maritimes clean tech kompendium

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clean tech for ships

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Page 1: Maritimes Clean Tech Kompendium
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Die Deutsche Nationalbibliothek – Bibliografische Information:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut-schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Inter-net über http://d-nb.de abrufbar.

Bannasch, Hans-Gerd/Hartmann, Wolf D./Kny, Reinhart: Maritimes Clean Tech Kompendium – Wie nachhaltiges Wachstum international erfolgreich macht, Band 1 der Clean Tech Edition

Redaktion: Richard Tigges Grafiken: Klaus Seele, liquidstream Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt

© ifi Institut für Innovationsmanagement, Neuenhagen/Berlin ISBN 978-3-940090-12-6

Das Titelbild zeigt die Zukunftsstudie „Physalia” (mit freundlicher Genehmigung von Vincent Callebaut Architectures, 2010). Der Rückentitel ist eine Grafik des ifi Instituts für Innovationsmanagement.

1. Auflage Mai 2011

ifi Institut für Innovationsmanagement e.V. 15366 Neuenhagen bei Berlin www.ifi-ev.de [email protected]

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Hans-Gerd Bannasch Wolf D. Hartmann Reinhart Kny

Maritimes Clean Tech Kompendium Wie nachhaltiges Wachstum international erfolgreich macht

ifi Institut für Innovationsmanagement e.V.

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Am 27. und 28. Mai 2011 findet die 7. Nationale Maritime Konferenz in Wilhelmshaven statt. Dabei wer-den unter anderem Klima- und Um-weltschutzfragen eine zentrale Rolle spielen. Die maritime Wirtschaft, insbesondere der Schiffbau und See-verkehr, aber auch die Zulieferer und die Ausrüster tragen bei der prakti-kablen Umsetzung neuer Umwelt-standards eine besondere Verantwor-tung. Es ist bemerkenswert, dass pünktlich zu diesem Treffen der maritimen Industrie erstmals ein Kompendium vorgelegt wird, das einen guten Überblick über den aktuellen Stand von Tech-nologien und Strategien für eine ökologische Zeitenwende verschafft. Die struk-turierte und angenehm lesbare Darstellung gefällt dabei ganz besonders. Die drei Autoren, die selbst aus der maritimen Industrie sowie aus dem Innovati-onsmanagement stammen, greifen hierzu insbesondere auf Bestpraktiken zu-rück, die international beweisen, dass sich die maritime Wirtschaft ihrer großen Verantwortung bewusst ist.

Rund 7,8 Milliarden Tonnen Güter werden laut dem Verband Deutscher Reeder jährlich weltweit an Bord von 50.000 Schiffen transportiert. Damit wer-den rund 95 Prozent des Welthandelsvolumens abgedeckt. Entsprechend hoch schlagen in der Klima- und Umweltbilanz des Seeverkehrs beispielsweise Ver-besserungen der Luftreinhaltung durch schwefelarmen Treibstoff und innovati-ve Antriebskonzepte im Schiffsverkehr zu Buche. Die deutschen Schiffbauer und Reeder kennen diese Veränderungschancen und streben kurz- wie mittel-fristig an, die neuen hohen internationalen Ziele des Umweltschutzes, wie die Reduzierung des Schwefelgehaltes in Schiffstreibstoffen auf 0,1 Prozent für Neuschiffe ab 2015 durchzusetzen. Zugleich gilt es dann natürlich, solche Ziele auch möglichst auf allen Meeren durchzusetzen und nicht etwa nur in der Nord-

Abb. 1: Eckhardt Rehberg

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und Ostsee. Wenn weltweit 3,5 Prozent Schwefelgehalt im Treibstoff noch bis 2020 toleriert werden, kann berechtigter Umweltschutz schnell zu einem neuen Instrument der Wettbewerbsverzerrung führen. Das betrifft dann keineswegs nur die maritime Industrie, sondern alle Industrie- und Handelspartner, weil Frachten vom Schiff auf die Straße zurück verlagert oder Routen im Seebereich minimiert werden. Wenn das tatsächlich passiert, wird der Schiffsverkehr als ansonsten umweltfreundlichster Transport gegenüber allen anderen Transport-trägern konterkariert.

Es ist erfreulich, dass im vorliegenden ersten Band einer hoffentlich rasch weiter wachsenden Clean Tech Editionsreihe auf solche Wechselbeziehungen und praktikablen Erfordernisse hingewiesen wird. Die nützliche Pragmatik die-ses Buchs liegt auch darin, dass es nicht nur klare Visionen propagiert, sondern stets die ökonomische Realisierbarkeit im Blick behält. Der Band erweist sich damit als Fundgrube für angewandte und umsetzbare Lösungen für den Klima- und Umweltschutz durch und in der maritimen Wirtschaft. Er stellt Spitzenleis-tungen und Trends vor, die den neuesten Stand in der internationalen Clean Tech Entwicklung widerspiegeln und den sich international rasch ausbreitenden Green Business Trends Rechnung tragen.

Das Buch wird sicherlich dazu beitragen, die Diskussion in der maritimen Wirtschaft für eine nachhaltige saubere Zukunft weiter voran zu treiben und verdient einen breiten Leserkreis über die Küsten hinaus.

Berlin, im Mai 2011

Eckhardt Rehberg (CDU), MdB, Berichterstatter Maritime Wirtschaft im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................................... 5!

I.! Kapitel: Sauberer Schiffbau und Seeverkehr als Leitbild nachhaltiger Zukunft .......................................................................... 9!

I.1! Visionen vom grünen Schiff der Zukunft ..................................................... 9!I.2! Maritime Industrie im Aufbruch durch ökologische Herausforderungen ... 22!I.3! Unsauberen Praktiken im maritimen Bereich auf der Spur ........................ 33!I.4! Veränderte Gesetze und Regeln eines sauberen Seeverkehrs ..................... 45!I.5! Verschärfte Konkurrenz im internationalen Schiffbau und Seeverkehr ..... 56!I.6! Stellenwert eines sauberen Schiffsverkehrs in der Globalisierung ............. 66!

II.! Kapitel: Hauptrichtungen der gegenwärtigen Clean-Tech Entwicklung im Schiffbau und Schiffsbetrieb ................................ 75!

II.1! Erste Formeln für energieeffizienteren Bau und Betrieb von Schiffen ..... 77!II.2! Weniger Schadstoffe aus konventionellen Schiffsmotoren ....................... 82!II.3! Verringerte Abgase auf See und im Hafen ................................................ 87!II.4! Einsatz von Erdgas für ökologisch optimierte Antriebssysteme ............... 93!II.5! Regenerative Energieträger für alternative Schiffsantriebe ....................... 98!II.6! Von Alleskönnern bis Atomantrieb: Weitere Antriebskonzepte ............. 122!II.7! Neue Schiffskonstruktionen zur Reduktion des Widerstands ................. 130!II.8! Neue Materialien im Schiffbau und Finishing ......................................... 142!II.9! Fortgeschrittene saubere Schiffbauprozesse und Ökobilanzen ............... 186!II.10! Grüne Zulieferketten und Ausrüstungswege ......................................... 197!II.11! Effizientere saubere Schiffsoperationen ................................................ 212!II.12! Ökomanagement im Hafen .................................................................... 235!II.13! Innovative Recyclingtechnologien ........................................................ 239!

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III.! Kapitel: Entwicklung und Umsetzung einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie der maritimen Industrie ...................... 244!

III.1! Pioniere grüner Nachhaltigkeitsstrategien und Green Awards ............... 245!III.2! Leitbild und Eckpunkte einer maritimen Nachhaltigkeitsstrategie ......... 250!III.3! Forschung und Entwicklung pro Nachhaltigkeit in Netzwerken ............ 258!III.4! Idee einer European Maritime Clean Tech Initiative .............................. 265!III.5! Nachhaltige Aus- und Weiterbildung für die maritime Wirtschaft ........ 270!

Literatur- und Webverzeichnis ..................................................................... 275!

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .......................................................... 281!

Stichwortverzeichnis ...................................................................................... 283!

Über die Autoren ............................................................................................ 292!

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Wird das Schiff der Zukunft grün? Visionäre rund um den Globus sind da-von fest überzeugt, dass Schiffbau und Seefahrt am Anfang einer grundlegen-den Neuausrichtung stehen. Dabei geht es darum, die ökologischen Herausfor-derungen unserer Zeit anzunehmen und gleichzeitig die ökonomische Machbar-keit nicht aus den Augen zu verlieren. Im Jahr der Atomkatastrophe von Fukushima stellt sich nicht nur die kurzfristige Frage, wie man bei uns mit radi-oaktiv belasteten Schiffen und mit Ballastwasser aus verseuchten Meeresregio-nen vor Japan umgeht. Eine weitaus folgenreichere Konsequenz wäre, Schiffe mit Atomantrieb auf unseren Weltmeeren nicht mehr zuzulassen, weil von ihnen ein zu hohes „Restrisiko“ ausgeht (siehe auch www.moratorium2011.de).

Aber es geht um viel mehr. Der mehrfach preisgekrönte belgische Architekt Vincent Callebaut hat die Vorstellung eines „grünen Schiffs“ durch und durch ernst genommen. Die Grünpflanzen auf dem Dach seiner Studie aus dem Jahr 2010 über ein futuristisches Binnenschiff dienen nicht nur als demonstratives Symbol der maritimen Zei-tenwende. Die Pflanzen sind auch Teil eines kleinen ausgeklügelten Ökosystems an Bord. Statt wie seine Vorgänger die Umwelt zu belasten, soll das „grüne Schiff“ mit einem Filtersys-tem das schmutzige Fluss-wasser reinigen, durch das es fährt.

Abb. 2: Physalia, Vincent Callebaut Architectures 2010

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Außerdem ist das walförmige, transparent wirkende Boot mit dem Namen Physalia (lateinischer Name einer portugiesischen Qualle) vielseitig mit Solar-Panels und Hydro-Turbinen ausgestattet. Callebauts Schiff soll auf großen Was-serstraßen wie Donau, Wolga oder Euphrat als Kreuzfahrtschiff unterwegs sein.

Auch wenn manche professio-nellen Schiffbauer und Seefahrer darüber schmunzeln oder es als romantische Phantasie bezeichnen mögen, ist der ernste Hintergrund der Arbeit dieses Designers und Umweltvisionärs nicht von der Hand zu weisen. Das Projekt “Phy-salia” tritt für konsequente Nach-haltigkeit ein. Es handelt sich um die Vision eines vielfältig einsetz-baren Schiffes, das mit seinem Antrieb die Umwelt weder mit Schwefel noch mit Kohlendioxid

belastet. Die Dachhaut besteht aus Solarzellen zur photovoltaischen Stromge-winnung. Im Rumpf sind Wasserturbinen verborgen, die zusätzlich die Wasser-kraft aus der Strömung des Flusses in Elektrizität umwandeln und gleichzeitig Teil der Schiffssteuerung sind. Die Aluminiumhaut des elegant geschwungenen Stahlschiffs ist mit Titaniumoxid versehen, das man aus der schmutzabweisen-den Oberflächenveredelung im Hausbau kennt. In Verbindung mit UV-Strahlung entsteht ein photokatalytischer Effekt der Titaniumoxid-Nanopartikel. Das wird in diesem Fall nicht nur zur Selbstreinigung des Schiffs, sondern auch zum Säubern des Flusswassers verwendet, ergänzt durch die biologische Filter-wirkung der Dachbepflanzung.

Zukunftsstudien wie der des 33jährigen Ökodesigners Callebaut kommt auch dann eine zentrale Bedeutung zu, wenn sie nicht sofort konkret umsetzbar sind. Je unkonventioneller und provokativer sie zu neuen Ideen und Projekten anre-gen, desto wegweisender können sie für aufmerksame Unternehmer und lang-fristig sogar für eine ganze Branche werden. Visionen wie diese regen mutige Macher zum Denken an und lösen Diskussionen über neue Entwicklungen und konstruktive technologische Umsetzungen an. Während sich die einen auf eine

Physalia (Zukunftsstudie) Designstudie: Vincent Callebaut Amphibischer Garten, der europäi-sche Flüsse reinigt und zugleich als schwimmendes Labor, Museum und Veranstaltungs-Forum dient Oberfläche: 2000 qm Länge: 80 m Breite: 14,9 m Höhe: 9,5 m www.vincent.callebaut.org

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verbesserte Formgebung konzentrieren, arbeiten die anderen an wesentlich energieeffizienteren Schiffsystemen, neuen High-Tech gestützten Steuerungs-systemen und smarten Lösungen der Logistik, alternativen Antriebsformen, innovativen Leichtbaumaterialien aus Biokunststoffen, intelligenter Sicherheits-technik und Terrorabwehr auf See, effizienteren Schiffsoperationen und neuen Möglichkeiten des Recyclings. Nicht alles ist dabei Zukunftsmusik.

PlanetSolar: Weltumrundung per Sonnenkraft

Im November 2010 verließ die MS Tûranor den Hafen von Mona-co Richtung Straße von Gibraltar und machte sich über den Atlanti-schen Ozean auf den Weg nach Florida, um dann im mexikani-schen Cancún Anfang Dezember die UN-Klimakonferenz COP 16 zu flankieren. Das besondere dabei: Die MS Tûranor: das erste reine Solarschiff, das einmal komplett um die Erdkugel fuhr.

Die Rückfahrt nach Europa ging über Australien, Singapur, Indien und Dubai. Der 31 Meter lange und 16 Meter breite Katamaran verfügt über rund 500 Quadratmeter Solarzellen an Bord. Der erzeugte elektrische Strom wird so gespeichert, dass das Boot auch drei Tage und Nächte ganz ohne Sonnenlicht weiterfahren kann.

MS Tûranor PlanetSolar (2010) Betreiber: PlanetSolar Sonnenbetriebenes Schiff mit All-tagstauglichkeit auch für größere Strecken Solarzellen: 470 qm Leistung: 480 kW / 24 Std. Länge: 31 m Breite: 16 m www.planetsolar.org

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Mit dieser Erdumrundung soll demonstriert werden, dass es nicht abwegig ist, von Schiffen zu träumen, die ausschließlich durch erneuerbare Energien versorgt werden. Vielfach kann man kleinere solarbetriebene Boote auch bereits auf Binnenseen oder im Hafen mieten. Dadurch wird ganz praktisch sichtbar, dass die solare Revolution auch im Schiffbau und an den Häfen bzw. in Küsten-regionen generell angekommen ist.

E/S Orcelle als Vision eines emissionsfreien Transportschiffs

Während der Solar-Katamaran schon die Weltmeere durchkreuzte, existiert der emissionsfreie Antrieb für ein Transportschiff bislang nur auf dem Papier. Die E/S Orcelle, benannt nach einer besonders bedrohten Delphinart, zeigt als Studie, was wohl um das Jahr 2025 herum Realität werden könnte. E/S steht

Abb. 3: MS Tûranor, PlanetSolar, 2010

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dabei für „environmentally sound ship“, hier mit „in puncto Umwelt einwand-freies Schiff“ übersetzt.

Konkret soll das Schiff der Zu-kunft durch eine Kombination aus Wellen, Wind und Sonne angetrie-ben werden. Die Kraft der Wellen treibt 12 delphinartige Flossen an. Drei kombinierte Sonnen- und Windsegel können bei Bedarf aus-gefahren werden. Auf konventio-nelle Motoren wird im Maschinen-raum ganz verzichtet. Fossile Brennstoffe, die die Atmosphäre mit Emissionen belasten oder die See verschmutzen, sollen nicht mehr zum Einsatz kommen. Statt-dessen sind Wasserstoff-Brennstoffzellen geplant, die im Betrieb ausschließlich Wasser-dampf emittieren. Die E/S Orcelle soll deshalb das grüne Flaggschiff

ihrer Flotte werden, kündigt die skandinavische Reederei Wallenius Wil-helmsen Logistics an.

Ihr modernes Design ist darauf ausgerichtet, optimale Ladekapazität für den Transport von Fahrzeugen und anderen Gütern rund um die Erde zu erhalten. Das Ladedeck ist so groß wie 14 Fußballfelder. 10.000 Fahrzeuge soll das Schiff mit nur einer Fahrt von Großbritannien in Länder wie Australien oder Neuseeland bringen. Wallenius Wilhelmsen übernimmt heute am Hafen Southampton Jahr für Jahr 160.000 Automobile insbesondere der Marken Jagu-ar und BMW.

Auf der Expo in Japan war zum ersten Mal ein Modell der Orcelle zu sehen. Mit einer Länge von 250 Metern wäre das Schiff drei Mal so lang wie eine Boeing 747. Durch die spezielle Schiffskonstruktion wird kein Ballastwasser zur Stabilisierung bei Leerfahrten nötig sein, was die unterschiedliche Arten-

E/S Orcelle (2025) Betreiber: Wallenius Wilhelmsen Logistics Wasserstoff-Brennstoffzellen und Wellen-, Wind- und Sonnenkraft in einem Schiff aus Aluminium und Thermokunststoff-Verbund Ladefläche: 85.000 qm Tragfähigkeit: 13.000 tdw Leistung: Solarzellen 2.500 kW Elektromotor 2x4000 kW Brennstoffzellen 10.000 kW Geschwindigkeit: 15-20 Knoten Länge: 250 m Höhe: 40 m (mit Segeln 95 m) www.2wglobal.org

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vielfalt der Kontinente schont. Wenn die Zukunftsstudie umgesetzt, ist soll die E/S Orcelle 15 bis 20 Knoten Fahrt machen. Sollten die Technologien erfolg-reich implementiert werden können, will Wallenius Wilhelmsen Logistics sie auch auf Passagierfähren und Kreuzfahrtschiffen zum Einsatz bringen.

Abb. 4: E/S Orcelle, Wallenius Wilhelmsen Logistics, 2010)

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High-Tech Segelschiffe vor der Wiedergeburt

Die Wiedergeburt von Segelschiffen aus klima- und umweltpolitischen Gründen gehört zu den umstrittensten Themen überhaupt. Ein begeisterter Ver-fechter, wie der Hamburger Schiffskonstrukteur Heinz Otto, weiß darüber bei seinen Fachvorträgen ein Klagelied zu singen. Oft wird schon das bloße Erwäh-nen der Rückkehrchancen zur Nutzung des Windes für Fracht- statt Sport- oder Erholungszwecke mit raschem Kopfschütteln und Ablehnen behandelt. Aber aus visionärer Sicht muss dem neuen Nachdenken über ein Nutzen des Windes für Antriebszwecke natürlich auch eine Chance eingeräumt werden, denn die Dyna-Rigg-Pläne von Wilhelm Prölss wurden in den 70-Jahren der maritimen Welt vorgestellt. In den 80er Jahren hat Kapitän Schwarz seine Entwicklung des Pinta-Rigg konstruktionsreif vorgelegt (mehr dazu auf Seite 102). !

Die Hamburger Schiffbau-Versuchs-Anstalt hat beispielsweise ein modernes Rigg entwickelt, welches 40 Prozent Brennstoffeinsparung ermöglicht. Be-triebsprotokolle sind Bestandteile einer Diplomarbeit. Dieser Zusatzantrieb, Indosail-Rigg genannt, hat sich in jahrelangem Einsatz bewährt. An vielen wei-teren alternativen Modellen, auf die weiter unten eingegangen wird, arbeiten weltweit Ingenieure und transferieren Know-how auch aus der einst noch belä-chelten neuen Wachstumsbranche Windenergie an Land wie auf See.

Mit romantischen Segelschiffs-kreuzfahrten verdienen auch deut-sche Reeder bereits gutes Geld. Der Kreuzfahrtsegler "Sea Cloud" hat ein Schwesterschiff namens "Sea Cloud II" erhalten, welches seit 2001 mit Erfolg betrieben wird. Nach Angaben der Linie verbinde das Schiff „zeitlose Eleganz der alten Windjammer mit den höchs-ten Sicherheitsstandards und dem luxuriösen Komfort moderner Kreuzfahrtschiffe.“ Die Segel wer-

den wie auf dem legendären 70 Jahre älteren Schwesterschiff per Hand gesetzt.

Sea Cloud II (2001) Betreiber: Sea Cloud Cruises 2 Viertaktmotoren mit 2x 1.240 kW ergänzen den Segelbetrieb (3.000 qm) des Kreuzfahrtschiffs Geschwindigkeit: 14 Knoten Länge: 117 m Breite: 16 m Höhe: 57 m www.seacloud.com

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Deutsche U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb

In der Geschichte des Schiffbaus gelten Kriegsschiffe als Innovationstreiber. Durch den sich zunehmend diversifizierenden Spezialschiffbau gilt das heute zwar nicht mehr im selben Maße, Fakt ist jedoch, dass aus den Verteidigungs-budgets so mancher Nation Fortschritte finanziert werden, die Jahre später auch in der übrigen Schifffahrt und anderen Technologien Einzug halten. Das Schiff mit Brennstoffzellen-Antrieb wurde in der Marine bereits Wirklichkeit. Mit der Serie U31 bis U34 sind die modernsten U-Boote der Deutschen Marine in Dienst gestellt worden. Mit einem Brennstoffzellen-Antrieb, der für U-Boote zweckmäßigerweise außenluftunabhängig gestaltet ist, könnte die Bundesmari-ne Impulse für die gesamte maritime Industrie geben. U-Boote dieser Klasse können mehrere Wochen ohne Auftauchen unter Wasser fahren.

In der Brennstoffzelle läuft chemisch gesehen eine „kalte Verbrennung“ ab, das heißt es wird elektrische Energie statt Wärme erzeugt. Deshalb entsteht in der Brennstoffzelle auch keine Abwärme. Zudem läuft der Prozess geräuschlos

Abb. 5: Deutsches U-Boot U34, Foto: Arne Lütkenhorst, Kiel

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ab. Das war zunächst in erster Linie nicht aus ökologischen, sondern aus militä-rischen Gründen beabsichtigt: Das geräuschlose und abwärmefreie Untersee-boot kann so faktisch nicht geortet werden.

Laut Zentrum für Brennstoffzel-lentechnik in Duisburg ist die Technologie besonders gut auch für Tauchfahrzeuge in der Tiefsee oder für Messstationen unter Wasser geeignet. Im Überseebereich, gera-de in ökologisch sensiblen Regio-nen, erschließt sich auch bei der Handelsschifffahrt oder im Kreuz-fahrtbereich ein Markt für Schiffe mit Brennstoffzellen.

Herausragende Clean Ship Initiativen an Ost- und Nordsee

In aller Welt wird am „Schiff der Zukunft“ und noch mehr an schnell prak-tisch umsetzbaren Klima- und umweltfreundlichen Lösungen geforscht und gearbeitet. Ein besonders herausragendes Beispiel ist das von der EU geförderte Projekt „Clean Baltic Sea Shipping“. Es wurde im dritten Aufruf des Ost-seeprogramms der EU von 2007 bis 2013 genehmigt. Die Helsinki Kommission zum Schutz der Ostsee (HELCOM) unterstützt das Großprojekt. In der kurz als „Cleanship“ bezeichneten Broschüre der Initiative heißt es: „Oberziel des Pro-jekts „Clean Baltic Sea Shipping“ ist die Verminderung von Luftverschmutzung durch Schiffe in der Ostsee und in Häfen und Hafenstädten.

Im Ergebnis soll das Projekt Lösungen aufzeigen, die unmittelbar zu um-weltfreundlicher Schifffahrt im äußerst gefährdeten Ökosystem der Ostsee füh-ren.“ Das Vorhaben wird im Ostseeprogramm als „strategisches Projekt“ gea-delt, Mehr als 50 Partner aus dem gesamten Ostseeraum wirken mit.

U-Boot-Klasse 212 A (2003) Betreiber: Bundesmarine (erstes U-Boot-Geschwader Eckernförde) Hybrid-Anlage mit Diesel-Gene-rator, Fahrbatterie, Wasserstoff- Brennstoffzellen und E-Motor Leistung: 3.120 kW Geschwindigkeit: bis 20 Knoten Länge: 56 m Breite: 7 m www.marine.de

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Im Oktober 2009 wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine „Strategie für den Ostseeraum“ angenommen. Die Strategie verfolgt als übergeordnete Ziele: eine „ökologisch nachhaltige Region“, eine „wohlhabende Region“, eine „ zugängliche und attraktive Region“ sowie eine „sichere Regi-on“. Das Ziel „Entwicklung zu einer öko-logisch nachhaltigen Region“, auf das hier näher eingegangen werden soll, umfasst folgende Schwerpunktbereiche:

1. Reduktion der Nährstoffzufuhr in die Ostsee auf ein vertretbares Niveau

2. Erhaltung der Naturräume und der biolo-gischen Vielfalt im Fischereibereich

3. Verringerung des Einsatzes und der Auswirkungen gefährlicher Stoffe

4. Umwandlung in eine Modellregion für saubere Schifffahrt

Zahlreiche Studien begleiten die Pilotprojekte in der konkreten Umsetzung, von der notwendigen umweltfreundlichen Infrastruktur über den Einsatz neuer Treibstoffe bis zu ökologischen Hafengebühren. Hierzu gehören beispielsweise die Entwicklung von Kriterien für umweltfreundliche Häfen unter Leitung von Stockholm, Helsinki und Turku oder Landanschlüsse für große Fähren im Ha-fen Oslo in Zusammenarbeit mit Color Line. Auf Konferenzen wird das EU-Beispielprojekt oft als „New Hansa“ aus Sicht des Klima- und Umweltschutzes bezeichnet.

CLEANSHIP wird formell durch ein Konsortium von 21Partnern getragen, bestehend aus Stadt- und regionalen Regierungen, Hafenorganisationen, Uni-versitäten und Vereinen. Die Partnerschaft setzt sich aus Organisationen zu-

Abb. 6: An der Ostsee, international Baltisches Meer genannt, hat sich ein weltweit einmaliges multinationales Verbundprojekt gebildet

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sammen, die politische Interessen, strategische Erfordernisse zu Harmonisie-rung, technischer Generalisierung und Pilotprojekten sowie den Bedarf für un-terstützende Untersuchungen vertreten.

Des Weiteren wird das Projekt von 19 assoziierten Partnern unterstützt, die keine offiziellen Partner sein können, aber das Projekt und seine Ziele mit eige-ner Mitwirkung und eigenem Geld unterstützen wollen. Unter diesen assoziier-ten Partnern befinden sich politische Organisationen des gesamten Ostsee-raums, nationale und regionale Regierungen, Reedereien, technische Gremien, Energielieferanten und Umweltvereine. Zusätzlich zu den offiziellen und asso-ziierten Partnern wollen viele Organisationen das Projekt unterstützen, ohne in die Aufgaben und Aktivitäten involviert zu sein.

Auch in Bremen gibt es eine Clean Ship Initiative. Dazu wurde eine ge-meinnützige Gesellschaft für angewandten Umweltschutz und Sicherheit im Seeverkehr mbH (GAUSS) gegründet. In der Informationsschrift der Initiative heißt es zum Ziel:

„Das Projekt Clean Ship soll über die Identifizierung und Durchfüh-rung von Projekten ein lokales Netzwerk aufbauen, das es den Akteuren zunehmend erlaubt, aktuelle Informationen zu techni-schen, rechtlichen und weiteren Fragen im Kontext Umweltschutz und Sicherheit auszutauschen. Ausgehend von konkreten Projek-ten sollen neue Partner einbezogen und der Aktionsradius erwei-tert werden. Schiffsbetriebsoptimierungen zur Treibstoffreduktion und Alternativen zu konventionellen Treibstoffen, Fragen des Wassermanagements, der Ab- und Ballastwasserbehandlung an Bord, aber auch der Einsatz von Querschnitts-Technologien durch innovative Außenhautbeschichtungen oder Einsatz von nachwach-senden Rohstoffen an Bord stehen im Fokus.“

Die Bremer Initiative definiert den Begriff Clean Ship im Projekt „im Sinne aller Entwicklungen und Anwendungen bei Design und Betrieb, die eine um-weltschonende Schifffahrt ermöglichen.“

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Praxisforum Green Shipping in der Umwelthauptstadt Europas Hamburg

Im April 2011 fand ein erstes Praxisforum Green Shipping in Hamburg statt, das besonders gut zu der frisch gekürten Umwelthauptstadt Europas passte. Auf dem hochkarätig besetzten Forum diskutierten über 200 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft inklusive Banken, Wissenschaft, Verbänden und kommunalen Ver-waltungen die neuen Herausforderungen grüner maritimer Logistik. Energieef-fiziente und umweltschonende Maßnahmen der Schifffahrt standen dabei im Mittelpunkt.

Senator Frank Horch, Präses der Behörde für Wirtschaft und Arbeit Ham-burgs, unterstrich dabei die Aktualität des Themas unter Hinweis auf die sofort eingeleiteten Maßnahmen zum Umgang mit eventuell kontaminierten Schiffen aus Japan. Wie der Maritime Koordinator der Bundesregierung, der Parlamenta-rische Staatssekretär Hans-Joachim Otto, machte auch Horch klar, dass Green und Clean Shipping zu neuen festen Bestandteilen der weltweiten Logistik wer-den. In Hamburg gibt es dazu für 2011 einen Wegweiser durch das grüne Lo-gistikjahr. Die weltbekannte Hansestadt wirbt mit dem neuen Signet „Green

Abb. 7: Umweltfreundliche Maßnahmen und ihre Kosten

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Logistics Capital Hamburg“. Politik und Wirtschaft sind sich einig, dass künftig international abgestimmte Regelungen für den grünen Seeverkehr notwendig sind, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Die Anstrengungen für einen sauberen Seeverkehr reichen von der Einfüh-rung der EEDI-Formel (Energy Efficiency Design Index), auf den weiter unten eingegangen wird, über marktorientierte Anreizsysteme zum Umweltschutz bis zu neuen Maßnahmenkatalogen für einen effizienteren und umweltfreundliche-ren Betrieb der maritimen Wirtschaft. Eine umfangreiche „Übersicht über den Stand der Technik und deren Verfügbarkeit bei energieeffiziente und umwelt-freundlichen Maßnahmen“ lieferte auf der gleichen Konferenz Volker Höppner, Geschäftsführer der Future Ship GmbH (Germanischer Lloyd). Die beiden Ta-bellen in diesem Abschnitt sind mit freundlicher Genehmigung des Referenten beispielhaft abgebildet. Sie zeigen, dass es nicht nur um visionäre Green Ship-ping Fragen der Zukunft geht, sondern dass die Umsetzung in der maritimen Industrie in vollem Gange ist.

Abb. 8: Energieeffiziente Maßnahmen, Verfügbarkeit und Kosten

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Es herrscht weltweit Aufbruchsstimmung in der maritimen Industrie und bei ihren Zulieferern. Unter anderem wird der Entwicklung von Innovationen für den Klima- und Umweltschutz großes Potenzial zugeschrieben, die deutsche maritime Player in einem schwierigen globalen Marktumfeld mit einem neuen Wettbewerbsvorteil ausstatten. Ganze Industrien erfinden sich neu, andere sprießen aus dem Boden. Innerhalb kürzester Zeit sind innovative Bereiche der Meerestechnik oder die Offshore-Windindustrie entstanden.

Die meisten Unternehmen im Schiffbau und Schiffsbetrieb fürchten jedoch Wettbewerbsnachteile, wenn sie ihre Kosten ohne Not durch Clean Tech Inno-vationen erhöhen. Man spricht hier von der MAC-Kurve, der Marginal Abate-ment Cost Curve, die die Grenzkosten aller Maßnahmen zur Reduzierung von Umweltfolgen beschreibt. Je klarer, verlässlicher und einheitlicher die ord-nungspolitischen Rahmenbedingungen in den Märkten sind, desto schneller werden Umweltinnovationen in großem Stil realisiert werden. So gesehen spie-len die Politik und international verbindlich einzuhaltende Vereinbarungen eine zentrale Rolle. Man kann an dieser Stelle vergleichsweise an die Einführung von Katalysatoren oder Rußpartikelfiltern in der Automobilwirtschaft erinnern, die im Grunde genommen nur gesetzgeberisch vermittelte Produkte waren, zunächst gegen laute Proteste der Automobilwirtschaft. Auf der anderen Seite stellt die Herausforderung eines konsequenten Klima- und Umweltschutzes für die maritime Industrie nicht nur eine Kostenlast, sondern auch eine große Gele-genheit dar, – trotz des weltweiten Problems von Überkapazitäten in den Werf-ten und trotz eines harten Preiskampfs – durch Innovationen neue Wachstums-Potenziale zu erschließen. Der für seine Ingenieursleistung in aller Welt be-rühmte Wirtschaftsstandort Deutschland hat damit die einzigartige Chance, mit neuen Technologien wieder eine Vorreiterrolle in der maritimen Branche einzu-nehmen.

Aus praktischer Sicht stehen heute für Schiffbau und Seefahrt vor allem die Herausforderungen aus Sicht des Klima- und Umwelt- sowie des Gesundheits-schutzes im Vordergrund, die durch Emissionen bedingt sind. Hat sich die mari-time Industrie lange – nach Auffassung mancher Experten zu lange – darauf

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ausgeruht, dass der Schiffstransport zu den ökologisch besten Verkehrsträgern zählt? Mehr denn je stehen heute Gefahren durch Schiffsemissionen im Mittel-punkt der Beobachtungen von Natur- und Verbraucherschützern, aber beschäf-tigen zunehmend auch die Schiffbauer, die Reeder und nicht zuletzt die Politik.

Tauwetter am Nordpol durch Schiffsemissionen

Besonders gefährlich sind die Rußpartikel der überwiegend im Schiffsver-kehr eingesetzten Dieselmotoren. Viele internationale Studien stimmen darin überein, dass in der Arktis rund 50 Prozent der um ca. 1,9 Grad erhöhten Tem-peratur von 1890 bis 2007 auf „Black Carbon“, also Rußpartikel und insbeson-dere hohe Schwefelanteile zurückzuführen sind. Die OECD Studie „Globaliza-tion, Transport and the Environment“ aus dem Jahr 2010 behandelt den Anteil des Schiffsverkehrs an der Umweltbelastung. Zusammenfassend heißt es dort:

„It is estimated that 80% of the maritime traffic is in the northern hemisphere, with 32% in the Atlantic, 29% in the Pacific, 14% in the Indian and 5% in the Mediterranean Oceans. The remaining 20% of the traffic in the southern hemisphere is approximately equally distributed among the Atlantic, the Pacific and the Indian Oceans. This chapter addresses the environmental impacts of the shipping activity. It explores the ongoing scientific debate regarding both the historic and the current fuel use in the sector, which has a direct relevance for the environmental impacts of the sector. The chapter describes modeling of air emissions from shipping and the geographically resolved emission inventory. It examines atmos-pheric impacts. Emission of pollutants to the air from a ship is often chemically transformed to secondary species and mixes with am-bient air. The chapter explores the impact on pollution levels and climate; for example, the effect on surface ozone shows a pro-found seasonality at northern latitudes. In closing, it looks at future impacts. Most scenarios for the near future, the next 10-20 years, indicate that regulations and measures to abate emissions will be outweighed by an increase in traffic, resulting in a global increase in emissions.

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Die Diskussion über Kraftstoffe für Schiffsmotoren in der Vergangenheit und der Gegenwart besitzt nach Ansicht der OECD große Relevanz bei der Untersuchung von Umweltauswirkungen der Schiffsbranche. Luftschadstoffe würden durch chemische Reaktionen oft auch indirekte Folgen nach sich zie-hen. Die meisten Szenarios zum Welt- und Klimaschutz würden zeigen, dass aktuell geplante Maßnahmen in den kommenden ein, zwei Jahrzehnten nicht einmal das erwartbare Wachstum des Verkehrs kompensieren könnten, ge-schweige den eine Senkung der Umwelt- und Klimabelastung.

Axel Friedrich, langjähriger Umwelt- und Verkehrsexperte rechnete bei der gleichen Tagung vor:

„Um dramatische Schäden zu vermeiden, muss der Anstieg der Temperatur im globalen Maßstab im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf maximal 2 Grad Celsius begrenzt werden. Um das Ri-siko der Überschreitung dieser 2°C-Grenze unter 30 Prozent zu halten, sind Reduktionen von 50-60 Prozent bis 2050 notwendig, bezogen auf 1990. Für die Industriestaaten bedeutet dies 80 bis 90 Prozent Minderung der Klimagase.“

Das renommierte International Maritime Journal „Hansa“ kritisierte in sei-nem Leitartikel von Chefredakteur Ralf Hinrichs zum Jahresbeginn 2011 die Ungleichbehandlung der europäischen und der übrigen Schifffahrt:

Abb. 9: Anteil der Emissionen aus dem Schiffsverkehr 2000 und ohne Minderung 2020 nach Angaben des UBA vom 24.01.2011

bei der NABU Konferenz Hamburg

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„Der Umweltschutz rückt 2011 wieder verstärkt in den Fokus. In der gegenwärtig sehr intensiven Diskussion unterschiedlicher Inte-ressenvertreter beim Zurückdrehen der Reduzierung der Schwefe-lemissionen in Nord- und Ostsee gerät auch die Politik zunehmend unter Druck. Hintergrund sind die 2008 von der International Mari-time Organization (IMO) festgelegten neuen Grenzwerte für den Schwefelgehalt im Treibstoff und die Stickoxide im Abgas. Der Schutz der Meere ist neben der Sicherheit der Seefahrt eines der Hauptanliegen der IMO. Niedergeschrieben sind die Umweltregeln in der MARPOL-Konvention (International Convention for the Pre-vention of Pollution from Ships) und ergänzenden Kapiteln. Um die Schadstoffemissionen geht es im Annex VI. Nicht das Treibhaus-gas CO2 steht hier im Vordergrund – denn hier gilt das Schiff be-reits als das umweltfreundlichste Transportmittel – sondern die Emissionen von Schwefel- und Stickoxiden (SOx, NOx) sowie von Feinstaubpartikeln. Mit Ausnahme von SO2 weist die Schifffahrt bei allen anderen Emissionsarten (CO2, NOx, Partikel) deutliche Vor-teile auf. Der Schwefelanteil im Schweröl sowie die Feinstaubbe-lastung durch Partikel ist ein ernstes Thema für die Seeschifffahrt.

(...) Besonders kritisch ist die Regelung, die in den Emissionsson-dergebieten Ostsee und Nordsee (Sulphur Emission Control Area SECA), den Schwefelgrenzwert auf 0,1 % ab 2015 senken soll, zurzeit gilt noch der Grenzwert von 1,0 %. Schiffsbetreiber, die in SECAs operieren, können diese Vorgabe durch den Wechsel von HFO auf Schiffsdiesel (MDO) einhalten oder auch durch Nutzung von Abgasreinigung bei der weiteren Nutzung von Schwerölen. Die ersten für die Schifffahrt modifizierten Anlagen von deutschen Her-stellern – sogenannte »Scrubber« – wurden schon Anfang 2010 vom GL zertifiziert. Nasse oder trockene Verfahren werden ange-boten. Bei beiden Verfahren stellt sich die Frage, was mit dem herausgefilterten Schwefel an Bord passiert. Das Waschwasser der Scrubber muss in Tanks gesammelt und im Hafen zur Entsor-gung an Land gepumpt werden, geradezu ideal für die Fährschiff-fahrt, aber mit Kosten verbunden.

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(...) Alle diese Regulierungen sind für die in den SECA-Gebieten tätigen Fähr- und Ro/Ro-Linienreeder sowie Feederreeder natür-lich mit enormen Kostenerhöhungen verbunden, und eine solche Erhöhung der Betriebskosten müssten die Reedereien dann an ih-re Kunden weitergeben. Die Anzahl der SECAs wird weltweit zu-nehmen, und die Schifffahrt wirkt weltweit. Weltweiten Regulierun-gen ist der Vorrang vor europaspezifischen Lösungen zu geben. Ein europäischer Alleingang führt zu Wettbewerbsnachteilen. Vielmehr sollte die Unterstützung der EU für neue IMO-Standards durch entschlossenes Handeln bekräftigt werden, indem diese

Standards in die EU-Gesetzgebung einbezogen werden. Das würde zusätzlich die Autorität der Hafenbehörden bei der Überwachung der neu-en Gesetze unterstreichen.“

Ordnungspolitischer Rahmen soll Zukunfts-Investitionen absichern

Die meisten Unternehmen jedoch fürchten Wettbewerbsnachteile, wenn sie ihre Kosten ohne Not durch solche Innovationen erhöhen. Je klarer, verlässli-cher und einheitlicher die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in den Märkten sind, desto schneller werden Umweltinnovationen in großem Stil reali-siert werden. So gesehen spielen die Politik und international verbindlich ein-zuhaltende Vereinbarungen eine zentrale Rolle. Man kann an dieser Stelle ver-gleichsweise an die Einführung von Katalysatoren oder Rußpartikelfiltern in der Automobilwirtschaft erinnern.

Auf der anderen Seite stellt die Herausforderung eines konsequenten Klima- und Umweltschutzes für die maritime Industrie nicht nur eine große Kostenlast, sondern auch eine große Gelegenheit dar, trotz des weltweiten Problems von Überkapazitäten in den Werften und trotz eines harten Preiskampfs durch Inno-

Abb. 10: Europäischer Alleingang bei Regulierungen führt zu Wettbewerbsnachteilen

(Chefredakteur Hinrichs in „Hansa“ 01/11)

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vationen neue Wachstums-Potenziale zu erschließen. Der für seine Ingenieurs-leistung berühmte Wirtschaftsstandort Deutschland hat damit die einzigartige Chance, mit neuen Technologien erneut eine Vorreiterrolle in der maritimen Branche einzunehmen.

Die Politik hat den möglichen Beitrag der Seefahrt zum Erreichen der Kli-maziele und zur gleichzeitigen Stabilisierung eines ganzen Wirtschaftszweiges erkannt. Der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Staatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP), lässt keine Gelegenheit aus, den öko-logischen Vorteil der Schifffahrt im Wettbewerb der Verkehrsträger zu betonen. Zusätzliche Transporte will die Verkehrspolitik in den kommenden Jahrzehnten noch stärker auf die so genannten Meeresautobahnen lenken, um den Kollaps in den Metropolregionen zu vermeiden und den CO2-Ausstoß im Straßenverkehr zu senken. Umso wichtiger wird es, die Umweltverträglichkeit der Seefahrt und der gesamten maritimen Wirtschaft weiter zu steigern.

Im Rahmen der SMM (Shipbuilding Machinery & Marine Technology), der Weltleitmesse der Schiffbauindustrie, fand im September 2010 in Hamburg der erste internationale Umweltgipfel der maritimen Industrie, gmec (global mari-time environmental congress) statt. 52 hochkarätige Referenten aus 36 Ländern trugen zu einer Bestandsaufnahme der aktuellen Umweltschutzprojekte bei und präsentierten Zukunftsideen. Tenor der Veranstaltung war: Eine ganze Branche nimmt gemeinsam die ökologischen Herausforderungen an und entwickelt wegweisende Lösungen für den Schutz von Umwelt, Küsten und Häfen. Chris-tian Schack stellte zum Beispiel auf dem Kongress die dänische Initiative „Green Ship of the Future“ vor. Das Ziel umriss er so:

“Green Ship of the Future’ is a Danish joint industry project for in-novation and demonstration of technologies and methods that makes shipping more environmental friendly”

Es handle sich also beim Grünen Zukunftsschiff der Dänen um ein Gemein-schaftsprojekt der dänischen Schiffbauindustrie, das Innovationen fördern und zugleich demonstrieren solle, wie die Schifffahrt durch neue Technologien und Methoden umweltfreundlicher werden kann.

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In der Initiative arbeiten rund 30 Firmen und Organisationen zusammen, da-runter auch die deutsche Firma MAN. Die Herausforderung besteht dabei nicht allein darin, Zukunftskonzepte zu entwickeln, sondern auch schnell anwendbare Lösungen für die bestehende Flotte.

Seit dem Jahr 2000 veranstaltet das Bundeswirtschaftsministerium regelmä-ßig Nationale Maritime Konferenzen, um den Dialog zwischen Wirtschaft, Wis-senschaft und Forschung, Gewerkschaften, Politik und Administration zu för-dern. Die NMK gilt als ernsthafte Plattform zur Zukunftssicherung der mariti-men Wirtschaft Deutschlands. Die jüngste Veranstaltung vom November 2010 rückte die Verantwortung für eine saubere maritime Industrie in den Vorder-grund, und zahlreiche Redner stellten erste Erfolge und neue Projekte aus ihren Unternehmen vor.

Massive Förderprogramme begleiten den Aufbruch einer ganzen Industrie in eine grüne Zukunft. Forschung und Entwicklung, Innovationnetzwerke, Aus- und Fortbildung – alles dreht sich um die Frage, wie ein sauberes maritimes Wachstum internationale Erfolge bescheren kann, wie unsere Meere, Seen und Flüsse sauber werden und bleiben. Innovationstreiber sind dabei vor allem die neuen Herausforderungen des Klima- und Umweltschutzes.

Maritime Industrie als Sachwalter der Meeresinteressen

Knapp zwei Drittel der Erde sind mit Wasser bedeckt. Deshalb kommt den Meeren von Natur her ein hoher Stellenwert für das ökologische Gleichgewicht zu. Meere speichern die Wärme der Sonne und sind damit sowie durch die Strömungen besonders wichtig für das Klima. Doch die Weltmeere sind zu-nehmend schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Manche werden durch die Seefahrt verursacht, manche durch die moderne Gesellschaft insgesamt. Mehr als eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Jeden Tag sterben Tausende Menschen, weil sie verschmutztes Wasser getrunken haben.

Auf dem World Forum für Wasser in Istanbul traten Wissenschaftler 2009 dafür ein, nicht nur gegen Wirtschafts- und Finanzkrisen oder Terrorismus zu kämpfen, sondern genauso gegen die Wasserverschmutzung wie gegen den

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Treibhauseffekt. Sonst drohe eine Wasserkrise, von der 2030 jeder zweite Er-denbürger betroffen sein wird.

Die maritime Industrie versteht sich heute besonders als Sachwalter der Meeresinteressen. In der Gesamtbetrachtung einer „grünen Schifffahrt“ ist au-ßerdem neben dem Meeresschutz auch der Schutz der übrigen Umwelt zu se-hen, soweit Schiffsbetrieb oder Schiffbau inklusive der damit verbundenen ge-samtlogistischen Prozesse daran Anteil haben.

Zu den ökologischen Herausforderungen des „Going green“ der maritimen Wirtschaft zählen schlagwortmäßig in erster Linie:

• Klima-Beeinflussung durch Emissionen auf See und im Hafen • Energie- und Ressourcenintensität der maritimen Wirtschaft • Umweltbelastung durch See- und Küstentourismus inklusive

„Walewatching“ • Abfälle und ihre Entsorgung inklusive Plastikmüll auf See • Lärm oberhalb und unterhalb der Wasserlinie • Bilgewasser mit Öl- und Kraftstoffresten • Verseuchungen im Rahmen von Erdöl-Gewinnung u. -Transport • giftige Schiffsanstriche • Ballastwasser-Belastung auf die Artenvielfalt • Meeresbelastung durch die Einleitung von Schwarzwasser (Toi-

lettenabwasser) und Grauwasser (Brauchwasser) • Schwermetalle, Dünnsäure, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Ra-

dioaktive Stoffe • überhöhter Fischfang, Walfang und Robbenjagd • ökologische Folgen von Aquakulturen aller Art • Offshore Energiegewinnung und das Verlegen baumdicker

Stromleitungen an Land • Folgen des Einsatzes innovativer Meerestechnik für die Roh-

stoffgewinnung • Konsequenzen der Nutzung vorhandener Rohstoffe unter den

Polkappen u.a.

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Die drohende Klimakatastrophe, um eine der größten Herausforde-rungen herauszugreifen, bewirkt schon heute eine Reihe von stören-den Phänomenen im Meereshaus-halt. Auch wenn die Seefahrt selbst an den klimaschädlichen Koh-lendioxid-Gasen nur für einen An-

teil von 2,7 bzw. 3,3 Prozent (nach unterschiedlichen Quellen) verantwortlich zeichnet, so ist CO2 für eine nachhaltig handelnde maritime Industrie dennoch zu einem zentralen Thema geworden, wiederum ganz analog zur Automobil-wirtschaft. Im Meer verursacht der Klimawandel vor allem drei Phänomene.

Erstes Phänomen: Die Meerestemperatur steigt an.

Die Ursache liegt in der globalen Erderwärmung durch den Treibhauseffekt. Ein Teil der Erwärmung ist von der Natur gewollt. Die kurzwellige UV-Strahlung der Sonne trifft auf die Erde. Würde ihre Wärme ungehindert ins All reflektiert werden, würde die Temperatur auf der Erdoberfläche trotz Sonnen-einstrahlung auf im Schnitt minus 18 Grad abfallen. Doch Gase in der Erdat-mosphäre wie Wasserdampf, Kohlendioxid und Methan lassen nur kurzwellige UV-Strahlung durch; die von der Erde reflektierte langwellige Strahlung wird daran gehindert. Stattdessen reflektiert die Atmosphäre einen Teil der Erdstrah-lung wieder zurück. So entsteht der natürliche Treibhauseffekt, der eine Durch-schnittstemperatur von plus 15 Grad auf der Erdoberfläche bewirkt. Dieses na-türliche Gleichgewicht wird durch die vom Menschen beschleunigte Freiset-zung von Kohlendioxid gestört.

Folgen des Klimawandels für die Weltmeere steigende Meerestemperatur steigender Säuregrad steigender Meeresspiegel www.bmu.de/meeresumweltschutz

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Durch die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Erdöl wird Kohlen-stoff, der über Millionen von Jahren hinweg der Atmosphäre entzogen wurde, mit Sauerstoff zu Kohlendioxid verbrannt. So gelangt Kohlendioxid in überpro-portionalen Mengen in die Atmosphäre und verstärkt den Treibhauseffekt. Das lässt die Meerestemperatur ansteigen, was ganze Lebensräume von Tieren und Pflanzen im Meer verändert und verschiebt, von Änderungen der klimabestim-menden Meeresströmungen hier ganz zu schweigen.

Zweites Phänomen: Der Säuregrad des Meerwassers steigt an.

Ein Teil des vom Menschen verursachten Kohlendioxids wird durch das Meereswasser gebunden. Fast die Hälfte des weltweiten CO2 wird durch stei-genden Druck der Atmosphäre in das Meerwasser gepresst. So entsteht die Kohlensäure H2CO3. Eine zunehmende Versauerung des Meeres ist die Folge. Bestimmte Meereslebewesen besitzen nur geringe Toleranz für Änderungen des pH-Wertes. Da Säuren kalklösend wirken, sind in der Folge Korallen bedroht, die ohnehin unter den steigenden Wassertemperaturen leiden. Wenn Korallen-

Abb. 11: Schmelzende Eisberge in der Arktis

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riffe absterben, wird auch für andere Meereslebewesen eine wichtige Lebens-grundlage entzogen. Auch Schalentiere sind durch Übersäuerung bedroht, weil bei ihnen Schäden an den Kalkschalen auftreten. Wenn Meeresorganismen wie Seesterne, Seeigel, Muscheln oder Kleinstkrebse aussterben, fällt der Beginn der Nahrungskette in den Meeren weg – und damit gleichzeitig die Nahrungs-grundlage für viele Fische. Sterben die ersten Fischarten, sind wiederum weitere bedroht, die sich von diesen ernähren. Lediglich Seegras, Meeresalgen und Quallen fühlen sich in einem übersäuerten Meer wohl. Ansonsten warnen erste Experten vor dem größten Artensterben seit 65 Millionen Jahren.

Die Problematik der Übersäuerung der Meere gewinnt auch aus Sicht des sogenannten Geo Engineerings als neue Umwelttechnologie eine neue Bedeu-tung. Um die insbesondere bei der Verbrennung von Kohle und fossilen Brenn-stoffen anfallenden enormen Mengen an CO2 klimaneutral zu entsorgen, gibt es Projekte und Überlegungen zum Auffangen, Transportieren und Versenken des schädlichen Klimagases unter der Erde. Die sogenannte CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) zielt dabei auch auf Nutzungsmöglichkeiten des Meeres, was die Gemüter von Meeresforschern und Fischern tief beunruhigt, da zahlreiche Sicherheitsfragen und Umweltfolgen ungeklärt sind, zum Beispiel eine weitere Versauerung der Meere durch Kohlensäure.

Drittes Phänomen: Der Meeresspiegel steigt an.

Auf dieses Phänomen machte die Regierung der Malediven spektakulär im Vorfeld der Klimakonferenz von Kopenhagen im Oktober 2009 aufmerksam, weil die Malediven als erste Inselgruppe beim Meeresanstieg untergehen wür-den. In weltweiten Presseberichten dazu hieß es:

„Präsident Mohammed Nasheed und sein Kabinett tagten (!) in voller Taucherausrüstung eine halbe Stunde lang an einem hufei-senförmigen Tisch in sechs Metern Tiefe. Im Anschluss sagte der Präsident: ‚Bei der Sitzung hat es weniger Debatten als sonst ge-geben, dafür ist mehr Arbeit erledigt worden.’ “

In diesem Sinne geht es darum, nicht allein über die Gefahren des Klima-wandels und Meeresanstiegs zu reden, sondern mehr zu handeln. Auch deutsche

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Küstenregionen wären übrigens betroffen, genauso wie weite Teile tiefer lie-gender Länder, vor allem Holland.

Der Meeresanstieg hat zweierlei Ursachen. Durch die Aufheizung der Ozea-ne dehnt sich erstens das Wasser in seinem Volumen aus. Durch die Aufhei-zung der Luft schmelzen zweitens mit zunehmender Geschwindigkeit Gletscher und Eisschilde und bringen so zusätzliches Wasser in die Ozeane ein. Aktuell steigt der Meeresspiegel um durchschnittlich 3,2 Millimeter pro Jahr. Während des 20. Jahrhunderts betrug der Anstieg insgesamt 17 Zentimeter. Weltweit nimmt das Ausmaß von Überschwemmungen zu. Vor allem Inselstaaten und Länder mit breiter Küstenfläche und tief liegendem Hinterland sind betroffen. Gefährdete Länder wie Bangladesch können sich aufwändige Küstenschutz-maßnahmen oft nicht leisten.

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Wenn man die oft strahlend schönen Kreuzfahrtschiffe, Yachten oder Segel-boote auf dem Meer, im Hafen oder auf Hochglanz-Prospekten sieht, ahnt man kaum, dass sich hinter dem schönen Schein auch unsaubere Praktiken verber-gen, über die vielfach hinweg geschwiegen wird. Das bezieht sich sowohl auf den Bau als auch den Betrieb von Schiffen sowie Aktivitäten der maritimen Wirtschaft insgesamt.

Unterschiede im globalen Schiffbau

Während man bei einer Flusskreuzfahrt die malerischen Landschaften an den Ufern des Yangzi bewundert, erhält man ungewollt von Zeit zu Zeit auch überraschende Einsichten in Chinas Schiffbaupraktiken. Ohne Werkshallen lagern am Ufer halbfertige Schiffsrümpfe oder Schiffsteile, an denen fleißig montiert und geschweißt wird. Zu den Schiffbaustellen führen eher Feldwege als Straßen und unter den Arbeitsplätzen gibt es kaum Beton, geschweige ande-re Vorsichtsmaßnahmen gegen ein Verschmutzen des Bodens oder des Flusses. Der berühmte gelbe Fluss fließt davon unberührt weiter, auch wenn an seiner Mündung in Shanghai die Expo 2010 als erste Weltausstellung stark auf Um-

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welt- und Klimafreundliche Lösungen fokussiert war oder das 2010 erschienene Buch „Evolution of Green China“ von Zhu Ling große Fortschritte des Landes im Umweltschutz feststellt. Wen wundert es unter solchen Bedingungen, dass sich die europäische maritime Industrie schwer gegen viele neue Konkurrenten vor allem aus Asien tut? Praktizierter Umweltschutz ist schließlich auch ein relevanter Kostenfaktor, unterlassener Umweltschutz demnach ein deutlicher Kostenvorteil. Hierzulande gelten strenge Vorschriften für das Einrichten einer Fertigungsstätte, die oft schon für kleinste Werkseinheiten sogar eine Behinder-tentoilette vorschreiben und Arbeiten unter freiem Himmel nur mit strengen Auflagen ermöglichen.

Passend zu diesen persönlich seitens der Autoren oft erlebten Verhältnissen gab es im Dezember 2010 einen rabenschwarzen Tag für die maritime Wirt-schaft Europas, der in der deutschen Presse wenig beachtet wurde. Am 16. De-zember 2010 verbreitete der Dachverband der europäischen Schiffbauverbände CESA in Brüssel eine Pressemitteilung. Sie trug die Überschrift „Prospects for Fair Trade Conditions in World Shipbuilding Collapse“ (Hoffnungen auf faire Handelsbedingungen im Weltschiffbau brechen zusammen). Mehr als zwei Jahrzehnte an Verhandlungen der OECD seien zu einem bitteren Ende gekom-men, schrieb Generalsekretär Dr. Reinhard Lüken enttäuscht. Selten war ein Schreiben seines Hauses so von Emotionen geprägt. Der weltweite Schiffbau-markt werde ein „Terrain ohne Regeln“ bleiben, nun stünden Tür und Tor offen für eine „wenig nachhaltige Preispolitik, für spekulative Praktiken und für sub-ventionsbedingte Marktverzerrungen“. Was steckt dahinter?

In erster Linie geht es um viel Geld. Europäische Werften generieren einen jährlichen Umsatz zwischen 30 und 40 Milliarden Euro. Allein diese beiden Zahlen zeigen, wie anfällig das Geschäft gegenüber Schwankungen des Marktes ist. Systematisch erzeugte Überkapazitäten in asiatischen Werften haben eine Preisschlacht ausgelöst, an der sich insbesondere Regierungen in Peking, Tokio und Seoul durch massive Subventionsprogramme beteiligt haben. Qualität und Umweltschutz, aber auch Arbeitsplätze würden am Ende massiv leiden, konsta-tierte Dr. Lüken am Tag der OECD-Entscheidung.

Deutsche Anleger haben über Beteiligungsfonds in den letzten Jahren jedes sechste Schiff finanziert, das weltweit gebaut wurde. Mehr als eine Viertelmil-lion deutscher Anleger haben insgesamt 45 Milliarden Euro in Containerschiffe,

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Tanker und Frachter investiert und halten u !ber so genannte Ein-Schiffs-Gesellschaften die Anteile an 2.500 Schiffen. Unsere Anleger hätten es also durchaus in der Hand, durch das Hinwirken auf eine nachhaltige Anlagestrate-gie den eigenen maritimen Produktionsstandort Deutschland zu stärken und damit mittelfristig wirtschaftlichen Nutzen aus der Innovationsführerschaft un-serer Industrie zu ziehen, statt mit ihren Geldern Auftragsverlagerungen in Bil-liglohnländer zu finanzieren, deren Engagement für Qualität und Ökologie noch unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Das gleiche gilt für unsere Banken. Für die Schiffsfinanzierung ist Deutschland der wichtigste Standort weltweit.

Das Fatale an den gescheiterten OECD-Verhandlungen über fairen Wettbe-werb war die einseitige Vorleistung, die die Europäische Kommission dafür erbracht hatte. Seit 2004 hatten die Regierungen der EU auf staatliche Subven-tionen für die angeschlagene Branche verzichten müssen, um die Ernsthaftigkeit der Verhandlungen für ein internationales Abkommen der maritimen Industrie zu unterstreichen. Doch dieser Schritt kam der asiatischen Politik nur zu passe: Statt mit der EU gleichzuziehen, verstärkte Asien sein Tempo im Kampf um die Weltherrschaft im Schiffbau. Die Asiaten können aufgrund niedrigerer Arbeits-löhne und oftmals dank Steuerbefreiung wesentlich billiger produzieren als ihre europäischen Wettbewerber. Vor 30,40 Jahren amüsierten sich europäische Branchenriesen noch über die ostasiatischen Werften. Doch dann spielten die Asiaten ihren Kostenvorteil aus. Inzwischen ist das Gefühl in Respekt und Angst vor Fernost umgeschlagen, zumal sich nun auch Vietnam, Indien, die Philippinen und Taiwan unter den Top Ten der maritimen Branche befinden. Diese vier asiatischen Newcomer bauen bereits genauso viel an Bruttoregister-tonnen pro Jahr wie Deutschland, Italien und die Türkei zusammen.

Neue Anforderungen an das Management

Um eine hohe Umweltverträglichkeit allen maritimen Wirtschaftens zu er-reichen, muss die Schiffbauindustrie schneller als in den vergangenen Jahren sicherstellen, dass

– das Erzeugnis „Schiff! alle Eigenschaften erhält, die für eine geringe Belastung der Umwelt, insbesondere in den Seeräumen und auf Was-serstraßen, sorgen,

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– der Werftbetrieb selbst den Anforderungen ökologischen Wirtschaf-tens genügt.

Das setzt voraus, dass Schiffsneubauten und Reparaturschiffe in Verbindung mit dem Stand der Technik umwelttechnisch so ausgerüstet werden, dass sie den (inter-nationalen) Regeln für den Klima- bzw. Umweltschutz genügen. Anforderungen ergeben sich dadurch auch an die Zulieferindustrie, die wegen der abnehmenden Fertigungstiefe der Werften in steigendem Umfang an der umwelttechnischen Qualität des Schiffbaus beteiligt ist. Siehe dazu der Ab-schnitt „Fortgeschrittene saubere Schiffbauprozesse und Ökobilanzen“.

Sinneswandel auf See und im Hafen

Die Seeverkehrswirtschaft wird durch den Betrieb von seegehenden Han-dels-, Passagier-, Fischerei- und sonstigen Schiffen bestimmt. Sie belasten die Gewässer und die Luft insbesondere wegen der Verschmutzung durch:

- Öl - schädliche flüssige Stoffe - Schadstoffe, die in verpackter Form befördert werden - Schiffsabwasser - Schiffsmüll - Abgase

Noch in den 50er Jahren war es üblich, Öltanks bei Leerfahrten mit Meeres-wasser auszuspülen und das Waschwasser anschließend ins Meer abzulassen. Weniger um die Meere zu schützen, als um einer Verschmutzung der Küsten vorzubeugen, wurden Abkommen geschlossen, das ein Überbordpumpen von Waschwasser in Zonen von 50 Seemeilen bis zur Küste verbot. Analoge Ver-botsregeln gelten, wie der Überblick zu neuen Gesetzen in der Seefahrt weiter unten zeigt, für die vielen anderen stillen Praktiken des heimlichen Verklappens von Müll und Schadstoffen auf hoher See oder das unkontrollierte Reinigen Treibstoff bzw. Ballasttanks.

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Ähnliche Belastungen treten im Hafenbetrieb neben dem Einsatz von Was-serfahrzeugen für den Bugsier-, Lotsen- und Aufsichtsdienst sowie für repara-tur- und hafentechnische Arbeiten durch Güterumschlag/Lagerprozesse auf.

Wichtigste Luftschadstoffe im Schiffsbetrieb

Zu den unsauberen Praktiken auf den Weltmeeren tragen bei der Luftverschmutzung durch die Schifffahrt vor allem konventionel-le Verbrennungsmotoren bei. Dabei sind vier wesentliche Abgaskom-ponenten von Dieselmotoren zu berücksichtigen: CO2, NOx, SOx und Partikel.

• CO2 (Kohlendioxid) ist als Treibhausgas wie oben geschildert für die globale Erderwärmung nach allgemeinem Verständnis des UN-Weltklimaberichtes maßgeblich mitverantwortlich. Im glei-chen Maße, in dem man den Kraftstoffverbrauch der Dieselmoto-ren reduziert, sinkt auch deren Ausstoß an CO2. Neben Maßnah-men für eine weitere Effizienzsteigerung der Verbrennungsmoto-ren zählt auch die Entwicklung alternativer Energieerzeugungs-formen zu den Herausforderungen der maritimen Industrie und ihrer Zulieferer.

• NOx bezeichnet die Stoffgruppe der Stickoxide, die durch die hohen Temperaturen im Verbrennungsraum des Motors entste-hen. Stickoxide sind Mitverursacher des sauren Regens und mit-verantwortlich für die Ozonbildung in Bodennähe. Um die NOx-Emissionen zu reduzieren, kann ein Motor optimiert werden, so dass die Temperaturspitzen während des Verbrennungsvorgangs abgemildert werden. Auch Maßnahmen zur Abgas-Nachbehandlung können vorgenommen werden.

Folgen der Luftschadstoffe auf See

• Kohlendioxid (CO2): globale Erder-wärmung durch Klimawandel

• Stickoxide (NOx): saurer Regen und Ozonbildung in Bodennähe

• Schwefeloxide (SOx): saurer Regen, Beitrag zum Klimawandel

• Partikel: Feinstaubbildung führt zu Lungenkrankheiten

www.bmu.de

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• SOx bezeichnet die Schadstoffgruppe der Schwefeloxide. Schwe-fel schädigt Katalysatoren, die sonstige giftige Schadstoffe um-wandeln. Beim Kontakt mit Wasser und Sauerstoff reagiert Schwefeldioxid zu Schwefelsäure und verursacht sauren Regen, der Pflanzen und Fische schädigt. Schwefeltrioxid reagiert mit Wasser sogar explosionsartig. Schwefelkohlenstoff ist hochgiftig. Und Schwefelhexafluorid soll im Vergleich zu CO2 sogar ein zehntausendfaches Treibhauspotenzial besitzen. Der SOx-Ausstoß hängt nicht vom Motor ab, sondern rein von der Menge Schwefel im verwendeten Kraftstoff. Die einzige Möglichkeit, SOx zu reduzieren, liegt daher in Technologien zur Abgas-Nachbehandlung oder im Einsatz schwefelarmer Kraftstoffe wie Erdgas.

• Partikel: Bei den meisten älteren Schiffsmotoren entweicht der Dieselrauch noch heute ungereinigt in die Umgebungsluft. Passagiere spüren bei ungünstigen Windverhältnissen ein unan-genehmes Stechen in der Nase. Die winzigen Partikel dringen bis in die feinsten Verästelungen der Lunge ein und können dort Entzündungen oder Krebs verursachen. Auf zahlreichen Binnen-gewässern gelten bereits Abgasvorschriften für Schiffsmotoren, die auch den Einsatz von Partikelfiltern vorschreiben. Effiziente Partikelfilter halten über 99 Prozent der gesundheitsschädigenden Dieselrußteilchen zurück, die vom Abgasreinigungssystem an-schließend sporadisch abgebrannt und dadurch zerstört werden. Partikelfilter sind grundsätzlich nachrüstbar, der Treibstoffver-brauch steigt durch diese Abgasnachbehandlung nur leicht. Doch auf den Weltmeeren unterliegen Schiffe bislang größtenteils nur sehr geringen Umwelt-Anforderungen. Die Verbrennung von Schweröl führt noch heute zu Partikel-Belastungen in Hafenstäd-ten und stark befahrenen Seegebieten. Während für neue Lkw in Europa bis 2014 die neue Euro-6-Norm eingeführt wird, was de-ren Partikelausstoß um zwei Drittel (und Stickoxide um 80 Pro-zent) reduziert, emittiert ein Schiff durchschnittlich 4.500 Mal so viele Rußpartikel pro Ladungseinheit wie ein moderner Lkw.

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Anschaulich werden die Schadstoffbelastungen vor allem in Seehäfen, wenn die Abgase der Dieselmotoren die Luft schwarz werden lassen. Bei der Detail-planung der neuen HafenCity, die bis 2013 in Hamburg entsteht, führte ein Gut-achten im Auftrag der Hansestadt über die Auswirkungen des geplanten Kreuz-fahrtterminals zu der Entscheidung, dass in der Nähe keine Wohnhäuser, son-dern nur Bürogebäude entstehen dürfen. Der Grund: Die zulässigen Grenzwerte für Stickoxid, Schwefeldioxid und Feinstaub werden durch die „Traumschiffe“ bei weitem überschritten. Die Anwohner in Hafenstädten wie Lübeck oder Kiel beklagen zudem schon immer die mangelnde Luftqualität, wenn Kreuzfahrt-schiffe bei Hafenaufenthalten ihre Dieselaggregate Tag und Nacht betreiben. Kiel hat reagiert und ließ für längere Schiffsaufenthalte eine Landstromversor-gung errichten. Allerdings brauchen große Kreuzfahrer bis zu 15 Megawatt an Leistung. Außerdem müssen Schiffe für die Landstromversorgung umgebaut werden. Derzeit fehlen selbst die internationalen Standards für die Anschlüsse.

Besonderheiten der Binnenschifffahrt

Prinzipiell gelten die genannten Aspekte umweltverträglichen Verhaltens auch für die Binnen- und im besonderen Maße für die Küstenschifffahrt. Da von Binnen- und Küstenmotorschiffen die gleichen betriebsbedingten Umwelt-belastungen wie bei Hochseeschiffen ausgehen, sind die Ökosysteme an Was-serstraßen und Binnenseen sowie im küstennahen Bereich besonders betroffen. Wegen der hohen Sensibilität der betroffenen Öko-Systeme und ihrer Beschä-digung durch Havarien und Unfälle gilt der Problematik hohe öffentliche Auf-merksamkeit. Der Untergang eines Säuretankers mit zwei Toten auf dem Rhein vom Januar 2011 und die anschließende mehrtägige Sperrung der Rheinschiff-fahrt an der Loreley hat dies erneut anschaulich unterstrichen. Auch der Um-fang des Binnenschiffsverkehrs erfordert Beachtung:

- die deutsche Binnenflotte bestand laut Statistischem Jahrbuch zum 31.12.2008 aus 4678 Einheiten, davon über 921 Gütermotorschiffe, 398 Tankmotorschiffe

- das Durchschnittsalter der Gütermotorschiffe beträgt 54,4 Jahre, das der Tankmotorschiffe 29,2 Jahre,

- 2008 wurden insgesamt 245 662 • 10" t Güter befördert, darunter 39.603 • 10" t Mineralöl, -erzeugnisse, Benzol

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Erhöhte Anforderungen der Offshore-Industrie

Die sich ausweitende Verlagerung u. a. von Energiegewinnung und -erzeugung in seegestützte küstenferne Standorte stellt eine besondere Heraus-forderung für einen wirksamen Umwelt- und Klimaschutz dar. Obwohl in deut-schen Hoheitsgewässern keine Bohr- und Förderanlagen im Tiefseebereich betrieben werden, erfordert die Erdöl- und Erdgasförderung im Wattenmeer bzw. küstenfern (Erdöl-Förderplattform „Mittelplate# 8 Kilometer bzw. Erdgas-Förderplattform „Entenschnabel im Erdgasfeld A6-B4 300 Kilometer vor der Küste in der ausschließlichen Wirtschaftszone AWZ) höchste Anstrengungen für umweltschonendes Betreiben der Förder- und Transportanlagen. Die hierfür eingerichteten Sicherheitssysteme zum Schutz der maritimen Umwelt haben sich bewährt. Angesichts des Erfordernisses, wegen der Erschöpfung der ge-winnbaren Vorräte auch weiterhin Erdgas-/Erdölerkundung zumindest im Schelfbereich fortzuführen und höffige Strukturen auszubeuten, bleibt die Offs-hore-Gewinnung ein herausragender Komplex für die Verbesserung und Ver-vollkommnung sicherer Umwelttechnologien. In ähnlicher Weise ist die Nut-zung der Windenergie mit Offshore-Anlagen zu sehen.

Da deutsche Windkraftanlagen generell in der AWZ des deutschen Festland-sockels küstenfern geplant und betrieben werden, ergeben sich auch künftig weitere umweltrelevante Anforderungen hinsichtlich des Betriebs der Anlagen (u. a. Hubschrauberplattformen, Fortleitung der erzeugten Elektroenergie bis zum Einspeisepunkt an der Küste, Verlegung von Hochspannungs-Seekabeln). Berücksichtigt werden muss, dass Offshore-Anlagen auf dem offenen Meer hohen korrosiven Gefährdungen und wetterbedingten Einflüssen ausgesetzt sind, denen wiederum mit Maßnahmen begegnet werden muss, die hinsichtlich Korrosionsschutz, Einsatz meerwassergeeigneter Werkstoffe, Kapselung von Anlagenteilen usw. ihrerseits umweltrelevante Bedeutung haben.

Maritimer Tourismus

Die definierten Tätigkeits- und Geschäftsfelder dieses Wirtschaftsbereichs sind im Detail sehr umfangreich und setzen jeweilige Schwerpunkte im Um-

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gang mit den Schutzgütern. Regional bezogen lassen sich ausgewählt folgende umweltrelevante Merkmale identifizieren:

Die Küsten und Inseln des deutschen Ostseeraumes sind stark vom Touris-mus geprägt, der neben der Werftindustrie und dem Handel der wichtigste Wirt-schaftssektor ist. Ein wichtiger Bereich des Fremdenverkehrs ist der Badeurlaub in Seebädern. Er ist von einer für den Ostseebereich typisch-starken Saisonalität gekennzeichnet, welche die Monate Juli und August als Schwerpunkt haben. Weitere Faktoren im Ostsee-Tourismus sind Kreuzfahrtschiffe, die beispiels-weise in Kiel und Rostock-Warnemünde anlegen, sowie maritime Großveran-staltungen wie die Kieler Woche oder die Hanse Sail, die jeweils Millionen von Besuchern anziehen.

Abb. 12: Touristische Belastung in Mecklenburg-Vorpommern (2008)

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Tourismus kann Küsten-Ökosysteme indirekt und direkt beeinträchtigen: durch Versiegelung wird ein Küsten-Lebensraum meist degradiert. In vielen Ländern entsorgen Hotels und touristische Anlagen ihre Abfälle direkt im Meer und leiten Abwässer ein. Insofern kommt dem ökologisch orientierten Wirtschaften in der Tourismusbranche an der Ostsee größte Bedeutung zu.

Bisherige Konzepte zur Umweltverträglichkeit haben vielfach Wirkung ge-zeigt, weisen aber andererseits noch Rückstände auf. Erforderlich wären u. a. tiefergehende Analysen zum Umweltbewusstsein der Urlauber und Touristen sowie Beeinflussung von Verhaltensweisen, die die Qualität des Umweltschut-zes erhöhen (beispielsweise Projekte wie „Müllvermeidung bei Freizeitaktivitä-ten im Strandbad Wannsee“, auf die Boris Kudevita in seinem Beitrag „Bad ohne Reue“ schon 1994 im Müllmagazin hinwies).

Aufgrund der Einzigartigkeit des Wattenmeeres der Nordsee und einer seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewachsenen Aufmerksamkeit für die Bedrohung des Systems durch menschliche Nutzungen wie Tourismus, Fische-rei, Schifffahrt und zunehmend der Offshore-Wirtschaft unterliegt das Watten-meer bereits derzeitig einer Reihe internationaler Schutzabkommen, die durch diverse nationale Naturschutzmaßnahmen ergänzt werden. Die Tatsache, dass die UNESCO die deutschen und niederländischen Teile des Wattenmeers 1991 als Biosphärenreservat anerkannt und sie somit unter internationalen Schutz gestellt hat, unterstreicht die Beibehaltung der Aktivitäten für einen sanften Tourismus, der wirtschaftliche Effizienz der Tourismusbranche mit einem ho-hen ökologischen Standard vereint.

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Verborgene Missstände in Arbeits-/Lebensumständen an Bord

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Arbeitsbedingungen an Bord und unter verschiedenen Flaggen oft grundlegend unterscheiden. Oftmals bestehen Schiffsbesatzungen im Frachtschiffbereich nur aus sehr wenigen europäischen Führungsoffizieren und dem Kapitän, während das übrige Schiffspersonal sich vor allem aus Billiglohnländern Asiens, Afrikas und verstärkt auch Osteuropa rekrutiert. Entsprechend wenig werden die europäischen Vorschriften des Ar-beits-, Gesundheits- und Umweltschutzes eingehalten. Die Universität Bremen hat schon im Jahre 2000 in einer Studie zum sozialen und umweltgerechten Schiff Forderungen aufgestellt, die bis heute vielfach unter Billigflaggen ver-letzt werden. Zu ihnen gehören vor allem:

• Erweitertes Gesundheitsverständnis, nicht nur rein körperliche Schädigungen, sondern auch psychosoziale Aspekte werden ein-bezogen, ebenso Aspekte der Gesundheitsförderung (ganzheitli-cher Arbeitsschutz)

• Präventive Gesundheitspolitik wird als eine Querschnittsaufgabe von Betriebs- und Unternehmenspolitik verstanden (Sicher-heitsmanagement)

• Grundsatz der menschengerechten Gestaltung der Arbeit • Arbeitsschutz wird als eine dynamische Herausforderung ange-

sehen. Er hat sich an die Fortschritte der technischen Entwick-lung und der neuesten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen (Anpassungspflicht)

• Systematische Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Transpa-renzpflicht)

• Kooperation von Sicherheitsfachkräften und Betriebsärzten mit effektiver Beteiligung der Betriebs- und Personalräte sowie der Sicherheitsbeauftragten und der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Kooperationsprinzip)

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• Aktive Einbeziehung der einzelnen Beschäftigten in der Wahr-nehmung und Bewältigung der Gefährdungen und Risiken sowie des gesundheitsgerechten Verhaltens; Beschäftigte sind nicht nur als Objekte fürsorglichen Schutzes, sondern als Interessensver-treter ihrer eigenen Gesundheit zu achten und zu akzeptieren (Partizipationsprinzip)

• Einheitliche und transparente Normierung der rechtlichen An-forderungen und Pflichten (einheitliches Arbeitsschutzrecht)

Das neue Arbeitsschutzrecht ist auf einen dynamischen Begriff von Arbeits-schutz ausgerichtet. Es umfasst nicht nur den Schutzgedanken vor Arbeitsunfäl-len und Berufskrankheiten, also spezifischen, eher selten auftretenden Ereignis-sen, sondern es geht generell um die Sicherung von Gesundheit und persönli-cher Integrität in der maritimen Wirtschaft. Legt man diesen erweiterten Ge-sundheitsbegriff zugrunde, zeigt sich, dass vor allem in der internationalen See-fahrt noch sehr viel zu tun bleibt, aber auch deutsche Reeder oft große Personal-sorgen haben, weil die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord eben nach wie vor mit langen Trennungsperioden von Familie, Freunden und Heimat verbun-den sind. Das gilt auch und in besonderem Maße für Kreuzfahrtschiffe und die Aus- sowie Weiterbildung von Führungs- und Fachkräften.

Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) erstellt jährlich Be-richte über die Verletzung der Rechte von Arbeitnehmern. Hierbei geht es ins-besondere darum zu prüfen, inwiefern in der maritimen Wirtschaft die folgen-den internationalen Übereinkommen eingehalten werden:

• Nr. 29 Verbot von Zwangsarbeit (1930) • Nr. 87 Vereinigungsfreiheit und der Schutz des Vereinigungsrechts (1948) • Nr. 98 Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen (1949) • Nr. 100 Gleichheit des Entgelts für gleichwertige Arbeit (1951) • Nr. 105 Abschaffung der Zwangsarbeit (1957) • Nr. 111 Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (1958) • Nr. 138 Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (1973) • Nr. 182 Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit (1999)

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Es braucht nicht betont zu werden, dass es vielfach schwer fällt, die Einhal-tung zu kontrollieren, weil schwarze Schafe aus der maritimen Branche jede erdenkliche Chance nutzen, kostengünstiger zu fahren. Erfahrene Seeleute be-richten aus sicherheitspolitischer Sicht über erhebliche Schwierigkeiten der elementaren Sprachverständigung von aus vielen Nationen stammenden Mann-schaftsmitgliedern auf See. Sie führen teilweise dazu, dass nicht einmal die Bedienungsanleitungen moderner Technik gelesen werden können. Vor diesem Hintergrund sei angemerkt, dass Indien Ende der 80er Jahre von Moskau zwei Atom-U-Boote mit russischen Matrosen gemietet hat. Welche Konsequenzen auf einem atombetriebenen Schiff jegliche Schwierigkeiten bei der Verständi-gung haben können, muss nicht weiter ausgeführt werden.

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Die Geschichte der Gesetzgebung für den Seeverkehr reicht weit zurück. Wem ist bewusst, dass fast alle internationalen seerechtlichen Verordnungen, der Kranbau, die Kaianlagen oder das Entstehen von Frachtbriefen (Konnosse-ments) europäische Wurzeln haben? Noch vor dem Jahr 1500 entstand in Portsmouth das erste Trockendock für den Schiffbau, 1513 entdeckten Europäer den Golfstrom und 1603 die für den damaligen Schiffsverkehr außerordentlich bedeutsamen Meeresströmungen.

An die einstige Vormacht der Holländer als „Europas Transporteure“ erin-nert nur noch die Oper „Der fliegende Holländer“, längst nicht mehr der Bau der schnellsten und wendigsten Schiffe der Welt. Das „Lloyds Register of Ship-ping“ feierte erst vor kurzem sein über zweihundertjähriges Bestehen. Die Ein-führung von Abgaben bemessen an Bruttoregistertonnen, um Hafen, Leuchtfeu-er und Fahrrinnen in Schuss zu halten, datiert aus dem Jahre 1870, das war ein Jahr vor Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Viele weitere Innovationen vom Segelschiff bis zum Schiffsantrieb bewei-sen, dass die maritime Wirtschaft zutiefst europäisch geprägt ist. Heute gilt das in besonderem Maße für die neuen Herausforderungen des Klima- und Umwelt-schutzes in der gesamten maritimen Weltwirtschaft.

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OILPOL

Das sogenannte OILPOL Übereinkommen wurde von Oil-Polution abgelei-tet, genauer „International Convention for the Prevention of Pollution of the Sea by Oil“. (Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmut-zung durch Öl). Es handelte 1954 sich um die erste umweltorientierte internati-onale Vereinbarung der Seefahrt überhaupt.

Weitergehende weltweite Abkommen zum Schutz der Meere wurden durch den Kalten Krieg zwischen West- und Ostblock zwei Jahrzehnte lang blockiert. Erschwert wurde eine Einigung schon alleine dadurch, dass die USA zusammen mit ihren Verbündeten in der NATO und im asiatisch-pazifischen Raum eine Marinepräsenz bildeten, die sie in die Lage versetzten, fast alle Teile der Welt-meere militärisch zu beherrschen. Auch Landungsschiffe und schiffsgestützte Waffensysteme, die gegen Landziele eingesetzt werden können, gewannen an Bedeutung.

MARPOL

Dennoch kam es 1973 endlich zu einem weitergehenden internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, das 1978 durch ein Zusatzabkommen ergänzt wurde, das als MARPOL bis heute gilt. MARPOL, ein Kurzwort von Marine Pollution, heiß offiziell „International Convention for the Prevention of Pollution from Ships“ (Internationales Über-einkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, London 1973). MARPOL ist ein zentrales, ohne Ausnahme weltweit geltendes Bündel internationaler Richtlinien, in denen sich die Internationale Maritime Organisa-tion (IMO) der Vereinten Nationen mit der Reduzierung der Umweltbelastung durch die Seefahrt befasst. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich in zwan-zig Punkten, das Einleiten von Schadstoffen aus Schiffen zu vermeiden. Ver-stöße oder Unglücke sind zu melden. Die Schiffsbesatzung ist zum Führen von Tagebüchern verpflichtet, in denen sie über den Verbleib von Ölrückständen aus Maschinenraum und Ladetanks, von flüssigen Chemikalien und Schiffsmüll Rechenschaft geben müssen. Ab 1983 galt auch die Vorschrift, dass Tanker getrennte Öl- und Ballastwassertanks vorweisen mussten. Eine Verletzung von

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MARPOL kann seither an jedem angelaufenen Hafen geahndet werden, selbst wenn der Verstoß auf hoher See stattgefunden hat. Besonders strenge Vor-schriften gelten für ausgewiesene Sondergebiete (Mittelmeer, Ostsee, Nordsee, Schwarzes Meer, Rotes Meer, Golfregionen, Antarktis, Karibik).

Das MARPOL-Abkommen wurde zuletzt mit Wirkung zum 1. Januar 2007 überarbeitet. Die jüngste Fassung sieht zum Beispiel vor, dass Einhüllentanker bis 2015 außer Dienst gestellt und durch die sichereren Doppelhüllentanker abgelöst werden. Einhüllentanker gelten wegen ihres einfachen Schiffsrumpfes als Hochrisiko-Schiffe. 2015 war der Europäischen Union nicht früh genug. Sie erließ bereits 2003 die Verordnung, dass ein Einhüllentanker mit Schweröl an Bord grundsätzlich keinen Hafen in der EU mehr anlaufen darf (EG 1726/2003). Dieses Verbot wurde 2007 insoweit verschärft, dass der weltweite Transport von Schweröl in Einhüllentankern unter der Flagge eines EU-Staates generell verboten wurde (EG 457/2007). Auch hat die EU alle MARPOL-Ausnahmen für Altschiffe in ihrem Geltungsbereich gestrichen.

Die neuen Anlagen zu MARPOL verbieten außerdem ab 2007 den Transport von Stoffen, für die keine ausreichenden Ökotoxdaten vorliegen (Informationen über die Umweltverträglichkeit), so dass im Schadensfall eine Umweltvergif-tung nicht auszuschließen ist. Für Schiffsabwasser wird ein Einleitungsverbot innerhalb der 12-Meilen-Zone festgelegt. Im Mindestabstand von 25 Meilen zur Küste und außerhalb der Sondergebiete dürfen Lebensmittelabfälle und Verpa-ckungsmaterialien wie Stauholz im Meer entsorgt werden, nicht jedoch Kunst-stoffe.

Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)

Die EU-Mitgliedsstaaten haben eine Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie als Ordnungsrahmen verabschiedet, um bis 2020 einen „guten Zustand der Mee-resumwelt“ in allen europäischen Meeren zu erreichen oder zu erhalten. Alle europäischen Meeresanrainerstaaten sind damit verpflichtet, dies in ihren jewei-ligen Meeresregionen durch nationale Strategien umzusetzen.

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Explizit bezieht sich der Begriff „Meeresumwelt“ in der MSRL auch auf den Schutz der im Meer lebenden Arten und die dort vorkommenden Lebensräume sowie das Verhindern des Rückgangs der marinen biologischen Vielfalt. Die Richtlinie deckt daher in sehr großem Umfang Aspekte des marinen Biodiversi-tätsschutzes ab.

Die für die Bewertung und die Maßnahmen notwendigen biologischen Merkmale und Parameter werden in den Anhängen der MSRL definiert. U.a. sind hier die vorherrschenden Biotoptypen des Meeresgrundes und der Wasser-säule, die biologischen Gemeinschaften der vorherrschenden Lebensräume, die Makroalgen, Fischpopulationen, Meeressäugetiere, Reptilien und Seevogelarten aufgenommen.

Die MSRL gibt den Staaten der EU einschließlich des Biodiversitätsschutzes umfangreiche Aufgaben im Rahmen eines sehr engen Zeitplans vor:

• bis 2010 die nationale rechtliche Implementierung vorzunehmen und im Rahmen von verschiedenen Arbeitsgruppen der EU KOM und der regio-nalen Meereskonventionen die europaweit gültigen Bewertungskriterien und -standards (auch für marine Arten und Biotope) zu entwickeln;

• bis 2012 u.a. eine Anfangsbewertung der Meere, die Beschreibung des gu-ten Umweltzustandes und die Festlegung der Umweltziele vorzunehmen;

• bis 2013 u.a. über die Entwicklung des marinen Schutzgebietsnetzwerkes zu berichten;

• bis 2014 Monitoringprogramme zu erstellen und durchzuführen; • bis 2015 Maßnahmenprogramme zu entwickeln und bis 2016 zu imple-

mentieren; • bis 2020 den „Guten Umweltzustand“ für alle europäischen Meere zu er-

reichen.

SECA-Schwefelschutzgebiete in Nord- und Ostsee

Ein richtiges Novum stellte die MARPOL Anlage VI dar, denn sie regelte erstmals keinen Sachverhalt des Wasserschutzes, sondern der Luftreinhaltung. In den Jahren 2006 und 2007 wurden Zug um Zug Schutzgebiete als „SOx emis-

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sion control areas“, so genannte SECAs ausgewiesen, insbesondere Ostsee, Nordsee und Ärmelkanal. In einer SECA gelten strengere Grenzwerte für den Schwefelgehalt des Treibstoffs bzw. für die hilfsweise Ausrüstung von Schiffen mit Filtersystemen zur Reduzierung des Schwefelgehalts in den Abgasen. 2008 beschloss die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) ein Senken der Grenzwerte für Schwefel im Treibstoff sowie schärfere Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden mit Wirkung zum 01. Juli 2010. Damit wurde auch der hochgradigen Belastung von Hafengebieten durch Feinstaub, Schwefeloxide und Stickoxide Rechnung getragen. Die Schifffahrt emittiert zwar nur zwischen 2,7 und 3,3 Prozent der weltweiten CO2-Belastung (nach unterschiedlichen Angaben des Zentrums für die deutsche Luft- und Raumfahrt und der Inter nationalen Maritimen Organisation IMO), aber zwischen 7 und 10 Prozent des globalen Schwefeldioxids (SOx) und bis zu ein Viertel der Stickoxide (NOx).

Abb. 13: SECA

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Nach einer 2011 veröffentlichten Studie der DLR ist der CO2-Ausstoss von Schiffen weltweit mit rund 800 Millionen Tonnen etwa gleich hoch wie in der Luftfahrt. Beim Stickoxid übertrifft die Schifffahrt mit mehr als 20 Millionen Tonnen den Luftverkehr um das Zehnfache. Beim Schwefeldioxid liegen die Schiffe mit rund zwölf Millionen Tonnen pro Jahr sogar beim hundertfachen Wert der Luftfahrt, ergaben Messdaten des europäischen Umweltsatelliten En-visat.

In einem ausgewiesenen SECA-Gebiet darf der Schwefelgehalt im Schiffs-diesel seit März 2010 nur noch 1,0 Prozent betragen. Ab 2015 liegt der erlaubte Grenzwert bei nur noch 0,1 Prozent. Außerhalb der Schwefelemissions-Überwachungsgebiete ist aktuell dagegen ein Schwefelgehalt von bis zu 4,5 Prozent zulässig, der ab 2012 auf moderate 3,5 Prozent gesenkt werden soll. Erst 2020 (oder möglicherweise 2025) soll in den übrigen Meeren eine strenge Obergrenze von 0,5 Prozent gelten. In den europäischen Häfen gilt seit Mitte 2010 bereits: Sobald ein Schiff für zwei oder mehr Stunden am Pier festge-macht hat, darf der benutzte Brennstoff maximal 0,1 % Schwefel enthalten – bis zum Ablegen.

Der Hafen der lettischen Hauptstadt Riga gewährt seit 2011 Öltankern mit einem Green Award Zertifikat einen Nachlass von 10 Prozent bei den Hafenge-bühren. Hamburg, Bremen und Antwerpen wollen diesen Anreiz für die Mo-dernisierung der Schiffe und die Verwendung sauberer Kraftstoffe ebenfalls einführen.

Die World Ports Climate Initiative (WPCI) beobachtet die Entwicklung ge-nau und errechnet seit Januar 2011 den Environmental Ship Index (ESI), der öffentlich unter www.environmentalshipindex.org einzusehen ist. Dort werden die freiwillig teilnehmenden Schiffe nach ESI score auf einer Rangliste ange-zeigt. Nach vier Wochen waren es bereits 50 Schiffe, die sich bereit erklärt ha-ben, alle sechs Monate bewertet zu werden. Der Index dient den Auftraggebern als Nachweis, dass ihre Transporte aus Nachhaltigkeitssicht vertretbar durchge-führt werden.

Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) hat im Auftrag der deutschen Reeder und Seehafenbetreiber im Herbst 2010 eine Studie über die Folgen einer einseitigen Verschärfung des SOx-Grenzwerts für Nord- und Ost-

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see sowie Ärmelkanal herausgebracht. Die europäische Seefahrt in SECA-Regionen wird demnach erhebliche Mehrkosten schultern müssen. Es ist bis-lang nicht möglich, Schweröl auf den Grenzwert von 0,1 Prozent Schwefelan-teil zu raffinieren, weshalb man auf erheblich teurere Destillate zurückgreifen oder technische Veränderungen im Maschinenraum vornehmen muss. Außer-dem geht das ISL von einer nennenswerten Verlagerung von Transporten auf den Landweg aus (rund 300 Millionen Lkw-Kilometer pro Jahr). Neben den ökologischen Folgen auf dem Festland wird auch auf entsprechenden Umsatz-einbußen bei Reedereien und Häfen verwiesen.

Der „Küstenparlamentarier“ der Union, Eckhardt Rehberg, MdB, warnte im Februar 2011 vor Wettbewerbsverzerrungen durch die Verteuerung der Fracht-raten vor einer und Verlagerung des Seetransports auf die Straße. „Trotz dieser Schwierigkeiten geht es um das Ziel eines verbesserten Meeresumweltschut-zes“, so Rehberg. „Vor diesem Hintergrund ist positiv zu vermerken, dass be-reits an neuen Technologien gearbeitet wird, die mittelfristig zumindest für Neuschiffe die Einführung der 0,1 Prozent-Regelung machbar machen.“ Eine Nachrüstung für Bestandsschiffe werde wohl nur in Einzelfällen möglich sein.

Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) sieht das anders und kämpft unterdessen für ein Beibehalten des Grenzwerts, ja mehr noch: für eine Ausweitung der SECAs auf das Mittelmeer, das Schwarze Meer und die euro-päische Atlantikküste. Forschung und Entwicklung zu diesem Thema seien bereits in vollem Gange, der Schiffbau habe sich auf die neue Rechtslage einge-stellt. Die Zulieferindustrie will sich das Geschäft also nicht entgehen lassen.

ECA-Schutzgebiete für die Atlantik- und Pazifikküsten von USA und Kanada

Nach dem Vorbild der nordeuropäischen Meeresschutzgebiete haben die USA und Kanada im März 2009 bei der Internationalen Maritimen Organisation IMO beantragt, einen 300 Kilometer breiten Streifen ihrer Küstengewässer von Atlantik, Pazifik und Golfregion als „Emission Control Area“ (ECA) auszuwei-sen. Dies schließt acht Hauptinseln von Hawaii ein. Die Schutzgebiete begren-zen seit August 2010 die Emissionen von SOx, NOx und Partikeln aus Hochsee-schiffen auf 1,0 Prozent, ab 2015 auf 0,1 Prozent.

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Darüber hinaus wird über weitere ECAs rund um Alaska, südliches Nord-amerika, Australien, Südkorea und für das Schwarzen Meer diskutiert.

Eintreten der Bundesregierung für einen Emissionshandel im Schiffsverkehr

Auf das Thema CO2 in der Seefahrt konzentrierte sich unterdessen die deut-sche Bundesregierung in ihrem 2008 verabschiedeten Integrierten Umwelt- und Klimaprogramm, das die deutschen Klimaziele in der EU (40 Prozent weniger Treibhausemissionen im Jahr 2020 gegenüber 1990) mit weiteren Maßnahmen belegte. Die Bundesrepublik schließt sich darin der Forderung der EU-Kommission nach einer Einbeziehung der Seeschifffahrt in den Emissionshan-del an. Fracht-, Kreuzfahrtschiffe und Fähren, egal welcher Flagge, müssten dann CO2-Zertifikate vorweisen, wenn sie einen Hafen in der EU anlaufen. Der

Abb. 14: ECA

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Emissionshandel stellt ein marktwirtschaftliches Instrument für den Umwelt-schutz dar: Je höher die Emissionen, desto teurer wird es für den Reeder. Er muss dann fehlende Zertifikate zukaufen. Eine Umsetzung ist für 2013 geplant. Experten treten für einen zweckgebundenen weltweiten Klimafonds ein. Eine entsprechende Debatte über CO2-Maßnahmen auf internationaler Ebene hat erst spät begonnen, nachdem man errechnet hat, dass sich die CO2-Belastung durch die Welthandelsflotte bis 2050 verdoppeln wird. Auch in diesem Fall scheint sich ein europäischer Zeitvorsprung, oder in anderen Worten, eine einseitige ökonomische Belastung der europäischen maritimen Industrie anzubahnen.

So sehr die Reeder über anstehende Investitionen für Nachrüstungen, teurere Neubestellungen, steigende Betriebskosten und verzerrten Wettbewerb, sowohl geographisch als auch gegenüber anderen Verkehrsträgern, klagen mögen, so sehr wird sich die übrige maritime Industrie, vor allem Schiffbau und Zulieferer über den europäischen Vorstoß beim Umwelt- und Klimaschutz freuen. Sie dürften als Auftragnehmer nicht nur kurzfristig von den Implementierungs-Maßnahmen profitieren, sondern haben die Chance, mittelfristig einen ersehn-ten Wettbewerbsvorteil im internationalen Vergleich zu erlangen. Innovationen und Knowhow entstehen erfahrungsgemäß konzentriert im regionalen Gel-tungsbereich gesetzlicher Umweltauflagen.

Strenge Umweltauflagen noch nicht weltweit durchgsetzt

Wenn ähnliche Gesetze weltweit zunehmend durchgesetzt werden, wird Green-Tech für Schiffe aus Deutschland und Europa international begehrt sein. Die USA-Regierung hat ihre Blockadehaltung in zahlreichen Umweltfragen seit der Amtsübergabe von Bush an Obama gelockert; wie sich jedoch Asien verhal-ten wird, bleibt abzuwarten. Schon heute scheint festzustehen, dass die europäi-schen Reeder zum Zeitpunkt einer weltweiten Gültigkeit strenger Umweltvor-schriften für die Seefahrt bereits einen guten Teil ihrer Investitionen für die saubere Seefahrt abgeschrieben haben werden. Deutschen Werften werden dann wegen ihrer Erfahrung in maritimen Clean Technologies von einer neuen At-traktivität gegenüber Auftraggebern in aller Welt zehren, während die deut-schen Reeder von einer besseren Wirtschaftlichkeit in Folge gestiegener Res-sourceneffizienz profitieren werden. An ersten innovativen Lösungs-Ansätzen für einige der ökologischen Herausforderungen mangelt es schon heute nicht.

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Würde man die bereits verfügbaren Technologien in allen Schiffen zum Einsatz kommen lassen, könnte die Seefahrt sofort um 15 bis 20 Prozent grüner und sauberer werden. Dass dies auf breiter Front erst unter politischem Druck pas-sieren wird, ist ein Erfahrungsgesetz aus der Wirtschaft.

Durch die Dynamik der Innovationskraft in der maritimen Industrie halten viele Experten ein (nahezu) emissionsfreies Schiff („Zero Emissions Ship“) in nicht allzu ferner Zukunft für erreichbar. Die Vision muss sein, dass die Schiffsmotoren deutlich effizienter werden, das Schiffsrumpf-Design und die Antriebssysteme optimiert werden. Wichtigstes Ergebnis wäre eine deutliche Senkung beim Kraftstoffverbrauch und bei den Emissionen. Mit Hilfe der Inno-vationen maritimer Zulieferer kann der Umwelt-Fußabdruck der Schiffe kleiner werden.

Übersicht wichtigster Verordnungen zum Umwelt/Klimaschutz

Neben internationalen Gesetzen und Abkommen, der hier in einer Übersicht zusammengefasst sind, regelt eine Vielzahl von nationalen Verordnungen, größ-tenteils aus EU-Richtlinien abgleitet, die Pflicht für ein umweltschonendes Ver-halten in der speziellen Logistik des Binnenschiffsverkehrs (z.B. Binnenschiffs-Abgasemissionsverordnung – BinSchAbgasV) sowie den Ausbau und die Un-terhaltung der insgesamt 7.476 km deutschen Wasserstraßen.

1870 deutsches Gesetz zur Hafenabgabe nach Bruttoregistertonnen 1954 internationales OILPOL Abkommen gegen Ölverschmutzungen 1973 internationales MARPOL Abkommen gegen Meeresverschmutzung 1983 MARPOL I Abkommen zur Trennung von Öl und Ballastwasser 1987 MARPOL II Einleitungsverbot für schädliche flüssige Stoffe 1988 MARPOL V Inkrafttreten der Vorschriften zum Umgang mit Schiffs-

müll 1992 MARPOL III Gefahrgutverordnung für verpackte Schadstoffe 2003 MARPOL IV Einleitungsverbot für Schiffsabwasser 2003 EU-Verordnung gegen Einhüllentanker mit Schweröl in EU-Häfen 2005 MARPOL VI erste allg. Grenzwerte für Schwefel (4,5 %) und Stick-

oxid

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2006 IMO Ausweisung von „SOx emission control areas“ (SECAs) Nord- u. Ostsee

2007 EU-Verordnung gegen Einhüllentanker mit Schweröl unter EU-Flaggen

2007 MARPOL verbot von Stoffen ohne ausreichende Ökotoxdaten 2007 deutsche Abgasemissionsverordnung der Binnenschifffahrt

(BinSchAbgasV) 2007 deutsche Gefahrgutverordnung auch für die Binnenschifffahrt

(GGVSEB) 2010 IMO Ausweisung von „Emission Control Areas“ (ECAs) vor USA

und Kanada 2010 MARPOL VI Senkung der SECA- und ECA-Grenzwerte für Schwefel

(1,0 %) 2010 EU-Verordnung gegen Schwefel-Emissionen über 0,1 % im Hafen 2012 MARPOL VI schärfere allg. Grenzwerte für Schwefel (3,5 %) und

Stickoxid 2013 EU-Verordnung (gepl.) über Einbeziehung der Schifffahrt in Emissi-

onshandel 2015 Inkrafttreten MARPOL Abkommen zur Abschaffung von Einhül-

lentankern 2015 MARPOL VI Senkung der SECA- und ECA-Grenzwerte für Schwefel

(0,1 %) 2020 MARPOL VI schärfere allg. Grenzwerte für Schwefel (0,5 %) und

Stickoxid 2020 IMO Ausweisung von „Emission Control Areas“ (ECAs) in Asien in

Diskussion

Abb. 15: Übersicht zum Inkrafttreten wichtigster Verordnun-gen zum maritimen Umwelt- und Klimaschutz (Stand 2010)

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Im Jahr 2000 wurde der Schiffsmarkt mit 35 Prozent der Marktanteile noch von Japan angeführt. Immerhin noch jeder fünfte Auftrag für ein neues Schiff ging damals nach Europa. Anfang des neuen Jahrtausends füllte das Ostasien-geschäft die deutschen Auftragsbücher, zahlreiche Frachter wurden in Deutsch-land bestellt.

2002 nahm Korea den Japanern für kurze Zeit die Marktführung ab. China hatte zwar damals mit 5 Prozent einen verschwindend geringen Marktanteil inne. Doch die chinesischen Werften weiteten im vergangenen Jahrzehnt ihre Kapazitäten massiv aus. Das erklärte politische Ziel war es, die weltweite Füh-rung im Schiffbau zu übernehmen und damit vom Wachstumsimpuls zu profi-tieren, den das Land mit seinem Nachfrageschub zum Teil selbst gesetzt hatte.

Die deutsche Seeschifffahrt hat zahlenmäßig vom Schiffsbestand her an Gewicht verloren, jedoch durch größere Schiffe mit hören Kapazitäten den Schwund ausgeglichen, wie aus der Antwort auf eine Anfrage der SPD an die Bundesregierung hervorgeht.

“Der Bestand ist von 847 Schiffen im Jahr 1998 auf 566 im Jahr 2010 zurückgegangen. Das entspricht einem Minus von rund 33 Prozent. Durch größere Schiffe stieg die Bruttoraumzahl im selben Zeitraum jedoch von 8,1 auf 15,1 Millionen. Das ist ein Plus von 87 Prozent. Allerdings geht die Bruttoraumzahl seit 2009 ebenfalls zu-rück. (!) 2010 waren gut 7.300 Menschen auf deutschen Schiffen beschäftigt. Die Anzahl der für die Schifffahrt an Land Beschäftig-ten stieg von mehr als 16.800 (1998) auf rund 23.000 (2009).”

Wiedererstarken von Handel und Schiffbau in China

China schickt sich seit der Jahrtausendwende an, wieder zur zweitwichtigs-ten Weltmacht nach den USA aufzusteigen. Der EU stehe ihre mangelnde Ge-schlossenheit im Wege, Japan seine stagnierende Wirtschaftsentwicklung,

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schreibt der Asienkenner Stefan Friedrich 2005 im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung. Internationale Momente wie der erste von China durch-geführte bemannte Raumflug im Jahr 2003, der Beitritt zur Welthandelsorgani-sation WTO oder die Olympischen Spiele 2008 in Beijing haben mittlerweile das Selbstbewusstsein der chinesischen Nation gestärkt.

2010 kann man den rasanten Aufstieg Chinas auch zur weltweit größten Schiffbaunation als nahezu geglückt bezeichnen: Allein in Nantong und im Raum Shanghai entstanden in den letzten Jahren hunderte sehr großer neuer Werften und Zulieferbetriebe, die vor allem europäische Kunden in den Märk-ten für Tanker, Massengut- und Containerschiffe beliefern, aber

auch für die Exportaktivitäten der restlichen Wirtschaft Chinas die benötigten Transportkapazitäten schaffen. Nun liefert sich China ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Korea. Wie sich das Unglück von Asien insgesamt hat den Schiffsmarkt mit deutlich mehr als 80 Prozent Marktanteil fest im Griff.

Europäische Industrie auf der Suche nach Nischenmärkten

Und wo bleibt Europa? Zur Jahrtausendwende gingen noch 20 Prozent der Orders in europäische Werften. Inzwischen hat sich diese Zahl längst halbiert.

Italien hat Deutschland überholt und führt den europäischen Schiff-bau mit nur knapp 2 Prozent Welt-marktanteil an, Deutschland belegt inzwischen mit 1,0 Prozent Markt-anteil weltweit Platz fünf. So sehr die europäischen Werften im Weltmarkt zurückgedrängt wurden,

so sehr dominieren Auftraggeber aus Europa den Markt. Griechenland und Chi-

Marktanteile Asiens am internationalen Schiffbau (laut Germany Trade & Invest) • Korea: 36,3 Prozent • China: 35,6 Prozent • Japan: 13,3 Prozent • Philippinen: 4,4 Prozent www.gtai.de

Marktanteile Europas am internationalen Schiffbau (laut Germany Trade & Invest) • Italien: 1,9 Prozent • Deutschland: 1,0 Prozent www.gtai.de

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na liegen mit 11 Prozent der Schiffbauaufträge gleichauf, dicht gefolgt von Deutschland, wo 10 Prozent der weltweiten Aufträge herstammen.

Auf der Kostenseite machten jüngst vor allem die Stahlpreise Sorgen. Sie stiegen im ersten Halbjahr 2010 um mehr als 20 Prozent. Hinzu kam für europä-ische Werften ein Verfall des Euros zum Dollar von rund 10 Prozent im Jahr 2010. Trotz der allgemeinen Preissteigerungen trugen die Überkapazitäten im Schiffbaumarkt dazu bei, dass asiatische Werften mit Unterstützung durch staat-liche Hilfsprogramme über Niedrigpreisoffensiven eine Auslastung ihrer erwei-terten Anlagen zu erreichen versuchten. Dabei zielten sie auch auf eine Domäne der europäischen Werften, den Spezialschiffbau und wandten sich neu entste-henden Innovationsfeldern, etwa im Offshore Bereich für den Bau von Wind-parks oder Erdöl- bzw. Rohstoffförderungen aus dem Meer zu. Der internatio-nale Wettlauf um Green Tech hat begonnen.

Das Krisenjahr 2009 führte in den meisten Schiffbauländern zu einem Ab-schmelzen der Auftragsbestände, zu Belegschaftsabbau, Stilllegung von Kapa-zitäten, Schließung von Betrieben, Insolvenzen. Unter solchen Bedingungen gab es auch wenig Aufmerksamkeit für neu entstandene Herausforderungen, etwa im Klima- oder Umweltschutz. Zunehmend griffen und greifen nationale Regierungen in die Märkte ein, um ihre inländischen Schiffbauunternehmen zu retten. Dies führt jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen.

Wettbewerbsverzerrung und Überkapazitäten durch marktpolitische Instrumente

Subventionen werden nur innerhalb der EU überwacht. Staaten wie Korea und China, die in den vergangenen Jahren Überkapazitäten aufgebaut haben, setzten erhebliche Mittel ein, um das Überleben ihrer maritimen Industrie in der Krise zu sichern. So wurde ein Verdrängungswettbewerb gestartet. Die interna-tionale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD versuchte in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts, eine Wiederaufnahme der Ver-handlungen über ein neues Schiffbauabkommen zu erreichen. Dabei ging es vorrangig um faire internationale Wettbewerbsbedingungen. Doch die führen-den Schiffbauländer China und Südkorea zeigten sich hinsichtlich eines Abbaus der intensiven Beihilfen für ihre Schiffbauindustrie kompromisslos. Obwohl sie

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erkannt hatten, dass Überkapazitäten geschaffen worden seien, gab es in Asien für den Abbau von Subventionen und staatlicher Unterstützung kein offenes Ohr. Dass die EU bereits sechs Jahre vorher, in Vorleistung gegangen war und alle direkten Schiffbaubeihilfen eingestellt hatte, kümmerte die Chinesen und Südkoreaner wenig. Sie weiteten ihre Beihilfeprogramme in der gleichen Zeit noch aus, was zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen führte.

Die strukturellen Verwerfungen der Schiffbaubranche sind global. Dabei ha-ben staatliche Markteingriffe das Problem der Überkapazitäten nur verstärkt und die Produktionsvolumina weiter wachsen lassen. Gleichzeitig erlebte die Industrie zwei Jahre lang eine extrem schwache Nachfrage, was in den Jahren 2009 und 2010 teilweise zu einem Auslastungsgrad von einem Drittel führte. Problematisch dabei war die deutlich geringere Unternehmensgröße europäi-scher Werftbetriebe. Kleinere Unternehmen können lange Durststrecken viel schwieriger überbrücken als große. Experten gehen davon aus, dass die Nach-frage 2012 wieder doppelt so groß sein könnte wie im Schicksalsjahr 2009. Selbst dann würden noch Überkapazitäten bestehen. Eine Marktbereinigung wäre der einzige Ausweg. Diese darf nach den Worten von CESA-Generalsekretär Lüken (Community of European Shipyards’ Associations) nicht auf dem Rücken von Ländern ausgetragen werden, die am Aufbau der Überkapazitäten gar nicht beteiligt waren. Wie der Finanzmarkt brauche auch der Schiffbau internationale Regeln gegen zügellose Spekulation.

Branchen-Organisationen wie der VSM (Verband für Schiffbau und Meeres-technik) sehen nicht nur die Existenz der deutschen Schiffbauindustrie, sondern mittelfristig die gesamte maritime Wirtschaft in Gefahr. Die Schiffbauindustrie in ganz Europa zu schützen bedeute auch, einem Kompetenzverlust entgegen zu wirken, den sich Europa weder leisten kann noch darf. Hierbei geht es nicht allein um die historische Tatsache, dass die maritime Wirtschaft entscheidenden Anteil am raschen Fortschritt der Industrialisierung der Welt bis zur Globalisie-rung hat. Der 1104 in Venedig begonnene Bau des heute noch berühmten Arse-nals Komplexes als einst größte vorindustrielle Werft der Welt begeistert Milli-onen Besucher bis heute – aber wer erinnert sich noch an seine ursprüngliche Bestimmung? Gerade auf diesem Gebiet bieten sich der deutschen maritimen Wirtschaft und insbesondere dem Schiffbau neue, ungeahnte Chancen für Wachstum, wie nachfolgende Tabelle verdeutlicht.

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! ! ! ! ! ! ! !!

1990 1995 2000 2005 2010 !

!Ablieferungen

!! !!

Anzahl 118 93 63 69 49 !

! BRZ (1.000) 881 1,1 1,006 1,297 957

!!

GBRZ (1.000) 1,121 1,076 976 1,163 975 !

! Mio. EUR 2,348 2,701 2,329 2,581 4,657

!!

Auftragseingänge !

! !!

Anzahl 121 170 158 157 24 !

! BRZ (1.000) 841 2,41 2,436 2,655 629

!!

GBRZ (1.000) 988 2,271 2,186 2,406 653 !

! Mio. EUR 2,084 5,489 5,562 6,552 2,719

!!

!

!Auftragsbestände

!!

(Ende der Periode)

!!

!

! Anzahl 221 225 199 231 74

!!

BRZ (1.000) 2,314 3,362 3,761 4,35 1,416 !

! GBRZ (1.000) 2,49 3,194 3,67 3,964 1,538

!!

Mio. EUR 5,394 7,752 10,646 11,084 7,356 !

!

! ! ! ! ! ! !

Die Branche hat sich hierzulande durch die Werftenkrisen stark verändert. Dabei handelte es sich um weitreichende Strukturkrisen im Schiffbau. Der Ab-bau von Arbeitsplätzen und die Schließung ganzer Werften waren die Folge. Ab den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gingen die Aufträge für neue Schiffe insbesondere in den westlichen Industrienationen stark zurück. Nach dem Ende

Abb. 16: Entwicklung des deutschen Seeschiffbaus laut Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V. (Stand 2011)

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der Fünfziger Jahre begann ein regelrechter Wettbewerb um den Bau riesiger Supertanker, dem die Ölkrise von 1972 und ’73 ein jähes Ende setzte; der Tan-kermarkt brach zusammen. Später waren auch Massengutfrachter und Stückgut-schiffe betroffen, auch wenn fairer Weise gesagt werden muss, dass gerade die 1956 aus den USA stammende Einführung von Containerschiffen fast zwanzig Jahre Zeit beanspruchte, ehe die damit verbundenen komplexen logistischen Umstellungen von der gesamten Wirtschaft angenommen wurden. Als die we-nigen Neubauaufträge von Reedern auf Überkapazitäten bei den Werften trafen, kam es zu einem weiteren Verfall der Preise.

Chronologie der Werftenkrisen

Der Werftenkrise fielen zahlreiche Traditionsbetriebe zum Opfer. 1972 mel-dete die Rolandwerft in Bremen Konkurs an, ein Jahr darauf die Deutsche Werft in Hamburg. 1978 ging die Kremer Werft in Elmshorn Konkurs. 1983 wurde die AG Weser geschlossen, ihr folgte 1986 die Büsumer Werft. Auch in den 90er Jahren gingen große Unternehmen Konkurs: die Bremer Vulkanwerft (1995), Schichau (1996) und die Elbewerft in Boizenburg (1997). Während Ende der 1990er wieder ein deutlicher Aufschwung zu verzeichnen war, kam es in Folge der Wiedervereinigung zur Mecklenburger Werftenkrise. Besonders für DDR-Schiffbauunternehmen wie die Volkswerft Stralsund, die Neptun-Werft und die Warnow-Werft Rostock oder MTW in Wismar brachte der Weg aus der Planwirtschaft in die Privatisierung erhebliche Einschnitte. Allein in Wismar gibt es ein Jahrzehnt nach der Werftenkrise heute von den einst 6.000 nur noch 1.600 Werftarbeitsplätze.

In der globalen Wirtschaftskrise von 2008 kämpften wieder besonders Werf-ten in Norddeutschland ums Überleben. Im September 2008 musste die Kieler Lindenau-Werft Insolvenz anmelden. Lindenau war auf Doppelhüllentanker spezialisiert und geriet trotz gut gefüllter Auftragsbücher in Finanznot. Der Bau eines Schiffs für eine Bremer Reederei konnte mangels Liquidität nicht begin-nen. Die HSH Nordbank gewährte der Lindenau-Werft einen Kredit über 28 Millionen Euro und sicherte damit den Fortbestand.

Kurz darauf musste die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern den Wadan-Werften in Wismar und Warnemünde mit einer Soforthilfe für drei Mo-

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nate unter die Arme greifen. 2.300 Arbeitsplätze in den beiden Werften und Tausende von Arbeitsplätzen bei Zulieferern standen auf dem Spiel. Kurz vor Weihnachten 2008 sagte die Bundesregierung den deutschen Werften Hilfe zu. Bei einem Werften-Gipfel in Berlin vereinbarten Bundeswirtschaftsministeri-um, Reeder und Werften, dass die staatliche KfW-Bank Sonderfinanzierungen bereitstellte, um Kredite abzusichern. Der Bund übernahm 90 Prozent des Risi-kos, die Hausbanken der Reedereien und Werften trugen den Rest. Vor allem für den Container- und Spezialschiffbau entstand so ein wichtiger Rettungs-schirm.

Im Februar 2009 erfasste die Wirtschaftskrise auch die Werften der Hege-mann-Gruppe in Stralsund und Wolgast. Als der Bau von vier Containerschif-fen storniert wurde, drohte ein Umsatzverlust von bis zu 200 Millionen Euro. Weitere vier Containerschiffe wurden im April beim Werftenverbund Thyssen-Krupp Marine Systems in Kiel und Emden abbestellt, weil die Finanzierung der Auftraggeber platzte.

Im gleichen Monat kündigte die Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss Kurzarbeit infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise an. Die hoch verschuldete Hamburger Sietas strukturierte unterdessen ihre Werft um und baute 242 der 880 Mitarbeiter ab. Sietas sattelte von Containerschiffen auf Spezialschiffe um, die zum Beispiel für den Bau und die Wartung von Offshore-Windenergieanlagen benötigt werden.

Im Mai 2009 demonstrierten 2.500 Werftarbeiter in Kiel und Emden aus Angst um ihre Arbeitsplätze gegen die Zusammenfassung der bisher fünf eigen-ständigen Konzernsparten der ThyssenKrupp Marine Systems. Gleichzeitig schlug der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) Alarm und melde-te einen weltweiten Auftragseinbruch von 90 Prozent zwischen Oktober 2008 und März 2009. Die Stornierungen in Deutschland beliefen sich im ersten Quar-tal 2009 nunmehr auf 19 Schiffe. Es handle sich um ein "Schicksalsjahr" für die deutschen Werften. Von Annullierungen ist der deutsche Schiffbau generell besonders hart betroffen, weil die Finanzierungsbedingungen hier Anzahlungen von teilweise nur 10 Prozent des Kaufpreises vorsehen. Asiatische Schiffbauer behalten dagegen 20 bis 40 Prozent Vorkasse ein. Die Reeder stornierten natür-lich dort überproportional viele Aufträge, wo sie am wenigsten von ihren geleis-teten Anzahlungen verloren. Mit 60 Stornierungen im Wert von 2,2 Milliarden

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Euro ist dem deutschen Schiffbau in den Jahren 2008 und 2009 ein Viertel des Auftragsbestandes weggebrochen.

Bei den Containerschiffen war die Entwicklung besonders drastisch. Laut Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen wurden 2009 welt-weit 180 von 560 Altbestellungen für Containerschiffe storniert. Nur zwei Con-tainerschiffe sind 2009 weltweit überhaupt neu bestellt worden.

Die Nobiskrug-Werft in Rendsburg aufatmen. Ein arabischer Investor hatte sich gefunden, der die Insolvenz abwendete: Abu Dhabi Mar. 430 Arbeitsplätze waren gesichert. Die zahlungsunfähigen Werften in Wismar und Rostock wur-den im Juli 2009 durch einen überwiegend vom Bund verbürgten Massekredit in Höhe von 190 Millionen Euro gerettet. Mit dieser Finanzspritze konnten die Werften zwei Fähren für die schwedische Reederei Stena Line zu Ende bauen. Doch Stena Line begann damit, die Aufträge nach zu verhandeln und gefährdete damit die gesamte Finanzierung. Das Land Mecklenburg-Vorpommern organi-sierte weitere Kredite über 20,5 Millionen Euro für den Betrieb einer „Transfer-gesellschaft Küste“, um die Mitarbeiter aufzufangen und nicht sofort in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Einziger Geschäftszweck der Transfergesellschaft: Die Mitarbeiter erhielten Weiterbildungen und Kurzarbeitergeld. 2009 interes-sierte sich eine russische Investorengruppe für die Wadan-Werften. Im März 2010 gab es erstmals nach zwei Jahren wieder einen neuen Auftrag. Der russi-sche Bergbau-Konzern Norilsk Nickel bestellte bei den inzwischen als „Nordic Yards“ firmierenden Werften einen eisbrechenden Spezialtanker. Mit dem Bau des 100 Millionen Euro teuren Schiffs wurde noch im Juli 2010 begonnen.

Im März 2010 war unterdessen bekannt geworden, dass sich ThyssenKrupp von der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss mit ihren 700 Mitarbeitern trennen will. Auch hierfür interessierten sich alte Bekannte, die arabischen In-vestoren der Abu Dhabi Mar Group. Sie verhandelten bis Anfang 2011 über große Teile des Zivilschiffbaus und 50 Prozent am Marineschiffbau. Zwei Mo-nate später beschloss ThyssenKrupp Marine Systems den Verkauf der Nord-seewerke in Emden an die Siag Schaaf AG. Die Rheinland-Pfälzer hatten einen Standort zum Bau von Komponenten für Offshore-Anlagen gesucht.

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Neuausrichtung der Maritimbranche auf das Generieren von Innovationen

Insgesamt ist bereits 2009 rund jeder sechste Arbeitsplatz in deutschen Werften weggefallen. Die Schlagzeilen zeigten, wie kritisch die Lage in der maritimen Wirtschaft ist und wie dringend innovative Konzepte gebraucht wer-den, die neue Impulse geben.

Ein entscheidender Weg dazu ist der maritime Verbund, d.h. die Entwick-lung von Netzwerken über den gesamten maritimen Markt, beginnend bei den relevanten Akteuren:

• Schiffbau inklusive Anlagenbau • maritime Zulieferindustrie • Reedereien • Häfen und maritime Logistik • Außenhandel • Banken, Emissionshäuser und Versicherungen • maritime Dienstleistungen • maritimer Tourismus • Sportschifffahrt und Wassersport • Fischerei/Aquakulturen • Erdöl- und Erdgasförderung • Erneuerbare Energiegewinnung • Hochschulen und Universitäten der maritimen Wirtschaft • Meeresforschung • Sozialpartner • Politik auf Landes- und Bundesebene, in der EU sowie international

Derartige maritime Cluster werden neue Synergieeffekte zu Tage fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Wirtschaftsstandorts Deutschlands stärken. Mit rund 380.000 Beschäftigten und einem Umsatzvolumen von ca. 50 Milliarden Euro (2009) zählt die maritime Wirtschaft heute zu einem entschei-denden Leistungsträger der deutschen Volkswirtschaft. Davon entfällt rund die Hälfte auf die Seeschifffahrt, ein Sechstel auf die maritime Zulieferindustrie

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und ein Zehntel auf den Schiffbau. Das globale Marktvolumen wurde für 2010 auf deutlich über 1.200 Mrd. $ eingeschätzt, so die Arbeitsgemeinschaft Nord-deutscher Industrie- und Handelskammern e.V., der 13 IHK-Nordbezirke ange-hören.

Zukunftsstrategie der Bundesregierung für die deutsche Schiffbauindustrie

Auch seitens der Politik wurde die nationale Bedeutung der maritimen Wirt-schaft neu bewertet, wie hochrangige besetzte Konferenzen unter Teilnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2010 bewiesen. Die deutsche ma-ritime Wirtschaft nimmt in technologischer Sicht eine Spitzenstellung ein. Beim Spezialschiffbau sind deutsche Hersteller Marktführer. Vor dem Hintergrund einer veränderten internationalen Wettbewerbssituation gilt es für Deutschland nun, seine strategische Position in der Schifffahrt, im Schiffbau, in der Hafen-wirtschaft und der Meerestechnik, wie im jungen Bereich der Offshore-

Abb. 17: Wachstum des maritimen Weltmarkts, Quelle: Arbeitsge-meinschaft Norddeutscher Industrie- und Handelskammern e.V.

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Windenergie, den neuen Techniken zur Rohstoffgewinnung über Gas- und Erd-öl hinaus oder im Bereich der Umweltschutztechniken zu verteidigen bzw. aus-zubauen. Wie sich die Schiffbauindustrie dadurch verändern wird, wollte die Bundesregierung 2011 gemeinsam mit der Industrie in einer „Zukunftsstrategie der deutschen Schiffbauindustrie“ vorstellen.

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Die Weltbevölkerung (aktuell 6,9 Milliarden Menschen) wächst weiter stark. Im gleichen Maße nehmen die Herausforderungen der Menschheit wie Nah-rung, Gesundheit, Verkehr, Energieversorgung und Umweltschutz zu. In einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft wechseln Nahrungsmittel, Konsum- und Investitionsgüter weltweit ihre Besitzer und müssen über weite Strecken trans-portiert werden. Der seit Jahren stark und stetig expandierende Welthandel ist ohne die maritime Wirtschaft nicht mehr denkbar. Dies zeigt sich auch in einer ausgeprägten Handelsnation wie Deutschland. Die Bundesrepublik ist mit ei-nem Exportvolumen von 816 Milliarden Euro Export-Vizeweltmeister im Jahr 2009 direkt hinter einer so großen Nation wie China (840 Milliarden Euro). Die Straße als konventioneller Verkehrsweg gerät hier an ihre Grenzen. Neben dem zeitraubenden Verkehrsinfarkt ist es auch umweltpolitisch geboten, neue Wege zu gehen bzw. zu fahren. Daher wird die Nutzung der Weltmeere immer mehr intensiviert, als Transportweg und für die Energie- und Ressourcengewinnung. Für die Globalisierung hat der Weltschiffsverkehr eine zentrale Bedeutung und nimmt eine Schlüsselrolle ein. Dies gilt für Deutschland in ganz besonderem Maße, weil in der verarbeitenden Industrie jeder zweite Arbeitsplatz vom Ex-port abhängig ist.

Globaler Handel seit der Seidenstraße

Genau genommen ist Globalisierung kein Phänomen der vergangenen Jahr-zehnte. Vor 1980 sprach man eher von Internationalisierung oder sagte Welt-handel dazu. Die berühmte Seidenstraße ist die älteste Handelsroute der Welt. Seit dem Altertum verband sie China, Zentralasien und Persien mit Europa. Vor fast zweitausend Jahren gingen Waren auf dieser Strecke zwischen China und

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Europa durch die Hände zahlreicher Zwischenhändler. Auf diesem Weg wurden nicht nur Seide und Gewürze nach Europa gebracht, er war die Basis für wech-selseitige Handelslieferungen zwischen den Kontinenten.

Allerdings gab es für den Handel zwei entscheidende Hindernisse. Zum ei-nen waren die Türken zu einer neuen Macht in Asien aufgestiegen, zum ande-ren nahmen viele arabische Zwischenhändler an der Seidenstraße eine Mono-polstellung ein. Die europäischen Kaufleute hielten es für einfacher, China auf einer nördlichen Route durch das Reich der Mongolen zu erreichen. Vor allem italienische Kaufleute forcierten auf diesem Weg den Handel mit Asien. Beson-ders Venezianer waren hier aktiv, wie die Brüder Maffeo und Niccolò Polo und dessen Sohn Marco Polo. Auch Kaufleute aus Genua beschickten die neuen Handelsrouten nach Asien.

Im 14. Jahrhundert wurde das Reisen über Land als zu gefährlich eingestuft, zu viel Ware ging verloren, das Geschäft wurde unwirtschaftlich. 1498 entdeck-te Vasco da Gama den Seeweg von Europa nach Indien über das Kap der guten Hoffnung. Der Handel konnte so schneller und noch sicherer erfolgen.

Als die Ming-Dynastie 1421 ihre Hauptstadt von Nanking am Yangzi-Fluss in den Norden Chinas nach Peking verlegte, läutete dies die Abkehr vom Welt-handel ein. China stellte die Seeschifffahrt ein und verabschiedete sich vom Außenhandel. Das Land verlor damit – für fünf Jahrhunderte – auch seine füh-rende Position im Schiffbau an die Europäer. Eine Position, die sich China erst 2010 zurückerobern sollte.

Rund 400 Jahre später, im ausgehenden 19. Jahrhundert, war die Weltwirt-schaft bereits stärker verflochten als heute. Damals herrschte um 1890 völliger Freihandel, der erst im 20. Jahrhundert durch zunehmenden Protektionismus wieder eingedämmt wurde. Der Unterschied zu heute bestand darin, dass in den internationalen Handel Ende des 19. Jahrhunderts nur wenige Länder eingebun-den waren – vor allem England, Deutschland und die USA.

Heute umfasst der Welthandel fast alle Länder der Erde und hat sich allein in den letzten Jahrzehnten verachtfacht. Durch die Auflösung der politischen Blö-cke Ost und West ist der Handel zusätzlich belebt worden, es gibt neue Markt-teilnehmer.

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Gestiegene und weiter steigende Bedeutung der Seetransporte

Der Weltschiffsverkehr wächst in seiner Bedeutung entsprechend. 95 Pro-zent des globalen Außenhandels werden heute auf dem Seeweg transportiert. Beim europäischen Außenhandel liegt der Anteil mit 90 Prozent ähnlich hoch. Im EU-Binnenhandel werden noch 40 Prozent der Güter auf dem Wasser trans-portiert.

An der Welthandelsflotte, die 2009 erstmals aus mehr als 100.000 registrier-ten Schiffen bestand, nimmt Europa mit einem Anteil von 40 Prozent eine Spit-zenposition ein. Deutschland hat seinen Bestand im vergangenen Jahrzehnt von 1.800 auf 3.500 Schiffe ausgebaut und verfügt somit nun über die drittgrößte Handelsflotte der Welt und den weltweit größten Bestand an Containerschiffen. Und in den 1.200 europäischen Häfen werden Jahr für Jahr 3,5 Milliarden Ton-nen Fracht umgeschlagen und mehr als 350 Millionen Passagiere abgefertigt. Einen Eindruck von der Entwicklung vor der Krise geben folgende Tabellen:

2005 2006 2007 2008 2009 Hamburg 108.

253 115.529 118.190 118.915 94.762

Bremer Häfen 46.655

55.636 55.636 63.501 53.941 Wilhelmshaven 45.9

77 43.106 42.643 40.556 34.196

Lübeck 18.848

21.056 22.175 21.334 17.488 Rostock 17.1

47 19.058 19.585 21.278 17.384

Brunsbüttel 6.598

6.233 9.657 11.648 7.343 Brake 5.30

9 5.486 5.402 5.745 4.728

Bützfelth 4.984

4.812 5.558 5.573 4.673 Puttgarden 3.73

5 3.965 4.319 4.073 3.479

Emden

3.597

3.867 4.221 4.517 3.562 Häfen gesamt 285.

197

302.789 315.051 320.636 262.863

Im Aufschwung nach der Wirtschafts- und Finanzkrise legte der Umschlag an den 65 wichtigsten Häfen der Welt im ersten Halbjahr 2010 wieder um 16 Prozent zu.

Abb. 18: Seegüterumschlag ausgewählter deutscher Häfen an Nord- und Ostsee in 1.000 t

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Deutsche Flotte Deutsche Flagge Schiffe 1.000 BRZ Schiffe 1.000 BRZ

1970 2.578 7.485 2.578 7.485 1980 1.900 11.833 1.540 7.866 1990 1.410 7.518 922 4.005 1995 1.542 10.797 825 5.373 2000 1.850 19.924 717 6.536 2005 2.575 40.879 508 7.577

2010

3.605 81.250 571 15.525

„Slow Steaming“ als Methode zum Kraftstoffsparen

2009 verringerte sich der Welthandel um 12 Prozent. In der Folge ging vor allem die Auslastung von Containerschiffen zurück, und zwar um 9 Prozent. Die Fracht- und Charterraten in den Hauptmärkten Tanker-, Massengut- und Containerschifffahrt stürzten nach den Worten des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik VSM „fast ins Bodenlose“ und deckten immer seltener die Be-triebskosten, geschweige denn Zins und Tilgung. Das führte bei vielen Schiff-fahrtsgesellschaften zu einem Phänomen des „Slow-Steamings“, das heißt sie reduzierten bei ihren Containerschiffen systematisch die Fahrtgeschwindigkeit, um Treibstoffkosten zu sparen. Ein Schiff, das mit 18 statt 26 Knoten unterwegs ist, kann unter Umständen mit nur 60 Prozent des Treibstoffs betrieben werden. Dieser einfache Weg zum Umweltschutz wird auch heute noch verfolgt.

Während die Branche „auf Sicht“ fährt, geht die Münchner Unternehmens-beratung Roland Berger in ihrer „Schifffahrtsstudie 2010“ davon aus, dass die Charterraten bei Containerschiffen und Tankern Anfang 2012 wieder das Vor-krisenniveau erreichen, bei Massengutfrachtern soll es erst Ende 2012 soweit sein.

Abb. 19: Entwicklung der deutschen Handelsflotte und davon Anteil der deutsch beflaggten Schiffe

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Vorteile des Schiffs im Wettbewerb der Verkehrsträger

Unabhängig von aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfügt das Schiff gegenüber anderen Verkehrsträgern im Transportwesen dauerhaft über viel Vorteile. Das ist auch der Grund, warum bei einem erwarteten Anstieg des Verkehrsaufkommens vor dem Hintergrund überlasteter Straßen in Zukunft See- und Wasserwege noch stärker in den Gütertransport einbezogen werden sollen.

Als Hauptvorteil eines Warentransports auf dem Wasser ist vor allem der günstige Transportpreis zu nennen. Mit großräumigen Frachtschiffen lassen sich enorme Volumina und Gewichte transportieren. Auf einem einzigen Schiff finden hunderte von Lkw-Ladungen Platz. Bei einem gedachten Abstand von 50 Metern zwischen den Lastwagen ersetzt ein Schiff eine mehrere Kilometer lange Lkw-Kolonne. Schiffstransporte bieten sich an, wenn größere Frachten über größere Strecken transportiert werden sollen. Sie sind eine sehr kosten-günstige Alternative zum konventionellen LKW und zum Frachtflugzeug.

Mit 1,3 Litern Diesel je 100 Tonnenkilometer macht der durchschnittliche Energieverbrauch im Vergleich zu einem LKW mit 4,1 Litern je 100 Tonnenki-lometer nur ein Drittel aus. Damit ist auch der Ausstoß von Kohlendioxid ent-sprechend geringer. Im Güterfernverkehr erbringt die Binnenschifffahrt rund 20 Prozent der Verkehrsleistung, stößt aber nur 5 Prozent des klimaschädlichen CO2-Gases aus. Aus ökologischer Sicht ist auch der konkurrenzlos niedrige Verkehrslärm durch die Schifffahrt zu nennen.

Außerdem sind Wasserstraßen durch geringe Verkehrsdichte und weitge-hend gleichmäßigen Verkehrsfluss geprägt. Die hohe Unempfindlichkeit der Seefahrt gegenüber schlechten Witterungsverhältnissen bewirkt eine hohe Transportsicherheit. Da die Geschwindigkeiten zu Wasser vergleichsweise ge-ring sind, ist die Binnenschifffahrt für den Transport gefährlicher Güter beson-ders gut geeignet.

In der deutschen Binnenschifffahrt hat sich die Verkehrsleistung, gemessen an der tonnenkilometrischen Leistung je Tonne Tragfähigkeit, in den vergange-nen 30 Jahren verdoppelt. Die Anzahl des dabei eingesetzten fahrenden Perso-

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nals wurde in dieser Zeit etwa halbiert. Von 2010 bis 2025 soll der Güter-schiffsverkehr in Deutschland weiter drastisch steigen, und zwar um rund 70 Prozent.

Geplanter Ausbau von Häfen und Rolle der küstenfernen Bundesländer

Nach einer Seeverkehrsprogno-se aus dem Jahr 2007 im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums wird sich der Frachtumschlag an deutschen Häfen bis zum Jahr 2025 mehr als verdoppeln (von 793 Mil-

lionen Tonnen im Jahr 2004 auf 1.658 Millionen Tonnen im Jahr 2025). Das entspricht einem jährlichen Wachstum von 3,6 Prozent. Die Wettbewerbspositi-on der deutschen Seehäfen dürfte davon profitieren, dass von ihnen aus die Wachstumsmärkte in den osteuropäischen Staaten gut erreichbar sind. Hamburg bleibt Deutschlands größter Hafen und wird 2025 bereits das halbe Umschlags-aufkommen Rotterdams erreichen. Dabei verdeutlicht eine Zahl aus dem Jahr 2009, wie wichtig die Seefahrt für Bundesländer ist, die man damit gar nicht so leicht in Verbindung bringen würde: Mehr als 40 Prozent der im Hamburger Hafen umgeschlagenen Güter stammten aus Bayern, Baden-Württemberg, Hes-sen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Als die deutschen Häfen 2009 erhebliche Umschlagseinbrüche von bis zu 20 Prozent meldeten, war dies somit ein Indikator für den Zustand der gesamten deutschen Exportwirtschaft.

In den kommenden Jahren wächst Bremerhaven am stärksten und wird Mitte der 20er Jahre zweitgrößter Seehafen Deutschlands nach Hamburg sein. Der Anteil des Ladungsaufkommens, das per Container transportiert wird, soll sich von 35 Prozent (im Jahr 2004) auf 59 Prozent (im Jahr 2025) überproportional erhöhen. Das wirkt sich im Hinterland der hoch frequentierten Seehäfen auch auf den Verkehr per Lkw, Bahn und Binnenschiff aus. Die Transporte von und nach Polen, Schweden, Italien, Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden nehmen in den kommenden Jahren besonders zu.

Deutscher Hafenausbau

2007: 793 Mio t/Jahr 2025: 1.658 Mio t/Jahr www.bmvu.de

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Die maritime Wirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Wirt-schaft und eng mit vielen anderen Branchen verflochten. Von knapp 318.000 Arbeitskräften in der maritimen Wirtschaft und bei ihren Dienstleistern arbeiten in der deutschen Seeschifffahrt 60.000, in der maritimen Zulieferindustrie rund 70.000 und im Schiffbau 20.000 Beschäftigte. Da die übrige Zulieferindustrie besonders stark in Baden-Württemberg und Bayern (mit 19 bzw. 18 Prozent des Umsatzes), aber auch in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen angesiedelt ist, erstreckt sich die volkswirtschaftliche Bedeutung der maritimen Wirtschaft weit über die Küstenregionen hinaus. Mehr als die Hälfte des Zuliefer-Umsatzes wird in küstenfernen Bundesländern generiert. Das ist vor allem vor dem Hintergrund bedeutsam, dass der Wertschöpfungsanteil der Zuliefererin-dustrie an Schiffen bei 70 Prozent liegt. Und selbst wenn ein Schiffbauauftrag nicht in eine deutsche Werft geht, verdient zumindest die deutsche Zuliefererin-dustrie mit. Von jedem Euro, den sie erwirtschaftet, kommen 75 Cent aus dem Ausland.

Paradigmenwechsel im In- und Ausland

Zweifellos werden hierbei künftig nachhaltig zukunftsfähige Geschäftsmo-delle an Bedeutung gewinnen. Das Green Business von heute unterscheidet sich in seinen Werten und Geschäftsprinzipien maßgeblich vom konventionellen ökonomischen Ansatz der Interaktion von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Das neue Paradigma der „Green Economics“ geht davon aus, dass die wirt-schaftlichen Operationen die sozialen Beziehungen und die gesamten gesell-schaftlichen Konsequenzen einbeziehen und diese wiederum in die natürliche Welt eingebettet sind. Jeder ist aufgefordert, seinen persönlichen Beitrag zu einem nachhaltigeren Arbeiten und Leben im Einklang mit der Natur zu leisten.

Die Konkurrenz aus den USA und aus Asien setzt energisch auf Clean und Green Technologien [„sauber“ und „grün“]. Deutschland stand im internationa-len Vergleich lange Zeit besonders gut da, ohne daraus normativ über die ISO Vorschriften hinaus neue Maßstäbe für das Green Business insgesamt zu setzen. Hintergrund war, dass viele Firmen bereits seit langem auf sparsame und vor allem erneuerbare Energietechnologien und damit auch Umwelt- und Klima-schutztechnologie als Zukunftstechnologien setzten. Die politischen Rahmen-bedingungen in der Bundesrepublik galten und gelten für die „grüne Branche“

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als ideal. Das ändert sich jedoch rasch. Barak Obama, seit 2009 Präsident der USA, hat Milliarden-Investitionen in alternative Energietechnologien angekün-digt und die wirtschaftliche Großmacht in die Klimaverhandlungen zurück ge-bracht. Mehr noch: Obama hat zu eigenen Klimagipfeln eingeladen. Das wird dem Aufschwung innovativ orientierter Green Business Aktivitäten in den USA weitere Impulse geben. Analog dazu orientiert auch die neue Wirtschaftsgroß-macht China auf milliardenschwere Unterstützungsprogramme zur Einführung und Durchsetzung von sauberen Technologien, insbesondere im Bereich der Energieerzeugung sowie umweltfreundliche Mobilität. Die Weltausstellung in Shanghai informierte 2010 darüber hinaus besonders über umweltfreundliches urbanes Leben.

Nachhaltigkeit rückt in den Mittelpunkt unternehmerischer Aktivitäten. Un-sere Gesellschaft kann nur auf einer intakten Erde funktionieren. Oft wird ver-gessen, dass „grüne Wirtschaftsweise“ erst die Entwicklung unserer industriel-len Basis ermöglicht hat. Ohne nachhaltige Prinzipien in der Landwirtschaft wäre ein Überleben der Generationen gar nicht denkbar gewesen. Die Wirt-schaft war und ist noch immer nichts anderes als ein Subsystem der menschli-chen Gesellschaft und diese ihrerseits wiederum in der Ganzheit des Lebens nur Teilsystem der Erde bzw. Biosphäre. Wenn wir die anderen Sphären, sei es die Atmo- oder Hydrosphäre zu stark verschmutzen und belasten, wird auch die Wirtschaftssphäre früher oder später nicht mehr funktionieren. Dennoch wird dieser einleuchtende Zusammenhang im vorherrschend ökonomischen Denken noch immer nicht ernst genug genommen.

Molly Scott Cato beweist das sehr anschaulich in ihrem in London 2008 er-schienenen Buch „Green Economics. An Introduction to Theory, Policy and Practice“ (Grüne Ökonomie. Eine Einführung in Theorie, Politik und Praxis). Wirtschaften in Balance mit der Natur und unseren natürlichen Lebensgrundla-gen auf der ganzen Erde ist etwas anderes als der vielerorts zu beobachtende Raubbau. In den nur im Internet verfügbaren “Future of Business News” (www.futureofbusiness.info) schreibt Robert Ludvig:

“Like the Phoenix rising from the ashes the green economy will be a significant participant in bringing an end to the current worldwide recession – the key reason being the enormous investment in al-ternative energy. When we look back, 2009 will be viewed as a

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monumental year in terms of the economy. Critical to the green economy is alternative energy and the willingness of governments around the world to jump-start their economy by investing billions of dollars into these once scoffed at energies. The solar and wind energy that we use in our homes and businesses, and the hybrid electric cars that we drive, will be the reason we exit a recession and sidestep another Great Depression. (grüne Ökonomie wird ei-nen signifikanten Teil zur Beendigung der aktuellen Rezession bei-tragen – vor allem wegen enormer Investitionen in alternative Energien. 2009 wird nachträglich als wichtiges Jahr der Weichen-stellungen betrachtet werden. Kritischer Erfolgsfaktor für grüne Ökonomie ist alternative Energie und die Bereitschaft der Regie-rungen rund um die Erde, Starthilfe für die Wirtschaft zu leisten, indem sie Milliarden Dollar in neue Energie investieren. Die Solar- und Windenergie sowie unsere hybriden Elektrofahrzeuge werden der uns aus Rezession helfen und einer großen Depression vor-beugen.)’

Der Schiffbau und der Schiffsbetrieb verdienen die gleiche Aufmerksamkeit wie die Automotive Wirtschaft oder der Energiesektor.

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Wer den GreenTech Atlas 2.0 zur Hand nimmt, den das Bundesministerium für Umwelt im Jahre 2009 in überarbeite-ter Fassung herausgebracht hat, findet dort wenig bis gar nichts zur maritimen Wirtschaft auf immerhin 412 Seiten, ein-mal abgesehen von kurz erwähnten An-strengungen zur Offshore Wind-energiegewinnung. Das Fehlen der mari-timen Wirtschaft ist insofern nicht ver-wunderlich, als in dieser Branche die Neuorientierung auf Green Technologies gerade erst an Fahrt gewinnt.

Der Technologieatlas unterscheidet auch in der zweiten Auflage sechs Inno-vationsfelder, die für GreenTech von besonderer Bedeutung sind:

• umweltfreundliche Energien und Energiespeicherung • Energieeffizienz • Rohstoff- und Materialeffizienz • Kreislaufwirtschaft • nachhaltige Wasserwirtschaft • nachhaltige Mobilität

Definition Clean Technologies "Clean Tech is any technology that competitively produces equal or greater amounts of utility than the existing substi-tute through a sustainable pro-cess." Als Clean Tech kann jede Tech-nologie bezeichnet werden, die im Wettbewerb zu einer beste-henden Verfahrensweise einen gleichen oder größeren Nutzen bewirkt, aber dazu nachhaltige Prozesse verwendet. Shawn Lesser ist Präsident und Gründer von Sustainable World Capital in Atlan-ta/Georgia, der Private Equity für Clean Tech Fonds einsam-melt und Clean Tech Firmen finanziert. Er hat auch die Glo-bal Clean Tech Cluster Associa-tion GCCA gegründet.

www.gccassoc.org

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Natürlich gehören die Anstrengungen zur Einführung von Green Tech in der maritimen Wirtschaft im weiteren Sinne zur nachhaltigen Mobilität und Was-serwirtschaft, fehlen aber wie gesagt bisher als eigenständiger Schwerpunkt. Insgesamt ist im deutschsprachigen Raum bisher auch keine eindeutige Be-griffsabgrenzung für die Anglizismen „Green Tech“ oder „Clean Tech“ vor-handen. Das DCTI (Deutsche Clean Tech Institut) aus Bonn hat im 1. Clean Tech Jahrbuch, das 2009 erschien, darauf verwiesen, dass im deutschsprachigen Raum oft auch die Begriffe Umwelttechnik oder Ökotechnik benutzt werden. Allgemein wird von „sauberen Technologien“ gesprochen, die vom Wirt-schaftspotenzial her von führenden Analysten als Leitindustrie mit der Heraus-bildung der Internet-Branche oder Automobilwirtschaft verglichen wird. In unterschiedlichen Schätzungen wird das Marktpotential des sogenannten „Green Business“ nicht nur in Milliarden sondern Billionen Euro angesetzt.

Ganz eindeutige und wissenschaftlich allgemein akzeptierte Definitionen gibt es noch nicht, was aber angesichts der Dynamik in diesen neuen Innovati-onsbereichen auch kein Wunder ist. Das DCTI formuliert pragmatisch Clean Tech so: „Zusammenfassend steht Clean Tech für die branchenübergreifende Verbindung von Hochtechnologie mit Ökologie und Nachhaltigkeit. Clean Tech wirkt hierbei als integrierter Prozess auf allen Ebenen des Produktlebenszyklus mit Fokus auf der Vermeidung von Umweltbelastungen im Entstehungsprozess. Die Clean Tech Lösungen repräsentieren einen ganzheitlichen Ansatz der auf Basis hoher Forschungs- und Entwicklungsintensität den jeweils aktuellen Stand der Technik widerspiegelt. Clean Tech als konzeptioneller Ansatz zielt nicht auf Beschränkungen oder Verzicht ab, sondern vielmehr auf den umfas-senden Einsatz von Clean Tech- Lösungen in allen Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens. Clean Tech ermöglicht die Verbindung von Wirt-schaftswachstum und ökologischer Nachhaltigkeit.“

Im Weiteren werden jene Bereiche des Schiffbaus und der Seefahrt näher analysiert, in denen schon jetzt durch saubere Technologien neue Geschäfts-möglichkeiten entstehen. Dabei werden auch internationale Projekte ausgewer-tet, wie neue Ansätze von Green Ship Building Technologies.

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Clean Tech in der maritimen Industrie bedeutet vom Design an saubere Schiffe aus Produkt-, Betriebs- und Servicesicht in einer sauberen Wertschöp-fungskette , die bis zu den Zulieferern und Dienstleistern reicht. Nur dann kann man in der Gesamtbetrachtung einer Ökobilanz davon sprechen, dass die Effizi-enz gesteigert, Kosten und Ressourcenverbrauch zugunsten der Umwelt, ein-schließlich Verschmutzungen und Emissionen gesenkt bzw. ganz vermieden werden.

Im Auftrag der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO entstand ein Instrumentarium zum Schutz des Klimas:

• Schiffbau: technische Maßnahmen zur Emissionsreduzierung nach EEDI-Formel (Energie-Effizienz-Design-Index)

• Schiffsbetrieb: Energie-Effizienz-Betriebs-Indikator (EEOI -- Energy Efficiency Operational Index): Maßnahmen für CO2-arme Fahrten

• Management: SEMP/SEEMP Plan der Energie-Effizienz (Ship Energy Efficiency Management Plan): z.B. Schiffstechnik oder Klimaanlagen an Bord

Die EEDI-Formel setzt sich aus den Faktoren Antriebsleistung, spezifischer Treibstoffverbrauch und Emissionsfaktor zusammen, die ins Verhältnis zu Transportkapazität und Geschwindigkeit gesetzt werden. Mit dem EEDI kann man die Emissionen eines Schiffs unter seinen spezifischen Einsatzbedingungen ermitteln, bereits bei der Klassifizierung von Schiffskonzepten sowie bei späte-rer Änderung eines Entwurfs.

power x specific fuel consumption x emission factor g CO2 capacity x speed tsm

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Die Formel kann auch für eine ganze Flotte angewendet werden („Baseline-EEDI") und dient dann der schrittweisen Senkung des Flottenverbrauchs. Bei Schiffen gleicher Größe und gleichen Typs kann der EEDI dennoch erheblich variieren. Diese Abweichung kann zum Beispiel an der unzureichenden Abbil-dung der verschiedenen Schiffstypen liegen und tritt vor allem bei kleineren Schiffen auf.

Im Juni 2010 erteilte der Germanische Lloyd das erste EEDI-Zertifikat für ein Containerschiff der Hapag Lloyd. Neue Schiffe müssen nach der EEDI-Formel optimiert sein. Ein nur nach EEDI-Kriterien optimiertes Schiff könnte jedoch Einbußen auf der Sicherheitsseite mit sich bringen. Deshalb sind sich Experten einig, dass es zwar ein sehr nützlicher Indikator für kosteneffiziente Lösungen ist, er jedoch noch weiter erforscht und praxistauglicher werden muss. Die Idee einer Schiffsklassifizierung nach Effizienzklassen wie bei Haus-haltsgeräten sollte weiter verfolgt werden.

In den USA gibt es Überlegungen, den EEDI-Index als faire Grundlage für marktwirtschaftliche Steuerungen von umweltorientierten Maßnahmen in der maritimen Industrie zu nutzen. Dadurch würde die aktuelle Diskussion zum Emissionshandel auf erweiterte Fragen gelenkt.

Der Energie-Effizienz-Betriebs-Indikator (EEOI) setzt ebenso Kosten und Nutzen miteinander in Bezug, wie der EEDI. Auf der Kostenseite sind die Emissionen zu sehen.

fuel consumption x emission factor g CO2 cargo x distance tsm

Somit ergibt sich die Einheit des EEOI als Gramm CO2 je Ladungsmeile be-förderter Ladung (meist jedoch in Tonnen ausgewiesen). Im Gegensatz zum EEDI (der durch den Reeder beeinflussbar ist) spielt beim EEOI die tatsächli-che Auslastung der Ladekapazität eines Schiffes eine Rolle (somit ist der EEOI durch den Auftrag des Charterers bestimmt). Daher sieht die IMO den EEOI als freiwilliges Instrument an. Anreize wären erforderlich, um die Anwendung des EEOI in der Praxis zu beschleunigen. Umgekehrt könnten obligatorische Grenzwerte auch zu Sanktionen führen. Anreiz und Sanktionen sind in der Pra-xis heute noch schwierig umzusetzen.

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Der SEEMP stellt einen strukturierten Rahmenplan für energieeffizienten Schiffsbetrieb dar. Die Leistung des Schiffes wird kontinuierlich beobachtet, Verbesserungspotenziale werden ermittelt. So bewirkt der SEEMP zwar selbst keine Emissionsreduzierung, jedoch liefert er dem Management Impulse und schafft ein Bewusstsein für nötige Verbesserungen. Der EEOI kann in diesen Management Plan integriert werden. Der SEEMP operiert auf der Basis des „International Management Code for the Safe Operation of Ships and for Pollu-tion Prevention“. Das schließt das Führen von Dokumenten für folgende Berei-che ein:

• Speedmanagement • Routenplanung • Pflege des Schiffes • Kommunikation • Personaltraining • Trimming • Ballastoptimierung • Fleet Management

Bisher wurde die 3R-Formel im Schiffbau noch zu wenig berücksichtigt, die in anderen Bereichen wie Green IT schon seit längerer Zeit in Gebrauch ist. Standardmäßig setzen sich die 3 R’s wie folgt zusammen:

• Reduce • Reuse • Recycle

Das heißt, die Reduktion von Material- bzw. Energieeinsatz steht immer an erster Stelle, gefolgt von der Wiederverwendung bzw. der Produktwiederver-wendung und erst dann kommt das Recycling als nachrangige, letzte Möglich-keit, weil für eine stoffliche Wiederverwertung immer Energie benötigt wird.

Bei tieferem Recherchieren findet man jede Menge Erweiterungen und ande-re Interpretationen der 3 R’s, z.B. die 5 R’s für „Rethink, Reduce, Reuse, Re-cycle, Rebuy“ (Vgl. www.livegreennow.ca/section3.ubr, Aufruf vom 28.01.2011) oder auch die 5 R’s: „Resist, Reduce, Reuse, Recycle, Recover“,

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wobei mit Recover die Gewinnung von Material oder Energie aus Reststoffen gemeint ist, die auch nicht mehr recycelt werden können (Vgl. www.eco-orkney.org.uk/waste.shtml, Aufruf vom 28.10.2011)

Hier wird auf Basis der verschiedenen Lösungsansätze ein vereinfachtes und gleichzeitig neues Modell vorgeschlagen, bestehend aus 3 Handlungsmaximen:

• Rethink • Redesign • Reconvert

Für Gegner von Anglizismen gibt es auch die Übersetzung mit 3 U’s.

• Umdenken • Umgestalten • Umwandeln

Obwohl die 3 R’s oder U’s eher einen Kreislauf als eine Strategie darstellen, sollte an erster Stelle das Umdenken stehen. Das kommt in folgendem Ansatz zum Ausdruck: „Refuse, Resist, Respect, Rebuy“. Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.

Kern dieser Denkmodelle ist es, zu einer fundamental neuen Einstellung zu gelangen, welches den gesamten Produkt- und Konsumzyklus umfasst.

Ein Unternehmen, das nicht wirklich umdenkt wird kaum in der Lage sein, eine tatsächlich neue und umfassende Strategie zu entwickeln, um nachhaltig zu wirtschaften. Dazu gehört auch, dass Unternehmen Respekt vor der Umwelt entwickeln und dem Drang widerstehen, den Profit vor Umweltinteressen zu stellen. Es geht um Ausgewogenheit. Es ist durchaus denkbar, beide Aspekte als gleichwertig einzustufen, den Profit nicht nur in Finanzen auszudrücken, son-dern auch andere Aspekte einzubeziehen und so langfristig zu einer naturnahen Unternehmenskultur zu gelangen. Neben der Entwicklung einer wirksamen Nachhaltigkeitsstrategie sollten beim Thema Umdenken auch neue Geschäfts-modelle entwickelt werden. Aber das Umdenken darf nicht nur bei den Unter-nehmen stattfinden, sondern muss auch bei den Konsumenten Einzug halten,

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ebenso bei der Politik und der Gesellschaft allgemein. Denn wenn es beispiels-weise auf die Kosten ankommt, herrscht bei den meisten Konsumenten ähnli-ches Profitstreben wie bei den Unternehmen.

Der Punkt Redesign bzw. Umgestalten beinhaltet auch die Punkte Reinvent und Reduce. Die Neugestaltung von Produkten ist einer der Schlüsselfaktoren, um langfristig Produktkreisläufe aufzubauen. Bei der Umgestaltung von Pro-dukten geht es insbesondere um folgende Punkte:

• Innovative modulare Gestaltung für eine leichte Wiederaufbereitung, Aufrüstung und spätere Demontage mit gezieltem Materialrecycling

• Reduktion des gesamten Materialeinsatzes, insbesondere aber seltener Metalle

• Austausch umweltschädlicher und gesundheitsgefährdender Stoffe durch umweltverträgliche Produkte

• Einsatz nachwachsender Rohstoffe bzw. von Rohstoffen mit günsti-gen Ökobilanzen

• Optimierung des Energieverbrauchs und Einsatz von alternativen Energieversorgungssystemen

Innovation stellt einen Schlüsselfaktor für die Entwicklung grüner und sau-berer Schiffe dar. Als letzte Stufe kommen unter dem Stichwort reconvert alle Möglichkeiten einer nutzbringenden Umwandlung zum Tragen, also der Wie-derverwertung, Aufbereitung, Wiedernutzung etc.

Dazu gehört alles was unter repair, recycling, recover und reuse bekannt wurde. Entscheidend ist hier, dass nach Möglichkeit Produktrecycling an erster Stelle steht also die Umwandlung eines alten in ein „so gut wie“ neues Produkt. Erst wenn eine Wiederaufbereitung und Weiternutzung nicht mehr möglich ist, sollten alle recyclingfähigen Materialien einer Wiederverwendung zugeführt werden. Alle sonstigen Stoffe sollten möglichst gewinnbringend umgewandelt werden, z.B. zur Energiegewinnung.

Mit anderen Worten und einfach ausgedrückt: Das grüne Schiff muss als Produkt umweltfreundlich sein, es muss eine umweltfreundlich konzipierte Produktion durchlaufen haben, von der Besatzung umweltfreundlich betrieben

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werden können aber auch aus Sicht des Nutzungszyklus schon das Ende im Sinne der Wiederverwendung im Auge behalten. Um diese Bereiche geht es in diesem Kapitel.

