interaktionen zwischen der institution schule und...
TRANSCRIPT
Interaktionen zwischen der Institution Schule und abweichendem Schülerverhalten
Seminar „Gesundheit Im Bildungssystem“
Referent: Dipl.-Psych. Sebastian Schoppe
1. Die Bedeutung der Schule für Befinden und Verhalten von Kindern und Jugendlichen
2. Psychische Störungen und ihre Auswirkungen auf die Schule
3. Zusammenfassung
Schule & psychische Störungen 2
1.1 Einleitung
1.2 Schulklima und psychisches Befinden
1.3 Psychische Folgen von Mobbing
3Schule & psychische Störungen
Kinder verbringen im Durchschnitt ca. 15000 Stunden in der Schule (Rutter et al., 1979) über viele Jahre fast ebenso viele Stunden des Tages in der Schule wie zu Hause
Mindestens 9 Jahre lang steht Umgang mit der Schule im Mittelpunkt alltäglicher Anstrengungen von Kindern, Jugendlichen, Eltern
Schule produziert einerseits Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und wirkt andererseits auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung ein
Schulzeit birgt große Entwicklungschancen aber auch Gefährdungen
4Schule & psychische Störungen
Schulklima◦ Keine eindeutige Definition◦ Individuell erlebtes Klima vs. Kollektives Klima◦ Dimensionen von Schulklima Winkler Metzge & Steinhausen (2001)
Konkurrenz zwischen Schülern Anerkennung durch Gleichaltrige Kontrolle durch die Lehrperson Mitbestimmungsmöglichkeiten Leistungsdruck
Satow & Schwarzer (2003) Mitschülerklima (Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt,…) Klima zwischen Lehrern und Schülern (Leistungsdruck,…) allgemeines Klima, das aus Schul- und Unterrichtskultur resultiert
(Disziplin, Identifikation mit der Schule)
5Schule & psychische Störungen
Studie von Winkler Metzke & Steinhausen (2003)◦ Stichprobe: 1100 Jugendliche (Ersterhebung) bzw. 812
Jugendliche (Zweiterhebung) zwischen 10 und 17 Jahren aus Kanton Zürich (Zweiterhebung erfolgte 3 Jahre später)
◦ Untersuchungsverfahren Schulklima
Fragebogen auf Basis der Items von Fend&Prester (1986) 5 homogene Skalen (Konkurrenz zwischen Schülern, Anerkennung durch Gleichaltrige, Kontrolle durch die Lehrperson,Mitbestimmungsmöglichkeiten,Leistungsdruck)
Psychische Befindlichkeit „Youth Self Report“ (YSR, Achenbach, 1991) Gesamtwert, Skala
„internalisierte Störungen“, Skala „externalisierte Störungen“
◦ Ergebnisse Schulklima ist an der Entwicklung internalisierter und externalisierter
Störungen mitbeteiligt sowohl querschnittliche als auch längsschnittliche Untersuchung
sprechen für einen Einfluss des Schulklimas auf psychisches Befinden
6Schule & psychische Störungen
Studie von Satow & Schwarzer (2003)◦ Fragestellung
Auswirkung des individuell und kollektiv wahrgenommenen Klassenklimas auf die Entwicklung von Selbstwirksamkeit (Selbstwirksamkeit wird als wesentlicher Faktor von psychischem Befinden angesehen)
◦ Ergebnisse
u.a. Individuell wahrgenommenes Klima ist bedeutsamer für die Entwicklung von Selbstwirksamkeitserwartung als kollektiv wahrgenommenes Klima
7Schule & psychische Störungen
Forschung über Mobbing relativ junger Zweig der psych. Forschung erste Studie von Olweus,1978
Heutzutage kein Zweifel daran, dass Mobbing sowohl in der Schule als auch im Kindergarten bei Jungen und Mädchen vorkommt und gravierende Folgen für die Opfer haben kann
