Neben dem Durchgehen besitzen einige dynamische Effekte praktische Bedeutung, die man unter dem Stichwort ,,wan- dernde Brennzonen" zusammenfassen kann. Diese Effekte wurden experimentell erstmals von Wicke und Vortrneyer untersucht und gedeutet [19]. Sie beruhen darauf, daB jede ortliche Verschiebung des Temperaturmaximums im Reak- tor mit einer zeitweisen Anderung der Maximaltemperatur einhergeht . Somit konnen bestimmte Anderungen der Betriebsbedingun- gen ein starkes Ansteigen der Maximaltemperatur verursa- chen. Besonders ausgepragt kann der Effekt bei einer Wanderung der Hauptreaktionszone sein, die durch eine schnelle Desaktivierung des Bettes bewirkt wird [20, 211. Fur eine zusammenfassende Ubersicht uber Probleme der Stabilitat und Dynamik des Festbettreaktors s. [22, 231. Ein Uberblick uber Fragen der stationaren Modellbildung und Berechnung von Festbettreaktoren wird in [26 - 281 gegeben.

[15-181.

2 Modellstruktur und Rechenverfahren

Kontinuierlichen Modellen fur den Festbettreaktor ist die mathematische Grundstruktur der Modellgleichungen ge- meinsam. Sie folgt aus den Erhaltungssatzen fur Masse und Energie (Kontinuitatsgleichung, Materialbilanzen, Energie- bilanzen) [27]. Auf diese Weise entsteht ein System partieller Differentialgleichungen fur die abhangigen Variablen y (Temperatur, Konzentrationen) der Form

a t

das den zeitabhangigen Diffusions- und Leitungstransport in radialer Richtung (Ortskoordinate r ) und den Stromungs- und Diffusions- (Leitungs-) Transport in axialer Richtung (Koordinate z ) in Verbindungmit Austausch- und Reaktions- termen (Quellenterm S) beschreibt. Durch Diskretisierung der radialen Ortsabhangigkeit, z. B. durch Orthogonale

- 1106

Kollokation [3 I ] oder durch eine einfache Parabelnaherung [27] 1aBt sich das Modell in ein System der Form

umwandeln. Trotz dieser augenscheinlich einfachen Struktur bereitete die numerische Losung der Gleichungssysteme (2) mit den in der Reaktionstechnik haufigen stark nichtlinearen Quellentermen zunlchst erhebliche Schwierigkeiten. Sie stellt in vielen Fallen auch heute noch einen begrenzenden Faktor fur einen starkeren Einsatz der Rechnersimulation dar. Daher sol1 aufeinige grundlegende Probleme etwas naher eingegangen werden. Eine grol3e Zahl digitaler und hybrider (analog-digitaler) Rechenverfahren wurde in der Vergangenheit speziell zur Losung des Gleichungstyps (2) entwickelt und erprobt. Nach dem heutigen Kenntnisstand besitzen rein digitale Verfahren gegenuber hybriden Verfahren den Vorteil groBerer Flexibili- tat und leichterer Einsetzbarkeit. Daher sei die Betrachtung auf digitale Verfahren beschrankt. Im Prinzip unterteilt man bei der digitalen Berechnung den Reaktor in lauter kleine Abschnitte und berechnet Tempera- turen und Konzentrationen gewissermaflen nur punktweise fur einen Abschnitt (Abb. l), man diskretisiert den ortlichen

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Abb. 1. Zur axialen Diskretisierung bei der Berechnung von Festbettreaktormodellen. Temperatur (T)- und Konzentrations (c)- Anderung uber der Reaktorlange z .

