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    Das Kings-Road-House von Rudolph Schindler "Eine kooperative Behausung für zwei junge Paare" in West

    Hollywood, Californien

    Für die Mitwirkung an diesem Beitrag sind wir Frau Beate Brosig

    für ihre hilfreichen Kommentare und wertvollen Anregungen

    verp ichtet.

    DAS ERSTE HAUS

    Das Kings-Road-House von Rudolph Schindler

    Reinhard KÖNIG und Christian BAURIEDEL

    Dipl. Ing. Reinhard König, Lehrstuhl für Stadtquartiersplanung und Entwerfen, TU Karlsruhe,[email protected], www.entwurfsforschung.de

    Dipl. Ing. Christian Bauriedel, Fakultät für Architektur, Professur Informatik in der Architektur,Bauhaus-Universität Weimar, [email protected]

    TRAVERSIN 2004 Erhältlich online bei www.traversin.de

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    Inhalt

    Vorbemerkung 3

    Der Architekt R. M. Schindl er

    Europa und Amerika 4

    Architektonische Ansätze Rudolph Schindlers 6

    Analy se des K ings -Road-House

    Die Idee 8

    Struktur 10

    Systemschnitte 12

    Proportionsstudie 13

    Raum 14Einrichtung 17

    Konstruktion 18

    Interpretation

    Schindlers Wirkung 19

    Resümee 20

    Literaturangaben 21

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    Vorbemerkung

    R.M. Schindler nimmt als Neuerer in der Architektur des 20.

    Jahrhunderts einen besonderen Platz ein, und auch heute noch

    beeinusst der energische Experimentalismus Schindlers viele

    Architekten, besonders der jüngeren Generation, deren Ent-

    wurfsstrategien eine nahe Verwandtschaft zu Schindler zeigen.

    Schindler entwarf und baute einige der provokativsten Gebäude

    des 20. Jahrhunderts, darunter das für seine eigene Familie und

    die Chasefamilie erbautes Kings Road House oder das Philip

    Lovell Beach House, die zu den herausragenden Beispielen

    der Moderne gezählt werden und als ebenso innovativ wie die

    Entwürfe seiner europäischen Zeitgenossen, wie beispielsweise

    Le Corbusier gelten.

    Was mich zu der Beschäftigung mit Rudolph Schindler veran-lasst hat, ist die Tatsache, dass er sich trotz aller Modernität

    einen Abstand zum International Style seiner Zeitgenossen und

    deren kubischer Verherrlichung des neuen Maschinenzeitalters

    bewahrte. Im Gegensatz zu Le Corbusier oder Marcel Breuer,

    die bestrebt waren, jedes Projekt auf die Ebene einer allge-

    meinen Aussage zu heben, ging es Schindler darum, für jeden

    Entwurf eine spezische, das heißt immer neue und individuelle

    Lösung zu nden. Für ihn bedeutete die Verwendung von Stahls-

    keletten und Betonrahmen lediglich die Befreiung von statischen

    Zwängen sowie eine Möglichkeit, seine Entwürfe bautechnisch

    ef zient realisieren zu können. Seine Entwürfe zeichnen sich

    durch große räumliche Komplexität aus und wirken wie losgelöst

    von allen Rückbezügen auf früheres Bauen. Ungewöhnlich ist

    auch das betonte Ausgreifen von Schindlers Bauten auf die

    umliegende Landschaft, den umgebenden Raum.

    R. M. und Mark Schindler im KingsRoad House, Sommer 1923

    R. M. und Pauline GiblingSchindler, Sophie und EdmundGibling, Dorothy Gibling undMark Schindler, Sommer 1923

    Pauline und Mark Schindler,Sommer 1923

    Schindler bei einem Ausugdes Palette and Chisel Club,Chicago, 1915

    Schindler vor seinem Zelt imYosemite National Park, 1921

    Ich bin [...] dir dankbar, r.m.s. [...] für [...] dieses Haus, das mir

    so lieb und teuer ist, dass es in gewisser Weise mein Leben

    bestimmt hat.

    Pauline Gibling Schindler an R. M. Schindler, 9 Juli 1953

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    Europa und Amerika

    Das Werk Rudolph Schindlers und dessen architektonische Aus-

    sage lassen sich auf verschiedene Ein üsse zurückführen.Seine Ausbildung in Wien absolvierte Schindler bei Otto Wag-

    ner und seit 1912 in der Bauschule von Adolf Loos. Mit dem

    „Raumplan" und der Suche nach kultureller und traditioneller

    Identität wird Loos zum Mentor Schindlers.

