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Ein Forschungsprojekt von GlobeScan und MRC McLean Hazel Mit Unterstützung der Siemens AG Megacities und ihre Herausforderungen Die Perspektive der Städte

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Ein Forschungsprojekt von GlobeScan und MRC McLean Hazel Mit Unterstützung der Siemens AG

Megacities und ihre Herausforderungen Die Perspektive der Städte

InhaltSeite

Die Ergebnisse auf einen Blick 4

Megacities und ihre Herausforderungen 10

Die Prioritäten der Stakeholder 18

Fünf Infrastrukturen 24

Verkehr 26

Energie 32

Wasser und Abwasser 38

Gesundheitswesen 44

Sicherheit 50

Stadtverwaltung und Finanzen 56

Schlussfolgerungen 64

Anhang: Methodisches Vorgehen 66

Kapitel

01

02

03

04

05

06

07

08

09

10

11

12

Im Jahr 2007 wird die Menschheit einen demo-graphischen Wendepunkt erreichen: Zum ers-

ten Mal in ihrer Geschichte werden laut einerPrognose der UNO mehr Menschen in Städtenals auf dem Land leben. Bis zum Jahr 2030 wer-den es über 60 % aller Menschen sein. Besondersschnell wachsen dabei die so genannten Mega-cities, also Städte mit mehr als 10 Millionen Ein-wohnern. Diejenigen Städte, die laut UNO zudieser Kategorie zählen, haben bereits jetzt eineGesamtbevölkerung von ca. 280 Millionen. Siewerden zunehmend zu den Motoren des Wirt-schaftswachstums ihrer Länder. Doch mit demWachstum dieser Städte und Wirtschaftssyste-me mehren sich auch die Herausforderungen.Ein Kernthema ist dabei die Belastung derstädtischen Infrastrukturen.

Stadtbewohner auf der ganzen Welt wollen– und verdienen – Lebensqualität. Sie brauchengute Luft zum Atmen, sauberes Trinkwasser undeine verlässliche Energieversorgung. Sie benöti-gen ein Gesundheitswesen. Und sie brauchenMobilität – darum müssen Verkehrssysteme Mil-lionen von Menschen befördern können, dabeiaber so umweltschonend und kostengünstig wiemöglich sein. Anders gesagt: Ohne eine reibungs-los funktionierende Infrastruktur gibt es keineLebensqualität. Außerdem trägt eine effektiveInfrastruktur zum Wirtschaftswachstum bei undverbessert so wiederum die Lebensqualität. Dochleider wird die Infrastruktur in vielen Megacities

Dank

Dieser Bericht wurde von der Economist Intelligence Unit

auf Grundlage der von MRC McLean Hazel und GlobeScan

durchgeführten Untersuchung verfasst.

Wir danken allen Teilnehmern, dass sie uns ihre Zeit

geschenkt und uns wertvolle Einblicke ermöglicht haben.

Shanghai

diesem Bedarf nicht gerecht – sie stellt damiteine der größten Herausforderungen an die Stadt-verwaltungen dar, in Schwellenländern ebensowie in Industrienationen.

Dieser Bericht fasst die wichtigsten Ergeb-nisse einer einzigartigen weltweiten Studiezusammen, die von zwei unabhängigen For-schungsinstituten mit Unterstützung des Infra-strukturausrüsters Siemens durchgeführt wur-de. Ziel war es, in den einzelnen Megacities diespezifischen Herausforderungen an die lokaleInfrastruktur zu untersuchen, objektive Daten zusammeln und die Erfahrungen und Prognosenvon Bürgermeistern, Mitarbeitern der Stadtver-waltungen und anderen Experten zusammen-zutragen. Dazu befragten die Forscher über 500Experten aus dem öffentlichen und privatenSektor in 25 Megacities.

Das Ergebnis ist ein faszinierender und, sohoffen wir, aufschlussreicher Überblick darüber,wie die einzelnen Herausforderungen einge-schätzt werden und welche Infrastrukturlösungenam besten dazu geeignet sind, die Wirtschafts-kraft, Umweltbedingungen und Lebensqualitätvon Megacities zu verbessern.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.Prof. George Hazel, OBE, MRC McLean HazelDoug Miller, GlobeScan

Vorwort

2 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 3

2007wird das erste Jahr in derMenschheitsgeschichte sein, in

dem mehr Menschen in Städten als auf demLand leben. Die Megacity ist für viele MenschenInbegriff dessen, was uns in diesem Zeitalter derrapiden Verstädterung begeistert und zugleichbeunruhigt.

Beinahe jeder zehnte Stadtbewohner derWelt lebt heute in einer Megacity. Wie alle Metro-polen der Vergangenheit sind auch die heutigenMegacities Anziehungspunkt für Handel, Kultur,Wissen und Industrie, und zwar in einem bisher

Die Ergebnisse auf einen Blick

4 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 5

Die Ergebnisse auf einen Blick

nie da gewesenen Maße. Sie alle stehen auf dieeine oder andere Weise vor außerordentlichkomplexen sozialen und ökologischen Heraus-forderungen. Um das Potenzial der Megacitiesoptimal für die Entwicklung der Menschheitsowie die wirtschaftliche Entwicklung zu nutzenund zugleich die zahlreichen Probleme dieserStädte anzugehen, bedarf es innovativer Infra-strukturlösungen und neuer Governance-Kon-zepte für Metropolen.

Dieser Bericht untersucht die zentralen He-rausforderungen und Trends, die in den kom-

menden Jahren die Entwicklung von 25 Welt-städten prägen werden. Die Ergebnisse basierenauf detaillierten Befragungen von mehr als 500Megacity-Stakeholdern, darunter gewählte Amts-träger, Angestellte des öffentlichen und privatenSektors und Meinungsbildner wie Akademiker,nicht-staatliche Organisationen und Medien.Ergänzt wurde die Umfrage durch eine um-fassende Sekundärforschung; dadurch könnenwir die entscheidenden Herausforderungen die-ser Weltstädte in ihren verschiedenen Entwick-lungsstadien aufzeigen.

New York

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung haben für

Megacities hohe Priorität■ Umweltschutz wird als wichtig erkannt, doch wirtschaftliches Wachstum

zählt oft noch mehr■ Das Verkehrswesen steht bei der Infrastruktur an erster Stelle■ Bessere Städte brauchen eine bessere Governance■ Ganzheitliche Lösungen werden angestrebt, sind aber schwer zu realisieren■ Städte arbeiten zwar an einer Verbesserung ihrer Einrichtungen und Angebote,

steuern die Nachfrage jedoch noch nicht optimal■ Moderne Technologien bringen mehr Transparenz und Effizienz■ Der private Sektor leistet einen wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung

01

Die Ergebnisse auf einen Blick

6 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 7

Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit undBeschäftigung haben für Megacities hohePriorität. Wirtschaft und Beschäftigung sind für81 % der Stakeholder aus dem Stadtmanagementdie wichtigsten Entscheidungskriterien. Der Schwer-punkt liegt auf der Schaffung von Arbeitsplätzen,wobei die Befragten aus aufstrebenden Städten(„Emerging Cities“) und Schwellenstädten („Tran-sitional Cities“) die Arbeitslosigkeit als die größtewirtschaftliche Herausforderung betrachten. Auchder globalen Wettbewerbsfähigkeit kommt einegroße Bedeutung zu: Sechs von zehn Stakehol-dern geben an, dass ihre Städte bei infrastruk-turellen Entscheidungen darauf großen Wert le-gen, um private Investoren anziehen zu können.

Umweltschutz wird als wichtig erkannt, dochwirtschaftliches Wachstum zählt oft nochmehr. Die Umfrage belegt, dass Umweltschutzüberall ein wichtiges Thema ist. Als größte öko-logische Herausforderung sehen die Befragtendie Luftverschmutzung, gefolgt von Verkehrs-stauungen. Sechs von zehn Stakeholdern glau-ben, dass die Führungsgremien ihrer Stadt wis-sen, welche – oft erhebliche – Rolle Infrastruk-turentscheidungen für den Umweltschutz spie-len können. Auch im engeren Kreis derInfrastrukturspezialisten spielen Umweltfrageneine wichtige Rolle: So prognostizieren Expertenaus dem Verkehrswesen eine Stärkung desöffentlichen Personennahverkehrs, und im En-ergiesektor zeigt sich eine eindeutige Tendenzin Richtung erneuerbarer Energien. Doch stelltman die Stakeholder vor die Wahl zwischenUmweltschutz und Wirtschaftswachstum, setztsich oft Letzteres durch – insbesondere in denEntwicklungsländern, wo 55 % der Befragten

eine bessere Planung als vorrangig für dieLösung urbaner Probleme; dagegen setzen nur12 % die Finanzierung an erste Stelle. Neben derverstärkten strategischen Planung liegt ein wei-terer Schwerpunkt auf mehr Effizienz im Infra-strukturmanagement. Doch dazu müssen dieStädte einen Wechsel vollziehen – von derpassiven Verwaltung bestehender Angebote hinzu einem aktiven Management mit höhererEffizienz und messbaren Ergebnissen.

Ganzheitliche Lösungen werden angestrebt,sind aber schwer zu realisieren. Das größteHindernis für ein strategisches Infrastruktur-management liegt nach Aussage der Befragtenin der mangelnden Koordination zwischen deneinzelnen Stadtverwaltungsebenen sowie imFehlen einer straffen Führung. Die Stakeholderwünschen sich eindeutig ganzheitliche Kon-zepte für das Stadtmanagement, doch existie-ren diese bisher kaum. In vielen Megacities gibtes eine Vielzahl von Verwaltungsorganen mitunzureichend definierten und sich überschnei-denden Zuständigkeiten; dies mindert unwei-gerlich ihre Effizienz und erschwert die stra-tegische Planung. Die Verwaltungsstrukturenmüssen sowohl die Bedürfnisse der Stadt alsauch die des urbanen Großraums abdecken unddabei zudem die Wechselwirkungen zwischenden einzelnen Infrastrukturbereichen (beispiels-weise Wasserwirtschaft und Gesundheitswesen)berücksichtigen. Megacities stellen komplexeAnforderungen, denen die herkömmlichen, nachAbteilungen organisierten Verwaltungsstruktu-ren nicht mehr gerecht werden. Stattdessensind ganzheitliche Lösungen gefragt, die gleich-zeitig höhere Transparenz und eine direkte

Reaktion auf die jeweiligen lokalen Bedürfnisseder Bürger ermöglichen.

Städte arbeiten zwar an einer Verbesse-rung ihrer Einrichtungen und Angebote,steuern die Nachfrage jedoch noch nichtoptimal. Angesichts des großen Drucks auf dieöffentlichen Dienste entscheiden sich die Städtemeist für schnelle, direkte und angebotsorien-tierte Lösungen. Diese bestehen nicht unbe-dingt in einer Erweiterung der Kapazitäten, alsodem Bau neuer Straßen, Schienennetze, Kran-kenhäuser usw., im Gegenteil: Viele der Stake-holder finden es wichtiger, die vorhandeneInfrastruktur effizienter zu nutzen. Das Mittelder Nachfragesteuerung wird dagegen nurwenig und mit niedriger Priorität genannt. Kon-zepte zur Steuerung der Nachfrage werden zwarin den verschiedensten Bereichen befürwortet,doch selbst die Experten der einzelnen Infra-struktursektoren sehen darin nicht das ersteMittel der Wahl. Für eine umfassendere Einfüh-rung solcher Steuerungsstrategien spricht je-doch, dass weltweit in vielen Städten und Infra-strukturbereichen regelmäßig die Nachfragedas Angebot übersteigt. Eine angemessenePreisbildung für Dienstleistungen könnte dazuein erster Schritt sein.

Moderne Technologien bringen mehr Trans-parenz und Effizienz. Technologien bringendie Verwaltung der Städte in zweifacher Hin-sicht voran: Sie sorgen einerseits für mehrEffizienz und andererseits für mehr Transparenzgegenüber den Bürgern. Acht von zehn Befrag-ten glauben, dass ihre Stadt in den nächstenfünf Jahren immer stärker moderne Informa-

tionstechnologien für ihre Verwaltungsprozesseeinsetzen wird. Außerdem, so die Meinung vonExperten aus dem Stadtmanagement, werdenDigitalisierung und E-Government eine wich-tigere Rolle spielen als der Personalaufbau (64 %zu 36 %). Die Befragten sagen auch, dass keines-wegs nur reiche Städte von den modernen Tech-niken profitieren: Finanzschwache aufstreben-de Städte messen dem E-Government und derDigitalisierung fast ebenso große Bedeutung beiwie Schwellenstädte und entwickelte Städte.

Der private Sektor leistet einen wichtigenBeitrag zur Effizienzsteigerung. Die Meinun-gen der Stakeholder zum Thema der Privatisie-rung gehen auseinander. Die meisten Befragtenprognostizieren, dass die infrastrukturellen Ein-richtungen und Dienstleistungen größtenteils inkommunalem Besitz und unter kommunalerAufsicht bleiben werden. Gleichzeitig zeigte sichdie Mehrzahl der Stakeholder jedoch offen fürPublic Private Partnerships (öffentlich-privatePartnerschaften, PPPs). Stakeholder aus dem Pri-vatsektor befürworten dies natürlich besondersnachdrücklich. Doch auch über 70 % derBefragten aus dem öffentlichen Sektor oder ausgewählten Ämtern betrachten PPPs als eingeeignetes Mittel für Infrastrukturlösungen,und über 60 % glauben, eine Privatisierungführe zu mehr Effizienz. Auch hier ist es alsowieder vor allem die höhere Effizienz, die dieBeteiligung des privaten Sektors bringen soll,der reine Mittelzufluss ist weniger bedeutend.Allerdings setzen selbst Städte, die ihre Dienst-leistungen wegen der besseren Effizienz in pri-vate Hände geben, weiterhin auf eine starkekommunale Führung und Kontrolle.

Die wichtigsten Ergebnisseder Studie:

Buenos Aires

meinen, dass in ihren Städten ökologischeErwägungen zugunsten von Kapazitätssteige-rungen zurückgestellt werden. In den ent-wickelten Städten glauben dies nur 14 % derbefragten Personen.

Das Verkehrswesen steht bei der Infrastruk-tur an erster Stelle. Das Verkehrswesen wirdals die mit Abstand wichtigste infrastrukturelleHerausforderung betrachtet. Denn dieser Bereichprägt nach Meinung der Stakeholder die Wett-bewerbsfähigkeit der Städte am stärksten. DieBefragten wissen auch um die ökologischen Fol-gen (wie Luftverschmutzung); deshalb messensie umweltverträglicheren Nahverkehrslösun-gen große Bedeutung bei. So verwundert esnicht, dass sie im Verkehrswesen den größtenInvestitionsbedarf sehen. Allerdings erkennensie auch in den vier anderen Infrastrukturbe-reichen der Studie – Wasser, Energie, Gesund-heitswesen und Sicherheit – die Notwendigkeitzu Investitionen. Interessanterweise besteht je-doch für einen Großteil der Befragten keindirekter Zusammenhang zwischen den Aus-gaben in diesen Bereichen und einer höherenWettbewerbsfähigkeit – und das, obwohl jederdieser Bereiche die Attraktivität der Stadt fürInvestoren stark beeinflusst.

Bessere Städte brauchen eine bessere Go-vernance. Nachdem in so vielen Bereichen eindringender Investitionsbedarf besteht, ist dieFinanzierung natürlich eine wichtige Frage fürviele der Stakeholder. Doch speziell die Expertenaus dem Stadtmanagement stufen die Optimie-rung der Verwaltung als ein noch drängenderesThema ein: Über die Hälfte von ihnen erachtet

Die Ergebnisse auf einen Blick

8 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 9

Untersuchte Städte

Stadt Land 2003 2015 Fläche Anteil amEinwohner Einwohner in km2 Bip

in Mio. in Mio. in %Tokio Japan 35,0 36,2 13100 40

New York USA 21,2 22,8 10768 <10

Seoul-Inchon Südkorea 20,3 24,7 4400 50

Mexiko-Stadt Mexiko 18,7 20,6 4600 40

São Paulo Brasilien 17,9 20,0 4800 25

Mumbai Indien 17,4 22,6 4350 15

Los Angeles USA 16,4 17,6 14000 <10

Delhi Indien 14,1 20,9 1500 <5

Manila-Quezon Philippinen 13,9 16,8 2200 30

Kalkutta Indien 13,8 16,8 1400 <10

Buenos Aires Argentinien 13,0 14,6 3900 45

Schanghai China 12,8 12,7 1600 <10

Jakarta Indonesien 12,3 17,5 1600 30

Dhaka Bangladesch 11,6 17,9 1500 60

Rio de Janeiro Brasilien 11,2 12,4 2400 15

Karatschi Pakistan 11,1 16,2 1200 20

Ruhrgebiet Deutschland 11,1 11,1 9800 15

Kairo Ägypten 10,8 13,1 1400 50

Peking China 10,8 11,1 1400 <5

Lagos Nigeria 10,7 17,0 1100 30

Moskau Russische Föderation 10,5 10,9 1100 20

Paris Frankreich 9,8 10,0 2600 30

Istanbul Türkei 9,4 11,3 2650 25

Chicago USA 9,2 10,0 8000 <5

London Großbritannien 7,6 7,6 1600 15

Infrastrukturen – ein QuerschnittVerkehrswesen: Die Nachfrage aktiversteuernVerstopfte Verkehrswege bedeuten für Megaci-ties eine enorme wirtschaftliche und ökologi-sche Belastung. Doch obwohl Mautgebührenbereits in mehreren Städten Erfolg zeigen, fin-det das Thema der Straßenmaut weltweit beiStakeholdern in Städten noch keine ausreichen-de Beachtung. Seite 26

Energie: Starke Ausrichtung auf erneuer-bare EnergienDa gerade hier die Nachfrage das Angebot über-steigt, überlässt man die Energiepreise lieberder Marktdynamik statt sie zu subventionieren.Experten aus diesem Bereich zeigen zudem einstarkes Interesse an erneuerbaren Energieträ-gern, doch aufgrund der rasch steigenden Nach-frage werden wachsende Städte in der näherenZukunft wohl auch weiterhin vor allem auf diebilligeren fossilen Brennstoffe zurückgreifen.Seite 32

Wasser und Abwasser: Immer noch zu we-nig beachtet?In vielen Megacities haben große Teile der Be-völkerung weder Zugang zu sauberem Wassernoch Anschluss an ein Abwassersystem. Unter-suchungen ergaben, dass die wirtschaftlichenAuswirkungen – von den sozialen ganz zu schwei-

gen – immens sein werden, wenn dieses Pro-blem nicht angegangen wird. Doch nur 3 % derStakeholder nennen die Wasserversorgung alsden wichtigsten Faktor für Wachstum und Wett-bewerbsfähigkeit. Seite 38

Gesundheitswesen: Höhere Ausgaben müs-sen mit besserem Management einher-gehenUnsere Umfrage ergab, dass die Befragten mehrWert auf Effizienzsteigerung legen – etwa durchvernetzte Infrastruktur im Gesundheitswesen –als auf die Schaffung neuer Einrichtungen. Vor-sorgekonzepte bewerten sie zwar positiv, über-sehen dabei jedoch oftmals externe Faktoren:Keiner der Experten aus dem Gesundheitswe-sen, nicht einmal in aufstrebenden Städten, nann-te die Wasserqualität als vorrangiges Thema –hier zeigt sich das Fehlen ganzheitlicherLösungsansätze. Seite 44

Sicherheit: Das organisierte Verbrechen isteine größere Bedrohung als der Terroris-musAls größte Herausforderung beim ThemaSicherheit in Megacities wird das organisierteVerbrechen genannt – und zwar doppelt so oftwie der Terrorismus, der an zweiter Stelle steht.Interessanterweise werden Überwachungsmaß-nahmen deutlich über den Schutz der Privat-sphäre gestellt. Seite 50

Dieser Bericht untersucht die Herausforderun-gen, denen Megacities im Stadtmanagementund in ihren fünf zentralen Infrastrukturberei-chen gegenüberstehen: Verkehr, Energie, Was-ser und Abwasser, Gesundheitswesen undSicherheit.

Die Ergebnisse basieren auf einer Umfrageunter 522 Stakeholdern aus 25 Städten. DieStakeholder waren in vier Gruppen unterteilt: Gewählte Inhaber eines politischen Amts (nach-folgend „Amtsinhaber“ genannt). Angestellte der Stadtverwaltung („Angestellte“). Private Infrastrukturanbieter, Bauunternehmerund Geldgeber („Private“). Personen, die meinungsbildend auf die Entschei-dungsträger in Infrastrukturen wirken, etwagesellschaftliche Vordenker, Akademiker, nicht-staatliche Organisationen und Medien („Mei-nungsbildner“).

Die Studie beinhaltete allgemeine Fragen zuMegacity-Themen, die allen 522 Teilnehmerngestellt wurden. Für diejenigen Teile der Studie,die genauer auf spezifische Bereiche eingehen(d. h. auf die fünf Infrastrukturbereiche sowieauf Stadtmanagement und Finanzierung) wur-den diejenigen Teilnehmer befragt, die überentsprechende Kenntnisse und Erfahrungenverfügten. Diese werden in diesem Bericht kurzals „Experten“ oder „Stakeholder“ bezeichnet.Die einzelnen Gruppen von Experten umfasstenvon 124 Befragten im Verkehrswesen bis zu 72Befragten im Energiesektor.

Um die unterschiedlichen Herausforderun-gen und Themen zu erkennen, denen Mega-cities in verschiedenen Stadien ihrer Entwick-lung gegenüberstehen, unterscheidet die Studiedrei Grundtypen von Städten: aufstrebende Städ-te („Emerging Cities“), Schwellenstädte („Tran-sitional Cities“) und entwickelte Städte („MatureCities“). Obwohl jede Stadt auf ihre Weise einzig-artig ist, haben Städte derselben Kategorie doch Q

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05

London

Über diesen Berichteine Vielzahl gleicher Charakteristika und Pro-bleme. Dieser Bericht zeigt die Herausforderun-gen und Prioritäten für jeden dieser Grundty-pen; er nennt außerdem, in welchen Bereichenam dringendsten Maßnahmen erforderlich sind,um die Wettbewerbsfähigkeit der Städte mitLebensqualität und ökologischer Nachhaltigkeitin Einklang zu bringen.

Megacities und ihre Herausforderungen

10 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 11

Megacities und ihreHerausforderungen

Wer den Aufstieg der Megacities beobach-tet, ist hin- und hergerissen zwischen

Staunen und Schrecken: Einerseits gelten dieseriesigen Städte als die Motoren der Weltwirt-schaft, denn sie sind ein höchst wirkungsvollerUmschlagplatz für Waren, Menschen, Kultur undWissen. Sie bieten, zumindest potenziell, einebeispiellose Ansammlung von Know-how undtechnischen Ressourcen, die zahlreichen Men-schen mehr Wohlstand und Lebensqualitätbringen kann.

