körperhaltung und muskelermüdung bei arbeiten an buchungsmaschinen

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Sozial- und Pr~iventivmedizin M(~decine sociale et pr(~ventive 24, 284-285 (1979) Kiirperhaltung und Muskelermiidung bei Arbeiten an Buchungsmaschinen W. H~nting, K. Maeda und E. Grandjean Institut f0r Hygiene & Arbeitsphysiologie, ETH 8092 ZUrich Einleitun@ Die im B~rosektor zunehmende Arbeitsteilung und vermehrte Anwendung von BUromaschinen mit Tasta- turen haben kurze Arbeitszyklen mit stereotypen Bewegungen zur Folge. Charakteristisch for die- se Arbeitspl~tze sind die repetitiven stereoty- pen Bewegungen von Unterarmen, H~nden und Fin- gern. Hingegen verharren bei sitzender K~rper- stellung Rumpf, Schulter, Nacken und Oberarm ~ber einen l~ngeren Zeitraum in Zwangshaltungen. So stellten JMrvinen und Kuorinka (1) bei re- petitiver stereotyper Arbeit vermehrte Tendi- nosen in den oberen Extremit~ten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fest. Bei Telegraphi- sten ermittelte Ferguson (2) ein starkes Auf- treten yon Nervenreizungen, Kr~mpfen und Mus- kelschmerzen. Maeda (3) beschreibt bei Zwangs- haltungen Von Rumpf und Nacken bei repetitiver Fliessbandarbeit ein Vorkommen yon Cervico- brachial-Syndromen. Fra~estellun~ Die von verschiedenen Autoren (1,2,3) beschrie- benen Beschwerden im Rumpf, Nacken und oberen ExtremitMten bei repetitiven Arbeiten haben uns veranlasst, die K6rperhaltung, Stellung der obe- ren Extremit~ten und die subjektiven Beschwer- den bei Arbeiten an Tastaturen zu untersuchen. Versuchskollektiv und Art der Arbeit Insgesamt sind i19 Frauen, die an Buchungs- maschinen arbeiteten untersucht worden. Das Durchschnittsalter betrug 23 Jahre (extrem: 17-29). Mit der rechten Hand bedienten sie eine Bu- chungsmaschine. D• Leistung lag zwischen 8000- 12000 Anschl~gen/h. Mit der linken Hand wurden Girozettel umgebl~ttert. Neben anderen Kontroll- arbeiten wurde w~hrend 5 I/2 h ausschliesslich an der Buchungsmaschine gearbeitet. Gleich- altrige VerkMuferinnen (57 Vp) bildeten ein Kontrollkollektiv. Methode und VersuchsdurchfUhrun~ i. Sohritt - Verschiedene Beschwerden, insbe- sondere die der oberen und unteren ExtremitY- ten wurden mittels eines Fragebogens beim Buchungspersonal und der Kontrollgruppe erho- ben. 2. Schritt - Nach einer Faktorenanalyse der verschiedenen Beschwerden beim Buchungsperso- nal wurden zwei Extremgruppen gebildet. Die K~rpergr~ssen, Alter, Anstellungszeit und Ar- beitsbelastung beider Gruppen waren gleich. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass eine Gruppe Beschwerden und die andere Gruppe keine Beschwerden aufwies. 3. Schritt - Die K~rperhaltung der Extrem- gruppen wurde registriert. Die K6rpermasse, Arbeitsplatzdimensionen wie Arbeitsh~hen, Knie- raum und Sitzh~hen wurden gemessen. Er~ebnisse - Das Buchungspersonal hat in den HMnden und Armen deutlich h~ufiger Beschwerden als die Verk~uferinnen (p < O.O1). - Die Beschwerden sind beim Buchungspersonal in den rechten oberen ExtremitMten h~ufiger als in den linken (p < O.O1). - Die Verk~uferinnen haben in den Beinen deut- lich mehr Beschwerden als das Buchungsper- sonal (p < 0.01). In der Abbildunq 1 ist die Bezlehung zwischen der ulnaren Abduktion der rechten Hand und der H~ufigkeit von Beschwerden dargestellt. Die 51 Personen wurden in drei Gruppen glei- cher Winkelmasse aufgeteilt und die H~ufig- keit von Beschwerden f~r die drei "Winkel- gruppen" berechnet. ULI~Rs ~)CTIOI'I ~.R RECHTEN HNtD UND BESCH~RDEI~IN DER H N ~ H M(JDI GXE IT lO-19~v'f'~gm'///////~;'~'/~'/aT/aY/'~'a IP O,O18 >2~ 6 ' ~,o ' ~,6 ' ~ ' eb x' SCHIqI[RZ EH 200 f~'~'~u-a.e.~'~,~ ~,-~,,'/,,~d 'o ' io ' ~o ' ~ ' ~oi <9o~ I b m ~ ' ~ '~ 100 ~[ - PER$ONENZAHL IN JEDER D|R DllEI "WINKELGRUPPEN" Abb. i: Ulnare Abduktion der rechten Hand und Beschwerden in der Hand. Das Resultat zelgt, dass die H~ufigkeit von Beschwerden in der rechten Hand mit dem Grad der seitlichen Abbiegung zunimmt. Die Anord- nung der Tastatur im rechten Winkel zum K6r- per ist ausschlaggebend fur diese Beschwerden. Welter ist die Zunahme der ulnaren Abduktion der rechten Hand mit SteifigkeitsgefUhlen im RUcken verbunden (p <r0.Ol). Diese Beziehung ist wahrscheinlich nicht direkter Natur. Wir nehmen an, dass die Personen, die sieh stark zur links liegenden Vorlage neigten, einer- seits eine gewisse Torsion der Wirbels~ule aufweisen, andererseits wegen dieser Drehung des Rumpfes auch gezwungen sind, die rechte Hand starker nach reehts abzuwinkeln. Der Grad des Ellenbogenwinkels ist in erster Linie ein Mass f~r die Vorhaltung der Vorder- arme. Eine Oeffnung des Ellenbogenwinkels ist mlt einer Zunahme von Beschwerden in den 284