8Schule & psychische Störungen
Zentrale Merkmale von Mobbing◦ aggressives Verhalten direkt (Täter und Opfer miteinander konfrontiert) vs. indirekt
(keine Konfrontation; subtilere Form) häufig demütigend (z.B. Gerüchte)
◦ wiederholte, systematische Handlungen gegen ein bestimmtes Opfer
◦ Überlegenheit der mobbenden Kinder
Beteiligte◦ Täter, Mitläufer, Opfer, Zuschauer
Typen von Opfern (Olweus, 1978)a) passiv unsicher, vorsichtig, stillb) provokativ/aggressiv bzw. Täter-Opfer impulsiv,
schikanieren selbst
9Schule & psychische Störungen
Studie zum Schulalltag in Norwegen und in der Schweiz (Flammer, Grob & Alsaker, 1997)◦ Stichprobe n= 2971 Kinder und Jugendliche der 4.-9. Klasse aus
städtischen Gemeinden (Schweiz und Norwegen) ◦ Messinstrumente Mobbing FB zu erlebten und selbst ausgeübten Mobbing-
Handlungen Klassifizierung in Täter, passive Opfer, aggressive Opfer
Selbstabwertung 6 Items zur negativen Selbstevaluation Körperzufriedenheit 4 Items; 2 Unterskalen „Zufriedenheit mit
dem Aussehen“ und „Zufriedenheit mit der körperlichen Leistungsfähigkeit“
Psychosomatische Beschwerden 38 Items aus „GiessenerBeschwerdefragebogen für Kinder und Jugendliche“
Depressive Tendenzen 9 Items aus FB von Kovacs (1981)
10Schule & psychische Störungen
Berner Kindergartenstudie (Alsaker & Valkanover,2000)◦ Stichprobe n=344 Kinder zwischen 5-7 Jahren aus Berner Kindergärten
◦ Messinstrumente Mobbing Berichte der Kinder über andere Kinder und
Aussagen der Erzieherinnen Klassifizierung der Kinder durch Kombinieren beider Informationsquellen
Körperwahrnehmung Präsentation von Tierbildern, Kinder sollten eigene Leistungsfähigkeit einschätzen und sich mit anderen Kindern der Gruppe vergleichen
Psychosomatische Beschwerden 2 Fragen an die Erzieherinnen zu Klagen der Kinder über Kopf- und Bauchschmerzen
Depressive Tendenzen Frage an die Erzieherinnen zu unglücklichen, betrübten Aussehen der Kinder
11Schule & psychische Störungen
Ergebnissea) Kategorisierung der Kinder/Jugendlichen
• ähnlich hoher Anteil passiver Opfer in beiden Studien• aggressive Opfer häufiger im Kindergarten und bei Jungen
12Schule & psychische Störungen
Ergebnisseb) Selbstabwertung (gemessen nur bei norwegischen
Schulkindern)
Selbstabwertung bei aggressiven Opfern am stärksten
Höhere Werte bei passiven und aggressiven Opfern gegenüber nicht-involvierten Kindern
Mobbing beschädigt den Selbstwert der Opfer
13Schule & psychische Störungen
Ergebnissec) Körperwahrnehmung und -zufriedenheit Schule aggressive Opfer mit ihrem Körper am wenigsten zufrieden Aggressive und passive Opfer wünschten sich körperlich
stärker zu sein Kindergarten aggressive Opfer schätzten sich stärker ein als nicht-
involvierte Kinder passive Opfer unterschieden sich nicht von anderen
Kindern Aber: passive Opfer wurden von anderen Kindern am
schwächsten eingeschätzt (obwohl objektiv keine Kraftunterschiede)
Körperwahrnehmung im Kindergartenalter noch nicht durch Mobbingerlebnisse beeinträchtigt, aber Wahrnehmung durch die Gleichaltrigen führt vermutlich allmählich zu Veränderung der eigenen Körperwahrnehmung
14Schule & psychische Störungen
Ergebnissed) Psychosomatische Beschwerden
Schule
