mechanische verfahrenstechnik (bohnet/mechanische verfahrenstechnik) || einführung

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Page 1: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Einführung

1Einf�hrung

Die Verfahrenstechnik befasst sich mit der industriellen Umwandlung von Aus-gangsstoffen in einer Folge physikalischer, chemischer oder biologischer Prozessezu verkaufsf�higen Zwischen- oder Endprodukten. Um Stoffe wandeln zu k�nnen,ist Energie in Form von W�rme oder mechanischer Energie erforderlich. Dar�berhinaus nutzt man die M�glichkeit der chemischen Umwandlung sowie die F�hig-keit von Mikroorganismen, Stoffe zu wandeln.

Alle verfahrenstechnischen Prozesse lassen sich in Grundoperationen (unit ope-rations) zerlegen. Dies hat zun�chst den Vorteil, dass man die Gesetzm�ßigkeitender stoffwandelnden Vorg�nge losgel�st von einem bestimmten Stoffsystem behan-deln kann. Die Zusammenf�gung der Einzelschritte zum Prozess ist Aufgabe derSystemverfahrenstechnik, die insbesondere die dynamische Aufeinanderfolge derTeilschritte umzusetzen hat. Hier finden sich dann wichtige Verkn�pfungen mitder Mess-, Regel- und Automatisierungstechnik.

Die mechanische Verfahrenstechnik umfasst insbesondere Trennverfahren zwi-schen Feststoffen und Fluiden (Abschnitt 4), Mischvorg�nge (Abschnitt 7), Zerklei-nerungs- und Agglomerationsprozesse (Abschnitte 5 und 6), die Sch�ttguttechnik(Abschnitt 8) und den Transport von Feststoffen (Abschnitt 9). F�r die Charakteri-sierung und Bewertung dieser Verfahrensschritte spielt die Partikelgr�ßenanalyse(Abschnitt 2.2) eine herausragende Rolle. Da in der mechanischen Verfahrenstech-nik an fast allen Prozessen – bei nur wenigen Ausnahmen – feste Partikeln beteiligtsind, ist die Charakterisierung disperser Systeme eine der wichtigsten Aufgaben derVerfahrenstechnik (Abschnitt 2), weil die Eigenschaften von Produkten nicht nurdurch ihre chemische Zusammensetzung sondern ebenso durch ihre physika-lischen Gr�ßen bestimmt werden. Die Feststoffverfahrenstechnik, die hier behan-delt wird, umfasst alle Verfahrensschritte einer Prozesskette, von der Entstehungdes Feststoffes durch Kristallisation, F�llung oder Kondensation �ber die Formu-lierung bis hin zur Anwendung. Dabei werden die dispersen Systeme gezielt oderungewollt ver�ndert. Dies betrifft insbesondere den Dispersit�tszustand. DurchZerkleinern wird die Gr�ße von Partikeln verringert, durch Agglomeration entste-hen gr�ßere Partikelverb�nde. Durch Mischen oder Trennen wird die H�ufigkeits-verteilung der unterschiedlichsten Merkmale ver�ndert. Viele physikalische Eigen-schaften, z.B. die Festigkeit oder das Haftverhalten von Partikeln �ndern sich mitdem Dispersit�tszustand. Im Kollektiv �ußert sich der disperse Zustand in derSch�ttgutdichte, im Fließverhalten von Sch�ttg�tern oder in ihrer Durchstr�m-barkeit. Um dieses Verhalten zu beschreiben, m�ssen die physikalischen Eigen-schaften der Feststoffe, z.B. Gr�ße, Form und Festigkeit bekannt sein, wobei dieCharakterisierung disperser Systeme auch die Ausgangs-, Zwischen- oder Endpro-dukte umfasst.

Hans Rumpf hat in seiner Ver�ffentlichung »�ber die Eigenschaften vonNutzst�uben« [1.1] die Zusammenh�nge zwischen Dispersit�tseigenschaften undProdukteigenschaften beschrieben. An Beispielen wird aufgezeigt, wie die Pro-dukteigenschaften – Produktzustand und Produktverhalten – disperser Systeme

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Mechanische VerfahrenstechnikHerausgegeben von Matthias BohnetCopyright � 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, WeinheimISBN: 3-527-31099-1

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von physikalischen Partikeleigenschaften abh�ngen. Rumpf nannte den funktio-nalen Zusammenhang »Eigenschaftsfunktion« (Abb. 1.1).