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Bei der Entwicklung grüner Schiffe steht zunächst der Treibstoffverbrauch im Vordergrund. Dies ergibt aus ökonomischer wie ökologischer Sicht Sinn: Treibstoff macht etwa 90 Prozent der Betriebskosten eines Schiffs aus. Und fossile Treibstoffe tragen in hohem Maße zur Belastung der Umwelt und des Klimas durch die Seefahrt bei. Die Umweltverträglichkeit von Motoren wird vor allem für Reedereien wichtig, die vermehrt in „Emission Controlled Areas“ unterwegs sind, in denen strengere Beschränkungen des Emissionsausstoßes als auf hoher See gelten. Auch wegen der Endlichkeit der Erdölreserven wird gro-ßes Gewicht auf innovative alternative Antriebe gelegt. Um den Treibstoffver-brauch – als Übergangslösung bis zur Verfügbarkeit praxistauglicher Antriebs-alternativen – zunächst bei konventionellen Antrieben zu senken, gibt es Maß-nahmenpakete, die man in drei Gruppen einteilen kann: Effizienzsteigerung, Widerstandsreduktion und Betriebsoptimierung.

Bei der Effizienzsteigerung geht es um die Verbesserung an der Verbren-nungsraumgeometrie des Dieselmotors in punkto Wirkungsgrad, etwa durch eine Anpassung der Motorgröße, an die tatsächlichen Leistungsbedarfe oder durch eine Kopplung von Dieselaggregaten mit elektrischen Komponenten (Pod-Antriebe) oder durch die Rückführung heißer Abgase in die Verbrennung. Auch Segel- oder Zugdrachen können die Effizienz eines Schiffsantriebs stei-gern.

Der klassische Schiffsmotor schneidet schon heute beim Wirkungsgrad im Vergleich zu einem Personenkraftwagen gut ab. Während das Verhältnis von abgegebener Leistung zu zugeführter Leistung im Auto bei nur rund 20 Prozent und im Lkw bei zirka 40 Prozent liegt, erreichen Schiffsdieselmotoren deutlich mehr als 50 Prozent Wirkungsgrad. Das liegt daran, dass Pkw-Motoren deutlich überdimensioniert sind, um die erwartete Dynamik beim Fahren gewährleisten zu können. Die Maximalleistung unter der Motorhaube ruft der Fahrer nur in

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seltenen Fahrsituationen ab. Ansonsten wird ein Pkw-Motor eher ineffizient genutzt. Die größeren Dieselmotoren in Lastwagen sind mehr für den tatsächli-chen Bedarf ausgelegt.

Beim Schiffsdieselmotor geht es um ein knallhartes Rechenbeispiel, was der Blick in den Maschinenraum erahnen lässt. Für ein Containerschiff der Pa-namax-Klasse braucht man beispielsweise einen Dieselmotor mit rund 50.000 PS, in der Post-Panamax-Klasse sogar 100.000 PS und mehr. Ein Motor von der Größe eines Einfamilienhauses steht, was den Platzbedarf angeht, immer in direkter Konkurrenz zur einträglicheren Ladefläche. Außerdem muss ein Schiffskapitän nicht schnell mal aufs Gaspedal tippen, um aus einer unüber-sichtlichen Einmündung herauszukommen oder einen Überholvorgang einzulei-ten. Beim Schiff geht es um Kurs halten, um sicheres Navigieren zum Ziel. Die optimale Dimensionierung wird aus diesem Grund von vornherein berechnet. Und auch trotz des sehr guten Wirkungsgrades für den heutigen Stand der Technik wird in einem späteren Abschnitt gezeigt werden, wie der Verbrauch selbst im konventionellen Schiffsmotor weiter gesenkt werden kann.

Der Schiffsdieselmotor ist häufig als Zweitakter ausgelegt und bietet den wirtschaftlichen Vorteil, dass er neben dem hochwertigen gereinigten Diesel, das Pkw und Lkw tanken, auch das vergleichsweise billige, ungereinigte Schweröl (Heavy Fuel Oil, HFO) verbrennen kann. Bei Schweröl sind die Schwefelemissionen besonders hoch, weil es ein Abfallprodukt aus den Raffi-nerien darstellt, das bei der Verarbeitung von Erdöl zu Benzin und Diesel ent-steht. Aus diesem Grund ist HFO auch noch relativ preiswert. Weltweit fahren zurzeit etwa 100.000 Handelsschiffe mit Dieselmotoren zur See. Je mehr die Ölpreise insgesamt steigen, desto attraktiver wird allerdings der Preisvergleich mit alternativer Energienutzung. Eine Kilowattstunde Nutzenergie kostet mehr als 30 Cent. Das ist der Preis, zu dem man Photovoltaikstrom erzeugen kann. Bei allen wichtigen und sinnvollen Ideen zur Effizienzsteigerung muss an den Carnot–Wirkungsgrad erinnert werden. Bei der Umwandlung in mechanische oder elektrische Energie ist in jeder Wärmekraftmaschine der Energieanteil vorgegeben, der nicht in Arbeit umgewandelt werden kann, sondern als Wärme abgegeben wird. Mittelfristig wird daher eine Abkehr vom Verbrennungsmotor die beste Maßnahme zur Effizienzsteigerung sein.

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Frachtschiffe haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Nachfrage der Reeder zielt nun auf Themen wie saubere Verbrennung und kraftstoffsparende Technologien. Der Motorenhersteller Caterpillar hat in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar in Forschung und Entwicklung der ACERT Technologie investiert und dabei rund 250 Patente generiert, um ihre Motorentechnik durch elektronisch geregelte Einspritzung, verbesserte Verbrennung, variable Ventilsteuerung und vieles mehr zu optimieren. Caterpillar ist das erste größere Unternehmen, das einen Sustainability Report veröffentlichte, um seine Maßnahmen für mehr Umweltverträglichkeit zu dokumentieren. Auch MTU und MAN Diesel & Tur-bo haben ihre konventionellen Schiffsmotoren in den vergangenen Jahren wei-terentwickelt und sind aktuell in der Vorserienerprobung neuer emissionssen-kender Verfahren.

Abb. 20: MTU entwickelt die Motorenbaureihe 1163 für die Emissionsstufen IMO 2 und IMO 3 weiter

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Common-Rail (Direkteinspritzung)

In Anlehnung an die Motorentechnik der Automobilbranche werden neue Schiffe jetzt mit Common-Rail-Systemen ausgerüstet. Dabei kann Kraftstoff mit Druck stets optimal in den Verbrennungsraum eingespritzt werden. Als Ergebnis einer elektronischen Direkteinspritzung steigt die Leistung, sinkt der Verbrauch, und die Verbrennung läuft sauberer ab. Mit einer Weiterentwick-lung ihrer Schiffsmotoren der Baureihe 1163 will die Tognum-Tochter MTU in Friedrichshafen nach eigenen Angaben die neuen Emissionsstufen IMO II und sogar IMO III einhalten.

Kundenrelevante Motoreigenschaften und die Einbaumaße lässt man unver-ändert, ebenso alle Motorschnittstellen zum Schiff. Somit können Zulieferteile weiter verwendet werden. Die Grenzwerte von IMO II werden rein durch in-nermotorische Maßnahmen ohne Abgasnachbehandlung erreicht, heißt es aus Friedrichshafen. Dazu gehören neben dem Common-Rail-Einspritzsystem mit 1.800 bar, ein elektronisches Motormanagement und ein neues Brennverfahren.

Wasser hilft, die Stickoxide bei der fossilen Verbrennung deutlich zu redu-zieren. Es gibt drei Möglichkeiten, Wasser in den Verbrennungsprozess zu bringen:

• Vermengung von Wasser mit dem Kraftstoff (FWE, fuel water emulsion)

• separate Wasser-Einspritzung in den Zylinder (DWI, direct water injection)

• Befeuchtung der Verbrennungsluft (HAM, humid air motor)

Direct Water Injection (DWI)

Alle drei Möglichkeiten kommen in der Praxis zur Anwendung, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Anbieter wie Wärtsilä oder Mitsubishi Heavy Water Industries setzten in hohem Maße auf die separate Wasser-Direkteinspritzung (DWI) und investierten dort erheblich. Doch schließlich

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stellte sich heraus, dass MAN offenbar die richtige Entscheidung getroffen hat-te, sich auf eine außerhalb des Zylinders hergestellte Mischung aus Kraftstoff und Wasser zu konzentrieren, die Fuel Water Emulsion.

Fuel Water Emulsion (FWE)

Vermengt man Kraftstoff mit Wasser, bevor er verbrannt wird, ist die Effizi-enz höher als bei der separaten Wasser-Direkteinspritzung und vor allem tritt gemäß langjähriger Erfahrung von MAN keine Korrosion von Brennraumbau-teilen auf. Das verdampfende Wasser bewirkt in direkter Nähe des eingespritz-ten Kraftstoffs eine lokale Abkühlung im Zylinder. Je niedriger die Verbren-nungstemperatur ist, desto weniger Stickoxide werden gebildet. Auf dem Prin-zip der Emulsion basiert das FWE-Verfahren (Fuel Water Emulsion) im Vier-taktmotor bzw. WIF-Fahren (Water in Fuel) im Zweitaktmotor. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes „nasses Verfahren“ zur Verringerung des Stickoxi-danteils im Abgas. Jedes Prozent Wasser, das dem Kraftstoff kurz vor der Ver-brennung an Bord des Schiffes beigemengt wird, senkt den NOx-Ausstoß um dieselbe Menge. Bei Schweröl ist eine Reduzierung um bis zu 30 Prozent dar-stellbar. Die Kraftstoff-Wasser-Emulsion muss jedoch mit Frischwasser erzeugt werden, da die Emulsion frei von Sal-zen sein muss. MAN hat die FWE-Technologie bereits auf Kreuzfahrt- und Handelsschiffen implementiert. Sowohl Platzbedarf an Bord als auch die erforderlichen Investitionen halten sich in Grenzen. Bereits in den 80er Jahren fanden dazu umfangreiche Tests statt. Seit dem Jahr 2000 sind vier Ro-Ro Transporter mit 12-Zylinder V-Motoren mit der FWE-Technologie unterwegs, weitere Schiffe folgen.

Abb. 21: Der Water-in-fuel Emulsifier von Lehmann & Michels (LEMAG) Slashpol E reduziert Partikel, Stickoxide und Verbrauch

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Humid Air Motor

Die Ressource, die einem Schiff nun wirklich in rauen Mengen zur Verfü-gung steht, ist Meerwasser. Das macht sich die HAM-Technologie (Humid Air Motor) zunutze. Das Zusatzsystem erzeugt aus unbehandeltem Seewasser Was-serdampf und verursacht so nur geringe zusätzliche Betriebskosten. Mit diesem Wasserdampf wird die heiße Ladeluft, die vom Kompressor kommt, in einem Kessel befeuchtet. Das vergrößert die Wärmekapazität der Ladeluft und senkt ihren Sauerstoffgehalt. Die Verbrennungstemperatur im Motor lässt sich so deutlich absenken, der NOx-Gehalt im Abgas kann um bis zu 65 Prozent ge-senkt werden. Dieses Zusatzsystem eignet sich für die Erfüllung strenger Grenzwerte in sensiblen, oder küstennahen Gebieten. Bei Zweitakt-Motoren entspricht das Scavenging Air Moistening (SAM) der Technologie des Humid Air Motors (HAM).

Allerdings konkurrieren bei allen Technologien zur NOx-Reduktion die Ziele „saubere Abgase“ und „niedriger Kraftstoffverbrauch“ miteinander. Der Ver-brauch steigt durch das Verfahren leicht an, ebenso der Rauchanteil im Abgas. Außerdem geht ein Teil der Wärmeenergie verloren, die in der zusätzlich instal-lierten Abwärmenutzung verwertet wird. MAN hat damit die Fähre Mariella nachgerüstet, die zwischen Finnland und Schweden verkehrt.

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Abgaswäsche (Scrubber)

Das englische Wort Scrubber steht für „Schrubber“. Damit sind zwei prin-zipiell unterschiedliche Reinigungsverfahren der Abgasreinigung von Schwefel und Partikel gemeint. Es gibt ein nasses und ein trockenes Verfahren. Bei bei-den ist entscheidend, was mit dem herausgefilterten Schwefel passiert. Hier sind die Betreiber gefragt: logistisch und finanziell. Schwefelemissionen lassen sich jedenfalls nicht über innermotorische Maßnahmen reduzieren. Der Schwefelan-teil im Kraftstoff bestimmt den Schwefelanteil des Abgases, unabhängig von Technologien im Verbrennungsmotor. Eine Abhilfe könnte zumindest in küs-tennahen Umweltzonen oder in Häfen im Einsatz schwefelarmer Treibstoffe

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liegen. Marinediesel oder Erdgas hätten deutlich niedrigere Schwefelanteile. Ansonsten bleibt nur die Installation von Abgas-Nachbehandlungssystemen.

Der „offene“ Nass-Scrubber senkt den Schwefeloxidgehalt der Abgase um 90 bis 95 Prozent. Die Sprühdüsen ähneln Duschköpfen und reichern das Abgas kurz vor dem Schornstein mit Meerwasser an. Pro Megawattstunde werden 40 bis 50 Kubikmeter Meerwasser benötigt. Das bedeutet einen hohen Platzbedarf an Bord. Die schwefe-lige Säure, die beim Reinigungs-prozess aus Wasser und Schwefel entsteht, wird mit basischen Kom-ponenten des Meerwassers neutra-lisiert. Übrig bleiben Partikel und Öl, die herausgefiltert werden müs-sen, bevor das Wasser ins Meer zurückfließt. Unklar ist, ob sich ein System mit oder ohne Filterung durchsetzen wird. Bei Systemen

ohne Filterung muss sichergestellt sein, dass das Waschwasser eines Scrubbers in Tanks gesammelt und im Hafen zur Entsorgung an Land gepumpt wird.

Ein „geschlossener Nass-Scrubber“ (Aalborg Industries) verbindet Frisch-wasser mit einer Natronlauge. Dadurch würde der Wasserbedarf auf einen Bruchteil sinken (0,1 Kubikmeter pro Megawattstunde Leistung) und nahezu kein Waschwasser anfallen, das ins Meer zurück geleitet werden müsste. Die festen Bestandteile werden dann in Tanks gesammelt, um sie an Land entsorgen zu können.

Anfang 2010 wurden die ersten maritimen Abgaswäsche-Anlagen deutscher Hersteller vom Germanischen Lloyd für die Schifffahrt zertifiziert. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) bezeichnete Scrubber-Technologien deshalb als noch im „Status Versuchsstadium“. Die geringe Zahl

Scrubber Technologien Nasses Verfahren: Abgase werden durch vernebeltes Wasser geleitet. Schwefeloxid bindet sich so zu schwefliger Säure. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die ausge-waschenen Stoffe nicht ungefiltert ins Fahrwasser abgeleitet werden, sonst steigt die Wasserbelastung zugunsten der Luftreinheit. Trockenes Verfahren: gelöschter Kalk (Calciumhydroxid) kommt in Form eines Kalkgranulats zum Ein-satz, das mit dem Schwefeloxid zu Gips wird. Auch hier muss eine Ent-sorgungslogistik an Bord und an Land organisiert werden.

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an bisherigen Anwendungen sei ein Indikator dafür, dass die grundsätzliche Marktreife noch nicht erreicht sei. Beide Verfahren zur Abgaswäsche dürften im Retrofitting – das ist die Nachrüstung von Schiffen mit neuer Umwelttech-nik – erst nach dem Inkrafttreten strengerer Grenzwerte im großen Stil zum Einsatz kommen.

Die Hersteller jedenfalls melden, dass Scrubber-Anlagen mindestens 85 Pro-zent des Schwefeldioxids aus dem Abgas herausfiltern können.

Selektive Katalytische Reaktion (SCR)

Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden Katalysatoren in Kraftwerke und Kraftfahrzeuge nachgerüstet bzw. sind bei Neubauten oder Neufahrzeugen be-reits von Anfang an Pflicht. Weil Katalysatoren Emissionen nachhaltig reduzie-ren, stattete der deutsche Reeder Rörd Braren seine Flotte mit Katalysatoren aus.

Er wurde dafür nicht nur mit dem Umweltzeichen ,,blauer Engel'', ausge-zeichnet, sondern zahlt gleichzeitig beispielsweise in schwedischen Häfen, die von seiner Reederei häufig angelaufen werden, deutlich weniger Hafengebühren als Schiffe ohne effiziente Abgasnachbehandlung. Von deutschen Häfen erwar-tet man schon lange, ihre Hafengebühren ebenfalls an die Emissionen zu kop-peln, um so einen Anreiz für saubere Motorentechnik zu schaffen.

Wenn im Jahr 2016 die Emissionsstufe IMO III in Kraft tritt, kann ein SCR-Katalysator dazu beitragen, die Stickoxid-Emissionen eines Schiffs einzuhalten. Ein sehr hohes Potenzial zur Verringerung schädlicher Stickoxide im Abgas birgt die Selektive Katalytische Reaktion (SCR). Das Abgas wird zusammen mit Ammoniak oder Harnstoff bei 300 bis 400 Grad Celsius durch einen Kata-lysator geleitet. Dort findet eine selektive chemische Reaktion statt. Das bedeu-tet, dass bevorzugt die unerwünschten Stickoxide reduziert werden und dabei unerwünschte Nebeneffekte wie die Oxidation von Schwefeldioxid zu -trioxid unterdrückt werden. Bilanz der SCR-Technologie: Der NOx-Ausstoß wird um mehr als 80 Prozent reduziert. Nur Stickstoff und Wasserdampf verlassen den Schornstein.

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Wenn die Abgastemperatur zu hoch ist, verbrennt der Ammoniak jedoch. Ist sie zu niedrig, bildet sich Ammonium-Hydrogen-Sulfat, das den Katalysator nach und nach schädigt. Der Schwefelgehalt im Abgas darf auch nicht zu hoch sein. Über eine mögliche Kombination mit einem Schwefel-Scrubber wurde bereits gesprochen, auch er wirkt sich auf die Abgastemperatur aus, so dass ein Monitoring der Abgastemperatur unerlässlich ist.

Die SCR-Technologie ist zwar investitionsintensiv und okkupiert einen Teil der Ladefläche für ein Ammoniak- oder Harnstoff-Lager, aber es löst das NOx-Problem im Abgas. Auf der Kostenseite stehen dem Umweltvorteil jährliche Ausgaben von rund fünf Prozent der Kraftstoffkosten gegenüber.

Für Motoren mit Marinediesel hat der dänische Zulieferer Dansk Teknologi ein spezielles SCR-System entwickelt. Es basiert auf einer luftlosen Einsprit-zung von Harnstoff an mehreren Stellen der Abgas-Nachbehandlung. Dadurch wird kein Kompressor für die Abgasluft benötigt und damit auch weniger Ener-gie aufgewendet und weniger Platz benötigt.

Abgasrückführung

Wenn man etwas nicht will, kann man es auch dorthin zurückschicken, wo es hergekommen ist. Das ist, zugegeben in sehr einfachen Worten, das Funkti-onsprinzip eines EGR (Exhaust Gas Recirculation System) oder Ab-gasrückführungs-Systems. Für langsam laufende Zweitaktmotoren gibt es be-reits maritime Systeme, um Stickoxidemissionen von Schiffen bis zu 80 Prozent zu senken.

Wie funktioniert ein Abgasrückführungs-System? Das Abgas mischt sich mit der Ladeluft und senkt damit den Sauerstoffgehalt im Zylinder. Dadurch wird die spezifische Wärmekapazität der Luft erhöht. Die Verbrennung läuft in der Folge mit niedrigeren Temperaturen ab und stößt damit weniger NOx aus. Hierbei ist nur zu beachten, dass ein hoher Schwefelanteil im Schweröl Bauteile des EGR verschmutzen oder korrodieren lassen kann. Daher werden ein Ab-gaswäscher und ein Kühler vorgeschaltet, der die Abgastemperatur auf 100 Grad Celsius senkt. Schließlich wird dem Abgas Feuchtigkeit entzogen und ein Gebläse erhöht den Druck um 0,4 bis 0,7 bar.

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Zero Emission Ships (ZEM)

Die vorangegangenen Abschnitte zeigen, mit wie viel Aufwand die Emissio-nen aus fossiler Verbrennung reduziert werden können. Teilweise lassen emis-sionssenkende Technologien den mühsam gesenkten Treibstoffverbrauch wie-der ansteigen, teilweise geht die Reduzierung eines bestimmten Schadstoffs zu Lasten einer anderen Schadstoffbilanz. Daher muss immer der Gesamteffekt auf die Faktoren Verbrauch, Emissionen und Kosten für Investitionen und Betrieb analysiert werden.

Durch Optimierungsmaßnahmen am Motor selbst konnten die Stickoxide seit 1990 um rund ein Drittel reduziert werden. Weitere rund 60 Prozent des NOx-Ausstoßes moderner Motoren lassen sich mit den vorgestellten wasserba-sierten Technologien (DWI, FWE, HAM/SAM) einsparen. Was sich dann noch an Stickoxiden im Abgas befindet, kann zu 90 Prozent durch Selektive Katalyti-sche Reduktion bei der Abgasnachbehandlung herausgefiltert werden, wenn der Treibstoff keinen hohen Schwefelanteil aufweist. Wiederum ist eine Reduzie-rung des Schwefels im Abgas zwar technisch möglich, zieht jedoch logistischen Aufwand nach sich, weshalb die Verwendung schwefelarmen Kraftstoffs nach Ansicht vieler Ingenieure vorzuziehen ist. Kohlenmonoxid und Kohlenwasser-stoffe spielen bei hochaufgeladenen Dieselmotoren keine große Rolle und kön-nen in einer SCR-Anlage deutlich reduziert werden. Somit bleiben die Partikel aus schwerölbetriebenen Schiffsmotoren die größte Herausforderung. Es gibt zwar technische Lösungen, wie zum Beispiel elektrostatische Rauchgasfilter, doch erfordern diese entweder viel Platz auf dem Schiff oder hohe Investitio-nen. Bei einer Umstellung auf destillierte Kraftstoffe könnten jedoch 50 bis 90 Prozent der Partikelemissionen eingespart werden, so dass auch diese Umwelt-belastung beherrschbar wäre.

Es gibt jedoch noch lange kein Patentrezept für den Umgang mit fossilen Brennstoffen. Um die Nachteile der Verbrennung von Erdölprodukten auszu-gleichen, fallen beträchtliche Investitionen an. Was liegt näher, als von einem Schiff zu träumen, das ganz ohne Emissionen auskommt, weil es gar keine fos-silen Brennstoffe mehr verbrennt? Erste Konzepte dafür liegen bereits auf dem Tisch. Wenige kleinere Schiffe werden sogar heute schon alternativ angetrie-

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ben. Rückenwind erhält dieses Thema durch ein ganz pragmatisches Argument: die Knappheit der Ölreserven.

Der US-Bundesstaat Kalifornien erschütterte die Automobilindustrie im Jahr 1990 mit einem Gesetz über Zero Emission Vehicles (ZEV). Es sah vor, dass jeder Hersteller ab dem Jahr 2003 mindestens 10 Prozent völlig emissionsfreie Autos in Kalifornien verkaufen sollte. Damals reichte die Phantasie nur für ein Elektrofahrzeug, um dieses Ziel zu erfüllen. Auf Drängen der Lobby wurde die ZEV-Quote zwar wieder gesenkt. Aber 2011 sollten rund 2.500 Brennstoffzel-len-Autos bis zum Jahresende auf kalifornischen Straßen unterwegs sein, bis Ende 2014 bereits 25.000. Außerdem zielte die Schwarzenegger-Regierung auf mehrere Hunderttausend Gasfahrzeuge und mehrere Zehntausend Gas/Elektro-Hybrid-Fahrzeuge ab. Unter Präsident Barack Obama wurde CO2 erstmals offi-ziell von der US-Administration als Schadstoff anerkannt. Das CAFE-Programm „Corporate Average Fuel Economy“ wurde erlassen, in dem die Fahrzeughersteller seit 2010 eine erhöhte Treibstoffeffizienz für ihre Fahrzeug-Flotten nachweisen müssen. Die Kalifornischen Gesetze bezüglich des Stick-stoffdioxids NO2 erhielten zum 1. April 2010 USA-weite Gültigkeit. Mit die-sem nationalen Standard haben die USA einen großen Schritt in Richtung emis-sionsfreies Autofahren unternommen. Nun sind die Autohersteller gefragt, ge-nügend Stückzahlen an Elektrofahrzeugen, Brennstoffzellen-Autos oder zumin-dest Hybrid-Modellen zu bezahlbaren Preisen auf den Markt zu bringen.

Die drei Buchstaben ZEM stehen im Schiffbau für eine ähnliche Entwick-lung, die für große Container- oder Kreuzfahrtschiffe jedoch noch weit im Be-reich der Zukunftsvision liegt: Zero Emission Ships. Erste ZEMs sollen in die-sen Schiffsklassen in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts zur See fahren. Für kleinere Fähren in einer Größenordnung von 100 Passagieren gibt es bereits Nullemissions-Lösungen. Sie bedeuten mittel- bis langfristig einen Abschied von fossilen Brennstoffen. Neue, ökologisch optimierte Antriebssysteme auf Basis regenerativer Energieträger müssen dazu für den Schiffbau angepasst werden. Parallel gilt es, rasch Übergangsszenarien zu entwickeln, wie kurz- bis mittelfristig über die Optimierung der konventionellen Antriebssysteme hinaus durch den Einsatz verbesserter Kraftstoffe, anderer fossiler Energieträger oder durch Hybridisierung von Schiffsmotoren eine Verbesserung zugunsten von Umwelt und Klima erreicht werden kann.

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Dass selbst ein großes Containerschiff gegenüber seinen dieselgetriebenen Vorgängern 69 Prozent des Verbrauchs fossiler Brennstoffe einsparen kann, will die japanische Schifffahrtsgesellschaft NYK mit seinem „NYK Super Eco Ship 2030“ unter Beweis stellen. Das hauseigene Technologieinstitut MTI ar-beitet dazu mit der finnischen Beratungsgesellschaft Elomatic und dem italieni-schen Schiffsdesigner Garroni Progetti S.r.l. zusammen. Wird das Konzept so wie geplant bis zum Jahr 2030 umgesetzt, dann würde es den Namen „grünes Schiff“ mit Wasserstoff und Erdgas in Brennstoffzellen sowie Solar- und Wind-Energie wirklich verdienen.

Nicht alle innovativen Antriebskonzepte werden erst in 20 Jahren auf den Weltmeeren unterwegs sein, wird der folgende Abschnitt zeigen. Doch muss man ehrlicherweise feststellen, dass der Begriff „grünes Schiff“ oder auch „Clean Ship“ bereits seit Jahren recht inflationär gebraucht wird, obwohl darun-ter nicht immer wirklich emissionsfreie Schiffe zu verstehen sind.

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Erdgas ist zwar auch ein fossiler Energieträger. Aber es verbrennt wesentlich sauberer als Erdöl oder dessen Derivate. Darüber hinaus ist Erdgas in deutlich größeren Mengen vorhanden als Erdöl. Der weltweite Bedarf nach Liquified Natural Gas (LNG) soll Energieexperten zufolge bis ins Jahr 2020 um rund sieben Prozent pro Jahr steigen.

Um den wachsenden Bedarf zu decken, wird das Flüssiggas über den See-weg aus abgelegenen Fördergebieten in die Absatzmärkte transportiert, da der Bau von Pipelines nicht überall wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Nordstream AG (Hauptaktionär Gazprom: 51 Prozent; E.ON und Wintershall: je 20 Prozent; niederländische Gasunie: 9 Prozent) baut bis 2012 für eine Investitionssumme von rund 8 Milliarden Euro eine 1.223 Kilometer lange Gaspipeline vom russi-schen Erdgasfeld Juschno-Russkoje durch die Ostsee nach Deutschland in die Region Greifswald, um die Versorgungssicherheit Deutschlands zu erhöhen und politische Unwägbarkeiten an Land in den verschiedenen Durchgangsländer in Osteuropa zu umgehen. Denn der internationale Energiehandel wird immer von politischen Abhängigkeiten geprägt sein. Beim Einsatz regenerativer Energie-

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träger kommt diese Abhängigkeit so nicht zum Tragen, da der Zugang zu Son-ne, Wind, Wasser und vielen Pflanzen für Biokraftstoffe besser über den Glo-bus verteilt ist als Erdöl- oder Erdgas-Vorkommen.

Die Schiffstechnik für den Einsatz von LNG als alternativen Schiffstreib-stoff ist vorhanden und ausgereift. Ein bisher ungelöstes Problem stellt aller-dings der Methanschlupf dar, der durch unvollständige Verbrennung entsteht. Außerdem benötigen LNG-Tanks im Vergleich zu Bunkeröl-Tanks den vierfa-chen Platzbedarf. Bei Containerschiffen muss ein zusätzliches Schott eingebaut werden, damit die Tanks sicher voneinander getrennt werden. Das kostet wert-volle Stellplätze für Container, was die Amortisation einer Investition in einen Erdgas-Antrieb verlangsamt. Gerade Reedereien mit Schiffen, die erst wenige Jahre im Einsatz sind, werden durch einen Motorentausch mit hohen Sonderab-schreibungen belastet. Schiffe mit kurzen Restlaufzeiten dagegen sind nicht mehr lange genug im Einsatz, dass sich ein neuer Motor rechnen würde. Die Handelsflotte ist in Deutschland nach Angaben des ILS-Instituts im Schnitt zehn Jahre alt, was eine kurzfristige Umstellung auf Gasbetrieb bis Mitte des Jahrzehnts „unter marktgerechten Bedingungen“ nicht wahrscheinlich macht. Auch lässt sich heute noch nicht sagen, ob sich der LNG-Preis bei einer stei-

Abb. 22: LNG Carrier

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genden Nachfrage in den SECA-Schutzgebieten der Seefahrt stark erhöhen und damit dem Preis für Schweröl angleichen würde. Eine Lösung können so ge-nannte Retrofits sein. Die Adaption herkömmlicher Motoren zu Dual-Fuel-Motoren, die neben HFO auch Gas verbrennen können, ist bei einigen Motorty-pen möglich.

Da eine Remotorisierung in Abständen von etwa 12 Jahren notwendig ist (bei Großdieselmotoren allerdings nur alle 30 Jahre), werden allein in der Leis-tungsklasse 61 bis 1500 kW jährlich 1.000 neue Motoren in Europa benötigt. Bei Schiffsneubauten bestellen die Reeder in zunehmendem Maße verbrauchs- und schadstoffarme Motorisierungen, um ökonomische und ökologische Ziele gleichermaßen zu erfüllen. Aus technischer Sicht kommt entweder ein reiner LNG-Motor oder ein so genannter Dual-Fuel Motor in Frage, der alternativ mit Erdgas und Diesel betrieben werden kann. Unter dem selbstbewussten Titel „Clean Ship“ hat MAN Diesel & Turbo ein eigenes Forschungsprojekt gestar-tet. Durch neuartige, gasbetriebene Motoren sollen der CO2-Ausstoß um 40 Prozent und Stickoxide sogar um mehr als 85 Prozent gegenüber einem her-kömmlichen Viertakter reduziert werden. Weitere Schadstoffe und Partikele-missionen sollen gegen Null gehen.

Die „Maria S. Merian“ – ein Forschungsschiff des Leibniz-Institutes für Ost-seeforschung in Warnemünde – legte verständlicherweise Wert auf hohe Um-weltverträglichkeit. Während das 94 Meter lange, hochmoderne Spezialschiff mit 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und ebenso vielen Besat-zungsmitgliedern an Bord im nördlichen Golfstrom und in der Eisrand-Region der Arktis den Einfluss der Ozeane auf Klimaschwankungen untersucht, wird es von vier Viertaktmotoren in zwei getrennten Maschinenräumen angetrieben. Der High-Tech- Kreuzer kann mit maximal 5.600 Kilowatt Leistung auf 15 Knoten beschleunigen. Dennoch wurde er so ausgelegt, dass er als weltweit erstes Schiff mit dem Umweltgütesiegel "Blauer Engel" ausgezeichnet wurde. Die Ingenieure der MAN-Sparte Diesel & Turbo hatten die Einspritzanlage modifiziert, so dass auf Schweröl verzichtet werden konnte und stattdessen ausschließlich Gasöl verwendet wird. Dadurch sind die auf dem Meer ausgesto-ßenen Abgase nahezu frei von Ruß und arm an umweltschädlichen Schwefel-oxiden. Die Leistung der vier Motoren kann so flexibel abgerufen und kombi-niert werden, dass die Fahrweise besonders wirtschaftlich und klimaverträglich ist.

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Namhafte deutsche Werften haben ein gemeinsames Innovationsprojekt ins Leben gerufen, um die Systemführerschaft auf dem Gebiet neuartiger und um-weltfreundlicher Schiffsantriebe zu erlangen, darunter die Meyer Werft in Pa-penburg, die Bremer Lürssen-Werft und die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft FSG. Gas-Pax lautet der Name des Verbundforschungsvorhabens, bei dem es darum geht, Brennstoffe mit niedrigen Flammpunkten wie zum Beispiel Erdgas zu nutzen. Es sollen drei Gasschiffe als sichere und wirtschaftlich attraktive Avantgarde-Projekte entstehen, eine Mega Yacht (Lürssen), ein Kreuzfahrt-schiff (Meyer Werft) and ein eine Ro-Ro-Passagierfähre (FSG). Gas-Pax soll sich auf Antriebs- und Hilfsenergie gleichermaßen erstrecken und Aspekte wie Produktion, Betankung, Betrieb und Hilfsmotoren zu beleuchten.

Beim Einsatz gasförmiger Brennstoffe sind allerdings besondere sicherheits-technische Aspekte zu beachten, vor allem beim Passagiertransport. Passagier-fähren mit Gasantrieb kamen zum ersten Mal vor einem Jahrzehnt vor Norwe-gen zum Einsatz. Für den Betrieb in internationalen Gewässern fehlt jedoch bisher ein umfassendes Regelwerk der Internationalen Maritimen Organisation IMO und der Klassifikationsgesellschaften zu Lagerung und Handling des leichter entflammbaren Kraftstoffs. Eine neue Schiffsarchitektur soll zugleich dem höheren Platzbedarf für Gas im Vergleich zum Schweröl Rechnung tragen. Ergebnisse werden für 2012 erwartet.

Mit dem maritimen Zulieferer DTU-Mekanik evaluiert unterdessen die däni-sche Fährgesellschaft Mols-Linien A/S Effizienz und Emissionen von Schnell-fähren mit LNG-Antrieb. Dabei wird an Gasturbinen in Kombination mit einem Organic Rankine Cycle (ORC) für eine 112 Meter lange Schnellfähre gedacht. Unter ORC ist ein Verfahren zum Betrieb von Dampfturbinen mit organischen Flüssigkeiten statt Wasserdampf zu verstehen. In Verbindung mit anderen Re-kuperationsmaßnahmen (Rückgewinnung verlorener Energie) wie Abwärme-nutzung und Abgasrückführung soll die Energieeffizienz an Bord bei dem Ge-samtprojekt um 30 bis 35 Prozent steigen.

Beim Einsatz von LNG kann die Abwärme effizient zur Stromerzeugung und zur Wärmeversorgung des Schiffs genutzt werden. Bei Schiffsdiesel kann dagegen durch die erforderlichen Emissionsmaßnahmen (Schwefel Scrubber, SCR Katalysator und Abgasrückführung) ein großer Teil der Abwärme nicht verwertet werden. Eine typische LNG-betriebene Fähre mit 22 Knoten Fahrt

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kann bis zu vier Prozent an Energie für Heizung und Strom sparen. Das ent-spricht einer elektrischen last von ungefähr 380 Kilowatt, hat Wärtsilä errech-net.

Was kann man tun, um die Investitionshürde für eine Gasmotorisierung zu senken? Damit befasst sich die Universität Bayreuth. Der Lehrstuhl Umweltge-rechte Produktionstechnik arbeitet an innovativen Konzepten für den Antrieb von Schiffen, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM). Der Tenor lautet dabei „Gas statt Diesel – optimiert und runderneuert statt neu“. Dieses Projekt könnte Antworten auf die eingangs gestellten Fragestellungen zur Amortisation geben. Rolf Steinhilper und seine Wissenschaftler arbeiten in dem Forschungsprojekt mit dem Pkw- und Lkw-Nachrüst-Zuliefer BU Drive zusammen.

BU Drive bringt unter anderem seine Kompetenz im Remanufacturing von Fahrzeugen ein. Qualität und Zuverlässigkeit von Austauschteilen ist nach An-gaben des Unternehmens vergleichbar mit Neuteilen. Daher sei ein Remanufac-turing und Upgrading von Schiffs-Dieselmotoren aus wirtschaftlichen und öko-logischen Gesichtspunkten genauso vertretbar wie aus technischen. Beim Remanufacturing wird im Vergleich zur Neuteileproduktion nur ein Bruchteil der Energie und der Materialien verbraucht, da ein Großteil der Einzelteile nach einer eingehenden Reinigung und Qualitätskontrolle wiederverwendet werden kann. Mit der wissenschaftlichen Begleitung der Universität Bayreuth hat sich BU Drive zum Ziel gesetzt, einen preiswerten Gasmotor für Schiffshaupt- und Nebenantriebe durch Remanufacturing und Upgrading von Dieselmotoren zu entwickeln. Der Gasmotor wäre bereits in seiner neuartigen Herstellung innova-tiv und in jeder Hinsicht ressourcenschonend.

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Wind

Seit Jahrtausenden, davon zeugen historische Zeichnungen und Berichte, bewegen sich Menschen mit Windkraft auf den Meeren. Unter den Fundstücken der Archäologen befinden sich Paddel von den Nordseeküsten Englands (9.500 vor Christus) und Schleswig-Holsteins (7.000 vor Christus). Aus der Zeit 5.000 vor Christus stammen ägyptische Wandmalereien und Darstellungen auf eine Urne, die als Beleg für die ersten Schiffe mit drehbar gelagertem Rahsegel gel-ten.

Kühne Seefahrer haben von Europa aus mit ihren Segelschiffen fremde Kon-tinente erschlossen: Afrika, Asien, Australien und Amerika. Doch waren die Seeleute von einst stark der Natur ausgeliefert. War die See zu stürmisch, konn-te es für Mann und Maus gefährlich werden. Und ganz ohne Wind kam man nicht vom Fleck. Deshalb kamen die Römer auf die Idee, ihre Galeeren mit hunderten von rudernden Sklaven anzutreiben – auch eine Form des Antriebs. Als die Dampfmaschine und die Dampflokomotive und schließlich der Diesel-motor fürs Automobil erfunden wurden, läutete dies auch für die Handelsschiff-fahrt ein neues Zeitalter ein. Kommerzielle und militärische Schiffe holten ihre Schiffssegel für immer ein. Wirklich für immer? Das sollen die folgenden Sei-ten zeigen.

Die Bundeswehr betreibt heute noch ein großes Segelschulschiff, die Gorch Fock, die in die Schlagzeilen geriet, als im November 2010 eine 25 Jahre alte Offiziersanwärterin aus der Takelage 27 Meter tief auf das Schiffsdeck stürzte und starb. Die Ausbilder an Bord sollen angeblich hohen Druck auf die Solda-ten ausgeübt haben, in die Takelage hinaufzuklettern, lauteten Vorwürfe beim Wehrbeauftragten. Die Gorch Fock hat 2000 Quadratmeter Segelfläche. Beim Aufentern, dem Hochklettern an den seitlichen Stahlseilen der Masten für Ar-beiten an den Segeln, ist keiner der Seeleute gesichert. Erst oben schlägt man einen Karabinerhaken an ein Sicherungsseil aus Draht. Nach dem Vorfall war

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es zu Spannungen zwischen Kapitän und Crew gekommen, worauf vier Offi-ziersanwärter der Meuterei beschuldigt wurden. Der Fall zeigt, dass die Ge-fahren, die das Segeln seit Jahrhunderten mit sich brachten, auch heute noch existieren.

Im Segelsport ist die Nutzung der Windenergie auch nach der Motorisie-rung der Schifffahrt weiter perfektioniert worden. Der spektakuläre Sieg von BMW Oracle Racing mit der „USA 17“ am 14. Februar 2010 beim 33. Ameri-ca’s Cup vor Valencia über den Titelverteidiger Alinghi in nur zwei Rennen stellte einen neuen Höhepunkt im Segelsport dar. Eigens für diesen Wettbewerb hatte BMW Oracle einen neuen Trimaran entwickelt. Die 30 Meter lange Yacht wurde mit 11,5 Tonnen sehr leicht, da fast ausschließlich kohlenstofffaserver-stärkter Kunststoff verwendet wurde. Der Bug wurde mit Kevlar verstärkt.

Nach dem Vorbild einer Flugzeugtragfläche fertigten die Konstrukteure ein starres Segel vorwiegend aus Kohlenstofffaser. Für jeden Wind kann am Trima-ran eine optimal gewölbte Fläche zum maximalen Vortrieb eingestellt werden. Dank motorbetriebener Winschen sind sehr schnelle Segelmanöver möglich. Bei guten Windbedingungen kommt auch der Mittelrumpf aus dem Wasser, und

Abb. 23: Das deutsche Segelschulschiff Gorch Fock auf einem Zehn-Mark-Schein.

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der Trimaran segelt nur auf dem Leeausleger. Im Ergebnis vervierfachte die „USA 17“ die Spitzengeschwindigkeit des America’s Cup auf 40 Knoten (bis dato waren 10 Knoten registriert worden). Die Arbeit von 30 Designern und Ingenieuren – allein der Bootsrumpf wurde in 150.000 Arbeitsstunden aus Kar-bonverbundwerkstoffen gebaut – entwickelte sich zum generellen Beweis dafür, dass der Mensch mit innovativen Bootskonstruktionen noch wesentlich mehr Nutzen aus Windenergie ziehen kann, als jahrhundertelang geglaubt.

Warum nicht auch bei den großen Schiffen? Herkömmliche Segelschiffe einzusetzen, würde einen Rückschritt für die Handelsschifffahrt bedeuten. Die Masten würden wertvolle Ladefläche beanspruchen, die Abhängigkeit vom Windgang wäre zu groß, man müsste häufige Strafzahlungen für Verspätungen in Kauf nehmen. Schließlich wäre auch mehr Personal erforderlich, um ein Se-gelschiff zu steuern. Ein großes Containerschiff mit Dieselmotor kann mit ei-nem Dutzend an Besatzungsmitgliedern betrieben werden.

Abb. 24: BMW Oracle Racing erreichte mit seinem Trimaran USA 17 bis zu 40 Knoten an Fahrt und gewann so den America’s Cup 2010

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Seit rund 50 Jahren wird über die Pläne des Hamburger Schiffbauingenieurs Wilhelm Prölss diskutiert, ein Handelsschiff mit einem neuartigen Segelantrieb auszustatten, den er „DynaRigg“ nannte. Er wollte Wind in der Schifffahrt wie-der kostensenkend nutzen und überlegte sich wie moderne Rahsegelflächen an drehbaren Masten eine geschlossene Segelfläche bilden können. Die einzelnen Rahsegelflächen werden dabei aus der Mastmitte heraus, ähnlich einer Gardine, zu den Rah-Enden ausgefahren. Jedes Segel ist einzeln steuerbar, um dem aktu-ellen Windaufkommen gerecht zu werden.

Abb. 25: Modell von Kapitän Hartmut B. Schwarz für ein Modern Merchant Sailing Vessel von 150m Länge und 18m Breite

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Das erste Schiff mit dynamischem Rigg wurde 2006 fertig gestellt. Die 88-Meter-Yacht „Maltese Falcon“ wurde auf Wunsch des Internet-Milliardärs Tom Perkins gebaut, der das Schiff nach dreieinhalb Jahren im November 2009 wie-der an neue Eigner verkaufte. Seine Masten bestehen aus hochfesten, mit Koh-lenstofffasern verstärkten Kunststoffen. Wenn der Wind nicht reicht, ist eine Kombination mit einem kleinen Dieselmotor vorgesehen.

In den 1970er Jahren wurde ein ähnliches automatisiertes Rigg entwickelt. Der 74jährige Segelschiffsoffizier Kapitän Hartmut B. Schwarz, der lange Jahre mit der Gorch Fock gesegelt hat, und die „See Cloud“ auf Fahrt gebracht hat, entwickelte mit der Vulkanwerft moderne Segelschiffe und verfolgt seit den 90er Ansätze für eine neue Ökonomie und Ökologie der Seefahrt. Der Bauauf-trag für sein erstes neues Schiff scheiterte zunächst an Interessenskonflikten der Mineralölindustrie: Seine Schiffe wären ohne einen Tropfen Öl schneller un-terwegs gewesen als konventionelle Motorschiffe. „Wenn wir nicht umsteuern, werden wir das Klimaziel von maximal 2 Grad Erwärmung für dieses Jahrhun-dert nicht hinbekommen. Unsere Lösung besteht darin, Schiffe nur innerhalb der Windsysteme zu segeln, die jahrein, jahraus Windsicherheit garantieren. Wind liefert Energie im Überfluss. In bestimmten Monaten werden wir auf internationalen Strecken schneller als Motorschiffe sein“, kündigt Schwarz sein neues Projekt „Cape Horn“ an, das Schule machen soll. Jährlich werden 2 Mil-liarden Tonnen Schüttgut transportiert. Wenn nur 10 Prozent davon auf Segel-schiffe verlagert werden, bedeutet dies eine jährliche Ersparnis von 500 bis 600 Milliarden Kubikmeter Schwefeloxid.

Selbst die Eigenstromversorgung soll über einen Generator laufen. Bei Fahr-ten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 22 Knoten läuft ein Propeller mit, der elektrische Energie erzeugt, die in großen Batteriesätzen gespeichert wird. Die Riggs sind so ausgelegt, dass kein Zwischenraum zwischen den Segeln existiert, sodass es keine Verwirbelungen gibt. Die Takelage des modernen Segelschiffs kann per Knopfdruck in einer halben bis einen Minute geborgen werden. Das neue Segelschiff soll eine schlankere Form als konventionelle Schiffe besitzen und erlauben, bis 40 Grad hart am Wind zu fahren. Der Rumpf wird so konstru-iert, dass bei 20 knoten noch kein Hecksee auftritt. Nach zweijähriger Bauzeit soll die erste Fahrt 2013 um Kap Hoorn stattfinden.

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Die beiden Hamburger Ingenieure Stephan Wrage und Thomas Meyer hatten eine Idee zur Nachrüstung konventioneller schiffe mit Windhilfsantrieben und gründeten das Unternehmen SkySails im Jahr 2001. Sechs Jahre später stach der erste Schwergutfrachter mit unterstützendem Zugdrachenantrieb in See. Bei optimalen Windverhältnissen reduziert SkySails als Zusatzantrieb den Kraft-stoffverbrauch eines Frachtschiffs um zeitweise mehr als 50 Prozent. Selbst bei mäßigem Wind ersetzt der automatisch gesteuerte Drachen zeitweilig bis zu 20 Prozent der Maschinenleistung und spart so Kraftstoff. Der Vortrieb des Win-des kann über das Segel verlustfrei auf das Schiff übertragen werden.

Bundesforschungsministerium und Europäische Union unterstützten das Vorhaben, das Skysails gemeinsam mit der Hochschule für Angewandte Wis-senschaften Hamburg (Fachbereich Maschinenbau und Produktion) durchführt. 2009 stieg Zeppelin Power Systems (deutscher Exklusivpartner für den Vertrieb von Caterpillar-Schiffsmotoren) in das Unternehmen ein.

Nach Angaben des Bundesforschungsministeriums sollen 2010 rund 1.400 Frachtschiffe und 350 Superyachten mit dem System ausgestattet sein. SkySails entwickelt gerade nach eigenen Angaben Segel mit einer Fläche bis zu 600

Abb. 26: Ein Zugdrachen zieht ein Schiff und spart so bis zu 50 Prozent des Treibstoffs ein

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Quadratmetern für Schiffe bis zu 200 Metern Länge. Am besten eigne sich das SkySails-System für Tanker, Massengutschiffe und kleine Containerfrachter. Eine Nachrüstung ist sehr einfach, der Platzbedarf äußerst gering. Die Amorti-sationszeit liegt offenbar bei drei bis fünf Jahren.

Um volle Zugkraft zu entfalten, muss der Zugdrachen Flugbahnen in Form einer acht fliegen. Bei doppelter Anströmgeschwindigkeit ist die Zugkraft vier Mal so hoch. Die Steuerung der Leinen übernehmen Rechner in einer koffer-großen Gondel unter dem Segel. Das Drachensegel wird durch einen Teleskop-masten, der sich auf 24 Metern Länge ausfahren lässt, gestartet und steigt auf maximal 300 Meter Höhe. Je nach Schiffsgröße liegt die Drachengröße zwi-schen 160 und 320 Quadratmetern Fläche. Der Kapitän erhält elektronische Informationen, wie sich der Kurs für beste Windausnutzung optimieren lässt und wann er die Motoren drosseln kann, weil der Drachen genügend Schubkraft übermittelt. Um die Innovationsbereitschaft in der Mannschaft zu erhöhen, hat sich der Reeder entschlossen, 20 Prozent der Kraftstoffeinsparung an die Mann-schaft auszubezahlen. Inzwischen sind Vorseriensysteme auf drei Schiffen der unterwegs, eine Produktion in größeren Stückzahlen soll noch 2011 beginnen.

Um die Energie- und Umwelt-Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen, ha-ben Schiffskonstrukteure nach weiteren Wegen gesucht, die Windenergie zu nutzen. So kramten sie aus der Trickkiste des Schiffbaus auch den Flettner-Antrieb hervor. Der hessische Ingenieur Anton Flettner entwickelte in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den nach ihm benannten Flettner-Rotor, der den bereits sieben Jahrzehnte früher entdeckten Magnus-Effekt nutzte. Da-bei handelt es sich um ein Phänomen der Strömungsmechanik: Auf einen rotie-renden runden Körper wirken in einer Strömung Querkräfte auf. Der Flettner-Rotor nutzt diese Erkenntnis und setzt einen rotierenden Zylinder der Wind-strömung aus. 1924 unternahm sein Turbosegler sogar eine Atlantiküberque-rung mit Flettner-Rotoren-Antrieb.

In den 80er Jahren ließ der französische Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau die Grundidee für sein Forschungsschiff Alcyone mit zwei Zylindern umsetzen. Die Antriebsenergie wurde zur Unterstützung des Schraubenantriebs verwendet und erreichte bis zu 30 Prozent der Gesamtleistung. 2007 entwickel-te ein Diplomand an der Fachhochschule in Hannover das Schiffsdesign flet-

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mag, bei dem der Hauptrotor in verschiedenen Winkelstellungen benutzt wer-den kann.

Der britische Wissenschaftler Steven Salter von der University of Edinburgh bestückte einen Trimaran mit einem fünf und einem sechs Meter hohen Flett-ner-Rotor, um ein Klimaschutzprojekt zu starten. „Cloudia“ (nach englisch cloud = Wolke) soll auf seinen Fahrten Meereswasser versprühen, um die Strah-lungsreflexion an den Wolken zu verstärken, um die Sonneneinstrahlung auf der Erde zu reduzieren. Hunderte solcher vollautomatischer Schiffe sollen nach den Vorstellungen Salters auf diese Weise die Erderwärmung bekämpfen. Die Regeltechnik der Flettner-Rotoren wird mit Strom aus Solarzellen betrieben, damit vom Klimaschutz-Schiff selbst keine weitere Klima-Belastung ausgeht.

Im August 2010 startete die „E-Ship 1“ von Kiel aus zu ihrer Jungfernfahrt. Der große ostfriesische Windenergie-Anlagenhersteller Enercon hatte das inno-vative Schiff in Auftrag gegeben. Der Laderaum des Schiffs wurde für den Transport von Anlagenteilen für Windkraftwerke optimiert. Damit Inhalt und Transportmittel zusammen passen, sollte das Schiff soweit wie möglich regene-rativ angetrieben werden. Das 130 Meter lange und 22 Meter breite Frachtschiff ist deshalb zum einen mit einem diesel-elektrischen Hybridsystem ausgestattet und hat zum anderen vier Flettner-Rotoren an Deck. Strömt Seitenwind an den 25 Meter hohen, rotierenden Säulen vorbei, entsteht auf der Vorderseite ein Unterdruck. Dieser zieht das Schiff vorwärts.

Nicht Schiffbauingenieure sondern die Windanlagenbauer haben die Pla-nungen für den weiterentwickelten Flettner-Antrieb vorgenommen. Sie nutzten dabei ihren Erfahrungsschatz aus der Strömungstechnik von Rotorblättern der Windkraftanlagen.

Der Effekt kann sich sehen lassen: eine geschätzte Energieersparnis von mehr als 30 Prozent. Der Frachtsegler fährt mit bis zu 17,5 Knoten und wird unter anderem beim Anfahren von den zwei Dieselmotoren an Bord unterstützt. „Bei regenerativen Lösungen zum Ersatz der konventionellen Energieerzeugung darf der Transportsektor nicht vernachlässigt werden. Wir zeigen mit dem E-Ship, dass sich im Schiffsverkehr viel Treibstoff einsparen lässt“, sagte Aloys Wobben, Firmengründer von Enercon.

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Auch für den australischen Schiffbauer Austal war die Windenergie die trei-bende Kraft bei Design und Bau einer innovativen Serie von Versorgerschiffen. Als Auftraggeber für den “Wind Express” nahm Austal die weltweite Offshore-Windenergie-Industrie ins Visier. Der weltgrößte Hersteller von Aluminium-schiffen konzipierte vier verschiedene Rumpfformen, die von einem Katamaran reichen, der für mehr Stabilität weiterentwickelt wurde, bis hin zur Austal-eigenen Rumpfform tri-SWATH, mit der Seetauglichkeit und Crewkomfort bis zu einem Seegang der Stärke 6 (sehr grobe See) gewährleistet werden soll.

Für Wartungs- und Reparaturarbeiten ist die Windenergie-Industrie bei sprichwörtlichem Wind und Wetter oft in rauher See unterwegs. Die Australier jedoch erkannten im Gegensatz zu Enercon nicht den Bedarf der neuen Indust-rie. So entstanden vier Schiffsdesigns mit grünem Anstrich – aber nur von au-ßen. “Efficient measures of fuel utilization and consumption has always been Austal’s motto and it has more than delivered on it by launching its latest naval vessel series“, heißt es in der Werbebroschüre (Effizienz beim Kraftstoffver-brauch als Leitmotiv). Viel Wind um nichts? Die Wind Express Serie soll aus-nahmslos mit klassischen Dieselmotoren von Volvo oder MTU fahren, keinerlei alternativen Antrieb sieht das Konzept vor, geschweige denn Windenergie.

“In this industry, reliability is paramount; not only in terms of machinery, but also in the ability of the vessels to transfer personnel to and from wind tur-bines in comfort and safety” (In der Windindustrie ist Zuverlässigkeit das oberste Ziel; nicht nur was den Maschinenraum, sondern auch was die Fähigkeit der Schiffe betrifft, das Personal komfortabel und sicher zu den Windturbinen zu bringen), sagt der COO von Austal, Andrew Bellamy.

In Deutschland werden die verschiedenen Möglichkeiten von durch Wind angetriebenen Schiffen am umfassendsten durch Heinz Otto aus Hamburg stän-dig aktualisiert (www.windschiffe.de und www.windstammtisch.de). Die meis-ten Verfechter dieser Antriebsart glauben fest an die Rückkehr von Segelschif-fen in neuem, innovativem Gewand.

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Sonne

Ende 2006 machte sich die sun21 auf den Weg, um einen Weltrekord aufzu-stellen. Die Schweizer, eigentlich mehr bekannt für ihre Bedächtigkeit und Prä-zision als für Avantgardismus, realisierten die erste Atlantiküberquerung mit einem Solarboot. Die Reise ging zunächst von Basel über den Rhein nach Rotterdam. Auf einem Frachter wurde die sun21 dann durch die schwierigen Passagen im Ärmelkanal und im Golf von Biscaya bis nach Cadiz in Spanien transportiert. Am 3. Dezember 2006 nahm das Boot Kurs auf die Kanarischen Inseln, musste sich jedoch eine gute Woche später im Hafen von Casablanca vor stürmischer See in Sicherheit bringen. Am 19. Dezember erreichte es Lanz-arote. Fünf Wochen später traf es sicher im Hafen von Le Marin auf Martinique ein. Im Mai 2007 lief es nach etlichen Inselstopps New York an. Die erste mo-torisierte Atlantiküberquerung ohne Treibstoff war geglückt.

Das amerikanische Time Magazine hatte die Arbeit der Schweizer zu die-sem Zeitpunkt längst gewürdigt und das Solarboot sun21 in der Kategorie Mo-bilität für die "Beste Erfindung des Jahres 2006" nominiert. „Die Zeit ist reif für den breiten Einsatz der Solartechnik, die sich ganz besonders für die Schifffahrt eignet“, begründeten die Initiatoren des Schweizer Vereins "Transatlantic21"

Abb. 27: Die Schweizer “sun21” – erstes Solarboot der Welt, das den Atlantik überquerte, 2007

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ihr Projekt. „Ein Großteil der Frachtschiffe auf unseren Weltmeeren, aber auch viele Freizeitboote könnten mit umweltfreundlicher Solarenergie betrieben werden.

Ortswechsel in die deutsche Hauptstadt. Auf der Spree gleitet ein Katama-ran vom Typ SunCat 58 mit dem Namen „Solon“ nahezu lautlos und völlig abgasfrei über das Wasser. Er gewinnt seine Energie zu hundert Prozent von der Sonne. Ultraleichte Bauweise, strömungsoptimiertes Unterwasserschiff, effekti-ve Solarzellen und leistungsstarke Akkumulatoren. Die Solon schreibt die Ge-schichte der Schweizer sun21 fort, die netto in 29 Reisetagen den Atlantik überquerte. Mit 8 Knoten oder 15 Stundenkilometern befördert die Solon ihre Gäste in hellen Loungemöbeln auf einem edlen Teakdeck durch Berlin. Ohne Sonne beträgt die Reichweite des 17,60 Meter langen Schiffs 10 Stunden. Das 13 Tonnen schwere Schiff hat einen Tiefgang von einem Meter und wird von zwei 8 Kilowatt Elektromotoren angetrieben.

Auf dem Neckar errichtete die Solarschifffahrtsgesellschaft Fahrten mit dem weltweit größten Solarkatamaran. Schön anzusehen ist auch die „Alstersonne“ in Hamburg von der Alster Tourismus: Glas bis zum Boden, Edelstahl und So-larzellen reflektieren die Alster und das lichtdurchflutete Schiff. Damit der So-larkatamaran seine 80 Fahrgäste auch bei Dunkelheit transportieren kann, wur-den sechs Tonnen Gel-Akkus verbaut. Tagsüber muss ein Solarschiff seine Elektromotoren versorgen und gleichzeitig Batterien für die Nacht puffern. Alternativ zu den Batterien könnte Wasserstoff als sekundärer Energieträger erzeugt werden, der bei unzureichender Sonneneinstrahlung über eine Brenn-stoffzelle zum Stromlieferanten wird. Kritiker entgegnen dem, dass für eine Leistung von 150 Kilowattstunden eine Schiffsoberfläche von 750 Quadratme-tern mit Solarzellen ausgestattet werden müsse. Dadurch gehe wertvoller Platz auf dem Schiff verloren. Außerdem seien die Solarzellen noch zu teuer, um der Größenordnung eines Handelsschiffs durch Solarstrom eine wirtschaftliche Alternative zum Schweröl zu bieten.

Während andere noch diskutierten, wurde in der Kierim-Yachtbau-Werft im Kieler Nordhafen gehandelt. Dort entstand der nächste Erfolg für die Solar-Lobby: die PlanetSolar, ein 31 Meter langer, 15 Meter breiter solarbetriebener Katamaran (auf den ersten Seiten dieses Buchs bereits kurz beschrieben). Der Auftrag kam aus der Schweiz. Nach dem milliardenschweren Verkauf der

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Haarpflegemittelfirma Wella an Procter & Gamble gehörte die Gründerfamilie Ströher zu den reichsten ausländischen Staatsbürgern mit Schweizer Wohnsitz. Immo Ströher gilt als Förderer von Innovationen und regenerativen Energien. 2003 erwarb er über seine Holding Beteiligungen an zwei Solarzellen-Unternehmen und errichtete eine Solarwärme-Gesellschaft. 2008 ließ der So-larinvestor den Solar-Katamaran in Neuseeland konstruieren und in Kiel bauen.

Die PlanetSolar wurde in der energiesparenden Kohlefaserkomposit-Leichtbauweise hergestellt und nach neuesten Erkenntnissen der Hydro- und Aerodynamik ausgerichtet. An Deck sind 537 Quadratmeter Solarzellen instal-liert, die über 24 Stunden hinweg gerechnet 360 Kilowattstunden Energie er-wirtschaften. Die Energie wird in einer knapp 12 Tonnen schweren Lithium-Ionen-Batterie gespeichert, die beide Motoren mit maximal 240 Kilowatt ver-sorgen kann. Die Batterie macht mehr als die Hälfte des gesamten Bootsge-wichtes von nur 25 Tonnen aus. Die Tûranor PlanetSolar (der Name ist Lord Tolkines’ „Herr der Ringe“ entlehnt und bedeutet „die Stärke der Sonne“) hat

Abb. 28: 470 Quadratmeter Solarzellen auf der Tûranor

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sich eine Reihe von Rekorden vorgenommen: Es sollte nicht nur die erste Welt-umrundung mit einem Solarboot werden, sondern auch die erste Weltumrun-dung eines durch Solarenergie betriebenen Fahrzeugs überhaupt. Die Tûranor sollte auch das erste Schiff sein, das indischen Ozean und Rotes Meer mittels Solarenergie durchquert.

Dem windschnittigen Design – die Durchschnittsgeschwindigkeit der Welt-expedition soll 8 Knoten sein – sieht man gar nicht an, dass 50 Personen an Bord Platz finden. Einer von ihnen ist während der Weltumrundung der junge Schweizer Abenteurer Raphaël Domjan. Er leitete 2003 die weltweit erste IT-Firma, die Webseiten- und E-Mail-Server für ihre Kunden rein mit Solarenergie betrieb. Seit 2004 hegte er den Traum einer Weltumrundung mit Sonnenkraft, ganz nach dem Geschmack von Jules Verne. Der Urenkel des Schriftstellers, Jean Verne, nannte die aktuelle Weltumrundung eines der „großen Projekte in Vernes Sinn der menschlichen Hoffnung für eine bessere Zukunft in einer Welt, die immer mehr bedroht und in Frage gestellt ist.“

Nach dem Start im Mittelmeer ging es über den Atlantik, bevor Mitte Januar 2011 der Panama-Kanal durchquert wurde. Danach sollten Pazifik, Indischer Ozean und Suezkanal folgen. In großen Hafenstädten legte der nahezu ge-räuschlose Katamaran Zwischenstopps für Solar-Informationsveranstaltungen ein. Mit diesem Projekt will PlanetSolar demonstrieren, wie leistungsfähig, zuverlässig und alltagstauglich Solartechnik ist. Gleichzeitig gibt PlanetSolar Impulse für den wissenschaftlichen Fortschritt der Solartechnik, von Verbund-werkstoffen bis Fragen der Speicherung von Solarstrom.

Deutschland hält in den Bereichen Solar- und Windtechnik einen Anteil an den weltweiten Patenten von 30 Prozent und nimmt damit eine Führungsrolle bei den Technologien für regenerative Energien ein. Doch die Konkurrenz in Asien schläft nicht, wenn es um die Umsetzung geht. Die japanische NYK Line nahm Anfang 2009 im Hafen Kobe ein knapp 200 Meter langes Transportschiff in Betrieb. Die „Auriga Leader“ ist ein Schiff mit 60.000 Bruttoregistertonnen, das dauerhaft für den Transport von jeweils bis zu 6.200 Fahrzeugen unter Ver-trag steht. Es ist mit 328 Solarzellen bestückt, die 40 Kilowatt an Leistung pro-duzieren. Die Nippon Oil Corporation ist an dem Projekt beteiligt. Der Ölliefe-rant weiß sehr wohl, dass dieses Schiff seine Energie weiterhin zu größten Tei-len aus Schweröl bezieht. Doch mittel- bis langfristig muss sich Nippon Oil wie

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jeder andere Mineralölkonzern weltweit zum Anbieter regenerativer Energien verwandeln – oder er wird wohl untergehen.

Wellenkraft

Die Meere sind mit dem Wellengang gewaltiger Wassermassen richtigge-hend energiegeladen. Gezeiten, Erdrotation und thermische Effekte bauen die Strömungsenergie auf. Warum also gegen die Wellen und nicht mit den Wellen schwimmen? Der Klügere gibt nach, heißt es, weshalb findige Schiffbauer in Großbritannien bereits Mitte des 19. Jahrhunderts an der Idee gearbeitet haben, ein Schiff ganz ohne Segel zu konstruieren. Als die Motorisierung Einzug hielt, verschwand auch dieses Konzept für 150 Jahre in den Schubladen. 1932 baute der Deutsche Erich Roeder das Modell einer schwimmenden Plattform als Visi-on eines Wellenkraftwerks. Erst rund 75 Jahre später, ab etwa 2006 machten sich EnBW, RWE, E.ON getrennt voneinander daran, Standorte für Wellen-kraftwerke zu suchen.

Kurz darauf startet auf Hawai im März 2008 der 69-jährige Japaner Kenichi Horie mit der "Suntory Mermaid II". Sie wandelt mit Hilfe von zwei Flossen unter dem Bug Wellenenergie in Schub um. Er will den Pazifik überqueren und Japan rein per Wellenkraft erreichen. Er schafft es, doch für die 7.000-Kilometer-Strecke brauchte er ganze drei Monate. Mit Dieselmotor wäre er nur zehn Tage unterwegs gewesen. Kein Wunder: Das Boot war langsamer als Schrittgeschwindigkeit gefahren. Als Hauptantrieb schied Wellenkraft also aus. Dennoch soll das Konzept als Zusatzantrieb weiterverfolgt werden, da eine Kraftstoffeinsparung von 15 Prozent möglich erscheint.

Endgültig zu den Akten wurde dagegen offenbar der magnetohydrodynami-sche Antrieb (MHA) gelegt, mit dem Wasserfahrzeuge theoretisch geräuschlos ohne Propeller und andere mechanisch bewegte Teile fahren könnten. Strom setzt in seinem Magnetfeld das Wasser am Schiffsbug derart in Bewegung, dass das Schiff in die gewünschte Richtung fährt. Das Prinzip funktioniert sogar; sowohl in den USA, als auch in Japan wurden funktionsfähige Prototypen ge-baut. Doch um die erforderlichen starken Magnetfelder zu erzeugen, wird so viel Strom benötigt, dass der Betrieb unwirtschaftlich ist.

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An der Universität Tokai in der japanischen Hafenstadt Shimizu arbeiten Wissenschaftler deshalb lieber weiter daran, die Strömung des Meeres für den Schiffsantrieb nutzbar zu machen. So entstand ein Modell mit zwei Flügelblät-tern am Bug, mit denen die Wellenkraft effizient auf Antriebswellen übertragen werden soll.

Seit 2005 diskutiert der umtriebige Jörg Sommer aus Heidelberg auf seiner Website www.oeko-trimaran.de die Kombination aus Sonnen-, Wind- und Wel-lenenergie in einem emissionsfreien „Öko-Trimaran“. Er wirbt dafür, ein effek-tives Wellenkraftwerk für das Schiff zu entwickeln und entwickelt Konzept und Modell nach intensiven Diskussionen mit der Web Community ständig weiter und bietet seine Ideen als Freeware an. Das Thema wird skurrile Einzelkämpfer genauso weiter beschäftigen wie professionelle Schiffbauingenieure von mor-gen.

Biokraftstoffe

Biokraftstoffe sollen die Ab-hängigkeit von fossilen Brennstof-fen durchbrechen, entweder als alleiniger Kraftstoff oder in Form einer Beimischung – dem soge-nannten Blend – zu konventionel-len Treibstoffen auf Rohölbasis. Der Vorteil des Blend ist, dass gängige Motoren ohne technische Umstellung bereits eine begrenzte Beimischung von Biokraftstoffen vertragen. Was das Automobil betrifft, haben die EU-Mitgliedsstaaten bereits Quoten für den Anteil von Biotreibstoffen am

Gesamttreibstoffverbrauch des Autoverkehrs festgelegt.

Drei Verfahren zur Herstellung von Biokraftstoffen Extraktion: Gewinnen von Pflanzenölen durch Auspressen von Ölsaaten Fermentierung: Vergären von Zucker zu Ethanol Thermo-chemische Umwandlung: Vergasen von Biomasse durch Druck und Temperatur und anschließende Umwandlung in flüssige Kraftstoffe www.2wglobal.org

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Frankreich mischt seit 2010 sieben Prozent Bioethanol bei, in Deutschland sollten es eigentlich seit Jahresbeginn 2011 zehn Prozent sein. Allerdings ver-zögerte sich die Einführung von E10 infrastrukturbedingt. Als die Umstellung an den Tankstellen erfolgt war, zögerte die Mehrheit der Verbraucher noch umzusteigen, weil in der Öffentlichkeitsarbeit zu E10 zahlreiche offene Fragen zum Einsatz in älteren Kraftfahrzeugen geblieben waren.

Je höher die Rohölpreise steigen und je tiefer die Preise der landwirtschaftli-chen Rohstoffe für Biokraftstoffe sinken, desto wettbewerbsfähiger werden Biotreibstoffe. Ohne Beimischzwang und Steuererleichterungen wären Bio-treibstoffe derzeit in der EU nicht wettbewerbsfähig, meldete die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Bis zum Jahr 2012 hat die Bundesregierung deshalb die Besteuerung von Biodiesel auf 18,6 Eurocent und für reines Pflan-zenöl auf 18,45 Eurocent pro Liter beschränkt.

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Biokraftstoffe: Bioethanol, Biodiesel, Pflanzenöle, Zellulose, Biomass to Liquid, Biowasserstoff und Biobutanol.

Bioethanol gewinnt man aus Zucker- oder Stärkepflanzen, in-dem der Zucker aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben in alkoholische Gärung versetzt wird oder indem man die Stärke aus Mais oder Kar-toffeln mit Hilfe von Enzymen in Glukose aufspaltet und dann zu Ethanol vergärt. Bioethanol wird entweder gleich als Kraftstoff in Ottomotoren verwendet oder her-kömmlichem Benzin beigemischt. Moderne FlexFuel-Motoren erlau-ben heute, wasserhaltiges Bioetha-nol in einem beliebigen Mi-

schungsverhältnis zu Benzin als Kraftstoff zu tanken.

Bioethanol Vorteile: • gut verfügbar • Beimischung möglich Nachteile: • nur für Ottomotoren geeignet • 30 Prozent niedrigerer Brennwert als Benzin • Kaltstartproblematik • Konkurrenz mit Lebensmittel-Handel treibt deren Preise hoch • hoher Wasserbedarf im Anbau

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Methanol entsteht bei der alko-holischen Gärung in geringen Mengen als Nebenprodukt zum Trinkalkohol Ethanol. In der Natur kommt Methanol in Baumwoll-pflanzen, Früchten und Gräsern vor. Bei Raumtemperatur handelt es sich um eine entzündliche und leicht flüchtige Flüssigkeit, die beliebig mit Wasser verdünnbar ist. Methanol wird bereits als Kraftstoff für Anlagen und als Bestandteil

von Motorkraftstoffen verwendet. Man benötigt ihn bei der Biodiesel-Herstellung und in Brennstoffzellen als Wasserstoff-Lieferanten. Methanol kann in Otto- und Dieselmotoren verwendet werden. Bei Verbrennung im Die-selmotor entfallen weitgehend Schwefelemissionen und Rußbildung. Allerdings ist das benötigte Volumen wegen des niedrigeren Brennwerts von Methanol 50 Prozent höher als beim Diesel. Wegen der Giftigkeit von Methanol sind Vor-sichtsmaßnahmen bei der Betankung und beim Arbeiten in Tanknähe nötig. Die Umweltgefährdung bei Unfällen ist gering, Methanol ist biologisch abbaubar.

Zellulose als Hauptbestandteil pflanzlicher Zellen wird durch Vergärung zu Zellulose-Ethanol, der als Kraftstoff für Otto-Motoren verwendet werden kann. Im Ge-gensatz zu Ethanol aus Mais oder Zuckerrohr tritt Zellulose-Ethanol aus Biomasse (also pflanzlichen Abfällen) nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und ist daher die sozialverträglichere Vari-ante. Auch die Kohlendioxidbilanz von Zellulose-Ethanol ist besser als bei der Herstellung von herkömm-lichem Bioethanol. Die Kosten für die Herstellung von Zellulose-

Methanol Vorteile: • gut verfügbar • verbrennt nahezu schwefelfrei • biologisch abbaubar Nachteile: • niedrigerer Brennwert als Diesel • höheres Tankvolumen nötig • für den Menschen giftig • für Schiffe nicht zugelassen

Zellulose-Ethanol Vorteile: • gut verfügbar • klimafreundliche Produktion • sozialverträglich, da keine Lebens-mittel verwendet werden Nachteile: • teurer als Bioethanol • derzeit Laborphase, industrielle Herstellung steht noch aus • niedrigere Energiedichte zu Getrei-de und Mais erhöht Transport- und Lageraufwand

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Ethanol liegen jedoch derzeit noch bei etwa einem Euro pro Liter.

Biodiesel wird aus ölhaltigen Pflanzenbestandteilen von Raps- oder Soja-Pflanzen gewonnen. Für Dieselmotoren ist eine Veresterung nötig, damit das Biodiesel bessere Kälteeigenschaften, thermische Stabilität und Viskosität erhält. Der Energiegehalt von Biodiesel ist nahezu mit konventionellem Diesel vergleichbar. Seit 2006 kooperiert die bayerische Hochschule Am-berg-Weiden mit der chinesischen

Partneruniversität Jiangsu in Zhenjiang bei der Entwicklung kleiner Schiffsdie-selmotoren, die mit Rapsöl laufen. Das Projekt sieht einen Austausch von Stu-denten und Wissenschaftlern beider Länder und einen Technologietransfer nach China vor.

Pflanzenöle, heiß oder kalt ge-presst, sind leicht herzustellen und dienen daher in ländlichen Regio-nen und in Entwicklungsländern als Alternative zu Bioethanol oder Biodiesel. Da Pflanzenöle gegen-über konventionellem Dieselkraft-stoff eine höhere Viskosität aufwei-sen, muss die Technik der Diesel-motoren vorher angepasst werden. Pflanzenöle können gut in Schiffs-motoren eingesetzt werden. Bei der Verbrennung entstehen deutlich weniger Schadstoffe, nur der Stick-oxidausstoß liegt um ca. 13 Prozent

höher. Dafür entsteht rund die Hälfte an Rußpartikeln und kein Schwefeloxid.

Biodiesel Vorteile: • keine direkten CO2-Emissionen • nahezu schwefelfrei • gut abbaubar Nachteile: • höhere Stickstoffemissionen • etwas höherer Verbrauch • Konkurrenz mit Lebensmittel-Handel treibt deren Preise hoch

Pflanzenöle Vorteile: • leicht herzustellen • schwefelfrei • niedrige Kosten • leiseres Motorengeräusch • tauglich für Schiffsmotoren Nachteile: • Modifikation des Dieselmotors • Konkurrenz mit Lebensmittel-Handel treibt deren Preise hoch • höhere Stickstoffemissionen

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Biomass to Liquid beschreibt die Umwandlung fester Biomasse in einen flüssigen Bioenergieträger. Im Gegensatz zu den übrigen Ver-fahren lassen sich dabei nicht nur bestimmte Pflanzenteile zu Treib-stoff verarbeiten, sondern die Ener-giepflanze als Ganzes. Volkswagen und Daimler haben den Bau der weltweit ersten kommerziellen Anlage zur Biomass to Liquid Pro-duktion finanziert, die den Jahres-bedarf von 15.000 Autos decken soll. Der Biomasse wird Sauerstoff zugeführt, dann wird sie unter Ein-wirkung von Druck und Wärme

vergast. Verflüssigt ergibt sich ein Kraftstoff, der sowohl die Eigenschaften von Diesel als auch von Ottokraftstoffen aufweisen kann. Eine Anpassung der Mo-toren ist nicht nötig, weshalb auch die Zuliefer-Industrie am Ausbau dieser Technologie interessiert ist.

Biowasserstoff wird aus fester Biomasse oder lebender Biomasse hergestellt. Man hat entdeckt, dass Algen bei Schwefelmangel das Erzeugen von Sauerstoff einstellen und stattdessen Wasserstoffgas produzieren. Biowasserstoff könnte als Energieträger für Schiffe mit Wasserstoffantrieb dienen. Die Forschung nach einem industrie-tauglichen, effizienten Herstel-lungsprozess läuft.

Biomass to Liquid Vorteile: • Verwertung ganzer Pflanzen, auch Laub und Holz • sozialverträglich • ohne Umrüstung nutzbar • tauglich für Schiffsmotoren Nachteile: • derzeit Laborphase, industrielle Herstellung steht noch aus • begrenzte Menge ungenutzter Bio-masse • noch teuer in der Herstellung

Biowasserstoff Vorteile: • aus lebender Biomasse • emissionsfrei • preiswert • schiffstauglich Nachteile: • derzeit Laborphase • industrielle Herstellung steht noch aus

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Biobutanol entsteht in einem Vergärungsprozess von Zucker aus Biomasse oder bei der thermo-chemischen Vergasung zellulose-haltiger Biomasse. Biobutanol hat die Nachteile, die Bioethanol auf-weist, nicht. Es ähnelt in seiner chemischen Struktur Benzin. Daher ist keine Anpassung von Motoren nötig. BP hat mit DuPont in Groß-britannien die erste kommerzielle

Produktionsstätte für Biobutanol errichtet.

Die Bundesregierung hat eine Begleitforschung beauftragt, bei der die Emis-sionen großer Viertaktmotoren im Betrieb mit fossilen und regenerativen Kraft-stoffen analysiert werden sollen. Diese großen Viertakter können sowohl in Schiffen als auch in Kraftwerken zum Einsatz kommen. Das Projekt heißt BIOCLEAN und liegt unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Entscheidend für die Bewertung ist die Gesamtbilanz von der Pro-duktion bis zum Verbrauch, wobei die Emission aller klimarelevanten Schad-stoffe gleichzeitig betrachtet wird, also Kohlendioxid, Stickoxide, Schwefeldio-xid und Partikel. Die Gesamtbilanz wurde so konsequent und gründlich ange-legt, dass auch der Einsatz fossiler Brennstoffe beim Transport von Biomasse mitgerechnet wurde.

