la cytologie expérimentale

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Referat. LABBI~E~ ALPHONSE, La Cytologie exp4rimentale. Essai de Cyto- m4chanique. Pages 187, 56 figures. Paris, Carr~ et Naud. 1898. Das kleine Buch des bereits dm'ch mehrere eigene Arbeiten auf dem Gebiete gut eingefiihrten Verfassers wird von einer bezeichnenden Vorrede YVES DELAGE'S eingeleitet. Es beabsichtigt~ dem Leser eine Idee von den haupts~chliehsten Ergebnissen der experimentellen Cytologie, deren Ziel die Gewinnung einer Zellmeehanik ist, zu geben, sowie yon den Fragen, welche sie zur Zeit behandelt und zu liisen sucht. Die Sehrift will diese Kenntnisse in weitere Kreise tragen. Und bei der gewandten, kurzen und leicht ver- st~ndlichen Darstellung wird ihr das wohl gelingen. Der Autor behandelt die ktinstliche Produktion protoplasmaiihnlicher Strukturen und der Kerntheilungsfiguren, die Wirkung ~iugerer physikalischer und chemischer Einwirkungen auf die Struktur und Bewegung der Zelle, die Beziehungen zwisehen Zellleib und Zellkern, die Veriinderungen der Zellthei- lungsvorg'~inge dutch iiui]ere Einwirkungen, die Anpassung an verschiedene Medien, die Tropismen und Taxismen und zuletzt die Zelldifferenzirung. Er bietet in diesen Abschnitten viel auf engem Raume; und zwar auf manehem Gebiete wirklieh das Wesentliehste; auf anderen ist dies weniger getroffen. Aucb liiuft mancher Irrthum in der Berichterstattung mit unter. Da das Biichleia wohl weite Verbreitung und mehrere Auflagen erleben wird, die wir ibm wiinschen, so wollen wir die Gelegenheit benutzen, auf einige uns selbst angehende Liicken und Irrthiimer zu gefiilliger Erg~inzung resp. Be- richtigung hinzuweisen. Es betrifft Gegenst~inde, die auch von den Verfassern der beziiglichen Specialarbeiten iibergangen oder unzutreffend dargestellt worden sind; und darin liegt wohl die Ursache ihres Vorkommens in diesem Buehe. Bei der Nachahmung organiseher Gestaltungsvorg~nge h~itte vielleicht die Anfiihrung meiner Selb stkopulation yon zwei oder mehreren, bis 6 Centimeter von einander entfernten Tropfen, die unter prachtvollen Strahlenbildungen (sog. Sonnen) in und auf der Fliissigkeit verliiuft und im Kolleg gut gezeigt werden kann, interessirt (1889, Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 35). Auf pag. 43 f~inden einige meiner elektrischen Versuehe an Froscheiern eine geeignete St~itte, welche zum Beispiel ergaben, dass die embryonale Lebenssubstanz der Wirbelthiere ~ihnlieh wie die Lebenssubstanz der Protisten dureh den galvanischen Strom leicht auf den den Elektroden zu- gewendeten Seiten: den Polseiten, in sichtbarer Weise delet~ir ver~indert, polarisirt, wird; w~ihrend bei den Geweben der erwachsenen Wirbelthiere, abgesehen yon der Gallenblase, solehe starken Ver~nderungen nicht vorkommen; ferner besonders, dass an dem gefurchten Ei: bei der Morula und Blastula, jede einzelne Zelle fiir sich mit Bildung von sichtbar veriinderten Pol- feldern (Specialpolfeldern) reagirt, sofern das 0bjekt lebensfrisch ist. War

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Referat.

LABBI~E~ ALPHONSE, L a Cyto logie exp4r imen ta l e . Essa i de Cyto-

m4chan ique . P a g e s 187, 56 figures. Par i s , Carr~ et Naud. 1898.

