it magazin atferchau 2015/02...internet der dinge und industrie 4.0 für die deutsche industrie? der...
TRANSCRIPT
D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U E N G I N E E R I N G
<atFERCHAU #15>
<10> GLOBALER ZAHLUNGSVERKEHR // Chinesen kaufen im Schwarzwald ein
<22> ALLES FUNKT // 5G-Netze für das Internet der Dinge
<06>
< VOLL AUF DRAHT >
Heimische Gründer und das Internet der Dinge
<02>
impressum ihr weg zu uns
atFERCHAU
Ausgabe 02 | 2015
Auflage: 31.000
7. Jahrgang
Chancen erkennen,Chancen ergreifen
Liebe Leserinnen, liebe Leser, vor 49 Jahren legte mein Vater die Basis für die Firma FERCHAU – 1966 war der Bedarf an
angestellten Ingenieuren in unserer Region gering, und durch den Schritt in die Selbstän-
digkeit fand er neue Auftraggeber in Wiesbaden und München. Im gleichen Jahr stellte die
Deutsche Bundespost den Betrieb der letzten Handvermittlungsstelle für innerdeutsche
Gespräche ein. Beide haben ihre Chance erkannt und konsequent genutzt – auf der einen
Seite die gefragte Fachkraft, auf der anderen Seite die sich automatisierende Wirtschaft.
Mit Industrie 4.0 schreiben wir ein weiteres Kapitel in der Zusammenarbeit von
Mensch und Maschine. Und wieder eröffnen sich für beide Seiten neue Chancen: Die
Wirtschaft kann ihre Produktivität und Effizienz verbessern, und den Menschen bieten
sich spannende Herausforderungen. Auch daher bin ich mir sicher, dass hochqualifizierte
Fachkräfte in Zukunft entscheidend für den Erfolg von Innovationen bleiben. Und es wird
sich zeigen, dass ein akademisch-technischer Hintergrund sowie eine entsprechend
profunde Ausbildung zu allen Zeiten die richtige Entscheidung waren.
Für ein Unternehmen wie FERCHAU mit umfassenden Kenntnissen in allen techni-
schen Disziplinen und Produktionsprozessen ist die Ausweitung des Portfolios in Richtung
Industrie 4.0 ein logischer Schritt. Auch daher war der Ausbau des Geschäftsfelds IT
zentraler Bezugspunkt unserer strategischen Ausrichtung. In der Personalstruktur
haben wir dies bereits umgesetzt: Mehr als 1.200 IT-Consultants sind inzwischen für
uns tätig. Auch haben wir unsere internen Abläufe optimiert, um die über 70 FERCHAU-
Niederlassungen besser miteinander zu vernetzen. Gefragt sind ein schneller Überblick
über Projekte und Best Practices mit dem Ziel, passende Ansprechpartner zu finden, den
Kunden übergreifend zu beraten und eine ideale Lösung zusammenzustellen.
Die Entwicklung der Automatisierung wird unser Leben und die Wirtschaft auch in den
kommenden Jahren verändern. Prägende Elemente sind der höhere Grad der internationalen
Vernetzung sowie der Zugewinn an Transparenz, Effizienz und Komfort. Wenn es den Fach-
kräften und damit der Wirtschaft gelingt, diese Möglichkeiten konstruktiv zu nutzen, dann
werden wir alle von der Entwicklung und den Chancen profitieren. Die Gelegenheit muss
indes jeder selbst ergreifen – diese Aufgabe lässt sich vorerst noch nicht automatisieren.
Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen
PS: Im November erhalten Sie Informationen zum Thema Industrie 4.0 von uns. Sprechen Sie uns an,
wenn Sie Ihre Chancen und Risiken für den digitalen Wandel diskutieren wollen.
HERAUSGEBERFERCHAU
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DRUCKGronenberg
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<03>< e d i t o r i a l >
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D A S I T - M A G A Z I N V O N F E R C H A U E N G I N E E R I N G
<atFERCHAU #15>
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< i n s i d e / e v e n t s >
< v o i c e s >
OSCAR FÜR atFERCHAU
Große Ehre: Die atFERCHAU holt erneut Gold beim größten Corporate-Publishing-Wettbewerb in Europa.
POLE-POSITION
Was bedeuten die Digitalisierung, das Internet der Dinge und Industrie 4.0 für die deutsche Industrie? Der Branchenkenner und langjährige Bitkom-Vizepräsident Heinz-Paul Bonn im Gespräch.
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GEWINNSPIEL16
< n u m b e r s >
< p r o j e c t s >
< c o v e r >
START-UPS
Zahlen, Daten und Fakten zur neuen deutschen Gründerzeit.
KUCKUCKSUHREN FÜR CHINESENIn Off enburg nahe dem Schwarzwald unterstützt FERCHAU Lösungen für den globalen Zahlungsverkehr.
SCHNELLER ZUM ZIEL
Routen planen, Touren optimieren und geschickter navigieren: Ein FERCHAU-Consultant beschreibt, worauf es in der Verkehrsplanung ankommt.
DAS DEUTSCHE VALLEYWir sind kein Volk von Gründern – das Internet der Dinge hat jedoch das Potential, das zu ändern.
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< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >
INDUSTRIE 4.0 BRAUCHT NEUE SCHNITTSTELLENMaschinen, Anlagen und Produkte können nur kommunizieren, wenn es passende Schnittstellen gibt. Deren Entwicklung ist ein komplexer Prozess.
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VIRTUELLE DATENAUTOBAHNEN
Die IT-Vernetzung der Zukunft braucht eine neue Mobilfunkgeneration: 5G. Forscher arbeiten daran, dass die Daten schneller fl iegen lernen.
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DIE WELT AUS DEM DRUCKER
3D-Drucker zwingen Ingenieure und Entwickler zum Umdenken. Durch die Tech-nologie öff net sich eine völlig neue Welt.
ENIGMAS ERBEN
Quantencomputer sind bald in der Lage, beliebige Verschlüsselungen zu enträtseln.
QUANTIFIED SELF
Das eigene Leben vermessen – wer braucht das und was bringt es?
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IT RUND UMS RENNMOTORRAD
Florian Alt fährt Motorradrennen in der Klasse Moto2. Er erläutert, wo und warum IT in seinem Beruf unverzichtbar ist.
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BAUM DER ERKENNTNIS
Selbstkontrolle – das Leben im Griff .29
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ÜBERSTEHT DIE ERSTEN DREI
JAHRE NICHT.
80 PROZENT DER DEUTSCHEN ENTSCHEIDEN SICH GEGEN DAS GRÜNDEN, WEIL DIE ANGST VOR DEM MISSERFOLG ZU GROSS IST.
JEDE DRITTE GRÜNDUNG
(32 PROZENT)
SIND ZU KNAPP 90 PROZENT MÄNNLICH,
START-UP-GRÜNDER:
VERFÜGEN ZU ÜBER 81 PROZENT ÜBER EINEN HOCHSCHULABSCHLUSS
UND SIND IM DURCHSCHNITT 34,9 JAHRE ALT.
ALLER START-UPS WERDENIN TEAMS GEGRUNDET.77 PROZENT
11 BIS 18 PROZENT GRÜNDEN NACH EINEM MISSERFOLG EIN WEITERES MAL. DIE DURCHSCHNITTLICHE ERFOLGSQUOTE DES ZWEITEN ANLAUFS IST UNGEWÖHNLICH HOCH.
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IM JAHR 2013 SANK DIE ZAHL DER DEUTSCHEN VOLLERWERBSGRÜNDUNGEN AUF EINEN HISTORISCHEN TIEFPUNKT, IM VERGANGENEN JAHR STIEG SIE AUF KNAPP 400.000 WIEDER LEICHT AN. 2
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DIESER WERT IST DIAMETRAL ENTGEGENGESETZT ZUM DURCHSCHNITTLICHEN GRÜNDUNGSGESCHEHEN IN DEUTSCHLAND (23 PROZENT TEAMGRÜNDUNGEN).
* Vollerwerbsgründung bedeutet, dass Existenzgründer ihre selbständige Tätigkeit hauptberufl ich und auf Dauer ausüben. Die Mittel
für ihr Unternehmen sowie für ihre private Lebensführung können allein durch die selbständige Tätigkeit aufgebracht werden.
Quellen: 1 Deutscher Start-up Monitor 2014 2 KfW-Gründungsmonitor 2015 3 Factbook Gründerland Deutschland 4 Amway-Studie 2014
<05>< n u m b e r s >
»Standing on the shoulders of giants«: Verglichen mit US-Internet-Konzernen, wirken
deutsche Start-ups klein. Das kann sich bald
ändern – einen Versuch ist es immer wert.
Illustration: Miriam Migliazzi & Mart Klein, dainz.net
< c o v e r ><06>
In den USA boomt die Gründerszene. Die Deutschen gehen
eher auf Nummer sicher. Mit dem Internet der Dinge und
Industrie 4.0 könnte sich das ändern.
Zeit für eine neue Gründerzeit
DAS DEUTSCHE VALLEY
A ls Frederik Brantner die Apo-
theke verließ, ahnte er noch
nicht, dass die Idee, die er im
Kopf hatte, die Lager- und
Fabrikhallen der Zukunft er-
obern, ja, die Industrie 4.0
mitgestalten könnte. Er dachte zuerst an sich
selbst. An all die Dinge, die in seiner Wohnung
herumlagen. Er müsste sie nur einsammeln
und in eine Schublade werfen, ein kluger Ro-
boter würde sie aufräumen. Wenn er etwas
brauchte, müsste er es dem Roboter nur sa-
gen. Ein Kommissionierautomat, wie er ihn
in der Apotheke eben gesehen hatte – für je-
dermann. Eine Maschine, die Dinge ein- und
ausräumt und sie demjenigen bringt, der sie
haben möchte. Nein, die Idee stammt nicht
aus dem Silicon Valley, sondern vom Betriebs-
wirt Frederik Brantner, der aus dem Breisgau
kommt und in Bayern lebt. Er ist der Geschäfts-
führer eines Start-ups im Münchner Westen.
Brantner hat eine große Vision für sein kleines
Unternehmen. »Wir wollen Weltmarktführer
in unserer Nische der klugen Logistikroboter
werden«, sagt der Gründer.
Deutschland baut am Internet der Dinge.
Anders als bei der Entwicklung des Internets
sollen die besten Ideen diesmal nicht aus dem
Silicon Valley kommen. Die US-Pioniere neh-
men Deutschland als Innovationsstandort
bereits ernst. Ingenieurexpertise ist gefragt.
Eines der ersten und heute einflussreichsten
Unternehmen im Valley, der Netzwerk-Aus-
rüster Cisco, hat in einer Studie errechnet: Das
Potential, das die deutsche Wirtschaft lang-
fristig mit dem Internet der Dinge erwirtschaf-
ten könnte, liegt bei mehr als 700 Milliarden
Euro. Deutschland könne eine der zwei, drei
führenden Kräfte weltweit werden. Konzerne
wie Bosch, Siemens oder die Telekom arbei-
ten längst an digitalen Strategien. Doch das
genügt nicht. »Die Dynamik einer Volkswirt-
schaft hängt ganz entscheidend von jungen
Unternehmen ab, die mit innovativen Ideen in
den Markt eintreten«, sagte bereits vor einigen
Jahren der Staatssekretär im Wirtschaftsmi-
nisterium Ernst Burgbacher. Die digitale Wirt-
schaft braucht eine florierende Gründerszene,
ein deutsches Valley.
Doch Deutschland ist nicht bekannt für
seinen Unternehmergeist, sondern gilt als
Land der Arbeiter und Angestellten. Die Angst
vor dem Scheitern sitzt tief. Wenn etwas
schiefgeht, schämen wir uns, wir huldigen lie-
ber dem Perfektionismus. In den USA hingegen
hat sich eine positive Fehlerkultur entwickelt:
Scheitern bedeutet, aus Fehlern zu lernen.
Gründer feiern den Untergang ihres Unterneh-
mens auf »Failure Parties«, bei denen sie sich
mit anderen Gescheiterten austauschen. ↘
<07>< c o v e r >
Im Jahr 2013 sank die Zahl der deut-
schen Vollerwerbsgründungen auf einen
historischen Tiefpunkt. Im internatio-
nalen Vergleich schneidet Deutschland
mies ab: Mit einer Gründungsquote von
fünf Prozent belegt es Platz 22 von 26.
Die Vereinigten Staaten erreichen mit
einer Quote von mehr als zwölf Prozent
Platz eins.