Andererseits beschwören Megacities auchein düsteres Bild herauf. Alle hier untersuchtenStädte stehen vor immensen Herausforderun-gen – von Verkehrsstaus und Umweltverschmut-zung über Sicherheitsbedrohungen bis hin zumassiven Kapazitätsengpässen. Städte in Ent-

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Die Zahl der Megacities hat sich in den letzten 50 Jahren vervielfacht:

Mittlerweile leben dort 9 % der städtischen Weltbevölkerung

■ Megacities leisten einen überproportional hohen Beitrag zur Wirtschaft ihres Landes und zur Weltwirtschaft

■ Die Führungsgremien der Städte sehen sich vor der schwierigen Aufgabe, ganzheitliche Lösungen für riesige Metropolregionen bereitzustellen

■ Das Stadtmanagement muss drei wichtige Themen miteinander vereinbaren: Sicherung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, des Umweltschutzes und der Lebensqualität für Einwohner

Mumbai

02

Megacities und ihre Herausforderungen

12 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 13

Bevölkerungsdichte (pro km2)

Istanbul0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

35.000

LagosLondon

MoskauMumbai

New YorkSão Paulo

Schanghai

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Mega-Wachstum, Mega-KomplexitätDie folgenden Kapitel beleuchten die größ-ten Herausforderungen, denen Megacities inihren verschiedenen Entwicklungsphasen gegen-überstehen. Dabei wird deutlich, welche Priori-täten Stakeholder in einer Welt begrenzter Res-sourcen setzen. Die Studie erläutert Trends undStrategien in den fünf zentralen Infrastruktur-bereichen Verkehr, Energie, Wasser und Abwas-ser, Gesundheitswesen und Sicherheit und stelltneue Ansätze für die Governance von Metropo-len vor.

Megacities werden auch das städtische Phä-nomen des 21. Jahrhunderts genannt. Ihre niezuvor gekannte Größe und Komplexität und ihrezentrale Rolle als Tore zur Weltwirtschaft („Gate-way-Städte“) macht eine nachhaltige Stadtent-wicklung zu einer immensen Herausforderung.Wir hoffen, dass dieser Bericht zum Nachdenkenüber neue Lösungen für Megacities und ihreHerausforderungen anregt.

wicklungsländern kämpfen zudem mit der täg-lich wachsenden Zahl illegaler Ansiedlungen.Laut dem „State of the World’s Cities“-Berichtvon UN-HABITAT aus dem Jahr 2006 lebt heutefast ein Drittel der städtischen Weltbevölkerungin Slums unter unzureichenden Wohnbedin-gungen oder ohne ausreichende Grundversor-gung. Mit diesen Gegensätzen müssen sich allebefragten Stakeholder täglich auseinander-setzen. In ihren jeweiligen Aufgabenbereichentragen sie maßgeblich Verantwortung für dieBewältigung der vielfältigen Herausforderun-gen in den 25 untersuchten Megacities. Vielevon ihnen müssen zudem Lösungen schaffen,mit denen ihre Städte in einer global vernetztenWirtschaft bestehen können.

Dieser Bericht zeigt auf, wie Stakeholder dieAnforderungen der drei großen Themen wirt-schaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Lebensquali-tät und Umweltschutz miteinander vereinbaren.

Die Megacity ist eine relativ neue Form derStadtentwicklung. 1950 gab es nur zwei

Großstädte mit über 10 Millionen Einwohnern:New York und Tokio. 1975 kamen zwei weitereStädte dazu: Schanghai und Mexiko-Stadt. Biszum Jahr 2004 war die Zahl der Megastädte auf22* hochgeschnellt; zusammen beherbergensie mittlerweile 9 % der städtischen Weltbevöl-kerung.

Städtisches Wachstum findet nicht überallauf der Welt in gleichem Maße statt. Dies giltauch für die größten Städte. Die meisten Mega-cities in entwickelten Ländern wachsen, wennüberhaupt, nur langsam. Tokio bleibt zwar mit35 Millionen Einwohnern die größte Stadt, docham schnellsten wachsen werden die Städte inden Entwicklungsländern (insbesondere in Asienund Afrika). Das wird die dortige Infrastruktur

massiv belasten. 2020 werden in Mumbai,Delhi, Mexiko-Stadt, São Paulo, Dhaka, Jakartaund Lagos jeweils über 20 Millionen Menschenleben. Viele aufstrebende Städte können dieserapide steigenden Bevölkerungszahlen kaumbewältigen. Setzen sich die derzeitigen Wachs-tumsraten fort, wird sich die Einwohnerzahl imnigerianischen Lagos bis 2020 verdoppelt haben,vor allem durch die Ausbreitung illegaler Ansied-lungen. Dagegen werden die meisten entwic-kelten Städte (wie auch viele Schwellenstädte)einer anderen demographischen Herausforde-rung gegenüberstehen: der alternden Bevölke-rung.

Die Megacities von heute sind nicht nurgrößer als die Großstädte Mitte des 20. Jahrhun-derts, sie sind auch komplexer. Zum einen stehensie wirtschaftlich zunehmend im Wettbewerbmit und in Abhängigkeit zu anderen großenStädten der Welt. Zum anderen entstehen ganzneue Stadtregionen – die Ballungsgebiete er-strecken sich weit über die Grenzen einereinzelnen Stadt hinaus. So zum Beispiel das US-amerikanische Städteband „BosWash“ (das vonBoston in Massachusetts bis Washington, DC,reicht), oder die chinesische Stadt Chongqing.

Diese gewaltigen Megacity-Regionen erzeu-gen eine neue Stadtdynamik. Pendler aus dendicht bevölkerten Randbezirken legen großeStrecken zu ihren Arbeitsstellen zurück. Die wirt-schaftliche Aktivität konzentriert sich nichtmehr an einem Punkt, sondern wandert vomZentrum in die Vororte ab. Die häufig starkuntergliederten Verwaltungssysteme könnenmit dieser Entwicklung nicht Schritt halten.Dementsprechend schwierig gestaltet sich eineffizientes und ganzheitliches Konzept für dieinfrastrukturellen Aufgaben einer ganzenMetropolregion.

* Laut Definition der Vereinten Nationen für Megacity

Karachi

Megacities und ihre Herausforderungen

14 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 15

0

0

Die am meisten verschmutzten Städte der Welt

Delhi(Indien)

Kairo(Ägypten)

Kalkutta(India)

Mexiko-Stadt(Mexiko)

Tokio(Japan)

London (Großbritannien)

New York(USA)

Que

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5 10

50

15

100

20 25 30

150

35 40

200

Einwohner in 2005 (Millionen)

Partikelmaterie in 2002 (Mikrogramm pro Kubikmeter)

1.

2.

3.

41.

57.

91.

96.

Grad der Verschmutzung

Einwohnerzahl

Megacities gelten weltweit als die Tore zurGlobalisierung („Gateway-Städte“) und sind

Drehscheiben für Menschen, Waren, Wissen undGeld. Die zehn wirtschaftsstärksten Megacitiesder Welt generieren bereits ein Fünftel desglobalen BIP. Auch auf nationaler Ebene leistenMegacities einen überproportionalen Beitragzum Wirtschaftswachstum – nach einer Studieder Münchener Rück beherbergt Tokio 28 % derjapanischen Bevölkerung, erwirtschaftet jedoch40 % des nationalen BIP. Ähnliches gilt für Paris:Dort leben 16 % der französischen Bevölkerung;der Anteil am BIP beträgt jedoch 30 %. In Nigeriabietet Lagos Lebensraum für 8 % der Bevölke-rung, erwirtschaftet aber 30 % der Erträge desLandes. In den OECD-Ländern weisen die meis-ten Metropolregionen nicht nur ein höheres Pro-Kopf-BIP auf als der nationale Durchschnitt,

sondern auch eine höhere Arbeitsproduktivität.Viele von ihnen haben zudem Wachstumsraten,die über dem Durchschnitt ihres Landes liegen.

Angesichts des Gewichts, das diesen Metro-polregionen in ihrer jeweiligen nationalen Wirt-schaft zukommt, ist auch ihre globale Wettbe-werbsfähigkeit von überragender Bedeutung.Um Investoren anzuziehen, benötigen dieseStädte moderne und effiziente Infrastrukturen.Das Verkehrswesen ist dabei ein äußerst wichti-ges Thema, und den Bürgermeistern von Mega-cities liegt stark daran, die häufig überlastetenStraßen- und Schienennetze, Häfen und Flug-häfen zu modernisieren. Eine ausreichend großeZahl von Arbeitskräften (besonders von solchenmit guter Ausbildung) sowie moderne Informa-tions- und Kommunikationstechnologien sindebenfalls von größter Bedeutung. Das beweist

der Trend zu Offshoring, der seinerseits dasWachstum großer Städte wie etwa des indischenBengaluru (vormals: Bangalore) vorangetriebenhat. Ein weiterer maßgeblicher (obwohl mitunterweniger offensichtlicher) Faktor ist die Qualitätder Grundversorgung.

Menschen, denen gute Wohnbedingungen,Bildung und eine ordentliche Grundversorgung(wie Wasser und Strom) zur Verfügung stehen,haben weitaus bessere Chancen, ihr Potenzialauszuschöpfen und zum Wirtschaftswachstumbeizutragen. Auch das weitere Wirtschafts-umfeld ist ein entscheidender Parameter: For-schungsergebnisse der Economist IntelligenceUnit belegen, dass eine klare und unterneh-mensfreundliche Politik internationale Investo-ren sehr viel stärker anzieht als Subventionenund Steuervergünstigungen*.

Wettbewerbsfähigkeit

Umweltschutz

Governance

Lebensqualität Umweltschutz

Wettbewerbsfähigkeit

Es wäre falsch zu behaupten, das Wachstumeiner Megacity schade automatisch der Um-

welt. Zwar ist offensichtlich, dass eine Stadt mit20 Millionen Menschen auch große ökologischeAuswirkungen hat, aber weniger eindeutig lässtsich feststellen, ob diese Auswirkungen tatsäch-lich größer sind als bei der gleichen Bevölkerungs-zahl auf dem Land. Dagegen gibt es durchausdas Argument, dass saubere, moderne Städte, indenen das Leben auf engem Raum eine effizien-te Nutzung der Ressourcen ermöglicht, ein um-weltverträgliches Zukunftsmodell darstellen.

Welches Potenzial Megacities auch immerbergen, viele von ihnen haben mittlerweile einestattliche Liste von Umweltproblemen. Verstopf-te Straßen, Luft- und Wasserverschmutzung,Abfallprobleme und heruntergekommene Grün-bereiche sind den meisten großen Städten derWelt nur allzu vertraut. Besonders ausgeprägtsind sie in den Megacities der aufstrebendenLänder. So hat sich die Luftqualität in Londonund Tokio in den vergangenen 50 Jahren verbes-sert, in Schanghai und Kuala Lumpur dagegenverschlechtert.

Historisch betrachtet, werden Städte zumeisterst reich und kümmern sich danach um dieFolgen. Dieser Ansatz könnte angesichts desKlimawandels katastrophale Auswirkungen ha-ben. Auch deshalb findet nachhaltige Stadtent-wicklung immer mehr Beachtung. Zukunftsfähi-ge Lösungen beinhalten eine stärkere Nutzungalternativer Energiequellen, energieeffizientereGebäude und Verkehrsmittel, die Verminderungvon Verkehrsstauungen und CO2-Emissionen,die Wasserwiederaufbereitung und Abfallverwer-tung sowie den Einsatz größerer Vegetations-flächen zum Ausfiltern und Binden von Ver-unreinigungen und Kohlendioxid. Zwar habenmehrere Städte zumindest damit begonnen,solche Maßnahmen – durchaus erfolgreich –einzusetzen, doch die Umweltbelastung durchdie Verstädterung kann nur mit weiteren ge-meinsamen Anstrengungen verringert werden.

* Studie „World Investment Prospects“, 2004

Ein Gleich-gewicht finden

Der Bau und die Instandhaltung von Infrastruk-turen sowie die Befriedigung der Nachfrage

einer riesigen, oft weiter wachsenden Bevölke-rung erreichen in Megastädten eine Komplexitätbisher ungekannten Ausmaßes. Alle, die an ent-sprechenden Lösungen und Dienstleistungenarbeiten, stehen dabei vor der schwierigen He-rausforderung, drei grundlegende Anforderun-gen in Einklang zu bringen:

São Paulo

Megacities und ihre Herausforderungen

16 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 17

Wie die Studie zeigt, hat jede Megacity ihreeigenen Anforderungen, für die sie indi-

viduelle lokale Lösungen braucht. Dennoch gibtes auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten fürgroße Städte auf ähnlichem wirtschaftlichen undsozialen Entwicklungsniveau. Vor diesem Hinter-grund haben wir drei Grundtypen definiert: auf-strebende Städte („Emerging Cities“), Schwellen-städte („Transitional Cities“) und entwickelteStädte („Mature Cities“).

Aufstrebende Städte: Aufstrebende Megaci-ties haben in der Regel hohe Wachstumsraten,und zwar durch Zuwanderung und durch natür-liches Wachstum vor allem in illegalen Ansied-lungen, die nicht an die bestehenden Infrastruk-turen und Versorgungsleistungen angeschlossensind. Die jährlichen Wachstumsraten solcherStädte liegen bei einer Größenordnung von 3 bis6 %. (Bei einer Wachstumsrate von 3,5 % ver-doppelt sich die Bevölkerung innerhalb von 20Jahren.) Aufstrebende Städte befinden sich inder Regel in Ländern, in denen weniger als 50 %

der Menschen in Städten leben. Ihre Bewohnersind überwiegend jung und männlich mit einemhohen Anteil an bildungsschwachen ländlichenZuwanderern. Die sozialen Gegensätze und dieKluft zwischen den Gruppen hinsichtlich Wohl-stand, Gesundheit, Bildung und politischer Machtsind in aufstrebenden Städten in der Regel amhöchsten.

Schwellenstädte: Solche Megacities haben oftMechanismen entwickelt, um das dynamischeWachstum wirksamer zu steuern; ihre jährlichenWachstumsraten nehmen häufig ab. Ihr Bevöl-kerungswachstum geht größtenteils auf Zuwan-derung zurück, weniger auf natürlichen Zu-wachs – in einigen dieser Städte finden sicherste Anzeichen einer alternden Bevölkerung.Die jährlichen Wachstumsraten bewegen sich inder Regel zwischen 2 und 3 %. Schwellenstädteliegen oft in Ländern, die zu mehr als 50 % ver-städtert sind. Sie haben ähnliche infrastruktu-relle Aufgaben zu bewältigen wie aufstrebendeStädte, haben dazu aber bessere finanzielle und

organisatorische Möglichkeiten. Der wachsendeWohlstand in diesen Städten erzeugt zusätzlicheneue Anforderungen an die Infrastruktur, weildie Nachfrage nach Verkehr, Wasser, Energie undVersorgungsleistungen häufig sehr viel schnel-ler steigt als die Einwohnerzahl.

Entwickelte Städte: Entwickelte Megacitieswachsen sehr viel langsamer als die anderenbeiden Grundtypen, und zwar um durchschnitt-lich 1 % pro Jahr. In einigen dieser Städte stagniertdie Einwohnerzahl oder geht sogar zurück. Ent-wickelte Megacities haben zudem eine ältereBevölkerung. Sie liegen meist in Ländern miteiner Urbanisierung von etwa 75 %. Solche ent-wickelten Megastädte haben die Grundinfra-struktur für ihre Bevölkerung schon vor ein oderzwei Generationen ausgebildet. Da eine hoch-wertige Infrastruktur vorhanden ist, stehen dieseStädte zunehmend vor der Aufgabe, bestehendeSysteme zu warten oder veraltete Systeme anneue behördliche Vorgaben oder sich wandelndeBetriebs- und Serviceanforderungen anzupassen.Das zweite immer wichtigere Schwerpunktthemaentwickelter Megastädte ist der zunehmendeund sich wandelnde Bedarf ihrer alternden Bevöl-kerung an verschiedensten Dienstleistungen.

Die drei Grundtypen der Stadt

Megacities gelten als Motoren des Wirtschafts-wachstums, doch sie bergen auch gewal-

tige Ungleichheiten bei der Verteilung von Wohl-stand und wirtschaftlichen Chancen. Der jüngsteBericht von UN-HABITAT über Urbanisierungs-trends bezeichnet Megacities als den „neuen Ortder Armut“. Während heute die Mehrzahl derarmen Weltbevölkerung in ländlichen Gegendenlebt, werden sich nach Schätzungen der Welt-bank bis zum Jahr 2035 die Armutsregionenüberwiegend in Städten finden.

Das Versäumnis, die Lebensqualität der ar-men Stadtbevölkerung zu verbessern, hat fataleFolgen. Die Studie von UN-HABITAT zeigt auf,dass die Bewohner von Slums – in denen einGroßteil der städtischen Armen lebt – ein un-gleich höheres Risiko von Kindersterblichkeit,akuten Atemwegserkrankungen und Krankhei-

erfassten 78 Metropolregionen haben eine in-nerhalb ihres Landes überdurchschnittlich hoheArbeitslosigkeit; zwischen 7 und 25 % ihrer Ein-wohner leben in benachteiligten Bezirken mitoft nur unzureichendem Zugang zu öffentlichenInfrastrukturen und Versorgungsleistungen. DieStudie kommt zu dem Schluss, dass Armut undsoziale Ausgrenzung hohe Kosten verursachen –unter anderem durch eine hohe Kriminalitäts-rate (in urbanen Regionen durchschnittlich um30 % höher als im Rest des Landes). Werdendiese Ungleichheiten nicht bekämpft, könntenMegacities zu Zentren der Benachteiligung undInstabilität werden – mit entsprechend nega-tiven Folgen für die Wirtschaft.

Entwicklungsentscheidungen gelten oft alsschwierige Gratwanderung zwischen Wachstumund Umweltschutz oder zwischen Wachstumund Lebensqualität. Dabei hängen diese dreiBereiche ganz offensichtlich zusammen: Wirt-schaftsstarke Städte verfügen eher über den nö-tigen Wohlstand und die Ressourcen für hoch-wertige Infrastrukturen und Dienste; sie bietendadurch vielen ihrer Einwohner wirtschaftlicheund soziale Chancen. Moderne Megacities mitChancengleichheit und gesunden Umweltbe-dingungen sind wiederum attraktiver für jedeArt von Wirtschaftsaktivitäten als Städte mit star-ker Umweltverschmutzung. Dementsprechendhaben Megastädte mit einer gesunden und ge-bildeten Bevölkerung eine bessere Ausgangs-position im Werben um Investoren, als Städte, indenen große Bevölkerungsteile durch Benach-teiligung und Ungleichheit vom Wirtschafts-wachstum ausgeschlossen sind. Langfristig ge-sehen wird es also keinen Erfolg bringen, sichnur auf einen der genannten Bereiche zu kon-zentrieren und dabei die anderen Themen zuvernachlässigen.

Lebensqualität

■ über 40%■ 20 – 40%■ 10 – 20%■ unter 10%■ Hocheinkom-

mensländer

Qu

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20

03

)

Anteil der in Slums lebenden Stadtbevölkerung

* State of the World’s Cities 2006/7, UN-HABITAT

São Paulo

ten durch unsauberes Wasser haben als Arme,die nicht in Slums leben. Da sie mit hoher Wahr-scheinlichkeit auch an gefährlichen Orten leben,sind sie zudem stärker durch Naturkatastrophenwie Überschwemmungen bedroht. Eine unzu-reichende Grundversorgung bürdet ihnen „schwe-re gesundheitliche und soziale Lasten“ auf, wel-che „letztlich ihre Produktivität beeinträchtigen“.*In entwickelten Städten mag die Armut wenigerausgeprägt sein, doch auch hier sind reichlichsoziale Probleme vorhanden. Wie aus dem Be-richt der OECD über wettbewerbsfähige Städtehervorgeht, gibt es selbst in den dynamischstenMetropolregionen des OECD-Gebiets verstärktsozioökonomische Ungleichheiten. Die Unter-suchung verweist auf ausgedehnte Gebiete, indenen sich die Arbeitslosigkeit hartnäckig aus-breitet. Etwa ein Drittel der im OECD-Bericht

Große Städte bergen große Herausforderun-gen, doch Geld und Ressourcen zu deren

Bewältigung sind eindeutig begrenzt. Wie reagie-ren die Stakeholder der Megacities, die hierfürentsprechende Lösungen finden müssen? Nachden Hauptcharakteristika und -themen heutigerMegacities wollen wir uns der Frage zuwenden,welches die wichtigsten Entscheidungskriterienin den 25 untersuchten Megastädten sind.

Die für dieses Kapitel relevanten Fragenwurden sämtlichen 522 Stakeholdern gestellt.Zwar müssen die Befragten täglich eine Vielzahlvon wirtschaftlichen, sozialen und ökologischenBelangen berücksichtigen, dennoch ist in ihrenAntworten eine eindeutige Rangordnung er-kennbar.

Die Prioritäten der Stakeholder

18 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 19

Die Prioritäten der Stakeholder

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Arbeitslosigkeit ist die wirtschaftliche Herausforderung

Nummer eins

■ Luftverschmutzung und Verkehrsstaus sind die drängendsten Umweltprobleme

■ Verkehr ist für Stakeholder das infrastrukturelle Spitzenthema mit höchster Priorität bei Investitionen

■ Die meisten Stakeholder sind zuversichtlich, urbane Herausforderungen lösen zu können, die befragten Meinungsbildner sind dagegen skeptischer

Moskau

03

knappheit oder -qualität haben. Ein noch klei-nerer Anteil sieht in der Energie- (2 %) und in derGesundheitsversorgung (1 %) die größten infra-strukturellen Herausforderungen der Stadt.

Investitionsbedarf: Die Stakeholder sollten 13verschiedene Bereiche nach ihrem Investitions-bedarf in den nächsten fünf bis zehn Jahren ord-nen. Auch hier erhält das Verkehrswesen die mitgroßem Abstand höchste Priorität: 86 % der Be-fragten setzen es an erste Stelle, gemeinsam ge-folgt von Umweltschutz und Bildung (beide 77 %).Besonders Teilnehmer aus Schwellenstädten se-hen großen Investitionsbedarf im Umweltschutz– der Wunsch nach ökologisch nachhaltigen Lö-sungen besteht also nicht nur in reichen Städten.Investitionen in die Wasserversorgung haben ins-

Die Prioritäten der Stakeholder

20 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 21

Verkehr und Abgasemissionen. Allgemeine Um-weltverschmutzung und Wasserprobleme wer-den ebenfalls genannt, jedoch mit niedrigererPriorität.

Soziale Probleme: Die Stakeholder nenneneine ganze Reihe sozialer Themen, lassen dabeiaber keine klaren Prioritäten erkennen. An ersterStelle stehen hier mit geringem Vorsprung (14 %aller Befragten) „schlechte Wohn- und Lebensbe-dingungen“. Dieses Thema betonen besondersStakeholder in Schwellenstädten und aufstreben-den Städten. Weitere Schlüsselthemen sind dieKluft zwischen Arm und Reich (11 %) und die Ar-mut (9%). Auch öffentliche Sicherheit und Krimi-nalität waren für die Befragten in aufstrebendenStädten ein wichtiges Thema.

Infrastruktur: Als mit Abstand größte infrastruk-turelle Herausforderung erweist sich der Verkehr:Bei einer Frage ohne vorgegebene Antwortmög-lichkeiten nennen 35 % aller Stakeholder das Ver-kehrssystem oder Verkehrsprobleme. Mit etwasAbstand folgt an zweiter Stelle die Unzulänglich-keit der Infrastruktur (10 %). Die Finanzierunggeben erstaunlicherweise nur 6 % als wichtigeHerausforderung bei der Infrastruktur an.