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Page 1: Körperhaltung und Muskelermüdung bei Arbeiten an Buchungsmaschinen

Sozial- und Pr~iventivmedizin M(~decine sociale et pr(~ventive 24, 284-285 (1979)

Kiirperhaltung und Muskelermiidung bei Arbeiten an Buchungsmaschinen W. H~nting, K. Maeda und E. Grandjean

Institut f0r Hygiene & Arbeitsphysiologie, ETH 8092 ZUrich

Einleitun@

Die im B~rosektor zunehmende Arbeitsteilung und vermehrte Anwendung von BUromaschinen mit Tasta- turen haben kurze Arbeitszyklen mit stereotypen Bewegungen zur Folge. Charakteristisch for die- se Arbeitspl~tze sind die repetitiven stereoty- pen Bewegungen von Unterarmen, H~nden und Fin- gern. Hingegen verharren bei sitzender K~rper- stellung Rumpf, Schulter, Nacken und Oberarm ~ber einen l~ngeren Zeitraum in Zwangshaltungen.

So stellten JMrvinen und Kuorinka (1) bei re- petitiver stereotyper Arbeit vermehrte Tendi- nosen in den oberen Extremit~ten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fest. Bei Telegraphi- sten ermittelte Ferguson (2) ein starkes Auf- treten yon Nervenreizungen, Kr~mpfen und Mus- kelschmerzen. Maeda (3) beschreibt bei Zwangs- haltungen Von Rumpf und Nacken bei repetitiver Fliessbandarbeit ein Vorkommen yon Cervico- brachial-Syndromen.

Fra~estellun~

Die von verschiedenen Autoren (1,2,3) beschrie- benen Beschwerden im Rumpf, Nacken und oberen ExtremitMten bei repetitiven Arbeiten haben uns veranlasst, die K6rperhaltung, Stellung der obe- ren Extremit~ten und die subjektiven Beschwer- den bei Arbeiten an Tastaturen zu untersuchen.