Differentialquotienten und lost das entstehende System gewohnlicher Differentialgleichungen. Wenn die Profile sehr steil sind und Spitzen haben, mu13 man sehr dunne Scheiben schneiden. Im Bereich des Temperatur- maximums in Abb. 1 reicht die Stutzpunktzahl fur eine genugend genaue Rechnung sicher nicht aus, man muBte enger diskretisieren, wahrend man weiter hinten eher noch groBere Abstande zulassen konnte. Wieman zu diskretisieren hat, weiI3 man aber immer erst, wenn das Ergebnis bereits vorliegt . Bei dynamischen Rechnungen kann die Hauptreak- tionszone uber die ganze Reaktorlange hinwegwandern. Dann muI3 man also von vornherein iiberall sehr eng diskretisieren mit dem Erfolg, daD die Rechnung vie1 Speicherplatz und lange Rechenzeiten benotigt. B. Liibeck [32] war einer der ersten, der den Gedanken aufgegriffen und konsequent durchgefuhrt hat, die Stutz- punkte automatisch, d. h. wahrend jedes Rechenschritts neu immer so zu positionieren, daB eine optimale Berechnung der Funktionsverlaufe mit wenigen Stutzpunkten moglich war. Er benutzte dazu eine konstante Anzahl von z. B. 20 Stutz- punkten. Eine Ubertragung und Erweiterung dieser Uberle- gungen auf das sog. Crank-Nicolson-Verfahren [33] fuhrte

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800' "C

500 7 400

300

3 Punkte

i B 3 in 11 c m 12 pzJ7J 2

Abb. 2. Automatische Stiitzpunktsteuerung bei der Berechnung des Durchgehens ekes Festbettreaktors. Temperaturprofile und Ortsstiitzpunkte zu bestimmten Zeitpunkten nach Auftreten der Storung.

zu einem aquidistanten Stutzpunktgitter gleicher Genauig- keit reduzieren sich die Rechenkosten hier um den Faktor 15. Es sei vermerkt, daI3 trotz allgemein sinkender Rechenkosten die Berechnung der Reaktordynamik in vielen Fallen erst mit solchen erweiterten Rechenverfahren wirtschaftlich vertret- bar wird .

3 Anwendungsbeispiele

Die vorstehend skizzierte Entwicklung von Methoden der Modellbildung und Rechnersimulation hatte zum Ziel, durch Systemanalyse und gezielte regelungstechnische Untersu- chungen das Betriebsverhalten von Reaktoren in kritischen Betriebsbereichen besser zu beherrschen. An drei Beispielen aus der Praxis seien im folgenden einige Anwendungsmog- lichkeiten erlautert.

3.1 Temperaturprofilregelung

Temperaturprofile rnit einem ausgepragten Temperaturma- ximum sind in vielen Fallen reaktionstechnisch unerwunscht. Vermeiden oder vermindern lassen sie sich nur dadurch, da13 man entweder ortlich in die Reaktion eingreift oder die Warme ortlich unterschiedlich stark abfuhrt. Letzteres kann durch eine abschnittsweise Kuhlung geschehen. Eine be- stimmte exotherme Reaktion wiirde z. B. mit konstanter Kiihltemperatur einen Temperaturverlauf nach Abb. 3 zeigen . Stellt man sich die Aufgabe, die Reaktionstemperatur moglichst gleichmaDig bei 70 "C zu fahren, so muI3 offensicht- lich im Bereich der Hauptreaktionszone starker gekuhlt werden als danach. Steht z. B. ein Reaktor nach Abb. 4 rnit finf gleichlangen Kuhlabschnitten zur Verfugung, wobei jeder Abschnitt durch einen eigenen Regler geregelt wird, SO lautet die erste Frage : An welcher Stelle innerhalb eines Abschnitts soll die Temperatur gemessen und geregelt werden? Die naheliegendste Antwort : Es soll eine Mitteltem- peratur im Abschnitt konstant gehalten werden, also wird in der Mitte gemessen. Die in Abb. 5 skizzierte Simulation dieser Regelungsstrategie weist sofort auf entscheidende Nachteile

hin. Aufgetragen ist uber der Reaktorlange mit den 5 gleichlangen Kiihlabschnitten der Verlauf von Temperatur und Konzentration. Um im ersten Abschnitt die Solltempera- tur (70°C) bereits in der Mitte einzustellen mu13 so stark gekuhlt werden, daB die Temperatur zum Ende stark abfallt (gestrichelter Temperaturverlauf). Daher mu13 im zweiten Abschnitt geheizt werden, um die Temperatur auf den

100

90

80

T m

60

50

I I I I I I I 1 I 1

0 2 1 6 8 z

Abb. 3 . Reaktor-Temperaturprofil bei konstanter Kiihltempera- tur T, und gewiinschter Sollwert Tsol, fur eine Temperaturprofil- regelung.