Doch der erste Blick trügt. Wer ge-
nauer hinsieht, entdeckt, dass sich in der
deutschen Gründerszene einiges tut. Als
besonders kreativ und dynamisch gelten
die Neugründungen in der digitalen Wirt-
schaft, für die sich der Name Start-ups
etabliert hat. Es sind zwar noch wenige,
doch dafür sind sie hochinnovativ und wei-
sen ein enormes Wachstumspotential auf.
So auch »Magazino«, das von Frede-
rik Brantner gegründete Start-up in Mün-
chen. Nachdem er in der Apotheke von
der Idee kluger Logistikroboter infiziert
worden war, verbrachte er einige schlaf-
lose Nächte. Schließlich veranstaltete
er ein Creative-Thinking-Wochenende,
um sich mit anderen auszutauschen, und
überzeugte einen Ingenieur und einen In-
formatiker davon, einzusteigen. Bald tüf-
telten die drei in einem kleinen mietfreien
Büro in der Münchner Innenstadt an ih-
rem Geschäftsmodell. Das Chaos in den
eigenen Schubladen interessierte Brant-
ner immer weniger. Je länger er und sei-
ne Kollegen nachdachten, desto mehr
wirtschaftlich bedeutsame Anwendungs-
bereiche fielen ihnen ein. Sie sahen ihr
Produkt beispielsweise im E-Commerce:
In den Lagerhallen von Online-Händlern
wie Amazon sortieren Tausende Mitar-
beiter Millionen von Dinge in Regale ein
und wieder aus. Dafür wären doch ihre
Roboter bestens geeignet. Ebenso sahen
sie Geschäftspotential in der Fertigung:
Ihre Maschinen könnten als Pick-and-
place-Lösungen in der flexiblen Fabrik
der Zukunft eingesetzt werden, bei-
spielsweise in der Automobilindustrie.
Brantner ist ein knappes Jahr durch
die Gegend getingelt und hat potentiellen
Kunden und Investoren von seiner Ge-
schäftsidee erzählt. Mit Erfolg. Er fand
Geldgeber, im Januar 2014 gründeten er
und seine beiden Kollegen eine GmbH.
Heute mieten sie 270 Quadratmeter Bü-
rofläche und haben rund 20 Mitarbeiter
angestellt. Industrie 4.0 ist das, was in
deren Köpfen und Rechnern passiert.
Knapp 400 Kilometer entfernt treffen
sich täglich ein paar junge Männer in ei-
ner Garage und basteln ebenfalls am In-
ternet der Dinge. Die Garage gehört zur
Gründerwerkstatt neudeli der Bauhaus-
Universität in Weimar. Der Architekt
Martin Breuer, der Kognitionswissen-
schaftler Bastian Bügler und der Medien-
manager Nicolas Herrmann haben das
Start-up »plants & machines« gegründet.
Ihr Produkt ist ein automatisierter aqua-
ponischer Garten, der die Tier- und die
Pflanzenzucht vereint. Über ihre Vision
sagt Herrmann: »Wir wollen den Anbau
von Lebensmitteln in die Wohnungen brin-
gen.« Wenn es nach plants & machines
geht, kann bald jeder Städter seine eige-
ne kleine Farm bewirtschaften – ohne mit
den Händen in der Erde zu buddeln oder
den Parkettboden zu beschmutzen. Alles,
was der Städter braucht, ist diese Kons-
truktion aus der Weimarer Garage.
Sie sieht aus wie eine Art Aquarium:
Zwei gläserne Kisten in der Größe von
Getränkekästen stehen aufeinander. Die
untere ist halbvoll mit Wasser, Zierfische
schwimmen darin, Neonsalmler, Guppys,
Goldfische. In der oberen wachsen Pflan-
zen, Basilikum beispielsweise oder Chili-
schoten. Es ist ein in sich geschlosse-
nes Ökosystem, das den Fischkot filtert
und damit die Pflanzen düngt. Sensoren
messen Werte wie den Wasserstand,
die Luftfeuchtigkeit und das Lichtspek-
trum. Die Daten werden in einer Schub-
lade am unteren Ende der Konstruktion
verarbeitet. Einer Schublade, randvoll mit
Elektronik und künstlicher Intelligenz:
einem Rasperry-Pi-Minicomputer, vier
Platinen, mehreren USB-Anschlüssen,
Computerchips, kleinen Schaltern und
Lämpchen. Die Technik sorgt dafür, dass
Wasser, Licht und Luft perfekt aufeinan-
der abgestimmt sind. Das vermeintliche
Aquarium ist ein Computer, der sich um
die Tiere und die Pflanzen kümmert. Der
Städter muss nichts tun, außer Wasser
aufschütten und die Fische füttern.
Frederik Brantner ist der
Geschäftsführer des Münchner
Start-ups »Magazino«.
Regal-Roboter »Toru«: Der Name kommt aus dem
Japanischen und bedeutet »greifen«. Im Gegensatz zu
heutigen Systemen schafft es Toru, Objekte selbständig
aus dem Regal beziehnungsweise Karton zu entnehmen.
Das Gründerteam des Weimarer Start-ups
»plants & machines« (v. l.): Martin Breuer, Nicolas Herrmann, Bastian Bügler.
»Wer genauer hinsieht,
entdeckt, dass sich in der
deutschen Gründerszene
einiges tut.«
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Anfang 2016 soll das Produkt
marktreif sein. Die Macher sehen die
entwickelte Technik nicht nur im Smart
Home, sondern wollen damit auch Ge-
wächshäuser automatisieren, um Le-
bensmittel-, Zier- und Zuchtpflanzen in
größerem Stil anzubauen, egal wo und
bei welcher Temperatur. Ein Projekt für
die Zukunft, sagen sie, da ihre Ökosyste-
me so effizient arbeiten, dass sie kaum
Ressourcen verbrauchen.
Es gibt einen weiteren Anwendungs-
bereich des Internets der Dinge, in dem
viel Potential schlummert: elektronische
Textilien. Wissenschaftler am »Design
Research Lab« in Berlin, einem Institut
der Universität der Künste, erforschen ihn
für eine universitäre Einrichtung unge-
wöhnlich praxisorientiert. »Unsere Vision
ist es, dass elektronische Textilien alltäg-
lich werden. Wir betreiben Forschung, die
darauf wartet, dass Produkte daraus wer-
den«, sagt Katharina Bredies, die den Be-
reich leitet. Einige Mitarbeiter sind gerade
dabei, sich mit Produktideen selbständig
zu machen. Das Design Research Lab ist
nicht nur Labor, sondern auch eine Ta-
lentschmiede für Start-up-Gründer.
»Wie gehen wir mit Technik um,
wenn sie plötzlich weich, biegsam oder
knotbar ist? Welche Chancen ergeben
sich daraus?« Um solche Fragen dreht
sich die Arbeit von Katharina Bredies und
ihrem Team. Sie entwickeln elektroni-
sche Textilien, die stark auf ihre Funktion
ausgerichtet sind und dabei gut ausse-
hen. Bredies nennt drei Beispiele.
Erstens: das Notfalljackett für
Schlaganfallpatienten. Die Jacke erlaubt
es ihrem Träger, bei einem Sturz den
Notarzt zu alarmieren. Im Alltag können
Menschen, die im Notfall Hilfe benöti-
gen, das Jackett tragen, ohne als Patien-
ten aufzufallen. »Selbst wenn Leute alt
oder krank sind, wollen sie sich stilvoll
kleiden«, sagt Bredies.
Zweitens: vernetzte Strickstulpen
für die Handgelenke. Sie eignen sich für
Menschen, die viel am Computer arbei-
ten. Wer beim Tippen seine Hände falsch
belastet, kann sich die Sehnenscheiden
entzünden. Die elektronischen Strick-
stulpen erfassen die Bewegungsdaten
und warnen den Träger, wenn er seine
Hände ungünstig bewegt. Die Stulpen
pflegen und beugen vor. Im Gegensatz
zu einer medizinischen Bandage sehen
sie schick aus.
Drittens: interaktive Handschuhe.
Sensoren an den Fingern messen, ob die
Hände ausgestreckt oder gebeugt sind,
und erkennen die jeweilige Geste. Das
Textil könnte gehörlosen Menschen das
mobile Kommunizieren erleichtern.
Es gibt sie also reichlich, die deut-
schen Ideen zum Internet der Dinge.
Und die Beispiele zeigen, dass es sich
lohnt, den Gründergeist zu wecken. Die
Gesellschaft müsste sich darauf einlas-
sen, Scheitern als Chance zu begreifen.
Das würde nicht nur die Gründer, son-
dern auch potentielle Investoren ermu-
tigen. Ein deutscher Investor überlegt
dreimal: Ist es das Risiko wert? Im Sili-
con Valley werden aus dem Nichts Millio-
nen in ein Start-up gesteckt, bei dem man
noch keine Ergebnisse sieht, sondern le-
diglich an die Vision glaubt. Auch die Po-
litik könnte nachhelfen, beispielsweise
indem sie die Digitalwirtschaft steuer-
lich fördert. Gründer brauchen ein posi-
tives Umfeld, um den Mut zu fassen, ihre
waghalsigen Ideen umzusetzen. Sonst
gehen sie verloren. //
HIER WIRD GEGRÜNDET
Wo in Deutschland die Hochburgen für
digitale Gründer liegen – und warum.
ferchau.de/read/it152a
web-special
mehr informationen
Deutscher Start-up Monitor 2014 deutscherstartupmonitor.de
KfW-Gründungsmonitor 2015 bit.ly/1KogA2e
»plants & machines«: Unsere kleine Farm
für die urbane »Frischzellen«-Produktion.
Hält nicht nur warm: Mit der »Wavecap« kann man Radio
hören – das Zugband mit Bommeln regelt die Lautstärke,
und mit dem Glöckchen lässt sich der Sender wechseln.
Katharina Bredies entwickelt
am Berliner »Design Research
Lab« elektronische Textilien.
»Unsere Vision ist es, dass
elektronische Textilien
alltäglich werden.«
<09>< c o v e r >
Kuckucksuhr Titisee
Die
vom
Volksbank Off enburg: Zahlungssysteme für eine globalisierte Welt
< p r o j e c t s >
Eine globalisierte Welt braucht Zahlungsmittel, die rund um den Globus
funktionieren. Die Volksbank Off enburg eG mit der eigens für den Vertrieb
gegründeten First Cash Solution Vertriebs-GmbH ist eine der wenigen Banken
in Deutschland, die auch global agierenden Unternehmen Lösungen
für den bargeldlosen Zahlungsverkehr anbieten.
Wenn jemand eine Reise
tut, so kann er was ver-
zählen …« So beginnt
das bekannte Gedicht
»Urians Reise um die
Welt« von Matthias
Claudius aus dem Jahr 1786. Obwohl
mittlerweile fast 230 alt, hat das Motto
mehr Gültigkeit denn je.
... setzt der Dichter seine Wortkunst
fort. Doch hier macht er die Rechnung
ohne den Wirt der Neuzeit. Der will mög-
lichst sofort bezahlt werden. Ob mit Bar-
geld oder per Plastik. Ungünstig nur,
wenn der Händler – nehmen wir beispiels-
weise den Kuckucksuhrenverkäufer am
schönen Titisee im Hochschwarzwald –
die Kreditkarten der Reisegruppe aus
China nicht akzeptiert. Zum Hintergrund:
Kuckucksuhren stehen als Souvenir für
Touristen aus China hoch im Kurs, und
die Region um den Titisee gehört zum
Pflichtprogramm.
Auf knapp zwei Millionen Übernach-
tungen hierzulande bringen es dieses
Jahr Reisende aus dem Reich der Mitte,
schätzt das Statistische Bundesamt. Da-
bei geben sie durchschnittlich in einem
deutschen Tax-free-Shop 536 Euro aus.
Tendenz jedes Jahr steigend. Doch die
einzige Kreditkarte Chinas – Union Pay –
wird nicht überall akzeptiert.
Damit den Händlern der Umsatz nicht
entgeht, gibt es clevere Finanzdienstleis-
ter wie die Volksbank Offenburg eG. Sie
bietet Unternehmen einen vollständigen
Service, von der Bereitstellung der Ter-
minals und der Tresorlösungen über die
Akzeptanz aller Karten bis hin zur Abrech-
nung und automatisierten Verbuchung
der Zahlungsverkehrstransaktionen. Und
das nicht nur im Schwarzwald: Zu den
Kunden der Volksbank zählen Modeket-
ten wie Orsay, Pimkie und Hallhuber und
weitere internationale Großunternehmen
und lokale Händler und Restaurants.