passive und aggressive Opfer mit mehr psychosomatischen Beschwerden (aggressive Opfer am meisten)
Kindergarten
bei älteren Kindern hatten passive und aggressive Opfer laut Erzieherinnen häufiger Kopf- und Bauchweh
Stress, der durch Mobbing entsteht, scheint
altersunabhängig körperlich umgesetzt zu werden
15Schule & psychische Störungen
Ergebnissee) Depressive Tendenzen Schule höhere Depressionswerte bei passiven und aggressiven
Opfern
Kindergarten passive und aggressive Opfer sahen laut
Erzieherinnenaussagen am häufigsten unglücklich aus
depressive Symptomatik ist altersunabhängige mögliche Folge von Mobbing; Mobbing als Ursache für Selbstmorde bei SchülerInnen Ernst zu nehmen
16Schule & psychische Störungen
Diskussion der psychopathologischen Bedeutung von Mobbing◦ dysfunktionale Schemata mit zentralem Platz in heutigen Modellen
zur Depression◦ Mobbingerfahrungen können einerseits zur Entstehung
dysfunktionaler Schemata führen, als auch vorhandene Schemata reaktivieren
◦ sozialer Rückzug als Folge von Mobbing ebenfalls depressionsfördernd
◦ Schmerzminimierung statt Lustmaximierung (Vermeidungsziele überwiegen Annäherungsziele gemäß Konsistenztheorie von Grawe ein Merkmal bei psychischen Störungen)
◦ psychosomatische Beschwerden als Vermeidungsstrategie und Ausdruck erhöhten Stressniveaus
◦ besonders gefährdet scheinen aggressive Opfer zu sein weisen in gewissen Hinsichten höheren Leidensdruck als passive Opfer
auf (Selbstabwertung, psychosomat. Beschwerden) verfügen häufig über weniger Ressourcen als passive Opfer Problem: werden im Alltag häufig als Opfer verkannt und mit
eigentlichen Mobbingtätern gleichgesetzt
Schule & psychische Störungen 17
2.1 ADHS
2.2 LRS
2.3 Schulverweigerung
2.4 Störungen des Sozialverhaltens
18Schule & psychische Störungen
1. Störung der Aufmerksamkeit◦ v.a. bei langweiligen Beschäftigungen, fremd bestimmten
Aufgaben◦ Selektive Aufmerksamkeit (Fokussierung auf
aufgabenrelevante Reize) sowie Daueraufmerksamkeit (Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit über längeren Zeitraum) können gestört sein
2. Impulsivität◦ Plötzliches, unbedachtes Handeln◦ Eingeschränkter Bedürfnisaufschub◦ Kognitive, emotionale und motivationale Impulsivität
3. Hyperaktivität◦ Nicht altersgerechte, desorganisierte, überschießende
motorische Aktivität oder ausgeprägte Ruhelosigkeit
20Schule & psychische Störungen
Symptome müssen in verschiedenen Lebensbereichen auftreten (Schule, Familie, Gleichaltrige)
Subtypen:a) Mischtypb) vorherrschend unaufmerksamer Typc) vorherrschend hyperaktiv-impulsiver Typ
Häufigkeit:◦ ca. 3-5 % aller Schulkinder ◦ Jungen 3-9x mehr als Mädchen betroffen
21Schule & psychische Störungen
Aufmerksamkeitsstörung:◦ Schwierigkeiten angefangene Aufgaben zu Ende zu
führen
◦ Leicht ablenkbar Schüler entgeht vieles im Unterricht
◦ Erteilte Hausaufgaben werden nicht wahrgenommen
Impulsivität:◦ Dazwischenrufen ohne sich zu melden
◦ Kontaktaufnahme zu anderen Mitschülern während der Unterrichtsstunden
22Schule & psychische Störungen
Hyperaktivität:◦ Besonders im Grundschulbereich: Schüler stehen
auf oder bewegen sich zumindest sehr stark an ihrem Platz “Zappelphillip“
◦ In Pausen oder Sportunterricht: oft ungesteuerte Aktivitäten Konflikte mit Mitschülern, Unfälle