Andere Infrastrukturbereiche stehen in derPrioritätenliste der befragten Stakeholder viel wei-ter unten. Wassermangel und ein Abwassersys-tem nennen insgesamt nur 6 % aller Befragten(und 8 % der Teilnehmer aus aufstrebenden Städ-ten), und das, obwohl mehrere der in der Studieerfassten Städte ernsthafte Probleme mit Wasser-

Größte wirtschaftliche Herausforderung

20%

14%

14%

8%

7%Nennung in %

Arbeitslosigkeit

Lebenshaltungskosten

Wirtschaftliche Entwicklung

Mangelhafte Infrastruktur

Finanzierung

Größte Umweltherausforderung

26%

15%

14%

13%

9%Nennung in %

Luftverschmutzung

Verkehr

Allgemeine Verschmutzung

Wasserverschmutzung

Abfälle

Größte soziale Herausforderung

14%

11%

9%

7%

Nennung in %

7%

7%

7%

Schlechte Wohn- und Lebensbedingungen

Kluft zwischen Reich und Arm

Armut

Bildung

Bevölkerungswachstum

Öffentliche Sicherheit

Arbeitslosigkeit

Größte städtische Infrastrukturherausforderung

Verkehr

Emerging Transitional Mature

Nennung in %

Mangelhafte/ineffi-ziente Infrastruktur

Planung

Knappe Finanzmittel

Umwelt/Verschmutzung

17

9

9

3

9

43 45

14

8

11

4

10

9

4

2

Wirtschaft: Arbeitslosigkeit und Unterbeschäf-tigung erweisen sich als die wichtigsten wirt-schaftlichen Herausforderungen (insgesamt 20 %der Teilnehmer nannten sie). In aufstrebendenStädten und Schwellenstädten stehen sie an er-ster Stelle; in entwickelten Städten an zweiterStelle. Danach folgen die Themen Wirtschafts-wachstum (in entwickelten Städten an erster Stel-le) und steigende Lebenshaltungskosten (beide14 %).

Umwelt: Die Luftverschmutzung ist bei Weitemdie drängendste ökologische Herausforderungvon Megacities (26 %), insbesondere in ent-wickelten Städten (36 %). Ein großer Teil derStakeholder, die Luftverschmutzung erwähnen,sieht einen Zusammenhang mit den Themen

London

Wichtigster Infrastrukturbereich, um Investitionen anzuziehen

27%

9%

6%

Auswahl in %

6%

6%

6%

6%

Verkehr

Sicherheit

Bildung

Kommunikationswesen

Energieversorgung

Freizeit und Kultur

Stadtmanagement

5%Umwelt

4%Gesundheitswesen

3%Wasser

Aussicht, dass Stadt unmittelbare Zukunft erfolgreich bewältigt

71%

100%

66%

57%

55%

50%

42%

Nordamerika

Afrika/Naher Osten

Indien/China

Europa

Lateinamerika

Restliches Asien

gesamt eine geringere Priorität, werden jedochvon deutlich mehr Stakeholdern in aufstreben-den Städten genannt (81 %), weil dort sauberesWasser und Abwasserentsorgung ein großes Pro-blem sind.

Wettbewerbsfaktoren: Auf die ebenfalls ohnevorgegebene Antwortmöglichkeiten gestellteFrage, welche Infrastruktur ihrer Stadt die wich-tigste sei, um Investitionen anzuziehen, fällt dasStichwort „Verkehrswesen“ eindeutig am häufigs-ten, erst mit großem Abstand folgt die Sicher-heit. Weitaus weniger Befragte nennen Bildungund Gesundheitswesen als Schlüsselfaktoren.Den Befragten in aufstrebenden Städten erschei-

benden Städten ihre Stadt tendenziell alsschlechteste der drei Grundtypen einstufen.Dennoch betrachtet auch hier fast die Hälfte derBefragten die Lebensqualität dieser Städte alsdurchschnittlich. Die Wahrscheinlichkeit, dassihre Städte die Zukunft in den nächsten fünfJahren erfolgreich meistern, sehen zwei Drittelpositiv (67 %); nur in entwickelten Städten gabes noch etwas bessere Ergebnisse.

Bemerkenswert ist, dass vor allem gewählteInhaber politischer Ämter und Angestellte desöffentlichen Sektors optimistisch in die Zukunftblicken, während die an der Umfrage beteiligtenMeinungsbildner tendenziell skeptisch sind. DieErgebnisse lassen erkennen, dass Städte zwar ver-

suchen werden, wirtschaftliche, soziale undökologische Belange miteinander in Einklang zubringen; im Ernstfall werden Entscheidungenaber vor allem nach wirtschaftlichen Kriteriengefällt. Aus den Antworten der Stakeholder wirdklar, dass Investitionen im Verkehrsbereich ein-deutig Priorität haben, weil diese Infrastrukturmehr als alle anderen Wohlstand schaffen undInvestoren anziehen kann.

Allerdings zeigt das ausgeprägte Bewusst-sein über die Notwendigkeit von Umweltschutz,dass Städte zumindest versuchen werden, ihrWachstum mit nachhaltigen Lösungen zu ver-einbaren – zumindest wo es möglich undfinanziell tragbar ist.

Die Prioritäten der Stakeholder

22 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 23

Investitionsbedarf über die nächsten 5 bis 10 Jahre je Infrastrukturbereich

86%

100%

77%

77%

74%

71%

71%

Verkehr

Umweltschutz

Bildung

Gesundheitssystem

Öffentliche Sicherheit

Abfallentsorgung

70%Wasser

69%Sozialer Wohnungsbau und städtische Gebäude

67%Energieversorgung

66%Soziale Dienste

nen dagegen die Themen Kommunikationswesenund Energieversorgung wichtiger für die Gewin-nung von Investoren.

Der Ausblick der Stakeholder: Obwohl sichdie Stakeholder der ökonomischen, sozialen undökologischen Herausforderungen ihrer Städtegenau bewusst sind, beurteilen sie die Zukunftüberwiegend optimistisch. So schätzt zum Bei-spiel fast ein Viertel der Befragten (44 %) dieLebensqualität ihrer Stadt als überdurchschnitt-lich hoch ein. Kaum überraschen dürfte, dassdie Befragten aus entwickelten Städten ihreeigene Stadt als überdurchschnittlich gut beur-teilen, während die Teilnehmer aus aufstre-

Netto-Rating: Hohe minus nied-

rige Wahrscheinlichkeit

% = hohe Investitionsnotwendigkeit

Beijing

Jede Stadt braucht eine hochwertige Infra-struktur, um Menschen und Waren leichter zu

befördern und ihrer Bevölkerung eine Grundver-sorgung zu bieten. Doch diese Infrastruktur undVersorgungsleistungen bereitzustellen, ist einegewaltige Aufgabe. Dies gilt für entwickelteStädte, wo Straßen, Schienennetze, Abwasser-kanäle und Krankenhäuser oft vor Jahrzehntenoder sogar Jahrhunderten gebaut wurden und

Fünf Infrastrukturen

24 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 25

Fünf Infrastrukturen

den heutigen Ansprüchen immer weniger genü-gen. Es gilt aber ebenso für Schwellenstädte, diemit dem demographischen Wandel kämpfen,und für aufstrebende Städte, in denen es häufigan der einfachsten Grundversorgung fehlt, ins-besondere in den schnell wachsenden illegalenAnsiedlungen. Außerdem stehen die Megacitiesaller drei Grundtypen vor komplexen Fragen zuFinanzierung, Management, Instandhaltung und

Effizienz, auf die zudem umweltverträglicheAntworten gefunden werden müssen.

Das folgende Kapitel behandelt die fünf wich-tigsten Infrastrukturbereiche: Verkehr, Energie,Wasser und Abwasser, Gesundheitswesen undSicherheit. Sofern nicht anders angegeben, wur-den zu jedem der Bereiche vor allem Stakeholdermit dem entsprechenden Fachwissen und Ein-fluss befragt.

Schanghai

04

Das Verkehrswesen beschäftigt die Stakehol-der mehr als alle anderen Fragen der Infra-

struktur. Wie bereits erwähnt, bewerten es dieTeilnehmer in der allgemeinen Befragung als dieweitaus größte infrastrukturelle Herausforde-rung*. Besonders deutlich ist dies bei entwickel-ten Städten (45 %), Schwellenstädten (43 %)und in Europa (52 %) – in der EU wuchs die Zahlder Pkw in den letzten zehn Jahren zehnmalschneller als die Einwohnerzahl. Befragte in auf-strebenden Städten legen zwar kein ganz so gro-ßes Gewicht auf das Verkehrswesen, beurteilenes aber mit einem Anteil von 17 % immer nochals sehr viel wichtiger als die anderen genanntenInfrastrukturbereiche Wasser (8 %) und Energie(5 %). Entsprechend rangiert das Verkehrswesen

Verkehr

26 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 27

Verkehr

auch bei der Finanzierung ganz oben: 86 % derStakeholder stufen es als wichtigen Investitions-bereich ein. Für diese herausgehobene Stellungdes Verkehrswesens gibt es eine Reihe von Grün-den. Während manche Infrastrukturprobleme,wie etwa mangelhafte Wasserversorgung,hauptsächlich ärmere Stadtteile betreffen, sindverstopfte Straßen, überfüllte Züge und Luftver-schmutzung auf keiner gesellschaftlichen Ebenezu übersehen. Zudem gibt es einen direktenZusammenhang zwischen dem Verkehrswesenund der Wettbewerbsfähigkeit der Städte. WennMegacities die Motoren der Weltwirtschaft sind,dann ist es das Verkehrsnetz, das diese Motoreneffizient laufen lässt. Und wenn Straßen undSchienenwege verstopft oder Häfen und Flug-

häfen überlastet sind, entstehen der Wirtschafthohe Kosten. Für Großbritannien, wo viele Städ-te (einschließlich London) die Transportnach-frage nur mit Mühe bewältigen, schätzt derIndustrieverband CBI (Confederation of BritishIndustry) die Kosten der Verkehrsüberlastungauf jährlich 20 Mrd. Pfund (38 Mrd. US-Dollar)**. Die Stakeholder wissen sehr genau,dass Verkehrsnetze ein essentieller Wirtschafts-faktor sind: 27 % nennen das Verkehrswesen alswichtigsten infrastrukturellen Anziehungspunkteiner Stadt für Investoren – weit vor dem BereichSicherheit, der mit 9 % an zweiter Stelle folgt.

Das Wachstum bewältigen: Verkehrsproblemebetreffen nicht nur alle Ebenen der städtischen

* Fragen zum Transportwesen in der Studie beziehen sich auf die Bereiche öffentlicher Nahverkehr, motorisierter Individualverkehr, Luft- und Oberflächenverkehr sowie Personen- und Gütertransport.** “Running out of Road”, The Economist, 2 December 2006

Die Egebnisse auf einen Blick■ Das Verkehrswesen gilt als mit Abstand wichtigste

Infrastrukturaufgabe und ist ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt

■ Luftverschmutzung und Staus sind die beiden größten ökologischen Herausforderungen; deshalb prognostizieren Stakeholder einen verstärkten Einsatz öffentlicher Nahverkehrslösungen

■ Städte verbessern eher die vorhandene Infrastruktur als neue Systeme einzuführen

■ Nachfragesteuerung wird selten als Lösung für die urbanen Verkehrsprobleme in Betracht gezogen

05

die unzureichende Kapazität des Verkehrssystemsein Problem. Tatsächlich mangelt es dort mit-unter schon an grundlegenden Infrastrukturen.So ist beispielsweise Karatschi weltweit die einzigeMegacity ohne Schienennetz für den öffentlichenNahverkehr (z. B. U-Bahn oder Einschienenbahn),obwohl solche Konzepte bereits 1952 zum erstenMal diskutiert wurden. Mittlerweile reichen dieverfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel nichtmehr für die Bevölkerung der Stadt aus, so dassPendler auf Busdächern mitfahren müssen – mitallen damit verbundenen Gefahren.

Istanbul ist mit beiden Problemen konfron-tiert. Die geographische Lage der Stadt auf beidenSeiten des Bosporus wirft zunächst ganz eigeneSchwierigkeiten auf, weil viele Einwohner täg-lich über die Meerenge pendeln. Darüber hinausleidet Istanbul mit seinen zahlreichen Hügelnund engen Straßen stark unter Verkehrsstaus,insbesondere zu Stoßzeiten. Auf der asiatischenSeite der Stadt sind die öffentlichen Verkehrs-mittel zudem völlig überlastet. Nur mit massiven

Verkehr

Investitionen wird Istanbul diese Probleme inden Griff bekommen. So ist derzeit eine 22 kmlange Teilstrecke eines Light-Metro-Systems imBau und weitere Strecken sind geplant. Insgesamtwill Istanbul in den nächsten zehn Jahren zu-sätzlich zu den 1,6 Mrd. US-Dollar für laufendeBauvorhaben weitere 4,9 Mrd. US-Dollar in Stra-ßenbahn- und U-Bahn-Projekte investieren* .

Die Hauptursache für diese Probleme liegtnach Einschätzung der befragten Verkehrsexper-ten im Mangel an Ressourcen, sprich: Mangel anGeld (wobei auch von fehlendem Fachwissen undbegrenzten technischen Mitteln berichtet wird).Die tiefere, an zweiter Stelle genannte Ursacheliegt jedoch in der Governance der Stadt: So ge-ben insgesamt 21 % der Verkehrsexperten Pla-nungsmängel als einen wesentlichen Faktor an,Stakeholder aus Schwellenstädten betonen die-sen Punkt besonders stark. Für Istanbul stellt auchdies eine beträchtliche Herausforderung dar.Denn die Stadt besitzt verschiedene Verwaltungs-organe mit ähnlichen und sich teilweise über-

schneidenden Kompetenzen; deshalb gibt es dortkeinerlei ganzheitliche Verkehrsplanung** .

Schrittweise Verbesserungen statt Neuin-vestitionen: Geteilter Ansicht waren die Stake-holder darüber, ob zur Lösung der genanntenProbleme besser in neue Verkehrskapazitätenoder aber in eine erhöhte Effizienz der vorhan-denen Infrastruktur investiert werden sollte. Dochwenn überhaupt neue Geldmittel bereitstehen,fließen diese meistens in die schrittweise Ver-besserung des vorhandenen Verkehrssystems(z. B. Erweiterung des U-Bahn- oder Busnetzes),nicht aber in ganz neue Verkehrsprojekte. Als Lö-sung für die Verkehrsprobleme nannten daherauch die meisten Befragten die Neuordnungoder Renovierung der vorhandenen Infrastruk-tur (33 %), während nur 12 % den Bau neuerStraßen und Einrichtungen anführten. Dieses Er-gebnis spiegelt offenbar einen allgemeinenTrend wider. So betont auch Rod Eddington inseiner aktuellen Analyse der britischen Verkehrs-

28 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 29

Gesellschaft, sondern auch alle Städte in jedemEntwicklungsstadium. Allerdings manifestierensich die Probleme bei den drei genannten Grund-typen unterschiedlich. Für entwickelte Städteführen die befragten Verkehrsexperten als Haupt-problem alte oder veraltete Systeme an (40 %),an zweiter Stelle steht die Beförderungskapa-zität (35 %). London mit seinem alternden Bahn-und U-Bahn-Netz ist dafür ein klassisches Beispiel.In dieser Metropolregion werden täglich rund 30Millionen Fahrten unternommen, und die Inves-titionen der letzten 20 Jahre haben kaum für dieInstandhaltung des Verkehrssystems ausgereicht– ganz zu schweigen von einer Kapazitätserhö-hung für die rapide ansteigende Nachfrage.Infolgedessen sind alle Verkehrsnetze der briti-schen Hauptstadt bereits heute akut überlastet,wie ein aktueller Bericht der DachorganisationTransport for London (TfL) zeigt.

In aufstrebenden Städten und Schwellen-städten ist für die befragten Verkehrsexpertenweniger die alternde Infrastruktur als vielmehr

politik, dass eine schrittweise Verbesserung dervorhandenen Systeme sehr viel dringender seials neue Prestigeprojekte.

Probleme durch Verkehrsüberlastung verur-sachen natürlich nicht nur ökonomische, sondernauch erhebliche ökologische Kosten. Bereits imvorhergegangenen Kapitel wurde deutlich, dassLuftverschmutzung und Verkehr als die beidengrößten Umweltprobleme eingestuft werden.Sowohl Straßen- als auch Luftverkehr tragenwesentlich zur Luftverschmutzung bei: So ver-ursacht allein der Straßenverkehr über 40 % derSchwebstoffemissionen***.

Ausschlaggebend für Investitionsentschei-dungen im Verkehrswesen sind laut unserer Stu-die vorwiegend wirtschaftliche und beschäfti-gungspolitische Überlegungen, obwohl dreiViertel der befragten Verkehrsexperten auch dieUmweltfolgen für einen bedeutenden Aspekthalten. Wahrscheinlich prognostiziert deshalb dieüberwiegende Mehrheit dieser Experten, dassihre Städte vor allem die Infrastruktur für denöffentlichen Personennahverkehr ausbauen wer-den (71 %); sehr viel weniger Stakeholder sagendie Förderung des individuellen Pkw- und Motor-radverkehrs voraus (29 %). Dies bestätigt im All-gemeinen auch die Praxis: Die für den Zeitraumvon 2005 bis 2010 geplanten Ausgaben in achtder untersuchten Städte lassen einen Schwer-punkt auf Investitionen in den öffentlichen Per-sonennahverkehr erkennen, d. h. die Schiene er-hält Vorrang vor der Straße. Allerdings mit zweiklaren Ausnahmen: Das öffentliche Nahverkehrs-system in Moskau ist bereits auf weltweit kon-kurrenzfähigem Niveau; die Investitionen in denSchienenverkehr erreichen dort ähnliche Größen-ordnungen wie in London. Dennoch legt dieStadt bei den gegenwärtigen Investitionspläneneindeutig mehr Gewicht auf den Straßenver-kehr, und zwar wegen der steigenden Zahl pri-vater Kraftfahrzeuge. Auch Lagos investiert um-fangreiche Mittel in den Straßenbau, weil dortein städtisches Schienennetz praktisch nicht exis-

Hauptursache für Verkehrsprobleme

30%

21%

19%

16%

9%Nennung in %

Begrenzte Ressourcen

Mangelhafte Planung

Unzureichende Infrastruktur

Kein Verkehrsnetz

MangelndeInfrastrukturqualität

Prognostizierter Lösungsansatz der Verkehrsexperten

ÖffentlicherNahverkehr

Individual-verkehr

71%29%

* Briginshaw, International Railway Journal, June 2005, ** Evren & Caliskan, Fundamental Problems of Istanbul Transportation,*** http://www.mobilityweek-europe.org

% = gewichteter Schwerpunkt

Verkehr

30 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 31

tiert und der Nahverkehr vorwiegend von Bussenabhängt.

Trotz der Förderung des öffentlichen Per-sonennahverkehrs steigt die Nachfrage in vielenMegacities derart schnell, dass nachhaltige Lö-sungen zweifellos sehr schwierig zu realisierensein werden.

So wird sich allein in Schanghai die Zahl derPersonen- und Lastkraftwagen bis zum Jahr2020 voraussichtlich vervierfachen. Das äußerstdicht bebaute Stadtgebiet, fehlende Parkplätzeund zu wenig Platz auf den Straßen haben dasWachstum förmlich aus der Stadt gedrängt; diedadurch entstandene Raumentwicklung ist vonnachhaltigeren Verkehrskonzepten immer schwe-rer zu bedienen.

Für Schanghai und andere Schwellenstädte,in denen die Motorisierung immer drastischerzunehmen wird, gibt es also keine einfacheLösung der Verkehrsprobleme.

Nachfragesteuerung intensivieren: Konzepteder Nachfragesteuerung galten in den letztenJahren als geeignetes Instrument, um statt desPkw nachhaltigere Verkehrsmittel zu fördern. Soüberrascht es, dass solche Lösungen im ent-sprechenden Teil der Umfrage nur eine niedrigePriorität erhielten. Lediglich 9 % der Stakeholderaus dem Verkehrssektor stufen Nachfragesteu-erung als die beste Lösung für Verkehrspro-bleme ein.

Dieses Ergebnis widerspricht der Beobach-tung, dass in verschiedenen Metropolen vielfäl-tige Konzepte zur Nachfragesteuerung durchauszur Verringerung der Verkehrsbelastung beitra-gen. Derartige Lösungen lassen sich generell inzwei Kategorien einteilen: „Pull“-Maßnahmen sol-len den Autofahrern Alternativen zum Pkw bieten(hauptsächlich durch eine höhere Attraktivitätöffentlicher Verkehrsmittel), „Push“-Maßnahmensollen dagegen die Autofahrt in bestimmte Stadt-

gebiete teurer oder umständlicher machen. Ver-schiedene Städte wie London, Stockholm undOslo experimentieren mit der Nachfragesteuer-ung durch Mautgebühren. Singapur ergriff 1975die weltweit erste bedeutende Initiative in die-sem Bereich, indem es durch Mautgebühren dieZufahrt in das zentrale Geschäftsviertel regulier-te. Mittlerweile setzt die Stadt ein elektronischesMautsystem ein, das Fahrzeuge anhand einer In-Vehicle Unit erkennt. Neben den Mautgebührengibt es in Singapur eine noch radikalere Push-Lösung: eine massive Steuer von über 100 % aufden Neuwagenkauf.

Die Nachfragesteuerung durch Mautgebüh-ren bringt nachweislich erheblichen Nutzen. Sohaben sich Verkehrsstaus in London und Stock-holm um rund 30 % verringert. Beide Städte ver-zeichnen auch einen reduzierten Abgasausstoßund einen Rückgang der Verkehrsunfälle umjeweils 10-20 %*. Der wirtschaftliche Nutzen ist

schwieriger einzuschätzen; so konnte TfL kei-nerlei – positiven oder negativen – Einfluss derMaut auf die Wirtschaftsleistung von Zentral-London nachweisen**. Immerhin jedoch brach-ten die Gebühren der Londoner Verkehrsbe-hörde nach eigenen Angaben von 2005 bis 2006Nettoeinnahmen von 174 Millionen Euro. Für2007 plant TfL eine Ausweitung des Modells,wodurch die gebührenpflichtige Zone etwa dop-pelt so groß würde.

Projekte wie das in London haben zwareinen hohen Bekanntheitsgrad, finden sich aberderzeit nur in wenigen Städten der Welt. In denUSA gibt es im Augenblick nur vereinzelt Bei-spiele, wie etwa die SR 91 Toll Lanes im kalifor-nischen Orange County. Tatsächlich sinken dieKosten der Fahrzeugnutzung sogar weltweit invielen Städten. So hatte beispielsweise die StadtSchanghai den Motorisierungsgrad in ihrer Ge-schichte stets durch hohe Gebühren und einerestriktive Zulassungspolitik niedrig gehalten.Aber in den letzten Jahren hat die Stadt dieseBeschränkungen gelockert (teilweise infolge derKfz-Produktion vor Ort), und gleichzeitig steigendie Einkommen. In Mumbai hält man die Maut-und Parkgebühren trotz des dichten Verkehrs undder Luftverschmutzung durch Pkws weiterhinauf niedrigem Niveau (jedoch sind mittlerweileKonzepte der Nachfragesteuerung im Gespräch).Insgesamt wird deutlich, dass Nachfragesteuer-ung sich erst langsam als eine Lösung fürVerkehrsprobleme etabliert und in vielen deruntersuchten Städte noch unterschätzt wird.

Der öffentliche und der private Sektor:Die Studie untersuchte auch, wie die Befragtenzur Beteiligung des privaten Sektors an Lösungenfür das Verkehrswesen und andere Infrastruk-turbereiche stehen. Die Mehrheit der Teilnehmer(59 % gegenüber 41 %) beurteilte das Verkehrs-wesen jedoch vorwiegend als Aufgabe des öffent-lichen Sektors. Vor allem in entwickelten Städtensehen die Stakeholder das Verkehrswesen weiter-hin in öffentlicher Hand (72 %); nur 28 % sahen

es im Besitz des privaten Sektors. Dies bestätigtdie genauere Analyse von acht der untersuchtenStädte: Auch hier zeigt sich, dass das Verkehrs-wesen generell fest in kommunalem Besitz undunter kommunaler ordnungspolitischer Kontrollebleibt, während private Betreiber – mit einzel-nen Ausnahmen – relativ wenig vertreten sind.