»Rückgrat des reibungslosen Zah-
lungsverkehrs ist eine umfassende
IT-Infrastruktur, welche die Volksbank
ihren Kunden bereitstellt, gepaart mit ei-
nem Bündel an Services, die sich ständig
weiterentwickeln«, erklärt FERCHAU-
IT-Consultant Sebastian Hoch. Der Ba-
chelor of Science angewandte Informatik
unterstützt als Softwareentwickler das
Inhouse-Team im Bereich Zahlungsver-
kehr. Eine Spezialität der Offenburger
sind sogenannte Cashpooling-Produkte,
führt Hoch weiter aus. Mit dem Cashpoo-
ling werden beispielsweise die gesam-
ten bargeldlosen Zahlungen eines Tages
gebündelt und in einem Betrag gutge-
schrieben. So sinken Kontoführungsge-
bühren auf ein Minimum.
Beispiel: Wird in der Filiale einer
Restaurantkette in Europa über das Kar-
tenterminal bezahlt (egal, von welchem
Kreditinstitut die Karte ist), überweist
die Volksbank Offenburg den Betrag und
zieht ihn anschließend vom Konto des
Käufers ein. Die Zentrale der Restaurant-
kette bekommt diese Zahlungen gebün-
delt, kann sie über Cardview verfolgen
und später Auswertungen generieren.
Die Ausweitung der Produktpalette
wurde im letzten Jahr mit der Integration
von Bargeldentsorgungslösungen weiter
fortgesetzt. Die Systemlösungen basie-
ren vollständig auf Technologien aus
Microsofts .NET-Welt. »Momentan steht
die SEPA-Umstellung für den Kartenbe-
reich an, also müssen auch neue gesetz-
liche Anforderungen integriert werden«,
ergänzt Hoch. Zu seiner abwechslungs-
reichen Tätigkeit gehört es auch, neue
Kreditkartenanbieter samt Sicherheits-
erfassung zu implementieren oder Ex-
portschnittstellen zu programmieren,
um Daten für die Abrechnung bereitzu-
stellen. Eine selbständige, strukturierte
Arbeitsweise und gute Kommunikations-
Skills, um sich etwa mit Produktmanage-
ment und Operating abzustimmen, sind
klare Anforderungen. Im Bankenumfeld
rundet die absolute Geheimhaltungs-
pflicht das Profil ab. ↘
»Ich gab dem Wirt
mein Ehrenwort,
Ihn nächstens zu bezahlen;
Und damit reist ich
weiter fort
Nach China und Bengalen ...«
über die volksbank offenburg eg
Die Volksbank Off enburg eG wurde 1864 als
Genossenschaft gegründet und beschäftigt
329 Mitarbeiter. Mit fast 40.000 Mitgliedern
und 18 Geschäftsstellen positioniert sie sich
als starker Netzwerkpartner in der Region.
mehr informationen
MANUEL GIERINGER Account Manager IT
FERCHAU Freiburg
ferchau.de/go/freiburg
Entwicklung: Visual Studio 2013,
MS SQL Server 2008, C#, VB.NET
Zur Quellcodeverwaltung: Team Foundation
Server 2013
Anforderungs-/Projektmanagement:Sharepoint
methoden und tools
<11>< p r o j e c t s >
Dirk Knittel (links), Geschäftsführer First Cash Solution Vertriebs-GmbH, und FERCHAU-IT-Consultant Sebastian Hoch prüfen die neue Terminalsoftware.
Methodisch greift das Team auf Be-
währtes zurück, um neue Funktionen zu
entwickeln. »Je nach Projektinhalt ge-
hen wir nach dem Wasserfallmodell vor
oder setzen agile Verfahren ein«, sagt
Hoch. Vom Grob- und Feindesign über
die Implementierung bis zum abschlie-
ßenden Test und Roll-out ist der 25-Jäh-
rige, der nach dem Standard ISTQB zer-
tifizierter Tester ist, in alle Phasen der
Entwicklung eingebunden.
Doch nicht nur die Arbeit an den
»großen Baustellen« schätzt IT-Consul-
tant Sebastian Hoch. Motivierend sind
für ihn auch die abwechslungsreichen
»kleineren Projekte«, wie er sie nennt.
So hat er ein Programm geschrieben,
das Logfiles ausliest und nach Syntax
und Semantik analysiert, um dem Ver-
trieb die Arbeit zu vereinfachen.
Der Gestaltungsspielraum, den die
Volksbank den Entwicklern zugesteht,
macht’s möglich. »Das gibt Raum für
Kreativität«, findet Hoch. Den er gerne
nutzt und Tools innerhalb der Entwick-
lung einführt, um Abläufe und die Arbeit
der Kollegen weiter zu verbessern. Auf
sein Konto gehen die Umstellung des be-
stehenden Versionsverwaltungssystems
auf den Team Foundation Server von
Microsoft und die Einführung einer sta-
tischen Code-Analyse. »Ich liebe es, den
Überblick über Projekte und eine strate-
gische Sicht darauf zu haben«, erklärt er.
Aus der Vogelperspektive erkennt er, wo
Verbesserungen möglich sind. //
weitblick
Laut Bundesverband Banken e.V.
gibt es hierzulande rund 2.000 Kredit-
institute mit circa 38.000 Filialen und
etwa 56.000 Geldautomaten. Rund
645.000 Menschen sind im Kreditgewer-
be beschäftigt (alle Zahlen von 10/2014).
Rund 20 Milliarden bargeldlose Trans-
aktionen wurden 2013 vollzogen, davon
3,6 Prozent mit Kreditkarten. 55 Prozent
der Kunden nutzen Online-Banking.
< p r o j e c t s ><12>
Die PTV Group ist ein führender Hersteller für Traffi c- und
Logistics-Software. Robert Göhler, IT-Consultant von FERCHAU,
erklärt, wie die Lösungen die Verkehrsplanung und die
Verkehrssteuerung unterstützen und optimieren.
PTV: Optimierung logistischer
Planungen mit Echtzeit-Simulations-Daten
TRAFFIC MEETS LOGISTICS
<13>< p r o j e c t s >
Sie stürzen mit 200 Stundenkilometern in einem Wingsuit in Richtung Erdboden.Weit über 200 Absprünge mit dem Fallschirm haben Sie absolviert. Wie hält ein – Sie entschuldigen den Ausdruck – Adrenalin-Junkie vor dem Rechner die Füße still und kann sich aufs Program-mieren konzentrieren?
Auf den ersten Blick hat beides
nichts gemeinsam, doch im Kern fühlt
es sich für mich häufig sehr ähnlich an.
Ich liebe die Komplexität: die beim Fall-
schirmspringen und die von IT-Systemen.
Wenn ich Systemarchitekturen entwerfe,
programmiere oder teste und mich auf
die Suche nach Programmfehlern be-
gebe, tauche ich ein in eine andere Welt.
Dann bekomme ich einen Tunnelblick, bin
total fokussiert, probiere unterschiedli-
che Ansätze, entwickle Hypothesen und
kreise das Problem Schritt für Schritt
ein. Wenn das Programm dann bei Wie-
derstart läuft, denke ich: »Yes, schon wie-
der geschafft.« Das ist ein Glücksgefühl
– ähnlich wie beim Fallschirmspringen.
Sie arbeiten im Logistics-Data-Techno-logies-Team. Was kann die Lösung und welchen Nutzen bringt sie? Das Geschäftsfeld »Logistics Soft-
ware« adressiert unter anderem die The-
men Routenplanung, Tourenoptimierung
und Navigation. Um optimale Routen,
etwa für Speditionen oder das Fuhrpark-
management, berechnen zu können,
kommen neben geographischen Karten
auch Zusatzdaten zum Einsatz: Ver-
kehrsmeldungen, Verkehrsbelastungen
zur Rushhour und so weiter. Das zweite
Geschäftsfeld, »Traffic Software«, be-
schäftigt sich unter anderem mit Frage-
stellungen wie Verkehrssimulation und
-prognose. PTV Optima arbeitet mit
komplexen Verkehrsmodellen und ist in
der Lage, eine Verkehrsprognose für die
Zukunft auf Basis von Echtzeitdaten zu
berechnen. Dies können zum Beispiel
Daten von kommunalen Messstationen
oder aktuelle Verkehrslagedaten von pro-
fessionellen Providern sein.
Wie exakt sind diese Simulationen?Hier sind zwei Parameter wichtig:
Erstens: Für welchen Zeitraum sind Pro-
gnosen möglich? Zweitens: Wie exakt bil-
den sie die Realität ab? Momentan sind
Voraussagen anhand von Echtzeitdaten
wie der Geschwindigkeit des Verkehrs
von bis zu 1,5 Stunden im Voraus rea-
listisch – Voraussagen bis zu einer Wo-
che sind das Ziel. Die Prognosequalität
unserer Simulationen analysieren wir
permanent; momentan in einem Projekt
mit einer europäischen Metropolregion.
Dazu vergleichen wir die berechneten
Prognosedaten mit Daten aus der Reali-
tät (Floating-Car-Data), die PTV ebenfalls
zur Verfügung stehen.
Wie sieht Ihre Aufgabe konkret aus? Mit dem Projekt lassen sich die
von PTV Optima berechneten Verkehrs-
prognosen als Mehrwertdaten für eine
genauere Routenberechnung in logisti-
schen Produkten, wie dem »PTV xRoute
Server«, verwenden. Meine Aufgabe
ist die Entwicklung und Integration von
OSGi-gestützten Modulen unter »Apa-
che Karaf« und »Felix«. Sie versorgen
wiederum Softwarekomponenten aus
dem Logistics-Bereich mit aktuellen
Zusatzdaten. Alle fünf Minuten wird eine
aktuelle Verkehrsprognose in unter-
schiedliche Formate konvertiert, über
serviceorientierte Schnittstellen an ande-
re Softwarekomponenten weitergereicht
und mit Informationen angereichert,
bevor sie in eines der Endsysteme einge-
speist wird.
Welche Eff ekte erzielen Sie damit?Der Nutzen liegt in der Integration
von Traffic-Simulations-Daten in Ver-
fahren zur Routenplanung, zur Touren-
optimierung und auch zur Berechnung
möglichst genauer Ankunftszeiten in
der Tourdurchführung. Konkret könnten
das Ankunftszeiten von Lkw an den La-
derampen von Kunden sein, die auf die-
se Weise besser vorausgesagt werden
können.
In vielen Softwareprojekten wird nach der Methode Scrum gearbeitet. Wie sieht das Projektmodell bei PTV aus?
Scrum ist auch bei PTV das bevor-
zugte Vorgehensmodell. Meistens arbeite
ich in Scrum-orientierten Teams, wo wir
unsere Aufgaben per User-Storys (eine
in Alltagssprache formulierte Software-
anforderung, Anm. d. Red.) entweder di-
gital oder über Whiteboards selbst orga-
nisieren. Sind die User-Storys definiert,
gehe ich auf die Jagd nach Informationen.
Ich lasse mir erklären, was genau pro-
grammiert werden soll, wer damit ar-
beiten muss, welche Systemressourcen
benötigt werden, was konfigurierbar sein
muss, welche Schnittstellen angeboten
und welche Schnittstellen bedient werden
müssen.
Mit welchen Systemen und Programmen arbeiten Sie hauptsächlich?
Als Entwicklungsumgebung nutze
ich »IntelliJ« von IDEA, davon habe ich so-
gar eine Privatlizenz auf meinem Rechner
zu Hause. Mein persönliches Lieblings-
framework ist »Spring«, eine quelloffene
Entwicklungsumgebung für die Java-
Plattform. Daneben nutze ich gängige
Programme wie Apache Maven, Jenkins
Build, SVN oder GIT.
Die rasche Einarbeitung in neue Tools und Kenntnisse zum Fachgebiet Transport-logistik und Geokoordinaten sind häufi g eine Herausforderung ...
Stimmt. Die vielfältige Auswahl un-
terschiedlicher Systeme, Frameworks
und Technologien, die bei PTV kombiniert
werden, macht ein ständiges Umdenken
und Weiterbilden erforderlich. Aber ich
arbeite im Team mit meinen Kollegen im-
mer sehr eng zusammen und stelle Fra-
gen. So lerne ich sehr schnell dazu, auch
in den fachlichen Themenfeldern wie Lo-
gistik und Geodaten. Mir bereitet diese
Komplexität, mich in einer stark modula-
ren Softwarelandschaft zu bewegen, viel
Freude. Für mich heißt das: eintauchen
und komplett darauf einlassen. //
< p r o j e c t s ><14>
über ptv
Die PTV Group bietet Software und Consulting für Verkehr,
Transportlogistik und Geomarketing: ob Transportrouten,
Vertriebsstrukturen, Individualverkehr oder öff entlicher
Verkehr. Rund um den Globus arbeiten rund 600 Mitarbeiter
an leistungsstarken und zukunftsweisenden Lösungen.