23Schule & psychische Störungen
Medikamentöse Therapie◦ v.a. Psychostimulanzien („Ritalin“)
Kognitive Verhaltenstherapie◦ Beratung & Psychoedukation
◦ Operante Verfahren in der Familie und Schule
◦ Kognitive Interventionen beim Kind/Jugendlichen
24Schule & psychische Störungen
Einbezug der Schule in Diagnostik & Therapie
1. Beteiligung an Diagnostik z.B. Einsatz von Lehrerfragebögen
2. Dosisanpassung bei medikamentöser Therapie3. Pädagogisch –therapeutische Interventionen in der
Schule Enge Verbindung Lehrer-Eltern erwünscht Arbeit mit konkreten Verhaltenszielen (nicht zuviele) Tokensystem Aber: Token werden im Elternhaus
eingetauscht, ansonsten Gefühl einer unangemessenen Sonderbehandlung
4. Einsatz allgemeiner pädagogisch günstiger Maßnahmen (z.B. Grundprinzipien nach Döpfner,2000; Frölich et al., 2002; Pliszka et al., 1999)
25Schule & psychische Störungen
◦ Strukturierte, abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung Variation zwischen den Aktivitäten, aktives Einbeziehen des Schülers in den Unterricht
◦ Interesse am Schüler zeigen, Gespräche auch über nicht schulische Themen suchen
◦ Arbeitsplatz des Schülers möglichst in der Nähe des Lehrers, nicht in der Nähe von Durchgängen oder ablenkenden Reizen
◦ Festlegen allgemeingültiger Regeln und sofortiger Konsequenzen gegen Störverhalten Anbringen der Regeln im Klassenraum
26Schule & psychische Störungen
◦ Unmittelbare, eindeutige Rückmeldungen an den Schüler auch kleine Fortschritte loben
◦ Gliederung des Unterrichts in kleine, überschaubare Einheiten
◦ dem Schüler helfen, sich selbst zu organisieren (z.B. Erinnerungskarten)
◦ dem Schüler Möglichkeiten anbieten, seinen Bewegungsdrang auszuleben (z.B. durch Hilfsjobs)
◦ Regelmäßiges Kontrollieren der Hausaufgaben; Abzeichnen der Einträge im Hausaufgabenheft und Gegenzeichnen durch Eltern
27Schule & psychische Störungen
Lesestörung:◦ Defizite in Lesegenauigkeit, Lesetempo,
Leseverständnis möglich
Rechtschreibstörung:◦ Defizite in der lautgetreuen Rechtschreibung (z.B.
„d“ statt „t“, Auslassung von Buchstaben, Verwechslung von Buchstaben,…)
◦ Schwierigkeiten bei der Anwendung orthographischer Regeln (z.B. Groß-Kleinschreibung, Dehnungsfehler,…)
◦ Häufig Fehlerinkonstanz
29Schule & psychische Störungen
Häufig: Begleitende Entwicklungsstörungen oder psychische Schwierigkeiten; z.B.:◦ Prüfungsängste
◦ Schlafstörungen
◦ Enuresis
◦ Somatische Beschwerden
Prävalenz◦ 4-8 %
◦ Jungen 3-4x häufiger als Mädchen betroffen
30Schule & psychische Störungen
Misserfolge im Fach Deutsch
Generalisiertes Lernversagen
Häufig: Wiederholen einer Klassenstufe
Sekundarstufe: Probleme beim Fremdspracherwerb
Niedrigere schulische Qualifikation als Schüler ohne LRS bei gleichem Begabungsniveau
Deutlich höhere Arbeitslosenrate (26% vs. 4% im 25. Lebensjahr; Stand 2003)
31Schule & psychische Störungen
Existenz spezieller Richtlinien zur schulrechtlichen Regelung im Umgang mit LRS-Schülern (variieren zwischen den BL)
Bsp. Sachsen: §35a SchulG◦ (1) Die Ausgestaltung des Unterrichts und anderer schulischer
Veranstaltungen orientiert sich an den individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen der Schüler. Dabei ist insbesondere Teilleistungsschwächen Rechnung zu tragen.