In Dauerversuchen testete die DLR als regenerative Treibstoffe Palmöl, So-jaöl, Rapsöl, Sonnenblumenöl und Altfett. Als fossiler Referenztreibstoff wurde Schweröl verwendet. Das Ergebnis der Bioclean-Studien zeigte, dass Biotreib-stoffe grundsätzlich zur effizienten Verbrennung in Diesel-Großmotoren geeig-net sind. Der Ausstoß schwefelhaltiger Emissionen ist im Vergleich zu Schwer-öl vernachlässigbar. Die Emissionen an Stickoxiden weichen jedoch nicht we-sentlich von fossilen Treibstoffen ab. Die Frage, ob der Einsatz von Biokraft-stoffen das Klimagas CO2 eindämmen kann, wurde noch nicht endgültig beant-wortet. Das hat den Hintergrund, dass die CO2-Bilanz beim reinen Verbrennen pflanzlicher Stoffe zwar neutral ist, weil dabei nur das freigesetzt wird, was die Pflanze in der Wachstumsphase der Atmosphäre auch entzogen hat. Aber die Treibhausgas-Bilanz bei der Produktion von Biokraftstoffen steht noch auf dem

Biobutanol Vorteile: • ohne Modifikation in Benzinmoto-ren einsetzbar • höherer Brennwert als Ethanol • aktuelle Infrastruktur nutzbar • auch aus Zellulose herstellbar Nachteile: • noch in der Anfangsphase

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Prüfstand, ließen die Bioclean-Verantwortlichen die Öffentlichkeit wissen. Darüber soll ein wissenschaftlich fundiertes Klima-Response-Modell Auf-schluss geben.

Auf die mit dem Einsatz von Biofuels oft verbundene Diskussion „Teller oder Tank“ aus Sicht der Umnutzung von Landwirtschaftsflächen für die Ener-giewirtschaft zu Lasten der Ernährungswirtschaft wird hier verwiesen, ohne das Problem in diesem Kontext ausführlicher diskutieren zu können. Aus heutiger Sicht ist die globale Verfügbarkeit der aufgeführten synthetischen Kraftstoffe (XTL) noch nicht sichergestellt. Die Autoren plädieren vor allem für eine ver-stärkte Forschung zur maritimen Nutzung von Biomass to Liquid oder Biowas-serstoff in Schiffsmotoren und zur effizienten Herstellung und Logistik dieser alternativen Kraftstoffe.

Wasserstoff

Wasserstoff ist kein primärer, sondern ein sekundärer Energieträger, der Energie aus primären Energieträgern speichern kann. Wasserstoff steht daher nicht per se für regenerative Energieerzeugung. Es kommt darauf an, wie er erzeugt wird. Verbrennt man Wasserstoff mit Sauerstoff, so hat dies wiederum den großen Vorteil, dass keine Schadstoffe entstehen, sondern nur Wasser-dampf. In dieser kalten Verbrennung wird die gespeicherte Energie in elektri-sche Energie umgewandelt, mit der ein Elektromotor betrieben werden kann.

Für Automobile gibt es einen Wettstreit der Technologien zwischen dem Wasserstoff-Verbrennungsmotor und der Wasserstoff-Brennstoffzelle, wobei mehr Fahrzeughersteller auf die Brennstoffzelle setzen.

Auch im Schiffbau wird die Einführung einer Wasserstoff-Brennstoffzelle diskutiert. Im U-Boot-Bau hat Wasserstoff bereits seinen festen Platz, weil es leise und unabhängig von der Außenluft ist, ideal für den Unterwassereinsatz. Auf Binnengewässern könnte man Nullemissionslösungen durch Brennstoffzel-len mit Motorleistungen zwischen 300 und 600 kW realisieren.

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Um die Brennstoffzellen-Technologie für Schiffsbedarfe weiter zu entwickeln und vor allem die Investitionskosten für eine zivi-le Nutzung zu senken, wurde Ende 2005 im Rahmen der Initiative „Brennstoffzellen- und Wasser-stofftechnologie Hamburg" ein Konsortium gebildet (Germani-scher Lloyd, Linde-Group, Proton Motor, ATG Alster-Touristik, Hamburger Hochbahn, Hochschule für Angewandte Wissenschaften,

hySolutions, UJV Nuclear Research Institute, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt).

Brennstoffzellen-Technologie Vorteile: • geringe Emissionen • geringe Lärmemissionen • Hoher Wirkungsgrad • geringe Vibrationen Nachteile: • Gewicht • Bauvolumen • Preis • Brennstoffanforderungen

Abb. 29: e4Ships soll den Einsatz der Brennstoffzelle in allen Schiffsklassen vorantreiben. Das Projekt der deutschen mari-timen Industrie wurde im Juli 2009 offiziell gestartet und wird

vom Bundesverkehrsministerium gefördert.

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Um die Brennstoffzellen-Technologie an maritime Umgebungsbedingungen anzupassen, sind noch eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen. Eine Heraus-forderung ist die richtige Lagerung der Zellen zum Schutz vor starken Seebe-wegungen oder Schräglagen. Vibrationen durch parallel betriebene Dieselma-schinen muss mit entsprechender Dämpfung begegnet werden. Um Korrosionen und andere Schäden an den Brennstoffzellen durch salz- oder ölhaltige und feuchte Luft zu vermeiden, müssen Filtersysteme eingebaut werden. Außerdem ist sicherzustellen, dass bei Hybridsystemen mit konventionellen Motoren trotz hoher Temperaturen im Maschinenraum die Erwartungen in Bezug auf Leistung und Wirkungsgrad erfüllt werden.

Im Rahmen der maritimen Leuchtturmprojekte „e4ships“ wurde das Pa-X-ell Projekt ins Leben gerufen (Meyer Werft und Lürssen Werft gemeinsam mit MTU onsite energy, wegen der Brennstoffzellenentwicklung, DNV Hamburg und Germanischer Lloyd AG, wegen der Sicherheitsaspekte und INVEN Engi-neering GmbH, wegen der Absorptionskältetechnik). Pa-X-ell erprobt der Ein-satz einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle auf einem Passagierschiff. Dabei ist ein Vorgehen in zwei Umsetzungsstufen geplant. Die erste Phase beinhaltet die Entwicklung und Erprobung der Brennstoffzellen als modulares System im Unterstützungsbetrieb an Bord. Anschließend wird die optimierte Systemkonfi-guration zu einem dezentralen Energiekonzept für hoch effiziente Nutzung mit Kraft-Wärme-Kopplung in Bereichen eines Passagierschiffes weiterentwickelt. Alternative Sekundärenergieträger tragen neben der hohen Effizienz der Brenn-stoffzelle zur Senkung von Emissionen bei.

Im Ergebnis hat die Stadt Hamburg nach der solarbetriebenen „Alstersonne“ nun auch eine „Alsterwasser“ – das allererste Fahrgastschiff mit Brennstoffzelle und Elektromotor. Mit 50 Kilogramm Wasserstoff können die hundert Passagie-re des 25 Meter langen Schiffs drei bis vier Tage lang auf der Alster und durch die Hamburger Kanäle gefahren werden. Das Projekt wurde ab Ende 2006 vom "EU-Life Environment Programme" gefördert. Mit fünf Millionen Euro kostet ein solches emissionsfreies Ausflugsschiff mit 130 PS jedoch noch doppelt so viel wie eines mit Dieselmotor. Auch die Herstellung von Wasserstoff ist der-zeit noch nicht wirtschaftlich genug.

Die Briten feierten Anfang 2011 den Start eines Wasserstoffprojekts in Bris-tol: Eine wasserstoffbetriebene Fähre mit Brennstoffzellen von Auriga Energy.

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Es handelt sich um das erste britische Projekt dieser Art. Doch erstens muss es erst gebaut werden und zweitens soll es pro Fahrt nur 12 Passagiere transportie-ren können. Jeder Traum fängt klein an, Wirklichkeit zu werden, auch in Groß-britannien.

Wissenschaftliche Institute und Zulieferer der maritimen Industrie haben über Kleinprojekte und Forschungsarbeit hinaus bereits Vorführungen von Wasserstoff-Brennstoffzellen als alternativen Antrieb für große Frachtschiffe geleistet. Dabei wurden Effizienzsteigerungen von bis zu 50 Prozent gegenüber derzeit verfügbaren Motoren angekündigt, einschließlich der positiven Auswir-kungen auf die Emissionen. Die größte Herausforderung ist es, die Brennstoff-zellen so zu dimensionieren, dass ausreichend Leistung beispielsweise für ein Containerschiff bereitgestellt wird. Auch das Verhältnis von der Größe der Wasserstofftanks zur erzielbaren Reichweite bereitet den Ingenieuren Kopfzer-brechen. Deshalb wird ein Wasserstoff-Hauptantrieb am ehesten für Schiffe mit kleinerer Reichweite eingesetzt werden. Zwar kann man Brennstoffzellen grundsätzlich auch mit Ethanol oder Methanol betreiben, doch die Wasserstoff-Verbrennung bringt mehr Leistung. Die EU fördert die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie. Sollte es möglich sein, Wasserstoff an Bord öko-logisch und ökonomisch sinnvoll herzustellen statt es zu transportieren, würde dies den Durchbruch für Wasserstoff-Antrieb bedeutet. Das Massachusetts In-stitute of Technology (MIT) in Boston arbeitet daran.

Die japanische Schifffahrtsgesellschaft Nippon Yusen KK (NYK) hat wie vorher erwähnt für das Jahr 2030 ein großes Brennstoffzellenschiff angekün-digt. Das 353 Meter lange Containerschiff, das momentan nur als Designstudie existiert, soll 40 Megawatt Energie aus Wasserstoff und Erdgas in Brennstoff-zellen gewinnen und damit seine elektrischen Maschinen antreiben. Unterstüt-zend sollen Solar- und Windenergie genutzt werden. Dazu würde NYK das Eco Ship auf einer Fläche von 31.000 Quadratmetern mit Solarzellen bestücken. Außerdem soll es acht innovative Windsegel erhalten.

Die Segel fallen deutlich ins Auge, obwohl sie nur einen kleinen Teil des Energiebedarfs abdecken. Die einklappbaren Solarzellen bedecken auf der Fahrt die Container. Brennstoffzellen wurden modulartig konzipiert, sie bestehen aus Einheiten in Containergröße. Schon das Beladungskonzept des Containerschiffs selbst ist innovativ. Das Hauptdeck ist geschlossen, darunter befindet sich ein

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integriertes Ladesystem. Das erhöht die Steifigkeit des Schiffs und erlaubt schnellere und flexiblere Beladung. Durch die gewonnene Flexibilität wird Bal-last nahezu oder völlig unnötig, um die Stabilität des Schiffs sicherzustellen. Das Schiff wird nach Angaben von NYK konstruktiv auch so ausgelegt sein, dass es weniger Energie durch Reibung verliert.

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Um das Übergangsszenario der Mobilitätsindustrie von fossilen zu regenera-tiven Energieträgern zu erleichtern, gibt es eine Reihe von „Alleskönnern“. Von Motoren, die mit unterschiedlichsten Kraftstoffen betankt werden können, bis zu Elektromotoren für eine geräuscharme, effiziente Nutzung von Energie, die auf unterschiedlichste Weise erzeugt worden ist. Hybrid-Systeme schließlich vereinen unterschiedliche Antriebe und Energiespeicher in einem Gesamtsys-tem, das unter Berücksichtigung der Lasterfordernisse im jeweiligen Moment die gewünschte Leistung bereitstellt. Auch eine mögliche Nutzung der Atom-energie im maritimen Bereich soll in diesem Abschnitt diskutiert werden.

Abb. 30: 40 Megawatt produziert das Super Eco Ship 2030 laut einer japanischen Designstudie von NYK mit Brennstoffzellen

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Dual-Fuel Motoren

Ein Dual-Fuel-Motor kann mit zwei Kraftstoffen betrieben werden, zum Beispiel mit Diesel und Erdgas. Dies ist in der Schifffahrt vor allem deshalb von Vorteil, weil reine Gasmotoren den stark schwankenden Lastanforderungen nicht gerecht würden. Dabei könnte der reine Gasbetrieb erhebliche Vorteile auf der Emissionsseite bringen: 20 Prozent weniger Kohlendioxid, rund 80 bis 85 Prozent weniger Stickoxide und sogar 90 bis 99 Prozent weniger Schwefel im Abgas.

Durch den Betrieb mit zweierlei Kraftstoffen lässt sich der Umweltvorteil über weite Strecken nutzen, ohne auf die entsprechende Leistung im richtigen Moment zu verzichten. Das Flüssiggas LNG kann zumindest auf küstennahen Strecken (insbesondere in Emission Controlled Areas) und bei Ein- und Auslau-fen im Hafen verwendet werden, während Schweröl auf hoher See zum Einsatz kommt. Eine Umschaltung ist unterbrechungsfrei möglich. Einziger Nachteil ist der Bedarf für zwei separate Tanksysteme an Bord.

MAN Diesel & Turbo bietet zum Beispiel so genannte Zweistoffmotoren an, die sowohl mit flüssigen als auch mit gasförmigen Kraftstoffen betrieben wer-den können. Besonderen Anklang fanden diese auf Flüssiggastankern, weil dort jenes Gas kostenneutral verwendet werden kann, das ohnehin aus den La-dungstanks abdampft. Dual-Fuel Motoren werden im Übrigen auch bereits auf Kraftwerksschiffen zur Energieerzeugung eingesetzt.

Elektromotoren

Wird ein Elektromotor mit einer Batterie betrieben, spricht man von einem batterieelektrischen Antrieb. Werden dagegen zwei Antriebstechniken kombi-niert (zum Beispiel ein Diesel und ein Elektromotor), spricht man von einem Hybridantrieb. Rein batteriebetriebene Fahrzeuge werden in diesem Abschnitt behandelt, hybride Antriebssysteme im nächsten.

Die drei Buchstaben POD stehen nicht nur für „Port of Destination“ oder er-innern an einen modernen MP3-Player, sondern werden auch als Kurzform für

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Azipod oder auch Azimuth podded drive verwendet, womit ein Elektroantrieb gemeint ist, der mit dem Propeller in einer drehbaren Gondel unter dem Heck hängt. ABB und Siemens haben zwei der gängigsten Elektromotoren entwickelt (den ABB Azipod und den Siemens Schottel Propulsor). PODs können nicht nur als Zusatz-, sondern auch als Hauptantrieb verwendet werden, weil die größten POD-Motoren Leistungen bis 22 Megawatt erzielen.

Elektromotoren sind sehr exakt manövrierfähig, durch einfache Drehung können sie ihre Leistung unterbrechungsfrei in die umgekehrte Richtung entfal-ten, was bei Notmanövern erheblich von Vorteil sein kann. Neben der Anbrin-gung unter dem Heck gibt es auch Lösungen mit einer Platzierung im Schiffs-rumpf bei gleichzeitiger Getriebeumsetzung auf die Schiffsschrauben.

Aus Umweltsicht gibt es eine Reihe von Vorteilen eines POD: Er wird vom Wasser gekühlt, eine separate Kühlanlage ist nicht erforderlich. Auch der War-tungsaufwand ist viel geringer. Vor allem nehmen Umweltverschmutzung, Lärm und Schiffsvibrationen ab.

Beim japanischen Schwermaschinenhersteller IHI wird an einem Plug-in Elektroantrieb gearbeitet. Erstmals soll damit eine Passagierfähre ausgestattet werden, um dies rein per Batterie anzutreiben. Die Energie wird in einem Sys-tem von Lithium-Ionen Batterien gespeichert, das 300 Mal so groß ist wie in einem Elektroauto. Dennoch wird die Reichweite nur maximal 80 Kilometer betragen, räumt IHI ein. Für eine Fähre mit 800 Passagieren anzutreiben, reicht dies natürlich vollkommen aus. Die Technologie soll 2015 anwendungsreif sein.

Der Bodensee wurde Ende 2010 vom CDU-Bundestagsabgeordneten Andre-as Jung, zur Modellregion für Elektroschiffe ausgerufen. Die Fähren und Aus-flugschiffe sollen dort mit Ökostrom betrieben werden. An Land warten dann Elektro-Leihfahrräder auf die Touristen, so das Konzept. Jung ist Beauftragter der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag für Elektromobilität und hat das Konzept mit den Bodensee-Anrainerstaaten bei einem Treffen auf der Insel Mainau verabredet. EU-Energiekommissar Günther Oettinger soll bereits eine europäische Unterstützung der Öko-Schiff-Initiative in Aussicht gestellt haben. Die Konstanzer Stadtwerke wollen für das Projekt zunächst eine Autofähre und ein Ausflugsschiff elektromotorisch umrüsten.

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Am anderen Ende der Republik, in Hamburg, hat zur gleichen Zeit ein For-schungsprojekt über Containertransporte mit Elektro-Antrieb im Hafen begon-nen. Dabei geht es um selbstfahrende automatische Transportsysteme zu Land im Bereich der Hafenlogistik. An dem Projekt ist neben der RWTH Aachen University und dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) beteiligt, die in Ham-burg-Altenwerder eines der modernsten Containerterminals betreibt. Das Um-weltministerium fördert die Initiative im Rahmen ihres „Flottenversuchs Elekt-romobilität im Wirtschaftsverkehr“. Vor dem Projekt fuhren bereits diesel-elektrische Hybrid-Antriebe mit effizienzsteigernden Energierückgewinnungs-systemen durch den Hafen. Jetzt soll ein reiner batterie-elektrischer An-triebstrang für die Containertransporte im Hafen entwickelt werden. Die fahrer-losen Transportsysteme sollen natürlich auch ihre Batterien automatisch an der Ladestation wechseln können, damit sie rund um die Uhr im Einsatz sein kön-nen. Ziel des Projekts ist eine Gesamt-CO2-Bilanz von Null. Bereits bei Nut-zung des Stroms aus dem deutschen Stromnetz mit aktuellem Energiemix könn-ten bereits rund 30 Prozent Kohlendioxid eingespart werden.

Hybride Antriebssysteme

Das Österreichische Ökologie-Institut tritt für die konsequente Nutzung von Batterien zur Speicherung von Strom ein, der mit Grundlast erzeugt wird und dann für Spitzenbedarfe abgerufen wird. Auf diese Weise können die Maschi-nen mit kontinuierlicher und niedrigerer Drehzahl betrieben werden, was den Kraftstoffverbrauch und Schadstoff-Ausstoß deutlich senkt. Moderne Konzepte zum Energiemanagement sehen dabei Systeme vor, die mehrere die Bedarfe mehrere Verbraucher gesamthaft ausbalancieren und damit auch die Energieer-zeugung zum Teil vom Verbraucher wegverlagern, wie es heute bei der Gebäu-deversorgung mit Strom (und bei Fernwärme teilweise) bereits der Fall ist. Die Wissenschaftler beziehen alle Verkehrsträger, auch das Schiff, in ihre Überle-gungen ein.

Die Stromerzeugung eines hybriden Schiffsantriebs kann beliebig kombi-niert werden, mit Aggregaten in mehreren Maschinenräumen oder mit regenera-tiven Energiequellen. Der Ausfall eines Aggregats kann auf diese Weise gut kompensiert werden. Falls ein Elektro- und ein Diesel-Motor gemeinsam be-

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trieben werden, sinkt dadurch zumindest der Platzbedarf im Maschinenraum, weil zum Stromerzeugen der kontinuierliche Betrieb eines kleineren sogenann-ten Mittelschnellläufers ausreicht.

Wärtsilä hat mit seinem „Coded Machinery“ Konzept eine Kombination aus elektrischen und mechanischen Antrieben ersonnen, um vor allem für Schiffe mit variierenden Nutzungsprofilen beste Effizienz zu erreichen. Unterschiedli-che Beladung erfordert unterschiedlich hohe Antriebsenergie. So wechselt ein modernes System zwischen diesel-elektrischem und diesel-mechanischem An-trieb. Bei Teilbeladung kommen die Elektromotoren zum Zuge. Je nach benö-tigter Leistung werden Motoren zu- und abgeschaltet. Bei stärkerer Beladung spielt der mechanische Antrieb seinen Vorteil geringerer Verluste bei der Kraft-übertragung aus.

An der Schiffbauversuchsanstalt in Duisburg und der Technischen Universi-tät in Hamburg-Harburg wurde die Entwicklung eines völlig neuen hybriden Antriebskonzepts wissenschaftlich begleitet. Es geht von der bekannten Kom-bination eines Diesel- und eines Elektromotors aus, verfolgt jedoch gleichzeitig das Ziel, Emissionen, Gewicht und Platzbedarf im Maschinenraum zu senken. Die beiden Visionäre Claus-D. Christophel und Hans Helmut Schramm finan-zierten das drei Millionen Euro teure Projekt auf eigene Faust, ganz ohne För-dermittel. Herausgekommen ist ein dieselelektrischer Torque-Antrieb, der nachgerüstet werden kann. Torque ist das englische Wort für Drehmoment. Statt die Motorkraft des Dieselmotors über ein Getriebe auf die Welle zu über-tragen, arbeitet das Torque-Antriebssystem mit einem raffinierten Direktantrieb, der die Generatoren mit elektronischen Umrichtern verbindet. Das Zwei-Wellen-Antriebssystem erlaubt ein deutliches Herunterfahren der Leistung des Dieselmotors. Das ist besonders für Schlepper interessant, die für das Schleppen und Bugsieren anderer Schiffe in Binnengewässern im Hafen oder auf hoher See Motorleistungen von 4 bis 15 Kilowatt, ansonsten über lange Strecken je-doch nur eine geringe Leistung benötigen. Beim Torque-Antrieb lassen sich innerhalb weniger Sekunden einzelne Generatoren stufenlos zu- oder abschal-ten, weil durch den Wegfall des Getriebes keine Synchronisation der Generato-ren mehr nötig ist. Innerhalb von fünf Sekunden kann der Kapitän den Schiffs-propeller zum Stehen bringen. Auch das langsame Betreiben eines Propellers mit nur 20 Umdrehungen pro Minute gelingt mit einem herkömmlichen An-triebssystem nicht. Die Entwicklung der Torque Marine IPS Innovative Propul-

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sion Systeme GmbH & Co. KG. reduziert den Dieselverbrauch um 20 Prozent. Das modulare Hybrid-System ist auch für alternative Energieträger geeignet.

Die japanische Mitsui Engineering & Shipbuilding arbeitet derzeit an der Entwicklung eines Diesel-Elektro-Hybridantriebssystems für Langstrecken-Containerschiffe. Im Normalbetrieb wird ein Dieselmotor den Schiffsmotor antreiben und gleichzeitig als Stromgenerator fungieren. Der erzeugte Strom wird in einer Batterie gespeichert. Bei schwerer See oder in anderen Umstän-den, die stärkere Antriebskraft erfordern, kann die Batterie zugeschaltet werden. Auch ein alleiniger Batteriebetrieb soll möglich sein. Laut Unternehmensanga-ben wird diese Technologie den CO2-Ausstoss im Vergleich zu herkömmlichen Antriebstechniken halbieren, da der Dieselmotor anders dimensioniert werden kann.

Auch der im Abschnitt Wasserstoff beschriebene „Alsterdampfer“ ist mit ei-nem innovativen Brennstoffzellen-Hybrid-Antrieb ausgerüstet. Hier nimmt ein Batteriepaket die überschüssige Energie aus den Wasserstoff-Brennstoffzellen auf, beispielsweise wenn bei Zwischenstopps wenig Leistung benötigt wird. Ist Spitzenleistung gefordert – zum Beispiel bei An- und Ablegemanövern – liefern die Batterien die Energie wieder an den Elektromotor. Das Hybridsystem erhöht so Effizienz und Lebensdauer und senkt den Verbrauch. Das hybrid-elektrische Brennstoffzellensystem wurde von Proton Motor aus München entwickelt. Es besteht aus zwei Brennstoffzellensysteme mit je 50 kW Spitzenleistung, einem Batteriesystem zur Pufferung und Lieferung von kurzfristig benötigter Spitzen-leistung und einem Energiemanagementsystem, das die Arbeit der Brennstoff-zellen und die Batterienutzung koordiniert.

Atomantrieb

1955 begannen Russland und England damit, Kernkraftwerke in Betrieb zu nehmen. Noch im gleichen Jahr wurde der spätere CSU-Chef Franz-Josef Strauß der erste Bundesminister für Atomfragen der Bundesrepublik Deutsch-land. Sein Nachfolger Siegfried Bahlke nahm am 13. November 1960 das erste westdeutsche Atomkraftwerk in Betrieb. 1966 folgte die DDR mit einem Kern-kraftwerk in Brandenburg. Von Anfang war das Thema durch Unfälle begleitet. Erste Forscher für eine friedliche Nutzung der Kernspaltung starben in den Jah-

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ren 1945 und 1946 an Strahlenkrankheit. Bereits 1952 ereignete sich in einem Forschungsreaktor nahe der kanadischen Bundeshauptstadt Ottawa der erste größere Reaktorunfall, bei dem nach einer Explosion rund vier Millionen Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser in den gleichnamigen Fluss Ottawa austraten. Dennoch gingen die kommerziellen Atomkraftwerke in Europa wie geplant ab 1955 ans Netz. Dutzende von Reaktorunfällen sollten in den kommenden Jah-ren noch passieren, bis es 1986 am 26. April im ukrainischen Kraftwerk Tschernobyl zu einer Kernschmelze und Explosionen mit verheerenden Folgen kam. Das hielt die Stromerzeuger von weiteren Investitionen in Atomstrom nicht ab. Im März 2011 führte ein starkes Erdbeben mit anschließendem Tsunami zu den Reaktorunfällen von Fukushima, die einen Monat später von der japanischen Regierung in die gleiche Störfallklasse 7 eingeordnet wurde, wie 25 Jahre vorher Tschernobyl. Das führte zum „Moratorium 2011“ der deut-schen Bundesregierung und der vorläufigen Abschaltung alter Atommeiler, die Diskussion über eine Energiewende für Deutschland begann.

Obwohl die Nutzung der Atomenergie mit erheblichen Risiken behaftet ist, wurde 1964 das erste und bislang einzige deutsche Atomschiff in Betrieb ge-nommen. In Kiel gebaut und nach dem Nuklearwissenschaftler Otto Hahn be-nannt, fuhr es bis 1979 zur See und legte als Forschungsschiff 650.000 Seemei-len zurück. Die NS Otto Hahn hatte Anlaufgenehmigungen für 25 Länder. Rund 750.000 Tonnen Ladung hat das Atomschiff in dieser Zeit transportiert. 1979 kam die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS) zu dem Schluss, „dass eine wirtschaftlicher Betrieb nuklear angetriebe-ner Frachtschiffe nicht möglich ist“.

Ansonsten fand Kernenergie im zivilen Sektor nur auf russischen Eisbre-chern, einem amerikanischen Frachter namens Savannah und einem japanischen Handelsschiff namens Mutsu Verwendung. Atomantriebe mit Druckwasserre-aktoren an Bord spielen in der Marine bei U-Booten und Flugzeugträgern eine große Rolle.

Die US Navy setzte in den 60er Jahren zu Spitzenzeiten rund 140 Atom-U-Boote ein, heute sind es noch rund 71 (Stand 2009). Die Größe der russischen Atom-Flotte wird auf 31 geschätzt. Dann folgen Großbritannien mit zwölf, Frankreich mit neun sowie China nach inoffiziellen Quellen mit „weniger als

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zehn Atom-U-Booten“ (Stand 2007). Indien hat erst 2009 ein eigenes Atom-U-Boot in Betrieb genommen und plant, zwei weitere russische zu leasen.

Im Oktober 2010 zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti die Zeitung "Rossijskaja Gaseta" unter der Überschrift „Russisches Atom-U-Boot versetzt Briten in Alarm“. Hintergrund waren britische Berichte über ein ver-mehrtes Aufkommen an russischen U-Booten im Nordatlantik. Nach Angaben der russischen Kriegsmarine handelte es sich um planmäßige Übungen, die von den Briten als Ausspionieren ihres U-Boot Vanguard mit Interkontinentalrake-ten an Bord empfunden wurden. Dass russische Atom-U-Boote immer häufiger in den Weltmeeren gesichtet würden, sei nur ein Beweis dafür, dass die russi-schen Streitkräfte allmählich wieder zu alter Stärke zurückgefunden hätten, hieß es aus Moskau. Die russische Atom-U-Bootflotte wird nach Nato-Klassifikation als „Haie“ bezeichnet.

Abb. 31: Abrüstung eines russischen Atom-U-Boots unter Mitwirkung des Rostocker Anlagenbauers IMG

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Der erste Flugzeugträger mit Atomantrieb war die "USS Enterprise" (1961) mit acht Reaktoren. Frankreich nahm mit dem Flugzeugträger "Charles de Gaulle" (2001) das erste europäische nuklearbetriebene Kriegsschiff in Betrieb, das offenbar immer wieder mit Technikproblemen zu kämpfen hat. Großbritannien plant bis 2016 den Bau von zwei neuen großen Flugzeugträgern. Doch hat sich die britische Regierung nun gegen einen Kernenergieantrieb und für Gasturbi-nen sowie Dieselgeneratoren entschieden.

Natürlich ist Atomenergie hocheffizient. Aber sie ist eben auch hochgefähr-lich. Kritiker nennen die Themen Strahlungsabschirmung an Bord, Entsor-gungsfragen für den Atommüll und vor allem das Risiko einer Havarie als Ar-gumente gegen eine Nutzung der Kernenergie für Schiffsantriebe.

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Wer die Effizienz eines Transportmittels optimieren will, für den ist neben der Wahl des Antriebs eine weitere Stellschraube unerlässlich: die Reduktion des Widerstands. Bei Schiffen ist damit sowohl der Widerstand im Wasser als auch in der Luft gemeint. Verglichen mit den möglichen Optimierungsmaß-nahmen beim Antrieb ist noch einmal soviel an Schadstoff- bzw. Kraftstoff-Einsparung durch die effiziente, „grüne“ Gestaltung eines Schiffs selbst mög-lich.

Mit Aerodynamik müssen sich Schiffsdesigner genauso befassen wie ihre Kollegen aus der Automobilbranche. Als Wind die zentrale Antriebsenergie für Handelsschiffe darstellte, war es wichtig, ein Schiff so zu gestalten, dass man optimal am Wind segeln kann. Heute ist es nur noch wichtig, dass das Schiff möglichst wenig Angriffsflächen für Luftwiderstand bietet. Seit vielen Jahr-zehnten werden Schiffsmodelle deshalb zur Optimierung in den Windkanal geschickt.

Mit Hydrodynamik, also dem Verhalten der Schiffsoberfläche unterhalb der Wasserlinie, haben sich schon der italienische Physiker Giovanni Battista Ven-turi und sein Schweizer Kollege Daniel Bernoulli befasst. Die beiden haben bereits im 18. Jahrhundert Theorien über die Strömungsmechanik entwickelt,

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die aufeinander aufbauen. Venturi hat entdeckt, dass sich die Fließgeschwindig-keit einer Flüssigkeit, die durch ein Rohr strömt, umgekehrt proportional zu einem sich verändernden Rohrquerschnitt verhält. Bernoulli stellte unterdessen eine Beziehung zwischen der Fließgeschwindigkeit und dem Druck einer Flüs-sigkeit her. Die „Strömung nach Bernoulli und Venturi“ stellt die Grundlage für wichtige aero- und hydrodynamische Berechnungen dar.

Hydrodynamische Weiterentwicklung des Rumpfdesigns

Die meisten Schiffsrümpfe sind konstruktiv eher für die Fahrt in ruhiger See geplant. Auch ihre Beladung wird auf Konstruktionstiefgang ausgelegt. Herrscht starker Seegang, so verbraucht ein Schiff bis zu einem Viertel mehr an Treibstoff. Nur selten sind Schiffe im optimalen Trimm auf Konstruktionstief-gang in Fahrt. Optimierte Rumpfformen gleiten effizienter durch die Wellen. Die Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) hat untersucht, inwie-weit effizientere Rumpfformen den Treibstoffverbrauch verringern können.

Ergebnis: Die Erfahrung der Designer und insbesondere das Rumpfdesign beeinflussen die Qualität der hydrodynamischen Performance von Schiffneu-bauten wesentlich. Ein optimales Design der Rumpfform kann nur erreicht wer-den, wenn das grundlegende Design dem hydrodynamischen Design folgt und nicht umgekehrt. Zu strenge Anforderungen an die Grundkonstruktion können 10 bis 15 Prozent mehr Treibstoffkosten verursachen, abhängig vom Schiffstyp und der Schiffsgeschwindigkeit Auch geringe Optimierungen des Rumpfes können zu einer signifikanten Reduzierung des Treibstoffverbrauchs führen.

Im Binnengewässer ist der Futura Carrier das modernste Tankschiff, das es derzeit gibt. Das Konzept ist als „Till Deymann“ der Reederei Deymann unter-wegs und zeichnet sich durch eine neuartige Rumpfform, einen modularen Auf-bau und ein innovatives Antriebskonzept aus. New-Logistics hat diesen moder-nen Binnentanker, vom Bundesumweltministerium gefördert, 2007 fertigge-stellt. Das Doppelhüllenschiff ähnelt von vorne einem Katamaran. Die Rumpf-form erlaubt bei gleichem Tiefgang mehr Ladung als in einem gleich großen konventionellen Tankschiff. Der modulare Aufbau des neu entwickelten Schiffstyps kann sowohl zum Bau eines Tankers als auch eines Massengut-frachters oder Containerschiffs verwendet werden. Auch verschiedene

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Schiffsgrößen sind durch die Mo-dule von New Logistics einfach zu verwirklichen. Außerdem ist der Bug optimal für ein Air Cavity System geformt (siehe Seite 140), um den Reibungswiderstand zu reduzieren. Angetrieben wird der Tanker von vier unabhängig vonei-nander arbeitenden HRP-Ruderpropellern, je zwei an Bug und Heck, was das Schiff besonders manövrierfähig macht. Dass man mit ausgereiften Überlegungen zum

Schiffsdesign auch aktiven Umweltschutz betreiben kann, zeigt das Beispiel des Futura Carriers. New Logistics hat die Rumpfform so gestaltet, dass eine starke Wellenbildung im Binnengewässer vermieden wird, wodurch die Ufer geschont werden. Die „Till Deymann“ wurde 2007 von der holländischen Fachpresse als innovativster und umweltfreundlichster Tanker herausgestellt.

TMS Till Deymann (2007) Betreiber: Reederei Deymann Hersteller: New Logistics Innovative Rumpfform, Air Cavity System, Aerodynamik-Optimierung Geschwindigkeit: bis 18 km/h Zuladung: max. 3.326 t in neun Ladetanks Länge: 109,8 m Breite: 11,45 m Tiefgang: 3,75 m www.reederei-deymann.de

Abb. 32: TMS Till Deymann, modernster Binnentanker der Welt: mehr Ladungsvolumen bei gleichem Tiefgang

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Nach Untersuchungen der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt ver-ringern Modifikationen der Rumpfform den Treibstoffverbrauch deutlich:

Vorschiffrumpfform

Kleine Modifikationen am Wulstbug 2 Prozent Kleine Modifikationen des Kielraumes 2 Prozent

Formveränderungen dank automatischer Optimierungs- 2-5 Prozent strategien (mögliche Steigerung abhängig von der Höhe des Wellenwiderstandes)

Mittelschiffrumpfform

Änderung des Koeffizienten der Mittelschiffsektion 1 Prozent

Achterschiffrumpfform

Kleine Modifikationen im Bereich der Propellernabe 1 Prozent Kleine Modifikationen im Bereich des Heckwulstes 1 Prozent Heckdehnung – mit und ohne Trimm 2-4 Prozent

Kleine Modifikationen des Kielraumes 2 Prozent und des Wasserlinienwinkels

Rechnet man alle Einzelmaßnahmen an Vor-, Mittel- und Achter-schiffrumpfform zusammen, so ist eine theoretische Kraftstoff-Einsparung von bis zu 20 Prozent möglich.

Aerodynamische Optimierung eines Schiffs

Der Luftwiderstand eines Massengutfrachters macht zwar nur 5 bis 8 Pro-zent des gesamten Reibungswiderstands aus, der auf das Schiff einwirkt. Doch können gerade die Aufbauten in intensiven Windkanalstudien so optimiert wer-den, dass der Luftwiderstand auf ein Minimum reduziert wird. Das im Ab-schnitt Hydrodynamik vorgestellte Schiff TMS Till Deymann glänzt auch in der Aerodynamik. Außer dem versenkbaren Ruderhaus gibt es auf diesem Binnen-

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tanker keine weiteren Aufbauten. Auch die Besatzungs-Unterkünfte haben die Konstrukteure unter Deck verfrachtet.

Der Windkanal kann zu einer Überarbeitung des kompletten Schiffsdesigns führen. Die Aufbauten eines Schiffs lassen sich generell gut im Bereich von Schiffskranen, Vorschiff und Mannschaftskabinen optimieren. Außerdem achtet nachhaltiges Schiffsdesign auf abgerundete Formen und das Vermeiden von Luftverwirbelungszonen.

Was jahrzehntelang im Windkanal geleistet wurde, wird jetzt zunehmend als CFD-Berechnung am Computer ausgeführt. Die drei Buchstaben stehen für Computational Fluid Dynamics, also eine computergestützte Strömungssimula-tion. In der Simulation ist es möglich, die aerodynamischen Verhältnisse an einzelnen Baugruppen auf dem Bildschirm sichtbar zu machen – ohne große Testaufbauten mit Holzmodellen oder Prototypen von Schiffen. CFD wurde zunächst in der Kraftwerkstechnik eingesetzt, und erst seit kurzem im Automo-bil- und Schiffbau. Konstruktionsexperten sehen ein enormes Optimierungspo-tenzial in CFD. Neben der Rumpfform sind es vor allem die Luftwirbel, die dadurch in den Fokus rücken, denn hervorstehende Schiffsteile erhöhen unnötig den Luftwiderstand. Dank Kopplung mit den CAD-Systemen können die Er-kenntnisse aus einer CFD-Berechnung gleich in das Schiffsdesign eingearbeitet werden, um dann erneut einer Simulation unterzogen zu werden. Bereits die Zulieferindustrie kann durch CFD-optimierte Teile zu einer besseren Aerody-namik beitragen. Neben der Genauigkeit bei der Erstellung des Rechenmodells, ist auch die richtige Interpretation der Ergebnisse wichtig. CFD kann im Übri-gen auch zur Analyse von Strömungsverläufen verwendet werden, wenn es darum geht, Systeme zur Abgasreinigung zu optimieren.

Indem beispielsweise Ruder und Propeller zu einer Antriebseinheit geformt werden, die wie eine Verlängerung des Rumpfs wirkt, entsteht ein stromlinien-förmiges Schiff mit deutlich weniger Luftverwirbelungen.

Ruderblatt- und Propelleroptimierung

Kraftstoff-Einsparungen von 5 bis 7 Prozent sind auch durch eine optimierte Konstruktion und Formgebung des Ruders und des Propellers möglich.

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Ruder

Optimierung des Ruderblatts 2-4 Prozent

Propeller

Optimierung der Düsen und Spoiler am Propeller 3 Prozent

Durch eine Ruderblattoptimierung können 2 bis rund 4 Prozent Treibstoff eingespart werden. Über einen verbesserten Propellerzustrom (Du !sen, Spoiler) lassen sich 3 Prozent einsparen. Es gibt Nachrüstsätze zur nachträglichen Opti-mierung von Ruder und Propeller. Der Austausch älterer Propellerblätter gegen stromlinienförmig abgeschrägte High-Tech-Nachfolgemodelle mit wesentlich glatterer Oberfläche kann bis zu zehn Prozent Kraftstoff sparen. Eine solche Umrüstung rechnet sich besonders bei Schiffsschrauben, die vor mindestens zehn Jahren verbaut wurden.

Der Hamburger Schiffszulieferer für Hochleistungsruder Becker Marine Systems brachte 2004 das twistierte TLKSR®-Ruder auf den Markt. Am 14. April 2005 lief das Containerschiff "Savannah Express" der Hapag Lloyd als erstes mit dieser Technologie vom Stapel. Die Abkürzung des neuartigen Ru-dersystems TLKSR steht für Twisted Leading Edge King Support Rudder". Im Gegensatz zu herkömmlichen Ruderblättern besitzt das twistierte Ruder keine gerade Kante, über die der Schiffspropeller das Wasser leitet. Der untere Teil des Ruderblattes ist leicht gedreht angeordnet, daher der englische Begriff „twisted“. Mit diesem Dreh wird die gefürchtete Kavitationserosion bekämpft, die selbst tonnenschwere Stahlruder durch Materialermüdung innerhalb von Tagen unbrauchbar machen kann. Bei der "Savannah Express" mit einer Lade-kapazität von 8.400 Standardcontainern sorgt ein 67 Quadratmeter großes twis-tiertes Ruder aus geschweißtem Stahl für optimale Manövrierfähigkeit. Das Ruder leitet die Dampfblasen ab und schützt so Ruder und Schrauben vor Mate-rialverschleiß.

Doch nicht nur die Wartungs- und Reparaturkosten sinken. Auch der Ver-brauch. Messungen auf dem 332 Meter langen Containerschiff haben eine Energieeinsparung von 4,5 Prozent ergeben. Wem diese Zahl klein erscheinen mag: das entspricht 3.000 Tonnen Treibstoff und damit rund einer Dreiviertel-million US-Dollar Ersparnis pro Jahr. Bei einem traditionellen Post-Panama-

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Schiff wiegt das Rudersystem bis zu 440 Tonnen, das twistierte Ruder hingegen wiegt nur rund 190 Tonnen. Noch vor der Erprobung gingen Aufträge von an-deren Werften und Reedereien ein. Die Aufträge reichen dabei von Rudern mit einem halben Quadratmeter Fläche bis zum 70 Quadratmeter großen Jumbo-Ruder. Samsung Heavy Industries aus Korea ließ 2009 für eine Serie von acht Containerschiffen twistierte Ruder mit einer Fläche von 85 Quadratmetern an-fertigen. Das entspricht der Größe einer durchschnittlichen 3-Zimmer-Wohnung. Je nach Größe, Bauart und Funktion variiert ihr Preis zwischen 10.000 Euro und einer Million. Die Entwicklung geht weiter. Ruder mit einem neuen Profil sollen sich den Strömungsverhältnissen im Propellerstrom noch besser anpassen und ein effizienteres Manövrieren ermöglichen. Auch bei den Flossenrudern besteht Potenzial zur Gewichtseinsparung.

Neue Propeller entstehen durch eine Analyse der Strömungen am Vorsteven, also beim vorderen Abschluss des Schiffsumpfs. Der Antrieb wird in dem 3D-Modell simuliert, um die Wechselwirkungen zwischen Rumpf, Ruder und Pro-pellergeometrie ermitteln. Am Ende entsteht für genau dieses Schiff ein Opti-mum an Propellergröße, Flügelgröße sowie Flügel- und Propellerzahl. In der Regel ist der Wirkungsgrad eines einzigen großen Propellers besser als der von zwei kleinen, zumal sonst zwei Maschinen benötigt werden, was mehr Platz, Gewicht und Geld kostet. Je weniger Flügel ein Propeller hat, desto effizienter ist er. Der Wirkungsgrad steigt (und damit fallen gleichzeitig Verbrauch und Emissionen), je gerader der Propeller vom Wasser angeströmt wird. Das entste-hende Druckgefälle sorgt für den Vortrieb.

Doch der Wirkungsgrad ist nicht alles: Es gilt ebenso Lärm und Vibrationen zu vermeiden, die der Propeller generiert. Nicht nur das elektronische Equipment an Bord reagiert sehr sensibel auf Erschütterungen, auch Meeresbe-wohner werden dadurch beeinträchtigt. Wenige Flügel bedeuten deshalb nicht nur mehr Effizienz, sondern eben auch höhere Vibrationen an Bord. Die schnel-le Bewegung des Propellers im Wasser führt außerdem zum Kavitationseffekt. Bereits Bernoulli hat herausgefunden, dass der hydrostatische Druck in einer Flüssigkeit mit zunehmender Geschwindigkeit fällt. So lässt hohe Geschwin-digkeit den statischen Druck unter den Verdampfungsdruck des Wassers fallen, es bilden sich Dampfblasen. Diese werden mit der Wasserströmung in Zonen höheren Drucks mitgerissen. Der statische Druck in den Hohlräumen steigt

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schlagartig an, der Dampf kondensiert und bewirkt extreme Druck- und Tempe-raturspitzen. Das schadet den Flügeln.

Propellerhersteller arbeiten aus diesem Grund an der ständigen Weiterent-wicklung der Komponenten. Für kleinere Propeller sind bereits Verbundwerk-stoffe anstelle von Metall im Einsatz. Auch die Neigung und Steigung der Flü-gel wird modifiziert. MAN Diesel & Turbo hat sich früh den Verstellpropeller patentieren lassen. Dabei können die Propellerblätter unabhängig von der Dreh-zahl variabel ausgerichtet werden. Auch wenn das Prinzip von 1903 heute noch aktuell ist, wurde es weiterentwickelt. Entscheidend für die konstruktive Um-setzung ist der Einsatzzweck eines Schiffs: Steuert es Häfen mit strikten Ab-gasbestimmungen an? Wird es Seekanäle langsam passieren müssen? Der Computer optimiert das Strömungsverhalten.

Mit steigendem Propeller-Durchmesser sinkt die benötigte Energie für den Vortrieb, die Maschinen können langsamer laufen, damit sinken auch Treib-stoffverbrauch und Emissionen. Diese zunehmende Entwicklung in der Schiffs-konstruktion führt dazu, dass die optimalen Propellergeschwindigkeiten immer niedriger werden. Um einen Propeller mit einem größeren Durchmesser einzu-bauen, muss der Achterschiffsrumpf etwas modifiziert werden.

In neuesten Schiffen werden erstmals ungiftige, biologisch abbaubare Schmieröle (z.B. Vickers Oils) für Propeller und Getriebe verwendet. Im Fall eines unerwünschten Austretens wird so das Meer nicht verschmutzt. Gerade in sehr sensiblen Regionen wir dem Nordmeer zwischen Grönland und Skandina-vien ist diese Umweltschutzmaßnahme besonders wichtig. Der Schutz der nörd-lichen Meeresumwelt ist durch das OSPAR-Abkommen von 1992 (benannt nach den Vorläufer-Konventionen von Oslo und Paris) streng geregelt.

Der schwedische Zulieferer Volvo Penta hat ein bewährtes Konzept aus der Luftfahrt in einen Marinepropeller übertragen. Dabei handelt es sich um Coun-ter Rotating Propellers (CRP), die achtern gegenläufig rotieren. Durch die ge-genläufige Bewegung der Propeller sind die Verluste durch Wasserverwirbe-lungen geringer. Der hintere Propeller nutzt einen Teil der Rotationskraft im Sog des vorderen Propellers. Weil die Antriebsenergie auf zwei Getriebe ver-teilt wird, sind geringere Durchmesser erforderlich, was wiederum einen niedri-

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geren hydrodynamischen Widerstand bewirkt. CRP gilt als hocheffizientes Pro-pellersystem, das den Energiebedarf um 10 bis 15 Prozent senkt.

Einen völlig neuartigen Propeller haben Bionik-Wissenschaftler der Techni-schen Universität Berlin in Zusammenarbeit mit EvoLogics entwickelt. Er ar-beitet effizienter und sehr viel leiser als herkömmliche Propeller. Die Bionik entschlüsselt Erfindungen der Natur und analysiert über mehrere wissenschaft-liche Disziplinen hinweg ihre mögliche innovative Umsetzung in Technik. Bei den Bionik-Propellern dienten Vögel als Vorbild. Ihre aufgespreizten Schwin-gen sind so gestaltet, dass der Luftwiderstand am Ende der Flügel reduziert ist, in dem sie den Randwirbel vertikal verteilen. Bei Störchen kann man dies sehr gut beobachten.

Schon Leonardo da Vinci hat den Flug von Vögeln analysiert und versucht, seine Erkenntnisse auf Flugmaschinen zu übertragen. Seine Skizzen sind bis heute erhalten. Die Wissenschaftler um Ingo Rechenberg (seit 40 Jahren Inha-ber des Lehrstuhls für Bionik und Evolutionstechnik an der TU Berlin) und Ingenieure um Rudolf Bannasch (Gründer und Chef der EvoLogics GmbH) setzten ein selbstentwickeltes Computerprogramm ein, um natürliche Evoluti-onsstrategien zu simulieren.

Abb. 33: Leise und effizient wie die Flügel eines Vogels: Der Bionik-Propeller wurde von TU Berlin und EvoLogics entwickelt

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Dabei werden am Rechner Mechanismen der biologischen Evolution nach-empfunden, um Vorteile einer bestimmten Konstruktion immer deutlicher zu verstärken und Nachteile von Stufe zu Stufe zu überwinden. So entwickelten TU Berlin und EvoLogics Propellervarianten mit vier oder sechs Flügel-Enden in Schlaufenform. Schlaufenform drückt aus, dass die Propellerspitzen unterei-nander verbunden sind, was die Randwirbelverluste ohne Stabilitätseinbußen verringert. Splitwing Loops nennt man diese Bauweise.

Der innovative Bionik-Propeller kann in Windrädern und Flugzeugturbinen genauso eingesetzt werden wie in Schiffsschrauben. Ein geräuscharmer Propel-ler nach dem Vorbild der Natur könnte nicht nur Lärm, sondern auch schädliche Kavitationen vermeiden und gleichzeitig den Kraftstoffverbrauch reduzieren. Aus der Windenergie-Industrieentwicklung liegen bereits detaillierte Erkennt-nisse vor: Bei einer Windgeschwindigkeit von 8 Metern pro Sekunde wird mit dem Bionik-Propeller etwa die Hälfte mehr an Energie erzeugt. Bei 12 Metern pro Sekunde Windstärke sind es noch 30, bei 16 Metern pro Sekunde noch 20 Prozent Effizienzsteigerung. Die Lärmentwicklung konnte bei Rotationsge-schwindigkeiten des Propellers zwischen 700 und 1000 Umdrehungen pro Mi-nute sogar halbiert werden.

Luftkissen für Frachtschiffe

Als Carl Barks, einer der bekanntesten Zeichner von Walt Disney, eine Do-nald Duck Episode „Wie gewonnen, so zerronnen“ (Mai 1949) ersann, wurde er selbst zum Visionär und Erfinder: Donald und seine drei Neffen kamen auf eine geniale Idee, um ein versunkenes Schiffswrack kostengünstig zu heben. Sie pumpten Pingpongbälle in das Wrack, bis es von der eingeschlossenen Luft in den Bällen nach oben getragen wurde. Als Jahre später ein skandinavischer Ingenieur diese Methode mit Styroporkugeln statt Pingpongbällen in die Reali-tät umsetzte, um ein Schiff zu bergen, konnte er sie sich nicht patentieren las-sen, weil sie ja bereits in einem Comic-Heft veröffentlicht war. Traurig, aber wahr.

Ein tonnenschweres Schiff kann von der Luft getragen werden? 1915 wurde das erste Luftkissenboot der Welt zu Wasser gelassen. Es gehörte der österrei-chisch-ungarischen Kriegsmarine und kam auf über 30 Knoten. Angetrieben

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wurde es von vier Flugzeugmotoren, ein weiterer blies die Luft unter den Bootskörper. Hovercraft-Boote nach der Technologie des britischen Ingenieurs Christopher Cockrell brachten 30 Jahre lang bis Herbst 2000 auf der Fährstre-cke zwischen Calais und Dover Millionen von Passagieren vom europäischen Festland auf die britische Insel und zurück – auf einem Luftkissen schwebend. Das technische Prinzip eignet sich vor allem für Kurzstrecken, bei denen es ausschließlich auf Schnelligkeit ankommt Allerdings stellte sich die Hovercraft-Technik als zu kostenintensiv heraus, sowohl im Energieverbrauch als auch in der Wartung. Die letzten beiden Ärmelkanal-Fähren, Princess Anne und Princess Margaret, wurden am 1. Oktober 2000 ausgemustert und befinden sich nun in Besitz des britischen Pharma-Millionärs Wensley Haydon-Baillie. Klei-nere Luftkissenboote sind heute vor allem als Sportgeräte oder für Militärtrans-porte im Einsatz.

Ein Luftteppich unter Handelsschiffen dient seit 2007 nicht als Antriebs-form, sondern als Mittel, um die Hydrodynamik zu verbessern. Air Cavity Sys-tem (ACS) bewirkt Kraftstoffeinsparung durch Lufthohlräume. Bei dem Ver-fahren pressen Kompressoren Druckluft in ausgesparte Kanäle unter dem fla-chen Schiffsrumpf, genauer im Mittelteil und im Bereich des Bugs. So entsteht ein Luftpolster, das die Kontaktfläche zwischen Rumpf und Wasser verringert und so die Reibung minimiert. Statt vom Wasser gebremst zu werden, gleitet ein Schiff mit ACS regelrecht dahin. Im Ergebnis tritt eine Kraftstoffersparnis von bis zu 15 Prozent ein. Der Energieverbrauch für das System beträgt nur einen Bruchteil von 6 bis 10 Prozent des eingesparten Kraftstoffs. Umgekehrt verbessert sich auch die Manövrierfähigkeit eines Schiffs, weil es im Ernstfall schneller zu stoppen ist.

Abb. 34: Das Air Cavity System Super Micro Bubble Generator der dänischen DK Group produziert kleinste Luftblasen unter

dem Rumpf, um den Reibungswiderstand zu senken

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Die Technologie wurde von Schiffskonstrukteur Jørn Winkler aus Rotterdam entwickelt, der den dänischen Schiffsausrüster DK Group gründete. Sie kam patentiert unter dem Namen „Air Cavity System Super Micro Bubble Genera-tor“ auf den Markt. ACS kann in vielen Schiffsklassen der Hochsee-Handelsflotte einschließlich Tankern, Containerschiffen, Massengut- und Mehrzweck-Frachtern sowie Flüssiggastransportern eingesetzt werden. Der Return on Investment für das System mit den superkleinen Luftblasen dauert je nach Schiffstyp und Ölpreisentwicklung zwischen 15 und 24 Monate. Inzwi-schen wurde auch eine ACS Retrofit Lösung entwickelt, mit der ein Schiff in-nerhalb von zwei Wochen in der Reparaturwerft nachgerüstet werden kann. Der CEO der DK Group, Ken Bloch Sörensen, erwartet, dass die schnelle Amortisa-tion, steigende Kraftstoffpreise und strengere Abgasvorschriften Tür und Tor für seine Technologie öffnen werden.

Sörensen macht eine einfache Rechnung auf:

• Ein Containerschiff für 12.000 Standardcontainer verbrennt 350 Tonnen Schweröl am Tag, mit einem Schwefelanteil laut IMO von 2,7 Prozent im weltweiten Durchschnitt.

• So entstehen 19 Tonnen Schwefeloxide am Tag oder, bei 300 Einsatztagen, 5.700 Tonnen SOx im Jahr.

• Das entspricht der Menge Schwefelausstoß von rund 50 Millio-nen Fahrzeugen – also genau dem Fahrzeugbestand der Bun-desrepublik Deutschland im Jahr 2010.

Es geht also um weit mehr als nur um Luftblasen bei der Technologie der Dänen. Bei weltweiter Implementierung könnte die DK Group den Weltmeeren annähernd 1.000 Tonnen Schwefel pro Jahr ersparen, ein Sechstel der jährlichen Belastung. DK-Chef Sörensen geht davon aus, dass durch die geschickte Kom-bination aller geeigneten, derzeit am Markt verfügbaren Umweltinnovationen sogar doppelt so viel an Schwefelausstoß eingespart werden kann, bis zu 30 Prozent, immer vorausgesetzt, der Energiemix bliebe der selbe, d.h. die gleiche Fahrleistung würde weiterhin mit Schweröl erbracht.

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Gegenüber ersten Prototypen haben die Entwickler die erforderliche Fläche an ACS-Sprudeldüsen unter dem Rumpf seit 2007 um 90 Prozent verkleinert. Sinnvoll ist ACS allerdings nur bei Schiffen ab 250 Metern Länge. Bei starken Wellen wird das Schiff sonst so stark angehoben, dass das Luftpolster unter dem Rumpf entweicht oder in die Schiffsschrauben gerät.

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Bevor man über neue Materialien im Schiffbau nachdenkt, sollte man die Vor- und Nachteile des aktuellen Hauptwerkstoffs Stahl rekapitulieren. Der Nymbus von Stahl übt weltweit auf viele Menschen eine besondere Faszination aus. Der Pariser Eifelturm, die Kuppel des Berliner Reichstages oder die legen-däre Golden Gate Bridge in San Francisco sind Stahlbauwerke von internationa-lem Ruf. Der Werkstoff Stahl in Form von Stahlträgern, Blechen und Rohren aus Baustahl und seit relativ kurzer Zeit auch in Form von Stahlgussteilen wird zum Bau extrem belastbarer Kraftwerksturbinen, Hochhäuser und Schiffe ver-wendet.

Stahl als Hauptwerkstoff des Schiffbaus seit 120 Jahren

Schon vor mehreren Tausend Jahren kannte man die Methode der Verhüttung von Eisen. Dier erste bekannte Herstellung einfachen Stahls datiert auf Anfang des ersten Jahrtausends vor Christus. Als im 12. Jahrhundert der erste Holzkoh-le-Hochofen in Europa gebaut war, wurde das Schmelzen von Eisenerzen mög-lich. 1740 erfand Benjamin Huntsman in England das Tiegelstahlverfahren zur Herstellung von Gussstahl. Friedrich Krupp verwendete diese Technologie ab 1811 in Essen in der ersten deutschen Gussstahlfabrik. Mit der Erfindung von Dampfschiff (1783) und Eisenbahn (1804) waren große neue Absatzmärkte für Stahl entstanden. Zur Pariser Weltausstellung 1889 setzten die Franzosen dem Stahl ein Denkmal, der Eiffelturm wurde zum Monument des technischen Fort-schritts. Stahl war über Jahrhunderte für viele Staaten eine Frage des Prestige und zudem wichtiger Werkstoff für die Rüstung. Stahl war sogar der Ausgangs-punkt für den europäischen Einigungsprozess: Um zollfrei Kohle und Stahl austauschen zu können, gründeten Frankreich, Italien, Luxemburg, Belgien, die Niederlande und Bundesrepublik Deutschland 1952 die Montanunion – Vorläu-

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fer der EU. Die Stahlindustrie ist in Deutschland heute ein wichtiger Wirt-schaftsfaktor: Die rund 75.000 Beschäftigten der Branche produzieren mehr als 46 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr.

Doch die Stahlproduktion leidet unter Rohstoffmangel. Obwohl die Erdkruste immerhin zu fünf Pro-zent aus Eisen besteht, ist seit 2003 eine dramatisch ansteigende Roh-stoffknappheit zu bemerken. Hauptverursacher sind die Volks-republik China, Indien und Brasili-en, deren Wirtschaft erstarkt. Das Wachstum der chinesischen Stahl-produktion Jahr für Jahr entspricht der gesamten Jahresproduktion Deutschlands. Die bestehende För-derung von Eisenerz und Koks hält damit nicht Schritt. Ihre Preise haben sich vervielfacht. Stahl wur-de knapp und teuer.

Stahl besitzt enorme Festigkeit. Stahlschrott kann nahezu ohne Qualitätsverlust immer wieder durch Einschmelzen verwertet werden. Allerdings ist die Erzeu-gung von Rohstahl bei Temperatu-ren von 1.500 bis 1.800 °C sehr

energieintensiv. Beim Schmelzen von Eisenerz, Koks und Kalkstein im Hoch-ofen entsteht flüssiges Roheisen, das zunächst wegen des hohen Kohlenstoffan-teils noch sehr spröde ist. Zusammen mit Sauerstoff verbrennt ein Teil des Koh-lenstoffs, Rohstahl entsteht. Das Hauptproblem von Stahl ist sein Gewicht.

Stahl hat weiter seinen Platz in der Industrie, ob als Chromstahl in Hoch-temperatur-Brennstoffzellen, als Stahlhülle für Unterseekabel der globalen Te-lefon- und Internetversorgung oder als Stahlstelzen für die neue Polarstation

Stahl Vorteile: • in heißem Zustand plastisch form-bar • wird nach dem Abkühlen extrem stabi • leicht reparierbar • nahezu verlustfrei recycelbar Nachteile: • aufwändig herzustellen (Hochofen bis 1.800 Grad Celsius) • rostet leicht • erhöht wegen seiner hohen Dichte das Gesamtgewicht • daher hoher Kraftstoffverbrauch • Knappheit und Verteuerung der benötigten Rohstoffe Eisenerz, Kohle und Koks • selbst Preise für Stahlschrott steigen seit Jahren. www.faszination-stahl.de

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Neumayer III, die das Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Antarktis betreibt.

Vor dem Hintergrund der ökonomisch und ökologisch gebotenen Kraftstof-feinsparung kämpft die Automobilindustrie schon seit vielen Jahren um jedes Kilogramm. Deshalb steht Stahl dort in direkter Konkurrenz zu Werkstoffen geringerer Dichte wie Aluminium, Magnesium, Kunststoffen und Faserver-bundwerkstoffen.

Schiffbauer wissen natürlich um den erhöhten Treibstoffverbrauch durch das schwere Stahl und um den jährlichen Erhaltungs-Aufwand durch Entrosten und Lackieren. Intelligenter Materialmix, bei dem am jeweils richtigen Ort das am besten geeignete Material eingesetzt wird – so könnte eine neue Produktions-strategie für die Schiffsindustrie lauten. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass in der Marine der früheren Sowjetunion bereits Technolo-gien entwickelt wurden, um U-Boote zum großen Teil aus Titan zu bauen. Das weiß-metallisch glänzende Titan ist leicht, fest, dehnbar, korrosions- und tem-

Abb. 35: Gießerei bei MAN Diesel & Turbo

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peraturbeständig. Doch aufgrund seines komplizierten Herstellungsprozesses ist Titan zehnmal so teuer wie herkömmlicher Stahl und muss deshalb hinter Alu-minium oder Magnesium zurücktreten. Neben modernen Leichtbaumaterialien stünden für eine neue maritime Leichtbaustrategie auch skurril klingende Lö-sungen wie Beton und wieder das gute alte Holz zur Diskussion. Heißt dies am Ende gar: Back to the future?

Leichtbau mit Aluminium

Reines Aluminium wurde erstmals ab 1891 im Schiffbau eingesetzt, unge-fähr zur gleichen Zeit, in der dieses Material auch für Kochgeschirr entdeckt wurde. Das ehemalige Maschinenbauunternehmen Escher Wyss aus Zürich konstruierte daraus eine Yacht und eine Barkasse. Weitere Projekte in Europa und den USA folgten. Erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts sammelten Werften weiter gehende Erfahrung mit der Verarbeitung von Aluminium und geeigneten Konstruktionen. Vor allem standen ihnen erst ab dieser Zeit mee-reswasserbeständige Legierungen mit Magnesium zur Verfügung. Doch für eine breite Anwendung war der Aluminiumpreis zu hoch.

Im Handelsschiffbau wurde Aluminium zum ersten Mal kurz vor dem Zwei-ten Weltkrieg in größerem Stil verwendet. Die Aufbauten der norwegischen MS Fernplant bestanden aus 14 Tonnen Aluminium. Nach dem Krieg stieg die Be-deutung von Aluminium im Schiffbau weiter. Der Rheindampfer Goethe ent-stand 1953 aus 17 Tonnen Aluminium, beim Überseeschiff MS Schwabenstein kamen rund 30 Tonnen zum Einsatz. Doch die beiden Projekte reichten bei weitem nicht an die S.S. United States heran. Mit vier riesigen Dampfturbinen brach sie am 4. Juli 1952 auf ihrer transatlantischen Jungfernfahrt den zuvor 14 Jahre bestehenden Geschwindigkeitsrekord der Queen Mary und erreichte erst-mals einen Durchschnitt von mehr als 34 Knoten.

Aufsehen erregte das schnellste Passagierschiff aller Zeiten auf der Transat-lantikroute vor allem wegen seiner innovativen und konsequenten Aluminium-bauweise: 2.200 Tonnen Aluminium klingt nach einer ganzen Menge Metall, doch das bedeutete damals eine Gewichtsersparnis von rund 2.000 Tonnen ge-genüber Stahl. Aufbauten, Innenausstattung, Handläufe, Rettungsboote samt Rudern – so viel Aluminium wurde vorher weder zur See noch an Land in ei-

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nem Projekt verbaut. Kostenpunkt des Schiffs: 78 Millionen US-Dollar, zwei Drittel davon trug die US-Regierung.

Durch das niedrigere Gewicht der Aufbauten oberhalb der Was-serlinie im Verhältnis zum Stahl-rumpf wurde der Schwerpunkt abgesenkt, was die Stabilität und den Komfort des Schiffs verbesser-te. Gleichzeitig verzichtete man auf schweres Teakholz an Deck. Um eine zerstörerische Elektrolyse des Aluminiums bei Kontakt mit Stahl zu verhindern, wurde eine Isolati-onsschicht aus Neopren gebildet. Die S.S. United States ist zwar seit mehr als 40 Jahren nicht mehr zur See gefahren, wurde von engagier-ten Amerikanern jedoch im Jahr 2010 für drei Millionen US-Dollar erworben und soll nun als nationa-les maritimes Denkmal erhalten werden.

Auch heute gilt noch: Alumini-um ist ein attraktives Leichtbauma-terial. Es bewirkt 51 Prozent Ge-wichtsersparnis zu Stahl (zum Ver-gleich: Titan ist 29 Prozent leichter als Stahl, Magnesium sogar 61

Prozent leichter). Bei einem spezifischen Gewicht von nur einem Drittel von dem von Stahl wiegt ein Aluminiumrumpf mit Aufbau normalerweise weniger als halb so viel wie ein Stahlrumpf mit gleicher Festigkeit. Niedrigeres Gewicht bedeutet größere Kapazität, höhere Geschwindigkeit, niedrigeren Kraftstoffver-brauch oder höhere Reichweite, und sorgt gleichzeitig für eine überragende Manövrierbarkeit. Aufgrund der Mindestblechstärke kommen diese Vorteile besonders bei Schiffen unter 30 Metern (bei denen das Gewicht des Rumpfs ein

Aluminium (Al) Vorteile: • geringes Rumpfgewicht • hohe örtliche Festigkeit • uneingeschränkte Kollisionsfestig-keit • Grundberührung unproblematisch • kein Farbanstrich über Wasser notwendig • keine Materialermüdung im Lang-zeitbetrieb, nahezu uneingeschränkte Lebensdauer Nachteile: • Korrosions/Elektrolyse-Gefahr bei unsachgemäßer Elektroinstallation • Antifouling-Anstrich elementar • Schwitzwassergefahr durch hohe Wärme/Kälte-Leitfähigkeit • Rumpfinnenisolierung wichtig, Käl-tebrücken vermeiden • geringe Abriebfestigkeit • teurer als Stahl www.aluinfo.de

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wichtigerer Faktor ist) zum Tragen. Im Gegensatz etwa zu Glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK), über die auf den folgenden Seiten noch zu lesen sein wird, kann Aluminium außerdem sehr gut recycelt werden. Fast 70 Prozent des ge-samten bisher jemals produzierten Aluminiums werden nach Angaben von Al-coa immer noch genutzt. Ein Aluminiumrumpf widersteht zudem wesentlich höheren Bruchlasten als ein vergleichbarer Rumpf aus GFK, und weil Alumini-um weniger spröde ist, ist auch die Gefahr des Durchstoßens des Rumpfs gerin-ger. Anders als bei GFK vergrößern sich kleine Löcher nicht unter der Einwir-kung von Außendruck.

So wird das Material längst nicht mehr nur für Deckaufbauten, Kolben von Großdieselmotoren und Kugeltanks für Flüssiggas, sondern auch für den Bau von Rümpfen verwendet. Auch wenn Aluminium immer noch deutlich teurer als Stahl ist, hat seine gute Korrosionsbeständigkeit und Verarbeitbarkeit seit Mitte der 90er Jahre diesen Werkstoff zum beliebtesten Baumaterial zum Bei-spiel für Katamarane und Highspeed-Fähren gemacht. Konventionelle Stahlfäh-ren verbrauchen gut und gerne 70 bis 90 Prozent ihrer Antriebsenergie für den Transport des eigenen Gewichts und nur 10 bis 30 Prozent für die Nutzlast. Die Vollaluminium-Bauweise bewirkt eine Halbierung des Gewichts und damit eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs zwischen einem Drittel und der Hälfte.

Gerade in der Kurzstrecken-Schifffahrt werden solche Fähren attraktiv, weil dann höhere Geschwindigkeiten möglich sind. Die Schnellfähre Benchijigua Express, die die Inseln Teneriffa, La Gomera und La Palma miteinander ver-bindet, kann 1.350 Passagiere und rund 340 Pkw aufnehmen. Sie wurde in der australischen Werft Austal Ships gebaut und erreicht 40 Knoten bei einem Tief-gang von vier Metern. Es ist davon auszugehen, dass auch Frachtschiffe zu-nehmend aus Aluminium gebaut werden, da der Verbrauchsvorteil erheblich ist und der Instandhaltungsaufwand geringer ausfällt.

Für kleinere Bootsrümpfe bis zirka 13 Meter Länge hat sich Aluminium nicht durchgesetzt. Bei den Segelmasten hat Aluminium das Holz bereits fast vollständig verdrängt. Für Groß- und Luxusyachten, deren Rümpfe fast aus-schließlich aus Metall gefertigt sind, besitzt Aluminium dagegen einen stabilen Marktanteil. Vollaluminiumschiffe sind in aller Welt bei Wasserpolizei und Küstenwache, auf Hochsee-Yachten, Offshore-Versorgern und Fischerbooten im Einsatz. Seit 1975 sind vor Deutschland eine Reihe von Seenotkreuzern aus

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Aluminium unterwegs. Gerade in Hafenstädten wie San Francisco, Hongkong oder Tokio sind zahlreiche Passagierfähren aus Aluminium zu sehen. Alumini-umbleche haben eine Mikrostruktur, die auch aggressivsten Umgebungen im Schiffbau ohne gesonderten Oberflächenschutz ausgesetzt werden kann. Da im Schiffbau nur legiertes, meereswasserfestes Aluminium verwendet wird, bedarf es keines weiteren Korrosionsschutzes.

Kaltgewaltzte Aluminiumbleche werden in einer Dicke zwischen 2 und 8 Millimeter angeboten, warmgewalzte Platten erreichen zwischen 8 und 40 Mil-limeter Dicke. Aluminium ist nicht nur widerstandsfähiger gegen Verzug beim Schweißen als Stahl, sondern darüber hinaus sind die Schweißnähte selbst hoch duktil. Duktilität ist die Eigenschaft eines Werkstoffs, sich bei Überbelastung zunächst plastisch zu verformen, bevor er versagt. Das vereinfacht die nachfol-gende Kaltverformung. Insgesamt gesehen bietet der Werkstoff wesentliche konstruktive und wirtschaftliche Vorteile für den Schiffbauer. Wie beim Stahl-schiff entsteht auch ein Aluminiumschiff hauptsächlich aus Blechen und Blech-formteilen, die miteinander im MIG- oder WIG-Verfahren verschweißt werden. MIG nennt man das Metall-Inertgasschweißen mit dem Edelgas Argon, seltener auch mit Helium. Inertgase dienen dazu, den Sauerstoffanteil stark zu reduzie-ren und die Reaktionswärme aufzunehmen, so dass der Verbrennungsprozess gestoppt wird. Beim WIG-Schweißen arbeitet man statt mit einer abschmelzen-den Elektrode mit Wolfram als Schweißzusatz. Durch den verhältnismäßig ge-ringen und kleinräumigen Wärmeeintrag ist der Schweißverzug der Werkstücke geringer als bei anderen Verfahren. Wegen der hohen Schweißnahtgüte wird das WIG-Verfahren bevorzugt dort eingesetzt, wo Qualität wichtiger ist als Schnelligkeit. Für tragende Schweißkonstruktionen werden Aluminiumguss-Legierungen eher nicht verwendet. Neuerdings kommt bei Aluminiumkonstruk-tionen auch das Rührreibschweißen mit einem rotierenden Werkzeug, das die Fügezone formbar macht, im Schiffbau zum Einsatz.

Es besteht hohes Interesse an neuartigen Fügekonzepten für Aluminium-Stahl-Verbindungen in der maritimen Industrie. Solche Verbindungen wurden bisher durch sprengplattierte Aluminium-Stahl-Hybridprofile realisiert, die aluminiumseitig und stahlseitig mit herkömmlichen Verfahren verschweißt werden konnten. Aluminiumwerkstoffe, insbesondere Legierungen mit Magne-sium und Mangan, werden heute in allen Schiffstypen eingesetzt. Aluminium-rümpfe sind durchweg Blechkonstruktionen, die mit offenen Profilen ausge-

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steift und geschweißt werden. Für Verbindungen von Stahl und Aluminium wählt man Verbundprofile oder explosionsgeschweißte Platten, aus denen Strei-fen herausgeschnitten und mit dem gleichen Metall durch Fügen verbunden werden. Aus Gründen des Designs und der Kosteneffizienz besteht jedoch gro-ßes Interesse an anderen Lösungen. Versuche ergaben, dass das Laser-MIG-Hybridschweißen im Blechdickenbereich um 3 Millimeter mit guter Spaltüber-brückung bei ausreichender Benetzung der Stahlseite durch Aluminium-Anwendungen geeignet ist. Die erreichten Festigkeiten übertreffen die Werte, die bisher mit den sprengplattierten Profilen erzielt werden konnten. Durch die hohen Fügegeschwindigkeiten des Laser-MIG-Hybridschweißens wird die Bil-dung intermetallischer Phasen minimiert (bei intermetallischen Phasen treten anders als bei Legierungen Gitterstrukturen auf, die das Material härter, aber auch spröder als die Legierung machen würden).

Der Deutsche Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. (DVS) untersuchte in einem Forschungsvorhaben, ob analog zum Stahl auch bei Schweißverbindungen aus Aluminium und Magnesium Berechnungskonzepte wie der Referenzradius für die Auslegung geschweißter Strukturen zur Anwen-dung kommen können. Um solche Verbindungen schwingfest auszulegen, defi-niert man die Spannungen im Nahtübergang einer Schweißnaht für verschiede-ne Bemessungskonzepte. Forscher des Fraunhofer Instituts für Betriebsfestig-keit und Systemzuverlässigkeit und des Instituts für Füge- und Schweißtechnik der TU Braunschweig untersuchten dies an drei verschiedenen MIG- und WIG-geschweißten Aluminium- und Magnesiumverbindungen. Im Ergebnis zeigte sich, dass das Kerbspannungskonzept mit einem Referenzradius 1,0 Millimeter auf Aluminium- und Magnesium-Schweißverbindungen mit Blechdicken ab 5 Millimeter unabhängig von der Schweißnahtgeometrie angewendet werden kann. Ebenso wurde die Anwendbarkeit des Referenzradius von rref=0.05 mm nachgewiesen. Beim Kerbspannungskonzept werden versagenskritische Stellen eines Schweißgutes zwischen zwei Blechen untersucht, indem örtlich vorlie-gende elastische Spannungen im Kerbgrund zur Beurteilung der Ermüdungssi-cherheit zu Grunde gelegt und örtlich ertragbaren Spannungen gegenüberstellt werden. Die Spannungsspitzen werden dabei infolge der Nahtgeometrie erfasst und als so genannte Kerbspannung auf der Beanspruchungsseite berücksichtigt.

Um den weiter oben beschriebenen Elektrolyse-Effekt bei Schiffsrümpfen zu verhindern, sind Übergangsverbindungen zwischen Aluminium und Stahl ge-

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fragt. Die niederländische Merrem & la Porte ist der weltweit führende Liefe-rant von Übergangsverbindungen für Aluminium und Stahl und nennt diese im Marktauftritt Triclad®. Das Produkt wird für sämtliche Schweißverbindungen zwischen Aluminium- und Stahlstrukturen an Bord von Schiffen und Offshore-Konstruktionen verwendet. Dabei kommen zum Beispiel Bimetallstreifen zum Einsatz. Wann immer Konstruktionen aus Aluminium mit Stahldecks verbun-den werden, Bauteile zwischen Stahl oder Edelstahl und Aluminium befestigt werden, Decks und Dammbalken aus Aluminium mit Stahlrümpfen verschweißt oder umgekehrt (beispielsweise zur Anbringung von Motoren in schnellen Ka-tamaranen) Stahlelemente an Aluminiumrümpfen befestigt werden sollen, wer-den diese Übergangsverbindungen benötigt. Als zusätzliche Verstärkung ver-wendet man teilweise Titanschichten.

Weltmarktführer unter den Aluminiumherstellern ist Alcoa aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania, das auf den Studenten Charles Martin Hall zurück-geht, der 1886 ein Patent zum Gewinnen von Aluminium anmeldete. Zwei Jah-re später gründete er die Aluminium Company of America (Alcoa), die heute als Marktführer 59.000 Menschen in 31 Ländern beschäftigt und im Vorkrisen-jahr 2007 noch rund 29 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftete.

Aluminiumknetlegierungen ordnet man nach dem beteiligten Legierungs-element (Kupfer, Mangan, Silicium, Magnesium oder Zink), nach ihrer Härt-barkeit und Festigkeit in Gruppen. Kaltverfestigte Legierungen aus der Serie 5xxx bieten die für Anwendungen im Schiffbau benötigte überragende Festig-keit, Formbarkeit und Korrosionsbeständigkeit. Die Gruppe 5xxx bezeichnet eine Aluminiumlegierung mit 0,2 bis 6,2 Prozent Magnesiumanteil, die natur-hart wird und einer Kraft von 100 bis 450 Newton pro Quadratmillimeter Stand hält. Damit erreicht die Legierung 5xxx höchste Festigkeiten unter den nicht aushärtbaren Aluminiumlegierungen, ist gut schweißbar und kann für Druck-kessel, Brücken, Gebäude und eben auch Schiffe verwendet werden. Man muss nur beachten, dass Aluminium aus dieser Serie mit mehr als 3,0 Prozent Mag-nesium für Temperaturen über 65 °C nicht geeignet ist, weil dann Spannungs-risskorrosion auftritt.

Aluminium hat eine wesentlich höhere strukturelle Effizienz (Verhältnis von Steifigkeit zu Dichte) als Stahl, und mit Magnesium als Hauptlegierungsele-ment ist die Schwingfestigkeit der Produkte aus der Serie 5xxx eine der höchs-

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ten unter allen Aluminiumlegierungen. Die Serie 5xxx erfüllt hinsichtlich der Korrosionsfestigkeit die Anforderungen sowohl der ASTM G66 Prüfung zur Bewertung der Anfälligkeit für Schichtkorrosion als auch der ASTM G67 Prü-fung zur Bestimmung der Anfälligkeit für intergranulare Korrosion durch Mas-severlust nach Kontakt mit Salpetersäure. Seit Mitte der 90er Jahre beliefert das deutsche Handelsunternehmen Amco deutsche Werften mit Alustar, einer spe-ziellen Legierung der Gruppe 5xxx, die gute Eigenschaften bei Festigkeit, Kor-rosionsbeständigkeit und Schweißbarkeit aufweist. Vor und nach dem Schwei-ßen zeigt Alustar eine signifikant höhere Festigkeit für den Schiffbau als her-kömmliche Aluminium-Legierungen.