Versuchskollektiv und Art der Arbeit

Insgesamt sind i19 Frauen, die an Buchungs- maschinen arbeiteten untersucht worden. Das Durchschnittsalter betrug 23 Jahre (extrem: 17-29).

Mit der rechten Hand bedienten sie eine Bu- chungsmaschine. D• Leistung lag zwischen 8000- 12000 Anschl~gen/h. Mit der linken Hand wurden Girozettel umgebl~ttert. Neben anderen Kontroll- arbeiten wurde w~hrend 5 I/2 h ausschliesslich an der Buchungsmaschine gearbeitet. Gleich- altrige VerkMuferinnen (57 Vp) bildeten ein Kontrollkollektiv.

Methode und VersuchsdurchfUhrun~

i. Sohritt - Verschiedene Beschwerden, insbe- sondere die der oberen und unteren ExtremitY- ten wurden mittels eines Fragebogens beim Buchungspersonal und der Kontrollgruppe erho- ben.

2. Schritt - Nach einer Faktorenanalyse der verschiedenen Beschwerden beim Buchungsperso- nal wurden zwei Extremgruppen gebildet. Die K~rpergr~ssen, Alter, Anstellungszeit und Ar- beitsbelastung beider Gruppen waren gleich. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass eine Gruppe Beschwerden und die andere Gruppe keine Beschwerden aufwies.

3. Schritt - Die K~rperhaltung der Extrem- gruppen wurde registriert. Die K6rpermasse, Arbeitsplatzdimensionen wie Arbeitsh~hen, Knie- raum und Sitzh~hen wurden gemessen.

Er~ebnisse

- Das Buchungspersonal hat in den HMnden und Armen deutlich h~ufiger Beschwerden als die Verk~uferinnen (p < O.O1).

- Die Beschwerden sind beim Buchungspersonal in den rechten oberen ExtremitMten h~ufiger als in den linken (p < O.O1).

- Die Verk~uferinnen haben in den Beinen deut- lich mehr Beschwerden als das Buchungsper- sonal (p < 0.01).

In der Abbildunq 1 ist die Bezlehung zwischen der ulnaren Abduktion der rechten Hand und der H~ufigkeit von Beschwerden dargestellt. Die 51 Personen wurden in drei Gruppen glei- cher Winkelmasse aufgeteilt und die H~ufig- keit von Beschwerden f~r die drei "Winkel- gruppen" berechnet.

ULI~Rs ~)CTIOI'I ~.R RECHTEN HNtD UND BESCH~RDEI~ IN DER HN~

H M(JDI GXE IT

lO-19~v'f'~gm'///////~;'~'/~'/aT/aY/'~'a IP �9 O,O18

>2~

6 ' ~,o ' ~,6 ' ~ ' eb x' SCHIqI[RZ EH

�9 200 f~ '~ '~u-a .e .~ '~ ,~ ~,-~,,'/,,~d

'o ' io ' ~o ' ~ ' ~ o i

< 9 o ~ I

b m ~ ' ~ '~

100 ~[ - PER$ONENZAHL IN JEDER D|R DllEI "WINKELGRUPPEN"

Abb. i: Ulnare Abduktion der rechten Hand und Beschwerden in der Hand.

Das Resultat zelgt, dass die H~ufigkeit von Beschwerden in der rechten Hand mit dem Grad der seitlichen Abbiegung zunimmt. Die Anord- nung der Tastatur im rechten Winkel zum K6r- per ist ausschlaggebend fur diese Beschwerden.

Welter ist die Zunahme der ulnaren Abduktion der rechten Hand mit SteifigkeitsgefUhlen im RUcken verbunden (p <r0.Ol). Diese Beziehung ist wahrscheinlich nicht direkter Natur. Wir nehmen an, dass die Personen, die sieh stark zur links liegenden Vorlage neigten, einer- seits eine gewisse Torsion der Wirbels~ule aufweisen, andererseits wegen dieser Drehung des Rumpfes auch gezwungen sind, die rechte Hand starker nach reehts abzuwinkeln.