Der Hauptsitz befi ndet sich in der Technologieregion
Karlsruhe und ist seit der Unternehmensgründung 1979
das Entwicklungs- und Innovationszentrum.
mehr informationennen
RALF BRAUNSenior Account Manager IT
FERCHAU Karlsruhe
ferchau.de/go/karlsruhe
Projektmethodik: Scrum (agiles Projektmanagement)
Entwicklungsumgebung: JavaSE, OSGi, Apache Felix,
Spring Framework, XML
Kommunikation: Restfull, WebService, Apache Camel
Tools: IDEA IntelliJ (Entwicklungsumgebung),
Apache Maven (Build-Automatisierung und -Management),
Apache Karaf (OSGi-Container)
Datenbanken: Postgres, MapDB (NoSQL)
Infrastruktur: SVN (Sourcecodeverwaltung), Jenkins Build,
Atlassian Jira, Atlassian Confl uence
methoden und tools
weitblick
Verkehrsoptimierung ist nötigDie Gesamtfahrleistung von Lkw mit Dieselantrieb lag laut
Statista im Jahr 2012 bei rund 60 Milliarden Kilometer
allein in Deutschland. Die Anzahl der Lkw hierzulande belief
sich laut Kraftfahrt-Bundesamt im Jahr 2014 auf rund
2,6 Millionen Fahrzeuge. Das Güteraufkommen durch Lkw
ist 2013 mit rund drei Milliarden Tonnen transportierter
Güter gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen. Der Anteil
der Lkw am Güterverkehr in Deutschland liegt damit bei
rund 70 Prozent der insgesamt transportierten Güter von
4,4 Milliarden Tonnen. Im Wirtschaftsbereich Verkehr sind
rund zwei Millionen Menschen in 87.500 Unternehmen
beschäftigt. 2014 gab es in Deutschland 475.000 Staus mit
einer Gesamtlänge von 960.000 Kilometern. Insgesamt
summierten sich die gemeldeten Staus auf eine Dauer
von 285.000 Stunden – umgerechnet mehr als 32 Jahre.
Quellen: Statista, Statistisches Bundesamt
Links: Robert Göhler, IT-Consultant von FERCHAU, liebt die Komplexität – beim Fallschirmspringen
und beim Programmieren.
Rechts: Projektbesprechung mit Axel Gußmann, Director Logistics Data Services bei PTV, Robert Göhler und Dominik Eisenberg,
Manager Data Technologies bei PTV (v. l. n. r.).
< p r o j e c t s > <15>
Laut Apple zeigt die Apple Watch nicht
nur die Zeit an, sondern versteht auch,
was Zeit für Sie bedeutet. Ganz schön
hoher Anspruch. Was kann sie wirklich?
Nachrichten senden und empfangen, te-
lefonieren, mailen, Termine und Kontakte
checken. Und die Apple Watch misst all
Ihre Bewegungen, egal ob beim Gassi
gehen, beim Treppensteigen, beim Mit-
den-Kindern-Spielen oder beim Sport
und bei der Arbeit. Sie merkt sich sogar,
wann man aufsteht, um motiviert weiter-
zumachen, oder wann Bewegungsmangel
herrscht.
Wenn Sie eine Apple Watch (42-Milli-
meter-Aluminiumgehäuse, Space Gray,
mit Sportarmband in Black) gewinnen
wollen, dann loggen Sie sich ein unter:
ferchau.de/go/it-gewinnspiel und beant-
worten Sie folgende Frage: Wie lang (Kilo-
meter) soll das Quantennetzwerk zwischen
Schanghai und Peking werden? Tipp: Auf-
merksam die Seite 26 lesen. Einsende-
schluss ist der 04.12.2015. Viel Glück!
Gewinner des iPhone 6 der letzten
Ausgabe ist: Herr Wolfgang Schmidt von
der Martin GmbH in München. Herzlichen
Glückwunsch!
atFERCHAU-Gewinnspiel
Platz eins beim BCP-Award
APPLE WATCH: MEHR ALS EIN ZEITEISEN
atFERCHAU ERHÄLT GOLD
ferchau.de/go/it-gewinnspiel
Mit rund 730 eingereichten Publika-
tionen brach der Best-of-Corporate-
Publishing-Award (BCP) 2015 alle
Rekorde. In diesem Jahr wurde der
Award zum 13. Mal in 28 Kategorien
und viermal als Sonderpreis vergeben.
FERCHAU setzte sich mit seinem IT-
Magazin »atFERCHAU« in der Kategorie
»B2B Magazin – IT/Kommunikation/Ener-
gie« – neben Unternehmen wie T-Systems
International GmbH, Wingas GmbH und
KYOCERA GmbH erfolgreich durch.
Ausschlaggebend für den Preis waren
vor allem die herausragende journalisti-
sche Qualität und die außergewöhnliche
Gestaltung des Kundenmagazins. »Mit der
<atFERCHAU#14> hat das Gummersba-
cher Familienunternehmen das etwas an-
dere IT-Magazin geschaffen: Hochmodern
durchgestylt, alle Artikel mit einem Touch
von Lifestyle und das Ganze inhaltlich so
aufbereitet, dass der Anspruch der fach-
lichen Relevanz nicht verloren geht«, so
die Begründung der Jury, die sich 2015
aus 160 Experten zusammensetzte.
Verliehen wurde der BCP-Award vor
rund 680 Gästen am 18. Juni im Rahmen
des BCP-Kongresses in München durch
den bekannten Journalisten Dr. Hajo
Schumacher. Mit der Auszeichnung konn-
te sich FERCHAU zum vierten Mal im
Wettbewerb behaupten. Bereits 2013
erhielt der Engineering-Dienstleister
Gold, im Jahr 2014 und 2012 freute sich
das Redaktionsteam über Silber.
Große Ehre für FERCHAU: Deutschlands Nr. 1 im Engineering holt erneut Gold
beim größten Corporate-Publishing-Wettbewerb in Europa, dem BCP-Award.
Ein Beleg für die herausragende journalistische Qualität und die außergewöhnliche
Gestaltung des IT-Magazins »atFERCHAU«.
Stellvertretend für das gesamte atFERCHAU-
Redaktionsteam: Matthias Müller (grafi sh),
Bernd Seidel (Bernd Seidel & Friends) sowie
Kerstin Kraft, Christoph Sedlmeir und
Wibke Kötter (FERCHAU)
< i n s i d e / e v e n t s ><16>
Heinz-Paul Bonn, Illustration: Julian Rentzsch
DURCHGESTARTET
Gründerszene Deutschland: Profi teure von Industrie 4.0?
< v o i c e s > <17>
»Wenn es uns gelingt, der Digitalisierung der Produktionsprozesse den
Stempel ›Created in Germany‹ aufzudrücken, haben wir einen signifikanten
Wettbewerbsvorteil erreicht«, konstatiert der langjährige Vizepräsident des
Hightech-Verbands Bitkom Heinz-Paul Bonn. Im Gespräch mit atFERCHAU
erklärt der IT-Kenner seinen Blick durch die rote Brille.
Sie sind schon lange im Geschäft, Herr Bonn; was unterscheidet eine Geschäfts-gründung 1995 von einem Start-up 2015?
Als ich mein Unternehmen 1980
gegründet habe, lebten wir in der Welt
der mittleren Datentechnik. Der Mittel-
stand eroberte gerade erst die EDV. Wir
lösten also mit neuen Geschäftsideen die
Schreibmaschine ab. Im Jahre 1995, dem
Jahr, in dem Microsoft das Internet für sich
entdeckte, musste ein Start-up völlig neue
Geschäftsmodelle für den ECommerce
entwerfen. Heute haben Start-ups viel
weniger Zeit, sich zu entwickeln.
Warum heißen Geschäftsgründungen heute eigentlich »Start-ups«, oder gibt es einen signifi kanten Unterschied?
Das ist mal eine schöne Frage;
zunächst einmal heißt »start-up« über-
setzt nicht nur »Firmengründung« oder
»Neugründung«, sondern im ursprüng-
lichen Sinne »Anlauf«. Und das sagt
etwas über die Philosophie der heutigen
Gründer aus. Junge Gründer von heute
sind viel stärker teamorientiert, als es
beispielsweise meine Generation war,
die immer auch hierarchisch orientiert
war und ist. Aber die betriebswirtschaft-
lichen Herausforderungen bleiben die
gleichen – und hier sind junge Gründer in
der Regel heute besser ausgebildet, als
wir es waren.
Heute Gründer – morgen Pleite. Eine berechtigte Furcht, die manchen Pionier abschreckt?
Wer die Pleite fürchtet, sollte nicht
zur Gründung schreiten. Sorge und vor
allem Vorsorge ist aber auf jeden Fall
geboten. Zu den Schwächen deutscher
IT-Unternehmen muss eindeutig die
fehlende internationale Ausrichtung
nicht nur der Märkte, sondern auch des
Managements selbst gezählt werden.
Noch bei einem Global Player wie SAP
führt die internationale Besetzung des
Vorstands regelmäßig zu Verwerfungen.
Die Stärken liegen wiederum in der inge-
nieurmäßigen Herangehensweise, die auf
Prozessoptimierung ausgerichtet ist. Das
ist unser Exportschlager.
Wie steht’s denn da vergleichsweise um die IT-Branche in Deutschland, Europa, den USA und China?
Aus der Sicht der OECD erreichen
statistisch in den USA vier von fünf
Neugründungen das dritte Lebensjahr
– das ist durchaus ein Spitzenwert. Das
führt zu einem Anteil an jungen Unter-
nehmen am Gesamtmarkt von rund
16 Prozent.
Was wäre denn der ideale »Nährboden« für Start-ups, und warum läuft es in den USA besser als in Deutschland?
Ich könnte mit einem Bonmot ant-
worten: In Deutschland kann es schon
deshalb keine Gründung in der Garage
geben, weil die Gewerbeaufsicht das
verbieten würde. Das exakte Gegenteil,
die Erleichterungen für den Schritt in die
Selbständigkeit, der Zugang zu Venture-
Capital, die Schaffung von Inkubatoren,
in denen Ideen zur Reife kommen können
– all das ist in den USA selbstverständ-
lich, während wir in Europa um Rege-
lungen ringen. Und natürlich die Angst
vor dem Fehlschlag, die hierzulande
deutlich ausgeprägter ist als jenseits
des Atlantiks, was übrigens auch damit
zusammenhängt, dass ein Fehlschlag
dort durchaus auch als Ritterschlag
gesehen wird.
»Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere IT doch nicht«: Welches IT-Rückgrat braucht ein Unternehmen heut-zutage im Cloud-Zeitalter?
Drafi Deutscher singt weiter: »Alles,
alles geht vorbei, doch wir sind uns treu.«
Und auch da ist was dran. Das Rückgrat IT
muss heute mobile Anwendungen unter-
stützen, große Datenmengen verarbeiten
können, eine globale Reichweite haben
und interaktiv mit den Kunden – auch
über soziale Medien – korrespondieren.
Ein System, das 1999 up to date war, wird
das kaum leisten können. Unternehmen
müssen sich heute in sich verändernden
Märkten auf ein gewandeltes Kundenver-
halten einstellen, das mehr Individualität,
mehr Reaktionsschnelligkeit, mehr Inter-
aktion mit dem Kunden verlangt.
Zitat Bonn: »Cloud-Computing befi ndet sich ohne Zweifel in einer Sinnkrise«.Welchen Sinn würden Sie ihm denn einhauchen wollen?
Es sind meiner Meinung nach nicht
die Kostenaspekte, die in die Cloud
führen, sondern die bessere Möglich-
keit zur Zusammenarbeit und Interaktion
entlang der Wertschöpfungskette und
die Nutzung mobiler Dienste. Cloud-
Computing ist nicht ein anderes Wort
für Outsourcing – auch wenn viele große
Abschlüsse der Vergangenheit genau
darauf zielen. Erstens gilt: Mobile Compu-
ting ist ohne die Cloud nicht zu machen.