Im US-Bundesstaat Washington ist im November 2010 als Folge der Wirt-schaftskrise und ausbleibender Staatsaufträge im Fairhaven Marine Industrial Park die zwölfjährige Geschichte von ACB Aluminium Chambered Boats zu Ende gegangen. Basierend auf einer Technologie aus Neuseeland wollte ACB zunächst Alu-Boote an die US Navy liefern und hatte bereits Aufträge im hohen zweistelligen Millionenbereich akquiriert. 2006 entwickelten die Amerikaner Verbundmaterialien, die einerseits leicht, andererseits starr genug waren, um einem Beschuss Stand zu halten. Dazu arbeiteten sie an Schweiß-Technologien zum idealen Verbinden des Aluminiumrumpfs mit Verstärkungselementen. Das besondere von ACB war die modulare Konstruktion des Alu-Rumpfs mit einer Vielzahl abgedichteter schottartiger Kammern, was das Schiff so gut wie unsinkbar machte. Die Schweißarbeiten wurden vorwiegend im Metallschutz-gas-Schweißverfahren durchgeführt, ansonsten mit Wolfram-Inertgas.

Das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU gab 2011 im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts einen Durchbruch bei der Entwicklung eines neuen Materials auf Aluminiumbasis bekannt, das den mari-timen Leichtbau deutlich vorantreiben dürfte. Das Geheimnis des Metalls ist eine Mischung aus Aluminiumpulver mit Titaniumhydrid als Treibmittel, um das Pulver wie einen Brotteig aufgehen zu lassen. Wird das Pulver bei 650 Grad Celsius erhitzt, schäumt es innerhalb von Sekunden auf. Das entstehende Mate-rial ist leichter als Wasser und besitzt gleichzeitig eine hohe Festigkeit. Mit dem neuen Produktionsverfahren für Aluminiumschaum könnten große Platten für die bewährte Sandwichbauweise hergestellt werden, die Stahl zu einem großen Teil ersetzen. Das Pulver wird zunächst zu Stäben gepresst, die zwischen Stahl-platten positioniert werden, bevor alles erhitzt wird. Dabei entsteht Alumini-

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umschaum mit der Porenstruktur eines Schwamms, der sich ohne Klebstoffe fest mit den beiden Stahlflächen verbindet. Wie ein Knochen in der Natur ver-eint die Struktur zwei Eigenschaften miteinander: sehr niedriges Gewicht und sehr hohe Steifigkeit.

Ein durchschnittlicher Frachter mit einer Ladekapazität von 7.000 Kubikme-tern könnte dank des neuen Materials um rund 30 Prozent oder mehrere tausend Tonnen leichter werden. Das würde mehr Ladung pro Fahrt und damit weniger Fahrten und auch weniger CO2-Emissionen bedeuten. Wenn nur 20 Prozent an Stahl eingespart werden könnten, bräuchte man bei einem durchschnittlichen Schiff neun Prozent weniger Antriebsenergie. Nicht einmal bei starker Bean-spruchung bricht das Material, sondern es verformt sich nur. Damit könnten es Schiffe auch riskieren, ganzjährig durch Nordeuropa zu fahren, da es selbst Eisschollen auf dem Wasser standhalten kann.

„Bioship 1“ nennen die Fraunhofer Forscher ihr Konzept eines superleichten Schiffs mit einem Tiefgang von 2,4 Metern, LNG-Antrieb, optimierter Aerody-namik und voller Recycelbarkeit der verwendeten Komponenten. Die zugrunde-liegende Technologie soll eine Revolution im maritimen Leichtbau auslösen.

Leichtbau mit Magnesium

Die zunehmende Nachfrage nach leichten Konstruktionen und steigende An-forderungen an die Materialien sind oft mit Aluminium allein nicht mehr zu befriedigen, deshalb geht die Suche nach neuen Leichtbauwerkstoffen weiter. Magnesium hat in den letzten Jahren im Fahrzeug-, Flugzeug- und Schiffbau einen großen Stellenwert erhalten. Die Gründe liegen in der hohen Verfügbar-keit von Magnesium sowie seinen guten Verarbeitungseigenschaften und sei-nem geringen spezifischen Gewicht (mit 61 Prozent Gewichtsersparnis gegen-über Stahl ist es noch einmal leichter als Aluminium). Magnesium Werkstoffe sind ein Drittel leichter als vergleichbare Aluminium-Werkstoffe, deswegen eignen sich Magnesium-Halbzeuge für schnellbewegte Bauteile, damit die be-wegte Masse im System reduziert wird. Moderne Fahrzeuge haben bereits viele Komponenten aus Magnesium (Motorblock, Sitzgestelle, etc.). Dieser Trend wird sich in Zukunft verstärken.

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Magnesium-Platten werden mit Materialdicken von 5 bis 100 Millimetern angeboten. Sie sind besonders eben, lassen sich gut verarbeiten und weisen gleichbleibende mechanische Eigenschaften auf. Sie finden im Prototypenbau genauso wie in Kühlkörpern Verwendung. Magnesium-Platten werden gewalzt und unter Schutzgas wärmebehandelt.

Unternehmer aus Thüringen und Hessen haben 2008 in Oranienbaum bei Dessau in Sachsen-Anhalt die LMpv (Leichtmetall Produktion & Verarbeitung GmbH) gegründet. Sie verstehen sich als Initiatoren eines Wachstumskerns für neue, ultraleichte metallische Werkstoffe auf Basis von Magnesium sowie dem konstruktiven Leichtbau auf Basis von Metall-Schäumen. Die industrielle Pro-duktionsstätte führt externes Wissen von Instituten und Universitäten mit unter-nehmerischem Denken und Handeln zusammen. LMpv beschäftigt sich mit dem

Abb. 36: Die Technische Universität Bergakademie Freiberg erforscht als „Ressourcenuniversität“ weitere

Potenziale für Magnesium als Leichtbaumaterial

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Walzen von Magnesium zu Blech und Platten, mit neuen Schmiede- und Schweißverfahren und mit mechanischen Prozessen und Fügetechniken. Ein optimiertes Bandguss-Verfahren wird entwickelt, in dem Magnesium-Knetlegierungen mit feinstem Gefüge erzeugt werden können, wie es für die Weiterverarbeitung bei der Umformung benötigt wird. Ein besonderes Augen-merk liegt auf der Verwertung der metallischen Produktionsrückläufe. Ein 100-prozentiger Stoffnutzungskreislauf wird angestrebt.

Magnesium-Werkstoffe werden vor allem als Legierungsbestandteil für die Aluminiumindustrie ver-wendet. Das zweitgrößte Marktpo-tenzial für Magnesium sind Druck-gussbauteile, die in unterschiedli-chen Anwendungsgebieten einge-setzt werden. Magnesium-Bleche, Magnesium-Platten und Magnesi-um-Blöcke zählen zu den Knetpro-dukten.

Es gibt nicht viele Produzenten für Magnesium-Walzprodukte, das Verfahren ist recht kostenintensiv. Da Magnesium eine geringe Wär-

mekapazität und eine hohe Wärmeleitfähigkeit besitzt, muss das Walzgut im-mer wieder auf Temperaturen über 250 Grad Celsius aufgewärmt werden, damit man es umformen kann. Durch die Herstellung von Walzvormaterialien, die endkonturnah sind, ist es jedoch gelungen den Walzaufwand zu reduzieren und Magnesium-Platten und –Bleche wettbewerbsfähiger zu machen. Magnesium-Bleche können bereits bei Raumtemperaturen moderate Tiefziehstufen und Radien verkraften. Für höhere Umformgrade sollten temperierte Bleche und Werkzeuge eingesetzt werden. Neuartige Umformverfahren eignen sich für geringe Stückzahlen, zum Beispiel das Hydroforming oder auch das superplas-tische Umformen. Beim Fügen gibt es sowohl thermische als auch mechanische Verfahren.

Magnesium (Mg) Vorteile: • als Rohstoff hoch verfügbar • gut zu verarbeiten • hoher Energieeinsatz zum Umfor-men • kann Stahl vor Korrosion schützen (Opferanode) • leichter als Aluminium Nachteile: • hohe Wärmeleitfähigkeit www.tu-freiberg.de/ze/ magnesium/werkstoff.html

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Konstruktionen ausschließlich auf Basis von Magnesium-Blechen werden wohl Zukunftsmusik bleiben. Jedoch hat Magnesium im Rahmen eines intelli-genten Materialmix seine Berechtigung gefunden. Der Automobilbau macht es vor: Bewegliche Blechkonstruktionen wie Tankklappen, Motorhauben, Cabrio-systeme oder Versteifungselemente zur Kräfteabsorption wie Stoßfänger, B-Säulen oder auch massereduzierende Elemente in Dachkonstruktionen von Fahrzeugen werden aus Magnesium gefertigt. Der Einsatz von Magnesium-Blechen kann also vielfältig sein und ist nicht nur auf die Gewichtsreduzierung beschränkt. Die Zusammenarbeit von Konstrukteuren und Werkstofftechnikern bringt immer wieder neue ideenreiche Anwendungsfälle zutage.

Magnesium ist auch zur Verwendung in Metallmatrix-Verbundwerkstoffen geeignet. Dabei wird eine Magnesiumlegierung mit keramischen Partikeln wie Siliciumcarbid, Kohlenstofffasern oder Schäumen verstärkt. Einsatzbereiche für diese innovativen Magnesium-MMC-Werkstoffe werden in den Schlüsselbran-chen Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, Sicherheitstechnik und im allge-meinen Maschinenbau gesehen.

In Zusammenarbeit mit dem GKSS Forschungszentrum Geesthacht analy-siert die LMpv die Optimierung der mechanischen Eigenschaften (Festigkeit, Hitzebeständigkeit, Gewicht) von Magnesium-Walzprodukten durch MMC-Partikel. Ziel ist die Entwicklung eines neuen Magnesiummatrix-Verbundwerkstoffs (Mg-MMC) und eines innovativen Fertigungsverfahrens dafür. Erste Anwendungen werden in der deutschen Luftfahrtindustrie gesehen.

Magnesium spielt auch eine zentrale Rolle bei der Herstellung eines neuen Stahls, der wesentlich korrosionsbeständiger ist. Dass Metalle in Salzwasser oxidieren beziehungsweise rosten, ist allgemein bekannt. Wenn zwei Metalle im Meerwasser in Kontakt geraten, entsteht eine galvanische Zelle, in der Elekt-ronen von einem Metall auf das andere übergehen. Magnesium ist dazu geeig-net, Elektronen an das andere Metall abzugeben und so dessen Oxidation zu verlangsamen. Magnesium schlüpft damit in die Rolle einer Opferanode und rostet dafür umso schneller. Ein Prinzip, das schon seit Jahrzehnten bei Trink-wasserspeichern angewandt wird.

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ArcelorMittal hat auf diesem Prinzip einen neuartigen Stahl entwickelt, der mit mikrometerkleinen Zink- und Magnesiumpartikeln beschichtet ist, wodurch sich die Korrosionsbeständigkeit beträchtlich erhöht. Im Vakuumplasmaverfah-ren werden Bleche mit winzigen Teilchen im Nanometerbereich beschichtet, wodurch neue Produkte mit innovativen Eigenschaften entstehen. Die Zink-Magnesium-Beschichtung bildet einen neuen Meilenstein im Korrosionsschutz. Ein verzinkter, im Vakuum mit Magnesium plasmabeschichteter Stahl dürfte nicht nur in der Automobilindustrie das Potenzial für eine deutliche Reduzie-rung der Produktionskosten bewirken.

Leichtbau mit Zentallium

Ein weiteres Material der Zu-kunft im Schiffbau könnte Zentalli-um werden: Es handelt sich dabei um einen äußerst leistungsfähigen Verbundwerkstoff, der pulverme-tallurgische hergestellt wird. Er besteht aus mechanisch legierten Aluminium-Basiswerkstoffen, die mit einer Struktur aus „Kohlen-stoff-Nanoröhrchen“ (Carbon Na-notubes; CNTs) verstärkt werden.

CNTs stellen neben den Dia-manten die inzwischen populärste Kohlenstoffmodifikation dar. Sie wurde im Jahr 1990 entdeckt und wurde für ihre enormen mechani-schen Festigkeiten bekannt. Vor

allem die Zugfestigkeit ist sehr hoch, beispielsweise 32-Mal höher als bei Stahl. Seit Jahrzenten versucht man, diese attraktiven mechanischen Eigenschaften in Verbundwerkstoffen zu nutzen, insbesondere seitdem CNTs großtechnisch und zu einem günstigen Preis hergestellt werden können. Allerdings ist bislang das Problem ungelöst, eine tragende Matrix-Struktur aus CNTs zu bilden. Sie muss in der Lage sein, Kräfte aufzunehmen und lokale Spannungen zu übertragen.

Zentallium Vorteile: • noch leichter als Aluminium • hohe Formbarkeit in der Produkti-onsphase • hohe Festigkeit • hält 240 Grad Celsius aus • extreme Zugfestigkeit • preislich einer Titanium-Legierung weit überlegen Nachteile: • hoher Energieeintrag • verfahrenstechnisch noch am An-fang www.zoz-group.de

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Durch laufendes Dispergieren, Aufbrechen und Kaltverschweißen entsteht ein nanostrukturiertes Gefüge mit Korngrößen weit unter 100 Nanometer, in das CNT-Agglomerate eingebettet werden. Die Hauptfunktion der Kohlenstoff-Nanoröhrchen besteht darin, die Kornfeinung der Aluminiumlegierung zu erhal-ten. Zentallium übertrifft Festigkeiten von Edelstählen und erreicht das Niveau von Baustählen (700 bis 1000MPa). Dieses Legierungssystem muss verfahrens-technisch noch weiter entwickelt werden. Preise von maximal der Hälfte kon-ventioneller Titan-Legierungen scheinen darstellbar.

Beton als ungewöhnliches Baumaterial

Der Reggae-Sänger Bob Marley beschrieb Anfang der 70er Jahre in seinem Erfolgstitel “Concrete Jungle” das Dickicht der Beton-hochhäuser in den Großstädten. Obwohl keine Ketten an den Füßen hingen, sei man nicht frei, sang der Jamaikaner in e-Moll. Beton war der beliebteste Baustoff der 60er und 70er Jahre. Innerhalb kürzester Zeit wurden Hochhäuser aus Beton hochgezogen. Den Baustil nennt man Brutalismus, weil Rohbeton im Französischen Béton brut heißt. Erst in den 90er Jahren begann die Neue Sensibilität in der Architek-tur, die wieder mehr Transparenz und Phantasie zuließ.

Erst zu Beginn des 21. Jahrhun-derts wurde auch der Beton freundlicher. Dem Ungarn Aron Losonczi gelang es durch das Verarbeiten optischer Fasern, transluzente, lichtdurchlässige Beton-elemente herzustellen. Er erhielt dafür 2005 den red.dot Award für Designquali-tät. Selbst bei Betonwänden von 20 Zentimetern Dicke sind noch Farben, Licht

Beton Vorteile: • extrem hohe Festigkeit • gute Schwingungsdämpfung • unempfindlich gegen Temperatur-schwankungen • im Verbund mit Textilfasern bei hoher Festigkeit sehr leicht Nachteile: • hohes Gewicht • unsicheres Langzeitverhalten • ohne Verstärkungselemente nur geringe Zugfestigkeit • lange Aushärtedauer • weiterer Forschungsbedarf für ma-ritime Anwendbarkeit www.betonboot.de

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und Schatten zu sehen. So erscheint der alte, schwer anmutende Werkstoff in ganz neuem Licht.

Zementgebundener Beton existiert seit rund 150 Jahren. Beton besitzt eine hohe Druckfestigkeit, zum Teil von mehr als 150 Newton pro Quadratmillime-ter. Seine Zugfestigkeit beträgt jedoch nur etwa zehn Prozent der Druckfestig-keit. Will man Beton effektiv auch für Zugbeanspruchung einsetzten, benötigt man zusätzliche Bewehrung, die Zugkräfte aufnehmen kann. Dafür wurde vor allem Stahl eingesetzt. Damit der Stahl im Beton vor Rost geschützt bleibt, bedarf es einer ausreichenden Betonüberdeckung. Sie liegt üblicherweise zwi-schen 2,5 und 5 cm. Dadurch ergibt sich eine Zunahme von Dicke und Masse des Bauteiles

Ein Kubikmeter Beton wiegt zwischen 2.000 und 2.500 Kilogramm. Selbst Ultraleichtbeton wiegt noch 400 bis 800 Kilogramm pro Kubikmeter. Ver-mischt man Zement, Sand, Kies und Wasser in der richtigen Mischung mitei-nander, so bilden sich beim Austrocknen Kristallnadeln von den Klinkerbe-standteilen des Zements, die sich fest ineinander verzahnen. Das ist das Ge-heimnis für die Festigkeit von Beton. Zusammen mit Betonstahl oder Spann-stahl kann Stahlbeton bzw. Spannbeton hergestellt werden. Mit dem Zusatz von Fasern (Stahl, Kunststoff oder Glas) kann Faserbeton bzw. Stahlfaserbeton her-gestellt werden.

So ungewöhnlich der Gedanke klingen mag, Schiffe aus Beton zu bauen, so sehr kam diese Technologie schon Ende des 19. Jahrhunderts in Mode. Der Werkstoff erzielte jedoch keinen Durchbruch. Aus Stahlbeton fertigte Joseph-Louis Lambot 1848 einen Prototyp an, der 1855 in ein Exponat auf der Welt-ausstellung in Paris mündete: das erste Stahlbetonboot der Welt. Wenige Jahre später wurde die Idee für die Kanalschifffahrt in den Niederlanden übernom-men. Zur gleichen Zeit begann Carlo Gabellini in Italien mit dem Bau kleinerer Schiffe aus Stahlbeton und nannte sein bekanntestes Schiff Liguria, nach dem Landstrich an der italienischen Riviera. Ein halbes Jahrhundert später, während des ersten Weltkrieges, besann man sich wegen Stahlknappheit auf verschiede-ne Betonbauweisen.

Im Schifffahrtsmuseum der Hansestadt Rostock steht heute ein 40,5 Meter langes und 7 Meter breites Betonschiff mit einer Verdrängung von 627 Tonnen.

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Es handelt sich um stahlbewehrten Leichtbeton in Schalenbauweise mit einer Wandstärke von 80 Millimetern aus dem Jahre 1943/44. Das Betonschiff Capel-la gehört zu einer Serie von mehr als 50 Frachtmotorschiffen, die während des Zweiten Weltkrieges für die "Transportflotte Speer" gebaut wurden. Der Rumpf wurde in Schalenbauweise erstellt und danach durch Fluten der Baugrube um-gedreht.

Im Oktober 2009 präsentierte das Betonboot-Team der Technischen Univer-sität Dresden ein Schiff aus Textilbeton und wurde bei der Deutschen Betonka-nu-Regatta in Essen zum zweiten Mal in Folge leichtestes Kanu. Der sogenann-te “entSpannRing” ist ein einzigartiges Wasserfahrzeug aus neuartigem, textil-bewehrtem Hochleistungswerkstoff Textilbeton entworfen und hergestellt von Studenten der TU. Das Material erlaubt besonders leichten und filigranen Be-tonbau. Textilbeton ist nur wenige Millimeter dick, wird dafür aber sehr fest.

Abb. 37: Betonboot-Team Technische Universität Dresden mit einem Wasserfahrzeug aus textilbewehrtem Beton

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Seit den 70er Jahren werden kurze alkalibeständige Glasfasern zur Verstär-kung von Beton beigemischt (drei bis fünf Volumenprozent). Gegenüber Stahl-bewehrungen haben Glasfasern den Vorteil, dass sie nicht korrosionsanfällig sind. Auf Deckschichten wie beim Stahlbeton kann verzichtet werden. Die Bau-teile können also wesentlich schlanker und leichter werden und sind daher für den modernen Schiffbau durchaus eine mögliche Alternative. Gemeinsame Forschung der beiden Textilinstitute von TU Dresden und RWTH Aachen mündete in die Weiterentwicklung von Glasfilamentgarnen zu textilen Flächen-gebilden. Textilbeton kann Biege- und/oder Zugbeanspruchungen sehr gut auf-nehmen. In Bereichen größerer Beanspruchung kann die Dichte der Gewirke einfach erhöht werden. Textilbewehrte Betone sind sehr zäh. Wenn Risse auf-treten, so entstehen viele kleine statt wenige große. Wenn Textilbeton-Bauteile versagen, kündigt sich dies durch deutliche Verformungen an, statt plötzlich aufzutreten. Gemeinsam mit dem Institut für Textil- und Bekleidungstechnik der TU Dresden und dem Sächsischen Textilforschungsinstitut Chemnitz e.V. wurden die AR-Glasfaser- und Kohlefasergewirke für die dünnwandigen Boote hergestellt.

In den mehr als vier Meter langen Betonkanus mit Wandstärken von nur zwei bis 5 Millimetern stellten die Dresdner Bauingenieursstudenten bereits die extreme Leistungsfähigkeit dieses neuen Verbundbaustoffes unter Beweis. Durch Anwendung von Leichtzuschlägen (geblähte Glaskugeln bis ein Millime-ter Durchmesser) anstelle von Sand konnte das Gewicht des Kanus auf 26 Kilo-gramm gesenkt werden. Die Boote wurden mit dem Konstruktionspreis des Deutschen Betonvereins e.V. Wiesbaden ausgezeichnet.

Textilbewehrter Beton ist nach Auffassung von Rainer Hempel, Inhaber des Lehrstuhls für Baustoffe an der Fakultät Bauingenieurwesen der Technischen Universität Dresden, ein innovativer Baustoff mit Zukunft. Anspruchsvollere Einsatzbereiche in der maritimen Industrie bedürfen freilich noch weiterer um-fangreicher Untersuchungen.

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Einsatz von Faserverbundwerkstoffen für den Leichtbau

Seit wenigen Jahren sind im Schiffbau neue Leichtbaumateria-lien im Einsatz. Erste Anwendun-gen zeigen, dass durch faserver-stärkte Verbundstoffe anstelle des traditionellen Stahls eine Gewichts-reduzierung um rund die Hälfte möglich ist. Leichtbaumaterialien überzeugen nicht nur durch ihr Gewicht, sondern auch zum Bei-spiel durch ihre Rostfreiheit. Euro-päische Anlagenbauer erforschen innerhalb des Sechsten Rahmen-programms der Europäischen Kommission (FP6) Materialien, die den ökologischen Fußabdruck der Seefahrt verringern helfen. Auf dem EU-Gipfel in Lissabon hatten sich die Regierungschefs bereits im März 2000 darauf verständigt, ge-meinsame europäische Forschungs-arbeit im Rahmen einer „European Research Area“ zu leisten. Daraus entstanden Fördermaßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung des Seeverkehrs. Immer wenn das Ge-wicht kleiner und die mechanische

Belastbarkeit dennoch hoch sein soll, wird die Verwendung von glasfaser- oder kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen sinnvoll. Sie sind noch einmal 25 Pro-zent leichter als Aluminium und sogar 50 Prozent leichter als Stahlkonstruktio-nen mit der gleichen Leistungsfähigkeit. Ein Nachteil gängiger Leichtbaumate-rialien ist ihr geringerer Feuerwiderstand im Vergleich zu Metallen. Daher sind neue Brandschutzkonzepte erforderlich. Die International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS) lässt nicht-metallische Baumaterialien nur zu,

Faserverbundwerkstoffe (FVW) Verbundwerkstoffe werden aus zwei oder mehr Materialien hergestellt und besitzen in der Regel bessere Werkstoffeigenschaften als ihre ein-zelnen Komponenten. Vorteile: • geringe Wärmeausdehnung • Korrosionsbeständigkeit • stufenweises Versagen • hohe Schwingfestigkeit • günstiges Schlagverhalten Nachteile: • hoher Energieaufwand für das Er-stellen einer Kunststoffmatrix • erhöhtes Risiko des Versagens bei zweckferner Nutzung • teilweise Ummantelung zum Schutz vor Feuchtigkeit nötig • duroplastische Kunststoffe sind nicht schmelzbar und erzeugen beim Verbrennen giftige Gase www.verbundwerkstoffe.net

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wenn sie „brandeinschränkend" sind. Dazu ist ein Großbrandversuch nach ISO 9705 mit strengen Anforderungen an Wärmeabgabe und Rauchentwicklung Voraussetzung. Unter dem Namen LASS (Lightweight construction of a cruise wessel) wurden nicht nur neue Wege für den Leichtbau von Kreuzfahrtschiffen gesucht, sondern es sollte auch der Beweis erbracht werden, dass zertifizierte brandsichere Konstruktionen aus Kompositmaterialien für Decks und Schotts mit 60 min Feuerwiderstand möglich sind. So wurden Schnellboot mit Faser-verstärkten Polymer Kompositen oder eine Sandwich-Konstruktion aus zwei Faserverstärkten Polymerlaminaten um einen leichten Kern aus PVC-Schaum oder Balsa-Holz für den Einsatz zertifiziert.

Natürlich besitzt keines der alternativen Materialien die gleiche hohe Festig-keit wie Stahl, so dass Leichtbau nicht nur eine Frage des Materials sondern auch des Konstruktionsdesigns ist. Deshalb muss jede konstruktive Aufgaben-stellung gründlich und individuell analysiert werden. Das Stuttgarter Institut für Flugzeugbau unter der Leitung von Klaus Drechsler will den Leichtbau für Au-tos und Schiffe vorantreiben. Ziel eines interdisziplinären Forschungs- und Trainings-Projekts über Faserverbundwerkstoffe ist die europaweite Vernetzung mit neun europäischen Partneruniversitäten zum Stand der Wissenschaft. Dabei kommt eine fast fünf Meter hohe Flechtmaschine des neuen Textiltechnikums aus Stuttgart zum Einsatz. Faserverbundwerkstoffe sind im Flugzeugbau schon seit langem etabliert – der neue Airbus A 380 besteht zu 35 Prozent daraus. Bei Autos, Zügen und Schiffen stehen einem serienmäßigen Einsatz noch hohe Kosten, aufwändige Fertigung und oft mangelndes Know-how der Konstrukteu-re und Entwickler entgegen. Bauweisen und Konstruktionsplanungen müssen an die neuen Werkstoffe und Strukturen angepasst werden. Deshalb sollen be-stehende Techniken verfeinert und das gesammelte Wissen europaweit weiter gegeben werden.

2013 wird die Universität Augsburg im Innovationspark auf dem Campus das neue Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie in Betrieb nehmen. Die Fraunhofer-Projektgruppe „Funktionsintegrierter Leichtbau" und das „Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie" des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) tragen das Projekt, das der Freistaat Bayern mit 26 Millionen Euro fördert. In Augsburg sollen innovative Faserverbundwerkstoffe für Ma-schinen, Flugzeuge und Schiffe entstehen.

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Im Automobilbau werden z.B. Kofferraumklappen, Seitenwände und Dächer teilweise bereits im Leichtbau gefertigt. Bei den neuen Elektrofahrzeugen sorgt das hohe Gewicht der Batterien für neue Herausforderungen an den Leichtbau. Die BMW Group hat deshalb im Juli 2010 angekündigt, erstmals eine kom-plette Karosserie aus Karbon zu fertigen. Sie soll im innovativen Leuchtturm-projekt "Megacity Vehicle" 2013 zum Einsatz kommen, das ab 2013 im Leipzi-ger BMW Werk gefertigt wird. Das Fahrzeug-Chassis besteht dann aus Alumi-nium. Die US-Firma SGL Carbon liefert dazu extrem leichte Karbon-Fasern, die im BMW Werk Wackersdorf bei Regensburg zu Matten verknüpft werden. Die Investitionen in die ultraleichte CFK-Karosserie betragen 60 Millionen Euro.

Aus der Luft- und Raumfahrt ist der Leichtbau nicht mehr wegzudenken. Im Flugzeugbau werden bereits heute 25 bis 45 Prozent des Strukturgewichts aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen (CFK) hergestellt. Bei der Produktion von Rotorblättern für Windenergieanlagen werden im großen Stil glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) eingesetzt, die gleichzeitig die Anlage vor einem Blitzein-schlag schützen. An bestimmten Stellen wird bei diesen Anlagen auch das ro-bustere Material CFK eingesetzt.

Materialforscher und Experten aus der Praxis raten immer wieder dazu, sich bei der Optimierung von Produkten und Bauteilen gedanklich vom "Black-Metal-Design" zu verabschieden. Es reiche nicht aus, ein vorhandenes Design einfach statt Metall in Faserverbund zu realisieren. Dann würde man viele Vor-teile, die sich gerade durch die freie Formgebung mit Faserverbundmaterialen ergeben, ungenutzt lassen. Neue Materialien bedeuten damit auch neue De-signchancen. Faserverbundwerkstoffe kann man in folgende Gruppen einteilen:

• Metallmatrix-Verbunde (MMC) (z.B. borfaserverstärktes Aluminium) • Stahlbeton, Faserbeton, Stahlfaserbeton • Faserzement (z.B. Eternit) • faserverstärktes Glas • kohlefaserverstärktes Siliciumcarbid (Hochleistungsbremsscheiben) • Faser-Keramik-Verbunde (Ceramic Matrix Composites (CMC)) • eigenverstärkte Thermoplaste (Kunststofffasern in Kunststoffmatrix) • Faser-Kunststoff-Verbunde

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Anwendungsbeispiele Materialeigenschaften

Komplette Rümpfe, Holmkonstruk-tionen und Tragflächen/Leitwerke (z.B. im Motor- und Segelflug-zeugbau, Ultraleichtflugzeuge), Sekundärstrukturen (Fußboden und Wandverkleidungen) sowie Teile der Primärstruktur (Leitwerk) bei Verkehrsflugzeugen (Airbus), Hubschrauberzellen, Rotorblätter, Propeller, Tanks.

Geringes Gewicht, ausgezeichnete statische und dynamische Festig-keit, sehr gute Ermüdungsbestän-digkeit, integrierte Bauweise, Ein-sparungen bei der Montage auf-grund weniger Bauteile, korrosi-onsbeständig.

Antennenkomponenten, Satelli-tenstrukturen, Druckbehälter, Pa-rabolspiegel, Hohlleiter, Gestelle für optische Geräte und Messap-paraturen.

Geringes Gewicht, Wärmedehnung durch ausgewählte Verstärkung bis Null einstellbar.

Modellbau, Boots- und Surfbrett-bau, Skier, Schläger aller Art, Angelruten.

Geringes Gewicht, kostengünstige Fertigung, gute Anpassung an schnelllebige Produkte.

Großflächige Karosserieteile, Kar-danwellen, Blatt- und Spiralfedern, Drehstäbe, Stoßfänger, Chassis-rahmen, Versteifungselemente, Zwischenwände und Verkleidun-gen bei Eisenbahnwaggons, LKW-Aufbauten.

Kraftstoffeinsparung durch beson-ders niedriges Gewicht, gute Dämpfungseigenschaften, korrosi-onsbeständig.

Windenergieanlagen-Flügel,Wind-kanalgebläse, Gasleitsysteme.

Dynamisch hoch belastbar, lange Lebensdauer, korrosionsbeständig.

Schnell bewegte Teile in Verpa-ckungs-, Druck-, Strick- und Webmaschinen, Behälter, Rohr-leitungssysteme, Rührwerke, Pumpenelemente- und Gehäuse.

Geringe Massenträgheit, hohe Schwingfestigkeit, Wartungsarmut, sehr gute chemische Beständigkeit, einfache, anforderungsgerechte Gestaltung.

Abb. 38: Einsatzgebiete für Faserverbundwerkstoffe

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Fasern nach dem Vorbild der Natur, mit feinsten Mikrostrukturen, sind für den Leichtbau hervorragend geeignet. Dabei gilt: Ein Werkstoff in Faserform hat eine vielfach größere Festigkeit als das gleiche Material in anderer Form. Je dünner die Faser, umso größer ist ihre Festigkeit. Ein Verbundwerkstoff kann als Ganzes Spannungen aufnehmen, die die schwächere Komponente zerbre-chen würde, und selbst die stärkere Komponente bringt einen höheren Anteil ihrer theoretischen Festigkeit zum Tragen als wenn sie alleine belastet würde.

Polymere Faserverbundwerkstoffe bestehen z.B. aus Kunststoffen und besit-zen gegenüber konventionellen Strukturwerkstoffen wie Aluminium teilweise erhebliche Leistungsvorteile. Neben der Korrosion sind dies die relative Stei-figkeit und die Elastizität. Polymere kann man in drei Gruppen einteilen:

• Duroplaste sind härtbare Kunststoffe, die nicht erneut plastisch ge-formt werden können. Duroplaste sind unlöslich, unschmelzbar und nicht schweißbar. Bei hohen Temperaturen verkohlen sie (Epoxyd-harze Polyesterharze Polyurethanharze Vinylesterharze etc.).

• Thermoplaste werden in der Wärme plastisch und lassen sich wie-derholt verformen. Reste sind durch Einschmelzen wiederverwend-bar. Viele Thermoplaste sind in organischen Lösemitteln löslich. Ver-bindung untereinander durch Schweißen bzw. "kaltes Schweißen" mit Lösemitteln (ABS Polystyrol PVC Polyethylen etc.).

• Elastomere sind gummiartig elastische Werkstoffe. Unter Spannung dehnt sich der Werkstoff. Nach Wegnahme der Kraft bildet sich die Verformung fast vollständig zurück. Elastomere sind hitzefest bis zum Verkohlen und durch Wärme nicht schweißbar. Verbindung un-tereinander durch Vulkanisieren (Silikonkautschuk Gummi etc.).

Faser-Kunststoff-Verbunde gibt es in folgenden Ausprägungen:

• Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) • Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) • Aramidfaserverstärkter Kunststoff (AFK) • Naturfaserverstärkter Kunststoff (NFK) • Wood-Plastic-Composites (WPC)

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Auf diese fünf Arten an Faser-Kunststoff-Verbunden soll im Folgenden aus-führlicher eingegangen werden, da sie das größte Potenzial für alternative Leichtbau-Anwendungen im Schiffbau besitzen.

Glasfaserverstärkter Kunststoff wird seit Jahrzehnten bereits im Yachtbau eingesetzt. Die Antriebs-feder für den Leichtbau-Trend war dort zunächst nicht der ökologische Aspekt der Verbrauchsreduzierung, sondern der Kundenwunsch nach mehr Dynamik für die Sportboote. Die GFK-Verbindung aus Glasfa-sern und Kunststoff wie Polyester-harz oder Polyamid besitzt große Haltbarkeit. Sie sind nicht nur leicht und stabil, sondern auch pflegeleicht erlauben minimale Wandstärken. GFK hat geholfen, die Preise für Yachten deutlich zu senken, und wird heute zunehmend auch für Schiffstüren, Kästen (Bat-terien, Rettungsringe, Schläuche) oder Außenverkleidungen verwen-det. Es wurden bereits Spezialschif-fe konzipiert, die ihren Kraftstoff-verbrauch unter Verwendung von GFK-Platten halbieren können.

Unter dem Titel „Geklebte Kunststoff-Fähre“ meldeten die VDI Nachrichten im März 2009 einen Erfolg der Lübecker Baltec Werft im Umgang mit GFK. Statt Stahl oder Aluminium zu verschweißen, kleben die Bootsbauer zwischen Lübeck und Travemünde schon seit 2005 federleichte Sandwichplatten aus glasfaserverstärkten Kunststoffen zu Arbeitsschiffen zusammen. Die verwende-ten Platten sind rund zweieinhalb Meter breit und einen Meter hoch. Die Dicke der Platten beträft 25 Millimeter. Die Polypropylenwaben bestehen aus glasfa-serverstärktem Kunststoff und legen den Grundstein für eine neue Generation

Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) Vorteile: • sehr leicht • bei minimalen Wandstärken bereits stabil • kostengünstig in Großserien zu pro-duzieren • perfekte Oberflächen an und unter Deck, freie Formgebung • pflegeleicht Nachteile: • Material sehr spröde • durch feine Risse nach Alterung und Überlastung kann Wasser ein-dringen, ausgespülte Härter lassen das Material weich werden • evtl. geringere Rumpfsteifigkeit • eingeschränkte Kollisionsfestigkeit • kein Recyclingkonzept www.gfk-cfk.de

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extrem leichter, energieeffizienter Schiffe. Matten, Vliese und Waben werden acht Stunden lang bei 90 Grad zu einer nahezu unverwüstlichen Platte ver-schmolzen. Der gesamte Rumpf wird mit einem Zweikomponentenkleber auf Epoxydharzbasis geklebt. Für den Teil des Rumpfes, der im Wasser liegt, wer-den Sandwiches mit PVC-Schaumkern verwendet, damit der Rumpf auch mit Treibgut und Eisschollen fertig wird. Weil das Kleben viel schneller geht als Schweißen und GFK-Platten weniger Versteifung brauchen, halbiert sich die Bauzeit gegenüber einem Aluschiff. Die Kosten für ein GFK-Schiff sind zwar gleich hoch, aber die Betriebskosten werden halbiert. Das liegt daran, dass ein so gefertigtes Arbeitsboot zur Versorgung von Offshore-Plattformen nur halb so viel wiegt wie ein vergleichbares Aluschiff. „Ein britischer Kunde hat uns vor-gerechnet, dass er das Boot allein durch die Kraftstoffeinsparung finanzieren kann“, erklärt Firmenchef Stefan Schulz. Mit einer Doppelender-Fähre produ-zierte Baltec im Sommer 2009 erstmals auch ein Passagierschiff von 23 Metern Länge für den Verkehr zwischen Hafen und Oper in Kopenhagen. Die Fähre mit 64 Sitz- und 20 Stehplätzen ist bis zu 18 Stunden pro Tag im Einsatz. Gera-de beim ständigen Stop-and-go soll die Leichtbauweise ihre Effizienzvorteile voll ausspielen. Nachdem die Nachweise in punkto Sicherheit und Langzeitsta-bilität der Sandwichbauweise erbracht waren, wurden die neuen GFK-Schiffe zertifiziert. Beim Vergleich eines GFK-Lotsenschiffs mit einem funktionsglei-chen Aluschiff (beide 28 Knoten) weist die GFK-Fähre halbes Gewicht auf. In der Folge reichen ihm zwei Dieselmotoren mit 735 kW, während das Aluschiff 2.010 kW Motorleistung benötigt. Das Baltec-Schiff verbraucht 120 Liter Die-sel pro Betriebsstunde, während die Alu-Version 250 Liter Diesel benötigt.

Die großformatigen Sandwichpaneele von Baltec sind für unterschiedlichste Anwendungen im modularen Leichtbau verwendbar, zum Teil mit selbstverlö-schenden Harzen und Kernen. Es gibt Zusatzbeschichtungen, die zur IMO Zer-tifizierung „schwer entflammbar“ befähigen. So kann auch hochwertiges Decksmobiliar aus Composite-Werkstoffen für den Bau großer Yachten entste-hen.

Als vor vierzig Jahren der Kunststoffboom begann, machte sich jedoch kaum ein Hersteller oder Käufer ernsthaft Gedanken, wie alt ein Schiff aus Kunststoff werden könnte. Zwei Generationen später fällt auf, dass GFK-Yachten immer noch nicht ordentlich recycelt werden können. Wenn die einge-arbeiteten GFK-Versteifungen nicht mehr durchgehend mit dem Rumpf ver-

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bunden sind, ist die Bootsstruktur überlastet, erste feine Risse entstehen. Wasser kann in das Laminat eindringen, dort die Härtemittel ausspülen und das Materi-al weich werden lassen. Nach außen machen sich solche Schäden durch Blasen-bildung am Lack bemerkbar. Hohe Punktbelastungen, wie der Stoß durch einen auf das Deck gefallenen Anker, können zu weiteren Brüchen führen. Die Sum-me vieler Einzelbelastungen, durch Wind, Wellen oder Kollisionen schwächt irgendwann die Struktur so stark, dass das Boot nicht mehr seetüchtig ist. Da beim heutigen Stand der Technik noch kein Recycling für einen Faser-Kunststoff-Verbund möglich ist, kommt GFK auf den Sondermüll. Es kann nur zerkleinert, aber nicht wiederverarbeitet werden.

Ganz anders CFK: Seine Farbe und die glänzende Oberfläche mö-gen der Grund sein, warum viele Ingenieure CFK gerne auch als schwarzes Gold bezeichnen. In der Tat sind Kohlefaserverstärkte Kunststoffe ein wertvolles Materi-al, denn sie bestechen durch einzig-artige Produkteigenschaften: ext-rem leicht, extrem fest und belast-bar, nicht rostend und in vielen erdenklichen Formen und Größen bei gleichbleibender Qualität her-stellbar. Damit ist CFK konventio-nellen Schiffbaumaterialien wie Stahl oder Aluminium weit überle-gen. Die besondere Festigkeit und Steifigkeit wird erreicht, indem die Karbonfasern mit einem Kunststoff

zusammen „gebacken“ werden, zum Beispiel mit Epoxidharz. In weichem Zu-stand in Form gebracht, werden die zwei Stoffe in einem so genannten Auto-klaven ausgehärtet, man kann sich das als überdimensionalen Backofen vorstel-len. Ein Autoklav arbeitet mit hohem Druck, so dass Kunststoff und Fasern untrennbar zusammengepresst werden. Gleichzeitig erreicht er Temperaturen bis zu 400 Grad, was das Gemisch aushärtet. Andere Verfahren sind derzeit ebenfalls in Entwicklung.

Kohlefaserverstärkter Kunststoff (CFK) Vorteile: • hohe Steifigkeit und Festigkeit und • Korrosionsbeständigkeit • Ermüdungsfestigkeit • leichte Montage und Demontage • wirkt schwingungsdämpfend Nachteile: • beschädigte Teile müssen komplett ersetzt werden • ein vielfaches teurer als Aluminium • reduzierte elektrische Leitfähigkeit • unkontrolliertes Zersplittern bei einem Unfall www.cfk-valley.com

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Bauteile aus CFK werden überall dort gebraucht, wo bei minimalem Ge-wicht maximale Härte und Verwindungsfestigkeit gefragt ist: beispielsweise Fahrräder oder Teile davon, Tennisschläger, Helme und auch die „Überlebens-zelle“ von Formel-1-Autos. Die Herstellungskosten für CFK-Bauteile sind al-lerdings noch sehr hoch, da es kaum automatisierte Prozesse gibt. Durch die verstärkte Verwendung des Materials für die verschiedensten Verkehrsmittel wird eine industrielle Serienfertigung angestoßen, mit der die Preise deutlich fallen dürften. Selbst in Segelschiffen mit GFK-Material finden sich bereits CFK-Verstärkungen insbesondere am Kabinenhaubenausschnitt.

Ein wichtiges Prinzip im Leichtbau ist die Sandwichbauweise. Dabei wird zum Beispiel Hartschaum auf beiden Seiten mit einer Deckschicht aus Kohlefa-ser ummantelt. Der Hartschaum im Kern des Sandwich fängt die einwirkenden Schubkräfte ab, die Deckschichten übernehmen die auftretenden Zug- und Druckkräfte. Diese Schichten müssen fest miteinander verbunden sein, nur dann funktioniert das Prinzip.

Die dänische Tuco Marine Group in Faaborg hat sich seit einigen Jahren auf technisch fortgeschrittene Materialien beim Schiffbau und insbesondere bei der Produktion von Verbundstrukturen auch für die Offshore-Industrie spezialisiert. Tuco Marine hat sich dadurch eine gute Marktposition als Hersteller von Leichtbaumaterialien wie CFK erarbeitet. Tuco stellt heute Passagagierfähren aus CFK her, die erhebliche Einsparungen an Kraftstoff und CO2-Emissionen verzeichnen. Ein Vorzeigeprojekt der Dänen ist der neue Carbon 3 Trimaran. Auf der Projekt-Website www.carbon3.dk gibt es zwar nur Informationen auf Dänisch, aber die Überschrift „Danmarks hurtigste Trimaran“ spricht für sich. Der 12 Meter lange und 9,8 Meter breite Trimaran im Design von Nigel Irens wiegt nur 1.500 Kilogramm und besteht zu 100 Prozent aus CFK.

Jetzt trat Tuco Marine dem Innovationsnetzwerk ”Extreme Materials for Extreme Environments – Materials for the Future” (Extreme Werkstoffe für extreme Umgebungen – Materialien für die Zukunft) bei, wo in einem Konsor-tium namhafter Firmen aus unterschiedlichen Branchen bestehendes Know-how zum Leichtbau ausgetauscht und neue gemeinsame Materialforschung betrieben wird. Unter Beteiligung des Danish Technological Institute soll eine völlig neue Generation von Materialien entstehen, die in ihren Leistungsdaten heutigen Werkstoffen bei Hitze oder hohen mechanischen Belastungen überlegen sein

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soll. Damit sollen Satelliten, Raumsonden, Helikopter, Personenwagen, Offsho-re-Anlagen, Windradschaufeln und Schnellboote gebaut werden.

Ein anderer Kunststoff-Faser-Verbund kam Ender der 70er Jahre in der Gondel des 113 Stundenkilometer schnellen Prallluftschiffs „SkyShip 500“ vom britischen Hersteller Airship zum Einsatz: Aramidfaserverstärkter Kunststoff. Die einfache robuste Konstruktion mit AFK erleichterte nicht nur die Fertigung, sondern erlaubte auch Flexibilität in der Gestaltung und erforderte nur wenig Wartung. 14 Aramidseile hielten die Gondel am Luftschiff.

Die goldgelben organischen Fasern von Aramid (als Tevlar® des US-Chemiekonzerns DuPont bzw als Twaron® des dänischen Herstellers Teijin bekannt) finden sich heute in Kabeln, Schläuchen, Reifen, Dich-tungen, Hochdruckbehäl-tern und überall dort, wo Hitzeschutz wichtig ist. AFK ist wesentlicher Be-standteil kugelsicherer Westen und wird auch in Sicherheitscockpits von Formel-1 Fahrzeugen ver-baut. Im Leichtbau wird Aramid bei Verkleidungen und Bugverstärkungen der Luftfahrt eingesetzt.

Im Vergleich zu GFK und CFK ist die Dichte von AFK deutlich niedriger (1,44 g/cm" im Vergleich zu 1,78 g/cm" bei Kohlefaser und 2,55 g/cm" bei Glas-fasern). Bei gleichem Gewicht erreicht man so mit Aramidfaserverstärktem Kunststoff eine größere Wandstärke.

Im Schiffbau wird Aramidfasergewebe unter anderem wegen seines niedri-gen Gewichts für Segel von Sportbooten oder den Rumpf von Segel- und Mo-torbooten verwendet. Auch Tauwerk aus AFK wird für Segelboote gefertigt. Da das ansonsten robuste Material empfindlich für Feuchtigkeit durch UV-Licht

Abb. 39: Aramidfasern

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ist, wird es für ein Tau extra mit Polyester ummantelt. Ein Rumpf, der starken Belastungen ausgesetzt ist, wird durch Aramid mit CFK-Verstärkungen schlag-fester und kann bei kleineren Schäden schneller und besser repariert werden.

Eine Aramidfaser bricht im Vergleich zur Glasfaser nicht, al-lenfalls leidet die verwendete Harzmatrix im Verbundwerkstoff. Die Materialermüdung ist bei AFK extrem gering. Seine feste Moleku-larstruktur sichert trotz großer Fle-xibilität eine hohe Formstabilität. Der größte Vorteil ist die Zähigkeit des Materials und die damit ver-bundene hohe Energieaufnahme bei einem Aufprall. Ideal wirkt AFK zusammen mit CFK in einem Hyb-ridgewebe, bei dem abwechselnd Kohlefaser-Fäden und Aramidfä-

den miteinander verwoben sind. Der Kohleanteil liefert die Festigkeit und Stei-figkeit; die Aramidfasern bewirken eine Knautschzone, indem sie die CFK-Struktur zusammenhalten, wodurch die Kohlefaser nicht wie sonst in der Mitte auseinanderbricht. Neben der hohen Festigkeit und der hohen Energieabsorpti-on sind auch die schall- und vibrationsdämmenden Eigenschaften zu erwähnen. Im Vergleich zu Stahl schneidet AFK hervorragend ab: Bei gleichem Material-gewicht besitzt zum Beispiel das Aramidgewebe Twaron® von Teijin fünf Mal stärkere Zugfestigkeit als Stahl.

Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Äußerlich sind Biokunststoffe praktisch nicht von konventionellen Massen-kunststoffen wie PE, PP oder PS zu unterscheiden. Es gibt herkömmliche sowie faserverstärkte Biokunststoffe. Sie sehen aus wie Kunststoffe und haben ver-gleichbare Gebrauchseigenschaften. Allerdings besitzen sie jedoch aufgrund ihrer chemischen Struktur technische Eigenschaften, die sie von herkömmlichen

Aramidfaserverstärkter Kunststoff (AFK) Vorteile: • leichter als GFK und CFK • flexibel trotz hoher Festigkeit • kann gut repariert werden • hohe Energieabsorption • schall- und vibrationsdämmend Nachteile: • feuchtigkeitsempfindlich • UV-lichtempfindlich www.teijinaramid.com

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Kunststoffen in bestimmten Parametern unterscheiden. Dabei hängt es von den Erfordernissen ab, ob sich diese als vorteilhaft oder als nachteilig erweisen.

Gemeinsam ist den meisten biologisch abbaubaren Typen eine im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen teilweise um Faktoren höhere Wasser-dampfdurchlässigkeit – in bestimmten Anwendungen kann diese besonders vorteilhaft sein. Die Barriere-Eigenschaften von Biokunststoffen lassen sich verbessern, beispielsweise durch Metallisierung (SiOx oder AlOx) oder mehr-schichtigen Aufbau. Dem Vorbild traditioneller Kunststoffe folgend wird mitt-lerweile auch bei Biokunststoffen intensiv compoundiert und per Multilayer-technologie extrudiert.

Aufgrund der Eigenschaftsop-timierung wird es auf längere Sicht oftmals weder möglich noch sinn-voll sein, Biokunststoffprodukte zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Ein mög-lichst hoher Anteil nachwachsender Rohstoffe im Materialmix trägt jedoch den beiden Zielen neben dem Leichtbau auch zur Ressour-censchonung bei und besitzt des-halb ökologische Relevanz. Nicht alle Kunststoffe, die aus nachwach-senden Rohstoffen gefertigt wur-den, sind für die Umwelt vorteil-haft. Biologische Abbaubarkeit oder Recyclingfähigkeit sind ein entscheidendes Kriterium. Alle natürlich vorkommenden, kohlen-stoffbasierten Polymere, z.B. Stär-ke, Zellulose, Lignin und die zu-grunde liegende Monomere, sind biologisch abbaubar, können diese Eigenschaft jedoch nach chemi-

Biokunststoffe Biokunststoffprodukte bestehen lt. Verband European Bioplastics heute im Durchschnitt zu mehr als 50 Pro-zent aus nachwachsenden Rohstoffen (Biomasse, Holz, Faserpflanzen wie Baumwolle, Flachs, Jute, öl-, zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen wie Raps, Rüben, Kartoffeln oder Stroh). Polymere wie PLA der PHA können bereits zu 100 Prozent aus nachwach-senden Rohstoffen hergestellt werden, ähnlich Farben oder Additive. Oft werden synthetische Polymere und Zusatzstoffe gebraucht – wenn auch in kleinen Mengen –, um die funktio-nellen Eigenschaften des fertigen Produktes zu verbessern und die Pa-lette zu erweitern. www.european-bioplastics.org

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scher Modifikation und Polymerisation auch verlieren. Prozesse zur Herstellung von Bio-Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen:

• Fermentation: chemische Reaktion von Glucose, Dextrose oder Sac-charose in einer Massenkultur von Mikroorganismen, typische ther-moplastische Polymere aus fermentativen Prozessen sind PLA, PHA, PHF wie PHB oder PHV

• Compounding: Vermischung von Stärke mit verschiedenen Additi-ven, anschließende Plastifizierung unter Hitze und Druck, wobei Thermoplastische-Stärke-Blends (TPS) entstehen, eigentlicher Stär-keanteil kann stark variieren, liegt im Durchschnitt bei ca. 50%, maß-geschneiderte Produkte für Weiterverarbeitung in der Industrie, Gra-nulat für Folien, Beschichtungen, etc.)

• Extrusion: kurze Prozessketten, Ausgangsstoffe wie Maismehl oder Cellulose, Versatz mit Wasser, Erhitzung und Pressung durch Düsen, flexibles Produkt mit rund 90 Prozent Luftanteilen, gut für Verpa-ckungsmaterialien.

Da die Entwicklung von Biokunststoffen im Vergleich zu Massenkunststof-fen gerade erst richtig beginnt, verfügen sie noch nicht über die gleichen umfas-senden Fähigkeiten wie ihre älteren Vorgänger. Neuerdings gewinnen sie auch in technischen Anwendungen an Bedeutung.

Gegenwärtig ist Stärke der wichtigste Nachwachsende Rohstoff für die Her-stellung von biologisch abbaubaren Werkstoffen (Marktanteil von ca. 80 Pro-zent). Stärke ist gut verfügbar und relativ preiswert. Darüber hinaus werden auch Zellulose, Pflanzenöle, Harze und andere Reststoffe wie z.B. Lignin, Holzmehl, Schäben oder Getreidespelzen eingesetzt.

Experten von European Bioplastics sind der Meinung, dass Biokunststoffe bis zum Jahr 2020 einen Marktanteil von 10 Prozent in Europa erreichen könn-ten, zirka 4 Millionen Tonnen. Noch sind einige Biokunststoffe jedoch um den Faktor 3 bis 4 teurer als herkömmliche Massenkunststoffe und bei vielen poten-ziellen Anwendern bestehen noch Unsicherheiten über technische Eigenschaf-ten und Eignung.

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Als Henry Ford 1941 seinen Soybean Car (Sojabohnen-Auto) der Öffentlichkeit präsentierte, handelte es sich um das erste Fahr-zeug der Welt aus Naturfaserver-stärktem Kunststoff (NFK). 14 Karosserieflächen aus harzgebun-denen Sojafasern senkten das Ge-wicht des Wagens um gut ein Drit-tel von 1,4 auf 0,9 Tonnen. Es hal-ten sich hartnäckige Gerüchte, dass darin auch Hanffasern verarbeitet wurden, Aufzeichnungen sind kei-

ne mehr erhalten. Ab 1957 wurde in der DDR der viel belächelte Trabant im-merhin mehr als drei Millionen Mal gebaut. Die gesamte Karosserie bestand aus Duroplast, phenolharzverstärkten Naturfasern der Baumwolle. Der Wagen wog nur 620 Kilogramm.

Naturfaserverstärkter Kunststoff ist ein Faser-Kunststoff-Verbund aus einem Kunststoff wie Polyesterharz, Epoxidharz oder Polyamid) mit Naturfasern. Da-her gehört NFK zu den Biowerkstoffen. Naturfaserverstärkte Kunststoffe erhal-ten über die eingearbeiteten Fasern eine ungeahnte Stabilität. Im Fahrzeugbau wird NFK vor allem für Verkleidungsbauteile im Fahrzeuginneren verwendet. Massenkunststoffe wie Polypropylen können durch Naturfasern in ihren me-chanischen Eigenschaften deutlich verbessert werden und teilweise sogar hochwertige Kunststoffe ersetzen. Neben den ökologischen Vorteilen sind die technischen und ökonomischen Aspekte erst wenigen Branchen bewusst. Vor allem die deutsche Automobilindustrie greift seit Jahren auf Naturfasern zurück, weil dadurch teure synthetische Kunststoffe mit wesentlich günstigeren Poly-propylen-Naturfaser-Teilen ersetzt werden können. Hinzu kommt der geringe Energieeinsatz bei der Verarbeitung nachwachsender Rohstoffen und die CO2-neutrale Verbrennung am Ende des Produktlebenszyklus. Naturfasern schonen das Werkzeug und verbrauchen bei der Herstellung nur ein Zehntel der Energie, die für Glasfasern erforderlich ist.

Naturfaserverstärkter Kunststoff (NFK) Vorteile: • hohe Stabilität • niedrige Dichte • gute akustische Dämmung • kein Zersplittern • preiswert Nachteile: • preiswert www.nachwachsende-rohstoffe.info

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Im Vergleich zu den Glasfasern zeichnen sich Naturfasern insbesondere durch einen niedrigeren Preis und geringere Dichte aus. Die spezifischen Eigen-schaften reichen nahe an die von Glasfasern heran. Nur verursachen Naturfasern bei der Verarbeitung keinen gesundheitsschädlichen Staub, sorgen für eine gute akustische Dämmung, und zersplittern bei einem Aufprall nicht. Innerhalb der Naturfasern wird zwischen Holz- und Bastfasern unterschieden.

• Hobelspäne sind extrem preiswert und können so veredelt werden, dass holzfaserverstärkte Kunststoffe mit einem breiten Eigen-schaftsprofi entstehen.

• Bastfasern werden eingesetzt, wenn höherwertige, konstruktive Werkstoffe gefragt sind.

In den letzten Jahren entstanden neue Press- und Extrusionsverfahren für Verkleidungsteile im Fahrzeug-Innenraum (holz- und bastfaserverstärkte Ther-mo- und Duroplaste) oder für Terrassenbeplankungen (Holzmehlgefüllte Ther-moplaste).

Inzwischen stehen auch qualitativ hochwertige Spritzgussgranulate zur Ver-fügung. Erstes Serienbauteil aus Naturfaser-Spritzguss im Automobil ist ein Sitzhaken, der mit der gepressten NFK-Sitzschale verschweißt wird. Außerdem werden aus NFK-Spritzgranulat Spielzeug, Schleifscheiben, CD-Hüllen und Fensterrahmen gefertigt. Das Spritzgussverfahren eignet sich für Fertigteile von weniger als 1 Milligramm bis zu mehr als 10 Kilogramm, von denen sehr große Stückzahlen gebraucht werden.

Im Gegensatz zum Spritzgießen fallen beim Formpressen wesentlich gerin-gere Werkzeugkosten an, was die Produktionsweise für großflächige Bauteile und auch für mittelgroße Stückzahlen bis 100.000 Einheiten pro Jahr interessant macht. Formpressteile entstehen, indem ein Nadelfilz aus 100 Prozent Naturfa-sern mit Harz besprüht oder getränkt und anschließend im Formpressverfahren zum Bauteil umgeformt wird. Alternativ werden Natur- und Polymerfasern miteinander vermischt, verkrempelt und mechanisch verfestigt. Durch Erwär-mung auf 200 bis 250 Grad Celsius wird die Masse formbar, um dann im Formwerkzeug verdichtet und umgeformt zu werden. Beim Abkühlen erstarrt

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die Masse. Naturfasern sind in ihrem thermischen Verhalten wesentlich emp-findlicher als etwa Glasfasern.

Für ein Karosseriebauteil ist jüngst ein besonders innovatives Werkstoffkon-zept entwickelt worden, das Sheet-Moulding-Compound-Verfahren (SMC). Dabei wird der umweltfreundliche Werkstoff aus Hanffasern mit einem Spezi-alharz auf der Basis von Pflanzenölen und Kohlehydraten verbunden, eine durch und durch biologische Lösung.

Auch wenn es eine Vielzahl an Verfahren und Werkstoffen gibt, die unter NFK zusammengefasst werden, so weisen doch alle Naturfaserprodukte ten-denziell einige gemeinsame Eigenschaften auf. Dies besitzen:

• relativ hohe Steifigkeit und Festigkeit vor allem bei schlanken Natur-fasern wie zum Beispiel aufgeschlossenen Bastfasern

• geringe Splitterneigung, vor allem bei bast- und blattfaserverstärkten Bauteilen, die auch beim Unfall keine scharfen Kanten bilden

• hohe Einsatztemperatur und gute Temperaturwechselbeständigkeit; keine Sprödigkeit auch bei tiefen Temperaturen

• niedrigere Dichte als Glasfaser, keine Abrasion • kleberloses Verbinden von PP-NF-Bauteilen mit anderen PP-basierten

Bauteilen durch einfaches Heißkleben • geringe Volumenänderung, daher hohe Maßhaltigkeit • gute Dämpfungseigenschaften • keine Störgeräusche wie Kontaktquietschen

Naturfaser-Formpressteile haben seit den 90er Jahren als Leichtbau-Formteile ihren festen Platz in Automobilen der Mittel- und Oberklasse, vor allem im Interieur. In der Mercedes-Benz S-Klasse finden sich beispielsweise knapp 43 Kilogramm Kokos-, Holz-, Flachs- und Baumwollfasern in Kombina-tion mit unterschiedlichen Polymerwerkstoffen. Als der chinesische BMW Pro-duktionspartner Brilliance auf eigene Faust eine Luxus-Limousine zum Dum-pingpreis für Europa entwickelte, kauften die Autobauer Naturfaser-Formpress-Anlagen des deutschen Maschinenbauers R+S Technik um die Produktionskos-ten zu senken.

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Eine Sonderform der Naturfaserverstärkten Kunststoffe sind Wood-Plastic Composites (WPC). Hierbei entstehen nicht Formpressteile aus Holzfaser son-dern holzgefüllter Kunststoff wird extrudiert. Bei der Extrusion presst man zäh-flüssige Biokunststoffe durch eine speziell geformte Düse. Dabei entstehen Körper mit dem Querschnitt der Düse in beliebiger Länge. Das junge Verfahren hat sich in Nordamerika und Japan schneller verbreitet als bei uns.

Die entstehenden Bauteile erinnern in Haptik und Optik an Holz, können aber so einfach wie Kunststoff geformt werden. Der Holzanteil kann auch tat-sächlich bis zu 80, 90 Prozent betragen. WPC-Extrusionsprofile werden im Bereich von Deckings – Dielen im Außenbereich wie Bootsstege, Außentrep-pen, Veranden – bereits gut eingesetzt, sowie für Fußleisten, Fensterbänke, ganze Fassadenbauteile und im Möbelbau.

Dank des Hauptrohstoffs Holz ist WPC sehr preiswert. Da das Material wesentlich witterungsbe-ständiger im Vergleich zu Produk-ten aus reinem heimischem Holz ist, brauchen keine giftigen Holz-schutzmittel eingesetzt zu werden. Außerdem ist das Material dadurch für den Schiffbau sehr gut geeignet. WPC besitzt recht gute Steifigkeit.

Hochgefüllte WPC-Extrusionsteile sind nur für Bauteile mit konstantem Quer-schnitt und mäßigen mechanischen Belastungen geeignet.

Vor- und Nachteile von Holz als ältestem Schiffbaumaterial

In den vergangenen Abschnitten ist der Weg des Schiffs vom robusten aber schweren Stahl über das leichtere Aluminium und Magnesium bis zu Kunststof-fen, Verbundwerkstoffen und neuen Biomaterialien gezeichnet worden. Über Umweltschutz und den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen zu sprechen, ohne an Holz zu denken, ist nahezu unmöglich. Warum hat man dann überhaupt aufgehört, Schiffe aus Holz zu bauen? Ein wichtiger Grund war, dass der Roh-

Wood Plastic Composites (WPC) Vorteile: • witterungsbeständig • akzeptable Steifigkeit • preiswert Nachteile: • mäßig mechanisch belastbar www.holzfragen.de

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stoff Holz gar nicht schnell genug nachwachsen konnte, so viel davon brauchte man für den Schiffbau.

Bereits die alten Römer holzten für den Schiffbau einen Großteil ihrer hei-mischen Wälder ab und mussten für weiteren Nachschub auf Nordafrika aus-weichen, wo sie angeblich dazu beitrugen, durch großflächige Abholzung die vegetationslose Sahara ausgedehnt zu haben. Eigentlich haben Schiffbauer her-ausgefunden, dass Holz für Jahrzehnte gelagert werden sollte, bevor es verwen-det wird. Denn neben der Art des Holzes ist auch die Dauer seiner Lagerung dafür verantwortlich, wie haltbar ein Schiff später ist. Außerdem gilt: Je weni-ger ein Holz bearbeitet wird, desto länger seine Lebensdauer. Mitte des 18. Jahrhunderts war der Bedarf nach Schiffen so groß und damit auch der Holz-mangel, dass auf die Lagerung weitgehend verzichtet werden musste. Es ging sogar soweit, dass in einigen europäischen Schifffahrtsnationen ein Baum nur noch dann gefällt werden durfte, wenn er nicht für den Schiffbau geeignet war.

Die Anfänge des Holzschiffs liegen im Einbaum begründet. Vermutlich ha-ben findige Jäger und Fischer aus grauer Vorzeit mit einem natürlich ausge-höhlten Baumstamm experimentiert und festgestellt, dass es sich darin sicherer und bequemer reisen lässt als auf einem ganzen Baumstamm. Einbäume konn-ten bis zu 20 Meter lang ausgeführt werden. Bereits vor Jahrtausenden höhlten Menschen Bäume aus, um damit Boote zu fertigen.

Über die Jahrhunderte bildeten sich zwei Methoden heraus, Holzschiffe zu bauen. Entweder man erstellt zuerst die Außenhülle aus Planken und versieht diese dann zur Versteifung mit Spanten oder man beginnt, bei größeren Schif-fen, erst mit der Spantenkonstruktion und beplankt diese dann. Als der Nagel erfunden wurde, konnte man Holzschiffe unter der Wasserlinie komplett mit Kupferstreifen beplanken, was vor allem Schutz vor dem Holzbohrwurm bot, einer Muschelart, die in wärmeren Regionen zu Hause ist.

Holzschiffe üben einen besonderen Reiz aus. Es handelt sich um einen der schönsten Werkstoffe, aus dem man ein Schiff bauen kann. Kein anderes Mate-rial verleiht einem Schiff so viel Eleganz. Der New Yorker Yachtkonstrukteur Olin Stephens, der im September 2008 im Alter von 100 Jahren starb, sagte einmal: "Holz ist so wundervoll, lebendig, ästhetisch. Es lässt sich schön und ebenmäßig von Punkt zu Punkt biegen. Es leitet weder Temperatur noch Geräu-

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sche besonders gut, daher ist ein Holzboot innen wohltemperiert und relativ leise." Olin Stephens zählte zu den erfolgreichsten Konstrukteuren im Ameri-ca’s Cup.

Baut man ein Schiff aus Holz, so fertigt man meist aus Eichenholz (seltener aus Rotbuchen- oder Ul-menholz) einen Kiel von rechtecki-gem Querschnitt an. Der Kiel gilt als “Rückgrat” eines Schiffs-rumpfs: Er bildet das wichtigste Längsverbandteil eines Holzschiffs. Der Vorsteven wird aus einer grö-ßeren Zahl eichener Bauhölzer montiert und durch Zapfen und Bolzen verbunden. Seine Form ist in der Regel gekrümmt. Der Hin-tersteven setzt im rechten Winkel auf den Kiel auf. Weil bei größeren Schiffen Bolzen nicht zur Aufnah-me der Schubspannungen genügen, verwendet man an einigen Stellen besonders hartes Holz, konstruiert einen Diagonalverband oder ver-wendet zur Verstärkung eiserne Diagonalschienen.

Am Kiel sind – um im Bild des Rückgrats zu bleiben – auch die “Rippen” des Schiffs in Form von Spanthölzern befestigt, die zusammen mit dem Decks-balken den Querverband ausmachen. Je nach Schiffsform besitzen auch diese Spanten eine entsprechend gekrümmte Form und werden in der Regel aus zwei Lagen von Hölzern zusammengesetzt. In Ermangelung ausreichender Krumm-hölzer aus Eiche werden Passstücke, sogenannte Kälber, eingesetzt, um die gewünschte Form zu erreichen. Die Außenhautplanken werden aus Eichen-stämmen geschnitten und sollen das Schiff vollständig gegen den Wasserdruck abdichten. Am stärksten werden die Kielplanken und die Planken in der neutra-len Achse im Bereich der Wasserlinie ausgeführt und sollen Beanspruchungen

Holz Vorteile: • konstruktiv bedingte hohe Rumpf-festigkeit • kaum Materialermüdung und einfa-che Reparatur • Grundberührung eher unproblema-tisch wenn Kiel untergebolzt • gute Isolierung • Behaglichkeit unter Deck Nachteile: • immer Einzelanfertigungen • Laderaum fällt konstruktiv bedingt kleiner aus • Dichtigkeit hängt von Holzart und Ablagerung ab • nur bedingte Kollisionsfestigkeit www.holz.net

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von außen durch Eisschollen und Wrackstücke Stand halten. Mit Kiefernholz fertigt man das Schanzkleid eines Holzschiffs, das die Außenhaut nach oben fortsetzt und an den Relingstützen befestigt wird. In den Vereinigten Staaten entstanden Frachtdampfer mit 3.500 Tonnen Tragfähigkeit aus Holz und 5.500 Tonnen in der Kompositbauweise. Statt Eichenholz kam dort jedoch vorwie-gend Yellowpine-Holz zur Verwendung, eine bestimmte Kiefernsorte, die kaum abgelagert wurde.

Die Balken fürs Deck werden aus Eichen, Kiefern oder Mahagoni gefertigt. Gerade im Schiffbau finden immer noch gerne exotische Hölzer Verwendung. Der Umstieg auf andere Hölzer aus bewirtschafteten Wäldern hat sich noch nicht durchgesetzt.

Bis hinein ins Mittelalter wurden Schiffe ausschließlich aus Holz gebaut. Die Fugen wurden mit Pech oder Teer abgedichtet. Weil man die Balken für größere Schiffsbreiten nicht mehr aus einem Holz herstellen kann, wurden ir-gendwann eiserne Deckbalken verwendet. Für Außendecks dient vielen Schiff-bauern zufolge jedoch nur Holz als brauchbarer Belag. Da es nicht so leicht war, ausreichend Krummhölzer zum Bau von Spanten zu finden, kam man bald auf den Gedanken, auch diese aus Eisen herzustellen, zumal Holzspanten aus mehreren Teilen konstruktiv unterlegen waren.

Die hölzerne Außenhaut des Schiffs erschien dagegen weiter nützlich, damit ein metallener Bodenbeschlag befestigt werden konnte. Damit begann der Kompositbau, bei dem die Materialien kombiniert werden, historisch gesehen als Vorstufe zum Eisenschiffbau. Die inneren Verbandteile, quasi das Gerüst, sowie die Spanten, Balken, Kielschweine, Diagonalbänder uvm. wurden aus Eisen gefertigt, während die äußeren Bauteile wie Kiel, Außenhaut und Decks-beplankung aus Holz blieben, was vor allem der Dichtigkeit diente. Die Kom-positbauweise erlaubte den Bau größerer Schiffe. Bei reinen Holzschiffen wie der Victory von Admiral Nelson (mit tausend Mann Besatzung) wurde mit 75 Metern Länge die Grenze erreicht, ab der Holzschiffe nicht mehr größer zu bauen waren, ohne auf See zu zerbersten.

Der Eisenbahn-Ingenieur Isambard Kingdom Brunel konstruierte in der ers-ten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Holz und Eisenplatten den Passagier-Raddampfer Great Western, das größte Dampfschiff seiner Zeit. 1838 gewann

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es das Blaue Band als schnellstes Schiff auf einer transatlantischen Route. Bei einem Unfall stellte sich heraus, dass ein Schiff dieser Bauart deutlich robuster war und sich damit deutlich einfacher reparieren ließ als ein reines Holzschiff.

Holzschiffe wogen sehr viel. Erst mit dem Eisenschiffbau konnten Schiffe bei weniger Gewicht mehr Festigkeit erreichen und so rund ein Viertel mehr Tragvermögen in der Handelsschifffahrt zulassen. Gleichzeitig blieb zwischen den Spanten ein größerer Stauraum für Ladung frei. Eisenschiffe wurden zudem als langlebiger angesehen. Nicht zuletzt stufte man Holzschiffe besonders im Kriegseinsatz als brandgefährlich ein.

Bei den kleineren Booten blieb Holz lange das Material erster Wahl. Noch 1885, als Gottlieb Daimler das Motorboot erfand und den Ottomotor in ein Boot einbaute, wählte er nicht Eisen, sondern Holz als Baumaterial, da ein Holzboot in der Fertigung deutlich billiger war. Um 1900 wirkten weltweit drei große Konstrukteure von Yachten, die handwerklich und ästhetisch Beachtliches mit dem Werkstoff Holz erbrachten. Es handelte sich um William Fife aus Schott-land, Henry Rasmussen aus Dänemark und Nathanael Herreshoff aus den USA.

Kunststoffe verdrängten Holz im Yachtbau in den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Allerdings stellte sich heraus, dass Kunststoffboote nicht so lang-lebig sind, wie man glaubte, und oft auch schwieriger zu reparieren sind. Bei Holz heißt es, dass es am längsten hält, wenn man es nur einmal im Jahr aus dem Wasser holt, um das Unterwasserschiff zu säubern und zu pflegen.

Ein Problem ist auch der Brandschutz mit Holz im Innenausbau. Am 7. April 1990 wurde an mehreren Stellen auf der Fähre Scandinavian Star Feuer gelegt. 158 Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben. Seither ist Holz auch im Innenausbau aus der gewerblichen Schifffahrt verschwunden.

Seit Mitte/Ende der 90er Jahre gab es sogar Boote zu kaufen, die aussahen, rochen und sich anfühlten, als wären sie aus Holz gefertigt – die aber eben nicht aus Holz waren. Inzwischen hat sich Holz als nachwachsender Rohstoff wieder einen festen Platz im Schiffbau erobert. Man ist zur Erkenntnis gelangt, dass die ältesten, theoretisch immer noch betriebsbereiten Schiffe alle aus Holz sind. Zwar ist Holz sehr pflegeintensiv, muss jedes Jahr repariert und neu lackiert werden. Doch neue Fertigungsmethoden haben ihr Übriges dazu getan, Holz-

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boote haltbarer und robuster zu machen. Werften, die sich auf die Fertigung von Holzbooten spezialisiert hatten, galten fast als ausgestorben. Seit wenigen Jah-ren gibt es in Europa wieder Hunderte davon.

Neue Antifouling-Schiffsanstriche mit umweltfreundlichem Lotuseffekt

Wenn sich Algen, Miesmuscheln, Seepocken oder Entenmuscheln am Schiffsrumpf anlagern, spricht man von Anwuchs oder auch Fouling. Dadurch erhöht sich der Wasserwiderstand eines Schiffs. Spezielle Anstriche unterhalb der Wasserlinie werden Antifoulings genannt. Die Farbe verhindert, dass sich Bewuchs bildet, der dem Rumpf schadet und zugleich das Schiff bremst.

Abb. 40: Nur wenige Monate brauchen Meeresorganismen, um ein Schiff durch Fouling-Effekt so aussehen zu lassen

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Auf unbehandelten Oberflächen und Materialien tritt Biofouling auf. Orga-nismen, die sich an das Schiff anheften, machen die Außenhaut anfälliger für Korrosion, in dem sie das Schutzsystem außer Kraft setzen. Gut funktionierende Antifouling-Anstriche helfen außerdem beim Klimaschutz, indem sie den Rei-bungswiderstand reduzieren und somit Kraftstoffverbrauch wie CO2-Ausstoss senken. Der Treibstoffverbrauch eines Schiffes steigt deutlich, wenn die Unter-wasseroberflächen von Tieren und Pflanzen besiedelt werden. Es dauert nur wenige Monate, bis ein unbehandelter Bootskörper unter Wasser vollständig mit Organismen bewachsen ist. Steigt der Wasserwiderstand um bis zu 15 Pro-zent, so steigt der Treibstoffverbrauch und damit Kosten um bis zu 40 Prozent. Fouling hat nicht nur Sicherheits- und Treibstoff-Aspekte. Schiffe mit Bewuchs und mit sorglos abgelassenem Ballastwasser (siehe Abschnitt II.11) verbreiten invasive Tier- und Pflanzenarten rund um die Welt, die das ökologische Gleich-gewicht stören.

Seit Jahrzehnten werden neue Legierungen auf ihre Seewasserbeständigkeit geprüft. Forschungen der Aluminiumindustrie an Legierungen mit Magnesium und Mangan reichen in die 80er Jahre zurück. Bei Booten reicht die natürliche Oxidschicht als Korrosionsschutz, sofern sie unverletzt bleibt und die Außensei-te regelmäßig gereinigt wird. Bei größeren Schiffen ist als Korrosionsschutz entweder ein Schutzanstrich, Beschichten mit Zink oder kathodischer Schutz erforderlich. Invers-Alu wird bei manchen Alu-Yachten als Bewuchsschutz empfohlen. Diese Zinkfarbe bietet jedoch vor allem kathodischen Schutz des Aluminiums vor Korrosion. Durch die Abgabe von Zinkionen wird zwar auch der pH-Wert auf der Oberfläche verändert. Damit kann jedoch kein pflanzlicher Bewuchs abgewehrt werden, da die Ionenabgabe von Zink sehr langsam ab-läuft.

In der Berufsschifffahrt und bei Sportbooten wird deshalb ein Anstrich mit hohen Kupferanteilen verwendet. Neben Kupferoxyd werden Zink und Zineb beigemischt. Aluminiumbleche werden von diesen Antifouling-Anstrichen nicht angegriffen, nur scharfe Kanten sind gefährdet. Zur zusätzlichen Sicher-heit wird mit zwei bis drei Lagen Teer-Epoxyd grundiert.

Allein aus den Zutaten kann man schließen, dass Antifouling nicht unbe-denklich ist. Die meisten Anstriche enthalten gefährliche Chemikalien, die wie-derum Meeresorganismen schaden. Rechtlich geregelt ist die Begrenzung

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schädlicher Antifouling-Anstriche auf Schiffen durch eine Reihe von Vorschrif-ten; allen voran die International Convention on the Control of Harmful Anti-fouling Systems on Ships vom Oktober 2001 (außerdem EU-Direktive 98/8 Biocidal Products Directive; REACH Regulation (EU) N° 1907/2006; CLP Regulation (EU) N° 1272/2008).

Anhang 1 der IMO Antifouling Konvention listet die schädlichen Antifou-ling-Systeme auf, die Umweltauflagen unterliegen. Gleichzeitig wird der Ge-brauch moderner Biozide empfohlen, die eine kurze Lebensdauer besitzen und in der Folge nur ein geringes Risiko für die Umwelt darstellen. Je nach Ge-schwindigkeit und der Länge von Standzeiten sind unterschiedliche Antifou-ling-Systeme geeignet.

Zur Vermeidung von Bewuchs der Außenhaut des Unterwasserschiffs wur-den in der Vergangenheit Biozide wie das Breitbandtoxin Tributylzinn (TBT) als sogenannte Antifoulingstoffe eingesetzt. Derartige Stoffe sind aus Umwelt-schutzgründen verboten worden. Seit Januar 2003 darf die hochgiftige, metall-haltige TBT-basierende Farbe laut Weltschifffahrtsorganisation IMO nicht mehr aufgebracht werden. Seit Januar 2008 dürfen damit keine Schiffe mehr unterwegs sein. Schiffe müssen eine Dokumentation mitführen, dass sie diese Regelung befolgen.