    Schon damals übte das Werk Frank Lloyd Wrights einen gro-

    ßen Einuss auf den jungen Architekten aus. Im Jahre 1910/11

    erschien Wrights Portofolio „Bauten und Entwürfe" im Berliner

    Wasmuth-Verlag und wurde mit großem Interesse in Europa

    aufgenommen. Auch der Amerikaaufenthalt von Loos 1893-96

    stärkte Schindler in seinem Entschluss, Wien zu verlassen und

    1914 ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten" aufzubrechen.

    Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges blieb ihm eine Rückkehr

    verwehrt. 1917 gelang es ihm, eine Ansstellung bei Fank Lloyd

    Wright zu erhalten. Während Wright die Bauarbeiten in Tokyo am

    Imperial-Hotel betreute, wurde Schindler sein wichtigster Mitar-

    beiter in „Talisien". Die Erfahrung mit Wrights Arbeit hatte ent-

    scheidenden Ein uss auf seine architektonische Entwicklung.

    Allerdings lässt sich Schindler nicht in die Gruppe der Wright

    Nachfolger einreihen. Übereinstimmende Punkte fanden kei-

    ne Nachahmung, sondern eine individuelle Weiterentwicklung.

    Besonders wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang die

    Suche nach einer naturverbundenen Lebensform, die Symbiosevon Bau- und Umraum, Haus und Mobiliar, sowie die Distanz

    zur maschinellen Standartproduktion.

    1920 betreut Schindler im Auftrag Wrights das Hollyhock-Haus

    in Los Angeles und macht sich kurz darauf selbstständig. Ka-

    lifornien wird von nun an Heimat und Ort des Schaffens. Hier

    erlebt Schindler den Aufbruch Amerikas in eine neue Zeit.

    „The californian way of life" interpretiert beispielhaft das neueLebensgefühl. Die Einstellung zur Mobilität, zur Kommunikation

    und ein ungetrübter Optimismus führen zu einem veränderten

    Wohnen. Das Einfamilienhaus im Grünen wird en vogue, was

    zu einer rapiden Expansion der Städte führt. Dabei entsteht

    allerdings weniger das, was man im hergebrachten Sinne un-

    ter Stadt versteht, eher ein loses Arrangement verschiedener

    Städte, was für L.A. hieß, dass Hollywood, Pasadena und St.

    Monica zusammenwuchsen.

    Der Architekt R. M. Schindler

    Schindler (vordere Reihe, zweiter von links) an Bord

    der Kaiserin Auguste Viktoria auf dem Weg in dieUSA, März 1914

    Frank Lloyd Wright in Taliesin, Spring Green,

    Wisconsin, 1924

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    Amerika, das unermesslich große Land mit seinen einzigarti-

    gen Landschaften wird für Schindler Ort der Befreiung von der

    Tradition der europäischen Architektur. Doch auch hier bestehtdie Möglichkeit einer neuen, historisch fundierten Architektur

    aufgrund einer autochthonen Tradition, was Schindler dazu

    veranlasst, nach einer modernen amerikanischen Architektur

    zu suchen.

    Er löst sich jedoch nicht vollkommen von Europa. Die Entwick-

    lungen dort sind ihm durchaus bekannt. Laut Kenneth Frampton

    verfolgte Schindler die niederländische Bewegung De Stijl als

    reinste Verkörperung einer elementaren, rationalen Formen-

    sprache mit großem Interesse.

    Hier ndet sich auch ein verbindendes Element zwischen ihm

    und seinen europäischen Kollegen: die Abstraktion. Gleichzei-

    tig setzt das Paradoxon ein, womit Schindler uns konfrontiert.

    Der Bezug zum Ort bildet den Gegenpol zur Abstraktion. Die

    aufrüttelnde Kraft dieses Widerspruchs beschreibt Woods

    als „Kämpfe mit unentschiedenem Ausgang, die eine innere

    Spannung erzeugen, welche keine von beiden allein hätte

    erzeugen können".