Das kleine Buch des bereits dm'ch mehrere eigene Arbeiten auf dem Gebiete gut eingefiihrten Verfassers wird von einer bezeichnenden Vorrede YVES DELAGE'S eingeleitet. Es beabsichtigt~ dem Leser e ine I d e e von den haupts~chliehsten Ergebnissen der experimentellen Cytologie, deren Ziel die Gewinnung einer Z e l l m e e h a n i k ist, zu geben, sowie yon den Fragen, welche sie zur Zeit behandelt und zu liisen sucht. Die Sehrift will diese Kenntnisse in weitere Kreise tragen. Und bei der gewandten, kurzen und leicht ver- st~ndlichen Darstellung wird ihr das wohl gelingen.

Der Autor behandelt die ktinstliche Produktion protoplasmaiihnlicher Strukturen und der Kerntheilungsfiguren, die Wirkung ~iugerer physikalischer und chemischer Einwirkungen auf die Struktur und Bewegung der Zelle, die Beziehungen zwisehen Zellleib und Zellkern, die Veriinderungen der Zellthei- lungsvorg'~inge dutch iiui]ere Einwirkungen, die Anpassung an verschiedene Medien, die Tropismen und Taxismen und zuletzt die Zelldifferenzirung.

Er bietet in diesen Abschnitten viel auf engem Raume; und zwar auf manehem Gebiete wirklieh das Wesentliehste; auf anderen ist dies weniger getroffen. Aucb liiuft mancher Irrthum in der Berichterstattung mit unter.

Da das Biichleia wohl weite Verbreitung und mehrere Auflagen erleben wird, die wir ibm wiinschen, so wollen wir die Gelegenheit benutzen, auf einige uns selbst angehende Liicken und Irrthiimer zu gefiilliger Erg~inzung resp. Be- richtigung hinzuweisen. Es betrifft Gegenst~inde, die auch von den Verfassern der beziiglichen Specialarbeiten iibergangen oder unzutreffend dargestellt worden sind; und darin liegt wohl die Ursache ihres Vorkommens in diesem Buehe.

Bei der Nachahmung organiseher Gestaltungsvorg~nge h~itte vielleicht die Anfiihrung meiner Se lb s t k o p u l a t i o n yon zwei oder mehreren, bis 6 Centimeter von einander entfernten Tropfen, die unter prachtvollen Strahlenbildungen (sog. Sonnen) in und auf der Fliissigkeit verliiuft und im Kolleg gut gezeigt werden kann, interessirt (1889, Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 35).

Auf pag. 43 f~inden einige meiner elektrischen Versuehe an Froscheiern eine geeignete St~itte, welche zum Beispiel ergaben, dass die e m b r y o n a l e Lebenssubstanz der W i r b e l t h i e r e ~ihnlieh wie d i e L e b e n s s u b s t a n z d e r P r o t i s t e n dureh den galvanischen Strom leicht auf den den Elektroden zu- gewendeten Seiten: den Polseiten, in s i c h t b a r e r Weise delet~ir ver~indert, �9 polarisirt, wird; w~ihrend bei den Geweben der erwachsenen Wirbelthiere, abgesehen yon der Gallenblase, solehe starken Ver~nderungen nicht vorkommen; ferner besonders, dass an dem gefurchten Ei: bei der Morula und Blastula, j e d e e i n z e l n e Zelle f i i r s i c h mit Bildung von sichtbar veriinderten Pol- feldern (Specialpolfeldern) reagirt, sofern das 0bjekt l e b e n s f r i s c h ist. War

Re. ra t . 361

dagegen das in viele Zellen getheilte Ei durch starke Abkiihlung oder durch noch nicht t~dliche Vcrgiftung in seiner V i t a l i t i i t s t a r k goschw~icht , so reagiren die Morula oder Blastula a l s G a n z c s mit Bildung von zwei grol]en Polfeldel'n, also wie e in noch u n g e t h e i l t e s Ei (1891, Gesammelte Abhand- lungen. Bd. II. pag. 543--763, und Autoreferat, Biolog. Centralbl. Bd. XV. 1895. pag. 387, PFLi)GER'S Archiv, 1896. Bd. 63. pag. 544. Bd. 65. pag. 320 u. f.).