Bei der Frage, ob die Städte in Zukunft eherauf öffentliche oder auf private Betreiber setzenwerden, war dagegen kein eindeutiger Trendfestzustellen (53 % „öffentlich“ zu 47 % „privat“).Verglichen mit dem weltweit insgesamt nied-rigen Niveau privater Betreiberschaft, könntedieses Ergebnis ein Indiz für eine wachsendeOffenheit ihr gegenüber sein. Der Bahnsektorwird derzeit noch fast ausschließlich von deröffentlichen Hand kontrolliert und betrieben;eine große Ausnahme bildet hier lediglich Lon-don, wo private Betreiber von Infrastrukturenunter regulatorischer Aufsicht und staatlicherBeteiligung arbeiten.

Das Straßenwesen befindet sich weltweitbetrachtet weitgehend in öffentlicher Hand, nurvereinzelt gibt es Beispiele von Mauteinrichtun-gen. Auch Flughäfen unterstehen noch in über-raschend hohem Maß der öffentlichen Kontrolle– trotz des Trends zur Privatisierung und zuneh-mender Beispiele von privaten Betreibern. Hä-fen sind bis heute fast ausschließlich in öffent-lichem Besitz und werden meist von staatlichenUnternehmen unterhalten, die quasi privatwirt-schaftlich agieren. Insgesamt ist der private Sek-tor in diesen Bereichen außer in einigen großenStädten also eher selten vertreten.

Die Teilnehmer der Umfrage, die in Zukunfteine größere Beteiligung der Privatwirtschaftvorhersagen, nennen überraschenderweise keinefinanziellen Argumente, sondern höhere Effizienzund besseres Management als Vorteile. Als Nach-teile privater Betreiber gelten dagegen vor allemdie höheren Kosten für die Verbraucher, diefehlende Kapazität zur Deckung der Nachfrageund die Profitorientierung der Unternehmen.

Beste Lösung für Verkehrsprobleme

33%

17%

12%

12%

Nennung in %

11%

10%

9%

Bestehende Infrastrukturverbessern

Private Investitionen zulassen/Investitionen erhöhen

Bau neuer Straßen/Einrichtungen

Besseres Management

Anschaffung neuer Anlagen

Mehr öffentlicher Nahverkehr statt Individualverkehr

Nachfragesteuerung

*Quellen: TfL, Stadt Stockholm, ** TfL Fourth Monitoring Report, Juni 2006

Jede Diskussion über die Energieinfrastrukturmuss den schnell steigenden weltweiten En-

ergiebedarf berücksichtigen. Wachsende Städtebrauchen zusätzliche Energie zum Leben, undVolkswirtschaften brauchen Energie für ihr wei-teres Wachstum. Das Welt-BIP stieg von 1972 bis2002 um jährlich 3,3 %, der Stromverbrauch imgleichen Zeitraum sogar noch etwas schnellerum 3,6 %. Von 2002 bis 2030 wird sich der welt-weite Energiebedarf laut Internationaler Energie-agentur (IEA) verdoppeln, selbst unter Berück-sichtigung der zu erwartenden Effizienzstei-gerungen.

Diesen Anstieg werden zum größten Teil dieEntwicklungsländer verursachen, insbesonderedie schnell wachsenden Volkswirtschaften In-

Energie

32 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 33

Energie

diens und Chinas. Darüber hinaus prognostiziertdie IEA, dass die Aufwendungen der OECD-Länder für die Erzeugung, Übertragung und Ver-teilung im genannten Zeitraum fast 4 BillionenUS-Dollar betragen werden, in den Entwick-lungsländern werden es sogar rund 5,2 BillionenUS-Dollar sein*.

Allerdings bewerten nur 2 % der Befragten dieEnergieversorgung als die gravierendste infra-strukturelle Herausforderung. Auch der Investi-tionsbedarf wurde geringer eingestuft als in denBereichen Verkehr, Wasser und Abwasser, Bil-dung, öffentlicher Wohnungsbau und Sicher-heit. Aufstrebende Städte messen diesem Themaallerdings natürlich sehr viel größere Wichtigkeitbei.

Die Nachfrage übersteigt das Angebot: Zwarstehen die drei Grundtypen von Megacities imEnergiebereich vor unterschiedlichen Schwierig-keiten, doch überall übersteigt die wachsendeNachfrage das Angebot. Stakeholder aus demEnergiesektor von Schwellenstädten und ent-wickelten Städten sehen dabei das Hauptpro-blem in alten oder veralteten Infrastrukturen. Anzweiter Stelle stehen für sie mangelnde Effizienz,knapp dahinter fehlende Kapazitäten. Welchgravierende Einschränkungen in der Energiever-sorgung eine schwache Infrastruktur sogar aneinem der reichsten Orte der Welt verursachenkann, wird am Beispiel New Yorks deutlich: Dortmüssen laut Gesetz 80 % des Stroms innerhalbdes Stadtgebiets erzeugt werden, weil die Über-

* International Energy Agency, World Energy Report 2004** New York City Energy Policy Task Force, New York City Energy Policy: An Electricity Resource Roadmap, January 2004

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Städte in allen Entwicklungsstadien stehen vor der

Herausforderung eines rasant steigenden Energiebedarfs

■ Umweltfolgen spielen bei Energiefragen eine wichtige Rolle

■ Die Stakeholder messen erneuerbaren Energiequellen für die Zukunft ebenso viel Bedeutung bei wie fossilen Brennstoffen

■ Im Energiebereich prognostizieren die Stakeholder eine wichtigere Rolle für den privaten Sektor als in jedem anderen der untersuchten Infrastrukturbereiche

06

abfällen. In einigen Fällen mussten Firmen ihrenBetrieb völlig einstellen oder nachts produ-zieren, wenn mehr Strom zur Verfügung steht.

Je nach Grundtyp ihrer jeweiligen Stadt be-urteilten die Teilnehmer auch die tieferen Ursa-chen dieser Probleme unterschiedlich. So stellteine unerwartete Belastung der Infrastruktur füraufstrebende Städte und mehr noch für Schwel-lenstädte die größte Schwierigkeit dar. Dies giltfür Lastspitzen ebenso wie für eine mittlere Be-lastung. So verzeichnete Mumbai (früher: Bom-bay) in den letzten vier Jahren eine kaum zudeckende Nachfragesteigerung um 12,4 %**.Im gleichen Zeitraum erlebte auch der dazu-gehörige Bundesstaat Maharasthra seine bisdahin größte Nachfragespitze. Diese überstiegim Januar 2006 das Angebot um 4.500 MW***;

Energie

das entspricht mehr als einem Drittel des Durch-schnittsbedarfs der Hauptstadt Mumbai. Alszweitwichtigstes Problem bezeichnen dieStakeholder aus aufstrebenden Städten Ver-säumnisse bei der Instandhaltung und man-gelnde Planung. Befragte in Schwellenstädtenführen hingegen fehlende Investitionen an.Lagos ist ein gutes Beispiel dafür, wie alle dieseProbleme ineinander greifen. Da dort seit 1990nur wenig investiert wurde, beträgt diemaximale Erzeugungskapazität nur 6.000 MW.Benötigt werden aber durchschnittlich etwa8.500 MW, und zwar noch ohne Berück-sichtigung der unterdrückten Nachfrage nachweiteren 5.000 MW. Schlimmer noch: Aufgrundder mangelhaften Instandhaltung liegt dietatsächliche Erzeugungsleistung durchschnitt-

lich nur bei 3.000 MW. Zusätzlich gehen auchnoch 45 % der Energie im schadhaften undhäufig mutwillig beschädigten Übertragungs-netz verloren*.

Die Schwierigkeiten entwickelter Städtescheinen meilenweit davon entfernt: Als Haupt-problem gilt dort die Regulierung der Monopol-bildung, so wie zum Beispiel ein Einfrieren derStrompreise über zehn Jahre in Chicago – derdortige private Energieversorger muss dadurchmitunter den Strom auf dem offenen Markt zuhöheren Preisen einkaufen, als er sie selbst vonseinen Kunden verlangen kann. Durch dieseKonstellation konnten skrupellose Strompro-duzenten 2000 und 2001 die massive Ener-giekrise in Kalifornien verursachen. Als zweit-größtes Problem betrachten Stakeholder aus

34 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 35

tragungsleitungen von außerhalb nur begrenztbelastbar sind. Firmen versuchen zwar, Klein-kraftwerke in der Stadt zu errichten, doch es gibtkaum Flächen, wo dies möglich wäre. Wird keineLösung gefunden, stößt die steigende Nachfra-ge bereits 2008 an die Grenze der maximalenVersorgungskapazität*.

In aufstrebenden Städten, so das Ergebnisder Studie, fehlen dagegen vor allem die Kapazi-täten zur Energieerzeugung. Überalterte Infra-struktur und ineffiziente Einrichtungen sind we-niger gravierend, weil es ohnehin relativ wenigedavon gibt. Besonders in Indien und China istdies ein wichtiges Thema: Dort berichteten 50 %der Stakeholder von Schwierigkeiten aufgrundfehlender Erzeugungskapazitäten. So kommt esin Schanghai im Sommer häufig zu Spannungs-

entwickelten Städten wie auch aus Schwellen-städten unzureichende Investitionen.

Preisgestaltung: Stakeholder aus dem Ener-giesektor gehen davon aus, dass es vor allemverstärkter Investitionen bedarf, um den Ener-giebedarf ihrer Städte zu decken. Gefragt nacheiner einzelnen Maßnahme gegen die Energie-probleme, antworteten die meisten: „Verbes-serung der vorhandenen oder Bau neuer Infra-struktur“ (29 %), knapp gefolgt von „allgemeineInvestitionen in das System“ (23 %).

Die Regulierung des Energieverbrauchs –eine verschärfte Form der Nachfragesteuerung– führten zwar ebenfalls 11 % der Befragten an,darunter jedoch niemand aus entwickeltenStädten. Dort würde ein derartiger Schritt ohneZweifel als massive Einschränkung empfunden.Mumbai kann darauf jedoch nicht verzichten:Der örtliche Stromversorger greift auf so ge-nanntes „Load Shedding“ (Lastabwurf) zurück,d. h. er stellt die Stromversorgung bestimmterGebiete ein und beschränkt den Einsatz vonNeonschildern sowie von Fernsehübertragungenper Kabel. Dies soll die Stromversorgung auf-rechterhalten, die in den städtischen Gebietenohnehin ein oder zwei Stunden pro Tag ausfällt,in ländlichen Gebieten noch häufiger**.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Ansätze zurNachfragesteuerung bedeutungslos wären. Sobeurteilten die Befragten die Nachfragesteuerungals nahezu ebenso wichtig wie die Schaffungneuer Kapazitäten (47 % zu 53 %). Sollte sichdies in der Praxis bewahrheiten und also fast dieHälfte der Städte eine Nachfragesteuerung ge-nauso stark verfolgen wie die Schaffung neuerKapazitäten, wäre dies ein bedeutender Trend.

Initiativen zur Nachfragesteuerung könnenzweifellos großen Nutzen bringen. Untersuchun-gen in Indien zeigen, dass diese den Anstieg derNachfrage um 20 % bis 30 % reduzieren könn-ten***. Dazu muss diese Art der Nachfrage-steuerung jedoch drastisch intensiviert werden.

83%

100%

81%

81%

79%

76%

75%

Energiequellen

Folgen für die Umwelt

Anfangsinvestitionen

Erschwinglichkeit für Verbraucher

Regulierung

Eignung

73%Lebenszykluskosten

73%Auswirkungen auf Wirt-schaft und Beschäftigung

Einflussfaktoren auf Entscheidungender Stadt zur Energieversorgung

Beste Lösung für Energieprobleme

29%

23%

13%

11%

9%Nennung in %

Verbesserung bestehenderInfrastruktur

Zusätzliche Investitionen

Förderung erneuerbarerEnergiequellen

Regulierung des Energiebedarfs

Verbesserung vonSteuerung und Verwaltung

* New York City Energy Policy Task Force, New York City Energy Policy: An Electricity Resource Roadmap, January 2004** BEST-Daten, vorgelegt bei der Regulierungsbehörde: MERC/22-26, 38, 39-45, 61 of 2003/1326 dt. 7./22. Juni 2006*** The Financial Express, 16 January 2006

*Nigerian Electric Power Supply Nigerian Electric Power Supply Industry, http://www.bpeng.org/CGI-BIN/news/reform%20 electricity.pdf, “You're goingto feel a jolt, Chicago Tribune, 19 June 2006, ** Prayas submission on CII proposal for Pune Load Shedding, Dec 5, 2005, ***Demand-Side Manage-ment (DSM) in the Electricity Sector, Prayas Energy Group (Pune) for Climate Change & Energy Programme World Wide Fund for Nature, Februar 2005

% = wesentlicher Einfluss

Hauptproblem der Energieinfrastruktur

30%

27%

20%Auswahl in %

Mangelnde Systemkapazität

VeralteteInfrastruktur

Ineffizienter Betrieb

Kombination vonProblemen

20%

Energie

36 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 37

Die wahrscheinlich wirkungsvollste Methodeeiner schnellen Nachfragesteuerung bestehtwohl darin, die Strompreise dem freien Markt zuüberlassen. Energieexperten rechnen damit,dass Strom in ihren Städten künftig verstärkt zuMarktpreisen verkauft und nicht mehr subven-tioniert wird (57 % gegenüber 43 %). Dänemarkging hier noch einen Schritt weiter und belegtedie Nutzung fossiler Brennstoffe mit einer hohenSteuer. Die größten Abweichungen in den Umfra-gewerten ergaben sich bei dieser Frage in Indienund China mit entsprechenden Anteilen von 36 %„zu Marktpreisen“ und 64 % „subventioniert“.

Energie und Umwelt: Stakeholder aus demEnergiesektor, die eine Regulierung der Nach-frage anstreben, interessieren sich auch in hohemMaße für Umweltfragen. Ungefähr die Hälfte vonihnen glaubt, dass ihre Städte in den kommen-

den fünf bis zehn Jahren fossile Brennstoffe underneuerbare Energien etwa gleich gewichtenwerden (52 % zu 48 %). Das ist umso verständli-cher, als die Luftverschmutzung in der allgemei-nen Umfrage an erster Stelle der Einzelproblemevon Städten steht, die globale Erwärmung ansechster Stelle (bzw. an dritter in entwickeltenStädten). Nur Nordamerika hält offenbar nochstark an fossilen Brennstoffen fest (73 % gegen-über 27 %). So beeinflussen Umweltfragen lautder Studie auch die Energieentscheidungen inhohem Maße (neben finanziellen Überlegungen).

Das Streben hin zu erneuerbaren Energienist also unübersehbar, wobei der Weg zur prak-tischen Umsetzung noch weit ist. Die Energie fürGroßbritannien wird beispielsweise zu 39 % ausGas, zu 35 % aus Kohle und zu 20 % aus Kernkrafterzeugt; erneuerbare Energiequellen tragen nur4 % bei. In Moskau beruht die Energiegewinnung

zu 95 % auf relativ billigem russischen Erdgas,während China und Indien ihre Energie zu 75 %aus Kohle eigener, direkt verfügbarer Produktionerzeugen – trotz der Konsequenzen für die schonheute starke Luftverschmutzung. Sogar in Däne-mark, das die Nutzung erneuerbarer Energienseit mehreren Jahrzehnten politisch wahrschein-lich am aktivsten fördert, hatten alternative Ener-gieträger 2004 nur einen Anteil von 25 % an derEnergiegewinnung*.

Es ist daher unwahrscheinlich, dass erneuer-bare Energien in naher Zukunft einen wesent-lichen Beitrag zur Deckung des Bedarfs von Me-gacities leisten werden. Die Kernkraft – eine seitlangem bewährte Technik – ist eine weitereAlternative, die so unterschiedliche Fürsprecherwie den britischen Premierminister Tony Blair undden Umweltschützer Professor James Lovelockfindet: Sie sehen darin die beste kurzfristige Lö-

sung für das Problem der globalen Erwärmung**.Trotz der geringen CO2-Emissionen hat Kern-kraft aber andere Nachteile, so dass sie bei allenStakeholdern aus dem Energiesektor als Ener-giequelle noch unbeliebter ist als herkömmlicheEnergieträger (40 % gegenüber 60 %).

Der öffentliche und der private Sektor: Wiebereits erwähnt, rangieren Investitionen in denEnergiesektor bei der allgemeinen Umfrage anunterer Position. Ein Grund dafür mag sein, dassdie Städte in diesem Bereich mehr Beteiligungvom privaten Sektor erwarten als in den ande-ren untersuchten Infrastrukturen. Auf die Frage,wie stark sich ihre Städte hier auf private Unter-nehmen oder auf öffentliche Einrichtungen stüt-zen wollen, gaben 54 % der Experten „privat“und 46 % „öffentlich“ an. Die Antworten zu denBetreibern der Erzeugungs- und Verteilungs-einrichtungen und zur Finanzierung ergabenfast identische Werte.

Weil in den kommenden Jahren gewaltigeneue Erzeugungskapazitäten und finanzielleMittel benötigt werden, überlegen Regierungenüberall auf der Welt, wie sie den privaten Sektorund die Wettbewerbskräfte des Marktes ambesten einsetzen können. Stakeholder, die pri-vaten Besitz oder Betrieb von Versorgungsinfra-strukturen befürworten, sehen in der höherenEffizienz den wesentlichen Vorteil; Zugang zufinanziellen Mitteln spielt eine untergeordneteRolle. Als Nachteile sehen die Befragten in ersterLinie höhere Kosten für die Verbraucher. Soll diePrivatisierung funktionieren, muss also einstarker Wettbewerb für niedrigere Preise sorgen.

Verschiedene entwickelte Städte, darunterLondon und New York, decken ihren Bedarf be-reits durch eine weitgehend privatisierte, wennauch in hohem Maße regulierte Energiewirt-schaft. In so unterschiedlichen Metropolen wieSchanghai, Mumbai und São Paulo gibt es ge-mischte Systeme mit beträchtlichen privatenAnteilen. In Schanghai sind private Unterneh-

men dabei vor allem in der Erzeugung von Stromengagiert, während in São Paulo neun Gesell-schaften bei der Stromverteilung konkurrieren.

Die Türkei, Russland und Nigeria sind unter-schiedlich weit bei der Umstrukturierung ihresstaatlichen Energiesektors fortgeschritten undbereiten damit die Privatisierung verschiedenerFunktionen sowie die Öffnung für den Wett-bewerb vor. Der Bedarf an Investitionen und derWunsch nach mehr Effizienz treiben diesen Pro-zess voran.

Regionale Unterschiede: Die Anforderungenan die Energieversorgung unterscheiden sichnatürlich je nach dem Stadium der wirtschaft-lichen Entwicklung in den verschiedenen Grund-typen von Megacities. Dies spiegelt sich auch inden Antworten der jeweiligen Stakeholder wider.

Die Antworten für den europäischen Kon-tinent sind dabei besonders interessant. DieEnergieexperten aus dieser Region verbinden beider Energieerzeugung und -versorgung offen-bar eine eher traditionelle Sicht auf die Rolle desStaates mit einer gesteigerten Sensibilität fürUmweltfragen. Darin unterscheiden sie sich vonihren Kollegen aus anderen Regionen, denn siehalten Subventionen in der Zukunft für bedeu-tender als die Preisbildung durch den freienMarkt (53 % zu 47 %). Außerdem stellen sie denöffentlichen Besitz von Energieinfrastrukturenweit vor den privaten (62 % zu 38 %). Bei derEnergieversorgung berücksichtigen sie in ihrenEntscheidungen außerdem in weit höheremMaße mögliche Umweltfolgen. Möglicherweisesetzen europäische Stakeholder deshalb als ein-zige befragte Gruppe stärker auf Nachfragesteu-erung als auf neue Kapazitäten (60 % gegen-über 40 %).

Diese Zahlen verdeutlichen, dass in denMegacities auf der ganzen Welt zwar ähnlicheSchwierigkeiten bestehen, die Reaktionen daraufjedoch je nach politischem und kulturellem Kon-text ganz unterschiedlich ausfallen können.

Prognostizierter Lösungsansatz der Energieexperten

ErneuerbareEnergien

Fossile Brennstoffe

48%52%

* IEA, Energy Policies of IEA Countries – Denmark, 2006, **PM 'convinced' on nuclear future, 29 November 2005, 'Only nuclear power can now halt global warming', The Independent, 24 May 2004

% = gewichteter Schwerpunkt

Ein Umfrageteilnehmer aus Tokio gab zu Pro-tokoll: „In letzter Zeit verzeichnen wir oft Nie-

derschlagsmengen von mehr als 100 mm. UmÜberschwemmungen zu verhindern, wird dasRegenwasser in unterirdischen Flüssen gespei-chert. Die wenigsten Einwohner wissen davon.Effiziente Infrastrukturen sollen im Hintergrundwirken, ohne dass es jemand bemerkt.“ „Effek-tiv“ und „unbemerkt“: Diese Adjektive treffen inder Regel auf die Wasserinfrastruktur der ent-wickelten Städte zu. Gutes Trinkwasser, einefunktionierende Kanalisation und Entwässer-ung gelten dort als selbstverständlich. Auf Pro-bleme, wie die kürzlich wegen anhaltender Troc-kenheit durchgeführte Wasserrationierung inLondon, reagieren die Einwohner ärgerlich. Ka-

Wasser und Abwasser

38 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 39

Wasser und Abwasser

tastrophale Versäumnisse wie in den USA nachdem Hurrikan Katrina rufen große Empörunghervor. In beiden Fällen pocht die Öffentlichkeitdarauf, dass die Verantwortlichen für eine ent-sprechende Infrastruktur hätten sorgen müssen– die Natur ist für sie keineswegs das Problem. InSchwellenstädten und vor allem in aufstreben-den Städten sieht die Sache jedoch ganz andersaus. Nach Schätzungen des UNDP (United NationsDevelopment Programme) lebten 2004 mehrals 1,1 Milliarde Menschen weiter als einen Kilo-meter entfernt von der nächsten sauberen Trink-wasserquelle. Schlimmer noch: 2,6 MilliardenMenschen oder knapp 40 % der Weltbevölke-rung hatten gar keinen Anschluss an Kanalisa-tion. Das UNDP nimmt sogar an, dass die tat-

sächlichen Zahlen noch höher liegen und damitdas wahre Ausmaß des Problems weitaus größerist. Offizielle Daten für Jakarta und Nairobi besa-gen beispielsweise, dass die Städte zu 90 % mitsauberem Wasser versorgt und an die Kanalisa-tion angeschlossen sind. Diese Zahlen lassenoffenbar die riesigen Slumgebiete beider Städteaußer Acht: in Jakarta leben rund 7,6 MillionenMenschen ohne eine derartige Versorgung. Dierund eine Million Einwohner des berüchtigtenKibera-Slums von Nairobi sind gezwungen, ihreFäkalien in Plastiktüten verpackt auf die Straßezu werfen*.