    Diese Synthese fand jedoch nicht überall Zustimmung. Die

    Anhänger des International Style interpretierten dies als frag-

    würdige, inkonsequente Provokation, was dazu führte, dass

    ihm Anerkennung lange verwehrt blieb. Ein Beispiel für diesen

    of ziellen Ausschluss stellt die Ausstellung „The InternationalStyle" von 1932 in New York dar. Dort war er nicht vertreten, was

    auf Johnsons Meinung zurückgeht, Schindler wäre ein Nach-

    folger Wrights. Obwohl sein bedeutendstes Werk, das Lovell

    Beach House, sehr wohl den Dogmen des International Style

    entsprechen könnte, wurde dies total ignoriert. Die 5 Punkte

    von Le Corbusier galten als Muss, um Teil dieser Bewegung zu

    sein. Rudolph Schindler lehnte es ab, sich dieser „Glaubens-

    richtung" anzuschließen, da sie allzu sehr vereinfachte und die

    unterschiedlichen Strömungen und Gruppen nicht einbezog. Er

    hatte Europa zu früh verlassen, um Anhänger der europäischen

    Moderne zu sein. Trotz seiner Isolation vom International Style

    teilte Schindler den gleichen Idealismus, die Aufbruchsstim-

    mung, von der die Modernen be ügelt waren.

    Der Zeichenraum in Taliesin, 1918. Auf den Tischen liegen Zeichnungen zumImperial Hotel. Photograe von R. M. Schindler

    Wrights Mitarbeiter vor dem Eingang zu den Studios in Taliesin, 1918. Von linksnach rechts, Wiliam E. Smith, Schindler, Arato Endo, Goichi Fujikura, und JuliusFloto. Floto war der beratende Ingenieur beim Imperial Hotel, die anderen vierwaren Zeichner.

    Philip Lovell Beach House, Newport Beach, Kalifornien, 1922-1926

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    Ar chit ektonis che Ans ätze Rudolph Schindler s

    Zu welchen Hauptfragen lässt sich Schindlers Werk aufgrundder formalen, räumlichen und inhaltlichen Analyse einiger seiner

    wichtigsten Werke zusammenfassen?

    „1921, als der Eindruck von Kalifornien noch frisch in meinem

    Kopf war, baute ich mein eigenes Haus und versuchte dabei,

    dem Charakter des Ortes zu entsprechen […]. Ich verwendete

    Merkmale, die für das Leben in Kalifornien notwendig erschie-

    nen; einen ebenerdigen, offenen Grundriss, Wohnterrassen,

    Glaswände, lichtdurchlässige Wände, breite Schiebetüren,

    hochliegende Fenster, Sheddächer mit breiten, Schatten

    spendenden Überständen. Diese Merkmale sind nun allge-

    mein akzeptiert und bilden die Basis des zeitgenössischen

    kalifornischen Hauses."

    R. M. Schindler, 1952

    Raumarchitektur

    Noch in Europa, 1914 in Wien, schuf er ein Manifest, in welchem

    er auf die Architektur als Raumkunst hinweist. Er beschreibt das

    innere Wesen dieser Kunst, das „Er-räumen". Dabei de nieren

    Licht, Ober äche, Textur und Farbe die Räumlichkeiten. Masse,

    Form und Bildhauerei sind der Architektur gegensätzlich. Weder

    Funktion, Konstruktion, noch Technologie bringen sie hervor.Die künstlerische Freiheit und die Autonomie der Raumbildung

    stehen über wirtschaftlicher und psychologischer Ökonomie,

    was einen eindeutigen Gegensatz zum International Style

    darstellt.

    Das Schindlersche Patio schließt übergangslos an Pauline Schindlers studio an.

    R. M. Schindler Studio, mit 'children´s chair', Bank und 'cube chair'

    Von links nach rechts, Schindler Studios, Chace Studios. Im Vordergrund der'sunken garden'

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    Diese Auffassung veranlasste Schindler, Experimente mit dem

    Raum durchzuführen. Dazu gehört das Loslösen der Wand von

    ihren äußeren Raumbegrenzungen, wobei er die Ecken auf-löst und den Raum über seine materielle Begrenzung hinaus

    expandieren lässt. Ein weiterer Punkt ist die Neude nition der

    Decke. Sie ist viel mehr als die „Abdeckung der Raumschach-

    tel", da Schindler Höhendifferenzen und dadurch verschiedene

    Raumbereiche ausbildet. Besondere Bedeutung kommt der

    Behandlung des Außenraums zu.

    In seinen frühen Arbeiten Anfang der 20er ist die natürliche

    Umgebung gleichbedeutend mit dem Innenraum. Der Unter-

    schied wird verwischt, da er Bau- und Panzenwände mit der

    gleichen geometrischen Präzision behandelt. Sowohl Innen-, als

    auch Außenraum sind Teil eines organischen Ganzen. Später

    bemerkt man einen Prioritätenwechsel in seinen Arbeiten, da

    der Außenraum vernachlässigt wird und der Innenraum verstärkt

    behandelt wird.