IBlrzB3.4j

Abb. 4. Abschnittsweise Temperaturregelung eines Rohrreakors rnit funf gleichlangen Kiihlabschnitten. MeI3- und Regelort in der Mitte oder am Ende des Abschnitts.

GFwunschten Wert zu bringen, was aber zu einem steilen Uberschwingen fuhrt. Auf diese Weise stellt sich der hier gezeigte, vollig ungeeignete Temperaturverlauf ein. Die gestellte Forderung ist jedoch erfiillt : jeweils in Abschnitts- mitte sind genau 70°C erreicht. Man sieht, daI3 es statt dessen vie1 sinnvoller ist, die Solltemperatur am Ende jedes Abschnitts einzuregeln (durchgezogener Temperaturver- lauf).

Abb. 5 . Berechnete Temperaturverlaufe T bei Regelung in Ab- schnittsmitte (gestrichelt) oder am Abschnittsende (durchgezogen) und Konzentrationsverlauf c einer Reaktion 1 , Ordnung bei Regelung am Abschnittsende 1251.

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Dieses Beispiel entstammt einer theoretischen Untersuchung [25]. Bei der Entwicklung eines Testreaktors wurde es wieder aktuell. Die Aufgabe bestand darin, fur Priifzwecke einen Festbettreaktor zu entwickeln, bei dem durch vier getrennte Kuhlabschnitte eine moglichst isotherme Reaktionsfuhrung bei wechselnden Einsatzbedingungen gewahrleistet werden sollte. Bei der Erprobung ergaben sich zunachst erhebliche Schwierigkeiten, die im Prinzip auf ahnliche Effekte wie oben diskutiert zuriickzufuhren waren. In Zusammenarbeit mit der MeD- und Regelabteilung wurde eine modifizierte Anordnung der Abschnitte und MeDpunkte vorgeschlagen. Abb. 6 zeigt den Temperaturverlauf mit der

1

- okhvar LnW1 -

Abb. 6. Anordnung von Kiihlabschnitten und Katalysatorschut- tung sowie gemessene Reaktortemperatur T und geschatzter Kiihl- temperaturverlauf T, bei einem abschnittsweise gekiihlten Festbett- reaktor.

jetzigen Anordnung . Fruher traten Abweichungen im Tempe- raturverlauf von 5 bis 10°C auf. Jetzt kann die gewiinschte Temperatur auf 1 "C genau eingehalten werden - und zwar bei einem Temperaturniveau von ca. 400°C. Bei geanderten Betriebsbedingungen mu13 lediglich die Solltemperatur des ersten Abschnitts T,, neu optimiert werden. T,, bis Ts4 bleiben auf dem gemeinsamen Wert Tsoll. An diesem Beispiel sollte gezeigt werden, dalj man die Erfahrung aus Modellrechnungen sehr wohl fur praktische Probleme modifizieren und ubertragen kann, ohne daD neue Rechnungen erforderlich sind. Eine Rechnung ware hier auch gar nicht moglich gewesen, denn die Eigenschaften der zu untersuchenden Katalysatoren und Reaktionen sind im vornhinein nicht bekannt. Ein entscheidender Vorteil der Simulation liegt darin, daD sie das vermutete physikalisch-chemische Zusammenspiel trans- parent macht, daD sie ein Gefuhl fur die Veranderung nicht beobachtbarer GroDen vermittelt und damit Erfahrung und Kenntnisstand vom Zusammenwirken komplexer Vorgange fordert. Die Simulation ist damit auch ein wichtiges Werkzeug im Projektierungsstadium. Mit zwei Beispielen zu diesem Themenkreis sol1 der Beitrag abschlieoen. In beiden Fallen handelt es sich um Neuanlagen fur partielle Kohlen- wasserstoffoxidationen. Solche partiellen Oxidationsreak- tionen erfordern eine besonders sorgfaltige Temperaturfuh- rung, denn sie neigen zu dem eingangs diskutierten Durchge- hen der Reaktion. Die wichtigste MaBnahme zur Vermeidung des Durchgehens ist die zuverlassige Abfuhr der entstehenden Reaktionswar- me. Deswegen wird die Reaktion in dunnen Reaktorrohren durchgefuhrt, die uber ihrer Lange mit Kuhlmittel umspult sind. In einem Reaktor sind gewohnlich einige 1000 solcher Rohre zu einem Rohrbiindel zusammengefaDt.