Zu pag. 75 w~ire zu erwRhnen, dass ich bereits im Jahre 1885 Beobach- tungen iiber die N o t h w e n d i g k e i t de r L u f t z u r E n t w i c k e l u n g an Froscheiern, welche reihenweise in engen Glasriihren lagen, und fiber das Fehlen einer die Lag'e der 0 r g a n e zur L u f t z u t r i t t s s t e l l e bestimmenden Wirkung der Luft gemacht habe. Auch wurde iiber Missbildungen berichtet, die bei un- gentigender Luftzufuhr entstehen (Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 323, 274, 438, 771).

Zu pag. 76 weise ich darauf hin, dass auch von mlr dutch Einwirkung e h e m i s c h e r A g e n t i e n (Bors~iure, Glycerin, Wasserglas) M i s s b i l d u n g e n : F r a m b o i s i a externa und interna, Abfall des Epithels speciell der Medullar- platte: A m y e l i e und , T e l e s k o p f o r m der Nase , hervorgebracht wurde (Geo sammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 152, 887, 564).

Pag. 69 und 79 wird irrthiimlich beriehtet, dass nach meinen Beobach- tungen befruehtete Proscheier, welehe zwisehen die Pole des Elektromagneten gebraeht oder elektrisch durchstr(imt werden, sieh nicht theilten; dagegen ist meiner e l e k t r i s e h e n V e r s u c h e aus den Jahren 1885--94 nieht gedacht (Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 319--32i, pag. 149, pag. 545, 556, 571, 5S3 u.f.).

Ferner ist auf pag. 79 die Angabe zu berichtigen: ,Roux l~isst nicht zu, dass die Schwerkraft die Richtung der Furchung beeinflussen kiinne,. Ich habe durch l a n g s a m e Umdrehung der Eier in einer s e n k r e c h t e n Ebene e r w i e s e n , dass eine richtende Wirkung der Schwerkraft zum normalen Ab- lauf der Entwickelung n i c h t n l i th ig ist, dass die Entwickelung des befruch- teten Eies in dieser Hinsieht also S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g des Eies ist, somit auf S e l b s t o r d n u n g der Eitheile beruht. Die aber ffir gew(ihnlich stattfin- denden, nicht stiirenden Wirkungen der Schwerkraft sowie die eventuellen stiirenden Wirkungen sind wiederholt von mir behandelt worden (Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 257--274, pag. 113, 120, 404, 297 u. 298, 337, zuletzt in diesem Archiv. Bd. V. pag. 338).

Auf pag. 81 wird die E i n f i i h r u n g der A n s t i c h m e t h o d e de r F u r - c h u n g s z e l l e n CHABRY zugesehrieben, w~ihrend ich im Jahre 1885 bereits eine Abbandlung dariiber publieirte, CHABRY erst 1887 (Gesammelte Abhand- hmgen. Bd. II. pag. 153--200, pag. 940 u. 957).

Zu pag. 87. Die erste Furche des Froscheies geht, wie richtig mitgetheilt ist, nach meinen Beobachtungen normaler Weise dutch die Eiachse und die Eintrittsstelle des Samenkilrpers in das Ei. Das Wesentlichste dabei aber ist nicht erw~hnt, niimlieh, dass die Richtung der ersten Furche normaler Weise durch die K o p u l a t i o n s r i c h t u n g des E i k e r n s u n d des S p e r m a k e r n s bestimmt wird. Nachtr~iglieh ablenkende Wirkungen habe ich glcichfalls er- mittelt und beschrieben (Gesammelte Abhandlungen. Bd. II. pag. 121,299, 301, 338, 367, 394, 1025; Ablenkungen pag. 396--399).

Ad pag. 92. Der Cytotropismus der Furchungszellen, also die N~iherung derselben gegen einander, erfolgt zwar in intermittirenden Bewegungen, also s c h r i t t w e i s e , abet gewfihnlich g e r a d e n Weges. C y t o c h o r i s m u s (yon

362 Referat.

X~Qf~, trennen'~ llisen) bedeutet nicht die V e r s c h m e l z u n g yon Zellen, son- dern im Gegentheil die T r e n n u n g vereinigter ZeUen (s. dieses Archly. Bd. IlL pag. 406).