    „Raumarchitektur. Um sie zu de nieren, müsste man vielleicht

    im gleichen Verhältnis zu seinen [Schindlers] Arbeitsmethoden

    stehen, wie der Betrachter zur Höhe eines Gebäudes in einer

    perspektivischen Darstellung. Um den Raum einzuengen und

    zu präzisieren, begann man mit der Höhenlinienkarte und der

    Bauverordnung; entwickelte ihn weiter anhand der Beschaf-

    fenheit des Geländes und der Lebensform des Auftraggebers.

    Raumformen hatten dort ihre Wurzeln und standen diesen

    Faktoren nicht willkürlich oder fremd gegenüber."

    Esther McCoy, 1945 aus R. M. Schindler, Bauten und Projekte,

    Herausgegeben von Elizabeth A. T. Smith und Michael Darling,

    Hatje Cantz Verlag, 2001, S. 13

    Luftbild von Beverly Hills und West Hollywood, 11 Februar 1922

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    Grundrissplan des King Road House von 1922

    King Road House, West Hollywood, Kalifornien, 1921/22perspektivische Ansicht

    Nicht das Abschotten in eine familiäre Isolation, sondern der

    normale soziale Kontakt mit Menschen war Schindler wichtig.

    Doch sollte dies nicht die persönlichen Rechte des einzelnen

    beschneiden. Der Kontakt zu Phillip Lovell brachte noch einenweiteren Aspekt – das „gesunde" Wohnen – was Schindler vor

    allem durch das einbeziehen des Außenraums in den Wohn-

    bereich umsetzte. Zum Beispiel ersetzt er die herkömmlichen

    Schlafzimmer durch auf dem Dach sitzende „Schlafkörbe",

    die lediglich überdacht sind und dadurch eine Nachtruhe im

    freien ermöglichen. Dies alles ermöglicht natürlich nur das

    phantastische kalifornische Klima. Auch der besondere Bezug

    zum Camping lässt sich daran ablesen. Haus und Grundstück

    lassen sich als Metapher dessen interpretieren. Schindler schafft

    alle konventionellen Räume wie Ess- und Wohnzimmer ab. Das

    radikalste war dabei sicherlich das ersetzen der Familienküche

    durch einen Allzweckraum, der nicht nur Küche sondern auch

    Waschküche ist.

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    Struktur

    Das Schindler/Chace-Haus verbindet die europäische Nei-

    gung zur Abstraktion mit amerikanischer Praktikabilität. Die

    Betonwände sind zu gekürzten U-Förmigen Einheiten gefasst,

    während die gegenüberliegende Seite offen ist und mit ihrenschlanken Redwood-Stützen den Gegensatz bildet. Es entsteht

    ein ständiger Wechsel zwischen Festem und Leere.

    Die Tragenden Wände sind mit dem „Tilt-Slab" Gefertigt, einem

    Präfabrikationssystem für Betonwände entwickelt von Irving

    Gill, einem amerikanischen Architekten, an dessen Bauten

    auch Clyde Chace mitgewirkt hatte. Die Wände wurden nach

    dem heute üblichen System hergestellt, Beton wird in eine

    Holzschalung gegossen. Die Adhäsion wurde dabei durch die

    Verwendung von Seife verhindert. Das fertige Betonelement

    dann von einem Flaschenzug in die entsprechende Position

    gebracht. Zwischen diesen Fertigteilen wurden 3 Inch Breite

    Glasstreifen eingesetzt, die einen klaren vertikalen Rhythmus

    ergeben. Die aus Ortbeton gefertigte Bodenplatte ist gleichzeitig

    das Fundament. Das machte eine teure Baugrube und zusätz-

    liche Konstruktionen unnötig.

    innen - aussen Bezüge: Übergänge

    innen - aussen Bezüge: Räume

    innen - aussen Bezüge: feste Begrenzungen

    innen - aussen Bezüge: "Schlafkörbe" mit Zugang

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    Die Trennwände und die Rahmen für die Verglasungen sind aus

    Redwood-Holz gearbeitet. In jedem Studio (außer Gast) lassen

    sich 2 durch den Raum spannende Doppelbalken bemerken,die ihn in 3 Teile trennen – zumindest optisch. An diesen Balken

    können auch zusätzliche Wände angebracht werden, was den

    Grundriss variabel macht. Es zeigt sich im Deckenbereich eine

    vertikale Organisation mit 2 Ebenen. Alle Räume (außer die

    Bäder) haben eine Höhe von 8’-8’’. Eine zweite nden wir in

    den Eingangsbereichen mit 6’-3" was ebenfalls das Maß bis zur

    Unterkante der Doppelbalken ist, die demzufolge frei durch den

    Raum spannen und somit die tragenden Betonwände mit den

    nichttragenden Redwood-eingefassten Glasfronten verbinden.