Wachsende Herausforderung für Entwick-lungs- und Schwellenländer: Die Antworten

* UNDP, Human Development Report, 2006

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Wasser und Abwasserentsorgung ist für Experten ein

wichtiges Thema; für die Gesamtheit der Befragten ist es jedoch von untergeordneter Bedeutung

■ Selbst aufstrebende Städte erkennen nicht ausreichend, wie wichtig Wasser für ihre wirtschaftliche Entwicklung ist

■ Lösungen zur Wasseraufbereitung sind ein wichtiger Trend

■ Es gibt eine Tendenz, die Effizienz der kommunalen Wasserversorgung durch private Betreiber zu steigern

07

quelle der Metropole, der Fluss Huangpu, ist durchAbwässer aus Industrie und Landwirtschaft soverschmutzt, dass es darin seit mehr als 20 Jahrenkein Leben mehr gibt. Der Jangtse, die andereWasserquelle für Schanghai, leidet in seinen un-teren Bereichen unter zunehmender Versalzung,weil der Dreischluchtendamm seine Pegelstän-de reduziert. Gleichzeitig wird das Grundwasserimmer mehr durch Meerwasser verschmutzt. Soüberrascht es kaum, dass Schanghai im 21. Jahr-hundert laut einer UN-Prognose unter den sechsgroßen Städten mit gravierenden Trinkwasser-problemen sein wird*.

Auch die Investitionsprioritäten lassen ein-deutig erkennen, dass Wasserprobleme in auf-strebenden Städten einen höheren Stellenwerthaben. Insgesamt geben 70 % der Umfrageteil-nehmer zu Protokoll, dass Investitionen in dieWasser- und Abwasserinfrastruktur unbedingterforderlich seien. Damit liegt dieser Themen-

Wasser und Abwasser

komplex unter den 13 Infrastrukturbereichen ansechster Stelle. In aufstrebenden Städten liegtdie Zahl deutlich höher (81 %).

Verborgene Kosten: Dass die Gesundheit einerBevölkerung von sauberem Wasser und einerfunktionierenden Kanalisation abhängt, liegt aufder Hand. Weil eine entsprechende Versorgungoft fehlt, leidet nach Schätzungen des UNDPetwa die Hälfte der gesamten Entwicklungsweltan Gesundheitsproblemen. Jährlich 1,8 MillionenKinder sterben allein an Durchfall. Umgekehrtkonnte vor 100 Jahren durch die Einführungeiner sicheren Wasserversorgung und einerhygienischen Abwasserbeseitigung in Londonund verschiedenen amerikanischen Städten dieSäuglingssterblichkeit so stark wie nie zuvoroder danach gesenkt werden; in gleichem Maßeerhöhte sich dadurch auch die Lebenserwar-tung. Die Cholera ist in diesen Städten nur noch

von historischem Interesse, während sie beispiels-weise in Lagos, wo so gut wie keine Wasserauf-bereitung praktiziert wird, auch heute nochhäufig grassiert*. Trotzdem erwähnen Stakehol-der aus dem Gesundheitswesen in der Umfragenie den Zusammenhang von Wasserversorgungund Gesundheitslage; hier offenbart sich mögli-cherweise das Fehlen ganzheitlicher Denkan-sätze.

Ähnlich antworten die Teilnehmer des all-gemeinen Fragenteils auch auf die Frage, welcheFaktoren die wirtschaftliche Wettbewerbsfähig-keit verstärken: Nur 3 % der Befragten setzenhier die Wasserversorgung und Abwasserbeseiti-gung an erste Stelle – selbst für aufstrebendeStädte, wo Wasser ein großes Problem darstellt.Dabei sind Wasserversorgung und Kanalisationin Wirklichkeit entscheidend für die wirtschaft-liche Entwicklung. Die WHO geht davon aus,dass das Fehlen einer entsprechenden Infrastruk-tur die Entwicklungsländer jedes Jahr 170 Mrd.US-Dollar kostet – das sind 2,6 % ihres BIP**. Dieafrikanischen Länder südlich der Sahara verlierendadurch rund 5 % ihres BIP oder ca. 28,4 Mrd.US-Dollar jährlich – dieser Betrag übersteigt denWert aller Hilfszahlungen und Schuldenerlässefür diese Region im Jahr 2003. Umgekehrt kön-nen Investitionen in die Wasserinfrastruktur hoheRenditen abwerfen. Nach Schätzungen des UNDPerbringt jeder in diesen Sektor investierte US-Dollar durchschnittlich acht Dollar durch Kosten-einsparungen und eine gesteigerte Produktivi-tät.

Die Hauptschwierigkeit in diesem unter-schätzten Bereich besteht nach Ansicht der be-fragten Wasserexperten in den veralteten Infra-strukturen: Diesen Punkt führen insgesamt 47 %an. Für entwickelte Städte sind es sogar 59 %;noch höhere Werte erreichen Städte in Europa(63 %) und Nordamerika (66 %). Diese Städtegenießen seit über 100 Jahren die Vorteile einersicheren Wasserversorgung. Das bedeutet aberauch, dass ihre entsprechenden Infrastrukturen

40 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 41

der Befragten zeigen ihre unterschiedlichen Er-fahrungen je nach dem Grundtyp ihrer Mega-city. Bei der Frage nach den gravierendsteninfrastrukturellen Herausforderungen teilten dieTeilnehmer das Thema Wasser in zwei Kategorienein: Wasserver- und -entsorgung. Zusammenge-nommen wurden die beiden Bereiche als dritt-größtes Problem genannt (8 %), lagen damitaber weit hinter dem Verkehrswesen, das für 35 %als bedeutendste Herausforderung gilt. In auf-strebenden Städten erscheinen Wasserproblemezwar an zweiter Stelle (13 %), in entwickeltenStädten aber weit unten auf der Liste (3 %). Ana-log dazu liegt der Komplex „Wasserverschmut-zung/Wasserqualität“ bei den ökologischen He-rausforderungen insgesamt nur an vierter Stelle(13 %), in Schwellenstädten jedoch auf demzweiten Platz (22 %).

Schanghai beispielsweise steht vor gewalti-gen Herausforderungen. Die wichtigste Wasser-

schon über ein Jahrhundert alt sind. Sie stehendeshalb vor der schwierigen Aufgabe, dieseSysteme instand zu halten oder zu erweiternund zu modernisieren. Der Wasserversorger vonLondon verliert trotz umfangreicher Moderni-sierungsmaßnahmen immer noch ein Drittelseines Wassers durch undichte Rohrleitungen(90 % davon in den Leitungen aus viktoriani-scher Zeit)***. New York konnte sich bis vorkurzem aus einer so sauberen Wasserquellebedienen, dass keine Filtration erforderlich war.Möglicherweise muss die Stadt nun jedoch 8Mrd. US-Dollar für die Filtration von Schweb-stoffen aufwenden****. Aufstrebende undSchwellenstädte haben ebenfalls mit veralteterInfrastruktur zu kämpfen: Das Moskauer Wasser-versorgungssystem ist beispielsweise genausoalt wie das in London und New York und mussdringend modernisiert werden.

Wachsende Bedeutung der Wasserwieder-aufbereitung: Die Herausforderungen hinsicht-lich der Wasserinfrastruktur sind in den verschie-denen Grundtypen von Megacities zwar unter-schiedlich drängend, doch wählten alle Stake-holder einen ähnlichen Lösungsansatz. Auf dieFrage nach der wirkungsvollsten Strategie nann-ten sie an erster Stelle die Erneuerung/Verbes-serung der Infrastruktur (42 %), an zweiter Stelledie etwas unspezifischere Strategie verstärkterInvestitionen (29 %). Die Befragten hielten es fürwenig sinnvoll, die geringe politische Bedeu-tung des Wassers zu erhöhen, nur 5 % schlugenvor, das Thema zu priorisieren – ein interessantesErgebnis angesichts der Tatsache, dass das UNDPin seinem Human Development Report 2006genau dazu aufgerufen hatte.

Sanierungsmaßnahmen und Investitionendürften den Umgang der Städte mit ihremWasserbedarf kaum tiefgreifend verändern. Diebefragten Stakeholder gehen davon aus, dassihre Städte in den nächsten fünf bis zehn Jahrenvor allem die Effizienz der Wasserversorgung

Hauptproblem bei Wasser und Abwasser

47%

14%

12%

20%Auswahl in %

Veraltete Infrastruktur

MangelndeSystemkapazität

Ineffizienter Betrieb

Kombination vonProblemen

92%

100%

91%

90%

85%

81%

79%

Wasserqualität

Einflüsse auf die Umwelt

Anfangsinvestitionen

Eignung

Erschwinglichkeit für Verbraucher

Auswirkungen auf Wirt-schaft und Beschäftigung

Einflussfaktoren auf Entscheidungender Stadt zu Wasser und Abwasser

* http://www.chs.ubc.ca/china/shanghai.pdf, http://www.ehponline.org/docs/1994/102-2/focus.html * UNDP 2006, ProMED-mail 6 January 2006, **WHO (World Health Organization), “Economic and Health Effects of Increasing Coverage of Low Cost Water and Sanitation Interventions”; UNHDR Occasional Paper, http://hdr.undp.org/hdr2006/pdfs/background-docs/Thematic_Papers/WHO.pdf), ***”Drought in London”, London Assembly Committee, July 2006, ****"New York’s Water Supply May Need Filtering”. New York Times, 20 July 2006.

% = wesentlicher Einfluss

Wasser und Abwasser

42 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 43

steigern wollen, bevor sie neue Wasserwerkeund Einrichtungen bauen werden (52 % gegen-über 48 %). Dass dies eintreffen wird, ist ins-besondere in entwickelten Städten wahrschein-lich (62 % zu 38 %). Ein solches Vorgehen ist füreine Stadt wie Paris durchaus sinnvoll: dorthaben laufende Investitionen und umsichtigeErweiterungen über anderthalb Jahrhunderteeine solide Grundlage für die künftige Wasser-versorgung geschaffen. Dass aber auch auf-strebende Städte neuen Wasserwerken immernoch eine vergleichweise geringe Bedeutungzumessen (52 % gegenüber 48 %), könnte daranliegen, dass man dort das Ausmaß des Problemsnicht erkennen will. Mumbai beispielsweiseerreicht mit seinem Wasserversorgungssystemnach eigenen Angaben 95 bis 100 % der Bevöl-kerung; das UNDP dagegen vermutet, dass tat-sächlich nur etwa die Hälfte erreicht wird*.

Überraschend ist, dass die Befragten dieWiederaufbereitung von Wasser für zukunfts-trächtiger halten als die Erschließung neuer Was-

serquellen (55 % zu 45 %). Dabei gelten derartigeKonzepte nicht nur für Wasser zur industriellenNutzung. Die Wasseraufbereitungsanlage BeiXiaohe in Peking liefert bisher Trinkwasser für400.000 Menschen und wird gegenwärtig aufmehr als die doppelte Kapazität erweitert – sieist damit das weltweit größte Projekt dieser Art.Die Anlage wird auch Trinkwasser für die bevor-stehenden Olympischen Spiele bereitstellen.Singapur hofft unterdessen, 20 % seines Wasser-bedarfs aus einer Wiederaufbereitungsanlagezu decken; der Premierminister reicht bei Staats-empfängen stolz das Wasser aus dieser Anlage.

Marktkräfte und Wassereinsparungen: Dadie Experten aus dem Wassersektor den Schwer-punkt auf Investitionen legen, spielt die Nach-fragesteuerung für sie eine untergeordnete Rol-le: Nur 15 % halten sie für die beste Strategie.Dabei können schon einfache Maßnahmen sehrwirkungsvoll sein. So erließ Schanghai kürzlichdie Vorschrift, dass alle Haushalte ihre Toiletten-

spülkästen mit 13 Litern Fassungsvermögen durch9-Liter-Kästen ersetzen müssen. Allein dadurchwird die Stadt jährlich 189 Millionen US-Dollaran Wasseraufbereitungskosten einsparen*. Diebefragten Stakeholder setzen jedoch wenigerauf Aufklärungsprogramme; sie gehen vielmehrdavon aus, dass der Markt die Nachfrage steuernund zum Wassersparen motivieren wird. Ins-gesamt gehen sie davon aus, dass die Wasser-einnahmen künftig stärker aus Verbrauchsge-bühren als aus Steuern kommen werden (67 %gegenüber 33 %). In entwickelten Städten neh-men sogar 80 % der Befragten diesen Stand-punkt ein. Dass aufstrebende und Schwellen-städte dies zurückhaltender beurteilen, hatwahrscheinlich eher technische als ideologischeGründe, da erst Verbrauchszähler installiertwerden müssen. Die Stadtväter von Lagos bei-spielsweise privatisieren zwar nur zu gerne diebankrotte Lagos State Water Corporation,wissen jedoch nicht, wo 90 % ihres Wassers ver-sickern**.

Der öffentliche und der private Sektor: Ob-wohl Marktmechanismen auch in der Wasser-versorgung Einzug halten werden, gehen dieExperten davon aus, dass der Betrieb der wasser-wirtschaftlichen Anlagen vorwiegend in öffent-licher Hand bleiben wird (57 % gegenüber 43 %für private Betreiber). Vor allem Stakeholder ausNordamerika sprechen sich dafür aus (78 % zu48 %), während die Europäer hier offenbar einender wenigen Bereiche sehen, in dem sie sicheine stärkere private Beteiligung vorstellen kön-nen (52 % zu 48 %). Diese Sichtweise könnte zueinem wesentlich stärkeren privatwirtschaft-lichen Engagement führen. Nach Schätzungendes UNDP liefern öffentliche Versorger in Ent-wicklungsländern gegenwärtig 90 % des Was-sers; Veolia Environment, das weltweit führende

Unternehmen für Dienstleistungen in Wasser-wirtschaft und -wiederaufbereitung, schätztihren globalen Anteil auf 95 %***.

Aktuelle Trends weisen jedoch darauf hin,dass sich der private Sektor zwar verstärkt, abernur in ganz bestimmten Bereichen der Wasser-wirtschaft und dort auch nur in sehr spezifischerForm engagieren wird. In den neunziger Jahrenförderte die Weltbank gezielt die private Betei-ligung im Bereich der Wasserversorgung. EineReihe von Unternehmen erhielt viel beachteteKonzessionen für die kommunale Wasserver-sorgung, scheiterte jedoch spektakulär. Die Grün-de dafür reichten von der Schwierigkeit, die not-wendigen Preiserhöhungen politisch durch-zu-setzen, bis zu Wechselkursschwankungen. Zwargab es durchaus auch Erfolge – speziell in Chinaund in Teilen Manilas –, dennoch stehen privateUnternehmen solchen Konzessionen wegen die-ser Vorfälle und der hohen Investitionskostenskeptisch gegenüber****.

Wie verschiedene Publikationen der Welt-bank und OECD zeigen*****, orientiert sich derprivate Sektor eher in Richtung Managementund damit Effizienzsteigerung der öffentlichenVersorgungseinrichtungen und ganz besondershin zu Bau und Betrieb von Abwasseraufbe-reitungsanlagen. Das Betreiben dieser Einrich-tungen ist für ihn nicht nur mit geringerenRisiken verbunden – Kunde ist der Staat bzw. deröffentliche Versorger, nicht der Endverbraucher–, sondern ist auch politisch weniger sensibel.Ein typisches Beispiel für diesen Ansatz ist einneues Wasserwerk in Moskau, das 2007 eröffnetwerden soll und von einer deutschen Firma alsBOOT-Modell errichtet wurde (Build, Operate,Own, Transfer). Das Unternehmen wird das Werkzehn Jahre lang betreiben und die Einnahmendaraus beziehen, ehe es schrittweise an dieStadt übergeht******.

Die Verträge mit privaten Unternehmen sindheute zwar meist nicht so umfassend wie dieKonzessionen der neunziger Jahre, doch dafürgibt es mehr davon: 54 Länder haben in denletzten 15 Jahren nicht nur die Tür für ein ver-stärktes privates Engagement bei Wasserinfra-strukturen geöffnet, sondern gehen auch weiterin dieser Richtung voran. Im Laufe der Zeit wer-den kleinere nationale Unternehmen größereMarktanteile von den wenigen transnationalenBetreiber übernehmen; das wird den Wettbe-werb verstärken.

Laut der Studie wird das Engagement desprivaten Sektors in Bereichen mit akzeptablenRisiken und Ertragschancen wahrscheinlich wach-sen. Gleichzeitig kann der private Sektor aufstre-benden Städten nur begrenzt helfen, weil sichdie Unternehmen weder auf politisch sensibleGeschäftsmodelle noch auf voraussichtlich un-profitable Standorte einlassen wollen (so willkom-men sie dort auch wären).

Die meisten privaten Investitionen in was-serwirtschaftliche Projekte fließen derzeit nachChina (56 % des globalen Gesamtvolumens) undnach Algerien (34 %). Sollte Lagos einen Käuferfinden, wäre das eine Ausnahme innerhalb desTrends. Geht es um den zukünftigen Betriebneuer Einrichtungen, gehen Stakeholder aus derWasserwirtschaft aufstrebender Städte zwar vomVerhältnis 57 % zu 43 % zwischen öffentlichenund privaten Betreibern aus, doch in den meis-ten dieser Städte wird der Staat wahrscheinlichnoch sehr viel stärker gefordert sein.

Befürworter der Privatisierung nennen alsihre größten Vorteile höhere Effizienz, bessereFinanzierung, optimiertes Qualitätsmanagementund besseren Service. Die Skeptiker sehen da-gegen wesentliche Nachteile durch hohe Kostenfür die Endverbraucher, Profitdenken und un-zureichende Versorgung.

Beste Lösung für Probleme im BereichWasser

42%

29%

15%

12%

10%Nennung in %

Verbesserung bestehenderWasserinfrastruktur

Zusätzliche Finanzmittel

Nachfragesteuerung durchAufklärung

Bessere Information undTechnologie

Besseres Management

Prognostizierter Lösungsansatz der Wasserexperten

Neue QuellenWasserauf-bereitung

45%55%

* Urban Water Sector in South East Asia, Benchmarking Performance, Water and Sanitation Program (WSP) May 2006, UNDP, Human Develop-ment Report.

*"City Launches Toilet Reform", Xinhua News Agency, 13 May 2002, ‘Shanghai Flash’, Consulate General of Switzerland in Shanghai CommercialSection, Issue 4, July 2003.** "Lagos residents thirst for better water supply", Planet Ark, 10 June 2003, *** UNDP, Human Development Report,2006, p. 10, "Water supply bogs down in complexity", International Herald Tribune, 20 August 2005, ****UNDP, Human Development Report,*****Siehe z. B. http://www.ppiaf.org/Gridlines/14ppiwater.pdf und Dokumente unter http://www. oecd.org/document/22/0,2340,en_2649_37425_37456726_1_1_1_37425,00.html#Background, ******http://www.degremont.com/uk/files/actualites/presse/files/2004/juin/contrats.htm

% = gewichteter Schwerpunkt

Gesundheitswesen

44 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 45

Gesundheitswesen

Die Gesundheitssysteme geraten weltweitimmer stärker unter Druck. Die steigenden

Kosten für rezeptpflichtige Arzneimittel und pri-vate Krankenversicherung sind nur eine Heraus-forderung, die äußerst ineffiziente Leistungsver-sorgung eine andere. Das langfristig größteProblem für viele – insbesondere europäischeund ostasiatische – Länder ist aber die alterndeBevölkerung.

Weil die Lebenserwartung steigt, müssendie Gesundheitssysteme immer mehr ältere Pa-tienten versorgen. Mit zunehmendem Alter derPatienten gibt es auch mehr chronische Erkran-kungen und damit mehr Langzeitbehandlungen.Dass Menschen länger leben, ist eine der Errun-genschaften der Medizin, doch sie führt auch zu

in Relation zu ihrer Wirtschaftsleistung einenAnstieg der Gesundheitsausgaben von 13,1 %auf 15,2 % in sechs Jahren*. Entwicklungs-länder können sich solche Ausgaben im Gesund-heitswesen nicht einmal annähernd leisten, unddie Menschen sind dort oft gar nicht oder nurunzureichend medizinisch versorgt. Nach Anga-ben der Weltbank tragen Entwicklungsländer 90 % der globalen Krankheitslast, tätigen abernur 12 % der weltweiten Gesundheitsausgaben.Noch dramatischer ist die Lage in den ärmstenLändern der Erde: sie tragen 56 % der Krank-heitslast, tätigen aber nur 2 % der Ausgaben**.

Im Gesundheitswesen von Megacities spie-geln sich die allgemeinen Bedingungen des je-weiligen Landes wider. Aufstrebende Städte ver-

* Quelle: OECD, ** OECD Health Data 2006, October 2006, World Bank, Health Financing Revisited: A Practitioner’s Guide, 2006

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Städtische Gesundheitssysteme rund um den Globus haben mit den

Folgen einer alternden Bevölkerung zu kämpfen

■ Effizienzverbesserungen stehen im Vordergrund; dadurch sollen Kosten eingespart und zugleich die Qualität verbessert werden

■ Stakeholder prognostizieren verstärkte Vorsorgemaßnahmen und eine integrierte Gesundheitsversorgung

■ Die Gesundheitsversorgung gilt vorwiegend als öffentliche Aufgabe, steht aber der Beteiligung des privaten Sektors offen – Servicequalität und Effizienz werden dabei als Hauptvorteile gesehen

beträchtlichen finanziellen Belastungen. Die Aus-gaben für die Gesundheit von Menschen über75 betragen pro Kopf ein Fünffaches der Kostenfür 25- bis 34-Jährige. Die höhere Lebenserwar-tung verursacht gegenwärtig rund 6 % bis 7 %der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen.

Schnellster Kostenanstieg in der entwic-kelten Welt: Die Kostenspirale dreht sich amschnellsten in den entwickelten Ländern mitihren umfassenden Gesundheitssystemen. Zwi-schen 1990 und 2004 wuchsen die Gesundheits-ausgaben aller OECD-Länder (mit AusnahmeFinnlands) schneller als ihre Gesamtwirtschafts-leistung. Die USA – das Land mit dem weltweitteuersten Gesundheitssystem – verzeichneten

08

fügen lediglich über einfache Infrastrukturen undkönnen oft nur rudimentäre Leistungen bieten(mit Ausnahme der privat finanzierten Versor-gung der Elite). Das Gesundheitssystem vonLagos beispielsweise kann angesichts der ekla-tanten Probleme durch Aids, Tuberkulose undMalaria nicht einmal die Grundversorgungsicherstellen*. Obwohl Mumbai die reichsteStadt Indiens ist und 25 % des städtischen Haus-halts in das Gesundheitswesen fließen, kann estrotzdem nur 20 % seiner Bevölkerung medizi-nisch versorgen – für die großen Slumgebietebleibt kaum etwas übrig**. Schwellenstädtekommen etwas besser zurecht; so erzieltenIstanbul und São Paulo in den letzten Jahrendeutliche Verbesserungen***. Megacities die-ses Grundtyps sehen sich zunehmend mit dengleichen medizinischen Problemen wie die ent-

Gesundheitswesen

wickelten Gesellschaften konfrontiert. So zeigensich in Schanghai die Folgen der Umweltver-schmutzung durch die Industrialisierung. InSeoul steigt der Bedarf nach speziellen Ein-richtungen für die alternde Bevölkerung, weilSüdkorea den typischen demographischen Wan-del einer fast vollständig entwickelten Wirt-schaft erlebt. Entwickelte Städte wie New York,das eine der weltweit höchsten Dichten vonKrankenhäusern aufweist, kämpfen mit infla-tionären Kosten im Gesundheitswesen undWohlstandskrankheiten wie gewichtsbedingterDiabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Angesichts des Ausmaßes dieser Heraus-forderungen überrascht es, dass das Gesund-heitswesen in der Gesamtumfrage keine höherePriorität erhält. Es findet sich erst weit unten aufder Liste der gesellschaftlichen und infrastruk-

turellen Herausforderungen (es wird hier nur von4 % bzw. 1 % der Befragten genannt). Die 4 %der Befragten, die das Gesundheitswesen alswichtigste Infrastruktur für die Wettbewerbs-fähigkeit einer Stadt betrachten, stammen fastalle aus diesem Sektor. Diese geringe Beachtungkann sich zusammen mit den fehlenden Investi-tionen als gefährlich erweisen. Ein Teilnehmeraus Peking berichtet zum Beispiel, dass die chi-nesische Regierung dem Gesundheitswesen erstseit dem Ausbruch von SARS deutlich mehr Auf-merksamkeit schenkt.