Zweitens gilt: Neue Geschäftsmodelle
wie zum Beispiel die Shareconomy, also
ein Wirtschaftszweig, der durch Teilen
Mehrwert erzeugt, funktionieren ohne
die Cloud nicht. Uber, Airbnb, eBay – alles
das sind typische Cloud-Anwendungen
dieser Provenienz. Auch Marktplätze und
Kundenplattformen lassen sich ohne die
Cloud nicht realisieren. Und die Logistik –
immerhin eine Querschnittsdisziplin, die
in jedem Unternehmen, das reale Waren
produziert und ausliefern muss, gefordert
ist – würde ohne Dienste aus der Wolke
kaum noch reaktionsfähig sein.
< v o i c e s ><18>
Welche Auswirkungen hat Industrie 4.0 für die Softwareentwicklung allgemein und für die industrienahe IT – Stichwort: Embedded Systems?
Zunächst, wenn Sie das Stichwort
Embedded Systems nennen: Die Ferti-
gungsmaschinen werden mit immer
mehr Sensoren und Aktoren ausgestat-
tet, mit sogenannten cyberphysischen
Systemen (CPS), die es den Maschinen
erlauben, das Werkstück, das sie als
Nächstes bearbeiten sollen, zu identifi-
zieren, seinen Status zu erkennen und den
nächsten Arbeitsschritt einzuleiten. Das
ist eine große Herausforderung für den
Maschinenbau. Aber auch eine Riesen-
chance. Hier werden Software und Hard-
ware noch enger zusammenarbeiten.
Eine mindestens gleich große Herausfor-
derung ist aber auch die Schaffung neuer
Planungssysteme für die Unternehmen,
die ja nicht nur plötzlich ein Vielfaches
an Daten zu verarbeiten haben, sondern
auch in Echtzeit reagieren müssen.
Was sagt eigentlich die Bezeichnung »Industrie 4.0« über die Branche aus?
Was ist an einer »vierten indus-
triellen Revolution« nicht inspirierend?
Industrie 4.0 hilft dabei, die Geschäfts-
prozesse auch unternehmensübergrei-
fend noch stärker zu verzahnen, weil
wir nicht mehr über die Waren, sondern
durch die Waren kommunizieren. Und
in diese Kommunikation werden auch
die Konsumenten einbezogen, die ihre
Kundenerfahrung über soziale Netze
zurückmelden. Und wenn es uns gelingt,
der Digitalisierung der Produktionspro-
zesse den Stempel »Created in Germany«
aufzudrücken, haben wir für unseren
Standort einen signifikanten Wettbe-
werbsvorteil erreicht. Und die Chancen
stehen gar nicht schlecht.
Kritiker sagen, ist doch nur junger Wein in alten Schläuchen, und der ganze Hype sei nur von der IT-Industrie getrieben, die neue Produkte auf den Markt wirft. Wo ist der Benefi t?
Mit Industrie 4.0 wird ja nicht die Steu-
erung der Produktion eingeführt, sondern
die Selbststeuerung der Systeme. Das ist
ein himmelweiter Unterschied. Und im
Übrigen unterscheiden sich die speicher-
programmierbaren Steuerungen von vor
40 Jahren erheblich von den heutigen.
Diese Weiterentwicklung wird durch den
Schritt in Richtung Industrie 4.0 nur fort-
gesetzt. Ich stimme Ihnen ja zu, dass es
sich bei Industrie 4.0 um die Anwendung
einer ganzen Reihe von weiterentwickel-
ten Technologien – Internet der Dinge,
SPS, CPS, PPS, ERP – handelt, die alle
evolutionär vorangetrieben werden. Aber
die Umsetzung in neue Fertigungsprozes-
se hat durchaus disruptiven Charakter.
Insofern halte ich auch den Begriff »vierte
industrielle Revolution« für durchaus
angemessen.
Trademark: »Internet of Things« (IoT). Wie hoch schätzen Sie hier das Potential deutscher IT-Unternehmen ein?
Der Begriff Internet der Dinge
umfasst die Technologien, die bei Indus-
trie 4.0 zur Anwendung kommen. Vor
allem in der Logistik kommen ja schon
seit langem RFID-Tags zum Einsatz, die
nicht nur dabei helfen, den Weg der Waren
zu ihrem Bestimmungsort zu verfolgen.
Es geht auch darum, den Zustand der
Waren auf dem Weg zu verfolgen. Und
schließlich »weiß« die Ware dann, was
mit ihr zu geschehen hat.
Ist das IoT schon aus der Beta-Phase heraus?
Nein. Es wird auch nicht den Tag
geben, an dem wir sagen können: Jetzt
ist es so weit. Insofern ist es eben doch
evolutionär und nicht revolutionär.
Laut aktuellen Umfragen ist das Schließen von Sicherheitslücken die größte Herausforderung im Bereich IoT. Stimmen Sie dem zu?
Ja, aber ich würde die Einschrän-
kung auf das Internet der Dinge weglas-
sen und vielmehr sagen: Sicherheitslü-
cken sind die größte Herausforderung.
Immer und überall. Punkt. //
Die rote Brille ist sein Markenzeichen.
Heinz-Paul Bonn zählt zu den bekanntes-
ten und einfl ussreichsten Persönlichkei-
ten der deutschen IT-Szene: langjähriger
Vizepräsident des Hightech-Verbands Bit-
kom und Mitglied in der Hall of Fame der
»COMPUTERWOCHE« sowie exzellenter
Kenner der IT-Start-up-Szene hierzulande,
in den USA und in Asien.
über heinz-paul bonn
www.bonnblog.eu
link
» Das Rückgrat IT muss heute mobile Anwendungen
unterstützen, große Datenmengen verarbeiten
können, eine globale Reichweite haben und interaktiv
mit den Kunden – auch über soziale Medien –
korrespondieren.«
< v o i c e s > <19>
HERAUSFORDERUNG SCHNITTSTELLEN
Damit der elektronische Datenaustausch zwischen Maschinen, Anlagen, Produkten
und Umwelt in Echtzeit funktioniert, sind neue Schnittstellen unverzichtbar.
Wie weit ist die technologische Entwicklung heute?
Die heimlichen Stars beim Datenaustausch
< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><20>
Maschinen kommunizie-
ren mit Menschen, mit
anderen Maschinen, mit
zu produzierenden Pro-
dukten und mit der Um-
welt: Ohne Schnittstellen
und Standards geht da gar nichts. Sie sind
die Hidden Stars in der Industrie 4.0. Die
Qualität von Schnittstellen entscheidet
nicht nur über die Performance von Pro-
zessen, sondern auch über ihre Sicher-
heit und Verfügbarkeit. Rolf Schultheis,
Leiter Geschäftsfeld IT bei FERCHAU,
sagt: »Schnittstellen sind die wichtigs-
ten Elemente in der kompletten Industrie
4.0.« Bislang jedoch »sprechen« die vie-
len Sensoren, Maschinen, Anwendungen
und Services, die in einem funktionieren-
den Industrie-4.0-Szenario interagieren
müssen, noch in vielen verschiedenen,
häufig proprietären Sprachen. Durchgän-
gige Kommunikation ist so nicht möglich.
In seinen »Umsetzungsempfehlun-
gen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0«
(siehe Link dazu) hat der Arbeitskreis In-
dustrie 4.0 der acatech Standardisierung
und offene Standards für eine Referenzar-
chitektur gefordert. Hoch gehandelt wird
in diesem Zusammenhang der Standard
Open Platform Communications Unfied
Architecture (OPC UA), der als Protokoll
für die Machine-to-Machine(M2M)-Kom-
munikation entwickelt wurde. OPC UA
ermöglicht den hersteller-, betriebssys-
tem- und busunabhängigen Datenaus-
tausch von der »Enterprise-Ebene« bis
hin zur Feldebene. Schultheis: »Der große
Vorteil von OPC UA besteht darin, dass der
Standard sowohl unterschiedliche Ebe-
nen der Architektur beschreibt als auch
übergreifende Themen wie Datensicher-
heit und Datenmodellierung anpackt.«
Auf dem Weg zur Plattform für die
Datenkommunikation in der Industrie 4.0
wird OPC UA jedoch noch weitere Anfor-
derungen erfüllen müssen. Beispiels-
weise ist OPC UA in der bisherigen Form
nicht für die Kommunikation in Echtzeit
geeignet – eine Basisanforderung an vie-
le Industrie-4.0-Prozesse. Experten for-
dern daher: OPC UA sollte zukünftig auf
den TSN-Standards aufsetzen. TSN steht
für Time-sensitive Networking und be-
zeichnet eine ganze Reihe von Standards.
Tatsächlich hat sich vor kurzem auf In-
itiative des Roboterherstellers KUKA in-
nerhalb der OPC Foundation eine Gruppe
gebildet, die an der Kombination von OPC
UA und TSN arbeitet. Auch die Kommu-
nikation von RFID- und anderen Auto-
ID-Geräten mit OPC UA wird derzeit von
einer Arbeitsgruppe vorangetrieben.
Doch die Zahl der am Markt beteilig-
ten Player ist groß, und viele von ihnen
haben eigene Interessen daran, Stan-
dards zu ihren Gunsten zu beeinflus-
sen oder sogar eigene Standards – ein
Widerspruch in sich – abzuleiten. Das
spricht gegen die Erwartung einer bal-
digen Verfügbarkeit allgemeinverbind-
licher Schnittstellen. Vor diesem Hin-
tergrund mahnt Professor Volker Stich,
Geschäftsführer des renommierten
Forschungsinstituts für Rationalisie-
rung (FIR) an der RWTH Aachen: »Der
notwendige Informationsaustausch in
der Industrie 4.0 funktioniert nur mit-
tels geeigneter Schnittstellen. Hier
dürfen wir nicht bis zur Durchsetzung
allgemeingültiger Standards warten,
sondern müssen Schnittstellen an Sys-
tem- und Unternehmensgrenzen mög-
lichst interoperabel gestalten, um einen
durchgängigen Informationsfluss ge-
währleisten zu können.«
Rüdiger Spies, Industry Analyst und
Patentanwalt, erklärt: »Angesichts der
wachsenden Vielfalt der Sensoren und
der cyberphysischen Systeme reicht ein
einziger Standard nicht.« Er verweist
auf das Beispiel der Automobilindus-
trie, wo mit ODBC II ein Standard-Bus
für die Übertragung von Fahrzeugdaten
geschaffen wurde, den jedoch nahezu
jeder Hersteller mit spezifischen Zu-
sätzen nutzt. Hinzu kommt die Vielfalt
der Anforderungen, so Spies: »Für vie-
le Anwendungen, beispielsweise in der
Logistik, genügt es völlig, wenn der Da-
tenaustausch in Sekunden abläuft. Dabei
liefert das heute übliche TCP/IP durch-
aus brauchbare Ergebnisse und wird
auch weiterhin eingesetzt werden. Geht
es jedoch um Millisekunden, etwa bei
der Robotersteuerung in der Fertigung,
dann brauchen wir neue Entwicklungen
wie etwa TSN.«
Professor Volker Stich vom Aache-
ner FIR empfiehlt Anwendern daher
pragmatisches Vorgehen auf dem Weg
zur Industrie 4.0: »Nicht jeder braucht
größtmögliche Flexibilität, Komplexität
und Geschwindigkeit auf einmal. Wich-
tig ist vor allem, den Anschluss nicht zu
verpassen. Und mit den heute vorhande-
nen Technologien und Standards lässt
sich schon mehr erreichen, als bislang
umgesetzt wird.« //
links
Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0: Abschluss-bericht des Arbeitskreises Industrie 4.0
bit.ly/1JPJllP
OPC Foundation: OPC Unifi ed Architecture:Wegbereiter der 4. industriellen (R)Evolution
bit.ly/1gwYfHh
»Schnittstellen sind die
wichtigsten Elemente in der
kompletten Industrie 4.0.«
HERSTELLERSPEZIFISCHE SPEZIFIKATIONEN
SPEZIFIKATIONEN FÜR INFORMATIONSMODELLE ANDERER ORGANISATIONEN
DA AC HA
OPC-UA-BASE-SERVICES
TRANSPORTWEBSERVICE /OPC UA BINARY
OPC-UA-DATENMODELLMODELLIERUNGSREGELN
IEC, ISA, EDDL, ...
OPC-INFORMATIONSMODELL
BASISDIENSTE
BASIS FÜR OPC UA
OPC UNIFIED ARCHITECTURE (OPC UA)
Qu
elle
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ou
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lab
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PROG
< b r a n c h e n g e f l ü s t e r > <21>
ZERO-VERZÖGERUNG – FAST!