Gegenwärtig wird der Bewuchsschutz durch Selbstreinigungssysteme (self polishing) mit abradierenden Schichten oder durch glatte Beschichtungsflächen (z.B. Silikone) gewährleistet. Experimentell wird laut Bundesanstalt für Was-serbau an weiteren Methoden wie Stromwechselfeldern, faserähnlichen Über-zügen und zum Beispiel aufquellenden Schichten gearbeitet. Der dänische mari-time Zulieferer Hempel hat beispielsweise ein Hydrogel entwickelt (Hempasil X3), das dem Rumpf Selbstreinigungskraft verleiht. Außerdem wird eine Soft-ware angeboten, um den Zustand der Außenhaut zu überprüfen.

Antifouling-Farbanstriche auf Silikonbasis bieten wiederum eine sehr gerin-ge Oberflächenrauheit bis 65 Mikrometer. Herkömmliche Werte liegen bei 150 bis 200 Mikrometen. Bei einem großen Containerschiff macht die hydrodyna-mische Optimierung der Schiffsoberfläche unter Wasser gut 6 Prozent des ge-samten Widerstands aus.

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Biofouling kommt auch in der Natur vor, an lebenden Organismen. Tiere und Pflanzen haben im Laufe der Evolution jedoch unterschiedliche Mechanis-men entwickelt, sich vor dem Bewuchs zu schützen. Besonders effektiv scheint die Haut von Haien zu sein. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat am Bionik-Innovations-Centrum Bremen ein Forschungsprojekt finanziert, das den Wirkmechanismus der Haifischhaut analysierte und dieses Prinzip auf nicht organische Materialien übertrug.

Laut Umwelttechnologie-Atlas „GreenTech made in Germany 2.0“, den das Bundesumweltministerium im Jahr 2009 herausgegeben hat, konnte die deut-sche Bionikforschung einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, innovative Anti-fouling-Systeme auf den Markt zu bringen. Die Hochschule Bremen kam hinter das Geheimnis schnell schwimmender Knochenhaie. Die speziell strukturierte Haut der Haie verhindert das ansonsten an lebenden Organismen und eben auch Schiffen auftretende Algenwachstum. Das Anti-Algen-Rezept der Haie kann Schiffsrümpfe vor Algenbefall und Biofouling aller Art schützen.

Und so funktioniert das Prinzip: Die Haut eines Hais ist von kleinen Zähn-chen bedeckt, so genannten Dentikel oder Placoidschuppen. Bei Berührung fühlt sie sich rau wie Schmirgelpapier an. Diese Dentikel weisen parallel zur Schwimmrichtung Längsrillen auf. Sie verringern zum einen den Wasserwider-stand beim Schwimmen. Zum anderen sind sie ein wirksames Mittel, um das Ansiedeln von Organismen zu verhindern. Die Dentikel sind flexibel in die darunter liegende Bindegewebsschicht der Haut eingelagert. Dadurch bewegen sich die einzelnen Dentikel gegeneinander, was eine Ansiedlung organischer Materialien nahezu unmöglich macht. Ausschlaggebend für das erfolgreiche Antifouling beim Hai ist also die Kombination aus Mikrostruktur und elasti-schen Eigenschaften.

Die Bionik bedient sich am Vorbild der Natur (in Abschnitt II.7 wurde die Transferarbeit bereits anhand des Bionik-Propellers beschrieben). Bionische Abstraktion überträgt ein Wirkungsprinzip aus der Natur in den Hightech-Bereich. So entstand ein Patent mit einer künstlichen Haifischhaut aus einer elastischen Oberflächenbeschichtung mit Mikrostruktur, die den Bewuchs anor-ganischer Materialien um bis zu 70 Prozent verringert.

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Seit dem Jahr 2008 ist bereits ein Schiffanstrich für Sportsegler auf dem Markt, der auf dieser Entwicklung beruht. Das japanische Containerschiff NYK Super Eco Ship 2030, das zu Beginn des zweiten Kapitels als Zero Emission Ship der Zukunft vorgestellt wurde, soll ebenfalls eine Haifischhaut bekommen, an der sich Luftblasen bilden. Das Konzept, das in zwei Jahrzehnten realisiert werden soll, weist dieser Position eine Senkung des CO2-Ausstosses um 10 Prozent zu. Bleibt zu hoffen, dass es nicht so lange dauert, bis die Handels-schifffahrt umweltfreundliche Antifouling-Anstriche im großen Stil einsetzt.

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Wer den Anspruch verfolgt, grüne Schiffe zu bauen, für den darf es nicht ausreichen, nur das Endprodukt in den Fokus seiner Bemühungen um Clean Technologies zu stellen. Der gesamte Prozess der Herstellung muss ins ökologi-sche Kalkül gezogen werden. Der folgende Abschnitt behandelt fortgeschrittene saubere Schiffbauprozesse und einen Weg zu vorzeigbaren Ökobilanzen.

Um das beschriebene Ziel zu erreichen, ist umfassender Know-how Transfer von anderen Industrien zu empfehlen. Produktionsintegrierter Umweltschutz würde im Schiffbau ein Novum darstellen. Auf dem Weg zur Zertifizierung europäischer Werften nach dem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Betriebsprüfung in der Europäischen Union schlagen die Autoren eine um-fassende Optimierung aller Faktoren aus Nachhaltigkeitssicht vor. Dies schließt das Wahrnehmen von Verantwortung in der Gesellschaft genauso ein wie die Aufnahme grüner Inhalte in die Ausbildungswege der maritimen Branche.

Know-how Transfer von anderen Industrien

Die maritime Wirtschaft und insbesondere der Schiffbau sind gut beraten, wenn sie mehr auf den Know-how Transfer im Clean Tech Bereich aus anderen Branchen setzen. Das ergibt sich allein daraus, dass historisch gesehen „haut-nahere“ Probleme des Gesundheits- und Umweltschutzes zunächst im Vorder-grund der gesamten Umweltbewegung standen, etwa wie im Falle der aktuellen aber keineswegs neuen Schadstofffreiheit von Lebensmitteln, Bekleidung, Kin-

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derspielzeug oder auch von Reinigungsmitteln. Entsprechend dem öffentlichen Druck wurden hier rasch neue Normen und Grenzwerte sowie technische Lö-sungen gefunden. Im Individualverkehr wurden beispielsweise Abgasfilter viel früher eingesetzt als im Yacht- oder Schiffbau generell. Viele ökologische In-novationen entstanden zunächst in anderen Industriebereichen, angefangen von der Abfallwirtschaft bis zur Wiederverwendung von Wertstoffen aller Art. In NRW wird z.B. intensiv daran gearbeitet, neue Werkstoffe und Materialine zu entwickeln. Daran sind allein in diesem Bundesland über 750 Entwickler und Hersteller beteiligt. Mit den Anwendern erwirtschaften Sie nach Angaben der Financial Times Deutschland vom 28. Februar 2011 mehr als 200 Milliarden Euro. Intensiv wird nach gleicher Quelle an einer neuen Vernetzung der Akteu-re im Rahmen der Clusterinitiative Nano Mikro+ Werkstoffe NRW (NMW) gearbeitet. Erst im Februar des Jahres kam ein neues Netzwerk „Innovative Werkstoffe Rheinland“ dazu. Das hier erarbeitete Know-how soll rascher und zielstrebiger an potentielle Nutzer weitergehen und helfen, die Zusammenarbeit zu verstärken. Solche Beispiele zeigen, dass die maritime Industrie noch viel stärker mit Forschungs- und Entwicklungsinstituten, Universitäten und Hoch-schulen und untereinander zusammen arbeiten muss, um dann auch für die Vermarktung und die Öffentlichkeitsarbeit der Branche neue Impulse zu setzen. Die Automobilbranche hat beispielsweise durchgesetzt, dass E-Mobilität als nationale Aufgabe mit erheblichen staatlichen Mitteln gefördert wird und zu-sätzlich über die „Abwrackprämie“ auch noch Markt Anreize für Kunden ge-schaffen wurden. Davon kann der Schiffs- und Seeverkehr nur lernen. Gleiches gilt für die Gewinnung von Kapital, wo die Investmentbanken viel zu wenig auf die Nachhaltigkeit von Schiffsanlagewerte auch werbemäßig eingehen.

Der Clean Tech-Sektor besitzt entscheidende Bedeutung für die wirtschaftli-che Entwicklung Ostdeutschlands. Dabei spannt der Begriff einen weiten Bogen von eher traditionellen Wirtschaftszweigen und Verfahren wie der Abfallwirt-schaft, Abwasserentsorgung und konventioneller Energieerzeugung bis hin zu modernen Hochtechnologien, wie sie in der Photovoltaik, Windenergie, Biok-raftstoffherstellung oder im Metallrecycling zum Einsatz kommen. Das ifo-Institut, Niederlassung Dresden, hat ermittelt, dass 2007 rund 158.000 Men-schen in den neuen Ländern in Clean Tech-Segmenten beschäftigt waren. Die indirekten Wirkungen bei Zulieferern aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie weiteren Industrie- und Dienstleistungszweigen belaufen sich schät-zungsweise auf weitere 200.000 Personen.

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PIUS und EMAS im Schiffbau – ein Novum

Werften und Zulieferindustrie unterliegen, wie die übrige Industrie auch, den Rechtspflichten und Normen für umweltverträgliches Produzieren. Die sich daraus ergebenden Aufgaben werden am besten in integrierten Managementsys-temen (IMS) verankert. Immer öfter beteiligen sich auch maritime Unterneh-men an dem Gemeinschaftssystem der EU für Umweltmanagement und Um-weltbetriebsprüfung und können sich darin zertifizieren lassen (derzeitig gültig ist VO (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009, EMAS III). In Deutschland und Europa gelten strenge Regeln für den produktionsintegrierten Umweltschutz PIUS (www.pius-info.de).

Auch wenn bisher die maritime Wirtschaft nicht zu den Vorreitern zählte, gelten die europaweiten Environmental Management and Auditing Scheme Regeln als Leitlinie für einen sauberen Betrieb. Vorauszusetzen ist, dass alle Zweige der deutschen maritimen Wirtschaft die bundesrechtlich verbindlichen Regelungen zum Umweltschutz in ihren Tätigkeiten beachten, sie in internen Vorschriften des Managements umsetzen und sie aktualisieren. Für die maritim

Abb. 41: Hohe Umweltstandards gelten beim Werftausrüster IMG in Rostock

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orientierten Wirtschaftsbereiche stehen dabei die Schutzgüter (Meer-)Wasser, Luft und Boden im Vordergrund.

Für die maritime Wirtschaft in den Ländern Niedersachsen, Bremen, Ham-burg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gelten darüber hinaus regionalbezogene landesrechtliche Bestimmungen zum Umweltschutz. Einzu-beziehen sind die maritimen Wirtschaftsbereiche außerhalb der genannten Län-der, deren Produkte im Einsatz Umweltauswirkungen aufweisen können (z.B. Schiffsantriebsanlagen). Ferner ist zu berücksichtigen, dass in den produzieren-den Bereichen der maritimen Wirtschaft bei den Qualitätsanforderungen an ihre Produkte die umweltbezogenen Belange ausreichend beachtet werden.

Natürlich reicht ein Zertifikat an der Wand nicht aus. Produktionsintegrierter Umweltschutz setzt das Engagement aller Akteure eines Industrieunternehmens und das Verinnerlichen neuer Werte voraus. Entscheidender Gesichtspunkt für das Durchsetzen sauberer Prozesse ist, wie bei den Werftmitarbeitern und den Schiffsbesatzungen im Alltag auf See und in den Häfen das Umweltbewusstsein entwickelt wurde und welche diesbezüglichen Aufgaben im Management der Werften, Anlagenbauer, Reedereien und der Schiffsführungen definiert sind.

Die Tabelle auf der nächsten Seite zeigt pragmatisch, welche wichtigsten Arbeitsschritte beim Vorbereiten und Durchführen eines Umweltaudits und der Einführung eines Umweltmanagementsystems nach den neusten geltenden Re-geln der Europäischen Union zu beachten sind.

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Zielstellung Aufbau eines Umweltmanagementsystems nach EMAS III

Arbeitspakete

Durchführung einer Umweltprüfung (Ist-Analyse) Dokumentationen (Erstellen eines Maßnahmen-katalogs und Zeitplanes; Erstellen eines Handbu-ches) Beratung bei der Einführung des Management-systems (Einführende Unterweisung, Schulung der Mitarbeiter) Durchführung interner Audits Erarbeitung der Umwelterklärung Erstellung entsprechender Kataster (z.B. Rechts-kataster)

Projektlaufzeit

1-Jahresrhythmus (ca. 260 Stunden) Termine: 5x jährlich (nach Absprache, bei Bedarf öfter) 2011 (April, Juli, August, Oktober, Novem-ber) Der Berater gibt Unterstützung bei der Erstellung der überwachungs- bzw. zertifizierungsreifen Un-terlagen mit den Inputs des Umwelt-Beauftragten und der Fachkraft für Arbeitssicherheit und inte-griert die Dokumente in die bestehende Ma-nagementdokumentation.

Beratungskosten

(exkl. nachge-wiesener Spe-sen, Fahrtkosten Übernachtung)

Ca. 20 000 " für die Einführung des Umweltma-nagementsystems nach EMAS III (ca. 50% der Projektkosten werden vom Berater als Fördermit-tel eingeworben).

Abb. 42: EMAS III Arbeitsschritte und Kosten

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Faktoren-Optimierung aus Sicht der Nachhaltigkeit

Es gibt unterschiedliche Richtungen, wie man Ökologie in der Industrie ver-stehen kann. Eine Gruppe von Theorien bewertet alles Handeln nach seinen Einflüssen auf die Umwelt durch Schadstoffe wie Emissionen und Abfälle, also nach seinem Output. Am 1. Juni 2007 ist für die chemische Industrie beispiels-weise mit REACH (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemi-kalien) eine Verordnung in Kraft getreten, die den Einsatz gefährlicher Chemi-kalien einschränken soll. Deshalb müssen Chemiekonzerne Informationen über verwendete Substanzen offen legen. So ist für den Anwender die ökologische Verträglichkeit eines Stoffs aufgrund seiner Haupt- und Vormaterialien doku-mentierbar.

Doch vielen greift dieser Output-Ansatz zu spät in der Wertschöpfungskette ein. Eine andere Gruppe von Theorien fasst deshalb ökologisches Wirtschaften als richtigen Umgang mit den Ressourcen auf, rückt also den Input in den Mit-telpunkt. Dies mündet in Begriffe wie FIPS (Flächenintensität pro Serviceein-heit) und MIPS (Materialintensität pro Serviceeinheit). Aus letzteren ist der Gedanke der Dematerialisierung entstanden. Damit ist gemeint, dass menschli-ches Handeln künftig drastisch weniger Stoffströme verursachen soll. Gelingen wird dies nur durch radikales Re-engineering. Wir müssen unsere Welt so wie sie heute ist neu erfinden und versuchen, bestehende Funktionen durch neue nachhaltige Material-Konzepte zu realisieren. Dadurch soll mehr Wohlstand aus weniger Natur erzeugt werden. Wachstum ist nur dann zukunftsfähig oder nachhaltig, sagen die Vertreter der Dematerialisierung, wenn es uns gelingt, die Ressourcenproduktivität um einen Faktor X zu erhöhen.

Wie hoch dieser Faktor „X“ ist, darüber streiten sich die Wissenschaftler. Ernst Ulrich von Weizsäcker hat „Faktor Vier“ zum stehenden Begriff gemacht und vertrat schon 1995 die These, dass wir unseren Wohlstand nur verdoppeln dürfen, wenn wir gleichzeitig den Naturverbrauch halbieren. Also müsse die Ressourcenproduktivität vervierfacht werden. Das Gewinnende an dem Ansatz des Naturwissenschaftlers und früheren SPD-Bundestagsabgeordneten von Weizsäcker ist, dass er Umweltschutz fordert und dies mit dem volkswirtschaft-lichen Streben nach Wohlstand vereinbar macht. Damit brach er mit Generatio-nen von Naturschützern, die deshalb scheiterten, weil sie Wachstumsziele ver-

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urteilten. 2010 legte er mit dem Buch “Faktor Fünf – Die Formel für nachhalti-ges Wachstum” gemeinsam mit Karlson Hargroves und Michael Smith nach. Einerseits wollte er mit der Erhöhung auf fünf zum Ausdruck bringen, dass der Handlungsbedarf inzwischen gestiegen ist. Andererseits adressiert er mit dem Buch vor allem den chinesischen Markt; da auf Chinesisch „vier“ so ähnlich wie „Tod“ klingt, empfahl man ihm die chinesische Glückszahl acht, das emp-fand er jedoch als zu ehrgeizig.

„Wir wollen fünf Mal so viel Wohlstand aus einer Kilowattstunde herausho-len – oder aus einer Tonne Kupfererz oder einem Kubikmeter Wasser“, sagt von Weizsäcker. Ein Passivhaus verbrauche bei hohem Wohnkomfort, guter Lüftung und angenehmer Temperatur nur ein Achtel bis ein Zehntel der Ener-gie, die ein normaler Altbau benötigt. Seit Beginn der Industrialisierung wurde die Steigerung der Arbeitsproduktivität propagiert. Dabei ging es darum, aus einer Stunde menschlicher Arbeit immer mehr Wohlstand zu erwirtschaften. Ressourcenproduktivität bedeutet, mehr Wohlstand aus einer Ressourcen-Einheit wie Energie oder Wasser oder Rohstoffen herauszuholen.

Von Weizsäcker war in den 90er Jahren Gründungspräsident des Instituts für Klima, Umwelt und Energie in Wuppertal. Sein damaliger Vizepräsident Fried-rich Schmidt-Bleek setzt ebenso auf ein Miteinander von Ökonomie und Öko-logie, um Nachhaltigkeit zu erreichen, hat allerdings den „Faktor Zehn“ in die Diskussion eingeführt, um den die Ressourceneffizienz gesteigert werden müs-se. Um die Erde zukunftssicher zu machen, müssen in seinen Augen Fehlent-wicklungen in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen korrigiert werden. Faktor Zehn ist seine provokative Leitidee für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Man müsse sich immer wieder fragen: Wie viel Natur steckt in diesem Produkt, in dieser Dienstleistung? Dematerialisierung sei seit jeher Be-gleiterscheinung des technischen Fortschritts, so Schmidt-Bleek. 6.000 Jahre nach Erfindung des Papyrus durch die Ägypter und 2.000 Jahre nach Erfindung des Papiers durch die Chinesen kann Papier heute mit einem Hundertstel an Material und Energie hergestellt werden als die Chinesen noch benötigten.

Friedrich Schmidt-Bleek hat auch den Begriff des „ökologischen Ruck-sacks“ eingeführt. In jedem Produkt sei viel mehr enthalten als nur seine Be-standteile. Der Aufwand bei seiner Verarbeitung und bei den Transporten müs-se in diesen Rucksack hineingerechnet werden. Prominentes Beispiel der Ruck-

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sack-Theoretiker ist ein leerer Yoghurtbecher, der durch ganz Europa geschickt wird, um dann befüllt zu werden und wieder eine Reise durch ganz Europa an-zutreten, bis er beim Verbraucher auf dem Tisch steht. Eine Einzelwährung im ökologischen Rucksack ist der CO2-Fußabdruck. Er hält den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids während Herstellung, Transport und Gebrauch eines Produkts fest.

Weniger Materialeinsatz, effizientere Verarbeitung, kürzere Warentransporte und weniger Schadstoffausstoß – jede Branche, auch die maritime Wirtschaft, ist aufgerufen, sämtliche Faktoren in punkto Nachhaltigkeit zu optimieren. Um die Faktorenoptimierung im produktionsintegrierten Umweltschutz zu realisie-ren, hält das PIUS-Internet-Portal der Effizienz-Agentur Nordrheinwestfalen in Duisburg online eine Reihe von Praxis-Tools bereit, die von der Abfallbilanz über eine betriebliche Umwelt-Datenanalyse und eine Stoffdatenbank bis zur optimierten Beurteilung und Planung einer Metall-Oberflächenreinigung und beispielsweise einer verursachungsgerechten Kostenrechnung in der Lackier-technik oder Checklisten zur Wärmerückgewinnung reichen (www.pius-info.de).

Corporate Social Responsibility im Schiffbau

Corporate Social Responsibility ist die Haltung eines Unternehmens, das Verantwortung in der Gesellschaft übernimmt, weil es sich als Teil dieser Ge-sellschaft begreift. Diese Verantwortung betrifft Mensch und Umwelt zugleich. Zunehmend nehmen Werftbesitzer diese Aufgabe an und engagieren sich nicht nur in Umweltfragen, sondern auch für soziale Belange. Diese Haltung schließt die eigenen Mitarbeiter und die Arbeitsbedingungen mit ein.

Antoine de Saint-Exupéry sagte in der ersten Hälfte des 20, Jahrhunderts:

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zu-sammen, um Holz zu beschaffen und Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“

Das Geheimnis des Erfolgs liegt in jedem Beruf in der Begeisterung, die von Generation zu Generation weiter gegeben wird. Wer sich eine grüne maritime

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Industrie wünscht, kann dies nicht verordnen. Er kann seinem Vorhaben den kreativsten Boden bereiten, indem er seine Vision mit den Mitarbeitern teilt und sie motiviert, diese nicht nur mitzutragen, sondern die Zukunft aktiv durch ei-gene Ideen mitzugestalten. So entsteht ein Klima, das mitarbeiter- und innovati-onsfreundlich zugleich ist.

Der Schiffbauzulieferer Nexans, weltweit führendes Unternehmen der Ka-belindustrie über Branchen hinweg, kann als vorbildlich in Sachen CSR ge-nannt werden. Kabel bleiben an Bord zwar so gut wie im Verborgenen. Aber ein eindrucksvoller Vergleich veranschaulicht die Bedeutung der Kabellieferan-ten für ein Schiff: Die Gesamtlänge der Verkabelung eines großen Kreuzfahrt-schiffs beträgt gut und gerne 2.500 Kilometer. Das ist soviel wie die Strecke Rostock – Venedig und zurück, auf dem Landweg. Auf seiner mehrsprachigen Website (www.nexans.de) informiert das französische Unternehmen über seine sozialen und ökologischen Indikatoren. Wie viele Überstunden müssen Mitar-beiter leisten, wie viele sind von Umstrukturieren betroffen, wie hoch ist die Fluktuation, wie hoch ist der Anteil von Frauen, die Unfallrate am Arbeitsplatz, die Zahl der Trainingsstunden? Wie viel Strom, Wasser, Treibstoff wird ver-braucht, wie viel Tonnen Abfall und Sondermüll verließen das Unternehmen, wie viel wurde von den wichtigsten Rohstoffen verbraucht und wie haben sich die Ausgaben für den Umweltschutz entwickelt. Dies sind nur wenige von knapp 50 Eckdaten nachhaltigen Wirtschaftens. Ein Dreijahres-Vergleich macht Tendenzen auch für Außenstehende einfach erkennbar. Diese Transparenz von Nexans (mit rund 23.000 Mitarbeitern) ist Teil eines verantwortlichen Auftritts in der Gesellschaft und manifestiert die Selbstverpflichtung, konsequent mehr zu tun als verlangt wird.

Neue grüne Ausbildungsinhalte

Es wird offenbar noch einige Zeit vergehen, ehe grüne Ausbildungsinhalte in angemessenem Umfang in die Lehrpläne der maritimen Aus- und Fortbildung einfließen. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (www.vsm.de) in-formiert seine Mitglieder zwar ausführlich über ökologische Themen, das Junk-tim zur Ausbildung ist bis heute jedoch noch nicht geglückt. So beschreibt der VSM zwar umfangreich eine Reihe gewerblich-technischer Ausbildungsgänge, Fachhochschul-Studiengänge und Universitäts-Studiengänge, die als Eintritts-

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karte in den Schiffbau gelten, ein Hinweis auf ökologische Curricula-Anteile findet sich in diesen Unterlagen jedoch mit keiner Silbe. Woran kann dieses Phänomen, das branchenweit anzutreffen ist, liegen?

• Erst muss die Industrie ökologische Themen als relevant für ihr künftiges un-ternehmerisches Handeln einstufen. Was die Leser dieses Buchs betrifft, gehen die Autoren von diesem Punkt bereits aus...

• In einem zweiten Schritt muss der Bedarf an spezialisierten Mitarbeitern mit neuen ökologischen Schlüsselqualifikationen erkannt und gegenüber den Aus-bildungsinstituten konkretisiert werden.

• Darüber hinaus ist die Einsicht erforderlich, dass nachhaltiges Wirtschaften in allen Ausbildungsberufen künftig ein wichtiger Baustein sein wird, ob Kon-struktionsmechaniker, Mechatroniker, Werkstoffprüfer oder Industriekauf-mann, usw. Daraus erwächst auch eine Herausforderung für die beteiligten Personalabteilungen.

• In der Folge müssen die Lehrpläne überarbeitet und unter anderem um Trans-fer-Wissen aus anderen Branchen ergänzt werden.

• Schließlich benötigen die Ausbilder selbst die Öko-Kompetenz, um sie weiter-zugeben.

• Zuletzt jedoch ein Rat: Auch wenn die Clean Tech Entwicklung in der mariti-men Industrie noch nicht abgeschlossen ist, ermuntern die Autoren, selbst „Halbfertiges“ an die nächste Generation von Schiffbauern weiterzugeben. Die jungen Menschen werden es letztlich sein, die den Schiffbau von morgen ge-stalten. Ihre Kreativität und Bereitschaft, neue Wege mit Ehrgeiz zu verfolgen, kann sich die Branche schon heute zunutze machen, um aus Fragen Lösungen werden zu lassen.

Die kalifornische Sustainability Academy, die mit der University of Califor-nia Santa Cruz und dem Monterey Institute of International Studies zusammen-arbeitet, ist ein gutes Beispiel für berufsbegleitende Weiterbildung von Alt und Jung zu Nachhaltigkeit (www.sustainabilityacademy.org). Das angebotene Themengebiet reicht von „Green Building“ und „Healthy Homes“ über „Green Materials and Methods“ bis zu „Waste Management“, „Environmental Issues in Business“, „Corporate Social Responsibility“ und „Innovation“.

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Und in Deutschland? Das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel (www.ifm-geomar.de) bietet beispielsweise Studiengänge wie Ozeanographie, Meteorologie oder Biologische Meereskunde an. Andere Fachrichtungen von Nachhaltigkeits-Studiengängen mit Bezug zu Wirtschaft und Technik sind im deutschen Bildungswesen jedoch rar.

Die von Dietrich Walther gegründete Unternehmer-Hochschule BiTS (www.bits-iserlohn.de), eine staatlich anerkannte Private Fachhochschule mit Sitz in Iserlohn, bietet einen Bachelorstudiengang "Green Business Manage-ment" für Schnittstellen-Berufe zwischen Ökonomie und Ökologie an. Zu den Studieninhalten gehören umweltbewusste Beschaffung, Produktion, Werbung, nachhaltiges Wirtschaften, Kommunizieren, Controlling, Umweltmanagement in den Bereichen Organisation, Strategie und Personal, Umweltökologie, -psychologie und Ethik. Das Studium dauert sechs Semester und endet mit ei-nem Abschluss als „Bachelor of Science in Umweltmanagement“. Die Schwer-punkte liegen zu je 40 Prozent auf Ökonomie und Ökologie, während 20 Pro-zent den Soft Skills vorbehalten sind. Nach dem Grundstudium findet eine Spe-zialisierung auf Umwelttechniken oder Logistik oder Umweltverträgliche Un-ternehmensführung statt, um nur drei Beispiele zu nennen, die auf die späteren beruflichen Ziele des Studenten abgestimmt sind.

Die Technische Universität Kaiserslautern bietet einen postgraduale Fern-studiengang an, der das Thema Sustainability aus Sicht der Entwicklungszu-sammenarbeit beleuchtet (www.zfuw.uni-kl.de). Die Absolventen sollen später Prinzipien eines nachhaltigen Tourismus und neue Städtekonzepte ebenso be-herrschen wie die Planung ökologisch vertretbarer Industrieparks und nachhal-tiges Wassermanagement.

Das Beratungshaus Accenture betreibt eine Sustainability Academy (www.sustainability.accentureacademy.com), die das Management von Res-sourcen, Rollen und Verantwortlichkeiten, die Lieferkette, Messverfahren und Strategien für Nachhaltigkeit in einem 30-stündigen interaktiven Onlinetraining vermittelt. In Ergänzung werden hunderte von Dokumente zum Download an-geboten und monatliche Webinars veranstaltet, in denen die Teilnehmer live Fragen stellen können.

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Junge Menschen für grüne Ausbildungsinhalte zu interessieren, kann schon früher beginnen: Es sollte viel mehr Ideenwettbewerbe für Schüler, Studenten und junge Auszubilden geben, um einen Nährboden für Innovationen zu schaf-fen. Neben Geld- und Sachpreisen könnten auch Stipendien und berufliche Per-spektiven ausgelobt werden.

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Eine neue Währung gewinnt auf den internationalen Märkten Einfluss, die der ökologischen Transparenz. Erst die Möglichkeiten der modernen Informati-onsgesellschaft erlauben den Aufbau einer Datenbank mit Aussagen zum kom-pletten Lebenszyklus von Produkten. Früher hätte man mit solchen Mengen von Daten weder umgehen noch sie für den Nutzer in der erforderlichen Aktualität bereitstellen können. Die Nachfrage nach detaillierten Informationen über Her-kunft, Zusammensetzung, Qualität und Werdegang von Waren steigt, das zei-gen Portale wie GoodGuide oder Earthster.

Lernen von ökologisch optimierten Einkaufswegen

GoodGuide erlaubt die Suche unter 95.000 Produkten, die anhand objektiver wissenschaftlicher Kriterien hinsichtlich ihrer medizinischen, ökologischen und ethischen Vertretbarkeit auf einer 10-Punkte-Skala bewertet wurden. Außerdem werden die besten und die schlechtesten Vertreter jeder Produktkategorie ei-nander in Wort und Bild gegenübergestellt, was den direkten Wettbewerb an-heizt und die „Verlierer“ zu mehr Verantwortungsbewusstsein anspornen soll. Die Betreiber des im September 2008 in San Francisco gegründeten Portals (www.goodguide.com) beklagen, dass die Gesetzgeber nur Angaben über die Inhaltsstoffe eines Produkts, nicht aber zum Beispiel über seinen „ökologischen Rucksack“, seine Vorgeschichte, veröffentlichungspflichtig gemacht haben.

Unternehmen wie Walmart aus den USA und Tetra Pak aus Schweden haben Earthster (www.earthster.org) gegründet, um ein System für das öko-optimierte Supply Chain Management (die Organisation der Logistik) zu entwickeln. Ent-standen ist eine webbasierte Open Source Software, mit der man Ökobilanzen für Zuliefererbetriebe nach dem „Cradle-to-Gate“-Prinzip erstellen kann (über-

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setzt: „von der Wiege bis zum Fabriktor“). Lifecycle Assessment nennt man das Begutachten eines Produktlebenszyklus, zum Beispiel durch Kunden. Viele Lieferanten veröffentlichen heute bereits freiwillig ihre Informationen, weil sie erkannt haben, dass die grüne Zulieferkette ein wichtiges Vertriebsargument geworden ist. Die Software zeigt die Schwachstellen in der Logistik-Organisation und Optimierungsmöglichkeiten aus Sicht der Umwelt auf.

Eine Berliner Beratungsgesellschaft hat sich seit dem Jahr 2001 in diese Segment einen Namen gemacht: GreenDelta, gegründet vom Umweltingenieur Andreas Ciroth. Neben Earthster war GreenDelta in eine Reihe von Program-men für Lebenszyklusanalysen involviert, unter anderem auch im Auftrag von UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, und zählt zu den Open Source Pionieren für Ökobilanzen.

Webbasierte Software wie Earthster und Webportale wie GoodGuide zeigen die Richtung einer ökologisch orientierten Regulierung von Angebot und Nach-frage auf, die von schonungsloser Transparenz geprägt sein wird. Der Ökologe Gregory Norris, der die Konzeption von Earthster begleitet hat, formuliert es positiv:

"Wenn irgendjemand in Ihrer Zulieferkette einen intelligenten Schritt unternimmt, macht das auch Ihr Produkt nachhaltiger. Ge-nauso profitieren die Menschen, die Ihr Produkt kaufen. So werden tausende von Lieferanten zu Ihren Verbündeten, solange sie ihre Prozess laufend verbessern.“

In diesem neuen Verständnis eines Ecological Supply Chain Management entstehen die besten Ideen zur Verbesserung durch kontinuierliche Rückmel-dungen an seine Lieferanten. Waren es früher im Wesentlichen die Aspekte Qualität oder Just-in-Time- bzw. Just-in-Sequence Lieferung, um die sich ein Supply Chain Manager kümmerte, so treten heute auch Faktoren wie Liefer-weg-Verkürzung, ökologisch vertretbare Transporte und ökologische Optimie-rung der zugelieferten Einzelteile und Verpackungen in den Vordergrund.

Der japanische Automobilhersteller Toyota hat zusammen mit dem sehr ef-fizienten Toyota Produktionssystem ein weltweit wegweisendes Lieferantensys-tem etabliert. Der Hersteller ist in ständigem Kontakt mit seinen Lieferanten,

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bespricht mit ihnen Rückmeldungen aus dem Produktionsprozess und von Kun-denseite und erarbeitet umgehend gemeinsame Lösungen.

Auch für die maritime Zulieferindustrie gilt: Erst dann, wenn nicht nur das Preisschild, sondern auch der ökologische Rucksack eines Zulieferteils den Kampf konkurrierende Anbieter um Aufträge entscheidet, wird sich eine Bran-che verändern. Transparenz ist die beste Initialzündung für diesen Sinneswan-del. Wer anhand der offenliegenden Fakten intensiv die Quellen durchforstet, kann die Umweltverträglichkeit seiner Zulieferungen genauso optimieren wie strategische Einkäufer seit Jahrzehnten bereits die Preise optimieren.

Manchmal kostet der Mehrwert „grün“ auch mehr Geld. Der Versandhan-delskonzern Otto Group lehnt zum Beispiel Billigangebote von Spediteuren ab, die auf hohem Treibstoffverbrauch oder mangelnder Sicherheit beruhen. Für Otto sind jeden Tag mehr als 300 Container weltweit mit Textilien unterwegs.

Abb. 43: Kunden achten immer stärker auf den ökologi-schen Rucksack eines Produkts. Dazu gehört auch die öko-effiziente Transportoptimierung auf einem Containerschiff

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Seit 1999 hat Otto es geschafft, den CO2-Ausstoß in seiner Logistik um 51 Pro-zent zu senken. Dazu hat Eckhardt Fechtner, Leiter der internationalen Logistik der Otto Group einen Drei-Punkte-Plan aufgestellt:

• Er beauftragt nur Anbieter, die modernste Flotten mit geringem Kraft-stoffverbrauch nutzen. Lagerleiter überprüfen ständig die Einhaltung dieser Vorgabe.

• Zweitens muss die Ware ohne Umwege oder Umladungen zu Otto ge-langen. Ob die Spediteure die vorgegebenen besten Routen tatsächlich fahren, prüft ein Tracking-System. Verstöße werden mit Strafen oder Stornos geahndet.

• Drittens soll jeder Container bis an den Rand beladen sein. In den Hä-fen Shanghai, Hongkong oder Seoul werden die Lieferungen einzel-ner Hersteller deshalb gebündelt verstaut. Um Retouren zu vermei-den, kontrollieren Otto-Mitarbeiter bei dieser Gelegenheit gleich die Qualität.

Neben Kosteneinsparungen durch direkte Wege und dichte Packung habe die Liefertreue und damit die Planungssicherheit zugenommen, was für ein Versandhaus ein entscheidendes Plus ist, so Fechtner gegenüber dem Manager Magazin. Beim Praxisforum Green Shipping 2011 in Hamburg stelle Fechtner die Anforderungen an den umweltfreundlichen Seetransport aus Verladersicht in den Mittelpunkt. Von 2008 bis Ende 2020 will die Otto Group, zu der auch der Logistikdienstleister Hermes gehört, ihre CO2- Emissionen um weitere 50 Prozent reduzieren. Der Handels- und Dienstleistungskonzern setzt dabei auf „ökologische Effizienz”, d.h. je mehr Tonnen Ware pro Tonne CO2 bewegt werden können, desto besser. In diesem Zusammen wurde 2009 erstmals der Product Carbon Footprint von ausgewählten Textilien (PCF) vorgestellt, um dem Verbraucher transparent u.a. die CO2-Belastung vorzurechnen, die eine Ware allein schon auf dem Transport verursacht hat.

Das Modell einer „Ecological Supply Chain“ (ESC), ökologisch optimierter Einkaufswege, vereint in der Regel ökonomische und ökologische Effizienz. Wichtig dabei ist eine lückenlose Dokumentation des Einkaufswegs für einen vertretbaren Kostenaufwand. ESC beinhaltet Managementstrategien zur Steue-rung der Aspekte Nachfrage, Produktbeeinflussung, Warenstrom und Informa-

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tionsfluss. Durch die Erfassung der Umweltfolgen, die in mehrstufigen, oft in-ternationalen Lieferbeziehungen auftreten, wird das Gesamtsystem ein-schließlich der Logistikprozesse nicht nur transparenter, sondern erwartungs-gemäß deutlich nachhaltiger.

Ausgeklügelte Logistikprozesse waren schon immer einer der Wettbe-werbsvorteile und Eckpfeiler für den Erfolg von Wal-Mart, den umsatzstärksten Handelskonzern der Welt. Im Jahr 2009 arbeiteten 2,1 Millionen Mitarbeiter weltweit für den Konzern, der Umsatz lag bei 408 Milliarden US-Dollar.

Die Prozesse rund um die Warenströme sind dort einem Bericht der Zeit-schrift „Supply Chain Management Review“ zufolge hocheffizient gestaltet. Dazu findet eine umfangreiche, stark elektronisch gestützte Kommunikation mit den Lieferanten statt.1988 setzte Wal-Mart bereits Technologie ein, um seine Warenströme zu optimieren. Hauptziel damals war es, der Discounter mit den niedrigsten Preisen Nordamerikas zu werden. Seit dem Jahr 2000 verfolgt der neue Konzernlenker Lee Scott das Ziel der Nachhaltigkeit.

Abb. 44: Eines der Ziele der neuen Wal-Mart Strategie: ökologi-sche optimierte Einkaufswege sollen die Treibstoff-Effizienz der

Wal-Mart Lkw-Flotte in zehn Jahren um 50 Prozent steigern.

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Dabei setzt er vor allem auf grüne Logistikprozesse. CEO Scott verordnete seinem Unternehmen im Jahr 2005 drei ökologische Durchbruchsziele, nach denen das Unternehmen nun ausgerichtet werden soll. Er möchte, dass seine Handelshäuser erstens zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, hat zweitens ein Zero Waste Programm gestartet, damit Wal-Mart kei-ne Abfälle mehr generiert, und will drittens künftig auch bei seinen Produkten voll auf Nachhaltigkeit setzen. Dem Fernsehsender MSNBC sagte Konzernlen-ker Scott: „Interessenswalter der Umwelt und zugleich profitabel zu sein, sind keine einander ausschließenden Ziele.“ Als Beispiel nannte er, wenn ein Last-wagen, der für Wal-Mart unterwegs ist, aus einer Gallone Diesel (3,7 Liter) eine einzige Meile (rd. 1,6 km) mehr herausholt, würde die gesamte Lkw-Flotte pro Jahr 52 Millionen US-Dollar einsparen.

„Wir haben früh erkannt, dass wir die gesamte Wertschöpfungsket-te betrachten müssen. Hätten wir uns nur auf unsere eigenen Ab-läufe konzentriert, wäre der Umwelteffekt nur ein Zehntel so groß“,

so Scott. Um die Einkaufswege stringent ökologisch zu optimieren, hat Wal-Mart Messgrößen für sauberen Einkauf und saubere Logistik definiert, die dann in einem System überwacht werden können. Bei den weltweiten Zulieferern wird so kontrolliert, dass sie soziale und ökologische Standards erfüllen. Um die genannten drei Durchbruchsziele zu erfüllen, hat Wal-Mart zunächst acht Maßnahmenpakete geschnürt:

• In drei Jahren ab Start des Programms die Treibstoff-Effizienz der Wal-Mart Lkw-Flotte um 25 Prozent, in zehn Jahren um 50 Prozent steigern.

• In sieben Jahren die Treibhausgase um 20 Prozent reduzieren. • In sieben Jahren den Energieverbrauch in den 6.000 Handelshäusern

um 30 Prozent steigern. • In drei Jahren die Abfallmenge um 25 Prozent reduzieren. • Kauf von diesel-elektrischen Kühllastwagen, die die Ladung ohne

laufenden Motor kühl halten können, um 400.000 Tonnen CO2 und 75 Millionen US-Dollar pro Jahr einzusparen.

• In fünf Jahren nur noch organisch angebaute Baumwolle zu kaufen und schädliche Monokulturen durch den Kauf von Feldfrüchten von

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den selben Landwirten zu verhindern (2008 wurde Wal-Mart bereits weltgrößter Abnehmer von organischer Baumwolle).

• Ab 2011 nur noch Fische und Meeresfrüchte zu verkaufen, die aus umweltzertifizierten Fischfang-Betrieben stammen, um Überfischung zu vermeiden.

• Handel mit Computern, die dem RoHS-Standards für gefahrlose Stof-fe entsprechen.

Um seine Kompetenz zu verbreitern, hat Wal-Mart 14 Nachhaltigkeits-Netzwerke aus Regierungsstellen, Umweltverbänden, Mitarbeitern und Liefe-ranten ins Leben gerufen, die gemeinsam an unterschiedlichen Themen arbei-ten, darunter alternative Kraftstoffe, globale Logistik- und Produktionsprozesse, Transportverpackungen, Chemieprodukte oder Elektronik. Diese Netzwerke haben nicht nur beratende Funktion, sondern sollen bei grundlegenden Unter-nehmensentscheidungen zur Nachhaltigkeit auch mitreden dürfen. Der Erfolg stellte sich bereits nach dem ersten Jahr heraus, mit Ersparnissen, die genauso hoch waren wie der Gewinn, den Wal-Mart mit mehreren seiner Großmärkte zusammen einfährt. Man darf freilich nicht verschweigen, dass die Anlaufkos-ten bei einem so großen Unternehmen wie Wal-Mart 500 Millionen US-Dollar betragen. In relativen Zahlen entspricht dies nur 2,8 Prozent des Jahresgewinns von 14 Milliarden US-Dollar im Jahr 2009.

Derartige Nachhaltigkeits-Netzwerke über die Wertschöpfungsstufen der maritimen Industrie hinweg zu bilden, könnte auch für den Schiffbau in Deutschland einen großen Fortschritt bei ökologischer, sozialer und ökonomi-scher Nachhaltigkeit bedeutet. Werften können diese große Aufgabe nur ge-meinsam mit ihren Montage- und Installationspartnern auf Lieferantenseite bewältigen. Es gilt, die Häufigkeit von Transporten zu reduzieren oder generell die erforderlichen Wege zu verkürzen, indem Kernlieferanten mit langfristigen Verträgen zu Standorten in direkter Nachbarschaft der Werft motiviert werden. Es gilt bedarfsgerecht zu produzieren, was Materialmengen, Zeitpläne sowie Sicherheits- und Qualitätsanforderungen betrifft. Netzwerke mit Lieferanten müssen geführt und dauerhaft motiviert werden. Verbesserte Versorgungssi-cherheit durch einen konsistent begleiteten Einkaufsweg und ein Plus in der Reputation dürften neben der gesellschaftlichen Verantwortung weitere Argu-mente für eine Umstellung von Einkauf und Logistik auf ein grünes Gesamtsys-

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tem sein. Haupttreiber wird wie immer die Nachfrage nach sauberen Schiffen sein, die durch eine veränderte gesellschaftliche Haltung und den gesetzlichen Rahmen gewährleistet wird.

Schiffselektronik und Green IT

Unter dem Begriff „Green IT“ werden ökologische Aspekte der Informa-tions- und Kommunikationstechnik und ihr Beitrag für eine nachhaltige Ent-wicklung zusammengefasst. Die Green IT World des Bundesverbandes BITKOM dokumentiert jährlich auf der Computer-Leitmesse CeBIT in Hanno-ver den Fortschritt.

Dabei geht es um weit mehr als nur um die Frage, wie man den Energiever-brauch von Computern, Monitoren und Servern senken kann oder die Frage, ob man auf den Ausdruck zahlreicher Unterlagen im maritimen Alltag nicht ver-zichten kann. „Green IT“ analysiert den gesamten Zyklus: Design, Produktion, Betriebs und Entsorgung oder Wiederverwendung von IT. Diese Analyse schließt eingesetzte Rohstoffe und Materialien ein, die gewonnen, verarbeitet, transportiert und recycelt werden müssen. Schadstoffhaltige Rohstoffe sollen in Hardware grundsätzlich vermieden werden. Selbst wenn man den rechentechni-schen Aufwand eines Vorgangs optimiert, gestaltet man IT ökoeffizienter. Jedes Email, das man versendet, jeder Aufruf einer Website, kostet Energie, belegt Speicherplatz und macht in Summe Erweiterungen von Rechenzentren erforder-lich, die weitere Ressourcen verbrauchen.

Laut einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Gartner Group sind weltweit im Jahr 2012 rund zwei Milliarden Rechner im Einsatz. IT verursacht der gleichen Quelle zufolge sogar mehr Kohlendioxid-Ausstoß als der weltwei-te Seeverkehr. Aufgrund des dynamisch steigenden IT-Ausstattungsgrades und ständig neuer Informations- und Kommunikations-Anwendungen und -End-geräte wird der Ressourcen- und Energiebedarf weiter enorm steigen. Energie-sparende Computertechnologie ist seit 1992 in den USA und seit 2002 in Euro-pa mit dem EnergyStar gekennzeichnet.

Auch Computernetzteile ziehen Strom im Stand-By-Modus, ebenso wie Drucker und viele andere Bürogeräte. Das Umweltbundesamt macht solche

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Leerlaufverluste in Deutschland für einen Stromverbrauch in Höhe von mindes-tens 22 Milliarden kWh pro Jahr verantwortlich. Das verursacht jährlich Kosten von rund vier Milliarden Euro und viele Millionen Tonnen CO2, die man ein-sparen könnte.

Erste Erfolge auf dem Weg zu umweltverträglicher Elektronik meldet Greenpeace: Weniger Produkte enthalten heute das krebserzeugende PVC und die Anzahl der verwendeten gesundheitsgefährdenden Chemikalien hat eben-falls abgenommen. Außerdem werden häufiger energiesparende LED-Anzeigen eingesetzt, oder recyceltes Plastik zur Fertigung neuer Monitore. Zusätzlich haben viele Unternehmen ihre Entsorgungsangebote verbessert.

Das ist auch dringend erforderlich: Im vergangenen Jahrzehnt ist der Com-puterschrott in Deutschland von 110.000 auf 250.000 Tonnen pro Jahr gestie-gen. EU-Weit sollen es sechs Millionen Tonnen pro Jahr sein. Weltweit fallen pro Jahr bis zu 50 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Daher wird es immer wichtiger, auf solche Elektronik zu setzen, für die es bereits Recycling-Konzepte gibt, vor allem wenn man das grüne Schiff der Zukunft plant. Zu den Unternehmen, die sich schon länger ernsthaft mit dem Thema Recycling befasst haben, zählt beispielsweise Fujitsu Siemens Computer, wo es seit 1988 ein ent-sprechendes Programm gibt.

Ein wichtiges Thema ist der Verzicht auf Blei in der Elektronik. So gibt es seit einigen Jahren bleifreies Lötzinn auf Silberbasis, das zwar einen höheren Schmelzpunkt besitzt, jedoch umweltfreundlicher ist. Die Japanische Elektro-nik-Industrie verzichtet bereits freiwillig auf bleifreie Verbindungstechniken, ähnliche gesetzliche Entwicklungen gibt es in China und Europa.

Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellt zwar die Verarbeitung oder der Verbrauch von mehr als 45 Kilogramm jährlich unter Meldepflicht, doch gibt es bislang noch keine Verbote für gefährliche Rohstoffe in Elektro-nikprodukten in den USA.

Die Crux: Knapp zwei Drittel der IT-Kunden in Deutschland sagen laut ei-ner Befragung von Ernst & Young, dass sie für grüne IT maximal 5 Prozent mehr zahlen wollen. Nicht einmal jedes zehnte Unternehmen ist bereit, 15 Pro-zent und mehr dafür auszugeben.

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Green IT an Bord kann bedeuten:

• Intelligentes Energiemanagement unter Abschaltung nicht-benötigter Einheiten; es gibt bereits Monitore und PCs, die im Stand-by-Modus null Watt verbrauchen

• Innovative Kühltechnologien für Rechner • Materialeffizienz und Einsatz nachwachsender Rohstoffe • Reduzieren von elektromagnetischer Strahlung • Vermeiden einer Schadstoffabgabe während Nutzung bis hin zu

Schadstofffreiheit • Ressourcenschonend können gerade an Bord eines Schiffs Kilometer

von Kabeln eingespart werden, indem Datenleitungen durch Funk-strecken (WiFi oder Bluetooth) ersetzt werden.

• Ab 2011 macht die neue Generation Bluetooth Low Energy auch drahtlose Kommunikation von Geräten sparsamer bzw erhöht die Laufzeit von mobilen Endgeräten.

• Beim Kauf von Rechnern ist auf die neue energieeffiziente Chip-Architektur zu achten, die Hauptprozessoren sparsamer macht.

• Der in Europa für die gängigsten Stromverbraucher geforderte Ener-giesparmodus für Bildschirme und Geräte, die nicht benötigt werden, lässt sich noch konsequenter anwenden.

• Aufgrund gestiegener Energiepreise und hoher Wartungskosten ent-scheiden sich immer mehr Unternehmen zum Outsourcing von Re-chenleistungen.

• Informationstechnik kann außerdem in vielen Bereichen dazu beitra-gen, grüne Prozesse an Bord zu optimieren.

Das Kieler Softwareunternehmen d.velop bietet die „d.ship – die di-gitale Schiffsakte“ an. Eine Reihe namhafter Reedereien verwendet elektronische Dokumenten Management Systeme, um jederzeit an Land oder an Bord Auskunft über technische Details, Bestellvorgänge oder Mailverkehr mit Schiffen zu erhalten oder den Workflow für elektroni-sche Belege im Unternehmen zu beschleunigen. Der tägliche Bordbe-trieb sowie Inspektionen machen das rasche Auffinden von Zertifikaten, Dokumenten, Dienstanweisungen und Nachweisen erforderlich.

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Die gesamte Schiffsakte wird digitalisiert und steht damit orts- und zeitunabhängig allen Beteiligten jederzeit zur Verfügung, für Manage-ment-Aufgaben, Wartungszwecke und Einkaufswesen genauso wie für das Ökomanagement.

IT kann nach den Vorstellungen von IBM die globale Gesellschaft intelligenter und transparenter machen, von der effizienteren Nutzung der Energiesysteme bis zur besseren Anpassung an den Klimawandel (Vision „A smarter Planet“). Informationstechnologie kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, Geschäftsprozesse unter grünen Aspekten zu optimieren und damit gleichzeitig erhebliche Effizienzge-winne zu nutzen.

Einsatz nachwachsender Rohstoffe

18 Prozent der deutschen Ackerfläche wurden im Jahr 2010 bereits für den Anbau nachwachsender Rohstoffe eingesetzt, das sind 2,1 Millionen Hektar. So genannte „NaWaRos“ sind organische Rohstoffe aus Land- und Forstwirtschaft, die der Mensch im Rahmen der Rohstoff- und Energiewende des ausgehenden 20. / beginnenden 21. Jahrhunderts jenseits der Nahrungsversorgung als Materi-alien nutzt. Die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe organisiert für das Bundeslandwirtschaftsministerium unter anderem die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie Information über Nachwachsende Rohstoffe (www.nachwachsende-rohstoffe.de).

Nachwachsender Rohstoff Nummer eins ist Holz: Mit rund 127 Millionen Festmetern werden in Deutschland erhebliche Holzmengen verarbeitet. Dazu zählen Waldholz, Industrierestholz und Gebrauchtholz Davon werden 57 Pro-zent stofflich genutzt, der Rest wird zur Energieerzeugung verwendet. Holz als Baumaterial für den Schiffbau wurde für den Bereich der Schiffskonstruktion diesem Buch bereits diskutiert. Unter bestimmten Bedingungen eignet sich Holz auch für den Innenausbau, allerdings sind die verschärften Brandschutzvor-schriften zu berücksichtigen, weshalb Verbundmaterialien mit Holzbestandtei-len der Vorzug zu geben ist.

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Für die Industrie sind pflanzliche Öle und tierischen Fette heute die wich-tigsten nachwachsenden Rohstoffe. Unter die sonstigen pflanzlichen Rohstoffe fallen Proteine bzw. Naturharze und Wachse die insbesondere in den Bereichen Klebstoffe bzw. Lacke und Farben verwendet werden. Aus den Industriepflan-zen kann man ökologisch vertretbare NaWaRo Farben gewinnen.

Pflanzen für Industriefarben werden derzeit auf 10.000 Hektar in Deutsch-land angebaut, das ist ein Zwanzigstel der Anbaufläche für nahwachsende Roh-stoffe in Deutschland insgesamt. Während Rapsöl, Rüböl, Leinöl und Sonnen-blumenöl aus heimischem Anbau stammen, werden Rizinusöl, Palmöle, Sojaöl und Kokosöl importiert. Letztere enthalten besondere Fettsäuren, die so in hei-mischen Ölen nicht verfügbar, aber begehrte Industrierohstoffe sind.

Schiffsbeleuchtung

Kreuzfahrtschiffe leuchten von weitem als „schwimmende Paläste“. Zur In-szenierung eines Luxusliners gehört zweifelsohne auch die Beleuchtung. Was viele der Passagiere nicht wissen ist die Tatsache, dass bis zu 40 Prozent des Kraftstoffs, der nicht für den Antrieb aufgewendet wird, für die Beleuchtung gebraucht wird. Osram arbeitet als einer der führenden Lichthersteller der Welt nach eigenen Angaben an der „Schiffsbeleuchtung der Zukunft“.

LED-Leuchtsysteme benötigen im Vergleich zu Leuchtstofflampen 60 Pro-zent weniger Strom, im Vergleich zu Glühlampen sogar 80 Prozent weniger. Gleichzeitig verlängert sich die Lebensdauer erheblich. Leuchtdioden müssen 20 Mal seltener ausgetauscht werden. In Verbindung mit einer innovativen Lichtsteuerung, die Verbraucher konsequent automatisch abschaltet, wenn sich niemand in der Nähe aufhält, wird noch mehr gespart. Da herkömmliche Lam-pen Wärme produzieren, sinkt durch den Einsatz von LED-Lampen auch der Energiebedarf für die Klimaanlagen.

Saubere intelligente Materialien im Innenausbau

Immer öfter wird bei allen eingesetzten Materialien und Stoffen auf ihre Umwelt Freundlichkeit bei erhöhter Funktionalität geachtet. Das beginnt bei so

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elementaren Fragen wie den durch Farb- oder Ausrüstungsmitteln hervorgeru-fenen Gerüchen und endet beim Einsatz von erneuerbaren Materialien und Energieträgern, aber auch dem Wasserverbrauch in den Herstellungsprozessen und dem gesamten Co2 Footprint. Ein neuer Trend ist dabei Multifunktionalität der eingesetzten Materialien, etwa vermittelt durch Nanotechnologien. Aus dem Alltag sind sie z.B. bei Einbauherden und Küchenblechen mit Nanopartikelchen nicht mehr wegzudenken, um Speisereste mit wenig Mühe zu entfernen. Von Wasser- und Schmutz abweisenden Kacheln perlen Flüssigkeiten ab, Schmutz ist leicht zu entfernen. Diese „Easy-to-clean-Solution“ basiert auf Beschichtun-gen, die die Oberflächenenergie chemisch herabsetzen und auf Metallen, Glas, Keramik, Stein- und Kunststoffen eingesetzt werden kann. Nanopartikel schüt-zen bei so ausgerüsteten Brillen z.B. vor Verkratzen. Auch Textilien bis hin zum Teppichboden in Schiffskabinen sind durch chemische Nanotechnologie vor Schmutz zu imprägnieren und erleichtern so das Säubern. Die Beschichtung ist transparent und nicht zu fühlen. In technischen Bereichen werden Nanotech-nologien für Flachbildschirme, Speicher oder organische Displays eingesetzt. Dünne High-Tech Kunststofffolien können künftig unter Strom gesetzt leuchten (OLED/organische lichtemittierende Dioden). Sie können Glühbirnen ersetzen und allein dadurch enorm Strom auch auf Schiffen einsparen helfen. Da OLEDs transparent sind, könnten Fenster und Bullaugen damit ausgestattet, die Neue-rungen in Möbeln oder Kabinenwänden integriert werden. Damit wären im Gegensatz zu Glüh- oder Halogenlampen auch großflächige Beleuchtungen möglich sowie wechselnde Farben.

Die sich insgesamt mit Nanotechnologien andeutenden Möglichkeiten sind außer ordentlich vielfältig. Nanotechnologie gilt als Zugpferd der Materialent-wickler, die in allen Bereichen neue Anwendungsgebiete erschließen können. Stoffe aus Nanoteilchen sind wesentlich dünner als ein menschliches Haar, bie-ten aber sehr großen Oberflächen, leiten Strom, isolieren Wärme, erhöhen die Bruchsicherheit und erscheinen so als wahre Wunderstoffe. Zweifelsfrei wird sich in Zukunft die Ausstattung aller Schiffskabinen durch die Materialinnova-tionen wesentlich verändern und werden dabei Klima- und Umweltaspekte an Bedeutung gewinnen.

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Ökodesign für alle maritimen Produkte

Friedrich Schmidt-Bleek plädiert als Vordenker der ökologischen Produkt-politik nicht allein für das viel stärkere Erfassen des gesamten „ökologischen Rucksackes“ und des CO2 Ausstoßes von Gütern und Dienstleistungen, sondern hat auch schon sehr früh „goldene Regeln“ mit der Designerin Ursula Tischner für Produkte von morgen aufgestellt. (Schmidt-Bleek/Ursula Tischner 1995, S.21 ff) In für die maritime Produktgestaltung verkürzter Form geht es dabei insbesondere um folgende sieben Regeln für die Produktgestaltung auf dem Wege zu nachhaltiger Zukunftsfähigkeit:

1. Einschließen des gesamten Lebenslaufs der Produkte „von der Wiege bis zur Bahre“ oder besser noch „von der Wiege bis zur Wiederge-burt“ als Bemessungsgrundlage der Umweltverträglichkeit

2. Erhöhen der Nutzungsintensität von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen, z.B. im Alltagsgebrauch oder Schiffsbetrieb

3. Senken der Materialintensität um den Faktor 10 bei allen Produkten und Prozessen mit Anheben der Ressourcenproduktivität, was z.B. wesentlich leichtere Produkte und verbesserte Rezyklierbarkeit ein-schließt

4. Senken der Energieintensität von Produkten, Prozessen sowie Dienst-leistungen im Durchschnitt um den Faktor 10, wie z.B. durch den Einsatz von LEDs im Lichtbereich möglich

5. Der Flächenverbrauch pro Einheit Nutzen/Dienstleistung muss beach-tet und minimiert werden bei entsprechender Erhöhung der Ressour-cenproduktivität. Hierbei geht es nicht nur um Hafenanlagen, sondern auch um den indirekten Landverbrauch, der z.B. durch logistische Anlagen oder bei der Rohstoffgewinnung entsteht

6. Der Ausstoß von Gefahrstoffen, insbesondere gefährlichen Klimaga-sen, muss eliminiert oder minimiert werden, wie etwa beim Einsatz von schwefelarmen Schiffstreibstoffen.

7. Der ökologisch zukunftsfähige Einsatz von erneuerbaren Ressourcen muss maximiert werden.

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Diese Regeln stimmen mit den Forderungen der UNEP (United Nation En-vironment Programme) und des World Business Council for Sustainable Deve-lopment (WBSCD) überein. Die maritime Industrie täte gut daran, sich eigene Maßstäbe für die Messung des Produktfortschritts in Richtung einer nachhaltig zukunftsfähigen maritimen Wirtschaft angelehnt an das MIPS-Konzept zur Material- und Energieintensität pro Serviceeinheit zu geben. (Vgl. Schmidt-Bleek, 1994).

Sauberer Einkauf von Ge-und Verbrauchsprodukten an Bord

In den letzten Jahren hat sich weltweit und besonders in Deutschland das Einkaufsverhalten bereits entschieden in Richtung größerer Verantwortung für die Zukunft verändert. Einen maßgeblichen Anstoß hierzulande lieferte bereits die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deut-schen Bundestages 1993, die „Wege zum nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen“ vorschlug. Die Leitbilder von damals für notwendige Verän-derungen haben bis heute nichts an Aktualität verloren, weil es nicht allein um konkrete Empfehlungen zu Analysen der eingesetzten Materialien und Stoffe in der gesamten Herstellung und im Ge- bzw. Verbrauch ging, sondern auch um zukunftsweisende Empfehlungen zur Neuorientierung der Wertvorstellung und um Leitbilder des Konsumverhaltens. Hieran anknüpfend ergeben sich für die maritime Wirtschaft und speziell den Seeverkehr und maritimen Tourismus große Möglichkeiten, bei jedem Einkauf auf das Einhalten ökologischer, öko-nomischer und sozialer Kriterien zu achten.

Wenn erst einmal das Bewusstsein für Veränderungen beim Erzeugen bzw. Weiterverarbeiten von Produkten und ihrer Verpackung geweckt wurde, erge-ben sich oft ganz neue Sichtweisen. Das Umweltbundesamt und zahlreiche Verbraucherorganisationen bieten Ratgeber und Einkaufsempfehlungen, die sowohl Klima- als auch umweltpolitisch relevante neue Maßstäbe berücksichti-gen. So wie es „Handbücher für den umweltbewussten Haushalt“ schon seit 1994 gibt, sollten spezielle ökologische maritime Einkaufsführer entwickelt und auf jedem Schiff praktiziert werden. Thüringen und Bayern haben beispielswei-se ökologische Einkaufsführer herausgegeben, Küstenländer sollten diesem Beispiel folgen und stärker zukunftsorientierte Einkaufswegweiser geben, damit diese an Bord umgesetzt werden können.

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Beispiele für grüne Einkaufsführer:

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Laut MAN als einem der führenden Hersteller von Schiffsdieselmotoren können weitere Verbesserungsmaßnahmen im laufenden Schiffsbetrieb dazu beitragen, ein Schiff umwelt- und klimaverträglicher zu machen. Dazu gehört beispielsweise die Optimierung von Pumpen und Hilfssystemen (1 Prozent Einsparung), eine automatische Motorensteuerung (1 Prozent) und MCR (Du-al/Multi Maximum Continuous Rating) als Abgabe einer gleichbleibenden Leis-tung (3 Prozent). Doch es fängt schon bei einfachen Dingen an: Wer seinen Hafen nicht kennt, dem ist jeder Wind günstig, sagte Seneca. Selbst die Naviga-tion in den Schiffen lässt sich noch modernisieren und mit modernen Verkehrs-leitsystemen vernetzen.

Vernetzte Routenplanung

Die deutsche Schiffbauindustrie hat nur dann eine Zukunft, wenn sie sich auf High-Tech-Marktsegmente konzentriert. Der Schiffbau muss Effizienz, Sicherheit und Umweltschutz mit höherer Leistungsfähigkeit kombinieren. Das Bundesforschungsministerium fördert Programme zur „Schifffahrt und Meeres-technik für das 21. Jahrhundert“. Dazu gehören auch neue präzise und zuverläs-sige Manövrier- und Navigationssysteme, die Kraftstoff einsparen und gleich-zeitig die Sicherheit für Mensch, Umwelt, Schiff und Ladung erhöhen.

www.oekolandbau.de www.gut-cert.de www.co2ol.de www.productpilot.com www.nachhaltigleben.ch www.greensta.de

www.bibay.de www.bioverzeichnis.de/portale.htm www.shopping.de/Oekologie www.ecomall.com www.globalstewards.org/ecotips.htm www.eco-footprints.net/pages/

ShoppingGuide.htm

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Das Projekt ADANAV befasst sich mit Adaptiver Navigation. Dahinter steckt die Idee eines neuartigen, präzisen Manövrier- und Navigationssystems, das schnelleres und sicheres Manövrieren erlauben und im weiteren Sinne einen Beitrag zum sicheren Seeverkehr und zum Schutz der Meeresumwelt leisten soll. Kollisionen und Strandungen sollen vermieden werden. ADANAV präzi-siert die Lage-, Kurs- und Geschwindigkeitsbestimmung und ist besonders auf Schiffe mit neuen Antrieben abgestimmt. Das Problem bei konventionellen Kurssystemen war, dass sie nicht genügend Informationen lieferten, um schnel-le Schiffe oder Schiffe mit neuen Antriebsformen wie POD-elektrische Antrie-be in extremen Situationen sicher zu steuern.

Abb. 45: Im Großen wie im Kleinen wichtig: Navigationssysteme helfen Sportbooten und Frachtschiffen ans Ziel. Nächster

Innovationsschritt ist eine wirklich vernetzte Routenplanung

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Die Schifffahrt setzt derzeitig auf die Navigation mit Kurs- und Bahnpiloten, die sich im Wesentlichen auf Positionsbestimmung durch Satelliten und auf Radarinformationen stützen. Eine ausreichend präzise Lagedarstellung des Schiffs ist damit nicht möglich. Auch wenn die Konturen des See- oder Hafen-gebietes durch das Kartenmaterial hinreichend genau beschrieben sind, so wird die Lage des Schiffs zu diesen Konturen nicht autark durch unabhängige Bordsensoren ermittelt. Eine Automatisierung der Schiffsführung beschränkte sich deshalb auf das selbständige Abfahren manuell eingegebener Wegpunkte, indem Abweichungen von der geplanten Sollbahn durch Gegensteuern kom-pensiert wurden. Der Einsatz dieser Systeme beschränkt sich allerdings auf die offene See, bei einem eingeschränkten Manöverraum und einer nicht kontinu-ierlichen Sollbahn versagen diese Systeme. Der Navigationserfolg hing bislang also wesentlich vom Können des Nautikers und seiner Einschätzung der Umge-bung ab, so dass Erfahrung eine große Rolle spielte.

Aus diesen Gründen wurde eine neuartige Manöverhilfe entwickelt, die den Manöverraum in räumlich eingeschränkten Revieren exakt bestimmt und für die Routenberechnung die bekannten Schiffsparameter einschließlich des schiffsspezifischen Bewegungsverhaltens zu Grunde legt. Für die automatisierte Suche nach einer optimalen Manöverbahn entstand eine Software, die auf der Basis von Expertenregeln Routenvorschläge erarbeitet, wobei die Wegpunktlis-te Parameter wie Position, geforderter Kurs, Geschwindigkeit, Rate of Turn, zurückgelegte Weglänge und Zeitstempel enthält.

Die Parameter der Adaptiven Navigation können vom Servicepersonal selbst eingestellt werden. Die Software wurde im Schiffsführungs-Simulator des Ma-ritimen Simulationszentrums in Warnemünde getestet. Beteiligt waren der Fachbereich Seefahrt der Hochschule Wismar, das Institut für Automatisie-rungstechnik der Universität Rostock, SAM Electronics aus Hamburg und Rheinmetall Defence Electronics aus Bremen.

Ein vergleichbares dänisches Projekt unter dem Namen SeaPlanner basiert auf einer laufend aktualisierten, zehntägigen Wetterprognose aus Nord- und Ostsee mit Informationen über Wind, Wellengang, Sturm und Eis, berücksich-tigt bei der Routenplanung neben Untiefen auf der Strecke auch das Optimum aus der (z.B. liefervertraglich) erforderlichen Ankunftszeit und einem energie-

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sparenden Optimum bei der Reisegeschwindigkeit. An dem Projekt waren die dänischen Organisationen DFDS, Force Technology und DMI beteiligt.

Innovative Verkehrsleitsysteme

In der Schifffahrt führt Verkehrstelematik zur deutlichen Erhöhung der Pro-duktivität und Verkehrssicherheit. Eine Kombination aus Navigation, Kommu-nikation und Verkehrsführung ermöglicht eine strategische Verkehrsplanung für die Schifffahrt. Dadurch können Kollisionen und Strandungen vermieden werden. Sollte es dennoch zu einer Havarie kommen, gewährleisten Verkehrs-leitsysteme schnelle Hilfe und Schadensbegrenzung durch die Einsatzkräfte. Sie vermeiden Verzögerungen und reduzieren Infrastrukturkosten. Auf der G7-Konferenz der sieben größten Wirtschaftsnationen der Welt wurden 1995 die Rahmenbedingungen für eine globale Informationsgesellschaft vereinbart. Dazu gehört das Projekt SAFEMAR, das weltweit Leit- und Verkehrssicherungssys-teme vorsieht. Die Integration von Schiffspositionen in neue Navigationssyste-me unter Verwendung von GPS und elektronischen Seekarten-Systemen bietet ein großes Potenzial zur Erhöhung der Sicherheit auf See, zum Beispiel um die Gefahr von Grundberührungen und Havarien zu reduzieren. Grundvorausset-zungen für den Einsatz maritimer Leitsysteme wie auch für die sichere Naviga-tion auf hoher See sind das exakte Vermessen des Seegebietes, eine genaue Positionsbestimmung sowie die Ortung von Schiffen. Hierzu eignet sich in der Seeschifffahrt das Satellitensystem GPS mit einer terrestrischen Differenzial-Zusatzkomponente als lokales System.

Zum 1. Juli 2002 wurde die Ausrüstungspflicht von Schiffen mit einem neu-en Automatischen Identifikations- und Informationssystem (AIS) festgeschrie-ben. AIS unterstützt die Schiff-zu-Schiff-Kommunikation im Rahmen der Na-vigation. Per AIS können Schiffe automatisch Daten über ihre Identität, über Kurs und Ladung austauschen, sobald sie sich in Funkreichweite befinden. Da-mit können unabhängig von einer Landinfrastruktur Kollisionen vermieden und der Verkehrsfluss optimiert werden. Das gesamte deutsche Hoheitsgebiet und weite Bereiche der Ausschließlichen Wirtschaftszone durch Verkehrszentralen werden überwacht, Informationen gelangen auch an angesteuerte Häfen.

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Die größte Herausforderung stellt eine intermodulare Verkehrsführung dar, das heißt über die unterschiedlichen Verkehrsträger hinweg. Durch das Ver-wenden standardisierter Ladeeinheiten wie Container und Wechselbrücken wird der kombinierte Verkehr zwischen Schiene, Straße und Wasserstraße gefördert.

Allerdings verfügen Speditionen, Schiffe, Bahn und Logistikdienstleister in der Regel über isolierte Datensysteme, die nicht miteinander vernetzt sind. Of-fene Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern würden die Disposition er-leichtern und eine Optimierung des Gesamtsystems ermöglichen. In Verbin-dung mit Hafenbetriebssystemen, Buchungs- und Logistikplattformen entstehen so mächtige Informationssysteme zur Steuerung der Handelsschifffahrt.

Abb. 46: Ein Beispiel für umweltfreundlichen Güterverkehr am Ro/Ro-Terminal im Hafen Rostock: Bahn und Schiff

werden in die Transportketten der Industrie einbezogen.

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• In der Deutschen Bucht und auf den angrenzenden Schifffahrtstraßen ist das weltweit größte zusammenhängende radargestützte Verkehrsleitsystem in Be-trieb. Die Leitstellen sind mit den Häfen von Hamburg und Bremen vernetzt.

• Im Binnenbereich befindet sich ein Verkehrsleitsystem an der Gebirgsstrecke des Rheins. Von der Zentrale in Oberwesel wird der Schiffsverkehr im engen und gewundenen Fahrwasser durch vier Radarstationen erfasst, ausgewertet und dann durch Lichtsignale gesteuert, um die Sicherheit trotz eingeschränkter Sicht und fehlender direkter Kommunikationsmöglichkeit zwischen den Schif-fen zu gewährleisten.

• Ein weiteres Beispiel ist die Steuerung des Verkehrs über die einschiffige Ka-nalbrücke Magdeburg.

• Auf der Mosel wird der Verkehr im Mosel-Verkehrs-Erfassungssystem beo-bachtet, um ein großräumiges Verkehrslagebild zu generieren.

• Elektronische Fahrrinnen-Informationssysteme geben umfangreichen Auf-schluss über die Lage der Fahrrinne und den aktuell erlaubten Tiefgang, der die maximale Beladung definiert. Wasserstandsvorhersagen erlauben zwei bis vier Tage im voraus die optimierte Ausnutzung von Streckenabschnitten der Binnenwasserstraßen Rhein, Elbe, Oder und Donau.

Sauberes Ballast- und Bilge-Wasser Management

Ballastwasser ist für die Stabilität eines Schiffs essenziell, zum Beispiel wenn die Ladung ungleichmäßig verteilt ist. In solchen Fällen kann ein Schiff im Hafen zwischen 10 und 50 Prozent seines Gewichts an Ballastwasser auf-nehmen und am Zielort wieder ablassen. Auf diesem Weg werden zehn bis zwölf Milliarden Tonnen Salzwasser pro Jahr von einem Teil der Erde in einen anderen gebracht. Meeresorganismen, Pflanzen und Tiere, erhalten zusammen mit dem Ballastwasser eine neue Heimat. Meeresbiologen nehmen an, dass zwischen 3.000 und 4.000 Arten so in Regionen gebracht werden, in die sie gar nicht hingehören. Vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe von Fukushima wird dies besonders deutlich, weil fünf bis sechs Wochen danach mit dem Ein-treffen der ersten Frachtschiffe aus Japan in Europa eine große Diskussion um radioaktiv verseuchtes Ballastwasser geführt wurde. Ballastwasser kann schon in unbelastetem Zustand ein Ökosystem aus maritimer Flora und Fauna durch-einander bringen und nebenbei auch die Fischerei schädigen.

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1983 wurde mit dem internationalen MARPOL I Abkommen die Trennung von Öl und Ballastwasser vorgeschrieben. Seither müssen alle Schiffe mit Bal-lastwassersystemen ausgerüstet werden. Es gibt verschiedenste Technologien, darunter chemische Behandlung, Erwärmung, Filterung, ultraviolettes Licht und vieles mehr, um das Wasser von Organismen aus fremden Regionen zu befrei-en. Eine entsprechende internationale Konvention zum Schutz der Meere vor Ballastwasser fördert in Absprache mit der Seefahrtsorganisation IMO die Ent-wicklung völlig neuer Ballastwasser-Technologien. Moderne Ladungsoptimie-rungssysteme können zudem den Bedarf nach Ballastwasser deutlich reduzie-ren.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Degussa und die Ha-mann AG arbeiten an einem neuen Verfahren zur Reinigung von Ballastwasser, bei dem mechanische und chemische Reinigungsstufen miteinander kombiniert werden. Diese reinigen das Ballastwasser sowohl von Sedimenten als auch von Bakterien und Krankheitserregern wie beispielsweise der Vogelgrippe.

Neben dem Ballastwasser rückt auch das Bilgewasser in den Fokus von Umweltvorschriften. Die Bilge ist der Kielraum eines Schiffs, in dem sich Leckwasser sammelt: Salzwasser, Kühlwasser, Treib- und Schmieröl, Ruß- und Schmutzpartikel werden bei der Entwässerung von Absetz- und Schlammtanks und beim Abfluss verschiedener Reinigungsprozesse freigesetzt. Die Internati-onal Maritime Organization IMO schreibt vor, dass Bilgewasser nur dann ins Meer eingeleitet werden darf, wenn der Restölgehalt weniger als 15 ppm be-trägt. Daher muss Bilgewasser erst gründlich aufbereitet werden. Mit konventi-onellen Trenntechniken ist dieser Grenzwert nicht kosteneffizient realisierbar. Einerseits kann man bei der Quelle beginnen und von vornherein sauberen Treibstoff verwenden. Dann entsteht weniger Schlamm und damit auch weniger Wasserverschmutzung. Andererseits gibt es Technologien wie die Zentrifugal-Behandlung des Bilgewassers. Dabei werden Emulsionen und Partikel effektiv vom Wasser getrennt, bevor dieses ins Meer abgelassen wird. Die öligen Rück-stände kann man an Bord in einem separaten Tank aufbewahren. Ein weiteres Verfahren ist die Mikrofilterung, bei der schwammartige Membrane eingesetzt werden, um unter Einwirkung von Schwerkraft kleinste Fremdstoffe aus dem Wasser herauszufiltern. Auch Stevenrohrabdichtungen dienen dazu, im Fall einer Ölleckage die Umwelt zu schonen.

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Die statische Trennung mit Absetztanks oder die Filtration erfordern jedoch entweder eine kostenaufwändige, regelmäßige manuelle Reinigung oder den Austausch von Filterelementen. Zudem werden dabei häufig Chemikalien benö-tigt, die nicht die beste Lösung für die Umwelt darstellen können. GEA West-falia hat aus diesem Grund einen Bilgewasser-Separator entwickelt, bei dem das abgeschiedene Öl für unterschiedliche Zwecke zum Beispiel als Treiböl wiederverwendet werden kann. Das wartungsfreie automatische System bewäl-tigt 200 bis 7.000 Liter pro Stunde und bringt den Restölgehalt unter das gesetz-lich vorgeschriebene Maß.

Wasseraufbereitung an Bord

Grauwasser (EU-Norm 12056-1) ist nur gering verschmutztes Abwasser, das beim Duschen, Baden oder Händewaschen anfällt und zu Brauchwasser aufbe-reitet werden kann. Als Schwarzwasser (ISO 6107-7:1997) bezeichnet man unterdessen das Abwasser aus Toiletten. 2003 wurde mit dem internationalen Abkommen MARPOL IV ein Einleitungsverbot für Schiffsabwasser verhängt.

Daher müssen Grau- und Schwarzwasser vor einer Einleitung ins Meer erst gründlich gereinigt werden. Zahlreiche Kreuzfahrtschiffe ließen deshalb ihre Abwasseranlagen umrüsten, um die Meeresverschmutzung einzudämmen. Für die Umsetzung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft kommt der Nanotechnolo-gie besondere Bedeutung zu. Um Wasserverschmutzungen zu verhindern, wer-den Prinzipien der Stofftrennung und der Katalyse angewendet. Nanoporöse Membranen trennen selektiv Schadstoffe und Ionen im Wasser.