Fehlende Kapazitäten werden in der Um-frage als das größte Problem des Gesundheits-systems genannt, ineffiziente Abläufe folgendicht darauf an zweiter Stelle. Diesen zweitenPunkt betonen ganz besonders die Teilnehmeraus aufstrebenden Städten. Insgesamt halten es

46 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 47

die Stakeholder aus dem Gesundheitswesenoffenbar nicht für ausreichend, einfach nur Geldin die vorhandenen Systeme zu pumpen. Viel-mehr müssen die Städte ihre medizinischenInfrastrukturen so in Ordnung bringen, dass siediese effizienter nutzen können.

Verbesserte Effizienz im Gesundheitswesen:Bei der Suche nach Lösungen wollen die meis-ten Stakeholder wiederum sowohl Effizienz- alsauch Kapazitätssteigerungen erreichen. Dabeiist bei den Befragten aus entwickelten Städtenbesonders der Ruf nach höherer Effizienz aus-geprägt (61 % zu 39 %). Auch aufstrebende Städ-te legen besonderen Wert auf Maßnahmen zurEffizienzsteigerung, wobei hier an erster Stelledie bessere Steuerung des Gesundheitswesenssteht, danach folgt ein integriertes Gesundheits-system und erst an dritter Stelle mehr Personal.Befragte aus Schwellenstädten setzen dagegenandere Prioritäten: Sie finden den Aufbau zu-sätzlicher Kapazitäten wichtiger als Effizienz-steigerungen. Dabei plädieren sie vor allem fürmehr Geld; deshalb sprechen sich 41 % für höhe-re Investitionen aus, aber nur 17 % für ein inte-griertes Gesundheitssystem.

Der Wunsch nach niedrigeren Kosten undmehr Effizienz schlägt sich auch in zwei weiterenUmfragetrends nieder. Erkennbar ist erstens eineHinwendung zu präventiver statt akuter medizi-nischer Versorgung (67 % gegenüber 33 %). Derzweite Trend ist bei Schwellenstädten und ent-wickelten Städten besonders ausgeprägt: Er pro-pagiert gemeinsame Infrastrukturen und gemein-sam genutzte Dienste im Gesundheitswesenstatt unabhängiger einzelner Einrichtungen (63 %gegenüber 37 %).

Generell gilt für alle Grundtypen von Mega-cities, dass die Stakeholder vor allem ihre Ge-sundheitssysteme für den Gesundheitszustandder Bevölkerung verantwortlich machen, weni-ger das Verhalten der Patienten oder die Lebens-bedingungen. Auf die Frage nach der einen,

Hauptproblem im Gesundheitssektor

32%

29%

19%

14%

Auswahl in %

Mangelnde Systemkapazität

Ineffizienz des Betriebs

Überholte Infrastruktur

Kombination von Problemen

* www.vanguardngr.com/articles/2002/features/health/gh105092006.html; USAID Nigeria: http://www.usaid.gov/ng/index.htmFinancialNigeria.com(2006); Economic Report: New Polio Report Challenges Nigeria's Commitment to Healthcare Delivery 05/09/2006, **T.R. Dilip and Ravi Duggal,“Unmet Needs for Public-Health Care Services in Mumbai, India”, Asia-Pacific Population Journal, 2004, ***OECD, Health Data 2006: How does Turkeycompare?; “Sumario de Dados, 2004”, Secretaria Municipal de Governo Municipal

Gesundheitswesen

48 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 49

wirkungsvollsten Strategie für die beschriebe-nen Herausforderungen nennen daher auch nurwenige Befragte die Punkte Gesundheitsvorsor-ge und medizinische Aufklärung (5 %). Dabeiwäre es äußerst wirkungsvoll, wenn die Patien-ten beispielsweise durch entsprechendes Verhal-ten dazu beitrügen, die Ausbreitung von HIV/Aids zu verhindern oder den exzessiven Alkohol-konsum zu reduzieren, der beispielsweise für dieVolksgesundheit in Russland so verheerend ist.Einen ebenso großen Effekt hätten Maßnahmengegen die erhebliche Luft- oder Wasserver-schmutzung in Schwellenstädten wie Schanghaiund Mexico-Stadt. Aber auch entwickelte Städtewie Tokio, London und New York überschreitendie von der WHO empfohlenen Grenzwerte fürStickoxid.

IT im Gesundheitswesen: Die Informations-technologie spielt im Gesundheitswesen eine

wichtige Rolle, sowohl bei der Behandlung alsauch in der Verwaltung. Elektronische Patienten-unterlagen sind dafür nur ein Beispiel. São Pauloetwa hat eine brieftaschengroße elektronischeGesundheitskarte eingeführt, auf der die medi-zinischen Daten der Patienten gespeichert undvon Krankenhaus zu Krankenhaus mitgenom-men werden können. IT kann auch Geld sparen:Ein neues System vernetzt in Kopenhagen Kran-kenhäuser und bringt voraussichtlich jährlicheEinsparungen in Höhe von 46 Millionen US-Dollar.

Diese Vorteile sind zwar äußerst attraktiv,doch die Implementierung von IT-Systemen hängtnicht nur von den geeigneten Technologien ab.Die Schwierigkeiten, mit denen etwa der Natio-nal Health Service Großbritanniens bei der Rea-lisierung elektronischer Patientensysteme zukämpfen hatte, lagen nach Ansicht von Expertenweniger in der Technik als vielmehr in der Zu-

sammenarbeit einer Vielzahl von Interessens-gruppen in einem riesigen Projekt. Daher wer-den organisatorische Innovationen ebensowichtig sein wie technische Fortschritte, wenndie Leistung der Gesundheitssysteme von Mega-cities verbessert werden soll.

Der öffentliche und der private Sektor: Diebefragten Stakeholder glauben, dass öffentlichgetragene Gesundheitsinfrastrukturen weiterhinder richtige Weg in die Zukunft sind. Auf die Fra-ge, ob die entsprechenden Einrichtungen bzw.ihr Betrieb künftig eher in öffentlicher oder pri-vater Hand liegen werden, votierten die meistenfür den öffentlichen Sektor (58 % zu 42 %). Sieerwarten auch, dass kostenlose medizinischeDienstleistungen Vorrang vor solchen Gesund-heitsmodellen haben werden, bei denen diePatienten für die Behandlung zahlen müssen(59 % im Vergleich zu 41 %).

Je nach Grundtyp der Megacity unterschei-den sich jedoch die Sichtweisen. Stakeholder inSchwellenstädten tendieren besonders stark zuEinrichtungen in kommunalem Besitz (63 %),ebenso zu öffentlichen Betreibern (63 %) und zueiner kostenlosen Gesundheitsversorgung (70 %).Befragte aus entwickelten Städten erwarten da-gegen in den nächsten Jahren mehr kostenpflich-tige Versorgungsleistungen und sind geteilterMeinung, ob Einrichtungen und ihr Betrieb inöffentlicher oder privater Hand liegen werden:Je eine ungefähr gleich große Gruppe stimmt fürdas eine bzw. für das andere Modell. Gegen-wärtig spielt der öffentliche Sektor im Gesund-heitswesen der entwickelten Welt noch einebeherrschende Rolle – in den OECD-Ländernträgt der Staat 70 % der Gesundheitsausgaben.Daher vielleicht die relativ große Offenheitgegenüber einer stärkeren Beteiligung des pri-vaten Sektors.

Stakeholder aus aufstrebenden Städten pro-gnostizieren vorwiegend Einrichtungen in öffent-lichem Besitz (56 %) und mit öffentlichen Be-treibern (59 %). In diesen Ländern muss manjedoch die geringen öffentlichen Ausgaben fürdas Gesundheitswesen berücksichtigen: Nur 29 %der Gesundheitsausgaben werden aus öffent-lichen Kassen bestritten (in Indien sind es nachAngaben der Weltbank nur 19 %). Woher alsodas Geld kommen soll, um die Vorstellungen derStakeholder zu verwirklichen, ist unklar.

Eines ist aber auf jeden Fall sicher: Ange-sichts ihrer drängenden Probleme im Gesund-heitsbereich müssen die aufstrebenden Städtesämtliche nur irgendwie verfügbaren Ressour-cen öffentlicher oder privater Herkunft nutzen,und das möglichst effizient.

Auch hier – wie in anderen Infrastruktur-bereichen der Studie – erscheinen als wichtigsteVorteile der Privatisierung die Qualität undEffizienz der Leistungen. Dagegen gelten hoheKosten für die Patienten und Profitdenken als diewesentlichen Nachteile.

Prognostizierter Lösungsansatz der Gesundheitsexperten

Kapazitäts-erweiterungen

Effizienz-steigerungen

49%51%

% = gewichteter Schwerpunkt

Beim Thema Sicherheit gibt es einen ent-scheidenden Unterschied zu den anderen

untersuchten Infrastrukturbereichen: WährendWasser oder Verkehr etwas konkret Fassbaressind, zielt Sicherheit letztlich auf ein subjektivesEmpfinden. Positive Statistiken sind also nichtgenug.

Das FBI meldete 2005, dass die Gewaltver-brechen in Amerika seit zehn Jahren rückläufigseien; eine Gallup-Umfrage ergab dagegen,dass zwei Drittel der Bevölkerung genau das Ge-genteil glaubten. Solche Ängste haben spürbareWirkung: Das Fliegen war nach dem 11. Sep-tember 2001 wegen der verstärkten Sicherheits-maßnahmen objektiv sicherer, trotzdem brachendie Passagierzahlen ein.

Sicherheit

50 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 51

Sicherheit

Unabhängig davon gilt Sicherheit bei denExperten als ein wichtiges Infrastrukturelement.Alle Befragten betrachten die öffentliche Sicher-heit als zweitwichtigsten Infrastrukturfaktor fürdie Wettbewerbsfähigkeit (9 % der Befragten).Gleichzeitig steht die Sicherheit bei den gesell-schaftlichen Herausforderungen an sechster Stel-le, noch vor Kriminalität/Korruption auf Platz 10.

Bedrohungen für die Stadt: Die Antwortender Sicherheitsexperten konkretisieren ihre spe-zifischen fachlichen Bedenken. So nennen 36 %der Befragten das organisierte Verbrechen (ein-schließlich bewaffneter Banden) als größte He-rausforderung; in aufstrebenden und Schwellen-städten sind es noch mehr. Mit überraschend

großem Abstand folgt der Terrorismus (18 %), derbesonders den Stakeholdern in Schwellenstäd-ten und entwickelten Städten ein Anliegen ist.

Die beiden unterschiedlichen Bedrohungenüberschneiden sich in wichtigen Aspekten: Ter-roristen wollen mittels organisierter Gewalt denStaat schwächen, kriminelle Banden wollen sichdamit Reichtum verschaffen. Die Grenzen zwi-schen beiden verschwimmen allerdings häufig:Die IRA raubte für ihre Ziele Banken aus, das Cali-Kartell untergrub den kolumbianischen Staat. Inder Praxis sind das Hauptproblem für Sicher-heitsexperten organisierte Gruppen, die dasherrschende Recht missachten und unabhängigvon ihren jeweiligen Zielen immer stärker mit-einander kooperieren. Die aktuelle Studie „Illicit“

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Sicherheit wird nach dem Verkehrswesen als zweitwichtigster

Infrastrukturfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt betrachtet

■ Organisiertes Verbrechen ist – noch deutlich vor Terrorismus – das größte Problem

■ Städte suchen nach einem proaktiveren Sicherheitskonzept

■ Offene Wohnviertel sind weiter für die meisten Befragten das Modell,aber auch „Gated Communities“ spielen eine Rolle – besonders in auf-strebenden Städten

■ Die Überwachung des öffentlichen Raums ist wichtiger als der Schutz der Privatsphäre

09

lichen Überschwemmungen reagieren kann.Anders Schanghai: Mit ihrer niedrigen Kriminali-tätsrate und ihren größeren Ressourcen kann dieStadt in den Schutz vor Erdbeben und Über-schwemmungen investieren. Vielleicht konzen-trieren sich also die Stakeholder aus dem Sicher-heitssektor einfach auf diejenigen Bereiche, indenen sie überhaupt etwas ausrichten können.

Trend zur Vorbeugung: Wie kann sich eineStadt vor solchen Bedrohungen schützen? Hierrichten die Befragten den Blick weniger auf dieUrsachen als auf die tatsächlichen Bedrohungen.Führend waren dabei: Kriminalität (mit 24 % anerster Stelle), Korruption oder Inkompetenz inder Verbrechensbekämpfung (15 %), Defizite beiPlanung/Stadtmanagement (10 %), Terrorismus(9 %) und Naturkatastrophen (9 %). Anders ge-sagt: Ursache für Kriminalität, Terrorismus undNaturkatastrophen sind Kriminelle, Terroristenund Naturkatastrophen oder inkompetente Ge-setzeshüter. Gesellschaftliche Probleme wie Ar-

Sicherheit

beitslosigkeit und Armut werden aber erst sehrviel später genannt. Ein ganzheitlicher Ansatzfehlt also – möglicherweise halten sich die Si-cherheitsexperten nicht für zuständig bei densozialen Ursachen von Kriminalität.

Städte können Sicherheitsproblemen nachAnsicht der Befragten am besten „mit mehrPolizisten und zusätzlichen Kapazitäten für dieVerbrechensbekämpfung“ (28 %) begegnen.Bessere Vorbereitung und Planung kommen andritter Stelle. (17 %). In aufstrebenden Städtenist die Verstärkung der Polizei wichtiger als inentwickelten Städten, die sich bereits ein grö-ßeres Polizeiaufgebot leisten können. Entspre-chend liegt dort etwas mehr Gewicht auf derverbesserten Vorbereitung und Planung. Ins-gesamt geht der Trend jedoch zu mehr undbesser eingesetzten Kapazitäten.

Die Polizei vieler Städte ist in den letztenJahrzehnten von einem reaktiven zu einem akti-veren Ansatz übergegangen, und zwar laut Stu-die weltweit. Bei einer Frage mit zwei Auswahl-

möglichkeiten entscheiden sich die Teilnehmerdafür, eher Verbrechen zu verhindern (60 %) alssich dagegen zu schützen (40 %). Auch bei eineranderen Frage geht es für sie insgesamt stärkerum die Vermeidung von Bedrohungen als umdie Reaktion darauf (57 % gegenüber 43 %).

Das so genannte „Risk-Based Policing“ (etwa„risikoorientierte Polizeiarbeit“) hatte bisher durch-schlagenden Erfolg. Das laufende und vielfachkopierte COMPSTAT-Programm der Stadt NewYork trug Ende der neunziger Jahre deutlich zurSenkung der Kriminalitätsrate bei. Das Pro-gramm identifiziert besondere Verbrechens-brennpunkte anhand von Polizeidaten; dadurchkönnen die Ressourcen ständig taktisch neu ver-teilt werden. Auch Bogotá arbeitete mit einemähnlichen Ansatz und weiteren Mitteln, umöffentliche Bereiche mit hoher Kriminalitätdatentechnisch zu identifizieren und mit ent-sprechenden Maßnahmen zu stabilisieren. DieMordrate sank unter anderem dadurch zwischen1994 und 2005 um nicht weniger als 48 %.

52 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 53

von Moses Naim zeigt, dass organisiertes Ver-brechen und Terrorismus dank der Globalisie-rung zusammenarbeiten und gedeihen können.So wuchs etwa die Geldwäscherei in den Jahren1990 bis 2005 fünfmal schneller als der Welt-handel.

Auch bei der zweiten drängenden Sicher-heitsfrage, nämlich möglichen Naturkatastrop-hen, beeinflusst das städtische Umfeld die Wahr-nehmung. Bei insgesamt 13 % der Teilnehmergilt dieser Punkt als die größte Sicherheitsheraus-forderung für ihre Stadt. Doch während er fürBefragte aus entwickelten Städten genausowichtig ist wie die anderen Probleme, nennenihn Stakeholder aus aufstrebenden Städten nichteinmal. Dennoch sind auch diese Städte vonpotenziellen Katastrophen bedroht. Lagos wirdgroße Flächen verlieren, wenn der Meeresspie-gel weiter durch die globale Erwärmung steigt.Der Sicherheits- und Zivilschutzapparat der Stadtfunktioniert jedoch so schlecht, dass er nichteinmal ausreichend auf die derzeitigen jähr-

Ein etwas anderes, aber verwandtes Konzept,das „Intelligence-Led Policing“ (etwa: „infor-mationsgesteuerte Polizeiarbeit“), hat sich vonGroßbritannien über Europa bis nach Asien undAustralien verbreitet. Neben den Verbrechens-daten erfasst dieses Konzept systematisch Aus-sagen von Informanten über das kriminelleUmfeld und speziell das Verhalten von Wieder-holungstätern.

Sicherheit vor Privatsphäre: Eine Strategie,die Verbrechen vorhersagen will, ist durchauszwiespältig. Doch die Studienteilnehmer glau-ben, dass der Wunsch nach öffentlicher Über-wachung die Bedenken zum Schutz der Privat-sphäre weit in den Hintergrund stellen wird –am stärksten in Schwellenstädten und entwic-kelten Städten, wo auch das Risk-Based Policingam weitesten entwickelt ist.

Die Sicherheitsexperten wissen jedoch, dasssie in ihrem Kampf gegen Verbrecher und Ter-roristen auch anderes im Blick behalten müssen.

Hauptproblem im Bereich Sicherheit

36%

18%

13%

8%

Auswahl in %

8%

6%

7%

Organisiertes Verbrechen

Terrorismus

Naturkatastrophen

Ethnische Konflikte

Massenveranstaltungen

Verbrechen und Gewalt aller Art

Kombination von Problemen

Prognostizierter Lösungsansatz der Sicherheitsexperten

PräventionSchutz

60%40%

Prognostizierter Lösungsansatz der Sicherheitsexperten

ÖffentlicheÜberwachung

Schutz derPrivatsphäre

59%41%

% = gewichteter Schwerpunkt % = gewichteter Schwerpunkt

Sicherheit

54 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 55

So berücksichtigen sie bei ihren Entscheidungenvor allem wirtschaftliche und beschäftigungs-politische Konsequenzen und achten ebensoauf die Angemessenheit ihrer Maßnahmen, dieZufriedenheit der Öffentlichkeit und Auswirkun-gen auf die Bürgerschaft. Kostenfragen spielendagegen eine untergeordnete Rolle. Die Sicher-heitsmaßnahmen dürfen das Leben der Men-schen und die Wirtschaft nicht über Gebühr ein-schränken – schließlich sollen sie ja die Wirt-schaftskraft und die Lebensqualität steigern.

Technische Mittel sind essentielle Bestand-teile des Risk-Based Policing und auch für die all-gemeine Überwachung unverzichtbar, wenn dieStädte die Leistungsfähigkeit ihrer Polizei erhö-hen wollen. Das „Crime Mapping“, also die com-putergestützte Bestimmung von Verbrechens-schwerpunkten, ist dafür nur ein Beispiel. AuchCCTV-Systeme (Überwachungskameras) sind all-gegenwärtig und häufig sehr nützlich. Die Ein-

führung eines solchen Systems 2002 in derInnenstadt von Johannesburg ließ die Krimina-litätsrate dort um 80 % sinken und trug entschei-dend zur Wiederbelebung des bis dahin deso-laten Stadtbezirks bei*.

Die Stakeholder aus dem Sicherheitsbereichwissen um die große Bedeutung der Technik undrechnen mit mehr Investitionen in Technik als inPersonal (54 % zu 46 %). Allerdings machendiese Zahlen auch deutlich, dass Technik alleinnicht genügt – es muss auch Menschen geben,die sie anwenden. Entsprechend halten 28 %mehr Polizeikräfte für die beste Sicherheits-garantie, nur 4 % würden sich ausschließlich aufÜberwachungskameras verlassen. Technik istalso ein wichtiges Mittel, aber keine Alleinlösung.

Mobilisierung der Bürger: Die Studie zeigt,dass auch eine andere wichtige Veränderung inder Polizeiarbeit von internationaler Bedeutung

ist: Die Bürger werden in die Förderung derSicherheit eingebunden. So siedeln die Befrag-ten Aufklärung und Schulung der Bevölkerungsowie Stärkung des Gemeinschaftssinns direkthinter der Erhöhung der Polizeikapazität an.Andere Befragte sprechen sich für eine ver-gleichbare Einbindung von Jugendlichen aus;zusammen machen beide Gruppen fast einViertel der Teilnehmer aus.

Ein Engagement der Bürger kann sehr vielbewirken. Dies ist auch ein zentraler Gedankeder „Alternative Policing Strategy“ in Chicago.Dort verringerte sich die Zahl der Raubüberfällein den Jahren 1992 bis 2002 um 58 % – stärkerals irgendwo sonst in Amerika. Noch wichtigerwar jedoch, dass die Angst vor Verbrechen unterden am stärksten gefährdeten Einwohnern um20 % zurückging. Und wiederum noch erstaun-licher waren die Anstrengungen im Armenvier-tel Jardim Ângela in São Paulo, das bei den Ver-einten Nationen einmal als gewalttätigstesGebiet der Welt galt. Der Stadt und 26 nicht-staatlichen Organisationen gelang es, den Zu-sammenhalt unter den Einwohnern zu stärkenund unter anderem dadurch die Mordrate von1999 bis 2004 um mehr als 73 % zu senken.

Den gemeinschaftlichen Zusammenhalt indieser Weise zu nutzen, verändert auch das Ver-hältnis zwischen Sicherheitskräften und Bür-gern. Sicherheit ist dann nicht mehr einfach einöffentliches Gut, für das der Staat sorgt, sonderndie Einwohner übernehmen einen Teil der Ver-antwortung. Initiativen wie NeighbourhoodWatch und zahllose weitere freiwillige Sicher-

heitspatrouillen in Nordamerika – von denGuardian Angels New Yorks bis hin zu den SouthCariboo Citizens on Patrol im ländlichen BritishColumbia – werden nicht länger als „Bürger-wehren“ gebrandmarkt, sondern oft von derPolizei sogar unterstützt. Sobald sich Menschenin einer Gemeinschaft mitverantwortlich fürihre Sicherheit fühlen und ihnen die kommuna-len Maßnahmen unzureichend erscheinen, ent-steht ein Interesse an privaten Sicherheits-lösungen.

Der öffentliche und der private Sektor: Diewachsende Bedeutung des privaten Sektors indiesem traditionell öffentlichen Bereich beunru-higt einige der Befragten. Die stärkste Ablehnungentsteht dabei durch eher ideologisch motivierteArgumente: Dieser Bereich unterstehe staatli-cher Hoheit (39 %); der private Sektor sei nichtausreichend rechenschaftspflichtig (23 %); pri-vate Sicherheitsunternehmen seien elitär (16 %).Befürworter sehen dagegen vor allem den Nut-zen privater Dienste: Sie seien glaubwürdig undzuverlässig, zögen Investoren an und bestächendurch ihre hohe Effizienz. Allerdings vertrittdiese Meinung nur eine Minderheit.