Die Produkteigenschaften gliedern sich in drei Kategorien: Wirkung, Applizier-barkeit und Herstellbarkeit. Nur die ersten beiden Klassen sind f�r den Endverbrau-cher/Anwender relevante Qualit�tsmerkmale; verarbeitungstechnische Eigenschaf-ten interessieren dagegen nur den Hersteller. Im Folgenden sind Beispiele der un-terschiedlichen Kategorien von Anwendungs- und Verarbeitungseigenschaftensowie Dispersit�tseigenschaften aufgef�hrt.

Zu den Produkteigenschaften z�hlen:l Anwendungseigenschaften: Bioverf�gbarkeit, Farbe, Geschmack, Festigkeit, Ak-

tivit�t eines Katalysatorsl Verarbeitungstechnische Eigenschaften: Fließf�higkeit, Haftverhalten, Mischbar-

keit, Filtrierverhalten, Abscheideverhalten, Verdampfungsgeschwindigkeit

Die Dispersit�tseigenschaften umfassen:l Partikelgr�ße, Partikelform, Porosit�t, Festigkeit, Kristallinit�t.

Prozesse der mechanischen Verfahrenstechnik zielen auf eine Ver�nderung der Par-tikeleigenschaften oder des Mischungszustandes hin. Die f�r die Charakterisierungdisperser Systeme besonders wichtige Partikelmesstechnik dient dem Erfolgsnach-weis der Maßnahmen in den einzelnen Prozessen, wobei der Erfolg eines jeden Pro-zesses selbst entscheidend vom dispersen Zustand bestimmt wird, zum Beispiel:l mit abnehmender Partikelgr�ße lassen sich Stoffe schwieriger zerkleinern und

schwerer abscheidenl mit abnehmender Partikelgr�ße lassen sich Stoffe schneller verdampfen

Abb. 1.1 Eigenschaftsfunktionen

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Die Prozesse lassen sich nach dem in Tabelle 1.1 gezeigten Schema ordnen, je nach-dem, ob mit ihnen eine �nderung des Dispersit�tszustandes, der Zusammenset-zung bzw. des Mischungszustandes oder des Ordnungszustandes verbunden ist[1.2].

Beim Trennen, Mischen und insbesondere beim F�rdern treten h�ufig ungewolltVer�nderungen durch Abrieb oder Agglomeration auf. Zur Bestimmuung des Ab-riebs oder der Agglomeration werden die gleichen Messmethoden genutzt.

Die Elemente einer dispersen Phase bestehen aus: festen (Suspensionen, Aero-sole), fl�ssigen (Emulsionen) oder gasf�rmigen (Blasen, Sch�ume) Partikeln. DieElemente k�nnen durch verschiedene Merkmale charakterisiert werden, z.B.Gr�ße, Form, Festigkeit, Struktur, Farbe, Porosit�t oder Homogenit�t. Die Merk-male sind immer verteilt. Die Elemente k�nnen verschieden angeordnet sein, alsPrim�rpartikel, Agglomerate, unregelm�ßige Flockungsstrukturen oder geordneteStrukturen. Diese Merkmale sind f�r die Produkteigenschaften entscheidend.

Ein Beispiel aus der Chemie soll die Bedeutung mechanischer Prozesse in derverfahrenstechnischen Industrie unterstreichen: Von den in der Chemie produzier-ten Produkten sind mehr als 50% disperser Natur. Von den �brigen durchlaufenviele w�hrend der Produktion einen dispersen Zustand.

Neue Aspekte kommen im Bereich nanoskaliger Partikeln hinzu. Die unterschied-lichen Herstellverfahren nanoskaliger Produkte �ber Flammsynthese, Verdampfungund Kondensation, F�llung, Kristallisation, Sol-Gel-Verfahren oder Zerkleinerung er-fordern neue Messtechniken, die der Schnelligkeit der Prozesse gerecht werden undbesonders die Wechselwirkungskr�fte mit erfassen. Diese Wechselwirkungskr�ftebestimmen in diesem Gr�ßenbereich das Produktverhalten wesentlich. Dies gilt so-wohl f�r die Herstellung der Partikeln als auch f�r ihre Handhabung.