◦ Grundschule Aussetzung der Benotung von Lesen/Rechtschreiben auf Antrag der Eltern
und Zustimmung der Klassenkonferenz Existenz spezieller LRS-Klassen (2./3.Klasse)
◦ Mittelschule Zeitzuschlag bei schriftl. Arbeiten; Zusätzliche Hilfsmittel; angepaßte
Aufgaben; zeitlich befristete Aussetzung der Benotung der Rechtschreibung in Deutsch und Fremdsprachen
◦ Gymnasium Anwendung der Verwaltungsvorschrift nur in Klassen 5 und 6
32Schule & psychische Störungen
Einsatz spezieller Förderprogramme zur Verbesserung des Lesens- und Rechtschreiben◦ Möglichst frühzeitige Behandlung
◦ Gezielt Lesen und Rechtschreiben üben Übungsbehandlungen zur Verbesserung anderer Funktionen, wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Visuomotorik reichen nicht aus!
◦ Standardisierte Programme
Kieler Lese- und Rechtschreibaufbau (Dummer-Smoch & Hackethal, 1994)
„Flüssig lesen lernen“ (Tacke, 1999)
Marburger Rechtschreibtraining (Schulte-Körne & Mathwig, 2004)
33Schule & psychische Störungen
Behandlung möglicher psychischer Begleitsymptomatik◦ u.a. Unterstützung alternativer Talente und
Begabungen sowie Stärkung des Selbstwertgefühls
34Schule & psychische Störungen
Kind sollte möglichst vorn sitzen Kind sollte nur freiwillig vorlesen oder an die
Tafel gehen Zeitlimits für Hausaufgaben vorgeben Vermeidung von Frustration
Loben des individuellen Lernfortschritts Klassenarbeiten in Maschinenschrift vorlegen;
Vorlesen der Arbeitsanweisungen; dezente Korrekturen; anerkennende und ermutigende Bemerkungen
Herausstreichen anderer Talente
35Schule & psychische Störungen
Unterscheidung
◦ Schulschwänzen Störung des Sozialverhaltens
◦ Schulverweigerung „Schulphobie“ (Trennungsangst) und „Schulangst“ (Soziale Ängste, Leistungsängste,…)
Schulschwänzen Schulverweigerung
dissozial Schulphobie Schulangst
Trennungsangst Leistungsangst, soziale Ängste,…
37Schule & psychische Störungen
Klassifikation im ICD-10/DSM-IV je nach Ursache
Häufigkeiten◦ Schulschwänzen regelmäßiges Schwänzen bei ca.