    An dieser Stelle bildet Schindler ache Dachvorsprünge aus,

    die den Übergang ins freie überdachen. Zwischen eigentlichem

    Dach und diesen Vorsprüngen sitzen Fensterbänder, die das

    Schweben der Doppelbalken in den Innenräumen verstärken.

    „Kings Road wurde aus Protest gegen die Gewohnheiten der Amerikaner gebaut, ihr Leben und ihre Gebäude mit Lagen

    von Ober ächenmaterialien zu verdecken, um den Betrachter

    von ihrer gewöhnlichen Grundlage abzulenken. Kings Road

    wurde als Kombination ehrlicher Materialien konzipiert: Beton,

    Redwood, Glas, die so bleiben sollten, um die innere Struktur

    und ihre natürlichen Farben zu zeigen."

    Schindler aus: Noever, Peter (editor): R. M. Schindler, Prestel,Munich and N.Y., 1998, S. 45

    Funktionsbereiche: Bäder Funktionsbereiche: private Räume Funktionsbereiche: utility room

    innere Organisation: feste Wände, Trennwände und Glasfronten

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    Systemschnitte

    Die Systemschnitte stellen die charakteristischen Eigenschaften

    des King Road House dar, welche in den späteren ArbeitenSchindlers immer wieder auftauchen:

    große verglaste Flächen und klar gegliederte Fenster, ießende

    Übergänge zwischen innen und aussen, verschiedene Wand-

    höhen und variable Türhöhen, je nach Raumfunktion.

    „Jeder Raum in dem Haus verkörpert die Variation eines kon-

    struktiven und architektonischen Themas. Dieses Thema erfüllt

    die Grundanforderungen an einen Camper-Unterstand: eine

    schützende Rückwand, eine offene Vorderfront, einen Kamin

    und ein Dach. […] Die Form der Räume, ihre Begrenzung zu

    den Innenhöfen und den wechselnden Dachhöhen schaffen eine

    gänzlich neue räumliche Verknüpfung zwischen Innenraum und

    Garten.“ Dorothy S. Gibling, 30. Juli 1922

    Systemschnitte

    Schnittplan

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    Ansichten

    Proportionsstudie

    Als Le Corbusier 1948 seinen Modulor veröffentlichte, wurde

    dieser mit grossem Interesse von der Fachwelt entgegengenom-men. Zwei Jahre zuvor schrieb R. M. Schindler im amerikani-

    schen Magazin 'Architect and Engineer': "For some strange

    Proportionsstudie

    reason this simpli cation of designing and building is resisted

    by almost everyone concerned. I started to use the unit system26 years ago..." Das war ungefähr 1920, als er am Kings Road

    House arbeitete.

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    Links Pauline Schindlers Studio, rechts R. M. Schindlers Studio, darüber der"Schlafkorb".

    Eingang zu Schindlers Studios, mit diagonalem Blick durch die Halle in denInnenhof.

    Blick vom Dach auf R. M. Schindlers Studio.

    Raum

    Der Raum im Schindler/Chace-Haus strömt horizontal. Das

    wie ein Windrad drehbar gelagert Gebäude verbindet sichmit dem Außenraum und wird zu einem dynamischen Gefüge.

    Innen und Außen greifen ineinander. Alle Räume öffnen sich

    zum Garten hin. Auch diesen entwirft Schindler wie einen

    Grundriss. Am direktesten wird der Kontakt zwischen Innen

    und Außen an den Übergängen zwischen Studios und dem

    jeweiligen Patio deutlich – diese sind sehr „weich". Schindler

    zieht einen Teil der Bodenplatte heraus. Darüber schließt der

    Dachvorsprung diesen Raum, der als Puffer-Zone fungiert. Von

    der gegenüberliegenden Seite dringt ebenfalls Raum durch die

    Schlitze. Innen- und Außenräume werden gleichwertig behan-

    delt. Auch die offenen Seiten haben Anteil an dieser Wirkung.