Auch Angaben mancher anderer Autoren haben bei ihrer kurzen Repro- duktion in dem Biichlein etwas gelitten. Dagegen zeiehnet sieh die Schrift vortheilhaft vet anderen, zumal den deutschen zusammenfassenden entwicke- lungsgeschichtlichen und sogen, allgemein physiologisehen Schriften dadurch aus, dass es keine Parteischrift ist, welche die Litteratur gegnerischer Rich- tung einfach verschweigt.

Wir wollcn noch die Gclegenheit benutzen, zu der A n w e n d u n g des We r t e s ~Bi0mechanik, Stellung zu nehmen.

LABn~" nimmt statt der Bezeichnung E n t w i ek e lun g sme c h a n ik die von Y. DELAGE vorgeschlagene Bezeichnung B iota e eh a n ik an. Diese beiden Aus- driicke sind aber zum Theil verschiedenwerthig und daher nicht geeignet, ein- ander einfach zu ersetzen.

Das Weft B i o m e e h a n i k umfasst etymologisch das ganze Lebensge- schehen, so weit dieses den Principien des Meehanismus, also der Causalit:~tt unter- steht, somit die u r s i~ch l i che L e b e n s l e h r e im w e i t e s t e n S inne : die Lehre von den Ursachen der Bildungs- u n d der Erhaltungsvorgiinge, also die causale M o r p h o l o g i e und die causale P h y s i o l o g i e . Die Physiologie selber hat sich ja leider yon ihrer urspriingliehen universellen, die ganze Lebenslehre umfassen- den Bedeutung mit ihrer Abzweigung von der Anatomie durch die Erriehtung gesonderter Professuren, bei ihren Vertretern, von wenigen riihmlichen Ans- nahmen (PFLi)r J. LOEB U. A.) abgesehen~ auf die Behandhmg der bloBen E r h a l t u n g s f u n k t i o n e n des L e b e n s , ja, eigentlich bloB der B e t r i e b s - f u n k t i o n e n der Lebensmaschine eingeengt unter konsequenter Vernach- l~ssigung der m o r p h o l o g i s c h e n Funktionen des B i l d e n s , des G e s t a l t e n s und selbst der g e s t a l t l i c h e n Erhaltung des Gebildcten.

Aus diesem Grunde habe ich ftir den yon mir der Pflege empfohlenen Zweig, ftir die u r s ~ i c h l i c h e E r f o r s c h u n g des o r g a n i s c h e n B i l d e n s , G e s t a l t e n s u n d de r g e s t a l t l i c h e n E r h a l t u n g , also fiir die causale Morphologie, a potiori den Namen ,Entwiekelangsmeehanik,, vorgeschlagen, wie in diesem Arehiv (Bd. V. pag. 309--316) ausfiihrlich begriindet worden ist.

Da die Biomechanik der viel weitere Begriff i s t , indem er die causale Physiologie und die Entwickelungsmechanik umfasst, erscheint es nicht empfeh- lenswerth, ihn einfaeh der Entwickelungsmeehanik zu s u b s t i t u i r e n .

Da aber die Erhaltungsfunktionen in letzter Instanz doch dureh die Ge- s t a l t u n g e n der 0rganismen (inkl. der Strukturen und Metastrukturen)bedingt sind, und da audererseits die Vollziehung der Erhaltungsfunktionen der Lebe- wesen gestaltende l~ebenwirkungen ausiibt~ die yon mir als f u n k t l o n e l l e A n p a s s u n g e n bezeiehnet worden sind, so ist eine gemeinsame Bearbeitung beider Gebiete sehr zu empfehlen; fiir die Bezeichnung der gemeinsamen Be- handlung ist der Name Biomeehanik sehr geeignet. Und gerade auf dem Gebiete der Cytologie sind beide Theile der Biomechanik: die Physiologie und die Ent- wickelungsmeehanik, erfreulieher Weise bisher oft gemeinsam gepfiegL worden, so dass in diesem Sinne LABB~E den Namen Biomechanik mit Reeht auf das in seinem Buche Gebotene anwendet.

W. Roux.