Überraschenderweise erwarten trotzdemimmerhin 33 % der Studienteilnehmer, dass derprivate Sektor in den nächsten fünf bis zehnJahren verstärkt Sicherheitslösungen für Städteentwickeln wird, 67 % sehen diese Aufgabe eherbei der öffentlichen Hand. Dieser bisher vorallem staatlich gesteuerte Bereich wird sich alsomöglicherweise verändern.

Die äußeren Umstände treiben dieses Wachs-tum voran, und zwar in zwei Bereichen: Erstensengagieren Sicherheitsbehörden private Unter-nehmen für bestimmte Aufgaben (oft im Hinter-grund). Diese Praxis ist allgemein akzeptiert. Sohat Großbritannien die Antragsabwicklung beiReisepässen teilweise an Siemens Business Ser-vices ausgelagert, und auch viele Flughäfen set-zen in gewissem Rahmen private Sicherheits-firmen ein.

Der zweite Wachstumsbereich beruht darauf,dass Privatpersonen oder Firmen die staatlichenSicherheitsmaßnahmen unzureichend findenund sich selbst schützen wollen. Daraus entste-hen rund um die Welt beispielsweise immerhäufiger „Gated Communities“ – von Mauernumgebene Wohnviertel, meist mit eigenem pri-vaten Wachdienst. Die meisten Studien ergebenzwar, dass diese Wohnviertel kaum sicherer sindals andere in dieser Gegend, aber die Bewohnerfühlen sich dort ausnahmslos sehr viel geschütz-ter. Private Sicherheitsinitiativen dieser Art sindeher umstritten. Die Studienteilnehmer denken,dass auch in Zukunft insgesamt mehr offene alsgeschlossene Wohnviertel entwickelt werden(61 % gegenüber 39 %). Nur die Vertreter auf-strebender Städte mit höheren Kriminalitätsra-ten und beschränkteren öffentlichen Mitteln ten-dieren stärker zu geschlossenen als zu offenenWohnvierteln (52 % gegenüber 48 %). In Schwel-lenstädten und entwickelten Städten sinkt dieAkzeptanz geschlossener Wohnviertel umso stär-ker, je geringer die Kriminalitätsrate und jegrößer die verfügbaren Mittel.

Fazit: In Städten, die ihre Einwohner selbstschützen können oder – wichtiger noch – dieihren Einwohnern ein Gefühl der Sicherheit ge-ben können, wird der öffentliche Sektor einigeeng kontrollierte Tätigkeiten aus Effizienz- undFinanzgründen an private Unternehmen aus-lagern. In Städten, die dies nicht können, wer-den private Sicherheitsdienste all jene schützen,die es sich leisten können.

Prognostizierter Lösungsansatz der Sicherheitsexperten

Entwicklung von „GatedCommunities“

Entwicklung offenerWohnviertel

39%61%

88%

100%

83%

82%

82%

78%

Auswirkungen auf Wirt-schaft und Beschäftigung

Zufriedenheit derÖffentlichkeit

Angemessenheit

Auswirkungen auf die Bürgerschaft

Gesetzliche Vorschriften

Einflussfaktoren auf Entscheidungender Stadt zur Sicherheit

* http://www.joburg.org.za/metro_police/police_projects.stm, http://www.joburg.org.za/july_2002/cctv.stm)

% = gewichteter Schwerpunkt% = wesentlicher Einfluss

Mit dem Wandel von Städten zu Agglome-rationen mit einer Vielzahl von Verwal-

tungsbezirken und -organen wird die Steuerungsolcher Metropolregionen zunehmend komple-xer. Deshalb wird immer häufiger der Ruf nacheiner vollständigen Neuordnung der städtischenManagementstrukturen laut. Außerdem bedarfes innovativer Finanzierungsstrategien, um diedringend notwendigen infrastrukturellen Inves-titionen anzukurbeln. Dass all dies notwendigist, darüber besteht allgemein Konsens. Wiejedoch die Umsetzung aussehen könnte, istweniger klar. Wie überall gibt es auch hier kei-nen Königsweg: In jeder einzelnen Stadt müssendie Managementstrukturen und Finanzierungs-wege auf die individuellen Gegebenheiten und

Stadtverwaltung und Finanzen

56 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 57

Stadtverwaltung und Finanzen

Peking

Die Ergebnisse auf einen Blick■ Experten aus dem Stadtmanagement entscheiden vor allem nach wirtschaftlichen

und beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten

■ Umweltschutz wird als wichtig erkannt, doch wirtschaftliches Wachstum zählt oft noch mehr

■ Ganzheitliche Lösungen werden oft durch mangelnde strategische Planung und Koordination der Behörden behindert

■ Viele Städte setzen angesichts des Wachstums auf Kapazitätserweiterung; Nachfragesteuerung spielt dagegen noch eine geringe Rolle

■ Auch in Zukunft werden Infrastrukturen der öffentlichen Hand unterstehen, die Bedeutung des privaten Sektors als Betreiber nimmt zu; Ziel sind Effizienzsteigerungen

Bedürfnisse zugeschnitten werden. Dennochergeben sich aus der Studie einige vorherr-schende Themen und Herausforderungen, dieeinen Eindruck davon vermitteln, in welcheRichtung sich die Governance und Finanzierungweltweit und in den drei Grundtypen vonMegacities entwickeln könnten.

Experten aus dem Stadtmanagement ent-scheiden vor allem nach wirtschaftlichenund beschäftigungspolitischen Gesichts-punkten. Die Stakeholder aus dem Stadtmana-gement achten vor allem auf die Förderung derWirtschaft und die Schaffung bzw. den Erhaltvon Arbeitsplätzen. Bei der Aufgabe, zehn Ent-scheidungskriterien nach ihrer Wichtigkeit zu

10

Umweltschutz wird als wichtig erkannt,doch wirtschaftliches Wachstum zählt oftnoch mehr. Die Stakeholder sind sich auchökologischer Faktoren sehr bewusst. Sechsvon zehn Befragten aus dem Stadtmanagementmeinen, dass ihre Stadtväter sehr wohl sehen,wie eng infrastrukturelle Entscheidungen mitUmweltfolgen verknüpft sind. Daher zeigt sichin der Gesamtumfrage auch eine größere Sensi-bilität für Umweltprobleme – etwa im Wunschnach einem grüneren Verkehrssystem mit mehröffentlichem Nahverkehr oder im Streben nachmehr erneuerbaren Energiequellen für die Strom-erzeugung.

Und trotzdem: Wenn es hart auf hartkommt, zählt Wirtschaftswachstum oft mehr alsUmweltschutz. So prognostizieren zum Beispiel45 % aller Befragten, dass ihre Städte die Infra-strukturen auf Kosten der Umwelt ausweitenwerden. Dabei erwarten vor allem Stakeholderaus Entwicklungsländern ein solches Vorgehen:In aufstrebenden Städten und Schwellenstädtensind es 55 %, in entwickelten Städten nur 14 %.

Die arme Stadtbevölkerung braucht mehrRessourcen. Eine Fülle deprimierender Statisti-ken bezeugt das Ausmaß urbaner Armut. Welt-weit sind 18 % aller städtischen BehausungenBehelfskonstruktionen. Mindestens 25 % allerBehausungen erfüllen nicht die städtischen Bau-vorgaben. Besonders ausgeprägt sind diese Pro-bleme in aufstrebenden Städten, vor allem inden afrikanischen Ländern südlich der Sahara,wo die Slums am schnellsten wachsen.

Im aktuellen UN-HABITAT-Bericht stellt KofiAnnan dar, dass die Maßnahmen zur Verbes-serung der Lebenssituation in den Armenvier-teln nicht mit der raschen Urbanisierung Schritthalten konnten. Das bestätigen viele der befrag-ten Stakeholder: Nur 37 % von ihnen halten dieInvestitionen ihrer Stadt in den ärmeren Gebietenfür ausreichend. Vor allem die Teilnehmer ausaufstrebenden Städten bezeichnen die entspre-

Stadtverwaltung und Finanzen

chenden Bemühungen ihrer Stadt als unzurei-chend.

Dies liegt gewiss nicht daran, dass die Stake-holder diese Probleme nicht erkennen würden.Sie sehen sowohl bei der Bildung als auch beimWohnungsbau einen hohen Investitionsbedarf.Nur fehlt es in den aufstrebenden Städten häu-fig an den nötigen Ressourcen für eine effizienteProblemlösung.

Bessere Leistungen beginnen mit bessererGovernance. Die Stakeholder wissen, dass In-vestitionen nicht die einzige zu bewältigendeAufgabe darstellen. Eine strategische Langzeit-planung erweist sich unter all den Schwierig-keiten, mit denen die Stadtverwaltungen lautdieser Umfrage konfrontiert sind, mit Abstandals die gewichtigste. Auf die Frage, wie mandiesen Herausforderungen am besten begegne,spricht sich die Hälfte der Experten für eine bes-sere Planung aus, wohingegen nur 12 % zusätz-liche Finanzmittel für am dringlichsten halten.Der Wunsch nach einer besseren Governanceschlägt sich auch in einem verwandten Themanieder, dem größeren Effizienzbedarf im BereichInfrastrukturverwaltung und –implementierung.Nur die Hälfte der Befragten sagt, die Umset-zung von Infrastrukturentscheidungen gelingezurzeit gut; bei den städtischen Angestellten undden gewählten Amtsinhabern sind ca. zwei Drit-tel dieser Meinung.

Finanzen sind natürlich ein zentrales Thema– so auch das Ergebnis unserer Frage an die ver-schiedenen Infrastrukturexperten, welche ihrespezifischen Herausforderungen seien. Klar war,dass die Stakeholder der Stadtverwaltung einegute Governance als Vorbedingung nicht nur fürdie Aufstockung der finanziellen Mittel, sondernauch für Rentabilität verstehen würden. Sogesehen ist eine gute Governance die Basis derKonkurrenzfähigkeit. Mangelhafte Governancesteht auch den Zielen der nachhaltigen Entwick-lung im Weg. Eine jüngere OECD-Untersuchung

zur Governance von städtischen Ballungsgebie-ten* zeigt auf, wie wenig die derzeitigen Struk-turen selbst in den entwickelteren Länderngeeignet sind, die Anforderungen wirtschaft-licher Konkurrenzfähigkeit mit „Liveability“(etwa „Umgebung, die Lebensqualität bietet“) inEinklang zu bringen. Das liegt, so der Bericht,vor allem an drei Dingen: zu starke Unterglie-derung der Verwaltungsbezirke, fehlende Fi-nanz- und Steuermittel in den lokalen Gemein-den des urbanen Großraums sowie fehlendeTransparenz und Verantwortlichkeit in Entschei-dungsprozessen. Förderlich für eine Verschmel-zung von Wettbewerbsfähigkeit und Liveabilitysind dagegen laut Bericht schlagkräftige, dengesamten Großraum umgreifende Behörden,höhere Koordination und Umsetzungskraft beiden Bestimmungen für die Metropolregionsowie gute Steuerung und Planung für einenachhaltige Stadtentwicklung.

Mehr Transparenz und Verantwortlichkeitin der Stadtverwaltung. Viele der Stakeholderwissen, dass die Stadtverwaltung transparenterwerden muss. Nur 44 % der Stakeholder aus derStadtverwaltung sind der Meinung, dass dieInvestitionsentscheidungen ihrer Stadt transpa-rent und konsistent seien; 38 % sehen dies nicht

58 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 59

ordnen, setzten 81 % Wirtschaft und Beschäfti-gung an erste Stelle. Weniger Teilnehmer nanntenals erstes die Interessen der Bürger (73 %) oderdie Auswirkungen auf die Bürgerschaft (68 %).

Auch die Frage nach der Wettbewerbsfähig-keit einer Stadt beeinflusst die Gestaltung be-stimmter Infrastrukturen. Dass ihre Stadt beiinfrastrukturellen Entscheidungen vor allem kon-kurrenzfähig und damit attraktiv für Investorenwerden will, meinen sechs von zehn Stakehol-dern – bei gewählten Amtsinhabern und städti-schen Angestellten sind es sogar noch mehr.

Wie wettbewerbsfähig eine Stadt ist, be-stimmt sich durch das Zusammenspiel vielfälti-ger Faktoren. Einige davon hängen mit denmateriellen Gegebenheiten zusammen, anderemit dem Engagement der Einwohner*. Wie be-reits in früheren Kapiteln deutlich wurde, ken-nen die Stakeholder die konkreten Wirtschafts-faktoren sehr gut: Sie wissen, dass eine guteVerkehrsinfrastruktur lebenswichtig für den Han-del ist. Dagegen erkennen sie in anderen hieruntersuchten Infrastrukturbereichen zwar denInvestitionsbedarf, sehen aber in den sozialenund ökologischen Problemen dieser Bereiche nurselten einen Zusammenhang mit der Konkur-renzfähigkeit der Stadt. Dies könnte sich rächen.Zum Beispiel ergaben Befragungen internatio-naler Führungskräfte** durch die EconomistIntelligence Unit, dass die Verfügbarkeit vonFachkräften ein bedeutendes Kriterium für aus-ländische Investoren ist. Trotzdem nannten nur6 % der Umfrageteilnehmer Bildung als wichtig-sten Faktor für die Konkurrenzfähigkeit vonStädten. Ebenso benötigt eine Stadt gesundeArbeitskräfte, um ihr wirtschaftliches Potenzialvoll ausschöpfen zu können. Doch nur 3 %setzten die Gesundheitsversorgung an ersteStelle. Deshalb muss betont werden, dass Ge-sundheit, Bildung und Wohlstand mindestensebenso wichtige Faktoren für Investoren undWachstum sind wie der harte Faktor Verkehrs-infrastruktur.

so. Der Rest hat keine Meinung dazu. Die Hälfteder Befragten gibt an, dass besonders die Aus-schreibungsverfahren ihrer Städte die schnelleUmsetzung von Infrastrukturprojekten behin-dern. Auch hier sind Verbesserungen der ent-scheidende Schritt zu mehr finanziellen Mitteln.Denn Investitions- und Kreditzusagen sind zu-nehmend daran gebunden, dass die Verwen-dung des Geldes klar erkennbar und eine effi-ziente Projektabwicklung gesichert ist. Als dieWeltbank 2006 dem Land Nigeria einen 200-Millionen-USD-Kredit für eine verbesserte Ent-wässerung und Abfallentsorgung gewährte,enthielt der Vertrag auch Klauseln zu Transparenzund finanzieller Rechenschaft. Im kolumbiani-schen Bogotá bewirkte eine politische Verwal-tungsreform, dass die Infrastruktur optimiertwerden konnte. Eine aktuelle Fallstudie** be-tont, wie wichtig gerade in einem aufstre-benden Land eine straffe Führung der Stadt undgute politische Rahmenbedingungen sind. InBogotá gehörten dazu wichtige Reformen,durch die lokale Amtsinhaber mehr Kompetenzenerhielten, aber gleichzeitig ihren Wählernrechenschaftspflichtig wurden. Die Dezen-tralisierung der Finanzbehörden eröffnete zu-dem neue Finanzierungsquellen für lokale Pro-gramme und Initiativen. Zusätzlich unterstützt

51%

12%

Nennung in %

Verbesserung vonManagement/Planung

Zusätzliche Finanzmittel

Bessere Ausbildung 5%

Beste Lösung für das Stadtmanagement

* In ihrem jüngsten Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit von Städten nennt die OECD folgende wichtigste Faktoren für diewirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit: Infrastruktur und Verfügbarkeit, industrielle und wirtschaftliche Bedeutung und Struktur, Humankapital und Arbeitskraft. ** Zum Beispiel World Investment Prospects 2004, CEO Briefing 2005

*OECD Policy Brief, The reform of Metropolitan Governance, October 2000; OECD Policy Brief, Competitive Cities in the Global Economy, 2006**The Mobilization of Private Finance in Bogotá,

Stadtverwaltung und Finanzen

60 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 61

zahlreichen Koordinationseinrichtungen für spe-zifische Bereiche. Der Einfluss dieser Einrichtun-gen ist jedoch bis heute verschwindend gering,denn sie scheinen kaum mit den politischenKanälen verbunden zu sein, in denen über Bud-gets und Investitionen entschieden wird. Ähn-liche Probleme findet man auch andernorts. DieStadt São Paulo etwa ist eine von 39 Kommuneninnerhalb ihres metropolen Großraums. DieStadtregierung hat die schwierige Aufgabe, ihreAktivitäten mit den umliegenden Gemeindenabzustimmen. Sie wurde in den 1960ern dezen-tralisiert, um direkter auf die Probleme desschnellen Wachstums reagieren zu können.Doch ein aktueller Bericht des Woodrow WilsonInternational Center for Scholars zeigt, dass esjetzt an der Koordination zwischen den einzel-nen Städten mangelt und dadurch die Gesamt-steuerung des Metropolraums ineffizient ist.Auch in Mumbai ist Koordination ein wichtigesThema: Dort gibt es zahlreiche Verwaltungs-einrichtungen, deren Zuständigkeiten sich oft-mals überschneiden. Man schätzt, dass die Be-arbeitung typischer kommunaler Aufgaben (z. B.das Erstellen von Bauplänen oder Baubestim-mungen) in Mumbai länger dauert als in ande-ren großen Städten**. Eine Arbeitsgruppe derRegierung fand heraus, dass eine bessere Gover-nance unerlässlich ist, wenn Mumbai sich zueiner „World Class City“ entwickeln soll***. Dassganzheitliche Lösungen, welche die Anforde-rungen der Stadt wie auch der Metropolregiongleichermaßen erfüllen, schwierig zu findensind, erkennen dabei einige, aber längst nichtalle der Stakeholder.

Die Studie ergab unter anderem, dass dastraditionelle Modell der Stadtregierung neu über-dacht werden muss. Statt vieler einzelner Abtei-lungen mit spezifischen Schwerpunkten (zumBeispiel Planung, Verkehr oder Umwelt) könntenMegacities „lokale Bezirksteams“ bilden, die durchihre bereichsübergreifenden Kompetenzen ganz-heitliche lokale Lösungen liefern. Gleichzeitig

würden diese Teams mit einer zentralen Pla-nungs- und Umsetzungsgruppe zusammenar-beiten, die solche Lösungen für die metropoleGesamtregion entwickelt.

Städte steuern eher das Angebot als dieNachfrage. Angesichts des großen Drucks aufdie öffentlichen Dienste bevorzugen die Städtemeist angebotsorientierte Lösungen. Das mussnicht unbedingt heißen, dass sie mehr Straßen,Bahnstrecken, Krankenhäuser usw. bauen. ImGegenteil – oft will man eher die vorhandeneInfrastruktur effizienter gestalten als die Kapa-zitäten zu erweitern. So befürworten etwaStakeholder aus dem Gesundheitswesen einvernetztes Gesundheitssystem, Stakeholder ausdem Verkehrswesen fordern weitere Verbes-serungen an den bestehenden Systemen, unddie Stakeholder aus dem Stadtmanagementmöchten von der Effizienz IT-gestützter Systemeprofitieren. Wo Städte in neue Kapazitäteninvestieren, existiert zumeist auch der Wunschnach einem effizienteren Projektmanagement.Die Nachfragesteuerung erwähnen zwar einigewenige Teilnehmer, betrachten sie aber nie alsPriorität – nicht einmal die Experten aus be-stimmten Infrastruktursektoren. Dies überrascht,da Nachfragesteuerung jahrelang ein heißesThema war. Trotz des Erfolgs von Straßennut-zungsgebühren in einigen Städten, etwa inLondon und Singapur, betrachtet nur ein Bruch-teil der Befragten die Nachfragesteuerung alsPriorität zur Lösung der Probleme ihrer Stadt.Sogar noch seltener setzen Stakeholder aus demWasser- und Abwassersektor die Nachfragesteue-rung an oberste Stelle, obwohl viele Institutio-nen (einschließlich des UNDP) die Vorteile vonWasserzählern und -abrechnungen betonen.

Informationstechnologie steigert Transpa-renz und Leistung. Die IT kann maßgeblich zumehr Transparenz, Verantwortlichkeit und Effi-zienz in den städtischen Diensten beitragen. Der

Bericht der Weltbank über „City Governance und Globalisierung“ maß die Transparenz vonStädten daran, ob ihre Website Aufschluss überden Stadthaushalt und Tipps zur Unterneh-mensgründung bietet. In Städten, wo dies derFall war, waren meist auch die öffentlichenDienstleistungen besser. IT sorgt dabei natürlichnicht nur für mehr Transparenz, sondern erhöhtauch die Kosteneffizienz. In Dänemark, das2006 den ersten Platz im „E-Readiness-Ranking“der Economist Intelligence Unit belegte, spartdas E-Procurement den Steuerzahlern des Lan-des jährlich 188 Millionen USD. Auch andernortssehen Politiker die Vorteile des E-Governments.Die EU-Minister beschlossen kürzlich, dass ihreMitgliedsstaaten bis 2010 mindestens 50 % desöffentlichen Beschaffungswesens elektronischabwickeln sollen. Auch die befragten Stakehol-der aus dem Stadtmanagement erkennen derWert der Technologie. Acht von zehn Teilneh-mern glauben, dass ihre Städte in den nächstenfünf Jahren immer stärker moderne IT-Anwen-dungen für Verwaltungsabläufe einsetzen wer-den. Die Digitalisierung bzw. das E-Governmentwird laut Studie sogar Priorität vor Neueinstel-lungen haben (und zwar im Verhältnis 2:1).Interessanterweise ist der Trend zu E-Govern-ment und Digitalisierung in aufstrebenden Städ-ten ebenso stark wie in Schwellenstädten undentwickelten Städten; die Vorteile der Informa-tionstechnologie werden also nicht nur reichenStädten vorbehalten sein.

Der private Sektor kann zu höherer Effi-zienz beitragen. Beim Thema Privatisierungwaren die Meinungen geteilt. Die meisten Teil-nehmer sahen die Infrastrukturbereiche und -dienste auch in Zukunft vor allem in öffentlicherHand. Die Mehrzahl der Stakeholder zeigte sichjedoch auch offen für Public Private Partnerships(PPPs). Kaum überraschen dürfte, dass vor allemTeilnehmer aus dem Privatsektor einer Privati-sierung positiv gegenüberstehen. Über 70 % der

Amtsinhaber und öffentlichen Angestellten hal-ten PPPs für einen geeigneten Weg; über 60 %glauben, die Privatisierung der Infrastruktur stei-gere deren Effizienz. Erstaunlicherweise er-warten die Teilnehmer von einer Privatisierungvor allem höhere Effizienz, der Zugang zuFinanzierungsmitteln ist weniger wichtig. Hierzeigt sich vielleicht ein Sinneswandel, dennbisher sollte eine PPP vor allem für mehr Geldaus dem Privatsektor sorgen. Als Nachteile derPrivatisierung gelten jedoch höhere Preise fürdie Verbaucher und eine unzureichende Ver-sorgung breiter Bevölkerungsschichten. EineStudie der Weltbank besagt, dass die Vorteile derPrivatisierung zwar empirisch immer deutlicherwerden, gleichzeitig aber Bürger und Entschei-dungsträger unzufrieden oder sogar ablehnendreagieren. Allerdings, so der Bericht, sollten dieStädte deswegen ihre Privatisierungspläne nichtaufgeben, sondern dabei verstärkt auf einkorrektes Vorgehen achten. Das bedeutet auch,lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen. Zu-dem sollten sie sich nicht ausschließlich auf

reine Privatisierungen konzentrieren, sondernauch öffentlich-private Partnerschaften fördern.Voraussetzungen dafür sind unter anderem:Förderung und Schutz des Wettbewerbs, Schaf-fung rechtlicher Rahmenbedingungen schon imVorfeld, Transparenz bei Veräußerungsgeschäf-ten, soziale Sicherheitsnetze für Unternehmenin Schwierigkeiten und innovative Konzepte fürPreisbildung und Subventionen, um die Grund-versorgung erschwinglich zu halten. Sind diese– natürlich komplexen – Vorgaben erfüllt, kanneine Privatisierung die Effizienz überzeugenderhöhen.