3.2 Rohrbundelreaktor mit Flussigkeits- Umwalzkuhlung

Zur Konstanthaltung der Kiihlbedingungen sind in der Praxis zwei verschiedene Kuhlarten gebrauchlich ; eine davon zeigt Abb. 7. Das Kuhlmittel - Druckwasser,ein Warmetra- gerol oder bei hoheren Temperaturen eine Salzschmelze - wird von einer Umwalzpumpe im Kreis gepumpt. Ein Teilstrom q2, durch ein Ventil veranderlich, wird iiber einen Warmeaustauscher (meist einen Dampferzeuger) gekiihlt. Im stationaren Betrieb stellt sich dann z. B. das skizzierte Reaktionstemperaturprofil T und das Kuhltemperaturprofil TK ein. Die eintretenden kiihlen Reaktionsgase werden zunachst durch den Warmetrager auf Reaktionstemperatur aufgeheizt. Dann springt die Reaktion an und die Reaktions-

Raoklionsgos

Abb, 7. Rohrbiindelreaktor mit Flussigkeitsumw~lzkuhlung und prinzipieller Verlauf von Reaktor (T)- und Kuhltemperatur TK iiber der Rohrlange z .

warme wird an das Kiihlmittel abgegeben. Das Stor- und Regelverhalten fur eine geplante Neuanlage dieser Art wurde durch Modellbildung und Simulation untersucht. Einige der erhaltenen Ergebnisse seien kurz diskutiert. Der groDte Storfall, der im Kiihlkreis auftreten kann, ist der Ausfall der Umwalzpumpe. Dann kann die entstehende Warmemenge nicht mehr abgefuhrt werden und die Reaktortemperatur steigt steil an. Abb. 8 zeigtdie berechneteMaximaltemperatur im Reaktor uber der Zeit. Bei der Pumpenstorung dauert es infolge der Warmekapazitat von Katalysator, Reaktorrohr und Kiihlmittel immerhin 200 s, bis die Maximaltemperatur einen kritischen Wert erreicht. Fiir die Notabschaltung ist also geniigend Zeit vorhanden.

Noch langsamer steigt die Maximaltemperatur bei einer Ventilstorung, bei der das Ventil zur Steuerung von q2 schlieat, so daD ebenfalls die Reaktionswarme nicht mehr abgefuhrt werden kann. Die groljere Kuhlmittelmenge, die jetzt aufgeheizt werden muB, bremst den Anstieg (Abb. 8).

Abb. 9 zeigt die berechnete Anderung der Temperaturprofile nach Ausfall der Umwalzpumpe. Man erkennt, daB sich das Temperaturmaximum wahrend des Durchgehens nach vorne verschiebt. Eine am ursprunglichen Maximum positionierte Meljstelle wiirde also den echten Verlauf der Maximaltempe- ratur nicht zutreffend wiedergeben. Einzige StellgroDe fur eine Regelung der Kuhltemperatur ist der Teilstrom q2 bzw. die Ventilstellung. Am Ubergangsver- halten der Maximaltemperatur aufgrund einer Teilstroman- derung Aq2 (Abb. 8) erkennt man, daD bei einer Verstellung des Teilstroms die Maximaltemperatur entweder exponen- tiell ansteigt oder abfallt. Offensichtlich ist dieser Betriebs-

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punkt instabil. Eine genauere Analyse bestatigt den Sachver- halt. Allerdings ist die maDgebende Aufklingzeitkonstante infolge der groljen thermischen Tragheit des Kuhlkreises so klein, daD fur eine Regelung keine Schwierigkeiten zu erwarten sind. Das zeigten auch weitere Simulationsrechnun-

, , , 0 ~ 1500 1000 1500 2000s

zoos 350s

t

Abb. 8. Anderung der Maximaltemperatur nach Ventilstorung (q2 -+ O), nach Ausfall der Umwalzpumpe (Kuhlmittelgeschw. uK + 0) und bei sprungformiger Anderungder Ventilstellung, Aqz =

25% (Simulationsrechnung).

1

Z O O S 4

0 26 0 6 0 16 ZIl

Abb. 9. punkten nach Ausfall der Umwalzpumpe (Simulationsrechnung).