Die Besonderheit der mechanischen Verfahren ist darin begr�ndet, dass die inden unterschiedlichsten Prozessen auftretenden Partikelgr�ßen acht Zehnerpoten-zen umfassen k�nnen. Dar�ber hinaus bestehen die Feststoffpartikel h�ufig ausmehreren Komponenten, aus vielen Kristalliten einer Komponente oder es sind Ag-glomerate, die durch schwache Bindungskr�fte (kapillare Haftkr�fte, van-der-Waals-Kr�fte, elektrostatische oder magnetische Kr�fte) zusammengehalten werden. Eine

Tab. 1 Grundoperationen der mechanischen Verfahrenstechnik

�nderung des Dispersit�tszustandesbestimmter Partikeleigenschaften

�nderung des Mischungszustandes ohne �nderungder Eigenschaften der einzelnen Partikeln

Zerteilen Zerkleinern, (Zer-st�uben, Begasen)

Trennen Sortieren, Klassieren,Abschneiden

Vereinigen Kornvergr�ßerung(Agglomerieren,Kompaktieren, etc.)

Mischen Beschichten, Komposit-Eigenschaften

Transportieren F�rdern, Lagern, Dosieren

Messen PartikelmesstechnikAnalyse von Mehrphasensystemen

(Gr�ße, Konzentration, Geschwindigkeit)

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derartige Heterogenit�t der Stoffsysteme liegt in anderen Bereichen der Verfahrens-technik nicht vor.

Im Folgenden kann nur eine Einf�hrung in die mechanische Verfahrenstechnikgegeben werden, f�r eine umfassende Darstellung siehe [1.2]–[1.5].

2

Charakterisierung disperser Systeme

2.1

Eigenschaften disperser Systeme

2.1.1

Ziel einer Charakterisierung

Ziele der Charakterisierung disperser Systeme sind:– die Auswirkung mechanischer Prozesse zu beurteilen; d.h. die dispersen Eigen-schaften der Ausgangs-, Zwischen- und Endprodukte sowie der Reststoffe in ih-ren jeweiligen Systemen zu erfassen.

– Prozesse reproduzierbar zu f�hren, d.h. die f�r die Prozessf�hrung relevantenParameter zu identifizieren,

– die Umfeldbedingungen (Prozessluft, Emissionen) zu erfassen,– Prozesse besser zu verstehen, d.h. zur Modellbildung beizutragen.

2.1.1.1 Eigenschaftsfunktion – ProduktmodellBei der Anwendung disperser Systeme werden bestimmte Produkteigenschaften er-wartet. In den Prozessen der mechanischen Verfahrenstechnik werden die Disper-sit�tseigenschaften gezielt eingestellt, die dann die angestrebten Produkteigenschaf-ten zur Folge haben (Eigenschaftsfunktion [2.24]).

Die Ermittlung von Eigenschaftsfunktionen beinhaltet sowohl die Messung be-stimmter Dispersit�tseigenschaften, als auch die Erfassung von Produkteigenschaf-ten, wie zum Beispiel die Messung der Bioverf�gbarkeit und der Fließf�higkeit.Diese Produkteigenschaften werden von den einschl�gigen Industriezweigen meistauf Basis empirischer Optimierung verarbeitungs- und anwendungsbezogen be-stimmt. Im Folgenden werden einige Eigenschaftsfunktionen beispielhaft aufge-f�hrt:l F�r die Beurteilung eines Zements beispielsweise wird die Druckfestigkeit eines

Zementleimw�rfels nach 2 beziehungsweise 28 Tagen Aush�rtezeit gemessen.Als Maß f�r die Dispersit�tseigenschaft hat sich neben der Partikelgr�ßenver-teilung die spezifische Oberfl�che etabliert.Mit zunehmender Feinheit des Zements nimmt die Endfestigkeit des Zement-leimw�rfels zu. Dabei spielt nicht nur die mittlere Partikelgr�ße eine Rolle, son-dern auch die Verteilungsbreite: je enger die Verteilung, desto h�her ist die Fes-tigkeit. Da Zement ein Massenprodukt ist, ist diese Eigenschaftsfunktion bereitsfr�h sehr intensiv untersucht worden [2.1].

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