Eine neue Mobilfunkgeneration, genannt 5G, soll die wichtigsten Zukunftsprojekte
der europäischen Hightech-Branchen anschieben: Industrie 4.0 etwa
oder autonomes Fahren. Damit will Europa weltweit die Führung übernehmen.
5G: Neues Funknetz für die Digitalisierung
In der Fertigung unterhalten sich Werkstücke mit
den Maschinen über die nächsten Bearbeitungs-
schritte. Autos steuern selbsttätig durch den Ver-
kehr. Der Facharzt aus der Uni-Klinik steuert den
OP-Roboter im Kleinstadt-Krankenhaus. Ein Wind-
rad in der Nordsee meldet ein Problem mit dem
Rotorlager und nimmt sich selbst vom Netz. All das sind Szena-
rios, in denen Maschinen mit Maschinen kommunizieren,
möglichst in Echtzeit. Denn der Ausfall oder auch nur eine
Verzögerung der Datenkommunikation kann gravierende Folgen
haben. In vielen Fällen werden diese Bits drahtlos ausgetauscht.
Herkömmliche Mobilfunknetze, auch das noch junge LTE-Netz,
stoßen hier an ihre Grenzen. Dabei sind die geschilderten Anwen-
dungen strategisch wichtig für die Entwicklung der Wirtschaft.
Energiewende, Industrie 4.0, autonomes Fahren, all diese Vorhaben
belegen Top-Prioritäten in der Agenda Deutschlands und Europas.
Ein neues Funknetz muss also her. Nicht nur die zukünftigen
Datenmengen sprengen die Kapazität der alten Netze, vielmehr
spielt die Geschwindigkeit des Austauschens die entscheidende
Rolle. Eine selbstorganisierende Fertigung, autonomes Fahren,
interaktionsfähige Roboter – das erfordert eine Kommunikati-
onskette, deren Latenzzeit gegen null geht. Weil diese in die Grö-
ßenordnung kommen soll, in welcher Menschen auf taktile Reize
reagieren, ist auch die Rede vom »taktilen Internet«. Was darun-
ter zu verstehen ist, macht ein Demonstrationsmodell am 5G Lab
der TU Dresden deutlich, einem europaweit in der Entwicklung
der neuen Mobilfunktechnik führenden Institut: Der interessierte
Besucher erhält dort eine Displaybrille mit angebauter Kamera
< b r a n c h e n g e f l ü s t e r ><22>
mobile Datenmengen
1.000 x größere
Quelle: METIS
2G
angeschlossene Geräte
10 x – 100 x so viele
Latenz
5 x geringere
Endbenutzer-Datenraten
10 x – 100 x schnellere
10 x längere
3G 4G 5G
Lebensdauer von
Low-Power-Geräten
ENTWICKLUNG BIS 2020
aufgesetzt. In dem Display sieht er genau das, was er auch mit
bloßem Auge sehen würde – allerdings mit einer leichten Verzö-
gerung von 50 Millisekunden. Das klingt nach wenig. Aber es ist
genug, um das Auffangen eines zugeworfenen Balls zur unlös-
baren Aufgabe zu machen. 50 Millisekunden, das ist die Verzö-
gerung, mit der ein UMTS-Funknetz auf eine Anfrage reagiert –
im günstigsten Fall. »Wenn man aber Roboter fernsteuern will,
braucht man sehr kurze Latenzzeiten«, so Professor Frank Fitzek,
der die Forschungsaktivitäten des 5G Lab koordiniert. Sehr kurz,
das heißt: Eine Millisekunde, nicht mehr.
Neben Schnelligkeit soll die fünfte Mobilfunkgeneration
noch mit anderen technischen Daten beeindrucken: Datenüber-
tragungsraten bis zu einem Gigabit je Sekunde für ultrahochauf-
lösendes Fernsehen etwa. Das ist mindestens zehnmal mehr als
die Vorgängergeneration LTE und fast 25-mal mehr als das immer
noch in Betrieb befindliche UMTS.
All das stellt hohe Anforderungen an Funktionsspektrum und
Struktur der 5G-Netze. Für die hohen Bandbreiten wird es nötig
sein, neue Frequenzbänder in Betrieb zu nehmen. Während heu-
tige Mobilfunknetze im Wesentlichen auf drei Frequenzbereichen
funken – in Deutschland sind das 800 MHz, 1,8 GHz und 2,6 GHz –,
nehmen 5G-Vordenker wie Fitzek gedanklich schon mal das
elektromagnetische Spektrum bis hinauf auf 300 GHz in Beschlag.
Die Forderung nach kurzen Latenzzeiten bringt einen wei-
teren Megatrend der IT ins Spiel: die Cloud. Denn die gewünschte
Reaktionszeit lässt sich nur gewährleisten, wenn auch alle Verar-
beitungsprozesse ortsnah ablaufen. Das macht aber eine neue In-
frastruktur erforderlich. »Server und Datenzentren müssen nahe
an die Basisstationen heran«, sagt Johannes Weicksel, Bereichs-
leiter Telekommunikation beim Branchenverband Bitkom. Es wird
daher individuelle Clouds geben müssen, die mit mobilen Anwen-
dern »mitwandern«. Diese Forderung läuft auf ein recht klein-
räumiges Mobilfunknetz mit vielen Basisstationen hinaus. Auch
die Frequenzbänder im dreistelligen Gigahertzbereich gehen mit
kurzen Reichweiten einher und fordern damit ein entsprechend
eng geknüpftes drahtloses Netz. Dahinter muss dann nach Exper-
teneinschätzung ein ultraschnelles Glasfasernetz liegen, welches
die Daten der lokalen Clouds weiterreicht.
Angesichts dieser Fülle von nicht gerade bescheidenen Ent-
wicklungszielen bleiben Fragen offen. Die wichtigste: Wer soll
das bezahlen? Schließlich haben die Netzbetreiber gerade eini-
ge Milliarden in eine Frequenzauktion gesteckt, bei der es aber
nicht um die Zukunftstechnik 5G geht, sondern erst einmal um
»normale« Netze. Und schon 2020 soll 5G kommerziell verfüg-
bar sein. Wird die Branche ihren selbstgesteckten Zeitrahmen
einhalten können? Bitkom-Experte Weicksel gibt sich einstwei-
len zweckoptimistisch. »Die Standardisierung läuft gerade unter
Hochdruck«. Mit anderen Worten: Einen Standard gibt es noch
gar nicht. Kenner wissen aber: Gerade der Standardisierungs-
prozess benötigt viel Zeit. //
»UM 5G KOMMT KEINER HERUM«
Interview mit Professor Frank Fitzek, der die Forschungs-
aktivitäten des Dresdner 5G Lab koordiniert.
ferchau.de/read/it152b
Gemeinsame Website von Fraunhofer Fokus und Heinrich-Hertz-Institut Berlin5g-berlin.de
Ausführliches Whitepaperbit.ly/1Nfl WQB
Website 5G Lab der TU Dresden5glab.de
Next-Generation Mobile Networks Alliance ngmn.de/home.html
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Die Ukulele des Mädchens ist nicht aus Koa-Akazie, sondern aus dem 3D-Drucker – wie der gesamte Film »Chase Me« einschließlich seiner Protagonistin. Die Möglichkeiten der Technologie sind gewaltig.
Von Minibohrern, Häusern und Mondstationen
DIE WELT AUS DEM DRUCKER
3D-Drucker verändern die Welt der Fertigung. Die Herstellung komplexer
Teile aus Kunststoff , Metall und anderen Werkstoff en ohne Werkzeuge
und Formen zwingt Ingenieure zum Umdenken und eröff net
der Industrie völlig neue Chancen.
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Das gibt es nur im Kino:
Eine komplette Welt aus
dem 3D-Drucker zeigt der
Kurzfilm »Chase Me« des
Filmemachers Alexandre
Deschaud. Mit mehr als
2.500 3D-Drucken realisierte er die Ge-
schichte eines Mädchens, das von einem
Monster verfolgt wird. Selbst die Bäume
in dem Animationsfilm stammen aus dem
3D-Drucker Formlabs Form 1+ STL.
Ganz so weit ist der 3D-Druck in der
realen Welt noch nicht, wenngleich ihm
Experten wie der Innovationsforscher
Professor Frank Piller von der RWTH Aa-
chen das Potential für eine grundlegende
Revolution der industriellen Fertigung
zuschreiben. Piller sagt: »Vieles von dem
Wissen, das Ingenieure bislang brauch-
ten, um fertigungsgerecht zu konstruie-
ren, ist jetzt hinfällig. Doch gleichzeitig
ist der 3D-Druck eine große Chance für
jeden Entwickler, um sein kreatives Po-
tential besser auszuschöpfen.«
Von der künstlichen Ohrmuschel
über Zahnersatz, filigranen Designer-
schmuck und Maschinenersatzteile bis
hin zu Motorrädern, Autos, Häusern und
Brücken: In immer kürzeren Intervallen
erscheinen beeindruckende Bilder neu-
er Produkte »aus dem Drucker« in den
Medien. Den Rekord als größte Objekte
aus dem 3D-Drucker halten derzeit wohl
eine viktorianisch anmutende Villa und
ein fünfstöckiges Wohnhaus der chinesi-
schen Baufirma Winsun. Beide sind bis-
lang nur Ausstellungsstücke und nicht
bewohnbar, doch der Hersteller strebt die
Fertigung alltagstauglicher Modelle an.
Auch wenn deutsche Bauvorschrif-
ten mit derartigen Verfahren bis auf
weiteres wohl nicht zu erfüllen sind:
Die Europäische Weltraumorganisa-
tion ESA entwickelt bereits Szenarios
für den Einsatz von 3D-Druck auf dem
Mond, um dort benötigte Gebäude und
Anlagen gleich vor Ort zu produzieren –
unter Verwendung des reichlich vorhan-
denen Regoliths (»Mondstaub«). Andere
Entwickler erarbeiten Technologien für
möglichst kleine Drucke, und so verwun-
dert es nicht, dass auch der mit 17 Milli-
meter Höhe, 7,5 Millimeter Breite und
13 Millimeter Länge angeblich kleinste
Akku-Bohrschrauber der Welt aus einem
3D-Drucker kommt – konstruiert von ei-
nem Wartungstechniker in Neuseeland.
Das Prinzip der additiven Fertigung,
das dem 3D-Druck zugrunde liegt, ist
einfach. Dabei erstellt eine Maschine
dreidimensionale Werkstücke schicht-
weise (additiv) aus einem oder mehre-
ren flüssigen oder festen Werkstoffen
nach digital vorgegebenen Maßen und
Formen, wie sie etwa mit einem CAD-
System erstellt werden.
Ähnlich wie Texte und andere zweidi-
mensionale Digitaldruckerzeugnisse las-
sen sich im 3D-Druck hergestellte Objekte
einfach durch Änderungen an den Kon-
struktionsdaten individuell verändern –
ohne den zeitaufwendigen und teuren Bau
spezieller Werkzeuge. In der Automobilin-
dustrie beispielsweise wird 3D-Druck aus
diesem Grund seit Jahren für Rapid Proto-
typing eingesetzt, um die Time to Market
bei neuen Produkten zu verkürzen. Heute
wird 3D-Druck in vielen Bereichen ge-
nutzt, um Prototypen oder Vorlagen, etwa
für Gussformen, herzustellen. Dabei pro-
fitieren die Unternehmen unter anderem
von der Möglichkeit, Hinterschneidungen
abzubilden, die mit konventionellen Ver-
fahren nicht realisierbar sind.
Darüber hinaus hat der 3D-Druck in-
zwischen den Status eines eigenständigen
Fertigungsverfahrens (»Rapid Manufac-
turing«) für die Vor- und die Kleinserien-
fertigung erlangt. Tobias King, Director
Applications & Marketing beim Unter-
nehmen voxeljet, berichtet: »Wir haben in
einer ganzen Reihe von Kundenprojekten
die Erfahrung gemacht, dass sich 100 bis
wenige Tausende von komplexen Teilen in
vielen Fällen wirtschaftlicher herstellen
lassen als mit klassischen Werkzeugma-
schinen.«
Allerdings lohnt sich die Investition
in eine 3D-Druckmaschine für die indus-
trielle Fertigung nicht für jedes Unter-
nehmen, weshalb voxeljet 3D-Druck auch
als Service anbietet und unter anderem
Zylinderköpfe für Schiffsdiesel fertigt.