Der Grad des Ellenbogenwinkels ist in erster Linie ein Mass f~r die Vorhaltung der Vorder- arme. Eine Oeffnung des Ellenbogenwinkels ist mlt einer Zunahme von Beschwerden in den

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Schultern verbunden (p < 0.02). Das heisst: Je gr~sser die Distanz Rumpf zur Tastatur, umso starker sind die Erm~dungssymptome in der Schultermuskulatur bei Vorhaltung der Arme.

In der Abbildun@ 2 ist die Beziehung zwischen der Nackenneigung und den Beschwerden im Nacken dargestellt. Die Nackenneigung ist als Winkel (B) zwlschen einer Vertikalen und einer Gera- den, die den 7. Halswirbel mit dem Ohrloch ver- bindet, definiert.

HACKENNEIGUNG (i4INKEL B) UHD BESCHi4ERDEN

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Abb. 2: Nackenneigung (Winkel B) und Beschwerden.

Die Abbildung zeigt, dass mit zunehmender Nackenneigung die Beschwerden im Nacken zu- nehmen. 0bschon eines der Ergebnisse statis- tisch nicht gesichert ist, so d~rfte die all- gemeine Tendenz charakteristisch sein. Die Seh- distanz und die Anordnung der Vorlage bewirken in erster Linie den Grad der Nackenneigung. Mit der Vorbeugung nehmen die Beschwerden zu. Um diesen Beschwerden entgegenzuwirken, muss die Vorlage so angeordnet werden, dass eine starke Kopfbeugung nicht erforderlich ist und eine seitliche Kopfdrehung entf~llt.

Zusammenfassun~

Es wurden Einfl~sse von Zwangshaltungen bei re- petitiven Buchungsarbeiten analysiert. Die

Erm~dungssymptome vom Buchungspersonal waren in Schulter, Nacken, Armen und H~nden ausge- pr~gter als bei der Kontrollgruppe (Verkaufe- rinnen). Die Zusammenh~nge zwischen lokalen ErmOdungssymptomen und der K~rperhaltung wur- den analysiert. - Die Zunahme der ulnaren Abduktion der Hand

bewirkt Beschwerden in H~nden und ROcken. Die Vergr6sserung des Ellenbogenwinkels (Armstreckung) bewirkt h~ufigere Beschwerden in der Schulter.

- Die Zunahme der Kopfneigung bewirkt vermehrte Beschwerden im Nacken.

R~sum~

Une ~tude sur les symptomes de fatigue physique fut r~alis~e chez i19 operatrices de machines comptables. Les dimensions de 51 postes de travail ainsi que les postures des op~ratrices furent mesur~es. L'incidence des symptSmes de fatigue r~v~la des relations avec le degr~ de d~viation ulnaire de la main, avec l'angle du coude ainsi qu'avec le degr@ d'inclinaison de la t~te.

Summa_~y

A survey on localized fatigue was carried out in i19 accounting machine operators. In 51 cases the dimensions of the working places and different characteristics of the body postures were measured. The incidence of lo- calized fatigue symptoms was found to be re- lated to the degree of ulnar deviation of the hand, to the angle of the elbow as well as to the angle of the head inclination.

Literatur

i. J~rvinen T. und Kuorinka I.: Prevalence of tenosynovitis and other occupational inju- ries of upper extremities in repetitive work. in: Proceedings of the XIX Interna- tional Congress of Occupational Health, Dubrovnik, 1978.

2. Ferguson D.: An Australian study of tele- graphists cramp. British Journal of In- dustrial Medicine, 28, 280-285, 1971.

3. Maeda K.: Occupational cervicobrachial dis- order in assebly plant. The Kurume Medical Journal, 22, 231-239, 4/1975.

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