Eine effektive Methode sind Bioreaktoren mit Membranen, die das Abwas-ser reinigen. Im ersten Bioreaktor findet eine Schlammabtrennung der organi-schen Substanzen statt. Der Rest fließt gefiltert in einen zweiten Bioreaktor. Membran-module mit einer Porenweite von 0,04 Mikrometer stellen sicher, dass die Biomasse sowie Bakterien, Viren und andere potenzielle Krankheitser-reger verlässlich herausgefiltert werden. Am Ende kann das Wasser schadlos ins Meer eingeleitet werden. Diese Technologie kann mit Vakuumtoiletten kombiniert werden, so dass die Menge an Schwarzwasser schon einmal vorab um ein Drittel reduziert werden kann. Außerdem kann aus Grauwasser, das in einem solchen Bioreaktor zu Brauchwasser aufbereitet wurde, problemlos für

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die Toilettenspülung verwendet werden. Die Inge watertechnologies AG am bayerischen Ammersee hat ein besonders stabiles Polymermembran-System entwickelt, das auch in Regionen mit stark wechselnden klimatischen Bedin-gungen einsetzbar ist. Als kleinste Kläranlage der Welt hat die Hans Huber AG eine ähnliche Technologie vorgestellt, die Wasser in sehr hoher Qualität direkt am Ort der Abwasserentstehung bereitstellt.

Kärcher hat 2008 eine mobile Trinkwasseraufbereitungsanlage vorgestellt, die mit einem Umkehrosmose-Membranfilter arbeitet. Da die Anlage ohne Verbrauchs-Chemikalien auskommt, sind die Betriebskosten sehr niedrig. Au-ßerdem ist die Anlage einfach zu bedienen und zu warten.

Abfallverarbeitung und -systeme

Als der Öko-Aktivist David de Rothschild aus der britischen Bankiersfami-lie im Frühjahr 2010 von San Francisco aus aufbrach, um in 130 Tagen rund 8.000 Seemeilen mit Solarenergie zum australischen Sydney zurückzulegen, setzte er ein Zeichen – mit einer besonderen Art des „Leichtbaus“: Aus 12.500 PET-Plastikflaschen hatte er einen Katamaran gebaut, um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass die Menschheit nach wie vor im großen Stil die Meere verschmutzt. Das Schiff „Plastiki“ präsentiert keine Lösung, sondern will als Apell verstanden werden, Abfall wiederzuverwerten statt ihn in die Weltmeere zu kippen.

Laut UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, bestehen 80 Prozent des Mülls auf den Meeren aus Plastik. Man geht davon aus, dass Jahr für Jahr rund eine Million Vögel und 100.000 Meeressäugetiere wegen Mülls im Meer sterben. Sehr oft führen beispielsweise Flaschen oder andere Gefäße mit Öffnungen zum Tod von Fischen oder anderen Meeresorganismen. Wissen-schaftler haben errechnet, dass die schwimmende Plastikmüllhalde allein im Pazifik zusammen genommen bereits die Größe Mitteleuropas einnimmt. Am dichtesten schwimmt der Abfall vor den karibischen Inseln. Dort kann man auf einem Quadratkilometer Meeresoberfläche 200.000 Plastikstücke zählen.

Für Plastik gibt es bereits seit weit mehr als drei Jahrzehnten ein generelles Verbot der Entsorgung im Meer. Nach Anhang V der MARPOL Vorschriften

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aus den Jahren 1973/78 und einer entsprechenden EU-Richtlinie 2000/59/EC gelten strenge Regeln für den Umgang mit Abfall auf dem Meer. Der Begriff Abfall beinhaltet Nahrungsmittel, Haushaltsabfälle und solche, die im Schiffs-betrieb anfallen. Während Plastik generell nicht im Meer entsorgt werden darf, ist die Einleitung sonstiger Abfälle aus Schiffen zumindest in Küstenregionen streng reglementiert.

Hauptproblem sind also nicht die Gesetze, sondern das Überwachen, ob die-se auch eingehalten werden. Auf hoher See gibt es kaum Zeugen für Umwelt-straftaten. Etwa zwei Drittel der Schiffsabfälle sinken sofort auf den Meeres-grund. So wie der Wal in der Sage den Jonas ausspuckte, so wirft das Meer zumindest ein Sechstel des Abfalls zurück an den Strand. Das verbleibende Sechstel, das nicht versunken oder an Strände gespült ist, schwimmt auf oder direkt unter der Meeresoberfläche. Nicht selten verklumpen sich Abfälle zu großen „Abfall-Inseln“, die immer weiter wachsen. Darauf werden, wie beim Ballastwasser, unzählige Tierarten von einer Meeresregion in eine andere trans-portiert, wo sie Ökosysteme empfindlich stören können, etwa in der sensiblen Polarregion.

Eine Reihe technischer Lösungen wäre am Markt verfügbar, um die Abfall-verarbeitung an Bord verantwortungsbewusst zu lösen. Doch dies erfordert Investitionen, die offensichtlich rein auf freiwilliger Basis eher nicht getätigt werden. So könnte auch hier, wie etwa bei der Dokumentation eines umwelt-verträglichen Antifouling-Systems, eines Tages der verpflichtende Nachweis, dass entsprechende Abfallsysteme an Bord installiert sind, Abhilfe schaffen.

Natürlich ist der Platz an Bord beschränkt. Am Beispiel der gefräßigen Rücknahmeautomaten für Plastikflaschen in Supermärkten sieht man jedoch, dass eine erhebliche Verdichtung des Materials auf ein Minium möglich ist. Solche Systeme gibt es inzwischen auch für Schiffe, so dass ein Sammeln der Abfälle an Bord durchaus realisierbar ist.

Da das Komprimieren ungetrennter Abfälle ein späteres Recycling er-schwert, ist eine vorherige Sortierung vorteilhaft. Ein weiteres Beispiel für in-novative Abfallsysteme ist die Plasma-Technologie. Plasma kann Temperaturen bis 6.000 Grad erreichen und Abfall in nichtgiftigen Schlamm verwandeln. Die

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komplexen Bestandteile von Plastik werden dabei in Wasserstoff und Kohlen-dioxid umgesetzt.

Abwärme-Nutzung

Abwärme aus Verbrennungsprozessen von Schiffsmotoren kann sinnvoll genutzt werden und spart so gut und gerne zwölf Prozent an Treibstoff und CO2 ein. Möglich wird dies durch eine Energierückgewinnung aus Abgasen, so ge-nannte Waste Heat Recovery. Dabei treiben die heißen Abgase von Schiffsdie-selmotoren, die bislang ungenutzt über den Schornstein abgeleitet wurden, Tur-bogeneratoren an. Aus der Wärme entsteht elektrischer Strom (bis zu 6 Mega-watt Energie bei einem herkömmlichen Frachtschiff), der viele Stromverbrau-cher an Bord versorgen kann, zum Beispiel große Kühlcontainer. Entsteht in der Wärmerückgewinnung mehr Strom als in der Regel an Bord benötigt wird, kann dieser über einen Elektromotor in zusätzliche Bewegungsenergie umge-wandelt werden, was die errechnete Ersparnis sogar noch erhöht.

Kreuzfahrtschiffe mit mehreren tausend Passagieren und rund eintausend Mann Besatzung brauchen so viel Strom wie eine Kleinstadt. Mehrere Restau-rants und Bars, Casinos, große Theater, Tanzflächen, Schwimmbäder und die Klimaanlagen in den Kabinen benötigen eine Menge Energie. Wie die Strom-

Abb. 47: Die Kraft-Wärme-Kopplung führt zu einem Wirkungsgrad von fast 75 Prozent auf einem Kreuzfahrtschiff

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und Wasserversorgung effizient gelöst wird, veranschaulicht untenstehende Grafik. Für rund 2.000 Kreuzfahrt-Passagiere rechnet man mit einem täglichen Wasserbedarf von 2,5 Millionen Litern. Da Trinkwasser in dieser Größenord-nung nicht mitgeführt werden kann, wird es aus Meerwasser gewonnen. Die dafür benötigte Prozesswärme kann ressourcenschonend entweder ebenfalls aus den heißen Abgasen oder aus den Kühlwasserkreisläufen der Schiffsmotoren entnommen werden. Das Gesamtsystem entspricht einer Kraft-Wärme-Kopplung, die fast 75 Prozent des in den Motoren umgesetzten Treibstoffs effi-zient nutzt. Zum Vergleich: Ein Automobilmotor kommt nur auf einen Wir-kungsgrad von knapp 30 Prozent.

Mit der heutigen Turboladertechnologie kann die Energie aus Abgasen me-chanisch, hydraulisch oder elektrisch genutzt werden. Spezifisch angepasste Energie-Rückgewinnungssysteme bringen deutliche ökologische und ökonomi-sche Vorteile. Neben dem verringerten CO2-Ausstoß können Waste Heat Recovery Systeme auch den Ausstoß an Stickoxiden signifikant reduzieren.

Pumpen an Bord

Pumpen aller Art verbrauchen viel Energie an Bord. Deshalb sind Ingenieu-re darauf gekommen, diese so auszulegen, dass ihre Geschwindigkeit variabel an den aktuellen Bedarf angepasst werden kann. Fallstudien zeigen ein Ein-sparpotenzial von 30 Prozent auf.

Wie Pumpen und Kühlwassersystem insgesamt auf einem Massengutfrach-ter mit einer Tragfähigkeit von 34.000 Tonnen ökoeffizient optimiert werden können, zeigt die dänische Kooperation des Marinepumpen-Herstellers Desmi mit dem Wärmetauscher-Hersteller APV und der Marine-Beratung Grontmij Carl Bro als Reaktion auf neue CO2-Grenzwerte. Zunächst wird die Energieef-fizienz von Schiffspumpen und Kühlsystemen überprüft. Das von Desmi entwi-ckelte System kann auch in bestehende Schiffe nachgerüstet werden und liefert real-time Daten über die Leistung des Kühlsystems und der Pumpen, aus denen Schlussfolgerungen für eine optimierte Installation gezogen werden. Schiffs-eigner berichten von einem um bis zu 70 Prozent niedrigeren Energieverbrauch allein im Meerwasser-Kühlkreislauf, zum Beispiel durch den Regelkreis zwi-schen Ist-Temperatur des Meerwassers und Soll-Geschwindigkeit der Pumpen.

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Ein 183 Meter langer Tanker wurde mit einem entsprechenden Frequenz-Converter ausgestattet, was eine 85-prozentige Ersparnis bei den für das Meer-wasser-Kühlsystem benötigten Pumpen nach sich zog. Bei einer Pumpe mit einem Energiebedarf von 55 Kilowattstunden, die 200 Tage im Jahr rund um die Uhr läuft, kann so eine Ersparnis rund 20.000 US-Dollar bedeuten, so dass ein Return on Investment bereits nach zwölf Monaten vorstellbar ist.

Erste Voraussetzung für eine Einsparung sind hocheffiziente Pumpen, zwei-ter Baustein der Maßnahme ist die Feinabstimmung des gesamten Systems. Pumpen werden in Schiffen nicht nur für Kühlwasser, sondern auch Ballast-wasser, Bilgewasser, Löschwasser, Treibstoff und flüssige Ladung verwendet. Durch kontinuierliche Anpassung des Pumpensystems an die tatsächlich benö-tigte Pumpleistung kann die Energie optimal eingesetzt werden. Die dänische Aalborg Universität entwickelt Steueralgorithmen, um Kühlsysteme für Contai-ner und Kühlräume an Bord energieeffizient zu regeln. Mithilfe fortgeschritte-ner Simulationen scheint ein Sparpotenzial von 45 Prozent realistisch.

GreenSteam Energiesparsystem

GreenSteam ist der eingetragene Wa-renname einer Technologie der Gruppe Decision3 auf den Färöern Inseln. Ganz in der Tradition maritimer Kompetenz der Wikinger, haben findige Wissenschaftler und Ingenieure dort ein umfassendes Ener-giesparsystem für Schiffe entwickelt, das zum Patent angemeldet wurde. Die Erfin-der bezeichnen ihr System als revolutionär, weil es in die Schiffssteuerung eingreift und dadurch deutlich Kraftstoff einspart. Stellschrauben sind zum Beispiel der com-putergestützte Trimm oder die adaptive Umdrehungszahl des Propellers, um den Vortriebswiderstand zu minimieren. GreenSteam kann ohne größere Modifikationen am Schiff eingesetzt werden und verleiht einem Schiff dennoch mehr als nur „grünen Anstrich“.

Abb. 48: GreenSteam

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Die Technologie ist das Ergebnis mehrjähriger Forschungsarbeit, die gesun-den Menschenverstand mit fortgeschrittener Ingenieurskunst vereint, um ein praktisches, einfach bedienbares Energiesparsystem zu erschaffen.

Der neue Ansatz basiert auf zwei Fakten: Erstens ist der Zusammenhang zwischen Kraftstoff-Effizienz und ihren bestimmenden Einflussfaktoren sehr komplex. So komplex, dass ein Fachmann das Optimum nicht ohne technische Hilfe findet. Zweitens ändern sich diese Faktoren sehr dynamisch. Daher wurde ein Ansatz gesucht, der alle entscheidenden Faktoren berücksichtigt und sich zunutze macht. Die Einführung eines GreenSteam Systems beginnt mit der Langzeit-Aufzeichnung von Daten vielzähliger Sensoren. Daraus entsteht ein Gesamtbild der sich verändernden internen und externen Einflussgrößen auf einem Schiff und seiner Auswirkungen auf die Kraftstoff-Effizienz in Abhän-gigkeit von der Geschwindigkeit. Für jedes Schiff wird ein spezifisches mathe-matisches Modell gebildet, in dem die Wirkungszusammenhänge festgehalten sind. Eine Software, die als Kernstück von GreenSteam gilt, greift auf dieses Modell zurück. So entsteht ein System, das jederzeit die optimale Empfehlung für einen kraftstoffsparenden Schiffsbetrieb gibt.

Der Ersteinsatz von GreenSteam fand auf einem Produktentanker statt. Die Nachfrage für diesen relativ jungen Schiffstyp in der Kategorie Frachtschiffe ist augenblicklich sehr hoch, weil er aus mehreren separaten Tanks besteht und deshalb viele unterschiedliche flüssige Frachten transportieren kann. Somit wird er der sehr volatilen Auftragslage im Frachtgeschäft gerecht. Gerade ein solches Schiff mit stark wechselnden Einsatzzwecken stellt die Leistungsfähig-keit eines flexiblen Energiesparsystems unter Beweis. Sekunde für Sekunde misst das System die momentanen Einflussgrößen an Bord, allen voran der aktuelle Trimm, die Vortriebskraft, der Zustand des Meeres, der herrschende Wind und die Ladung. Eine daraus resultierende Empfehlung wird sofort auf der Brücke angezeigt. Die Datenbank speichert auch detaillierte Treibstoff- und CO2-Berichte für die spätere Auswertung. Kraftstoff-Einsparungen konnten in einer Größenordnung von vier Prozent nachgewiesen werden (www.greenship.org).

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In eine ähnliche Richtung geht Siemens. Mithilfe neuronaler Netze sollen neue Aida Kreuzfahrtschiffe sogar lernfähig gemacht werden, meldet der Onli-ne-Informationsdienst silicon.de. In einem solchen „Smart Ship“ werden Be-triebsabläufe im Voraus bestimmt und die Energieerzeugung entsprechend op-timiert. Beispielsweise könnte man die Wellness-Bereiche während großer Bordveranstaltungen im Theater teilweise abschalten. Die verschiedenen Be-triebszustände lassen sich im Maschinenraum überwachen und steuern. Je nach Energiebedarf werden Dieselgeneratoren an- oder abgeschaltet. Die aktiven Aggregate können so in ihrem optimalen Wirkungsgrad von 85 bis 90 Prozent der Maximalleistung betrieben werden. Sie erzeugen nur den Strom, der jeweils für den diesel-elektrischen Antrieb und den momentanen Stromverbrauch an Bord benötigt wird.

Abb. 49: Das Aida Kreuzfahrtschiff „Diva“ bekommt weitere Verstärkung: Die geplanten neuen Luxusliner sollen

neuronale Netze erhalten und so stets mitdenken.

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Die Klimaanlage regelt sich variabel, je nach dem wie viele Passagiere zum Beispiel gerade im Restaurant sind, was Kohlendioxid-Sensoren von selbst bemerken. Sind in den Kabinen Fenster geöffnet, schaltet sich dort die Kühlung ab. Mithilfe des aktuellen Wetterberichts, der elektronisch ins System einge-spielt wird, werden die Ventilatoren an Bord – und davon gibt es Tausende – nur so kurz wie nötig eingeschaltet. Solche vorausschauenden Systeme sind bereits in der Siemens Gebäudeautomatisierung im Einsatz. Die Holland Ame-rica Line hat die Technik als eine der ersten Gesellschaften auf ihren Schiffen implementiert und spart damit jährlich 200.000 US-Dollar an Treibstoffkosten pro Schiff.

Geräuschdämmung

Eigentlich wollten drei Berufsschüler im Jahr 2008 nur herausfinden, ob Tongeber (so genannte Pinger) an Fischerbooten Wale von den Fischernetzen fernhalten können, um deren Leben zu retten. Doch das Ergebnis ihrer Arbeit erschütterte die drei Rostocker. Sie fanden auf dem Hamburger Segelfor-schungsschiff Aldebaran im Rahmen des Meereswettbewerbs „Forschen auf See“ heraus: Ein herkömmlicher Frachter erzeugt um sich herum ohrenbetäu-benden Lärm auf einer Fläche, die beinahe so groß ist wie ganz Hamburg. Mit Unterwassermikrofonen waren die drei in der Nord- und Ostsee unterwegs und untersuchten die Ausbreitung von Schall im Meer.

Das renommierte Geo-Magazin informierte seine Leser schon im Februar 2000 unter der Überschrift „Taub durch Schiffslärm“, dass hörgeschädigte Pottwale bei den Kanarischen Inseln vermehrt mit Schiffen zusammenstießen und schlechter Nahrung fänden. Wenn ein bis zu 20 Meter langes und mehr als 60 Tonnen schweres Tier mit einem Schiff zusammenstößt, ist nicht nur das Leben des Wals gefährdet. Meeresbiologen an der Universidad de Las Palmas untersuchten die Innenohren von zwei Pottwalen und stellten schwere Schädi-gungen im niederfrequenten Bereich zwischen 50 und 400 Hertz fest, in dem Bereich, in dem Schiffsmotoren und Schiffsschrauben Lärm verursachen. Die Auswirkungen seien dramatisch, folgerten die Wissenschaftler. Die Kommuni-kation der Tiere untereinander sei ebenso gestört wie ihre Fähigkeit zur Echolo-tung von Beuteobjekten, was sich bereits in einem Populationsrückgang be-merkbar mache. Wale benutzen Klicklaute und Gesänge, um sich zu orientieren

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und miteinander zu kommunizieren. Die Pennsylvania State University fand dazu heraus, dass Wale ihre Rufe bereits dem lauten Umgebungslärm anpassen. Buckelwale in Australien haben sich schon radikal umgestellt. Statt zu singen, weichen sie bei zunehmendem Geräuschpegel auf Klopfsignale mit den Brust-flossen auf der Wasseroberfläche aus. 2005 stellte die amerikanische Natur-schutzorganisation Natural Resources Defense Council in Los Angeles einen Bericht vor, wonach der hohe Lärmpegel der Ozeane durch Schiffsmotoren, U-Boote und Bohrungen, die Orientierung von Meeressäugern und Fischen stark beeinträchtige. Dabei forderten die Naturschützer unter anderem Grenzwerte für akustische Ortungssysteme von Militärschiffen, um die Tiere zu schützen.

Zum Schutz der Wale könnte man ihre akustischen Signale auffangen, um so ihre Position zu bestimmen und zumindest Kollisionen zu vermeiden. Noch wichtiger wäre es allerdings, den Unterwasserlärm von Motoren und Propeller zu reduzieren. Insbesondere teilgetauchte oder Luft ziehende Propeller oder solche, die mit Druckseitenkavitation betrieben werden, erzeugen Unterwasser-lärm.

Es gibt seit einigen Jahren die Möglichkeit, auf leisere Schiffsmotoren um-zusteigen, die elastisch auf Gummi gelagert sind. MAN Diesel & Turbo hat solche leiseren Motoren im Programm. Dies ist besonders bei Viertaktmotoren sinnvoll. Die größeren, langsam-laufenden Zweitakter verursachen ohnehin spürbar weniger Unterwasserlärm. Wärtsilä hat ein patentiertes Compact Silencer System (CSS) auf den Markt gebracht, dass ungewünschten Lärm auch für die Tierwelt ausblenden soll. Nach Angaben des Herstellers sei eine schlan-ke Lösung gelungen, die effektiv arbeite, wenig wiege und einfach zu installie-ren sei. Nun dürfen diese Angebote der Zulieferindustrie nur nicht auf „taube Ohren“ stoßen.

Corporate Social Responsibility gegenüber dem Bordpersonal

Weil der wirtschaftliche Erfolg eines Schifffahrtsunternehmens maßgeblich davon abhängt, dass sich die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen und sich verwirklichen können, fördern verantwortlich handelnde Schiffsbetreiber Kompetenz und Eigeninitiative ihres Bordpersonals.

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Als führender deutscher Kreuzfahrtanbieter mit acht Schiffen (ab 2013 zehn) hat Aida Cruises in Rostock eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet, die den Wachstumskurs des Unternehmens langfristig absichern soll. Aida legt großen Wert darauf, seine wirtschaftlichen Erfolge mit den Bedürfnissen von Umwelt und Gesellschaft in Einklang zu bringen. Das schließt die Verantwor-tung für die eigene Belegschaft mit ein. Dazu hat das Unternehmen ein Inte-griertes Management System (IMS) etabliert, das dazu dienen soll, Strukturen und Prozesse bei Aida zu optimieren. Das betrifft vor allem die Bereiche Quali-tät, Umwelt, Arbeitssicherheit, Hygiene und soziale Verantwortung. Leitlinien und Maßnahmen werden regelmäßig analysiert und verbessert. Die Klassifizie-rungs- und Zertifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd hat im Jahr 2009 das IMS von Aida ISO 9001:2000 zertifiziert.

Die Herausforderung eines Schiffsoperators besteht darin, seine Mitarbeiter langfristig an sich zu binden und neues qualifiziertes Personal zu gewinnen. Aida beschäftigt rund 5.000 Mitarbeiter aus 26 Nationen. Davon leben und arbeiten 90 Prozent an Bord. Neben Kundenservice und Qualitätsbewusstsein vermittelt das Management den Mitarbeitern auch Weltoffenheit. Zur Corporate Social Responsibility an Bord gehört auch, dass regelmäßige Bildungsmaßnah-men und Informationsveranstaltungen für die Mitarbeiter durchgeführt werden. Alle Führungskräfte leben eine Kultur der offenen Türen als direkte Aufforde-rung zum Dialog, wenn jemand etwas auf dem Herzen hat. Nicht nur auf Basis des unterzeichneten Manteltarifvertrags, sondern auch aus Respekt vor den Mitarbeitern werden diese frühzeitig einbezogen, wenn Aufgaben in ihrem Ver-antwortungsbereich neuen Herausforderungen angepasst werden sollen. Ein strategisches Kompetenzmodell verdeutlicht die Anforderungen an jeden ein-zelnen Mitarbeiter und fördert die Weiterentwicklung auf Basis seiner Stärken. Jeder der 5.000 Mitarbeiter erhält eine persönliche Leistungsbeurteilung. Die Rolle des einzelnen für das Wohl des ganzen Unternehmens kommt auch in einem innovativen Ideenmanagementsystem zum Ausdruck, wo Anregungen für Verbesserungen gesammelt und honoriert werden.

2008 hat Aida die European Cruise Academy in Rostock gegründet und ein eigenes international ausgerichtetes Ausbildungskonzept für die moderne Kreuzfahrt entwickelt, das gemeinsam mit der Hochschule Wismar umgesetzt wird. Einzigartig in der Schifffahrt ist die Ausbildung zum Mechatroniker an Bord der Aida Flotte. Neue Mitarbeiter werden auch in Aida Trainingscentern

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auf den Philippinen, in Indien und Indonesien mit der Unternehmensphiloso-phie und dem Leben und Arbeiten an Bord vertraut gemacht.

Damit die Mitarbeiter gesund bleiben, steht dem Personal der Kreuzfahrt-schiffe ein eigenes Fitnessstudio an Bord zur Verfügung. Außerdem werden Gesundheits-Checkups und ein ernährungsbewusster Speiseplan angeboten. Umfangreiche Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen sollen die Sicherheit und Unversehrtheit der Beschäftigten gewährleisten. Ab zweijähriger Betriebs-zugehörigkeit finanziert der Arbeitgeber die Altersversorgung. Um Diskrimi-nierungen vorzubeugen, wurde ein Code of Business Conduct and Ethics verab-schiedet. Das Fallbeispiel Aida ist leider nicht repräsentativ für die gesamte Schifffahrt. Doch es sollte Schule machen.

Saubere Fahrten auch unter anderen Flaggen

„Billigflaggen“ werden im Englischen "Flags of convenience" genannt, weil Reedereien damit meist das Ziel verfolgen, Kosten zu sparen. So sind Schiffs-register sogar in Ländern entstanden, die gar nicht am Meer liegen. Nicht ohne Grund werden Zweigstellen von Reedereien in Ländern mit Billigflagge gele-gentlich mit Briefkastengesellschaften gleichgesetzt. Neben der Niedrigbesteue-rung in Billigflaggenstaaten sind Lohn- und Sozialkosten durch andere Tarifre-gelungen meist niedriger. Vor allem jedoch sind die Sicherheits- und Beset-zungssstandards in zahlreichen Billigflaggenstaaten einfacher gehalten. Das spart gegenüber deutschen Regelungen zu Zahl und Qualifikation der Besat-zungsmitglieder erhebliche Kosten. Nach Angaben der Internationalen Trans-portarbeiter-Föderation ITF fuhr die Mehrzahl der Schiffe, die in Havarien verwickelt ist, unter einer Billigflagge. Die meisten Handelsschiffe der Welt fahren unter der Flagge von Panama. Weitere Billigflaggenstaaten sind bei-spielsweise Liberia, Bahamas, Antigua und Barbuda, Malta, Zypern, Kambod-scha und die Philippinen.

Um die Jahrtausendwende gab es zwei folgenschwere Unfälle vor den Küs-ten Frankreichs und Spaniens, die zu einer erheblichen Meeresverschmutzung führten. Der Öltanker Erika verunglückte am 12. Dezember 1999 vor der Bretagne, als er im Auftrag des französischen Konzerns TotalFinaElf unterwegs war. Das damals 24 Jahre alte Schiff war im Besitz eines Italieners, fuhr jedoch

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unter der Flagge von Malta. Bei Windstärke zehn und einem Wellengang bis 14 Meter zerbrach es in zwei Teile und sank. Der Öltanker hatte 2.800 Tonnen mehr Öl geladen als erlaubt. Bei dem Unwetter waren lange Risse im Rumpf des überladenen Tankers entstanden. Knapp 20.000 Tonnen Erdöl flossen ins Meer. Hunderte Küstenkilometer wurden verseucht. In der Folge der Ölpest starben mehr als 150.000 Seevögel. Der verursachte Wirtschaftsschaden, ohne die ökologischen Folgen, wurde auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt.

Das Schiff war zuvor mangelhaft repariert und dennoch von der italieni-schen Klassifikationsgesellschaft Rina für seetüchtig befunden worden. Ein französisches Gericht verurteilte TotalFinaElf, den italienischen Eigentümer und die Rina zu einem Schadensersatz von rund 200 Millionen Euro. Die Be-klagten gingen in Berufung, verloren jedoch. Der Ölkonzern habe wegen der Anmietung eines altersschwachen Schiffes fahrlässig gehandelt, so die Beru-fungsrichter.

Am 13. November 2002 kam es erneut zum folgenschweren Untergang ei-nes Öltankers im Atlantik. Es handelte sich um ein 26 Jahre altes Schiff namens „Prestige“, das nur noch drei Jahre eingesetzt werden sollte. Das American Bureau of Shipping hatte das Schiff dennoch für seetüchtig erklärt. Das Schiff hatte liberianische Besitzer, fuhr für eine griechische Reederei unter der Flagge der Bahamas, hatte einen griechischen Kapitän und eine rumänisch-philippinische Besatzung und transportierte Öl für einen russischen Konzern mit Sitz in der Schweiz. Es war mit 77.000 Tonnen Schweröl beladen, als vor der spanischen Küste Wasser in zwei Ballasttanks eindrang, woraufhin das Schiff Schlagseite bekam. Um ein Kentern zu verhindern, flutete die Mann-schaft Ballasttanks auf der anderen Seite. Der Rumpf des alten Schiffs hielt der Belastung jedoch nicht stand. Aus einem 35 Meter langen Riss lief Öl aus. Eine Woche später zerbrach der Rumpf, das Schiff sank. 64.000 Tonnen Öl verpeste-ten eine Küstenregion von knapp 3.000 Kilometern, worauf 250.000 Seevögel starben. Zwei Jahre später wurde das restliche Öl aus 3.600 Metern Tiefe ge-borgen. Die Bergeaktion kostete 100 Millionen Euro.

Ungefähr eine Milliarde Tonnen Erdöl werden jedes Jahr durch EU-Häfen und EU-Gewässer transportiert. Fast die Hälfte der europäischen Schiffe ist älter als 20 Jahre. Die Europäische Gemeinschaft reagierte auf die beiden Un-glücke von „Erika“ und „Prestige“ mit zahlreichen neuen Verordnungen und

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Richtlinien zu Schiffssicherheit, Unfall-Management auf See und zum Mee-resumweltschutz. Dabei wurde vor allem thematisiert, wie man künftig mit Schiffen umgeht, die unter Drittflagge verkehren. Obwohl 40 Prozent der Welt-handelsflotte von EU-Unternehmen kontrolliert werden, segeln nur 25 Prozent unter der Flagge eines EU-Mitgliedstaats. Internationale Standards für Sicher-heit im Seeverkehr und Umweltschutz gibt es inzwischen gute. Die meisten davon besitzen als Abkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) weltweite Gültigkeit. Doch viele Staaten und Reeder halten sich nicht an die Vorschriften. Dadurch gefährden sie Besatzung und Umwelt und profitieren zugleich von unlauterem Wettbewerb. Mit der Verschärfung von Kontrollen eilte die EU der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO voraus. Aber auch dies war ein langwieriger Prozess.

Im Zuge des deutschen Engagements für eine Vorschrift zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen-Tankern beim Europäischen Parlament äußerte der Bundesrat am 14. März 2003 in einem Beschlussprotokoll, dass eine nach-haltige Verbesserung der Sicherheitssituation nur erreicht werden könne, wenn die vorgesehenen Hafen- und Transportverbote nicht nur für Schiffe unter EU-Flaggen, sondern auch für Schiffe unter Drittflaggen gelten,

„zumal die überwiegende Anzahl der vorhandenen Tanker unter Drittlandsflagge fährt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass zunehmend unternormige Tankschiffe für russische und baltische Öltransporte die Ostsee passieren und den hiermit verbundenen steigenden Risiken für die deutsche Ostseeküste, ist es aus deut-scher Sicht entscheidend, dass die EU-Regelungen schnellstmög-lich in das internationale Seerecht übernommen werden. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, gemeinsam mit allen EU-Staaten und der Kommission bei der Internationalen Schiff-fahrtsorganisation (IMO) darauf hinzuwirken, dass die entspre-chenden Vorschriften des vorliegenden Verordnungsvorschlags unverzüglich in das internationale Regelungswerk der IMO über-nommen werden.”

Im Juni 2007 kam es im Europäischen Rat zu der Übereinkunft, die Hafen-staat-Kontrollen auszuweiten, so dass jedes vierte Schiff, das unter Drittflagge fährt, kontrolliert wird. Früher konnten nur Schiffe, die unter der Flagge eines

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Mitgliedstaates segelten, kontrolliert werden. Oft havarieren in EU-Gewässern jedoch schlecht gewartete Schiffe aus Drittstaaten. Aus diesem Grund hatte die EU bereits Mitte der 90er Jahre Hafenstaatkontrollen eingeführt, um ausländi-sche Schiffe, die EU-Häfen anlaufen, zu kontrollieren. Die EU führt dazu eine „schwarze Liste“ von Schiffen, denen der Zugang zu EU-Häfen verweigert wird.

2008 beabsichtigte die Europäische Kommission, die IMO-Regelungen zur „Flaggenstaatenpflicht“ in der EU verpflichtend zu machen. Damit hätten die Mitgliedsstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass Schiffe unter ihrer Staatsflag-ge bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen. Es sollten auch regelmäßige Kon-trollen und Bewertungen eingeführt werden. Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten lehnte jedoch die Entwürfe ab, weil sie hohe zusätzliche Kosten fürchteten. Die IMO-Regelungen sind dagegen schwächer ausgelegt und über-lassen den Einzelstaaten große Ermessensspielräume. Lediglich Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien unterstützen unter dem Eindruck der vorausge-gangenen Ölkatastrophen die EU-Initiative. Ein halbes Jahr später erreichte der Vermittlungsausschuss zwischen Europäischem Parlament und Europäischem Rat eine Kompromissformel, die die Flaggenstaatspflicht jedoch deutlich ab-schwächte.

Im Zuge eines politischen Ringens um besseren Meeresschutz wurde die Eu-ropäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) gegründet, zur Konzeption und Durchführung EU-weiter Maßnahmen. Mit einer EU-Förderung von zunächst 154 Millionen Euro soll die EMSA Spezialschiffe für Katastrophen bereithalten sowie anhand von Satellitenbildern Verschmutzungs-fälle aufdecken und beteiligte Schiffe identifizieren.

Umweltfreundliche Sicherheitstechnik

Mehr Sicherheit und Umweltfreundlichkeit hat sich seit 2001 ein For-schungs-Industrie-Bündnis in Rostock unter dem Namen „Maritime Safety Assistance“ zum Ziel gesetzt (www.maritime-safety.de). Elf Unternehmen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, wollen Systemprodukte und -dienstleistungen entwickeln und auf den Markt bringen, die als Assistenten einem zuverlässigen Zusammenwirken von Mensch, Technik und Management

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in Seetransport-Prozessen dienen.Die Rostocker Know-how-Schmiede hat dazu Mess-, Überwachungs- und Diagnosetechnik mit maritimer Software und Au-tomatisierungstechnik sowie Teleservices vereint. Als Ergebnisse entstehen:

• Integrierte Schiffs- und Flottenmanagementsysteme mit „Rundum-Assistenz“ z.B. für zustandsbasierte Instandhaltung und IMO-Management, Onboard-Assistenz und Fernunterstützung auf einer standardisierten Plattform

• Schiffsautomatisierungssysteme mit neuartigen Assistenzfunktionen, z.B. zur intelligenten Gefahrenabwehr oder zur zustandsbasierten Manöveranzeige

• Maritime E-Services auf einer gemeinsamen Webservice-Plattform für alle Arten von weltweiter Fernunterstützung, z.B. für Distant Learning, Remote Diagnostics oder Teleconsulting

Maritime Safety Assistance wendet sich an die maritime Industrie Europas sowie an Betriebe in Ost- und Südostasien. Deshalb beteiligten sich die Rostocker am Aufbau eines Maritimen Simulationszentrums im indonesischen Semarang. Langfristig soll ein internationales Netzwerk für maritime Spitzen-kompetenz entstehen. Das Bundesforschungsministerium unterstützte die Initia-tive mit 6,6 Millionen Euro, damit Lösungen für die Schiffssicherheit entwi-ckelt werden. Dazu gehören:

• Planungssystem zur Optimierung maritimer Transportketten • Zustandsbasierte Manövrieranzeigen für die Schiffsführung • Telediagnose- und Teleinformationssystem für Schiffsantriebsanlagen • Integriertes Instandhaltungsmanagementsystem für Seeschiffe • Plattform für betriebsbegleitendes Training in der Seeschifffahrt • Intelligentes Gefahrenerkennungs- und Abwehrsystem für Seeschiffe • Umwelt- und Entsorgungskontrollsystem • Integriertes Supportsystem für das Sicherheits- und Security- Ma-

nagement.

Auf diese Weise sollten aus der Region Rostock Schlüsseltechnologien für maritime Mechatronik und Lebensdauerservice für eine weltweite Steigerung der Schiffssicherheit entstehen. Im Ergebnis befindet sich ein neuartiges Um-

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welt-Entscheidungshilfesystem gerade in der Phase der Patentanmeldung. Au-ßerdem wurde ein Simulator für die technische Diagnostik an Schiffsdieselmo-toren entwickelt, der für Trainings- und Instandhaltungszwecke genutzt werden soll. Um die Übertragung großer Datenmengen zwischen Bord und Land zu verbessern, wurde eine geeignete Schiffsmanagement-Plattform geschaffen.

Sie erlaubt Ferndiagnostik, Instandhaltungsplanung, Sicherheits- und Um-weltmanagement. Auch Entscheidungshilfen werden damit zwischen Bord und Reedereien ausgetauscht. Patentiert wurde unterdessen ein Verfahren zur gere-gelten Löschung von Raumbränden, auf Basis eines Kaskadensystems mit spei-cherprogammierbarer Steuerung, das sowohl auf dem Container-Prüfstand als auch in einer Großversuchsreihe erfolgreich getestet wurde. Außerdem entstan-den neuartige Methoden und Verfahren für zustandsbasierte Manöveranzeigen in der Schiffsführung, unter anderem unter Berücksichtung von Umweltbedin-gungen.

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Wenn ein Schiff den Zielhafen angesteuert hat, gehen die Passagiere von Bord. Doch für die Schiffs- und Hafenmitarbeiter fängt schon die nächste Ar-beit an. Die Ladung muss zügig gelöscht, neue Ladung an Bord gebracht wer-den. Für Containerschiffe zum Beispiel ist das Einhalten der vorgegebenen Lieferzeiten extrem wichtig. Je besser die Logistik vorab durchorganisiert ist, desto effizienter läuft dieser Vorgang ab. Das bringt Ruhe in den Zeitplan der Reederei und erlaubt eine klimafreundliche Reduzierung der Reisegeschwin-digkeit.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Ver- und Entsorgungsprozesse, die im Hafen abgewickelt werden. Und während sich das Schiff im Hafen be-findet, braucht es Strom. Auch dafür gibt es inzwischen intelligentere Lösungen als den Betrieb von Dieselgeneratoren, zur Freude der Anwohner und zum Schutz der Umwelt.

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Landstromversorgung

Hafenbetreibergesellschaften geraten zunehmend unter politischen Druck der Anwohner, etwas gegen die Schadstoffemissionen der vor Anker liegenden Schiffe zu unternehmen. Die Luftverschmutzung in den Häfen ist vor allem auf Hilfsmotoren für Lüfter, Bordelektronik, Kräne und Licht zurückzuführen.

Um Schiffe im Hafen ökoeffizient zu versorgen, wurde die Landstromver-sorgung ersonnen. Damit kann man auf den Betrieb eines Dieselaggregats ver-zichten, das pro Kilowattstunde durchschnittlich zwölf Gramm Stickoxide pro-duziert. Bezieht man Strom aus einem Kraftwerk an Land, so fällt dort aufgrund moderner Rauchgaswäsche nur ein Bruchteil an Abgasen an, im europäischen Durchschnitt 0,35 Gramm Stickoxid pro Kilowattstunde. “Alternative Marine Power” oder “Cold Ironing” (Bügeln während das Eisen aus ist) nennt man die Landstromversorgung im Fachjargon. Unter dem Strich spart ein Contai-

Abb. 50: Im Herbst 2008 wurde in Lübeck Deutschlands erste Land-stromversorgung in Betrieb genommen. Die schwedische Schiff-

fahrtslinie Transatlantic war der erste Kunde.

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nerschiff in Deutschland so 13 Tonnen CO2 am Tag und mindestens 95 Prozent an SOx.

Künftig ist mit einer Kopplung der deutschen Hafenentgelte an Schadstoff-klassen zu rechnen. Auch die EU drängt darauf, dass Schiffe künftig landseitig mit Strom versorgt werden, während sie sich im Hafen aufhalten, so dass sie in dieser Zeit ihren Maschinenraum ganz abschalten können.

Im Herbst 2008 wurde in Lübeck Deutschlands erste Landstromversorgung in Betrieb genommen. Die schwedische Schifffahrtslinie Transatlantic war der erste Kunde. Ein sogenanntes Siplink-System erlaubt eine elektrische Verbin-dung von Schiffs- und Landnetz, auch wenn die Frequenz des Stroms unter-schiedlich ist. Bei zwei Dritteln aller Schiffe weltweit funktioniert das Bordnetz mit 60 Hertz, während das europäische Stromnetz am Festland mit 50 Hertz funktioniert. Für die Landstromversorgung in Europa ist daher eine Anpassung erforderlich, wie sie die Siplink-Lösung von Siemens erlaubt. Neben der pas-senden Frequenz besteht auch internationaler Harmonisierungsbedarf bei den Strom-Anschlüssen. Die bevorstehende Umrüstung wird pro Schiff wohl Kos-ten von bis zu einer Million Euro verursachen. Die Landstromversorgung ist nicht mehr aufzuhalten. Auch der Hamburger Hafen denkt bereits über eine solche Lösung für die Kreuzfahrtschiffe nach.

Das Beratungsunternehmen Accenture hat im Rahmen europäischer „Smart City“ Projekte bereits die Hafenstädte London und Amsterdam in Sachen Kli-mafreundlichkeit beraten. Amsterdam will die Treibhausgase dadurch senken, dass zahlreiche Minikraftwerke errichtet werden, die regenerative Energie er-zeugen. Diese sollen mit Steckdosen für Schiffe und Hausboote ausgestattet sein. Übriger Strom, der nicht von Schiffen genutzt wird, soll in die lokale Energieversorgung eingespeist werden. Das Prinzip nennt sich ‘Ship to Grid’ und soll sehr anwenderfreundlich funktionieren: Über ein Pay-per-telephone Verfahren können sich Kapitäne mit einem Zugangscode die Energieversor-gung freischalten lassen, Bezahlvorgang inkludiert.

Im Mai 2010 gab Yusen Terminals Inc., eine Tochter der japanischen NYK Lines, die Fertigstellung einer Solaranlage im Hafen von Los Angeles bekannt. 96 Solarmodule produzieren dort pro Jahr 11.800 Kilowattstunden. Dies ist Teil seines Ship-to-Shore Programms seit November 2007 für alternative Stromver-

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sorgung von Schiffen im Hafen. Der Umwelteffekt ist genauso hoch als würde man jedes Jahr 23.000 Quadratmeter Wald neu anpflanzen.

Ökoeffiziente Ver- und Entsorgungsprozesse

„Turnaround time in Port“ lautet der englische Fachausdruck für die Zeit, die der Warenumschlag, das Aus- und Einsteigen der Passagiere und alle übri-gen Ver- und Entsorgungsprozesse eines Schiffs in Anspruch nehmen, bis es den Hafen wieder verlassen kann. Man hat errechnet, dass ein Schiff, das nor-malerweise zwei Stunden im Hafen stehen würde, zehn Prozent an Energie einsparen kann, wenn es 30 Minuten schneller fertig wird. Zeit ist Geld – oder kommt bei festen Fahrplänen der Umwelt zugute, denn je mehr einem Schiff auf hoher See Zeit bleibt, desto langsamer kann es fahren und damit noch ein-mal erheblich Kraftstoff und Emissionen einsparen.

Die Ent- und Beladung im Hafen kann durch viele Faktoren effizienter werden:

• innovative Querstrahlruder oder drehbare Bugstrahlruder zum einfa-cheren, gezielteren Manövrieren im Hafen

• erhöhte Zugänglichkeit der Laderäume durch günstiges Schiffsdesign • günstige Anordnung der Schiffsrampe • eigene Kräne und Hebevorrichtungen an Bord • vernetzte Logistikplanung, die Leerfahrten vermeidet • straffes Verkehrsleitsystem für Lkw am Hafen • intelligenter Übergang zu Schiene und Straße

Je leichter es überdies der Schiffs-Crew gemacht wird, Abfälle an Land zu entsorgen, desto kontrollierbarer wird das Problem der verbotenen Abfallent-sorgung auf hoher See werden. Hier gilt es Anreizsysteme zu schaffen, statt hohe Müllgebühren zu verlangen, und zusätzlich anhand geeigneter Kontrollen die entsorgten Abfallmengen auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Das gleiche gilt für die Entsorgung der Reste aus der Ballast, Bilge- und Schwarzwasser-Aufbereitung an Land.

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Auch das Ende im Produktlebenszyklus eines Schiffs ist für die Umwelt re-levant. Bei einem geschlossenen Kreislauf kommen hier auch die Schiffsausrüs-ter ins Spiel. Ihre Entscheidungen bei der Produktgestaltung von Materialaus-wahl über Design bis zu vielen konstruktiven Details – können dazu beitragen, das Außerdienststellen eines Schiffs umweltverträglich zu gestalten. Ein großer Teil der Schiffsausstattung kann das Schiff um Jahrzehnte überleben und auch danach noch Nutzen stiften. Im Vergleich zu einem Flugzeug, wo nur 60 Pro-zent der Teile recycelt werden können, ist es möglich, ein Schiff heute so zu auszustatten, dass 98 Prozent der Teile nach dem Abwracken eine neue Ver-wendung finden.

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, ist zum Beispiel Glasfaserverstärkter Kunststoff leider nicht recycelbar und landet auf dem Sondermüll. Dennoch wurde GFK über Jahrzehnte als Material der ersten Wahl im Yachtbau gehan-delt. An die Konsequenzen dachten nur wenige. Inzwischen stellt sich heraus, dass die Haltbarkeit von GFK-Schiffen schlechter ist als angenommen, so dass die Yachtwerften vor einer ökologischen Herausforderung stehen.

Recycling heißt wörtlich, einen Stoff am Ende eines Produktlebenszyklus wieder an eine geeignete Stelle zu bringen, die den Anfang eines neuen Stoffzyklus ausmacht. Recycling-Experten achten also darauf, dass sich der Kreis schließt. Vor jedem Recycling sollte die Frage stehen, ob man nicht auch ganze Bauteile wiederverwerten kann – in Schiffen oder für andere Nutzungs-zwecke. Wiederverwertung lässt die Kosten und den Energieeinsatz für ein Recycling der enthaltenen Einzelsubstanzen wegfallen und muss demnach aus ökologischer Sicht stets höher bewertet werden.

Das Europäische Parlament hat am 26. März 2009 beschlossen, der EU-Strategie für die Verbesserung des Abwrackens von Schiffen konkrete Maß-nahmen folgen zu lassen. Ziel ist ein sicheres und umweltgerechtes Recycling von Schiffen, wie es das Grünbuch der Europäischen Kommission bereits seit 2007 fordert. Die Mühlen von Politik und Verwaltung mahlen eben langsam. Doch die EU meint es trotz bislang recht theoretischer Machbarkeitsstudien

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dennoch ernst mit der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung auch in der Seefahrt.

Vor allem befürchteten die EU-Politiker, dass sich die umweltschädlichen und menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen das Abwracken von Schiffen in Südasien vonstatten geht, weiter verschlechtern werden. Die Crux: Ein Schiff kann heute als Abfall und gleichzeitig als Schiff eingestuft werden. Das führt dazu, dass viele Schiffseigner den Behörden keine Informationen über die geplante Entsorgung von Schiffen zur Verfügung stellen, geschweige denn über gefährliche Stoffe an Bord. Dabei wäre es wichtig zu überwachen, wann ein Schiff wo und wie abgewrackt wird. Auch hier kommen die bereits erwähnten Billigflaggenstaaten ins Spiel, weil viele im Kampf gegen die illega-le Ausfuhr von giftigem Abfall keine Verantwortung übernehmen. Weil gefähr-liche Einhüllen-Tankschiffe bis 2015 weltweit außer Dienst gestellt werden müssen (für Schiffe mit Flaggen von EU-Staaten lief die Frist bereits 2007 aus), und weil in Folge der Rezession zahlreiche alte Schiffe ohnehin aus dem Ver-kehr gezogen wurden, stiegen die Abwrackaufträge weltweit an. Das führte zu einem Aufbau nicht normgerechter Anlagen in Südasien und in Teilen Afrikas. Entsprechend unseriöse Angebote sind im Internet leicht aufzuspüren. Es ist kein Zufall, dass der Präsident des Straßburger EU-Parlaments eine Abschrift des Sitzungsprotokolls postwendend an die Regierungen der Türkei und von Bangladesch, China, Pakistan und Indien weiterleitete.

Die EU will auch härter dagegen vorgehen, dass Schiffe mit der Stran-dungsmethode abgewrackt werden, sie in Gezeitengebieten auf Grund zu set-zen. Dabei ist weder die Sicherheit der Arbeiter noch die der Meeresumwelt geschützt. Altschiffe werden aufgrund der zahlreichen gefährlichen Stoffe an Bord künftig als „gefährlicher Abfall“ angesehen. Staaten, in denen das nicht so gesehen wird, sollen Konsequenzen der EU zu spüren bekommen. Die EU-Parlamentarier halten die weltweit geltenden IMO-Richtlinien zum Abwracken für unzureichend und vertreten die Auffassung, dass keine Zeit zu verlieren ist. Recycling, so die EU-Abgeordneten, muss künftig als integraler Teil des Nut-zungszyklus eines Schiffs betrachtet werden. Die Recycling-Anforderungen müssen bereits bei Entwurf, Bau und Ausstattung von Schiffen berücksichtigt werden.

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Im Mai 2009 ist zwar ein „Schiffsrecyclingübereinkommen“ auf einer inter-nationalen Konferenz in Hongkong verabschiedet worden, aber das ausdrückli-che Verbot umweltschädlicher Abwrackmethoden und die Kontrolle des Ver-bots gilt es wohl genauso nachzuschärfen wie das explizite Fördern der Ent-wicklung nachhaltiger Recycling-Lösungen in der maritimen Industrie. So wer-den Abwrackwerften nicht umhin kommen, sich früher oder später einem Zerti-fizierungs- und Prüfungssystem zu unterwerfen. Die Vergabe von EU-Fördermitteln an die maritime Wirtschaft wird in absehbarer Zeit an die Nut-zung zertifizierter Abwrackpartner gebunden werden. Viele Hausaufgaben also für die neue Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), zum Beispiel:

• Zertifizierungsregeln und Kennzeichnungssysteme für sichere und saubere Recyclinganlagen entwickeln

• Abwrackwerften in Drittstaaten bei der Einhaltung der internationalen Sicherheits- und Umweltnormen im Rahmen der Entwicklungshilfe unterstützen

Ökointelligentes Schiffsdesign laut Prinzip „Cradle to Cradle“

Von der Wiege bis zur Bahre lautet eine Redensart, die ausdrückt, das alles im Leben endlich ist, nur die Probleme, die den Menschen Zeit seines Lebens begleiten, bleiben. Ein Chemiker und ein Architekt, Michael Braungart und William McDonough haben die Redensart verändert: Der Produktzyklus soll künftig von der Wiege bis zur Wiege reichen, ist die Essenz ihres Credos „Cradle to Cradle“. Damit wird die Vision einer für die Umwelt neutralen Pro-duktionsweise beschrieben, die von vornherein vorsieht, Altteile in neuen Pro-dukten wieder zu verwenden.

Nach den Vorstellungen von Braungart soll der Mensch durch seine Hand-lungsweise aus Sicht der beteiligten Stoffkreisläufe nicht nur Schaden vermei-den, sondern sogar Nutzen erbringen. Statt unnützem Abfall bleiben dann nur noch nützliche Rohstoffe von einem Produkt übrig. Rund 600 Produkte sind weltweit bereits nach diesem Prinzip des Cradle to Cradle Designs entstanden – ein Begriff, den sich Braungart und McDonough schützen ließen. In Konse-

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quenz soll die Industrie umweltunterstützende Produkte und Prozesse entwer-fen. Wir brauchen unseren "ökologischen Fußabdruck" demnach nicht zu ver-kleinern, sondern lediglich seine Auswirkung auf die Natur umzukehren.

Das Prinzip fängt bei der Materialauswahl an. Solchen ist der Vorzug zu ge-ben, die für biologische Kreisläufe optimiert sind, die als „biologische Nähr-stoffe“ bedenkenlos in die Umwelt gelangen dürfen. Eine zweite Gruppe von Materialien wird beschrieben, die ausschließlich für geschlossene technische Kreisläufe konzipiert sind. Diese (z.B. Metalle und verschiedene Polymere) sollen als „technische Nährstoffe“ für neue Produkte dienen und nicht in biolo-gische Kreisläufe geraten.

„Cradle to Cradle“ unterscheidet zwischen

• Verbrauchsgütern (wie Reinigungsmittel oder Shampoos) und • Gebrauchsgütern (wie Autos, Waschmaschinen oder Fernsehgeräte).

Verbrauchsgüter können aus "biologischen Nährstoffen" gefertigt werden, so dass eine sichere Entsorgung dieser Produkte in die Umwelt jederzeit ge-währleistet ist. Das gilt auch für ihre Verpackungen.

Gebrauchsgüter enthalten dagegen die "technischen Nährstoffe", die am En-de der Nutzungszeit wiederverwertet werden sollen. Braungart plädiert dafür, ein anderes Verständnis von Besitz und Nutzung zu entwickeln. Der Käufer von Gebrauchsgütern habe letztlich in vielen Fällen eher Interesse am konkreten Nutzen als an der konkreten Zusammensetzung eines Guts. „Eigentlich will der Kunde gar nicht das TV-Gerät mit all seinen Schadstoffen, sondern nur das Fernsehprogramm“, so der Umweltforscher. Im jungen Markt der Elektrofahr-zeuge fand sich dieses Modell immer wieder. Hersteller überlassen ihren Kun-den einige der Fahrzeuge oder Batterien zuweilen nur zur Nutzung, nicht zum Besitz. Das Versorgungskonzept „Better Place“ basiert auf dem laufenden Aus-tausch geladener Batterien gegen leere.

Neben Verbrauchs- und Gebrauchsgütern sehen die Recyclingforscher heute Güter am Markt, die in Zukunft nicht mehr zu vermarkten seien. Dazu gehören beispielsweise Produkte, aus denen Abfall wird, der eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellt. Diese Produkte sollten so rasch wie möglich ersetzt wer-

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den. Produkteigenschaften müssen künftig auf die Anforderungen des Recy-lings ausgerichtet werden statt umgekehrt. Dabei ist eine „schwarze Liste“ von Substanzen zu führen, die bekannt für ihre zerstörerische Kraft auf Mensch, Tier und Umwelt sind (z.B. krebserregend oder genverändernd). Eine zweite, „graue Liste“ soll Substanzen aufweisen, die nicht ideal sind, augenblicklich jedoch wegen essenzieller Eigenschaften nicht ersetzbar sind. Umgekehrt gibt es auf der Positivseite ebenfalls zwei Gruppen: Substanzen aus der passiven Positiv-Liste können genutzt werden, weil sie keinen Einfluss auf die Umwelt haben. Ziel einer nachhaltigen Planung des Stoffkreislaufs muss jedoch sein, Substanzen zu nutzen, die in der aktiven Positiv-Liste als absolut verträglich für die Gesundheit des Menschen und für die Umwelt aufgeführt sind.

Im Gesamtbild ergibt sich eine Kategorisierung nach dem Muster „ABC-X“:

• A = aktive Positivliste • B = passive Positivliste • C = graue Liste von Stoffe, die nicht ideal, jedoch derzeit unersetzlich sind • X = schwarze Liste gefährlicher Stoffe

Wenn es dem Schiffbau gelingt, das Schiffsdesign der Zukunft nach ökoin-telligenten Mechanismen wie diesen auszurichten und abgesehen von innovati-ven Antrieben sowie verbrauchsreduzierenden Optimierungen auch Materialien und Produktionsweisen konsequent auf den Prüfstand zu stellen, wird diese Branche erneut an die technologische Spitze vorrücken.

Um vom bisherigen Ansatz reduzierter Nachteile zu einem neuen Ansatz maximierten Nutzens zu gelangen, treten die Wissenschaftler für ein Wachstum nach dem Prinzip „Triple Top Line“ ein (eine Anspielung auf die „Triple Bot-tom Line“, die „unter dem Strich“ negative Auswirkungen von Produkte auf Natur, Kultur und Ökonomie zusammenzählt). Produkte, Prozesse und Produk-tionsstätten müssen konsequent an der Vision positiver Folgen für die drei Be-reiche Natur, Kultur und Ökonomie ausgerichtet werden, um eine neue Qualität von Umweltschutz zu erreichen. Diese Qualität nennt Michael Braungart „intel-ligentes Verschwenden“, weil die Beschaffenheit der Stoffe keine vorsichtige Dosierung mehr erfordert.

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Die zweite Kapitel dieses Buchs hat gezeigt, wie das Schiff der Zukunft aus-sehen könnte, wie es fortschrittlich „grün“ angetrieben werden könnte und wie der komplette Produktlebenszyklus von Bau über Betrieb bis Verwertung eines Schiffs gestaltet werden sollte. Fest scheint zu stehen: Clean Technologies wer-den ihren sicheren Platz in der maritimen Branche erhalten, um in jeder Hin-sicht die Vorstellung eines „Zero Emission Ship“ zu realisieren: keine Schad-stoffe, keine Umwege, kein Lärm, keine Abwärme kein Abwasser, kein Abfall, kein Abwracken. Stattdessen lautloses Dahingleiten in multifunktionalen Schif-fen, die dabei womöglich die Weltmeere und Binnengewässer reinigen helfen, und an Bord lauter Nährstoffe für geschlossene biologische und technische Kreisläufe, zu denen Wärme und Wasser genauso gehören wie die verwendeten Materialien an Bord.

Unabhängig davon, ob Sie dies heute als Utopie oder Vision empfinden mö-gen: Eine Strategie beschreibt den Weg von heute bis zum Erreichen eines Zu-kunftsbildes. Damit dieser Wirtschaftszweig bei der Gestaltung der Zukunft in Deutschland bzw. Europa mit einer Sprache spricht, muss daher eine Nachhal-tigkeitsstrategie der maritimen Industrie entwickelt und konsequent umgesetzt werden. Wo wollen wir hin? Was brauchen wir dazu? Welche Wege wollen wir verstärkt erforschen? Wie schnell sollen Teilziele erreicht werden? Wer sind mögliche Partner in anderen Branchen?

Dabei gilt es die Stärken und Schwächen des maritimen Produktionsstand-orts Deutschland zu analysieren, um Chancen und Risiken zu erkennen. Wir sind kein Billiglohnland und haben nur die Chance, durch Ingenieurskunst neue Clean Technologies zu entwickeln und so eine neue Führungsrolle in der See-fahrt zu übernehmen und als Exportweltmeister für Werften in aller Welt zu fungieren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch andere Länder, denen wir es heute noch nicht zutrauen mögen, längst die Zeichen der Zeit erkannt haben und massiv investieren werden, um den neuen Wettbewerb um Nachhal-tigkeit zu gewinnen.

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Es beginnt ein Wettbewerb um die beste Lösung für die Umwelt und damit der interessanteste Wettlauf seit Beginn der Industrialisierung; denn in diesem Lauf wird es keine Verlierer geben. Auf der anderen Seite stecken ungeahnte wirtschaftliche Potenziale in „grünen Lösungen“, die unserer Gesellschaft dabei helfen werden, ihre internationalen Wirtschaftsbeziehungen im gewohnten Um-fang zu unterhalten und die Mobilität der Menschen für dieses Jahrhundert ab-zusichern.

Wenn eine Branche den Mut besitzt, vieles in Frage zu stellen und sich am Ende neu zu erfinden, kann so manche Überraschung herauskommen. Die Ge-wichte in der Industrie werden sich verschieben und neue Synergien werden entstehen, auch über die Grenzen der maritimen Branche hinaus. Auch nationa-le Grenzen werden dabei keine so große Rolle spielen wie einst in den Anfän-gen der Seefahrt, wenngleich ein sportlicher Wettbewerb der maritimen Natio-nen unter Umständen genau die Dynamik bewirken könnte, die in dieser Stunde gebraucht wird.

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Im ersten Kapitel war davon die Rede, dass Deutschland zwar zehn Prozent der weltweiten Schiffbauaufträge vergibt und bezahlt, aber nur ein Prozent des weltweiten Schiffbaus als Aufträge für seine eigenen Werften erhält. In anderen Worten importieren deutsche Reeder 90 Prozent ihrer Schiffe aus dem Ausland. Neben der standortpolitischen Komponente zieht diese einfache Rechnung eine ökologisch-strategische Komponente nach sich.

Schließlich haben es die Geldgeber in der Hand, nicht nur zu bestimmen, wo ein Schiff gebaut wird, sondern auch wie stark es ökologischen Gesichtspunk-ten folgt. Vor diesem Hintergrund konnte der Finanzmarkt vor kurzem den ersten nachhaltigen Schiffsfonds feiern. Das Emissionshaus Voigt & Collegen war vorher vor allem für seine Solarfonds bekannt. Als neue Asset-Klasse wur-de „Sustainable Ship Invest“ ins Leben gerufen, der erste grüne Schiffsfonds. Er investierte zunächst in den Massengutfrachter MS Nordic Stavanger, ein rundum effizientes Schiff aus dem Eigenkapital der Fondsanleger für 23,88

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Millionen US-Dollar nach einem völlig neuen Design der Dänen Grontmij und Carl Bro.

Der Fonds wurde als Joint Venture von Voigt & Collegen und der Reederei Nordic Hamburg aufgelegt. Sein Anspruch, internationale Standards und Vor-schriften zu übertreffen, etwa durch Innovationen bei:

• Rumpfdesign • elektronischer Hauptmaschine • neuester Propellergeneration • der Abgasreinigungsanlage für eine Reduzierung von 97 Prozent SOX • und der Filterung des Ballastwassers

Abb. 51: Erster nachhaltiger Schiffsfonds: Sustainable Ship

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Die MS Nordic Stavanger wird im Mai 2012 abgeliefert und ist bereits bis 2015 an die US-amerikanische San Juan Navigation Corporation verchartert.

Die umweltbewussten Anleger sollen mit einer Anfangsrendite von 7 Pro-zent ab 2012 belohnt werden, die ab 2017 sogar auf 10 Prozent steigt.

Eine andere Fondsgesellschaft, die DWS, die einen branchenübergreifenden Klimafonds aufgelegt hat, vertritt die Position: "Nur mit nachhaltigem Wirt-schaften können Firmen langfristig ihre Geschäftsgrundlage erhalten." DWS Fondsmanager Nicolas Huber sagte dem Manager Magazin: "Wer intelligent im Umweltschutz agiert, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil."

Als ein weiterer Pionier maritimer Nachhaltigkeit kann der britische Milliar-där Richard Branson genannt werden. Er finanziert die Organisation „Carbon War Room“ und macht sich für den Einsatz regenerativer Energien stark. In der neuen Datenbank, die seine Organisation auf dem Klimagipfel in Cancún vor-stellte, sind 60.000 Schiffen verzeichnet, rund der Hälfte des Weltschiffsbe-stands (www.shippingefficiency.org). Auf Basis des Energy Efficiency Design Index der internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) wurden Güteklas-sen für die Umweltverträglichkeit von Schiffen entwickelt. Damit ist ein Wett-bewerb der Handelsschiffe um die besten Plätze im Eco-Ranking entstanden.

Einem ähnlichen Prinzip folgt die Green Award Foundation, deren Grün-dung auf den Rotterdamer Hafen und das niederländische Verkehrsministerium zurückgeht. Green Award verleiht jeweils für drei Jahre Zertifikate an Schiffe, die besonders sauber und sicher sind. In die Zertifizierung werden Ausstattung, Schiffsbetrieb, Crew und Management einbezogen. Zertifizierte Schiffe, deren Namen online auf www.greenaward.org einsehbar sind, erhalten eine Reihe finanzieller und sonstiger Vorteile. Zum Beispiel erlassen Häfen in Belgien, Kanada, Litauen, Lettland, den Niederlande, im Oman, in Neuseeland, Portugal und Südafrika den Green Award Schiffen einen beträchtlichen Teil der Hafen-gebühren.

Es ist davon auszugehen, dass Öko-Rankings künftig noch stärker genutzt werden, um die Hafengebühren für ein Schiff zu errechnen. Die größten Um-weltsünder der Seefahrt sorgen für die Hälfte aller Emissionen, dabei handelt es sich um nur 15 Prozent der Weltflotte.

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Neben den Rankings gibt es eine Reihe von Auszeichnungen für leuchtende Beispiele sauberer Seefahrt. Im Kalender 2011 unter anderem:

• Im März 2011 wurden in Oslo erneut die „Green Ship Technology Awards“ im Rahmen der jährlichen Green Ship Technology Con-ference vergeben. Innovatives nachhaltiges Schiffsdesign und neue Technologien zum Schutz der Meeresumwelt werden damit gewür-digt (www.informaglobalevents.com).

• Im Juli 2011 findet die Verleihung der „Sustainable Shipping A-wards“ in London statt. Nominierungen werden jährlich von Reede-reien, Kreuzfahrt-Unternehmen, Technologie-Lieferanten, Hafenbe-hörden, Klassifikationsgesellschaften und Umweltverbänden aus aller Welt angenommen (www.sustainableshipping.com).

• Im Herbst 2011 findet die Verleihung der Lloyd’s List Global A-wards statt, bei denen es einen „Environmental Protection Award“ und u.a. Preise für Innovationen, Sicherheit und Management gibt (www.lloydslist.com).

• Im Dezember 2011 verleiht die große amerikanische Reisezeitschrift Travel Weekly die jährlichen Magellan Awards, die u.a. „Eco-Friendly Green Cruise Ships“ auszeichnen (www.travelweeklyawards.com).

Der „Blaue Engel“ hat sich offizielles Umweltzeichen der Bundesrepublik Deutschland etabliert und bereits Markenwirkung erlangt. Die Grundidee da-hinter ist: Der Blaue Engel schützt Mensch und Umwelt. Mit zwei Umweltzei-chen werden Schiffbauer und Reeder ausgezeichnet, die sich für den Schutz des Wassers verdient machen:

• Blauer Engel für „umweltfreundliches Schiffsdesign“ (seit 2010)

• Blauer Engel für „umweltschonenden Schiffsbetrieb (seit 2002)

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Umweltfreundliches Schiffsdesign bereits bei der Konstruktion Umweltstandards umsetzen.

Durch das Umweltzeichen sollen schon bei der Planung eines Seeschiffes möglichst viele Umweltinnovationen zur Minderung der Einträge in die Mee-

resumwelt umgesetzt werden. Die Anforderungen reichen vom Einbau einer Notschleppeinrichtung, Maßnahmen zur Reduzierung der Luftschadstoffe und zum Schutz der Treibstofftanks (Doppelhülle). Wei-terhin sind hohe Auflagen für die Abfall- und Abwas-serbehandlung an Bord enthalten. Der Geltungsbe-reich umfasst Schiffe (Handelsschiffe, Forschungs- und Behördenschiffe) ausgeschlossen sind u.a. Fahr-zeuge der Fischerei, der Marine und der Sportschiff-fahrt.

Umweltschonender Schiffsbetrieb schädlichen Emissionen und Einträgen in Meeresumwelt und Luft reduzieren

Durch die Vergabe des Umweltzeichens für den umweltschonenden Schiffs-betrieb sollen die durch ein Seeschiff hervorgerufenen Emissionen und Einträge

von Schadstoffen in die Meeresumwelt reduziert wer-den. Um dieses Ziel zu erreichen, werden hohe An-sprüche an das Reedereimanagement, an die Schiffs-ausstattung sowie hauptsächlich an den Bordbetrieb und die Schiffstechnik gestellt. Der Geltungsbereich dieses Blauen Engels umfasst den Betrieb auf Schif-fen unter deutscher oder fremder Flagge. Ausgenom-men sind u.a. Fischereischiffe, Schiffe der Sport-schifffahrt sowie der Marine.

Abb. 52: Blauer Engel für Umweltfreundliches Schiffsdesign

Abb. 53: Blauer Engel für Umweltschonenden Schiffsbetrieb

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Weltweit gibt es neue Überlegungen zur Integration von Klimaschutzzielen in Gesamtstrategien für nachhaltige Entwicklung. Die Beschäftigung mit Nach-haltigkeitsstrategien wirft fundamentale Fragen auf, einschließlich einer Debat-te darüber, ob ein Festhalten am Wachstumsdenken überhaupt möglich ist. Im-mer öfter geht es um Konzepte für die Zukunft, wie sie z.B. im Sammelband von Irmi Seidel und Angelika Zahrnt behandelt werden. „Postwachstumsgesell-schaften“ nennen sie ihr Konzept. Nachhaltige Entwicklung kann demnach nicht automatisch mit nachhaltigem Wachstum gleich gesetzt werden. Auch der Schiffbau und die Seefahrt müssen sich den Überlegungen stellen, wie alterna-tive Entwicklungen aussehen könnten, die nicht allein auf Wachstum ausgerich-tet sind sondern auf Perspektiven der Postwachstumsgesellschaft. Wissenschaft-ler wie von Weizsäcker oder Braungart haben jedoch vorgeführt, wie Wachs-tum durchaus auch ökologisch fundiert erreichbar wäre.

Globalen Selbstmordpakt beenden

Erst auf dem jüngsten Weltwirtschaftsforum in Davos bezeichnete UN-Generalsekretär Ban Ki-moon das vorherrschende Wirtschaftsmodell als „welt-zweiten Selbstmordpakt“. Er forderte eine „Revolution zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung“. Sie müsse zu einem Verzicht vor allem auf den achtlosen Konsum knapper werdender Ressourcen, einem entschiedeneren Vorgehen gegen die menschlich verursachte Erderwärmung und zu einem Um-schalten auf nachhaltiges Wachstum führen. Die Wachstumsagenda für das 21. Jahrhundert müsse eine „Revolution des freien Marktes für globale Nachhaltig-keit“ werden und die Klimaschutzpolitik zwingend einbeziehen.

Europäische Nachhaltigkeitsstrategie

Auf europäischer Ebene wird bereits länger als im nationalen Rahmen an ei-ner Nachhaltigkeitsstrategie gearbeitet. Die Leitlinien der nachhaltigen Ent-wicklung haben bereits 1998 Eingang in den Vertrag der Europäischen Ge-meinschaft gefunden. Sie wurden dort als grundlegendes Ziel europäischer Poli-tik verankert. Drei Jahre später kam es zur Verabschiedung der „Strategie für

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nachhaltige Entwicklung". Sie wertete das Ziel, die Lebensqualität für uns heute wie für künftige Generationen zu verbessern, weiter auf.

Dabei wurden folgende vorrangige Handlungsfelder formuliert:

• den Klimawandel bekämpfen • nachhaltige Mobilität sichern • Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit abwenden • mehr Verantwortung im Umgang mit natürlichen Ressourcen über-

nehmen • den Verlust an Artenvielfalt stoppen • Armut und soziale Ausgrenzung bekämpfen • auf die Herausforderung des demografischen Wandels reagieren

Die Strategie beschäftigte sich auch mit dem globalen Umweltschutz. Sie legte Ziele fest und widmete sich der Art und Weise, wie politische Entschei-dungen und Weichenstellungen am Aspekt der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden müssen. Sie rief zu einem neuen Politikansatz auf, bei dem Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik Hand in Hand gehen. Danach gab es mehrere Fort-schreibungen der europäischen Strategie, zuletzt 2006.

Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

Seit 1999 befasst sich die deutsche Bundesregierung als Konsequenz aus der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio mit der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien. Es dauerte ein Jahrzehnt bis die erste nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt wurde. 2001 wurde ein nationaler Nachhaltigkeitsrat durch die Bundesregierung berufen und beschlos-sen, im zweijährigen Rhythmus Fortschrittsberichte zur Nachhaltigkeit vorzule-gen. Der erste Bericht zur Nachhaltigkeit erschien 2002 unter dem Titel „Per-spektiven für Deutschland“. Der Bericht konzentriert sich auf vier Eckpunkte:

• Generationengerechtigkeit • Lebensqualität • Sozialer Zusammenhalt • Internationale Verantwortung

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Gemessen wird die Entwicklung der Nachhaltigkeit auf nationaler Ebene anhand folgender 21 Kriterien:

1. Energie- und Rohstoffproduktivität 2. Emissionen der sechs Treibhausgase des Kyoto-Protokolls 3. Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch 4. Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche 5. Entwicklung der Bestände ausgewählter Tierarten 6. Finanzierungssaldo des Staatssektors 7. Investitionsquote 8. Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung 9. Ausbildungsabschlüsse der 25-jährigen u. Zahl der Studienanfänger 10. Bruttoinlandsprodukt 11. Transportintensität und Anteil der Bahn an der Güterverkehrsleistung 12. Anteil des ökologischen Landbaus und Gesamtbilanz Stickstoff-Überschuss 13. Schadstoffbelastung der Luft 14. Zufriedenheit mit der Gesundheit 15. Zahl der Wohnungseinbruchsdiebstähle 16. Erwerbstätigenquote 17. Ganztagsbetreuungsangebote 18. Verhältnis der Bruttojahresverdienste von Frauen und Männern 19. Zahl der ausländischen Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss 20. Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit 21. Einfuhren der EU aus Entwicklungsländern

Abb. 54: Indikatoren der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung

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Schiffbau fehlt in Nachhaltigkeitsberichten

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Indikatoren für die Nachhaltige Entwicklung, zuletzt im Jahre 2010. Der Schiffbau und Seeverkehr kommen darin explizit nicht vor, sondern lediglich die Binnenschifffahrt im Abschnitt Mobilität. Dazu heißt es:

„Die Güterbeförderungsleistung der Binnenschifffahrt stieg von 1999 bis 2008 um 1,4 Milliarden Tonnenkilometer. Das Wachstum der Güterbeförderungsleistung insgesamt fiel in diesem Zeitraum jedoch deutlich stärker aus. (...) Übertragen auf die Binnenschiff-fahrt hätte dies eine Zunahme der Transportleistung von rechne-risch 13,1 Milliarden Tonnenkilometern bedeutet. Zum einen ver-änderte sich im betrachteten Zeitraum die Zusammensetzung der beförderten Güter. Es mussten zunehmend Güter transportiert werden, die für die Beförderung auf dem Wasserweg weniger ge-eignet waren, sodass andere Verkehrsträger eingesetzt wurden. Dadurch fiel der Anstieg bei der Binnenschifffahrt um 4,9 Milliarden Tonnenkilometer geringer aus. Darüber hinaus dämpften die (!) erwähnten Marktanteilsverluste bei einzelnen Gütergruppen die Entwicklung um weitere 6,9 Milliarden Tonnenkilometer. Dies er-klärt den vergleichsweise geringen Anstieg der Güterbeförde-rungsleistung der Binnenschifffahrt.“

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden haben sich die Preise des Seeverkehrs im letzten Jahr parallel dazu enorm verteuert. Der Index der Seefrachtraten lag in der Linienfahrt um 77,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahres.

Maritime Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln

Die knappen Ausführungen bestätigen auf ihre Art, dass es bisher noch kei-ne wirklich überzeugenden Ansätze einer maritimen Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland und Europa gibt. Vergleicht man dagegen, wie intensiv sich der chinesische Staat in die Entwicklung des Clean Sektors einbringt, wird drin-gender Handlungsbedarf sichtbar. China schickt sich sowohl durch strenge

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staatliche Vorgaben als auch durch intensivere Förderung an, die führende Rol-le auf dem Gebiet von Clean Tech Innovationen zu übernehmen. Dafür spricht das Ziel, zum Beispiel im Bereich erneuerbare Energien bis 2020 mindestens 30 Prozent des jetzigen fossilen Energieverbrauchs zu ersetzen.

2009 investierte China weltweit am meisten in Clean Tech, 200,8 Milliarden US-Dollar gegenüber nur 112,2 Milliarden in den USA. Gestützt auf intensive Forschung und Entwicklung im eigenen Land wird immer öfter von einem Wandel der Wertschöpfung gesprochen, aus einem „Made in China“ wird ein „Created in China“. Das wurde vielfach weltweit ignoriert und unterschätzt. Stephan Marcus von der Clean Tech Research Group glaubt, dass das chinesi-sche Wachstum in China mehr Aufmerksamkeit der übrigen Staaten verdient und mit eigenen Strategien beantwortet werden muss.

Abb. 55: Stellhebel für ein Clean Tech Schiff der Zukunft

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Aus Sicht der Autoren sollte eine maritimen Nachhaltigkeitsstrategie folgende wirtschaftliche, ökologische und soziale Handlungsfelder beinhalten: Zehn Schlüsselfragen nachhaltigen Schiffbaus und Seeverkehrs

• Erstens geht es um emissionsarme, energieeffiziente und alternative Schiffsantriebe für neue Schiffe.

• Zweitens wird die dringliche Erfordernis einer Nachrüstung und Mo-dernisierung des vorhandenen Schiffsbestandes deutlich.

• Drittens kommt dem ökologisch sauberen Materialeinsatz und der Ressourceneffizienz im Schiffbau steigende Bedeutung zu, was bis zur Materialsubstitution für den bisher dominierend verwendeten Stahl im Schiffbau reicht.

• Viertens müssen die aus anderen Branchen bekannten Erfahrungen des produktionsintegrierten Umweltschutzes auf den Schiff- und An-lagenbau übertragen werden.

• Fünftens steht das Durchforsten der gesamten Zulieferkette der mari-timen Industrie aus ökologischer Sicht im Mittelpunkt

• Das schließt sechstens auch fundamental neue Überlegungen zum Durchsetzen einer grünen Gesamtlogistik mit ökoeffizienten Um-schlags- und Hafenprozesse ein.

• Siebtens erfordern die Probleme eines sauberen und sozial verant-wortlichen Schiffsbetriebs an Bord nach langem Wegschauen zwin-gend innovative Lösungen. Das setzt neue Kriterien von Corporate Social Responsibility (CSR) und das Übernehmen gesellschaftlicher Verantwortung aller Akteure der maritimen Industrie voraus.

• Achtens ist das gesamte Problem der Sicherheit auf See und im Küs-tenbereich einschließlich des Einsatzes neuer Generationen grüner In-formations- und Kommunikationstechnik sowie smarter Schiffssteue-rungen und Controlling-Lösungen zu erforschen.

• Neuntens geht es um das Implementieren bestehender und Schaffen neuer Lösungen zur umweltgerechten Wasser- und Abwasserbehand-lung, Müllaufbereitung und -Entsorgung in allen maritimen Prozessen

• Zehntens steht die Herausforderung des Cradle-to-Cradle Schiffsdes-igns im Fokus, d.h. restloses Wiederverwenden oder Verwerten.

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Ausgehend von den genannten strategischen Schwerpunkten sowie interna-tionalen Studien und Industrieanforderungen in Europa, insbesondere in Deutschland, Italien und den skandinavischen Ländern, sollten folgende Clean Technologies im Mittelpunkt der Innovationsstrategien für eine nachhaltige Zukunft sowie damit verbundener Unternehmensgründungen stehen:

• nachhaltige Mobilität insbesondere in der maritimen Gesamtkette in-klusive logistischen Hafenanbindung

• umweltfreundliche Energien und Energiespeicherung • Energieeffizienz und Emissionsminderung im Schiff- u. Anlagenbau • Rohstoff/Materialeffizienz auf allen Feldern der maritimen Industrie • konsequente Kreislaufwirtschafts-Strategien • nachhaltige Wasserwirtschaft und Klimaschutz bis zur Arktis • neue Aus- und Weiterbildungsinhalte mit einem Schwerpunkt auf

Nachhaltigkeit.