    Ein großer Teil kann entfernt werden oder dient mit seiner lein-

    wandbezogenen Ober äche als Schutz. Diese Tafeln Laufen

    auf Schienen zwischen den Fensterverglasungen. In vier der

    Studios betonte Schindler die Ecken, was auf die Bedeutungdes Glases für die Innen/Außen-Verbindung hinweist. Glas ist

    für ihn ein Filter, der die Räume nicht trennt, sondern langsam

    verschmelzen lässt.

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    Wichtigste Außenräume sind die Patios sowie die Gästeterras-

    se. Sie sind, genau wie das Haus über die normale Gelände-

    höhe angehoben. Die Patios sind durch die Kamine ebenfallsmöbliert, was die Gleichwertigkeit unterstreicht. Zwei weitere

    horizontale Ebenen bestimmen den Außenraum. Neben der

    normalen Geländehöhe gehört zu jedem Patio ein Garten. In-

    nen- und Außenräume werden mit der gleichen geometrischen

    Präzision behandelt, egal ob Bau- oder P anzenmaterial. Im

    Garten nden sich ebenfalls feste Wände, die als Abschirmung

    dienen oder als Gliederungselement. Alle Ebenen treffen sich

    im rechten Winkel im Außenraum fällt auf, dass die Hecken oft

    als sich nicht berührende Einzelelemente verwendet werden,

    während der Innenraum von U-Formen dominiert wird. Obwohl

    die ganze Komposition sehr dynamisch ist halten die festen

    Elemente (Wände und Hecken) das Gefüge am Boden.

    Blick von R. M. Schindlers Studio in Pauline Schindlers Studio.Rechts die geschlossene Tür zu Schindlers "Schlafkorb"

    Blick von Pauline Schindlers Studio in Richtung R. M. Schindler´s Studio. ImVordergrung "Schindler´s bench"; im Hintergrund sein "Cube Chair" und dasModell vom Wolfe House (1928)

    Schindlers Studiohalle mit Pauline Schindlers Studio auf den linken Seite undder Treppe zu Schindlers "Schlafkorb" links im Bild. Am zentralen Pfosten einevertiefte Beleuchtungsvorrichtung hinter undurchsichtigem Glas mit Zugkette.

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    Pauline Schindlers Studio mit geöffneter Tür zum zentralen Korridor; der 'utilityroom' ist im Hintergrund.

    „Schindlers künstlerische Ambitionen nötigten ihn, sich mit ei-

    ner ungewöhnlich großen Zahl von Variablen zu befassen und

    erschwerten es bisweilen, Raum und Form in Übereinstimmungzu bringen […], obgleich er unmissverständlich Einheitlichkeit

    anstrebte, forderte er keine absolute Widerspruchsfreiheit. Er

    konnte jegliches Problem ertragen, das seine Ursache in der

    Kluft zwischen den gesteckten Zielen und den verfügbaren Mit-

    teln zu ihrer Erreichung hatte, zwischen seinen wie auch immer

    gearteten Idealvorstellungen und den praktischen Realitäten,

    die er hinnehmen musste. Schindler ertrug Widersprüchlichkeit

    und Unvollkommenheit, weil es ihm vor allem um Raum und

    raumbildende Form ging und erst in zweiter Linie um Materialien,

    Kunstfertigkeit, Ausführung oder Konstruktion an sich. Wider-

    sprüchlichkeit, Kon ikt, Mehrdeutigkeit und Unvereinbarkeit

    waren, wenn sie auftraten, entweder das Nebenprodukt einer

    praktischen Notwendigkeit oder eines Wertesystems, in dem

    Widerspruchsfreiheit nicht als oberstes Gebot galt.“

    Barbara Giella 1985

    Marian Chase Studio. Links im Hintergrund ist der zentrale Korridor mit geöffneterTüre zu Schindlers Hof.

    Clyde Chase Studio. Der Seidenvorhang verdeckt die Toilette.

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    Einrichtung

    Der Metapher der Camps entsprechend ist die gesamte Einrich-

    tung eher spärlich und unkonventionell. Die Möbel denieren die

    Funktion der jeweiligen Zone. In den privaten Räumen benden

    sich Ruhebett ähnliche Couches, mit Schlingen bezogene „Wür-

    fel“-Stühle, Hocker, jeweils ein Tisch, in einem Studio ein Flügel,welcher wohl als einziges sentimentales Objekt gelten kann.