Ortsprofile der Reaktortemperatur zu bestimmten Zeit-

gen. Die hier skizzierte Anlage ist in der Zwischenzeit in Betrieb gegangen. Das gutmutige Regelverhalten, aber auch die Tatsache, dalj es sich hier um einen instabilen Betriebs- punkt handelt, wurden durch die Praxis bestatigt.

3.3 Rohrbundelreaktor mit Naturumlauf- Siedekuhlung

Modellmaljig sehr vie1 schwieriger zu fassen ist die in Abb. 10 gezeigte Naturumlauf-Siedekuhlung . Wieder treten die Reak- tionsgase in ein Rohrbundel von oben ein, diesmal wird aber

durch die Reaktionswarme das Kuhlmittel zum Sieden gebracht und der Dichteunterschied zwischen dem teilver- dampften Kuhlmittel im Reaktor und der Flussigkeit im Fallrohr treibt den Naturumlauf an. Aufgrund der statischen Hohe beginnt die Verdampfung nicht schon ganz unten im '-fl I I

+ -___- -- I I I \

z

Iatturumlouf - Sicdrkbhlunp

Abb. 10. Rohrbundelreaktor mit Naturumlauf-Siedekuhlung und prinzipieller Verlauf von Reaktor (r)- und Kuhl- bzw. Siedetempera- tur TK.

Reaktor, sondern erst bei einer bestimmten Hohe H,. In der Dampftrommel trennen sich Dampf und Flussigkeit. Ein Druckregler steuert das Dampfventil und sol1 gerade soviel Dampf freigeben, daR der Druck und damit die Siedetempe- ratur konstant gehalten werden. Zum Ausgleich der Dampfabgabe wird uber die Stand- regelung Kuhlflussigkeit nachgefahren. Die Kuhlmitteltem- peratur wird hier also uber den Siededruck eingestellt. Deswegen steigt die Kuhltemperatur TK auch infolge der statischen Hohe der Flussigkeitssaule nach unten leicht an (Abb. 10, links). Eine solche Kiihlung wirft gleich ein ganzes Bundel von Fragen auf, die mit der inneren Dynamik des Naturumlaufs

I i - 5 10 15' 100 ZOO loo 3SUt

Abb. 11. Simulationsrechnungen zum plotzlichen Offnen des Dampfventils. Zeitverlaufe von Trommeldruck pr, Siedehohe H,, Steigrohrgeschwindigkeit vs, Fallrohrgeschwindigkeit uF, Dampfge- halt im Kuhlmantel x5, Trommelstand H,, iibertragene Warmemen-

a Kurzzeitdynamik, b Langzeitdynamik ge Q v .

zusammenhangen. Zum Beispiel bedeutet ja eine Zunahme der Verdampfung entweder durch verstarkte Reaktion oder durch Offnen des Dampfventils eine VergroDerung des Dampfvolumens im Reaktor, also ein Herausschieben von Dampf und Fliissigkeit in die Trommel. Wie stark steigt dadurch der Stand an? Wie schnell nimmt die abgegebene Dampfmenge bei einem Durchgehen des Reaktors zu? Was

Chem.-1ng.-Tech. 51 (1979) Nr. 11, S. 1105-1110 1109

Page 6: Modellbildung und Rechnersimulation als Werkzeug der sicheren Reaktionsführung