5% aller deutschen Schüler
◦ Schulphobie & Schulangst 1,6% aller Schüler (Studie aus den USA)
38Schule & psychische Störungen
Psychopathologische Faktoren◦ Dissoziale Tendenzen Schüler bleiben der Schule fern, weil sie attraktivere Orte
aufsuchen oder interessanteren Tätigkeiten nachgehen wollen
◦ Störungen im Arbeits- und Leistungsverhalten Anstrengung und Leistung werden als besonders aversiv
empfunden und deshalb vermieden
◦ Depressiv-apathische Tendenzen Schüler mit negativer Sicht von sich selbst und der Zukunft erlebt Schule als sinnlos
◦ Leistungsängste Leistungskontrollen, Klassenarbeiten sind so angstbesetzt,
dass der Schüler diese Situation meidet
39Schule & psychische Störungen
Psychopathologische Faktoren◦ Soziale Ängste Ängste vor Lehrern oder Mitschülern hindern den Schüler
daran, in die Schule zu gehen
◦ Trennungsängste Aufgrund von Ängsten, dass ihm selbst oder den Eltern
etwas passieren könnte, gelingt es dem Schüler nicht sich von den Eltern zu trennen
◦ Andere Ängste Angst vor plötzlichen Panikattacken (Panikstörung)
Angst vor Kontrollverlust auf dem Schulweg oder in der Schule (Agoraphobie)
Angst vor spezifischen Objekte, z.B. Hund auf dem Schulweg
40Schule & psychische Störungen
Verminderte schulische Leistungen
Niedrigere schulische Abschlüsse
Beziehungsschwierigkeiten mit Gleichaltrigen
häufiger familiäre und soziale Konflikte
Rechtliche Konsequenzen durch Verweigerung der Schulpflicht
41Schule & psychische Störungen
Genaue Diagnostik notwendig!!!
◦ Exploration
z.B. Explorationsleitfaden von Döpfner (2000)
◦ Fragebogenverfahren
allgemeine Verfahren zu emotionalen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
Einsatz von Angstfragebögen für Kinder
Therapie je nach Vorliegen psychopathologischer Faktoren
42Schule & psychische Störungen
Trennungsängste◦ KVT◦ Exposition◦ Behandlung spezifischer Interaktionsstörungen (z.B.
überbehütendes Verhalten der Eltern)
Leistungsängste◦ KVT Abbau dysfunktionaler Kognitionen beim Kind◦ Abbau überhöhter Erwartungen der Eltern◦ z.B. Modul „Leistungsängste“ aus dem Therapieprogramm für
Kinder und Jugendliche mit Angst-und Zwangsstörungen („THAZ“, Suhr-Dachser & Döpfner, 2005)
Soziale Ängste:◦ Soz. Kompetenztraining◦ Exposition◦ Aufbau soz. Kontakte, z.B. Anmeldung in Verein◦ z.B. Modul „Soziale Ängste“ aus dem „THAZ“
43Schule & psychische Störungen
Andere Ängste◦ v.a. Exposition
Depressiv-apathische Tendenzen◦ Aktivierung durch positiv erlebte Tätigkeiten◦ Aufbau des Selbstwertgefühls◦ z.B. Therapieprogramm für Jugendliche mit Selbstwert-,
Leistungs- und Beziehungsstörungen (SELBST, Rademacher, Walter & Döpfner, 2002)
Störungen im Arbeits- und Leistungsverhalten◦ Entwicklung effektiver Arbeitsstrategien
Dissoziale Tendenzen◦ Verschiedene Trainingsprogramme (z.B. Training mit
aggressiven Kindern, Petermann & Petermann, 2008)
44Schule & psychische Störungen
Klinisches Erscheinungsbild◦ Kleinkindalter Oppositionelles Verhalten Zerstörung von Spielzeug
◦ Kindergarten-/Grundschulalter Lügen Stehlen Wutausbrüche Tierquälerei körperliche interpersonelle Aggressionen
◦ Adoleszenz Vandalismus Weglaufen Raub, Einbruch Substanzmissbrauch
Schule & psychische Störungen 48
Klassifikation (ICD-10)◦ F91.0 Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung
des Sozialverhaltens◦ F91.1 Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden
sozialen Bindungen◦ F91.2 Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen
sozialen Bindungen◦ F91.3 Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem,