Die Potentiale der Technologie sind also
mannigfaltig, wie RWTH-Forscher Piller
sagt, nun liegt es an Kunden und Ent-
wicklern, daraus wirtschaftlich mach-
bare Lösungen zu entwickeln. //
»Wir haben in einer ganzen
Reihe von Kundenprojekten
die Erfahrung gemacht,
dass sich 100 bis wenige
Tausende von komplexen
Teilen in vielen Fällen
wirtschaftlicher herstellen
lassen als mit klassischen
Werkzeugmaschinen.«
3d-druck für fertigung in europa
Um die Möglichkeiten des 3D-Drucks voran-
zutreiben, entsteht in Amsterdam derzeit un-
ter Beteiligung der Hochschule »Hogeschool
van Amsterdam« ein kompletter Business-
Park, in dem sich alles um den 3D-Druck
dreht (www.3dmakerszone.com). Ziele sind
neben der Innovationsförderung mehr Be-
schäftigung und wirtschaftliches Wachstum
für die Region Amsterdam. Innovationsfor-
scher Frank Piller (twitter.com/masscustom)
glaubt, dass 3D-Druck nicht nur die Ferti-
gung, sondern unser wirtschaftliches System
verändern wird: »Beim 3D-Druck macht es
von den Kosten kaum einen Unterschied, ob
der Drucker in Deutschland oder in China
steht. Und wer für den hiesigen Markt pro-
duziert, kommt unter dem Strich wohl mit
der Fertigung in Deutschland günstiger weg,
weil die Kosten und der Zeitaufwand für den
Transport entfallen.«
Das Internet ist voll von Beispielen, die das
Potential des 3D-Drucks in allen Branchen
und Anwendungsbereichen zeigen. An erster
Stelle steht der Film »Chase Me«, aus dem das
Titelbild links stammt. Hinter dem Trailer des
Kurzfi lms gibt es einen Link zum »Making-
of«. Aber es kommen auch Minibohrer aus
dem Drucker, ebenso wie ganze Häuser.
links
bit.ly/1E8f0D6
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Ein »gigantisches Desas-
ter« für die Sicherheit
im Internet drohe,
prophezeit Professor
Johannes Buchmann von
der TU Darmstadt. Und
zwar in Gestalt des Quantencomputers.
Dieser Zukunftsrechner könnte heutige
Verschlüsselungen fix knacken, weil
er sehr viele Möglichkeiten gleichzeitig
testet, so als ob man alle möglichen
Varianten für ein Passwort auf einmal
probieren könnte. »Es gäbe keine sichere
Verbindung zu eBay oder Amazon mehr«,
warnt Buchmann. Zertifikate und digitale
Signaturen könnten leicht gefälscht
werden, fügt der Mathematiker und der
Experte für IT-Sicherheit hinzu.
Zwar basteln Physiker noch an Pro-
totypen, die noch zu schwach sind, um
das sichere Surfen zu bedrohen. Doch
schon in fünf Jahren könnte es einen
Quantencomputer geben, der sogar einen
Supercomputer ausstechen kann, pro-
gnostiziert der Innsbrucker Quantenphysi-
ker Rainer Blatt. Werden also sensible Da-
ten von Firmen oder Regierungen schon in
wenigen Jahren ungeschützt sein? Nein,
meinen viele Physiker. Denn aus dem Reich
der Quantenphysik komme nicht nur das
Gift, sondern auch das Gegengift, die soge-
nannte Quantenkryptographie (kurz: QK).
Ein Lauschangreifer enttarnt sich bei
dieser Technik zwangsläufig. Die QK be-
nutzt Lichtteilchen (Photonen) als Informa-
tionsträger. Der Lauscher wird entdeckt,
weil die Gesetze der Quantenphysik es
verbieten, die von den Photonen getragene
Information auszulesen, ohne diese zu
verändern (siehe Text im Web dazu).
Die Finanzindustrie wendet die QK
bereits an, um sensible Informationen
zwischen verschiedenen Firmenstand-
orten auszutauschen. Kein Wunder also,
dass einer der wenigen kommerziellen
Anbieter von QK-Systemen, IDQuantique,
im schweizerischen Genf sitzt. Sein Boss,
Grégoire Ribordy, freut sich zwar über
wachsendes Interesse an der QK. »Regie-
rungen erkennen immer mehr, dass ihre
sensiblen Daten in 15 Jahren ungeschützt
sein könnten«, sagt er. Er beobachte
jedoch, dass Asien die QK wesentlich
beherzter einführe. Europa könnte seine
Vorreiterrolle bei der Entwicklung der
QK verlieren, warnt Ribordy.
Im Fernen Osten entstehen derzeit
erste Ansätze für eine künftige QK-Infra-
struktur. Das größte Projekt: Zwischen
Schanghai und Peking entsteht ein 2.000
Kilometer langes Quantennetzwerk. »Mehr
als 300 Nutzer aus der Finanzindustrie und
andere Unternehmen werden am Testlauf
im Jahr 2016 teilnehmen«, sagt Zhao
Yong von der Chinesischen Universität
für Wissenschaft und Technik. Auch Re-
gierung und Militär schlüpfen unter den
Schutzmantel der Quantenphysik. Nach
dem Test werde das Netz auf Tausende
Nutzer erweitert, kündigt Yong an.
Vergleichbare Pläne gibt es in Europa
nicht. Im Gegenteil: Testnetzwerke wie
das »Swissquanten-Netzwerk« im Gebiet
um Genf wurden wieder abgebaut. Gründe
für den verhaltenen Einsatz der Technik
sehen Forscher in der noch geringen
Reichweite von rund 100 Kilometern und
den noch geringen Datenraten. Allerdings
arbeiten Forscher an größeren Reichwei-
ten, im Labor erreichen sie bereits über
300 Kilometer.
Aber auch den Nimbus der absoluten
Abhörsicherheit hat die QK im Jahr 2010
Quantenkryptographie
ENIGMAS ERBEN
Die Sicherheit im Internet
wird heute durch Verfahren
geschützt, die ein künftiger
Quantencomputer knacken
könnte. Abhilfe könnte eine
weitere Technik aus der
Quantenphysik schaff en:
die Quantenkryptographie.
Doch noch ist unklar, ob sie
rechtzeitig die Lücke füllen
kann. Indessen entwickeln
Mathematiker andere
quantencomputerresistente
Verfahren.
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verloren, als der Physiker Vadim Makarov,
damals an der Uni Trondheim, das System
von IDQuantique knackte. Doch das Ende
bedeutet das nicht: »In Forschungslabors
entsteht derzeit eine zweite Generation
von QK-Systemen, die deutlich resisten-
ter gegen Angriffe sein werden«, sagt
Marakov. Eine hundertprozentige Sicher-
heit werde es aber auch mit der QK nicht
geben, meinen Experten, da technische
Umsetzungen des theoretisch hundert-
prozentig sicheren quantenphysikalischen
Prinzips immer Schlupflöcher offen ließen.
Das Rennen gegen die Entwickler
des Quantencomputers könnte indessen
auch ohne Quantenphysik gewonnen wer-
den: In den Schubladen der Kryptologen
schlummerten jahrzehntelang Verschlüs-
selungsverfahren, die nun wieder her-
vorgeholt werden, weil sie als resistent
gegen Quantencomputer gelten. Darunter
fallen sogenannte gitterbasierte Verfah-
ren. In mathematischen Gittern – das sind
regelmäßige Strukturen ähnlich einer
Honigwabe oder dem Stahlskelett eines
Hochhauses – lassen sich sehr schwie-
rige Aufgaben finden, denen auch ein
Quantencomputer erliegen würde. Zum
Beispiel folgende: Setze dich auf irgendei-
nen Punkt X mitten im Gitter. Wo befindet
sich der nächstgelegene Gitterpunkt? Bei
einem zwei- oder dreidimensionalen Git-
ter ist diese Aufgabe nicht schwer. Doch
die abstrakten Gitter der Mathematiker
besitzen Tausende Dimensionen. Darin
den nächstgelegenen Punkt zu erken-
nen ähnelt der Aufgabe, ein bestimmtes
Sandkorn an einem Strand zu finden.
Derzeit arbeiten Mathematiker wie
Johannes Buchmann daran, solche sper-
rigen Verfahren fit für den täglich millio-
nenfachen Einsatz im quirligen Internet zu
machen. Doch es gibt auch hier Zweifel:
Mit gitterbasierten Verfahren habe man
zu wenig Erfahrungen, um ihnen zu ver-
trauen, meint der Berliner Datenschützer
Ulrich Vollmer. Es ließ sich bislang nicht
beweisen, dass sie tatsächlich quanten-
computerresistent sind. Wie sicher also
das Internet in Zeiten des Quantencom-
puters sein wird, bleibt bislang offen und
bietet Stoff für weitere Forschung. //
Die Enigma (griechisch »Rätsel«) ist eine Rotor-
Schlüsselmaschine, die im Zweiten Weltkrieg
zur Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs
des deutschen Militärs verwendet wurde. Als
Erfinder gilt der deutsche Elektroingenieur
Arthur Scherbius (1878–1929), dessen erstes
Patent hierzu vom 23. Februar 1918 stammt.
Die Enigma besteht im Wesentlichen
aus der Tastatur, einem Satz von drei aus-
tauschbaren Walzen (Rotoren mit einem
Durchmesser von etwa 100 Millimeter) und
einem Lampenfeld zur Anzeige. Der Walzensatz
ist das Herzstück zur Verschlüsselung. Die drei
Walzen sind drehbar angeordnet und weisen auf
beiden Seiten für die 26 Großbuchstaben des
lateinischen Alphabets 26 elektrische Kontakte
auf, die durch 26 isolierte Drähte im Inneren der
Walze paarweise und unregelmäßig mitein-
ander verbunden sind, beispielsweise (Walze
III) Kontakt A mit B, B mit D und so weiter.
Drückt man eine Buchstabentaste, so fließt
Strom von einer in der Enigma befindlichen
4,5-Volt-Batterie über die gedrückte Taste durch
den Walzensatz und lässt eine Anzeigelampe
aufleuchten. Der aufleuchtende Buchstabe
entspricht der Verschlüsselung des gedrückten
Buchstabens. Da sich bei jedem Tastendruck die
Walzen weiterdrehen, ändert sich das geheime
Schlüsselalphabet nach jedem Buchstaben.
Trotz mannigfaltiger Verbesserungen gelang
es den Alliierten mit hohem personellen und
maschinellen Aufwand, die deutschen Funk-
sprüche nahezu kontinuierlich zu entziff ern.
ENIGMA
Das erste Patent der Enigmabit.ly/1MkiUZ2
Simulation der Enigma M4bit.ly/1NtxvUJ
Quantennetzwerk in Chinabit.ly/1NTO0ak
Rainer Blatt: »Wir sind nicht weit vom leistungsstarken Quanten-computer entfernt.«bit.ly/1Mkilye
WIE QUANTENPHYSIK FÜR SCHNELLIGKEIT UND SICHERHEIT SORGT
web-special
ferchau.de/read/it152c
mehr informationen
Johannes Buchmann Der Mathematiker arbeitet mit Gittern, die über Tausende von Dimensionen verfügen.
<27>< b r a n c h e n g e f l ü s t e r >
Der Trend Quantifi ed Self
DIE SELBSTVERMESSER Für Self-Tracker besteht das Leben aus Zahlen. Sie messen Puls,
Schlaf, Schritte und mehr für ein gesünderes Leben.
Doch was ist die Rendite – und was das Risiko?
Wenn André Kießlich
morgens aufsteht,
legt er seine Puls-Uhr
um. Sie misst seinen
Herzschlag und zählt
seine Schritte. Sechs
Kilometer schafft der FERCHAU-IT-Spe-
zialist aus Brandenburg an einem Tag –
Sport nicht eingerechnet. Beim Training
trägt Kießlich einen Brustgurt. Alle ge-
sammelten Daten teilt und analysiert er
mit einer Online-Community. »Mir als
Leistungssportler hilft das, mich zu ver-
bessern. Es motiviert mich«, sagt der
29-Jährige, der schon bei deutschen Ka-
nu-Meisterschaften gestartet ist.
André Kießlich ist ein Vertreter des
Quantified-Self-Trends. Die meisten Self-
Tracker messen mehr: Schlaf, Blutzucker,
Gewicht, Blutdruck, Kalorienzufuhr oder
auch Stimmung. Die Werte dokumentie-
ren sie in digitalen Tagebüchern, Apps
oder Excel-Tabellen. Controlling für den
Körper sozusagen. Das Ich als Manager,
die Unternehmens-Ziele: Erfolg, Glück
und Gesundheit. 41 Prozent der Befrag-
ten einer Studie des Marktforschungs-
Instituts YouGov hatten Ende 2014 eine
Gesundheits-App auf dem Smartphone.