andert sich, wenn man aufein anderes Kuhlmittel mit anderen thermodynamischen Daten ubergeht? Im folgenden sei nur ein Storfall etwas naher betrachtet : Reaktor und Kuhlung sollen im Normalbetrieb stationar gearbeitet haben und plotzlich offnet das Dampfventil von 35% auf 100%. Abb. 11 a zeigt Simulationsergebnisse fur die ersten 15 s nach Offnen des Ventils. Die Druckentlastung fuhrt zu ,einem verstarkten Aufkochen im Kiihlmantel, die Siedehohe H , fallt schnell ab. Uber der gesamten Reaktorlan- ge entstehen vermehrt kleine Dampfblasen und fuhren zu einer Schubwirkung, die die Stromung im Steigrohr beschleu- nigt : die Steigrohrgeschwindigkeit v, steigt steil an, die Stromung im Fallrohr (Geschwindigkeit vF) dagegen wird abgebremst. Das kann dazu fiihren, daD sich bei einem noch starkeren Offnen des Ventils die Stromungsrichtung im Fallrohr umkehrt, der Umlauf wird dann (kurzzeitig) unterbrochen und das Kuhlmittel kocht sowohl im Reaktor als auch im Fallrohr auf. Dieser Fall sollte moglichst vermieden werden. An dem gedampften Einschwingen der Steig- und Fallrohrgeschwindigkeit erkennt man deutlich das Wechselspiel von Druck- und Tragheitskraften. (Infolge der Massentragheit und der Kompressibilitit des Dampf/Flussigkeits-Gemisches handelt es sich um ein schwingungsfahiges Feder/Masse-System .) Soviel zur Kurz- zeitdynamik der ersten 15 s. In diesem Zeitabschnitt andern sich praktisch nur Stromungsgeschwindigkeiten, Drucke und die Unterkiihlungshohe H,. Uber einen langeren Zeitraum betrachtet, fuhrt der starke Druckabfall zunachst zu einem Anstieg der vom Reaktor ubertragenen Warmemenge Q, und damit zu einer starken Erhohung des Dampfgehalts x5 (Abb. 11 b). Durch den steigenden Dampfgehalt wird Flussigkeit vom Kuhlmantel in die Trommel gedruckt, so daD der Stand H , zunachst stark ansteigt - bei einer zu kleinen Trommel bestunde die Gefahr des Uberlaufens - bis dann bei der niedrigen Kuhltemperatur, die zu dem reduzierten Druck gehort, die Reaktion einschlaft, die ubertragene Warme stark abfallt und somit Dampfgehalt und Trommelstand wieder sinken. Das letzte Beispiel sollte zeigen, daD die Probleme der Reaktionsfuhrung schnell uber die reine Reaktionstechnik hinausgehen, aber trotzdem mit den gleichen Methoden der Modellbildung und Simulation bearbeitet werden konnen.

4 Ausblick

Mit den Methoden der Modellbildung und Simulation chemischer Prozesse steht ein Werkzeug zur Verfiigung, das es uber die stationare Auslegung und Optimierung hinaus gestattet, das komplexe dynamische Wechselspiel verfahrens- technischer Prozesse zu untersuchen. Im vorliegenden Beitrag wurde nach einem kurzen Riickblick auf die historische Entwicklung die Anwendung dieser Methoden auf einige Probleme der Reaktionstechnik erlautert. Auch andere verfahrenstechnische ProzeDstufen wie Trennkolon- nen [35] und Rohrleitungsnetze [36] lassen sich mit ahnlichen Methoden behandeln. Ein wesentlicher Vorteil dieser Vorgehensweise sei noch einmal hervorgehoben : Die Simulation aufgrund physika- lisch begrundeter Modelle erlaubt eine bessere Einsicht und ein genaueres Verstehen komplexer verfahrenstechnischer Zusammenhange, sie ist gewissermal3en eine Fortsetzung von Experimenten mit anderen Mitteln. Und dieses bessere Verstehen hat Ruckwirkungen, nicht nur auf die gunstigste Fuhrung eines vorhandenen Prozesses, sondern auch auf die verfahrenstechnische Verbesserung bestehender und zu pro- jektierender Anlagen. Zwar ist - insbesondere bei komple- xen reaktionstechnischen Problemen - eine exakte rechneri-

sche Nachbildung nach wie vor Utopie. Die Aufgabe kann daher auch kaum in einer vollstandigen rechnerischen Verfahrensoptimierung liegen, sondern vielmehr darin, im konkreten Anwendungsfall Arbeitshypothesen zu uberpru- fen, Trends abzuschatzen und Vorhersagen und Hinweise fur weitere experimentelle Untersuchungen zu liefern. Damit gehort das Werkzeug der Modellbildung und Simulation in den Griffbereich der Ingenieure und technischen Chemiker an den Stellen, wo verfahrenstechnische Probleme auftreten und gelost werden miissen. Das erfordert eine gewisse Neuorien- tierung, in der Praxis sowohl wie in der Ausbildung, aber es ist abzusehen, daD sich der Aufwand dafur lohnt. Eingegangen am 12. 12. 1978 [B 42831

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