Neue Managementtools

Aus Sicht gängiger Sustainable Business Strategien sind alle modernen Ma-nagementtools für Umwelt- und Klimafragen einzusetzen und neue Methoden zu entwickeln, insbesondere zur Effizienzsteigerung in allen Bereichen inklusi-ve Optimierung bei MIPS (Material Input per Service Unit) und FIPS (Floor Input per Service Unit) und Anwendung aller Instrumente der Carbon Footprint Reduktion und Dekarbonisierung, EMAS Zertifizierung und von Benchmarks.

Das größte Problem der Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie stellt der Umdenkprozess dar. Die Umstände, die Nachhaltigkeit besonders fordern, wie zum Beispiel enormer Ressourcenverbrauch oder leichtfertige Schwächung des Ökosystems, kommen meist nicht von ungefähr sondern basieren auf Einstel-lungen und wirtschaftlichen Denkweisen von Industrieländern. Um nachhalti-ges Wirtschaften zu verwirklichen, müssen vor allem ökologische und soziale Aspekte, aber auch kulturelle und gesundheitliche Konsequenzen in wirtschaft-liche Strategien einbezogen werden. Es ist im Allgemeinen schwierig, dem Meer und Klima, der Umwelt im Allgemeinen und im lokalen Raum einen Sachwert zuzuweisen. In diesem Zusammenhang werden auch die Begriffe schwache und starke Nachhaltigkeit unterschieden. Während schwache Nach-

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haltigkeit besagt, dass sich Naturkapital mit Sachkapital aufwiegen lässt, geht das Prinzip starker Nachhaltigkeit davon aus, dass Natur und Umwelt unersetz-bar sind. In der maritimen Nachhaltigkeitsstrategie muss die Vorstellung „Wir haben die Erde und insbesondere Flüsse, Seen und Meere von unseren Eltern geerbt“ durch den Leitsatz ersetzt werden: „Wir haben das Wasser, die Luft und die Erde von unseren Kindern geliehen“. In der Nachhaltigkeit spielt die Zu-kunft also eine wichtigere Rolle als die Gegenwart, weil eine zu hohe Fokussie-rung auf die Gegenwart gegenüber dem Ziel der Generationengerechtigkeit widerspricht.

Nachhaltig wirkende Normen setzen

Es muss auch zu denken geben, dass weder aus dem Schiffbau noch dem Seeverkehr Anregungen für neue Kriterien oder Normen der Nachhaltigkeit kommen, obwohl sie nirgends näher liegen als hier, zum Beispiel für das aus der Computerbranche vorgeschlagene Kennzeichen Water Usage Effectiveness (WUE). In der Computerbranche dient es zum Messen der Wassermenge und des Verbrauchs, die in IT-Centren benötigt werden. Neu ist hier auch der Vor-schlag eines Kriteriums der Carbon Usage Effectiveness (CUE) für Rechenzen-tren, um den vollständigen Ausstoß von Treibhausgasen durch ein Rechenzent-rum zu messen.

Erst vor kurzem hat sich die Bauindustrie neuen Maßstäben der Nachhaltig-keit in Form einer ganz neuen DIN zugewandt. Die allgemeinen Prinzipien des Nachhaltigen Bauens werden in der Norm ISO 15392 festgehalten. Die allge-meinen Prinzipien beschreiben die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Umwelt, Soziales und Ökonomie – und beziehen sich dabei eng auf den Bedarf des Bau-sektors. Vorerst werden in der internationalen Normung die Säulen Ökonomie und Soziales jedoch nur auf der allgemeinen Ebene (General Principles) ange-sprochen. Die konkrete Gebäudebewertung und Produktdeklarationen betrach-ten bisher nur die Umweltaspekte; allerdings ist eine Erweiterung auf Nachhal-tigkeits-Aspekte vorgesehen, was auf europäischer Ebene bereits stattgefunden hat.

Wo bleiben adäquate Vorstöße der maritimen Industrie zur Selbstverpflich-tung und Durchsetzung nachhaltig wirkender Normen wie sie von immer mehr international agierenden Konzernen vorgelegt werden? Je stärker neben qualita-

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tiven und wirtschaftlichen Kenngrößen auch die Klimaschutzleistung zählt, je wichtiger wird die Durchsetzung solcher neuer Normen. Ähnlich wie in der Automobilindustrie wird in der maritimen Wirtschaft offenbar zu lange an den alten strategischen Leitbildern festgehalten, auch unter dem Eindruck, dass sich die alten Modelle auf Basis der klassischen Verbrennungsmotoren noch immer exzellent verkaufen. Die Automobilhersteller sind jedoch schon einen Schritt weiter und haben erste Fahrzeuge mit glaubwürdigen Nachhaltigkeitskonzepten auf die Straße gebracht.

Die lange Geschichte der Seefahrt zeigt, dass diese Branche über Jahrtau-sende sehr verantwortungsbewusst mit den Meeresressourcen umgegangen ist. Hieran muss ein neuer Vorstoß für eine nachhaltige Strategie anknüpfen.

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In der LeaderSHIP Deutschland Strategie des Bundeswirtschaftsministeri-ums von 2008 nehmen die Stärkung von Forschung, Entwicklung und Innovati-on den ersten Platz ein, gefolgt von vermehrten Anstrengungen zum Schutz des geistigen Eigentums und der Förderung sicherer und umweltfreundlicher Schiffsneubauten. Wörtlich heißt es in der Broschüre zur LeaderSHIP Strategie:

„Die Bundesregierung hat die maritimen Technologien in ihre „Hightech-Strategie für Deutschland“ aufgenommen und bekennt sich damit zu dem Ziel, Deutschland zu einem maritimen Hightech-Standort auszubauen. Die Konzentration der maritimen For-schungs-, Entwicklungs- und Innovationsförderung im Bundesmi-nisterium für Wirtschaft und Technologie ermöglicht eine durch-gängige schiffbauliche Innovationsförderstrategie. Sie schlägt die Brücke von der universitären Grundlagenforschung über die in-dustrielle Forschung bis hin zur Umsetzung in marktfähige Produk-te (!) Angesichts der Debatte um Ressourcenverbrauch und Verminderung von Emissionen (hat) die Frage der Umweltverträg-lichkeit des Schiffsverkehrs zentrale Bedeutung für die Zukunfts-strategie der deutschen Schiffbauindustrie (...)“

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Wege dazu werden in erhöhtem Anlagevermögen in der Industrie, verstärk-ten eigenen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, mehr Innovationen in den Werften, vergrößertem ingenieurtechnischem Potenzial und nicht zuletzt vermehrter Ausbildung in der maritimen Industrie bis hin zum universitären Studium gesehen.

Parallel zur Forschung und Entwicklung des Schiff- und Anlagenbaus mahnt der Wissenschaftsrat den Erhalt und Ausbau der Meeres- und Polarforschung an. Hier steht vor allem die Erneuerung der deutschen Forschungsflotte an. In der Stellungnahme heißt es:

„Um auch in Zukunft die international anerkannte Stellung Deutschlands in der Meeres- und Polarforschung zu sichern, emp-fiehlt der Wissenschaftsrat, zeitgerecht Ersatz für die Forschungs-schiffe „Polarstern“ und „Meteor“ zu schaffen. Darüber hinaus sieht er die Chance, Deutschland ein europäisch und international ein-maliges Profil und damit eine Vorreiterrolle in der Polarforschung zu verschaffen.“

Meeres- und Polarforschung stärken

Diese Forschungsaktivitäten haben besondere Bedeutung für den globalen Klima- und Umweltschutz und können nur von wenigen Nationen weltweit durchgeführt werden. Da Deutschland zu diesen zählt, kommt dem Ausbau der Forschungsflotte große Bedeutung zu. Das wird gerade dadurch unterstrichen, dass Deutschland in der internationalen Meeresforschung eine führende Rolle spielt. Auf der 12. Jahrestagung der Partnership for Observation of the Global Oceans (POGO), der internationalen Vereinigung der führenden Meeresfor-schungsinstitute im Januar 2011 in Seoul, Südkorea, hat der Direktor des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften, Peter Herzig, den Vorsitz der Ver-einigung übernommen. Schwerpunkt des Treffens waren Fragen globaler wie regionaler Ozeanbeobachtungssysteme. Die Dimension und Komplexität der hiermit verbundenen Fragestellungen erfordert internationale Zusammenarbeit und Koordination. Kein Wissenschaftler und kein Institut wäre für sich ge-nommen in der Lage, dies allein zu bewältigen. Um die begrenzten Ressourcen möglichst effizient einzusetzen, haben die weltweit führenden Meeresfor-schungseinrichtungen sich vor gut zehn Jahren in der POGO zusammenge-

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schlossen. Mittlerweile hat sie rund 40 Mitglieder in 30 Ländern, die einmal jährlich ein Planungstreffen abhalten. Der neue Vorsitzende schätzte in einem Interview die Vernetzung der Arbeiten als besonders wichtig ein:

„Gerade auf dem Gebiet der Ozeanbeobachtungen hat sich viel getan. Das globale Netzwerk aus mehr als 3.000 Messrobotern, die kontinuierlich Daten aus den oberen 2.000 Metern der Ozeane liefern, ist eines der Paradebeispiele für erfolgreiche internationale Kooperationen auf diesem Gebiet“.

Die Strategie: Die Lasten auf viele Schultern zu verteilen und die Daten am Ende allen zur Verfügung zu stellen, um größtmöglichen Nutzen zu erzielen.

Europäische Innovationsunion schaffen

Die für Forschung und Innovation zuständige EU-Kommissarin Máire Geo-ghegan-Quinn rief Anfang Februar 2011 in Europa den "Innovationsnotstand" aus. Die EU müsse damit anfangen, ihre Innovationslücken zu füllen, wenn sie im globalen Wettbewerb aufschließen und ihren Vorsprung auf andere Länder wie Indien und Russland beibehalten wolle. Nach der Wirtschafts-Union und einer politischen Union müsse Europa nun zu einer „Innovations-Union“ zu-sammenwachsen. Sie soll vor allem durch weitere Forschungsförderung und einen Ausbau der öffentlichen wie privaten Forschung und Entwicklung Wirk-lichkeit werden.

Die Ausgaben dafür sollen bis 2020 auf drei Prozent vom Bruttoinlandspro-dukt ansteigen. Auch wird gefordert, europaweit mehr Risikokapital bereitzu-stellen und dafür den europäischen Investitionsfonds zu nutzen, ebenso moder-nere Forschungsmittel und Ausrüstungen, bessere Abstimmungen bei Normun-gen in Innovationsprozessen, länderübergreifende Zusammenarbeit, verbesser-ter Ideenaustausch sowie vernetzte digitale Forschungsräume.

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Weltweit führende Exzellenzzentren aufbauen

Was auf dem Gebiet der klassischen Ozeanographie schon gut funktioniert, ist in anderen Disziplinen der Meeresforschung oder auch der umweltorientier-ten maritimen Forschung und Entwicklung insgesamt noch nicht organisiert und bietet Verbesserungspotenzial, vor allem im Aufbau von Exzellenzzentren und vernetzten Forschungsaktivitäten.

Auch andere europäische Staaten wie beispielsweise Norwegen investieren viel Geld in das Schaffen sogenannter „World Class Research Centres“. Allein zwei der seit 2009 gestarteten Zentren sind auf Offshore Wind Technology und Offshore Wind Energy konzentriert. Ein anderes Beispiel liefert das „Biopeop-le“ Netzwerk in Dänemark. Es umfasst unter anderem Universitäten, For-schungsorganisationen, Kliniken, die dänische Arzneimittelbehörde und Le-bensmittel- und Biotechunternehmen in der Scan-Balt-Region. Hauptziel ist es, die Attraktivität der Region zu erhöhen und insgesamt im Ostseeraum die Ko-operation mit allen Nachbarn. Die Ostseeregion soll auf diese Weise Vorbild für eine Vernetzung im Sinne der Nachhaltigkeit im Makromaßstab werden.

Im östlichsten Küstenland Mecklenburg-Vorpommern wird deshalb schon lange auf das Entwickeln und Führen von Netzwerken für Forschung und Ent-wicklung besonderer Wert gelegt. Hierbei setzen die Maritime Allianz für die Ostseeregion e.V. oder die Maritime Consulting Center GmbH immer wieder neue Akzente für die Verflechtung unterschiedlichster Partner. Im Science Net von Mecklenburg Vorpommern arbeiten viele Vertreter im Sinne einer Spitzen-forschung für das Land und die gesamte maritime Industrie eng zusammen. (www.sciencenet-mv.de)

Leuchtturm POLAR Forschungsverbund

Ein Musterbeispiel stellt der innovative Forschungs- und Entwicklungsver-bund POLAR (Bundesministerium für Bildung und Forschung) dar. Der Name leitet sich von „Production, Operating and Living in Arctic Regions“ ab (Pro-duzieren, Arbeiten und Leben in Arktischen Regionen). An dem rund 20 Milli-onen schweren Forschungs- und Entwicklungs-Vorhaben beteiligt sich ein Rostocker Firmenbündnis von insgesamt 14 Partnern. Sie entwickeln Systeme, mit deren Hilfe die Energiekonzerne selbst bei extremer Kälte das geförderte Öl

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und Gas weiterverarbeiten, lagern, transportieren und den dort arbeitenden Menschen Schutz vor den Tiefsttemperaturen bieten können. („System Soluti-ons for Harsh and Arctic Environment“).

Das Bundesprojekt, an dem zwei der Autoren, Hans Gerd Bannasch und Reinhart Kny, aktiv leitend mitwirken, gehört zu den maritimen Vorzeigevor-haben. Die IMG GmbH verfügt über besonders große Erfahrungen auf dem Gebiet extremer Tieftemperaturen, die für das geplante Gewinnen der vermut-lich gewaltigen Öl-, Gas- und Rohstoffreserven von Arktis und Antarktis von größter Bedeutung sind. Im Innovationsatlas des Bundesforschungsministeri-ums sind zahlreiche andere Musterbeispiele der vernetzten Forschung und Ent-wicklung für Mecklenburg Vorpommern enthalten.

Nicht allein die Verbundforschung muss auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Es ist wichtig, dass Forschungseinrichtungen und Universitäten auch nach innen eine grüne Agenda entwickeln.

Nachhaltigkeitsstrategien in Forschungs- und Entwicklungszentren

In Deutschland haben die Fraunhofer Institute eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien in der Forschung übernommen. Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt derzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie für alle rund 60 Fraunhofer-Institute in der Bundesrepublik. Für Projekt „Strategie Nachhaltigkeit“ hat der Vorstand der größten anwendungsorientierten For-schungsorganisation in Europa Ende vergangenen Jahres 1,1 Millionen Euro bewilligt. Erarbeitet werden das Leitbild und die Strategie vom offenen „Fraun-hofer Netzwerk Nachhaltigkeit“, dem sich bislang 20 Fraunhofer-Institute und -Einrichtungen angeschlossen haben.

Die Strategie, über deren Umsetzung der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft Ende 2011 entscheiden wird, will dem Thema Nachhaltigkeit zu mehr Bedeutung verhelfen – nach innen in Forschung und Verwaltung und nach außen gegenüber Kunden und Öffentlichkeit. Damit stellt sich erstmals eine der großen nationalen Wissenschaftsorganisationen prominent im Themen-feld Nachhaltigkeit auf. Die maritime Industrie kann hiervon nur lernen.

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Innovationspartnerschaften ausprägen

International gewinnen neue Formen innovativer Partnerschaften an Ge-wicht. So wurde Anfang Januar beispielsweise eine neue Technologiepartner-schaft zwischen Volvo und der Yamaha Motor Corporation abgeschlossen. Hierbei geht es um die Entwicklung neuer Bootkontrollsysteme. In der Presse-notiz vom 7. Januar 2011 hieß es:

“Volvo Penta’s fully owned subsidiary, CPAC Systems, has devel-oped a CAN-based network, which links engine, transmission, in-strumentation and accessories in a single system. That network currently forms the electronic base of Volvo Penta’s product range for powerboats. Volvo will adapt some of its electronic products for Yamaha, and according to a statement, those products will be in-troduced in the next few years. The partnership start in the begin-ning of 2011.”

Ein asynchrones Bussystem der Volvo Penta Tochter CPAC Systems ver-linkt Motor, Getriebe, Instrumente und Zubehör miteinander, als elektronische Basis für alle Schnellboote von Volvo Penta. Volvo wird einen Teil seiner Elektronik für Yamaha Bootsmotoren anpassen, die in den kommenden Jahren vorgestellt werden. Die Partnerschaft beginnt 2011. Neue Partnerschaften wie diese zielen vor allem darauf ab, noch schneller moderne Steuerungssysteme zum „Joystick-Maneuvering“ in den Massenmarkt zu bringen.

In allen Industriestaaten gibt es Innovationsagenden, die sich vor allem auf die gemeinsame Erforschung von umweltrelevanten Technologiefeldern wie Nutzung der Photonik, des Windes oder des Wassers konzentrieren. Sie werden regelmäßig erneuert und aktualisiert, schließen häufig neue Partner ein, die ursprünglich wenig oder gar nichts mit der maritimen Industrie zu tun hatten.

Solche Vernetzung ist auch Ziel neuer internationaler Initiativen wie die Schaffung der GCCA (Global Clean Tech Cluster Association) im kaliforni-schen San Diego Ende 2010, wo mehr als 20 Clean Tech Initiativen und Orga-nisationen mitwirken.

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Das Ziel aller Anstrengungen lässt sich einfach zusammenfassen: In allen Aktivitäten ein „Clean Techie“ zu werden, keinen Bereich auszulassen, sich bei jeder neuen Herausforderung wieder und immer wieder zu fragen, ob und wie sie sauberer realisiert werden könnte.

Die maritimen Aufgaben eignen sich besonders dafür, zumal gerade für das Wasser mehr als jedes andere Element gilt: Wasser kennt keine Grenzen – so wie die menschliche Kreativität.

Foresight vorantreiben

Vergleicht man die künftigen Forschungs- und Entwicklungsziele der mari-timen Wirtschaft mit anderen Industriebereichen, fällt auf, dass es viel zu wenig visionäre Überlegungen für künftige Innovationsfelder gibt. In dem vom Bun-desofrschungsministerium organisierten Foresight Prozess zur Identifizierung von etablierten und künftigen Zukunftsfeldern neuen Zuschnitts, kommt die maritime Industrie überhaupt nicht vor! Bei dem Foresight Projekt standen fol-gende Fragen im Mittelpunkt:

• Identifizierung neuer Schwerpunkte in Forschung und Technologie • Benennung (und Ableitung) von Gebieten für Forschungs- und Inno-

vationsfelder übergreifende Aktivitäten • Potenzialanalyse, in welchen Technologie- und Innovationsfeldern

strategische Partnerschaften möglich werden können • Ableitung prioritärer Handlungsfelder für Forschung und Entwick-

lung – vom Zukunftsthema zum Zukunftsfeld neuen Zuschnitts

Die Ergebnisse sind unter www.iao.fraunhofer.de/foresight einzusehen. Selbst in den etablierten Zukunftsgebieten gibt es kein einziges Forschungsfeld, das sich direkt mit den maritimen Problemen befasst. Nicht einmal im Bereich Wasser-Infrastrukturen kommt der Schiffbau vor, obwohl andere Prognosen davon ausgehen, dass z.B. Wassertanker künftig bedeutender werden als Öltan-ker und dass Meerwasser-Entsalzung ein enormes Geschäftsfeld wird. Die ma-ritime Wirtschaft muss sich auch in den identifizierten Zukunftsfeldern neuen Zuschnitts wiederfinden oder besser in konzertierter Aktion eigene entwickeln.

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Grundlegend veränderte Rahmenbedingungen zwingen die maritime Bran-che zu einer Neuausrichtung entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette. Aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht bietet sich dabei für die europäi-schen Marktteilnehmer ein konsequenter Ausbau der Marktführerschaft bei Clean Technologies an. Um dem Rechnung zu tragen, wird der Aufbau einer europäisch ausgerichteten maritimen Clean Tech Initiative vorgeschlagen.

Notwendigkeit

In der maritimen Industrie, Forschung und Lehre nimmt weltweit der Bedarf an Führungs- und Fachkräften, die über neustes Umwelttechnik- und Kli-mawissen, Clean Technologies und Green Business verfügen, überproportional zu. Aus einer weltweiten Studie des Aspen Instituts New York für 2007/08 zu den besten 100 MBA-Programmen aus 23 Ländern „For Social and Environ-mental Stewardship“ geht hervor, dass kein deutsches Institut dazu zählt, son-dern nur acht aus Europa. (RSM Niederlande, Nottingham UK, Juväskylä Finn-land, INSEAD Frankreich, IMD und HEC Genf, Schweiz, Navarra und EADA Spanien). Die Stanford University aus Kalifornien besetzt dagegen den 1. Rang über mehrere Jahre, auch 2010.

Unter den weltweit 100 Top Private Companies in GreenTech, die im Sep-tember 2007 erstmals durch AlwaysOn/GoingOn.com unter 500 Unternehmen vorgenommen wurde, fand sich entgegen der bei uns weit verbreiteten Selbst-einschätzung gleichfalls keine deutsche Firma, dagegen wurden 42 aus Kalifor-nien nach den Kriterien Innovation, Marktpotenzial, Kommerzialisierung, Me-dienaufmerksamkeit sowie Stakeholder Value aufgenommen.

Regional und bundesweit gibt es keine mit einer vollständig auf Green- bzw. Clean Tech bzw. Sustainable Business Strategien der maritimen Industrie aus-gerichtete öffentliche oder private Initiative. Führende Unternehmen beklagen in zunehmenden Maße den Mangel an Fach- und Führungskräften, so dass of-fen über die Bildung eigener Aus- und Weiterbildungs- sowie Forschungsein-richtungen diskutiert wird, zuletzt auf der Tagung der Unionsfraktion im Deut-

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schen Bundestag zur Entwicklung der maritimen Wirtschaft als nationale Auf-gabe. Daher sprechen sich die Autoren dafür aus, eine European Maritime Clean Technologies Initiative (EMCTI) ins Leben zu rufen.

Forschungsprofil

Die EMCTI sollte einen klaren Schwerpunkt auf wissenschaftliche Arbeiten und Studien zu Clean Technologies und Green Business Geschäftsfelder rich-ten. Es gilt, unter anderem strategisch relevante Fragen zu behandeln, die in diesem Buch vorgeschlagen wurden. Die Forschungsarbeit müsste durch inter-nationale Kooperationen flankiert werden. Mit dem schrittweisen Entfalten der Initiative sollte die Entwicklung eines eigenständigen innovativen Forschungs- und Weiterbildungsprogramms verbunden werden. Dabei ist zu berücksichti-gen, dass die technologischen Projekte der EMCTI und innovative Ansätze sowie Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung unter folgenden Rahmenbedin-gungen stattfinden: Kostendruck der Unternehmen, Anlageschwerpunkte von Venture Capital Gebern, globaler Wettbewerbsdrucks im Clean Tech-Bereich, ein in wachsendem Maße umweltbewusstes Konsumverhalten im LOHAS Stil (Lifestyle of Health and Sustainability) sowie Klimaveränderungen und eine neue globale Wettbewerbsrolle der BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China erfolgen. Zum Start sollen in der EMCTI nach Konsultationen mit der Industrie sowie mit NGOs und dem Umweltbundesamt auf folgenden Ge-bieten Projekte und Weiterbildungsmaßnahmen (Workshops, Seminare, eLearn-ing) entwickelt werden:

• Nachhaltigkeitsstrategien der maritimen Wirtschaft unter besonderer Beachtung von Klima-, Umwelt- und Emissionsschutz, von erneuer-baren Energien, Verkehrs- und Bebauungsalternativen

• Klima- und Umweltschutzprojekte für Meere und Ökosysteme im Küstenbereich (Luft-, Wasser- und Abfall)

• Ökointelligente und Ökoeffiziente Produkt- und Technologieentwick-lung inkl. Stoffkreisläufe und Entsorgung in der maritimen Wirtschaft

• Risikobewertung und Schadstoffsicherheit in chemischen und biolo-gischen Prozessen inkl. Prüfverfahren und Normierungen der mariti-men Wirtschaft

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• Dekarbonisierung und Emissionshandel sowie Management und Con-trolling der Einhaltung von Klima- und Umweltschutznormen der SECAs/ECAs

• Nachhaltiges Innovations- und Umweltmanagement für Unternehmen im Rahmen des Supply Chain Managements der maritimen Wirt-schaft

• Tourismusökologie und nachhaltig zukunftsfähige Kreuzfahrten.

Vernetzung nach Stanford Vorbild

Es wird Wert darauf gelegt, nach dem Muster der Standford University im Silicon Valley eine Zusammenarbeit mit großen Unternehmen aufzubauen und so innovative Netzwerke für die Projektarbeit zu schaffen, für die Aus- und Weiterbildung mit daran interessierten Unternehmen, ihren Beschäftigten, Non-Government Organizations, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sowie dem Umweltbundesamt und anderen staatlichen oder regionalen Behörden sowie den Mitgliedern der jeweiligen Suppliers Chain der maritimen Wertschöpfung. Die damit angestrebte Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks führt ne-ben erhöhter Konsumentenakzeptanz zu erhöhter Profitabilität, Wachstum und Effizienz. In einem funktionierenden Netzwerk finden sich zudem effizienter Studierenden bzw. weiterzubildende Graduierte und es gibt Potenzial zur Ein-werbung von Finanzierungsquellen für ökologische Innovationen.

Die angestrebten Wissens- und Know-how-Vermittlungen aus dem Clean Tech Bereich erfolgen innerhalb von Sustainable Value Networks fokussiert auf die Wachstums-, Umwelt- und Klima- sowie Sozialziele mit hoher praktischer Relevanz, ohne Verlust von theoretischem Hintergrund nach dem Motto „Theo-ria cum Praxi“ oder „Learning by Doing“. Das Netzwerk-Herangehen an die Organisation der Projekte sowie der Aus- und Weiterbildung wird mit moder-nen Methoden der Information und Kommunikation, Planung und Steuerung sowie des Controllings unter Einschluss von Intangible Assets der maritimen Wirtschaft unterstützt. Das neue vernetzte Herangehen der EMCTI könnte Fach-, Methoden-, Sozial- und Sprach- sowie Unternehmerkompetenz in adä-quater Weise vermitteln, wobei Projekte in europäischen Netzwerkländern fes-ter Bestandteil sein müssten.

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Einsatz moderner Methoden der Projektarbeit sowie des E-Learnings

EMCTI Projektarbeiten und Weiterbildungskurse könnten nach folgenden Prinzipien erfolgen:

1. Interaktivität, wobei in hohem Maße von der aktiven Teilnahme der Projekt-partner ausgegangen wird. Zugleich sollen durch interaktive Arbeit in hohem Ma-ße selbst entwickelte Aktivität gegenüber autoritätsorientierter Anleitung erreicht werden. In diesem Sinne wird von einer Co-Kreation der Weiterbildungslehrgänge nach Bedarf der maritimen Wirtschaft ausgegangen.

2. Systemdenken und praxisorientierte Herangehensweise. Hierbei geht es insbe-sondere um das Verständnis für die komplexen Wechselbeziehungen zwischen technischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aktivitäten sowie für Probleme der maritimen Wirtschaft und ihrer Partner. Durch system- und prozess-orientiertes Denken sollen die Grenzen langjähriger enger fachspezifischer Sicht-weisen überwunden und zugleich interdisziplinäre Denk- und Arbeitsweisen trai-niert werden. Dabei muss klar werden, dass ein hoher Anteil der heutigen Um-weltprobleme auf einseitige fachspezifische Herangehensweisen zurückzuführen sind, die in die letzten 150 Jahre entstanden sind.

3. Kreativitätsentwicklung und Kommunikationsfähigkeit. Die Projektmitarbeiter und Kursteilnehmer für Weiterbildungen sollen befähigt werden, selbstständig neue und unerwartete Problemlösungen zu finden und zugleich tiefes Verständnis für innovationstheoretische Grundlagen des Vorbereitens, Durchsetzens und Ver-breitens von Clean Tech induzierten Veränderungen erhalten. Im Ergebnis sollen möglichst von jedem Projekt konkrete praxisorientierte Modelle und Venture-Pläne für innovative Problemlösungen entwickelt werden, die reale Chancen zur Umsetzung haben und im Idealfall zu realen Unternehmensgründungen im mari-timen Clean Tech Sektor führen.

Von Anfang an sollen alle Möglichkeiten des Einsatzes modernster Metho-den, gestützt auf professionelles Projektmanagement, virtuelles mobiles Arbei-ten und Blended Learning genutzt werden, um dadurch auch Möglichkeiten des Aufbaus neuer Weiterbildungskurse und später Clean Tech Studiengänge schrittweise zu erschließen sowie eigene Nachhaltigkeit der EMCTI Initiative im Sinne des englischen Rankings nach Green League Criteria zu erreichen.

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Green Ship Ranking und Green Ship Awards

Parallel soll mit dem Aufbau eines Forschungs-Rankings der Top Clean Companies im maritimen Bereich in Europa sowie weltweit im Sinne des SER-Programms (Socially and Environmentaly Responsible Supply Chain) begon-nen werden, als dessen Folge eine Green Oscar-Verleihung z.B. im Rahmen der Nationalen Maritimen Konferenz (oder auf anderen europäischen Veranstaltun-gen) realisiert werden könnte. Durch diese Industriebewertung unter Einschluss der Zulieferbeziehungen in Zusammenarbeit mit NGOs und Auditorganisatio-nen sowie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sollen langfristige Industrie-kontakte für Forschungsvorhaben und praxisnahe Weiterbildungsprogramme sowie der hierzu geplanten Dozenten-Austausch mit der maritimen Industrie erleichtert werden.

Nutzen einer EMCTI für die europäischen Clean Tech Cluster

Visibility im Cluster

Die Initiative erhöht die Sichtbarkeit der EMCTI Mitglieder innerhalb des Clusters und trägt somit zur Intensivierung der standortbezogenen Geschäfte bei.

Best Practice für Business Excellence

Die Initiative erhöht die Effizienz der Branche innerhalb des Clusters und tritt für kostensenkende Industriestandards ein, indem sie den Austausch von Bestpraktiken im Cluster fördert.

Late Stage Award für vielversprechende Innovationen

Die Initiative stellt vielversprechende Innovationen vor, um ihnen bei der Suche nach Brancheneinschätzungen und Wachstumskapital behilflich zu sein.

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Gemeinsame Problemlösungs-Strategien

Die Initiative treibt die regional-clusterweite und europaweite Zusammenar-beit an Schlüsselthemen durch Begegnungsplattformen und Partnerbörsen (Bu-siness Matchmaking) voran.

Modulare Werkzeuge nach dem Grundsatz “Plug and Play”

Die Initiative bietet strategische und operative Beiträge ihrer Mitglieder in einem Framework allen Mitgliedern als offene Plug and Play Lösungen an.

Innovationsmarketing

Die Initiative erschließt für die europäische maritime Industrie neue interna-tionale Märkte durch strategisches Innovationsmarketing.

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Mit fortschreitendem Klima- und Umweltbewusstsein sowie Umstellen der Industrie auf die veränderten internationalen Anforderungen werden gerade aus ökologischer Sicht Fragen aufgeworfen, die heute noch vielfach überraschen. Manche halten sie sogar noch für abwegig oder für die eigene Branche irrele-vant, werden sich jedoch wundern, wie schnell ganz neue Fragen vom Mode-trend zum Leistungsstandard werden.

Fragen zur Klimaschutzleistung der maritimen Wirtschaft

Wer erstmals ein Öko-Audit vorlegen muss, stellt meist fest, dass selbst gut ausgebildete Ingenieure, Konstrukteure, Techniker und Betriebswirte auf viele Fragen nur mit Achselzucken antworten. Zu solchen Fragen gehören heute von vorbildlichen Unternehmen längst erfasste klimabeeinflussende Faktoren:

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• Wie groß ist der Material Input per Service Unit oder der ökologische Gesamtrucksack des Produkts?

• Gibt es eine aktuelle Zertifizierung des Unternehmens nach EMAS Standards wie weiter oben schon erläutert?

• Wie viele Gigajoule Strom und Brennstoff werden pro Produkteinheit verbraucht?

• Wie viel Prozent des Energieeinsatzes im Unternehmen stammt aus erneuerbaren Energiequellen?

• Wie viele Tonnen Treibhausgas (direkt und indirekt) emittiert das Un-ternehmen gemäß Kyoto-Protokoll?

• Liegt ein Klimaschutz-Aktionsplan vor – und welche Kernziele ver-folgt dieser?

Darauf Antworten zu finden, erscheint heute nach Einschätzung von Trend-forschern vielfach lästig. Doch es gibt keine Alternative. Wer keine Ergebnisse bekannt geben kann, wird erleben, wie Dritte die Zulieferkette und den CO2-Fußabdruck ausforschen. Aus ordnungspolitischer Sicht wird die Ökobilanz genauso wichtig wie die jetzt im Mittelpunkt stehende Finanzbilanz.

Neue Anforderungen an Schulen für Nachhaltigkeit

Die gravierenden neuen Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung kön-nen nach Auffassung von Experten nicht erst in der Berufsausbildung oder an den Hochschulen aufgegriffen werden. Man muss vielmehr bereits in den Schu-len in den ersten Ausbildungsjahren damit beginnen, das Bewusstsein für die Herausforderung zu wecken. Nur so wird systematisch in der jungen Generati-on verstanden werden, dass Klimaschutz und Clean Tech keine „Nice-to- have Errungenschaften“ sind, sondern elementare Überlebensvoraussetzungen für die Menschheit und nachfolgenden Generationen. Bildung für Nachhaltige Ent-wicklung (BNE) wird damit künftig an allen Schulen ein neues Fach sein müs-sen. Das Umweltbildungszentrum der Hansestadt Lüneburg vermittelt hierzu mit digitalen Medien bereits den neuen Weg für Schulen durch Weiterbildungs-veranstaltungen. Allein aus diesem Anspruch ergeben sich zahlreiche neue An-forderungen an die Aus- und Weiterbildung und zwar von der Pike an.

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Nachhaltigkeitsdenken in Unternehmen ausprägen

Bei allen Mitarbeitern und Führungskräften eines Unternehmens sowie in öffentlichen Einrichtungen wird ein tiefes Umdenken erforderlich. Wo gestern und oft heute noch über „Ökospinnerei““ gescherzt wurde, vergeht immer mehr Betroffenen das Lachen, weil belastbare Zahlen, aussagekräftige strategische Ziele, Mittel und Wege zur Zielerreichung ganz selbstverständlich auch bei Verhandlungen mit Banken, Investoren und nicht zuletzt öffentlichen Vertre-tern verlangt werden. Viele Unternehmen stellen sich daher darauf ein, über spezielle Abteilungen für Ökologie hinaus in allen Fachbereichen Klima- und umweltpolitische Schulungen durchzusetzen, aber auch die bisher kaum gelehr-ten Clean- und Green Technologies in das eigene Aus- und Weiterbildungs-spektrum aufzunehmen. Zugleich werden die Zulieferer in die neuen Anforde-rungen einbezogen.

Unternehmen, die mit nachhaltig wirtschaftenden Lieferanten zusammenar-beiten, sparen dabei sogar Geld. Das geht aus einer Ende Januar 2010 veröffent-lichten Erhebung der internationalen Investorenallianz Carbon Disclosure Pro-ject (CDP) und der Unternehmensberatung A.T. Kearney hervor. An der Befra-gung nahmen 55 weltweit tätige Konzernen wie Pepsi, Google oder Sony und 1.000 ihrer Zulieferer teil. Die Hälfte dieser Konzerne und ein Viertel ihrer Lieferanten gaben dabei an, bereits Kosten durch nachhaltige Lieferketten zu sparen, zum Beispiel über gehobene Energieeffizienzpotenziale oder einen ge-ringeren Rohstoffeinsatz. Die Erhebung offenbart aber auch, dass die global agierenden Konzerne ambitionierter in Richtung Nachhaltigkeit voranschreiten als ihre Lieferanten. Ziehen die nicht nach, droht ihnen die Auslistung. Immer mehr Konzerne suchen sich ihre Geschäftspartner bereits nach deren Klima-schutzleistung aus.

Mehr Clean Tech Patente anmelden

Wie dringlich das Umdenken auf breiter Front ist, zeigt sich auch an der für Deutschland keineswegs so günstigen Patentstatistik auf dem Clean Tech Ge-biet. In den täglichen Clean Tech News vom 08.Februar 2011 der Clean Tech Group heißt es nüchtern:

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„According to the Clean Energy Patent Growth Index, which indi-cated the level of innovation in the sector of clean energy, Japan is dominating the index, especially in the areas of energy storage de-vices and fuel cells, which have received more than 157 patent approvals in just one quarter. Toyota and Nissan, two Japanese automobile manufacturers are leading the patent race in this sector with the first two spots on the index, followed by Japan’s Honda company.”

Auch wenn es hierbei um Autohersteller geht, sieht es in vielen anderen Clean Tech und Green Business Gebieten nicht anders aus. Gegenwärtig haben viele Unternehmen in Deutschland noch kein einziges Patent für Clean Tech in ihrem Bereich und bilden ihre Mitarbeiter auch viel zu wenig in dieser Richtung weiter. In der IMG Group wird an zahlreichen Umweltschutz-Technologien wie unter anderem der Weiterentwicklung der rückstandslosen Wirbelschichtver-brennung gearbeitet. Dazu gibt es eigene Forschungsteams, die ausschließlich an neuen umweltfreundlichen Produktionsverfahren, etwa für das Schweißen, forschen und experimentell arbeiten.

Maritime Clean Tech Centers an Universitäten aufbauen

Dringend erforderlich ist für die maritime Wirtschaft, mehr von den globa-len Technologieführern zu lernen. Gerade die in den USA ausgeprägte enge Partnerschaft zwischen der Industrie und Spitzenuniversitäten ist hierfür ein gutes Beispiel. Der weltgrößte Chiphersteller Intel wird nach eigenen Angaben vom Februar 2011 beispielsweise in den nächsten fünf Jahren 100 Millionen US-Dollar in amerikanische Universitäten investieren. Ziel ist die Errichtung mehrerer "Intel Science and Technology Centers". Das erste Technologiezent-rum mit dem Forschungsschwerpunkt "Visual Computing" entsteht an der Stan-ford University in Kalifornien. Das erste "Intel Science and Technology Center" an der Universität Stanford wird mit acht Forschungsteams aus anderen US-Hochschulen verstärkt. Zum Projekt stoßen u.a. Mitarbeiter aus Harvard, Ber-keley, Cornell und Princeton hinzu. Im Laufe des Jahres sollen weitere Einrich-tungen dieser Art an anderen US-Universitäten entstehen. Laut Intel steht zu Beginn neben "Visual Computing" die Forschung in den Bereichen "Security" und "Mobile Computing" im Mittelpunkt des Netzwerks. Die Forschungsthe-

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men sollen in Zukunft allerdings flexibel und in engem Austausch mit der aka-demischen Gemeinschaft gewählt werden. Bis zu vier bei Intel angestellte For-scher arbeiten in jedem Zentrum, um den Technologietransfer in das Unter-nehmen zu fördern. In einem ersten Schritt wird jedes Zentrum mit finanziellen Mitteln für drei Jahre ausgestattet, mit der Option, die Unterstützung zwei wei-tere Jahre zu verlängern. Das sind Herangehensweisen, die für die maritime Industrieforschung, Aus- und Weiterbildung sowie den Technologietransfer in Zukunft von entscheidender Bedeutung sind.

Weiterbildung für Clean and Green Business Management

Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und von Anfang an den in der Seefahrt notwendigen internationalen Ansprüchen gerecht zu werden, sind rasch neue Lehrinhalte, bevorzugt in englischer Sprache, zu erarbeiten. Dazu gehören als Schwerpunkte beispielsweise:

• Maritime Economics and Sustainability • Management Concepts and their application for Clean Maritime In-

dustry • Maritime Law and Climate Protection Rules • Clean Maritime Administration, Operations and Crew Management • New International Clean Maritime Regulations and Codes • Green Marine Insurance • Clean Chartering Policy and Green Business Marketing Strategy • Clean Maritime Financial Management • Green Maritime Logistics

Was bisher durch international anerkannte Weiterbildungseinrichtungen wie North West Kent College and Lloyd’s Maritime Academy in Großbritannien für allgemeine Diploma in Maritime Business Management geleistet wurde, ist durch eigene auf Clean und Green Business Management konzentrierte Kurse international attraktiv anzubieten.

Dadurch wird es gelingen, möglichst schnell mehr Wissen und mehr Unter-nehmertum für eine saubere Zukunft der maritimen Wirtschaft zu mobilisieren.

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Oslo 2010 Walther, Grit: Nachhaltige Wertschöpfungsnetzwerke, Wiesbaden 2010 Wärtsilä: Energy Environment Economy – Energy-Efficient Solutions for Cruise Ships Ferries

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heruntergeladen von http://www.zds-seehaefen.de, Hamburg 2005 – 2009

Page 280: Maritimes Clean Tech Kompendium

281

D22,.716=;9&167&S*2-..-68-#N-,346,;&

Abb. 1 Eckhardt Rehberg, Rostock Abb. 2 Physalia, Vincent Callebaut Architectures 2010, www.vincent.callebaut.org Abb. 3 MS Tûranor, PlanetSolar 2010 Abb. 4 E/S Orcelle, Wallenius Wilhelmsen Logistics, 2010 Abb. 5 Deutsches U-Boot U34, Arne Lütkenhorst, Kiel Abb. 6 Clean Baltic Sea Shipping, www.baltef.de Abb. 7 Umweltfreundliche Maßnahmen, Volker Höppner, Future Ship GmbH – A GL Com-

pany, Hamburg 2011 Abb. 8 Energieeffiziente Maßnahmen, Volker Höppner, Future Ship GmbH – A GL Com-

pany, Hamburg 2011 Abb. 9 Anteil der Emissionen aus dem Schiffsverkehr 2000 / 2020 nach Angaben des Um-

weltbundesamts Abb. 10 Titelbild des Hansa Journals 01/2011 Abb. 11 Schmelzende Gletscher in der Arktis, Rainhart Kny Abb. 12 Beispiel der touristischen Belastung in Mecklenburg-Vorpommern (2008),

www.statisitk-mv.de Abb. 13 SECA-Gebiete, Klaus Seele, ifi Institut für Innovationsmanagement e.V. Abb. 14 ECA-Gebiete, Klaus Seele, ifi Institut für Innovationsmanagement e.V. Abb. 15 Übersicht zum Inkrafttreten wichtigster Verordnungen zum Umwelt- und Klima-

schutz, Stand 2010, ifi Institut für Innovationsmanagement e.V. Abb. 16 Entwicklung des deutschen Seeschiffbaus, VSM, Verband für Schiffbau und Meeres-

technik e.V. (Stand 2011) Abb. 17 Wachstum des maritimen Weltmarkts, Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Industrie-

und Handelskammern e.V. Abb. 18 Seegüterumschlag ausgewählter deutscher Häfen an Nord- und Ostsee, Zentralver-

band der deutschen Seehafenbetriebe e.V. Abb. 19 Entwicklung der deutschen Handelsflotte und davon Anteil der deutsch beflaggten

Schiffe, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Abb. 20 MTU Motorenbaureihe 1163, Tognum, 2010 Abb. 21 Water-in-fuel Emulsifier Slashpol E, Lehmann & Michels, LEMAG Abb. 22 LNG Carrier, MAN Diesel & Turbo Abb. 23 Das deutsche Segelschulschiff Gorch Fock auf einem 10-Mark Schein, Deutsche

Bundesbank 1963 Abb. 24 “USA 17”, America’s Cup 2010, Guilain Grenier, ORACLE Racing Abb. 25 Modell des Projekts Cape Horn, Kapitän Hartmut B. Schwarz Abb. 26 Zugdrachen, SkySails

Page 281: Maritimes Clean Tech Kompendium

282

Abb. 27 sun21, erstes Solarboot der Welt im Atlantik, ecos 2007 Abb. 28 470 Quadratmeter Solarzellen auf der MS Tûranor, PlanetSolar 2010 Abb. 29 e4Ships, Brennstoffzellen-Projekt, e4ships c/o hySOLUTIONS GmbH Abb. 30 Super Eco Ship 2030 Designstudie von NYK Lines Abb. 31 Abrüstung russisches Atom-U-Boot durch IMG Group, Rainhart Kny Abb. 32 TMS Till Deymann, modernster Binnentanker, Christoph Garrelmann Abb. 33 Bionik-Propeller von TU Berlin und EvoLogics, Dr. Rudolf Bannasch Abb. 34 Air Cavity System der dänischen DK Group, Grafik: DK Group, bearbeitet durch ifi

Institut für Innovationsmanagement e.V. Abb. 35 Gießerei, MAN Diesel & Turbo Abb. 36 Magnesium, Technische Universität Bergakademie Freiberg Abb. 37 Wasserfahrzeug aus textilbewehrtem Beton, Technische Universität Dresden, Lehr-

stuhl für Baustoffe Abb. 38 Einsatzgebiete für Faserverbundwerkstoffe, auf der Basis von Informationen der

R&G Faserverbundwerkstoffe Abb. 39 Aramidfaser, HKO Heat Protection Group Oberhausen Abb. 40 Fouling-Effekt Abb. 41 Hohe Umweltstandards beim Anlagenbauer IMG Group Rostock Abb. 42 EMAS III, Umweltberater Dr. Manfred Brown Abb. 43 Containerschiff, MAN Diesel & Turbo Abb. 44 mehr Treibstoff-Effizienz der Lkw-Flotte, Wal-Mart Abb. 45 Navigationssystem, VDO Abb. 46 Intermodalität am Ro/Ro-Terminal im Hafen Rostock, Hafen-

Entwicklungsgesellschaft Rostock/SPC Abb. 47 Kraft-Wärme-Kopplung im Kreuzfahrtschiff, MAN Diesel & Turbo Abb. 48 GreenSteam Energiesparsystem, Decision3 Abb. 49 Kreuzfahrtschiff „Diva“, Aida Abb. 50 Landstromversorgung Lübeck, Siemens 2008 Abb. 51 Erster nachhaltiger Schiffsfonds: Sustainable Ship, Voigt & Collegen Abb. 52 Blauer Engel für Umweltfreundliches Schiffsdesign (RAL-UZ 141), Bundesministe-

rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Abb. 53 Blauer Engel für Umweltschonenden Schiffsbetrieb (RAL-UZ 110), Bundesministe-

rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Abb. 54 Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung (2002) Abb. 55 Stellhebel für ein Clean Tech Schiff der Zukunft, Klaus Seele/liquidstream, ifi Institut

für Innovationsmanagement e.V.

Page 282: Maritimes Clean Tech Kompendium

283

0%,34$"#%8-#N-,346,;&3 R’s, 79, 80 ABB, 124 Abfall, 29, 42, 191, 194, 202, 220, 221,

238, 240, 241, 242, 244, 249, 266 Abgas, 25, 36, 39, 49, 82, 86, 87, 88, 89,

90, 91, 95, 123, 222, 223, 236 Abgasnachbehandlung, 38, 85, 89, 91 Abgasreinigung, 25, 87, 134 Abgasrückführung, 90, 96 Abgastemperatur, 90 Abgaswäsche, 87, 89, 90 Abwärme, 16, 96, 222, 244 Abwasser, 219, 244 Abwracken, 239, 240, 244 ACB, 151 Accenture, 196, 237 ACERT, 84 ACS, 140, 141, 142 ADANAV, 213 Aerodynamik, 109, 130, 133, 134, 152 AFK, 165, 170, 171 Aida, 226, 229, 230 AIS, 215 Alcoa, 147, 150 AlOx, 172 Alstersonne, 108, 120 Aluminium, 13, 144, 145, 146, 147, 148,

149, 150, 151, 152, 154, 156, 161, 163, 165, 166, 168, 177

Aluminiumrumpf, 146 Aluminiumschaum, 151 Aluschiff, 167 Ammoniak, 89, 90 Anstrich, 106, 182, 183, 224 Antarktis, 47, 144, 262 Antifouling, 183, 184, 185 APV, 223 Aramid, 165, 170, 171 Arbeitsbedingungen, 43, 193 Arbeitsschutz, 43, 44 Arbeitssicherheit, 190, 229 ArcelorMittal, 156 Arktis, 23, 95, 256, 262

Ärmelkanal, 49, 51, 107 Artenvielfalt, 14, 29, 251 ASTM, 151 ATG, 119 Atlantik, 23, 51, 108, 110, 231 Atomantrieb, 9, 122, 127, 128, 130 Atomenergie, 122, 128, 130 Atomkatastrophe, 9, 217 Audit, 188 Auriga, 110, 120 Ausstoß, 37, 49, 70, 117, 193, 210, 223,

257 Austal, 106, 147 Award, 157, 247, 248, 269 AWZ, 40 Ballastwasser, 9, 13, 36, 46, 54, 183, 217,

218, 221, 224, 231 Baltec Werft, 166, 167 Baltic, 17 Bannasch, Gerd, 138, 262 Batterie, 108, 109, 123, 124, 125, 127, 163,

166, 242 Baumwolle, 172, 174, 202 Beleuchtung, 208 Bellamy, Andrew, 106 Benzin, 83, 113, 117 Bernoulli, 130, 136 Beton, 33, 145, 157, 158, 160 Bilgewasser, 29, 218, 224, 238 Billigflaggen, 43, 230, 240 Binnenschifffahrt, 9, 39, 55, 70, 71, 253 BinSchAbgasV, 54, 55 Biobutanol, 113, 117 BIOCLEAN, 117 Biodiesel, 113, 115 Biodiversität, 48 Bioethanol, 113, 114, 115, 117 Biofouling, 183, 185 Biokraftstoffe, 11, 94, 112, 113, 117, 171,

172, 173, 177 Biomasse, 112, 113, 114, 116, 117, 118,

172, 219 Bionik, 138, 185

Page 283: Maritimes Clean Tech Kompendium

284

Bioreaktor, 219 Biosphäre, 73 Biotreibstoffe, 113, 117 Biowasserstoff, 113, 116, 118 Biozide, 184 Blauer Engel, 95, 248 Bleche, 142, 148, 149, 154, 156 Blohm + Voss, 62, 63 Bluetooth, 206 BMW, 13, 99, 163, 176 BMW Oracle Racing, 99 BNE, 271 BP, 117 Brauchwasser, 29, 219 Braungart, Michael, 241, 242, 243, 250 Brennstoffzelle, 13, 16, 17, 93, 108, 114,

118, 119, 120, 121, 127 Brunsbüttel, 68 Brüssel, 34 Bug, 99, 111, 112, 132 Bundesforschungsministerium, 103, 212,

234 Bundesmarine, 16, 17 Bundesregierung, 20, 27, 52, 56, 62, 65, 66,

113, 117, 128, 232, 251, 258 Bundesumweltministerium, 131, 185 Bundesverkehrsministerium, 71 Bundeswirtschaftsministerium, 28, 62, 97 Büsumer Werft, 61 Callebaut, Vincent, 9, 10 Cancún, 11, 247 Cape Horn, 102 Carbon Footprint, 200, 209, 256 Carrier, 131 Caterpillar, 84 CDP, 272 CDU, 6 CESA, 34 CFD, 134 CFK, 163, 165, 168, 169, 170, 171 Charter, 69 Cleanship, 17 Cloudia, 105 Cluster, 64, 75, 263, 269 CMC, 163 CNT, 156

CO2, 25, 30, 31, 32, 37, 38, 52, 77, 78, 92, 117, 200, 202, 205, 210, 222, 237

Composites, 163, 177 Containerschiffe, 34, 57, 61, 62, 63, 68, 69,

71, 78, 83, 92, 93, 94, 100, 121, 125, 135, 141, 184, 186, 199, 200, 216, 224, 235, 237

COP, 11 Cousteau, Jacques-Yves, 104 CPAC, 263 Cradle to Cradle, 241, 242 Crew, 99, 247, 274 CRP, 137 cruise, 162 CSR, 194, 255 CSS, 228 CUE, 257 Daimler, 116, 181 DCTI, 76 DDR, 127, 174 Deck, 105, 109, 134, 146, 166, 168, 179,

180 Degussa, 218 Delphinart, 12 Design, 13, 19, 21, 77, 106, 110, 131, 163,

169, 204, 239, 246, 247 Deymann, 131, 132, 133 DFDS, 215 Diesel, 70, 83, 84, 95, 97, 114, 115, 116,

123, 126, 137, 167, 202, 228 Dieselmotoren, 23, 37, 39, 82, 83, 91, 97,

98, 100, 102, 105, 106, 111, 114, 115, 120, 126, 127, 130, 167, 226, 235

Direkteinspritzung, 85 DK Group, 141 DLR, 50, 117, 162 DMI, 215 DNV, 120 Doppelhüllentanker, 47, 61 Drachen, 103, 104 DuPont, 117, 170 Duroplaste, 165, 175 DVS, 149 DWI, 85, 91 DWS, 247 E.ON, 93, 111

Page 284: Maritimes Clean Tech Kompendium

285

E/S Orcelle, 12, 13 E10, 113 e4ships, 120 EADA, 265 Earthster, 197, 198 ECA, 51, 52, 55, 267 Edelstahl, 108, 150 EEDI, 77, 78 EEOI, 77, 78, 79 Effizienzsteigerung, 37, 82, 83, 139, 256 EGR, 90 Eichenholz, 179, 180 Einhüllentanker, 47, 54, 55 Einleitungsverbot, 47, 54, 219 Eisen, 142, 143, 164, 180, 181, 236 Elbewerft Boizenburg, 61 Elektrofahrzeuge, 92, 163 Elektromotoren, 13, 108, 118, 120, 122,

123, 124, 125, 126, 127, 222 Elektroschiffe, 124 Elomatic, 93 EMAS, 188, 190, 256, 271 EMCTI, 266, 267, 268, 269 Emden, 62, 63, 68 Emissionen, 13, 22, 23, 25, 29, 51, 53, 54,

55, 77, 78, 89, 91, 96, 117, 119, 120, 121, 126, 136, 137, 191, 200, 238, 247, 249, 252, 258

Emissionshandel, 52, 55, 78, 267 EMSA, 233, 241 Emulsion, 85 EnBW, 111 Enercon, 105, 106 Energiespeicherung, 75, 256 Energiewende, 128, 207 Entsorgung, 25, 29, 88, 204, 220, 238, 240,

242, 255, 266 EPA, 205 Epoxidharz, 168, 174 Epoxydharze, 165 Erderwärmung, 30, 37, 105, 250 Erdgas, 38, 40, 88, 93, 95, 96, 121, 123 Erdöl, 31, 40, 58, 64, 66, 83, 93, 94, 231 Erneuerbare Energien, 12, 254 ESC, 200 ESI, 50

Ethanol, 112, 113, 114, 117, 121 EU, 17, 26, 35, 47, 48, 52, 54, 56, 58, 64,

113, 121, 143, 184, 188, 231, 233, 237, 239, 240, 252, 260

EvoLogics, 138, 139 Fähre, 87, 96, 120, 124, 167, 181 Fähren, 18, 52, 63, 92, 124, 147 Faktor, 147, 173, 191, 192, 210 Fasern, 157, 158, 165, 168, 170, 174 Faserverbundwerkstoffe, 144, 161, 162,

163, 165 FDP, 27 Fechtner, Eckhard, 200 Feinstaub, 39, 49 Filterung, 88, 218, 246 FIPS, 191, 256 Fische, 32, 38, 203 Fischfang, 29, 36, 42, 64, 217, 249 Flachs, 172, 176 Flaggen, 43, 47, 52, 69, 230, 231, 232, 240,

249 Flettner-Antrieb, 104 Flugzeugbau, 162, 163 Flüssiggas, 93, 123, 147 Ford, Henry, 174 Foresight, 264 Fossile Brennstoffe, 13, 31, 32, 85, 91, 92,

93, 112, 117, 122, 254 Fouling, 182, 183 Frachter, 35, 56, 107, 128, 152, 227 Frachtschiffe, 84, 103, 108, 121, 128, 139,

147, 217, 225 Fraunhofer Institut, 149, 152, 262 Friedrich, Axel, 24 FSG, 96 Fukushima, 9, 128, 217 Futura, 131, 132 FVW, 161 FWE, 85, 86, 91 Gasbetrieb, 66, 90, 92, 93, 94, 96, 97, 123,

262 GAUSS, 19 Gazprom, 93 GCCA, 75, 263 GEA, 219 Gefahrgutverordnung, 54, 55

Page 285: Maritimes Clean Tech Kompendium

286

Germanischer Lloyd, 21, 119, 120, 229 Gesetze, 26, 45, 53, 92, 221 Getriebe, 126, 137, 263 Gewerkschaften, 28, 44 GFK, 147, 163, 165, 166, 168, 170, 171,

239 GKSS, 128, 155 Glasfaser, 108, 147, 158, 160, 163, 165,

166, 170, 171, 174, 175, 176, 209, 239 gmec, 27 Gorch Fock, 98, 102 GPS, 215 Grauwasser, 29, 219 Green Award Foundation, 50, 245, 247 Green Ship Technology Awards, 248 Green Shipping, 20, 21, 200 GreenDelta, 198 GreenSteam, 224, 225 Grenzwerte, 25, 39, 49, 54, 55, 78, 85, 87,

89, 187, 228 gtai, 57 H2CO3, 31 Hafen, 11, 12, 13, 17, 18, 25, 27, 29, 33,

36, 45, 47, 50, 51, 52, 55, 64, 68, 71, 87, 88, 89, 107, 110, 123, 125, 126, 137, 167, 189, 200, 212, 215, 217, 232, 235, 236, 237, 238, 247

Haifischhaut, 185, 186 HAM, 85, 87, 91 Hamann AG, 218 Hanffaser, 174, 176 Hapag Lloyd, 78, 135 Harnstoff, 89, 90 Hartschaum, 169 HEC, 265 HELCOM, 17 Herreshoff, Nathanael, 181 HFO, 25, 83, 95 HHLA, 125 Hinrichs, Ralf, 24 Hochseeschiffe, 39, 51 Holz, 116, 145, 147, 172, 175, 176, 177,

178, 179, 180, 181, 193, 207 Holzschiffe, 178, 179, 180, 181 Honda, 273 Höppner, Volker, 21

Horch, Frank, 20 HSH, 61 HSVA, 131 Hybridantrieb, 74, 105, 123, 125, 126, 127 Hydrodynamik, 130, 133, 140 Hydrosphäre, 73 hySolutions, 119 iao, 264 IBFG, 44 IBM, 207 IHI, 124 IMD, 265 IMG Group, 262, 273 IMO, 25, 46, 49, 51, 55, 77, 78, 85, 89, 96,

141, 167, 184, 218, 232, 247 IMS, 188, 229 Indien, 11, 35, 45, 67, 129, 143, 230, 240,

260, 266 Innenausbau, 181, 207, 208 INSEAD, 265 Intel, 273 Investitionen, 53, 74, 86, 91, 128, 163, 221 IPS, 126 ISL, 50, 88 ISO, 72, 162, 219, 229, 257 IT, 79, 204, 205, 206, 207 ITF, 230 IWU, 151 Japan, 112, 124, 128, 237 Katalysator, 22, 26, 38, 89, 90, 96 Katamaran, 11, 106, 108, 110, 131, 220 Keramik, 209 KK, 121 Klimakonferenz, 32 Klimaschutz, 5, 6, 17, 18, 22, 24, 26, 28,

30, 36, 37, 40, 45, 53, 54, 58, 92, 183, 192, 194, 207, 209, 211, 251, 256, 259, 265, 266, 267, 270, 271, 272

Kny, Reinhart, 262 Kohle, 30, 31, 32, 142, 143 Kohlefaser, 169, 170, 171 Kohlendioxid, 10, 30, 31, 37, 70, 117, 123,

125, 193, 222 Kohlenstofffaser, 31, 102, 155 Kohlenwasserstoffe, 29, 91 Kompositbauweise, 180

Page 286: Maritimes Clean Tech Kompendium

287

Korallenriffe, 32 Korrosionsschutz, 40, 86, 147, 150, 151,

154, 156, 161, 165, 168, 183 Kraftstoffe, 24, 38, 50, 85, 86, 87, 91, 92,

103, 112, 113, 114, 116, 118, 135, 169, 203, 212, 224, 238

Kraftstoffverbrauch, 37, 54, 87, 103, 104, 106, 111, 125, 139, 140, 143, 144, 146, 164, 166, 167, 183, 200

Kraft-Wärme-Kopplung, 120, 223 Kremer Werft, 61 Kreuzfahrtschiffe, 15, 33, 39, 41, 44, 52,

86, 92, 208, 219, 222, 226, 229, 230, 237

Kriegsmarine, 129, 139 Kunststoffe, 47, 99, 102, 144, 147, 158,

161, 163, 165, 166, 167, 168, 170, 171, 172, 174, 175, 177, 181, 209, 239

Kupferoxyd, 183 Küstenregionen, 6, 27, 33, 36, 40, 41, 47,

63, 72, 221, 230, 231 Landstromversorgung, 18, 39, 236, 237 Lärm, 29, 124, 136, 139, 227, 228, 244 LASS, 162 LeaderSHIP, 258 Leerfahrten, 13, 36, 238 Legierungen, 145, 148, 150, 183 Leichtbau, 11, 145, 151, 152, 153, 156,

161, 162, 163, 165, 167, 169, 170, 172 Lindenau Werft, 61 Lkw, 38, 71, 82, 83, 238 LNG, 93, 94, 96, 123 Logistik, 11, 20, 50, 54, 63, 64, 88, 118,

125, 196, 197, 200, 202, 203, 235 LOHAS, 266 Loreley, 39 Luftblasen, 141, 186 Luftschadstoffe, 24, 37, 249 Luftverschmutzung, 5, 17, 37, 48, 236 Luftwiderstand, 130, 133, 134, 138 Lüken, Reinhard, 34, 59 Lürssen Werft, 96, 120 Magellan Awards, 248 Magnesium, 144, 145, 146, 148, 149, 150,

152, 153, 154, 155, 156, 177, 183

MAN Diesel & Turbo, 28, 84, 86, 87, 95, 123, 137, 212, 228

Managementtools, 256 Marginal Abatement Cost, 22 Marine, 16, 27, 46, 62, 63, 88, 90, 126,

128, 135, 144, 151, 169, 236, 249, 274 Marktanteil, 56, 57, 147, 173 MARPOL, 46, 47, 48, 54, 55, 218, 219,

220 Maschinenraum, 13, 46, 51, 83, 106, 120,

126, 226, 237 Massengutfrachter, 61, 223, 245 Materialmix, 144, 155, 172 McDonough, William, 241 MCR, 212 MDO, 25 Meeresforschung, 64, 144, 259, 261 Meereslebewesen, 31 Meeressäugetiere, 48, 220 Meeresspiegel, 30, 32, 33 Meerestechnik, 22, 29, 51, 59, 62, 65, 69,

194, 212 Meerestemperatur, 30, 31 Meeresverschmutzung, 29, 46, 47, 48, 54,

137, 213, 219, 230, 233, 240, 248, 249 Meerwasser, 31, 36, 87, 88, 105, 155, 223 Merkel, Angela, 65 Metalle, 81, 137, 145, 147, 149, 155, 163,

242 Methanol, 114, 121 Meyer Werft, 96, 120 Meyer, Thomas, 103 MHA, 111 MIG, 148, 149 MIPS, 191, 256 MIT Institue of Technology, 121 Mittelmeer, 47, 51, 110 MMC, 163 Motoren, 13, 37, 38, 82, 83, 87, 90, 91, 94,

95, 104, 109, 112, 116, 117, 119, 120, 121, 122, 123, 126, 127, 150, 164, 202, 223, 228, 263

MS Fernplant, 145 MS Nordic Stavanger, 245, 247 MS Schwabenstein, 145 MS Tûranor, 11, 109

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288

MSRL, 47, 48 MTI, 93 MTU, 84, 85, 106, 120 MTW, 61 Müll, 220 nachgerüstet, 87, 89, 126, 141, 223 Nachhaltigkeitsstrategie, 80, 229, 244, 245,

250, 251, 253, 255, 256, 262, 266 Nachrüstung, 51, 89, 103, 104, 255 Nanopartikel, 209 Nasheed, Mohammed, 32 NATO, 46 Naturfaser, 174, 175, 176 Navigationssysteme, 212, 213, 214, 215,

247 Neuseeland, 13, 109, 151, 247 NFK, 165, 174, 176 NMK, 28 NMW Clusterinitiative, 187 NO2, 92 Nordic Yards, 63, 245, 246, 247 Nordpol, 23 Nordsee, 17, 25, 42, 47, 49 NOx, 25, 37, 49, 51, 90 NYK Lines, 93, 110, 121, 122, 186, 237 Obama, Barack, 53, 73, 92 OECD, 23, 24, 34, 58 Oettinger, Günther, 124 Offshore, 29, 58, 75, 261 OILPOL, 46, 54 Ökologischer Fußabdruck, 161, 242 Öl, 29, 36, 46, 54, 88, 102, 218, 219, 231,

261, 262 OLED, 209 Ölkrise, 61 Öltanker, 230, 264 ORC, 96 Ostsee, 6, 17, 18, 25, 42, 47, 48, 49, 55, 93,

214, 227, 232 Ostseeprogramm, 17 Ostseeraum, 17, 18, 261 Ostseeregion, 261 Ottawa, 128 Otto, Hans-Joachim, 20, 27 Otto, Heinz, 15, 106 Ottomotoren, 113

Panama, 230 Partikel, 25, 37, 38, 87, 88, 91, 117, 218 Partikelfilter, 38 Passagierfähren, 14, 96, 148 Patent, 84, 150, 185, 224, 272, 273 Pazifik, 23, 51, 110, 111, 220 PCF, 200 Pflanzenöle, 113, 115, 173 PHA, 172, 173 PHB, 173 PHF, 173 Photovoltaik, 10 PHV, 173 Physalia, 10 PIUS, 188 PLA, 172, 173 PlanetSolar, 11, 108, 109, 110 Planken, 178, 179 Plastik, 205, 220, 222 Plastikmüll, 29, 221 POGO, 259 POLAR Forschungsverbund, 261 Polarforschung, 259 Polarstation, 143 Polyamid, 166, 174 Polyester, 171 Polyesterharz, 165, 166, 174 Polyethylen, 165 Polymere, 165, 172, 173, 242 Polypropylen, 174 Polystyrol, 165 Polyurethanharze, 165 Produktlebenszyklus, 76, 174, 198, 239,

244 Prölss, Wilhelm, 15, 101 Propeller, 102, 111, 124, 126, 134, 135,

136, 137, 138, 139, 164, 224, 228 Proton, 119, 127 Pumpen, 212, 223, 224 PVC, 165, 205 radioaktiv, 9, 128, 217 Rahsegel, 101 Rapsöl, 115, 117, 172, 208 Rasmussen, Henry, 181 Recycling, 11, 79, 168, 205, 221, 239, 240

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289

Reeder, 5, 13, 15, 19, 23, 26, 44, 50, 53, 61, 62, 63, 64, 78, 82, 84, 89, 94, 95, 104, 131, 132, 136, 189, 206, 230, 231, 232, 235, 245, 246, 248

Rehberg, Eckhardt, 6, 51 Rekuperation, 96 Remanufacturing, 97 Ressourcenproduktivität, 191, 192, 210 Retrofitting, 89 Reuse, 79 Rina, 231 Ro-Ro, 86 Ruder, 134, 135, 136 Rumpf, 10, 102, 106, 131, 132, 133, 134,

136, 140, 142, 146, 159, 167, 170, 182, 184, 231

Rußpartikel, 23, 38 Rußpartikelfilter, 22, 26 RWE, 111 RWTH, 125, 160 SAFEMAR, 215 SAM, 87, 91, 214 Sandwichplatten, 166 Sauerstoff, 31, 38, 116, 118, 143 Schichau Werft, 61 Schiffbauindustrie, 27, 35, 58, 59, 65, 66,

212, 258 Schiffsabwasser, 36, 47, 54, 219 Schiffsakte, 206, 207 Schiffsanstrich, 29 Schiffsdesign, 104, 132, 134, 238, 241,

243, 248, 249 Schiffsdiesel, 25, 50, 96 Schiffsdieselmotoren, 82, 115, 212, 222,

235 Schiffsmotoren, 24, 38, 54, 82, 83, 84, 85,

91, 92, 115, 116, 118, 127, 222, 223, 227, 228

Schiffsmüll, 36, 46, 54 Schiffsrumpf, 33, 124, 131, 140, 182, 185 Schiffsschraube, 124, 135, 139, 142, 227 Schmidt-Bleek, Friedrich, 192, 210, 211 Schwarz, Hartmut B., 15, 102 Schwarzwasser, 29, 219 Schweden, 63, 71, 87, 137, 197, 237

Schwefel, 6, 10, 23, 25, 38, 49, 50, 51, 54, 55, 87, 88, 90, 91, 96, 123, 141

Schwefeldioxid, 38, 39, 49, 50, 89, 117 Schwefelemissionen, 25, 83, 87, 114 schwefelfrei, 114, 115 Schwefelhexafluorid, 38 Schwefeloxid, 37, 38, 49, 88, 102, 115, 141 Schwefelsäure, 38 Schwefeltrioxid, 38 Schweißen, 148, 149, 151, 165, 167, 273 Schweißverfahren, 154 Schwermetalle, 29 Schweröl, 25, 38, 47, 51, 54, 55, 83, 86, 90,

95, 96, 108, 110, 117, 123, 141, 231 Scott, Lee, 201, 202 SCR, 89, 96 Scrubber, 25, 87, 88, 96 Sea Cloud, 15 SeaPlanner, 214 SECA, 25, 26, 49, 51, 55, 267 SEEMP, 77, 79 Segelboote, 33, 170 Segeln, 13, 15, 82, 98, 99, 101, 102, 103,

104, 111, 121, 170 Segelschiffe, 15, 45, 98, 100, 102, 106, 169 Seidenstraße, 66, 67 Selektive Katalytische Reaktion, 89 SEMP, 77 SGL, 163 Siag, 63 Siemens, 124, 205, 226, 227, 237 SkySails, 103 SkyShip, 170 Slow Steaming, 69 SMM, 27 SO2, 25 Software, 184, 197, 198, 214, 225, 234 Sojafasern, 174 Sojaöl, 117, 208 Solarenergie, 11, 13, 28, 30, 74, 93, 94,

107, 108, 109, 110, 121, 220 Solarkatamaran, 108 Solarschiff, 11, 108 Solarzellen, 10, 11, 13, 105, 108, 109, 110,

121 SOLAS, 161

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Sondermüll, 168, 194, 239 Sonnenblumenöl, 117, 208 Sörensen, Ken Bloch, 141 SOx, 25, 37, 38, 48, 51, 55, 141, 237 Spanien, 107, 233, 265 SPD, 56 Spezialschiffbau, 16, 58, 62, 65, 166, 233 Stahl, 135, 142, 143, 144, 145, 146, 147,

148, 149, 150, 151, 152, 154, 156, 158, 162, 166, 168, 171, 177, 255

Stahlbeton, 158, 160, 163 Stahlfaserbeton, 158, 163 Stahlproduktion, 143 Steifigkeit, 122, 150, 152, 165, 168, 171,

176, 177 Stena Line, 63 Stickoxid, 25, 37, 38, 39, 49, 50, 54, 55, 85,

86, 89, 91, 95, 117, 123, 223, 236 Strauß, Franz Josef, 127 Ströher, Immo, 109 Strom, 11, 97, 105, 111, 125, 127, 194,

204, 208, 209, 222, 226, 235, 236, 237, 271

Stuttgart, 162 sun21, 107, 108 SunCat, 108 Supply Chain, 197, 198, 200, 201, 267, 269 Sustainability, 84, 195, 196, 266, 274 Sustainable Shipping Awards, 248 Tank, 25, 88, 94, 164, 225 Tanker, 35, 46, 57, 69, 104, 132, 224, 232 TBT, 184 Terrorismus, 28 Textilbeton, 159, 160 Thermoplaste, 163, 165, 175 ThyssenKrupp, 62, 63 Tiefgang, 108, 131, 132, 147, 152, 217 Tiefsee, 17 Titan, 10, 144, 146 TLKSR, 135 TMS, 132, 133 Toilettenabwasser, 29 Torque, 126 TotalFinaElf, 230, 231 Tourismus, 40, 41, 42, 64, 108, 196, 211 Toyota, 198, 273

TPS, 173 Transatlantic21, 107 Treibhauseffekt, 29, 30, 31 Treibhausgas, 25, 37, 271 Treibstoffverbrauch, 5, 18, 25, 36, 38, 49,

77, 82, 83, 85, 87, 91, 105, 107, 115, 116, 117, 127, 131, 133, 135, 136, 137, 144, 183, 194, 199, 205, 211, 218, 222, 224, 225

Trimaran, 99, 105, 169 Trimm, 79, 131, 133, 224, 225 Trinkwasser, 28, 223 Tuco Marine Group, 169 Twaron, 170, 171 Twisted Rudder, 135 Überkapazitäten, 22, 26, 34, 58, 59, 61 Übersäuerung, 32 U-Boot, 108, 181 U-Boot U31, 16 U-Boot U34, 16 U-Boot Vanguard, 129 UJV, 119 Umweltbundesamt, 204, 211, 266, 267 Umweltmanagement, 186, 188, 196, 235,

267 Umweltzeichen, 89, 248, 249 UNEP, 198, 211, 220 UNESCO, 42 Unterwasserlärm, 228 USA 17, 99, 100 VDI, 166 Verbrennungsmotor, 16, 32, 38, 82, 83, 84,

85, 86, 87, 90, 91, 94, 114, 115, 117, 118, 174

Verbrennungsprozess, 85, 148 Verkehrsleitsystem, 215, 216, 217, 238 Verklappen, 36 Vernes, Jules, 110 Versorgungssicherheit, 93, 203 Vibrationen, 119, 120, 136 Victory, 180 Viertaktmotor, 15, 95, 117, 228 Vinci, Leonardo da, 138 Vinylesterharz, 165 Voigt & Collegen, 245, 246 Volvo Penta, 137, 263

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VSM, 51, 59, 62, 69, 194 Vulkanwerft Bremen, 61, 102 Wale, 227, 228 Wallenius Wilhelmsen, 13, 14 Walther, Dietrich, 196 Warenströme, 201 Wärmerückgewinnung, 193, 222 Warnemünde, 61, 95, 214 Wärtsilä, 85, 97, 126, 228 Waschwasser, 25, 36, 88 Wasserkraft, 10, 16, 17, 28, 33, 38, 68, 70,

85, 86, 88, 94, 99, 108, 111, 114, 124, 128, 130, 135, 136, 139, 140, 146, 151, 152, 158, 166, 167, 168, 173, 181, 183, 184, 189, 192, 194, 209, 218, 219, 231, 244, 255, 257, 264, 266

Wasserlinie, 29, 130, 146, 178, 179, 182 Wasserstoff, 17, 93, 108, 118, 120, 121,

127, 222 Wasserverbrauch, 209 Wasserverschmutzung, 28, 218 Wattenmeer, 40, 42 WBSCD, 211 Weizsäcker, Ernst Ulrich von, 191, 192,

250 Wellenkraft, 13, 111, 112, 131, 142, 168 Werften, 22, 26, 34, 35, 36, 53, 56, 57, 58,

59, 60, 61, 62, 63, 64, 72, 96, 120, 136, 145, 147, 151, 166, 182, 186, 188, 189, 203, 244, 245, 259

Werftenkrise, 61 Wertschöpfungskette, 77, 191, 202, 265 Westfalia, 219

Wettbewerbsverzerrung, 21, 51, 58, 59 Wiederverwendung, 79, 81, 82, 187, 204 Wiederverwertung, 79, 81, 239 Windenergie, 13, 15, 40, 66, 74, 94, 98, 99,

101, 102, 103, 104, 105, 106, 112, 121, 130, 163, 168, 187, 212, 214, 225, 261, 263

Windindustrie, 106 Windjammer, 15 Windkanal, 130, 134 Wirkungsgrad, 82, 119, 120, 136, 223, 226 Wirtschaftskrise, 61, 62, 151 WPC, 165, 177 Wrage, Stephan, 103 WUE, 257 XTL, 118 Yacht, 33, 96, 99, 145, 166, 167, 181, 187 Yamaha, 263 Zellulose, 113, 114, 117, 172, 173 ZEM, 91, 92 Zentallium, 156, 157 Zeppelin, 103 Zero Emission Ship, 91, 92, 186, 244 Zertifizierung, 167, 186, 247, 256, 271 ZEV, 92 ZIM, 97 Zink, 150, 156, 183 Zinkfarbe, 183 Zugfestigkeit, 156, 157, 158, 171 Zulieferkette, 197, 198, 255, 271 Zusatzantrieb, 15, 103, 111 Zweitaktmotor, 90

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^2-#&7,-&D1%"#-6&Dr. Hans-Gerd Bannasch berät seit ca. 25 Jahren die ma-ritime Industrie in strategischen Fragen der Innovations- und Forschungspolitik. Als Geschäftsführer des Maritimen Consulting Centers Rostock, Mitinitiator eines ScienceNet MV-Projekts und Mitbegründer der Maritimen Allianz Ostseeregion hat er erfolgreiche Innovationsprojekte gelei-tet und übernahm das Management komplexer nationaler wie internationaler Netzwerk-Projekte für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung des Schiffbaus und der maritimen Wirtschaft. Seit 2009 engagiert es sich besonders für Kli-ma- und umweltrelevante F&E-Aufgaben wie das POLAR-Projekt des Bundesforschungsministeriums.

Prof. Dr. Wolf D. Hartmann forscht, lehrt und publiziert langjährig auf dem Gebiet ökologischer Innovationen und Clean Technologies. Er ist Vorstand des Instituts für Innovati-onsmanagement e.V. in Berlin/Neuenhagen, Mitglied der Eu-ropean Academy of Sciences and Arts in Salzburg und interna-tional als Gastprofessor aktiv. Er wirkt im wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Clean Tech Instituts in Bonn und erhielt 1997 den Umweltpreis des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltfreundliches Management. Als Autor schrieb er zahlreiche Bücher, darunter auch zum Innovations- und Umweltmanagement.

Dipl.-Ing. Reinhart Kny ist in der maritimen Industrie groß geworden und hat den Bau von 150 Schiffen maßgeb-lich mitverantwortet. Als geschäftsführender Gesellschafter der Ingenieurtechnik und Maschinenbau GmbH Rostock ist er weltweit in 28 Ländern erfolgreich und nimmt dabei ökologische und soziale Verantwortung wahr. Sein Unter-nehmen fungiert als Systemlieferant modernster Technik für Werften, Maschinenbau und Stahlbauindustrie. Seit 2008 fokussiert die IMG Group in der F&E besonders auf Clean Technologies. Hohes Interesse bringt er dem Erhalt mittelal-terlicher Schiffe wie der Poeler Hansekogge entgegen.