Der Absatz von Smartwatches und Fit-
ness-Trackern hat sich laut statista.com
im vergangenen Jahr verdreifacht – von
17 auf 51 Millionen Stück weltweit.
Kritiker sehen im Self-Tracker den
modernen Narzissten. Tabellen und Gra-
fiken über die eigenen Leistungen und
Werte ersetzen den Spiegel. Der Wissen-
schaftler Stephan Porombka beschäftigt
sich mit Selbstvermessung und sieht das
in einem Interview differenzierter: »Es ist
ein Stück Aufklärung über einen selbst.
Daher hat das mit Narzissmus nichts zu
tun, sondern mit der Individualitätskultur
der Moderne.«
Vom Technik-Nerd bis zum Gesundheits-fanatiker
Zu den Self-Trackern zählen vor allem
Männer – ob Leistungssportler, Technik-
Nerd, Gesundheitsfanatiker oder Young
Professional. »Wir sind unser eigenes
Betriebs-Zentrum. Wollen wir effektiver
werden, müssen wir uns besser kennen-
lernen«, sagte Gary Wolf in einem Vortrag.
Der US-Journalist ist ein Pionier der Sze-
ne. Er gründete das Netzwerk Quantified
Self (QS), das auch in Deutschland Ableger
hat. Um effizienter zu werden, dokumen-
tieren Self-Tracker nicht nur Fitnessdaten,
sondern auch Finanzen oder Mailverkehr.
Michael Stingl hat 2015 eine QS-Grup-
pe für die Region Nürnberg gegründet. Der
IT-Spezialist probiert immer wieder ande-
re Gadgets aus. Aktuell misst ein Pulsoxi-
meter, das über die Kopfhörerbuchse des
Smartphones betrieben wird, den Sauer-
stoff in seinem Blut. Er sei mehr an Trends
interessiert als daran, das Leben bis ins
Detail zu optimieren. Die Gruppe solle den
Austausch zwischen denen anstoßen, die
die Technik nutzen – vom Sportmediziner
bis zum Technik-Freak. Stingl sieht Self-
Tracking als gesellschaftliche Entwick-
lung, wie man mit eigenen Daten umgeht.
»Zum einen ist es ein weiterer Schritt hin
zum aufgeklärten Patienten, zum anderen
eine Einschränkung der eigenen Freiheit.
Die Frage ist: Jetzt habe ich die Daten, was
mache ich damit? Da war ich selbst schon
ratlos«, sagt Stingl.
Versicherte können Geld sparen – Datenschützer warnen
Krankenkassen haben Antworten und
begrüßen den Trend. Die AOK Nordost bie-
tet zum Beispiel an, dass sie sich an den
Kosten für Geräte oder Apps beteiligt. Für
DAK-Mitglieder gibt es die App FitCheck.
Versicherte, die ihre Sportaktivitäten
angeben, werden mit Prämien belohnt.
Datenschützer kritisieren das. Denn was,
wenn die App über längere Zeit keine Ak-
tivitäten aufzeichnet?
Lieber Stufen gehen anstatt Rolltrep-
pe oder Aufzug zu fahren. Lieber Salat
anstatt noch einer Curry-Wurst. Self-Tra-
cking kann ein Ansporn sein. Der Sozio-
loge Stefan Selke rät in einem Interview
jedoch, sich nicht nur der Selbstkontrolle
durch Daten zu unterziehen: »Wenn ich
Blutdruck oder Stimmung messe, ist das
nicht gleichzusetzen mit Gesundheit oder
Glück. Das ist eine Gefahr.« //
Zeit-Dossier zum Thema Quantifi ed Self bit.ly/1ySFg1T
Diese Tools empfehlen die Self-Tracker in ihrer Communitybit.ly/1sAuPNq
Gesundheits-Apps im Test bit.ly/1LHwQ29
mehr informationen
Links: André Kießlich ist IT-Spezialist bei FERCHAU und Leistungssportler. Der Kanute trat schon bei mehreren deutschen Meisterschaf-ten an. Die Daten, die er mit seiner Puls-Uhr sammelt, motivieren ihn. (Bild: Rudolf Seifert)
Rechts: Der IT-Spezialist und Unternehmens-gründer Michael Stingl aus Erlangen hat eine Quantifi ed-Self-Ortsgruppe gegründet.
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Wer fragt dich häufi ger, wie es dir geht?
SMARTPHONEPARTNER ARZT
SCHLAFPHASENWECKER
WOVONTRÄUMST DU?
HAST DU ANGST VOR
DATENKLAU?
MATRATZENSENSORZUR SCHLAFMESSUNG
SOLL DER KÜHLSCHRANKAUCH DEINEN
CHOLESTERINSPIEGELKENNEN?
SONNE/KINDER
WELTFRIEDEN
INSTAGRAM TAGEBUCH
Inhalt: Heike Kottmann
Baum der Erkenntnis
WIE VIEL QUANTIFIED SELF STECKT IN MIR?
WER KANN DASBESTÄTIGEN?
EINEN SCHRITT-ZÄHLER AUCH?
MACHST DUEIGENTLICH SPORT?
BESITZT DU EINEPULS-UHR?
POSTEST DU DEINE JOGGING-STRECKE AUF FACEBOOK?
WOVON WIRST DU MORGENS WACH?
MISST DEINE UHR AUCH DEINEN BLUTDRUCK?
PROTOKOLLIERST DU DEINE
ESSGEWOHNHEITEN?
BETRÜGST DU HÄUFIG DEINEKRANKENVERSICHERUNG
MIT FALSCHANGABEN?
HÄTTEST DU GERN EINENKÜHLSCHRANK, DER DIR
DIE EINKAUFSLISTE MAILT?
GUT SO!WILLST DU MEHR
FÜR DEINEGESUNDHEIT TUN?
HAST DU MINDESTENS EINEGESUNDHEITS-APP
AUF DEINEM SMARTPHONE?
AUF EINER SKALAVON 1 BIS 10:
WIE GESUND LEBST DU?
UNTERHÄLTST DU DICH ETWA
MIT SIRI?
0-3
WO?
>4
JaNein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Sorry, aber dir
ist nicht zuhelfen!
Achtung,Suchtgefahr! Du bist der geborene
QSler!
Du hast viel
QS-Potential!
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Der Fahrer?Florian Alt ist ein deutscher Motorradrennfahrer, der 1996 in Gummersbach
zur Welt kam. Im Jahr 2012 wurde er deutscher Meister in der 125-Kubikmeter-
Klasse und gewann den Red-Bull-MotoGP-Rookies-Cup. 2013 startete Alt
erstmals in der Moto3-Klasse der Motorrad-WM für das Kiefer-Racing-Team.
In der laufenden Saison fährt er in der Moto2-Klasse der Motorrad-WM für
das Octo-IodaRacing-Team. Für die beiden Fahrer des italienischen Renn-
stalls arbeiten fast 20 Mann in Technik und Verwaltung.
Der Einstieg?»Schon als kleines Kind habe ich die Motorradfahrer bei uns im Bergischen
Land bewundert. Zum vierten Geburtstag bekam ich ein kleines Bike ge-
schenkt. Nach zwei Jahren über Feldwege und Wiesen brachte mich ein
Freund zum Pocketbike und auf die Rennstrecke. Ich wollte gegen andere
Fahrer antreten und gewinnen.«
Die Schnittstelle
zwischen Mensch und
Maschine, das »Dash«,
ist etwa so groß wie ein iPad
Mini. Der Fahrer sieht hier seine
Rundenzeit, die Zeiten der vier
Streckenabschnitte im Vergleich zur
besten Runde sowie wichtige Daten
wie Drehzahl und Motortempera-
tur, die für eine ideale Leistung
zwischen 70 und 75 Grad
betragen sollte.
»ALS FAHRER KANNST DU NICHT MEHR LÜGEN«
IT am Rennmotorrad
Der direkte
Kontakt zur Familie,
zu den Fans und zu
den Medien läuft über das
Smartphone. Heutzutage sei
das unverzichtbar, sagt
Florian Alt. Er nutzt in erster
Linie Twitter (@AltFlo66),
Instagram und
Facebook.
Zwischen
den Rennen bleibt
kaum Zeit für die heimi-
sche Spielkonsole. Mit
dem Computerspiel »Moto
GP 2015« kann sich
Florian Alt immerhin
selbst spielen.
Die Gabel
kostet rund 10.000
Euro. Sensoren messen
permanent die Bewegun-
gen wie Eintauchtiefe und
Schläge. Alle Parameter
lassen sich dann mecha-
nisch an den Kurs
anpassen.
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Die Geschwindigkeit?»Der Top-Speed hängt von der Länge der Geraden ab. In der
Regel schaffen wir rund 300 Stundenkilometer, bei einer sehr
langen Geraden auch etwas mehr. 300 Stundenkilometer auf
der Rennstrecke fühlen sich an wie 150 Stundenkilometer auf
der Straße. Die Rennstrecke ist breit, und alle fahren in die
gleiche Richtung. Zudem gibt es keinen Tacho.«
Die Angst?»Ich habe nicht gezählt, wie oft ich mit dem Motorrad gestürzt
bin. Als Kind auf dem Minibike passiert das fast jedes Wochen-
ende, später wird es weniger. Insgesamt waren es wohl 500-mal,
schätze ich. Angst hatte ich nie, und die werde ich auch nicht
haben. Sobald man Angst hat, wird man zu langsam. Natürlich
hat man Respekt vor gewissen Situationen, denn in diesem
Geschwindigkeitsbereich ist Fahren kein Spiel mehr.«
Die IT?»Als Fahrer kann man nicht mehr lügen. Das Motorrad steckt
voller Sensoren, unser Datenrecording erfasst alles. Der Com-
puter sieht den Unterschied zwischen Halbgas und 30 Prozent,
kennt die Bremspunkte, und das Team liest sämtliche Daten von
Training und Rennen. Für einen Spitzenplatz im Rennen müssen
alle Details bei den Einstellungen haargenau stimmen.«
Das Highlight?»Für mich ist der Start der größte Moment im Rennsport.
30 Fahrer preschen auf die erste Kurve zu, und es wird immer
enger. Ein unglaubliches Gefühl, das furchtbar viel Spaß
macht.«
Kleine LED-
Blitze signalisieren
dem Fahrer, wann der op-
timale Schaltzeitpunkt näher
rückt. Die ersten Schaltblitze
flackern bei 14.000 Umdrehun-
gen, bei der zehnten LED ist
der optimale Schaltzeitpunkt
erreicht. Dieser liegt bei zwi-
schen 15.800 und 16.000
Umdrehungen.
An seinem
persönlichen Com-
puter wertet Florian Alt
alle Daten des Motorrads
zu Hause in Ruhe aus, geht
die Rennen durch und
analysiert die Videos von
sich und den Konkur-
renten.
Am Lenker
links hat der Fahrer drei
Schalter: Der Speed-Limiter
für die Boxengasse hält das
Motorrad konstant auf 60 km/h.
Der zweite erlaubt die Auswahl
verschiedener Mappings des Mo-
tors, über die unter anderem die
Leistung in Drehzahlbereichen
geregelt wird. Der dritte
Schalter ist die Launch-
Control.
Das GPS
zeichnet die vollstän-
dige Linienbahn aller
Runden auf, die Daten
lassen sich anschließend am
Computer betrachten. Die
Darstellung umfasst auch
alle Punkte, an denen
Gas gegeben oder ge-
bremst wurde.
Bei Training
und Rennen werden
alle Daten der Motorrad-
ECU (Steuereinheit) per
Kabel ins Notebook geladen.
Die Zeit drängt meistens,
denn der Fahrer muss
wieder auf die
Strecke.
Die Auspuff-
temperatur ist eine
wichtige Messgröße.
Sie kann auf über 700 Grad
steigen. Wenn der Auspuff zu
heiß wird, erhält der Motor zu
viel Sprit. Das Team muss mit
den Daten die Einspritzzeiten
und das Gemisch (mager/
fett) möglichst ideal
einstellen.
Geschwindig-
keitssensoren gibt es
am Vorderrad und am Hin-
terrad. Grund ist der »Spin«
am Hinterrad: Dreht sich das
Hinterrad 15 km/h schneller
als das Vorderrad, fährt die
Maschine nicht mehr schnell
genug nach vorne. Der
Grip ist nicht mehr
perfekt.
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