Megacities fordern öffentliche Führung.Natürlich erkennen viele Stakeholder die Vor-teile öffentlich-privater Partnerschaften, dochwollen sie gleichzeitig die öffentliche Kontrollenur ungern aus der Hand geben. Schließlichfordern sie eine stärkere Stadtverwaltung. Wiein den Infrastrukturkapiteln dieses Berichtsdeutlich wurde, erwarten die Stakeholder, dassdie Einrichtungen weiterhin vorwiegend in kom-

Prognostizierter Lösungsansatz im Stadtmanagement

Digitalisierung / e-Government

Personalaufbau

64%36%

*OECD Territorial Review, Mexico City, 2004, **Mumbai City Development Plan, Appraisal Report, 2006, ***Transforming Mumbai into a World Class City, First report of the Chief Minister’s Task Force, 2004

% = gewichteter Schwerpunkt

durch entsprechende rechtliche Rahmenbe-dingungen konnten die Verantwortlichen vorOrt dadurch direkter auf die Anliegen in ihremBezirk und insbesondere auf die Bedürfnisse derArmen reagieren.

Silo-Denken und Kurzsichtigkeit bremsendie Megacities. Die eigentlichen Gründe für diemangelhafte Planung sehen die Experten ausder Stadtverwaltung in unzureichender Koor-dination und mangelnder Führung. Meinungs-bildner und die Angestellten des privaten Sek-tors sind hier besonders kritisch, und sogar einDrittel der öffentlichen Angestellten ist mit dereigenen Leistung unzufrieden. Mangelnde Koor-dination zwischen abgeschotteten Abteilungenerschwert es den Städten, auf komplexe Infra-strukturherausforderungen strategisch und überVerwaltungsbezirke hinweg zu reagieren. Dabeiübersieht man offenbar die Wechselwirkungzwischen den verschiedenen Infrastrukturen –so sprechen die Befragten beispielweise nurselten davon, dass eine bessere Wasserqualitätund Kanalisation Voraussetzungen für die Ge-sundheitsvorsorge sind.

Die Stakeholder ziehen ein ganzheitlichesStadtmanagement eindeutig getrennten Zustän-digkeiten vor (61 % zu 39 %). Doch dem stehenihrer Meinung nach die herrschenden Gover-nance-Strukturen oft entgegen. Ein weitereraktueller OECD-Bericht* analysiert, welche He-rausforderungen in Mexiko-Stadt durch die starkuntergliederte Verwaltung entstehen. Der Metro-polraum der Stadt teilt sich in vier größere Ver-waltungseinheiten: den Bundesbezirk (der wie-derum aus 16 Untereinheiten besteht), dieVerwaltungen der Bundesstaaten Mexiko undHidalgo (mit 59 Stadtverwaltungen) und dieBundesverwaltung (mit wesentlichen Aufgabenim operativen Tagesgeschäft). Diese verschie-denen Verwaltungseinheiten wissen durchaus,dass ein umfassender Abstimmungsbedarf aufMetropolebene besteht – das beweisen auch die

Stadtverwaltung und Finanzen

62 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 63

munalem Besitz bleiben werden. Die Suchenach umfassenden, stadtweiten Strategien ver-stärkt diesen Trend zu mehr zentraler Kontrolleinnerhalb der Stadtverwaltung. Entsprechendwird eine stärkere Regulierung eindeutig einerDeregulierung vorgezogen (58 % zu 42 %);Gleiches gilt für die Zentralisierung des Stadt-managements (62 % gegenüber 38 % für Dezen-tralisierung). So wollen Verwaltung und öffent-licher Sektor offensichtlich die straffe Führungselbst leisten, beziehen aber den Privatsektor inManagementfunktionen ein, um die Effizienzder Dienste zu steigern.

“By raising the price [the seller of scarce corn] discourages the consumption, and puts everybody more or less, ... upon thrift and good management. ... If by not raising the price high enough he discourages the consumption so little that the supply of the season is likely to fall short of the consumption ..., he exposes the people to suffer ... the dreadful horrors of a famine.”

Adam Smith, Wealth of Nations, (1776) Buch 4, Kapitel 5

75%

PPPs sind geeignetesMittel zur Umsetzung vonInfrastrukturlösungen

Amts-inhaber

Ange-stellte

Private Mei-nungs-bildner

Amts-inhaber

Ange-stellte

Private Mei-nungs-bildner

Rolle von Public Private Partnershipsund dem privaten Sektor

73%77%

70%64%

Privatisierung städtischer Infrastrukturwürde Effizienz steigern

63%

77%

63%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Der Zusammenhang zwischen Angebot, Preis

und Nachfragesteuerung steht von jeher im

Zentrum wirtschaftlichen Denkens. Auch für

die Strategie der nachhaltigen Entwicklung ist

er zum Kernthema geworden, wie etwa die

Kyoto-Bestimmungen zum Emissionshandel

mit Kohlendioxid-Kontingenten zeigen.

In Megacities, in denen es Einschränkungen

bei Wasser, Brennstoffen oder Verkehr gibt,

kann eine korrekte Preispolitik sehr wichtig für

den Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur

sein: Sie fördert den unternehmerischen Ein-

fallsreichtum beim ökologischen Dreisatz „re-

duce, reuse, recycle“ (Reduzierung, Wiederver-

wertung, Weiterverarbeitung).

In Peking zum Beispiel ist Wasserknappheit ein

großes Problem, niedrige Preise haben zu ex-

zessiver Verschwendung geführt. Die Stadt hat

ihren Wasserkunden in den letzten 15 Jahren

neun Preiserhöhungen zugemutet, so dass der

Preis um ca. 3.000 % gestiegen ist – obwohl

die Kosten immer noch nicht mehr als 1,8 %

der durchschnittlichen Ausgaben eines Haus-

halts betragen. Von 2001 bis 2005 sank der

Gesamtverbrauch der Stadt um 15 %. Auch die

EU nutzt diese Strategie: Ihre Wasserrahmen-

richtlinie legt fest, dass die Preisgestaltung bis

2010 eine effiziente Verwendung der Ressour-

ce Wasser fördern muss.

Preise können auch den Energieverbrauch und

die zur Energieerzeugung eingesetzten Brenn-

bereiten ihr Abwasser selbst auf, statt Geld für

teure private Zuleitungen auszugeben.

Nicht zuletzt aber sei Folgendes gesagt: Die

politische Unterstützung für solche Gebühren

ist nur mit viel Basisarbeit zu gewinnen. Denn

auch wenn hier Marktmechanismen mitwir-

ken, sind Gebühren zur Förderung der Nach-

haltigkeit nicht marktgesteuert: Ein zyklischer

Rückgang der Rohölpreise wird beispielsweise

die Erderwärmung eher verschlimmern als ver-

ringern. Die Einführung von Preisen und ihre

Akzeptanz beim Verbraucher können, wenn

sie nicht richtig vermittelt werden, hoch poli-

tisch und teuer werden. Die umfassende Was-

serkonzession im bolivianischen Cochabamba

kam 1999 zu Fall, weil die Gebühren auf zuvor

kostenloses Wasser zu Protesten führten – ein

bitteres Ende für die Pläne zu einem neuen

Stausee und einer Kläranlage. In Edinburgh

stimmten die Einwohner mit drei zu eins ge-

gen eine Staugebühr nach dem erfolgreichen

Londoner Vorbild; das behinderte auch die

Einführung in anderen britischen Städten.

Benachteiligt eine Preisbildung nach Marktme-

chanismen die Armen nicht noch stärker?

Zwar müssen tatsächlich einige Versorgungs-

dienste für Notleidende in irgendeiner Form

bezuschusst werden, dennoch profitieren in

der Praxis hauptsächlich die Bedürftigen von

Infrastrukturgebühren – vorausgesetzt, diese

sind richtig eingesetzt. Laut UNDP haben in

Megacities vor allem die Ärmsten kaum Zu-

gang zum städtischen Wassersystem. Beson-

ders Slumbewohner müssen maßlos überhöh-

te Preise für abgefülltes Wasser zweifelhafter

Qualität zahlen. Mittlerweile gehen Subventio-

nen oft an diejenigen, die ohnehin an das Sy-

stem angeschlossen sind und sich Wasser lei-

sten können. In Bangalore und Kathmandu

wandern 30 % oder mehr dieser Zuschüsse an

die reichsten 20 % der Bevölkerung. Nutzt

man dagegen Wassergebühren zu einer Aus-

weitung des Netzes auch auf arme Stadtteile,

wie es der private Wasserversorger in Abidjan

praktiziert, spart dies den Armen weitaus

mehr Kosten als die unentgeltliche Abgabe

von Wasser. Ähnlich ist es in London: Wer dort

die Staugebühr nicht bezahlen kann, kann sich

wahrscheinlich ohnehin kein Auto leisten.

Fließen die Investitionen in bessere öffentliche

Verkehrsmittel, höhere Luftqualität und weni-

ger Lärm in seiner Stadt, kommt ihm das ko-

stenlos zugute.

Insofern kann eine geschickt gestaltete und

zielgerichtete Gebührenpolitik zu infrastruktu-

reller Nachhaltigkeit beitragen und dadurch al-

len drei Zielen der Stadtväter dienen, Wettbe-

werbsfähigkeit, Umweltschutz und Lebens-

qualität. Adam Smith hatte recht: Die richtige

Preispolitik ist nicht nur eine wirtschaftliche

Aufgabe, sondern auch eine moralische Ver-

pflichtung.

Preispolitik undNachhaltigkeit

stoffe beeinflussen. Dänemark praktizierte in

den neunziger Jahren eine selektive Besteue-

rung fossiler Brennstoffe, was die Energieeffi-

zienz stark verbesserte. So liegt die Energiein-

tensität des Landes, d. h. die je BIP-Einheit ver-

brauchte Energie, 35 % unter dem Durchschnitt

aller Mitgliedsstaaten der International Energy

Association, und die gesamte Energie des Lan-

des wird bereits zu 25 % durch erneuerbare

Energien gewonnen. Im Verkehrswesen haben

Straßennutzungsgebühren sogar noch direkte-

re Wirkung: Die Londoner City-Maut reduzierte

innerhalb der ersten sechs Monate die Zahl

der gebührenpflichtigen Fahrzeuge in der In-

nenstadt um 30 % – die meisten Fahrer waren

auf umweltverträglichere Verkehrsmittel wie

den öffentlichen Nahverkehr umgestiegen.

Doch der Griff in den Geldbeutel allein führt

diese Form von Nachfragesteuerung noch

nicht zum Erfolg. Erstens müssen neue Ge-

bühren sehr gezielt eingesetzt werden, denn

nicht überall haben Preiserhöhungen die glei-

che Wirkung. So ist etwa der Markt für die

häusliche Wasserver- und -entsorgung relativ

unelastisch. Dagegen reagieren die Industrie

und die (oft stark subventionierte) Landwirt-

schaft – einschließlich der Gärtner – sehr viel

empfindlicher: Die Bewässerungseffizienz in

Chile stieg zwischen 1975 und 1992 durch

höhere Preise um ca. 25 % und zahlreiche Un-

ternehmen im wasserarmen Chennai (Indien)

Zustimmung in %

Dicht bevölkert, groß und komplex – Mega-cities stellen Städteplaner, Stadtmanage-

ment und die Verantwortlichen für Grundversor-gung und Infrastruktur vor ungekannteHerausforderungen. Dass dabei jede Megacityihre ganz eigenen Bedingungen und Problemehat, liegt auf der Hand. Dennoch finden sich indiesem Bericht eine Reihe gemeinsamer The-men und Trends für die zukünftige Entwicklungder Megacities. Für die Mehrzahl der Stakehol-der steht wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeitganz oben auf der Liste. Dies ist nur zu verständ-lich: Ohne Wohlstand und Investoren könnenMegacities weder ausreichend Arbeitsplätze fürdie wachsende Bevölkerung schaffen noch

Schlussfolgerungen

64 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 65

Schlussfolgerungen

11sen Megacities das Management der Dienstewohl verstärkt dem privaten Sektor übertragen.Eines der erstaunlichsten Umfrageergebnissewar, dass der Effizienzgewinn durch den privatenSektor sehr viel schwerer wiegt als der Zuwachsan finanziellen Mitteln.

Wollen Städte die stärkere Privatisierungerfolgreich einsetzen, müssen sie die richtigenRahmenbedingungen schaffen. Dafür gibt esverschiedenste Modelle, bei denen Besitz undBetrieb der jeweiligen Einrichtung in unterschied-lichen Händen liegen. Allerdings wollen die Kon-sequenzen solcher Partnerschaften mit dem Pri-vatsektor gut durchdacht sein. Zudem müssenPrivatisierungsbestrebungen immer die spezi-

fischen Gegebenheiten berücksichtigen. Die Ge-samtkontrolle (und -verantwortung) muss dabeiin öffentlicher Hand bleiben. Insgesamt lässt dieStudie erkennen, dass ein Wandel in Megacitieseingesetzt hat: weg von der passiven Verwal-tung der Infrastrukturdienste hin zu einem ak-tiven Management. Daraus entsteht der Wunschnach starker kommunaler Kontrolle sowie nacheiner umfassenden strategischen Antwort aufdie Herausforderungen des gesamten Stadt-gebiets. Gelingen solche übergreifenden Mo-delle von Governance und effizienten Manage-mentstrukturen, sind wirtschaftliche Attrakti-vität, Umweltschutz und Lebensqualität für alleBürger kein Widerspruch mehr.

genügend Finanzmittel für ihre gewaltigen Auf-gaben anziehen. Während dabei Infrastruktur-bereiche wie Verkehr als entscheidender Faktorfür die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit gel-ten, wird die ökonomische Bedeutung andererBereiche häufig übersehen – insbesondere beiBildung, Gesundheitswesen und elementarenDiensten wie der Wasserversorgung. Stakehol-der in Megacities halten Umweltschutz für wich-tig und suchen für viele Infrastrukturbereichenach nachhaltigen Lösungen. Stehen solche öko-logischen Erwägungen jedoch im Konflikt mitdem Wirtschaftswachstum, werden sie häufigzurückgestellt. Insbesondere aufstrebendeStädte sehen Wirtschaft und Umweltschutz oft

Dienste essentiell, um nachhaltige Ziele zu un-terstützen. Um hier Fortschritte zu erzielen,braucht es neue Verwaltungsstrukturen und eineffizienteres Management. Die Stakeholderwissen das sehr wohl, aber die Umsetzung ge-staltet sich schwierig. Die Verwaltungsstruktu-ren der Städte müssen über alle Infrastruktur-bereiche hinweg ganzheitliche Lösungen bereit-stellen, welche die Anforderungen der Stadt mitdenen des urbanen Großraums vereinbaren unddie wechselseitige Abhängigkeit der verschie-denen Infrastrukturen berücksichtigen. Dies istwahrscheinlich mit dem herkömmlichen Abtei-lungsdenken in der Stadtverwaltung nicht mög-lich. In ihrem Streben nach mehr Effizienz müs-

als Widerspruch. Wie passen der Wunsch nach„grüneren“ Lösungen und das notwendigeStreben nach Wachstum zusammen? Dies isteine zentrale Frage bei der Diskussion übernachhaltige Entwicklung, die im Rahmen diesesBerichts kaum erschöpfend beantwortet werdenkann. Fest steht jedoch, dass die verstärkteNachfragesteuerung – ein weltweit offenbarnoch unterschätztes Konzept – ein möglicherWeg zu nachhaltigen Infrastrukturen wäre.Wenn die Städte die Nutzung vieler Infrastruk-turen (etwa Wasser oder Straßen) nicht über-wachen und steuern, werden sie auch ihre Ein-nahmen schwerlich steigern können. Daher isteine vernünftige Preispolitik für öffentliche

Dieser Bericht untersucht die Infrastruktur-aufgaben und Governance-Trends der größ-

ten Megacities der Welt. Er legt dabei denSchwerpunkt auf fünf entscheidende Infrastruk-turbereiche: Verkehr, Wasser und Abwasser,Energie, Gesundheitswesen und Sicherheit.Anhand der Aussagen verschiedener städtischerStakeholder beleuchtet er, wie das Stadtmana-gement auf diese Herausforderungen reagiert.Nach Definition der UNO gilt eine Großstadt als„Megacity“, wenn sie eine Einwohnerzahl vonmindestens 10 Millionen hat. Der Bericht kon-zentriert sich auf 25 Megacities und Metropol-regionen; diese wurden vorwiegend unter denbevölkerungsreichsten Städten der Welt aus-gewählt*. Einbezogen wurden auch einigegroße Metropol-Agglomerationen wie das deut-sche Ruhrgebiet (das eine Vielzahl unabhän-giger Städte umfasst). London, das weniger als10 Millionen Einwohner hat, wurde wegenseiner wirtschaftlichen Bedeutung ausgewählt.Die Erkenntnisse in diesem Bericht stützen sich

Anhang

66 Megacities und ihre Herausforderungen Megacities und ihre Herausforderungen 67

Methodisches Vorgehen

Megacity-Grundtypen: Jede Megacity istheute einzigartig in ihrer Mischung aus sozialer,politischer und wirtschaftlicher Geschichte.Dennoch arbeitet die MRC McLean Hazel-Studiemit einer weiteren Kategorisierung, um den Ab-lauf und die Dynamik der weltweiten Urbanisie-rung zu verdeutlichen.

Dazu sucht sie nach schlüssigen und klarenKriterien für eine erste umfassende Einord-nung. Diese soll die weitere Analyse verein-fachen und einen generellen Überblick über dieKernprobleme geben.

Die Analyse basiert auf drei Grundtypen:aufstrebende Städte (Emerging Cities), Schwel-lenstädte (Transitional Cities) und entwickelteStädte (Mature Cities). Die Einteilung erfolgt ineinem zweiachsigen Koordinatensystem aufGrundlage vorhandener Daten.

Die vertikale Achse besteht aus dem ab-soluten Brutto-Megacity-Produkt (BMP), diehorizontale Achse aus einem Proxy-Wert (Annä-herungswert) für den sozialen und materiellen

Entwicklungsstand. Das BMP reichte von ca.1.500 Euro/Kopf in aufstrebenden Städten über5.000 Euro/Kopf in Schwellenstädten bis zu30.000 Euro/Kopf in entwickelten Städten.

Der Proxy-Wert für die soziale und mate-rielle Entwicklung setzt sich zusammen aus:den Länderwerten des United Nations HumanDevelopment Index (HDI), den Städtewertender 2006 von Mercer Human Resource Consul-ting herausgegebenen Studie über Lebens-qualität sowie den Länderwerten im Korrup-tionswahrnehmungsindex (Corruption Percep-tion Index, CPI) von Transparency International.

Alle drei Indizes wurden einheitlich skaliert,um den zusammengesetzten Wert zu bilden.Der typische Wert betrug dabei für auf-strebende Städte 0,40, für Schwellenstädte0,60 und für entwickelte Städte 0,98. Eineunterschiedliche Gewichtung der eingerech-neten drei Indizes ergab keine maßgeblichenÄnderungen in der Einteilung der Städte.

Der United Nations Human DevelopmentIndex ist ein Standardvergleichswert für denEntwicklungsgrad eines Landes. Er berück-sichtigt Lebenserwartung, Alphabetisierung,Bildungsniveau und Lebensstandard auf dergesamten Welt, um den Entwicklungsgradeines Landes und die wirtschaftspolitischenAuswirkungen auf seine Lebensqualität zumessen.

Der Lebensqualitätsindex von Mercer ba-siert auf detaillierten Bewertungen von 39Schlüsselkriterien für die Lebensqualität, undzwar in folgenden Kategorien: politisches undsoziales Umfeld, wirtschaftliches Umfeld, sozio-kulturelles Umfeld, medizinische und gesund-heitliche Gegebenheiten, Schulen und Bildung,öffentliche Dienste und Verkehrsmittel.

Der Korruptionswahrnehmungsindex be-wertet mehr als 150 Länder nach dem Grad derdort wahrgenommenen Korruption. Als Grund-lage dienen Meinungsumfragen und Experten-aussagen.

vor allem auf folgende Studienprojekte undUntersuchungsmethoden:

Befragung der Stakeholder: Der Berichtbasiert auf der Befragung von 522 Stakeholdernin 25 Städten durch GlobeScan**; je Stadt wur-den ca. 20 Personen interviewt***. Die Befra-gung fand zwischen dem 28. September und 17.November 2006 statt, entweder in persönlichenGesprächen oder durch Telefoninterviews. Diebefragten Stakeholder teilen sich in vier Grup-pen: gewählte Inhaber eines politischen Amtes(Amtsinhaber), Angestellte der Stadtverwaltung(Angestellte), private Infrastrukturanbieter, Bau-unternehmer und Geldgeber (Private) sowie Per-sonen, die meinungsbildend auf die Entschei-dungsträger in Infrastrukturen wirken, etwagesellschaftliche Vordenker, Akademiker, nicht-staatliche Organisationen und Medien (Mei-nungsbildner). 69 Prozent der Befragten habenmindestens zehn Jahre Erfahrung im Bereichstädtischer Infrastrukturen.

Megacity-Analyse: MRC McLean Hazelanalysierte die zentralen Infrastrukturberei-che in acht der 25 untersuchten Megacities.

Diese Megacities waren: Istanbul (Türkei),Lagos (Nigeria), London (England), Moskau(Russland), Mumbai (Indien), New York (USA),Schanghai (China) und São Paulo (Brasilien).Das Projekt stützte sich ausschließlich auf Se-kundärquellen (d. h. auf vorhandene Studienund Daten).

Die Untersuchung sollte vor allem deutlichmachen, was die Aufgaben und Funktionender Megacities in den einzelnen Bereichensind, welche Qualität ihre Dienste haben, wasihre zentralen Herausforderungen sind, wiesie diese Herausforderungen lösen und wel-che Hindernisse sie dabei noch überwindenmüssen. Soweit möglich, betrachtete MRCMcLean Hazel die gesamte Metropolregion.Wo keine ausreichenden Daten für das Gesamt-gebiet vorhanden waren, beschränkte mansich auf die wichtigsten Städte der Region.

Stakeholderbefragung

Amtsinhaber100 (19%)

Private108 (21%)

Meinungsbildner130 (25%)

Nicht gewichteteGesamtanzahl

522 (100%)

Angestellte184 (35%)

12

*Als Grundlage diente das in „Megacities – Megarisiken: Trends und Herausforderungen für Versicherung und Risikomanagement“angewandte Verfahren (Münchener Rück, 2004), **Die Grafiken in diesem Bericht zeigen nur die am häufigsten genannten Faktorenund ergeben deshalb nicht immer 100%. ***und verschiedene lokale Partner

Herausgeber: Siemens AGCorporate Communications (CC)Wittelsbacherplatz 2, 80333 MünchenFür den Herausgeber: Stefan [email protected] (Tel. +49 89 636 83110)

Redaktion: Gareth Lofthouse, Economist Intelligence Unit

Research: GlobeScan, TorontoMRC McLean Hazel, Edinburgh

Bildredaktion: Judith Egelhof, Publicis MünchenInternet: www.siemens.com/megacities, Dr. Ulrich Eberl,Ulrike Zechbauer, Siemens AGLayout / Lithographie: Rigo Ratschke, Seufferle Mediendesign GmbH, StuttgartGrafik: Jochen Haller, Seufferle Mediendesign GmbH, Stuttgart

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