    Auch die technische Gebäudeausstattung erfüllt Grundbe-

    dürfnisse. Die einzige Heizung sind die in jedem Studio und

    in den von den Flügeln eingeschlossenen Patios be ndlichen

    Kamine. Gas- und Wasseranschlüsse versorgen die Bäder und

    den Utility-Room. Die Elektrokabel für die Lichtquellen in den

    Studios verlaufen an den Doppelbalken, sind nicht verputzt oder

    ähnliches, sondern werden nach demselben Vorsatz verwen-

    det, „ehrlich" zu sein, nichts zu verstecken. Die Lampen lassen

    sich vor- und zurückschieben und dadurch den Raumeindruck

    verändern, was ja auch ein bedeutender Aspekt bei modernen

    Beleuchtungssystemen ist.

    Die Bäder sind mit kombinierten Duschwannen ausgestattet,

    deren Wasserleitungen frei durch den Raum gehen und einer

    Skulptur ähnlich den Eindruck der Bäder bestimmen.

    Schindlers Badezimmer. Waschtisch und die Innenauskleidung der Badewannesind aus magnesit

    Pauline Schindler Studio

    R. M. Schindler Studio

    Schindlers Cube Chair für dasKing Road House, entworfen ca. 1920

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    Schindlers Wirkung

    „Schindlers Architektur erwies sich als beunruhigende Of-

    fenbarung, die lang gehegte Meinungen über Charakter und

    Geschichte der modernen Bewegung untergrub. […] Von der

    gängigen Literatur beharrlich ignoriert, gehört sie zum origi-

    nellsten und genialsten im Wohnhausbau unseres Jahrhunderts

    – und zum am besten bewohnbaren.“

    Sophie Pauline Gibling Schindler an Edmund J. Gibling 7. Mai

    1928

    Als 1969 eine Ausstellung von Schindlers Werken im Royal

    Institut of British Architects in London gezeigt wurde, äußerte

    ein Kritiker die Meinung, Schindlers Beitrag läge in der frühen,

    bereitwilligen Anwendung der von Loos aufgenommenen

    Ideen, mit denen er von Anfang an kompromisslos moderne

    Entwürfe schuf. Als dieselbe Ausstellung in den Niederlanden

    gezeigt wurde, schrieb der Architekt Herman Hertzberger über

    Schindler:„Es gibt keinen Zweifel, dass es sich bei ihm um einen der

    frühesten wahren Konstruktivisten handelt, da er alles, was er

    entwirft, in einer Weise tut, die deutlich erklärt, wie und warum

    etwas funktioniert. Er beschränkt sich auf das wirklich notwen-

    dige und entspricht jedem individuellen Bedürfnis; das ganze

    Bauwerk wird zur vielschichtigen Einheit aller Erfordernisse.“

    Eine unterschiedliche, jedoch verwandte Bewertung der Bedeu-

    tung von Konstruktion für Schindler und seine Rolle in dieser

    Tradition im Rahmen seines Umfeldes in Los Angeles ndet

    sich in einem 1986 erschienenen Aufsatz von Kurt Forster,

    der bemerkt, „die Eigenschaften der beste kalifornischen Ar-

    chitekten sind nicht nur ober ächlicher Art. Von Gill bis Mack,

    von Schindler bis Gehry entspringen sie dem Bemühen, der

    praktischen Seite der Architektur Rechnung zu tragen, ohne

    die Aspekte der l’art pour l’art zu vernachlässigen.“

    Die Frage nach Schindlers Standort in der Geschichte der kali-

    fornischen Architektur und im Zusammenhang des expressiven

    Experimentalismus ist äußerst interessant. Wenngleich er selbst

    nur auf einige wenige Architekten verwies, mit denen ihn ein

    gewisses Gemeinschaftsgefühl verband, wie beispielsweise

    Gregory Ain und Ed Lind, die bei ihm als Zeichner gearbeitet

    Interpretation

    John Lautner, Carling House, Los Angeles, 1949

    Frank O. Gehry, Gehry House, Santa Monica, Kalifornien, 1978,Fotograe: Tim Street-Porter

    Chu + Goodings Architects mit Michael Matteucci, Gabbert House, Santa Monica,Kalifornien, 2000; Fotofrae: Benny Chan

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    Resümee

    Schindlers wichtigster Beitrag zur Architektur der Moderne ist

    sein konsequenter Hinweis auf „Die Architektur als Raumkunst“,

    wobei die Qualität der Architektur unabhängig vom Material ist,

    dass es nur als Hilfsmittel dient, um den Raum zu gestalten,

    dass Licht und Ober äche Räumlichkeit de nieren.

    Vor allem im Kings Road Haus bemerkt man sein ständiges be-

    streben, Landschaft, Gesellschaft und Architektur (Raumkunst)

    zu einer Resolution zu verhelfen.

    Es ist klar, dass aus heutiger Sicht Vielfältigkeit und expres-

    siver Charakter von Schindlers Werk, einst verwirrend für dieAnhänger einer strengen Rationalität in der modernen Archi-

    tektur, ein Publikum gefunden haben, das den gelassenen und

    doch rastlosen Experimenten dieses Architekten wohlwollend

    gegenübersteht, ja sich sogar von ihm be ügeln lässt. Die

    Tatsache, dass Schindler formelhafte Lösungen zugunsten

    einer pragmatischen Erkenntnisfähigkeit vermied, kann von

    der heutigen Architektenschaft als Vorzug gewürdigt werden.Selbst Eigenschaften wie ungefügte Detailbehandlung und

    Nebeneinander „unpassender“ Materialien, vermitteln ein un-

    gemein befriedigendes Gefühl von Vitalität und Phantasie, das

    zur architektonischen Kultur Südkaliforniens außerordentlich

    gut zu passen scheint.

    „Meine früh gewonnene Erkenntnis, dass ein Haus kein inter-

    nationales, sondern ein für den lokalen Gebrauch gedachtes,

    lokales Produkt ist, führte zur Erforschung des kalifornischen

    Wesens. Deshalb gab ich die Moderne als etwas aus Europa

    importiertes auf, und versuchte, einen zeitgenössischen Aus-

    druck Kaliforniens zu erarbeiten. […] Mit Ausnahme von Frank

    Lloyd Wright halte ich mich für den einzigen Architekten in den

    USA, dem es gelungen ist, eine eindeutig lokale persönliche

    Formensprache zu entwickeln.“ R. M. Schindler The architect‘s house and studio on Kings Road in West Hollywood, Calif.

    Baugelände Kings Road Hoouse vor Beginn der Bauarbeiten, West Hollywood,

    Kalifornien, 1921; Fotogra

    e: R. M. Schindler

    Gleicher Standpunkt wie Bild oben nach den Bauarbeiten.Von links nach rechts, Schindler Studios und Chace Studios, Sommer 1922

    hatten, gibt es Bezüge zwischen Aspekten von Schindlers Werk

    und dem von Zeitgenossen und Angehörigen einer etwas jünge-

    ren Generation, wie Frank Lloyd Wright, Harwell Hamilton Harris

    und dem jungen John Lautner, die alle ebenfalls individuelle

    Spielarten der Moderne verfolgten, die auf dem expressiv-dy-

    namischen Umgang mit Form und Raum basierten.

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    Literaturangaben

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    Mudford, Published in 2001 by Harry N. Abrams, New York

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    Smith (Author), Publisher: Harry N. Abrams; (February 1, 2001),

    ISBN: 0810942232

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    David Gebhard, Patricia Gebhard, Santa Barbara University Art

    Museum University of California, R. M. Schindler; Publisher: Uni-

    versity of Washington Press; (June 1997); ASIN: 0942006305

    R.M. Schindler: Architect, 1887-1953: A Pupil of Otto Wagner,

    Between International Style and Space Architecture; by August

    Sarnitz, Julius Shulman (Photographer); Publisher: Rizzoli;

    (December 1988); ASIN: 0847809218

    R.M. Schindler (Works and Project Series); by Judith Sheine;

    Publisher: Gustavo Gili; (May 2000); ASIN: 8425217458

    R.M. Schindler. Bauten und Projekte; by Rudolf M. Schindler

    (Author), Kurt G. F. Helferich (Author), Robert Sweeney (Au-

    thor), Robert G.

    R.M. Schindler

    Wilson (Author), Michael Darling (Author), Elisabeth A. T. Smith

    (Author); Publisher: Hatje Cantz Verlag; (January 1, 2001)

    ISBN: 377571006X

    James Steele. R. M. Schindler. Benedikt Taschen Verlag GmbH,

    1999. ISBN 3-8228-7188-5

    David Gebhard. Schindler. New York: The Viking Press, 1972.

    ISBN 670-62063-7. LC 71-172899. NA737.S35G382. Esther

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    Lionel March, „Rudolph M. Schinder: Space Reference Frame,Modular Coordination, and the ‚Row‘“, Nexus Network Journal,

    vol. 5 no. 2 (Autumn 2003),

    http://www.nexusjournal.com/March-v5n2.html