aufsässigem Verhalten◦ F91.9 Andere bzw. nicht näher bezeichnete Störung des
Sozialverhaltens◦ F92 Kombinierte Störung des Sozialverhaltens
Wichtig: Diagnose erfolgt nur bei länger bestehenden, häufig vorkommenden dissozialen Handlungen
Schule & psychische Störungen 49
Häufigkeiten◦ Passagere Delinquenz
vorübergehend delinquente Verhaltensweisen bei 60-80% der Jugendlichen (international)
einige Studien sprechen davon, dass nahezu 100% aller Jugendlichen mindestens einmal deutlich dissoziale Verhaltensweisen selber erlebt haben
◦ Störungen des Sozialverhaltens
Mädchen: 1-9 % Lebenszeitprävalenz
Jungen: 6-16% Lebenszeitprävalenz
Schule & psychische Störungen 50
Symptome werden häufig im Unterricht, im Bereich sozialer Regeln der Schule und in der Lehrer-Schüler Beziehung zuerst wahrgenommen Unterricht ganzer Klassen wird extrem gestört (wesentlich auffälliger als Kinder mit internalisierenden Störungen)
durch häufige Komorbidität mit Entwicklungsverzögerungen u./o. Einschränkungen in sprachlicher und praktischer Intelligenz überwiegend schlechte Schulleistungen
mangelhafte Problemlösestrategien hinsichtlich schulischer Anforderungen und sozialer Konflikte erschweren Schulalltag der betroffenen Kinder
Schulausschlüsse, Schulabbrüche als Folge dissozialer Handlungen und unzureichender Schulleistungen erhöhtes Risiko für Persistenz der Störung im Erwachsenenalter (antisoziale Persönlichkeitsstörung)
Schule & psychische Störungen 51
möglichst frühe Intervention bei chronifizierten Störungen + Entwicklung komorbider Symptome fällt es Betroffenen zunehmend schwerer Beratung oder therapeutische Hilfe anzunehmen
Diagnostik bzgl. Schweregrad der Störung, komorbiden psychiatrischen Störungen und kognitiven Defiziten bzw. Entwicklungsverzögerungen wesentliche Voraussetzung für sich anschließende Interventionen
Schule & psychische Störungen 52
multimodale Interventionen◦ Familienorientierte VT, Verbesserung der
Erziehungskompetenz◦ Kindzentrierte Verbesserung von
Sozialfertigkeiten/schulischen Fertigkeiten/ kognitiven Kompetenzen
◦ Pharmakotherapie Stimmungsstabilisatoren, Neuroleptika, Stimulanzien
◦ Sozial-/und Milieuarbeit Einbeziehen des Jugendamtes Familienhilfe, ggf. teil- oder vollstationäre Maßnahmen der
Erziehungshilfe Drogenberatungsstellen
◦ Behandlung komorbider psychiatrischer Störungen u.a. auch stationäre Aufnahme in Psychiatrischer Klinik
◦ Interventionen im Schulbereich
Schule & psychische Störungen 53
◦ Aufklärung von Lehrpersonen über Komorbidität der Störung mit Entwicklungsdefiziten Verständnis schaffen
◦ Wahl einer adäquaten Schulform
◦ Runder Tisch regelmäßige Helferkonferenzen (Lehrer, Eltern, Jugendamt, Schulpsychologe, …)
◦ Richtlinien für Verhalten im Klassenraum, u.a.:
klare Verhaltensregeln (z.B. Schüler erarbeiten eigene Regeln und Sanktionen bei Regelverstößen)
Lehrperson als Vorbild (Ablehnung von Gewalt als Konfliktlösestrategie)
konsequentes Auftreten des Lehrers und klare Anweisungen
regelmäßige, positive Rückmeldungen bei gutem Verhalten
Schule & psychische Störungen 54
Schulklima und psychisches Befinden◦ Dimensionen von Schulklima u.a. mit Einfluss auf
Selbstwirksamkeit sowie Entwicklung internalisierter und externalisierter Störungen
◦ individuell wahrgenommenes Schulklima bedeutsamer in der Vorhersage als kollektives Schulklima
Psychische Folgen von Mobbing◦ Merkmale von Mobbing; Opfer-Typen◦ Einfluss von Mobbing auf Körperwahrnehmung und -zufriedenheit Selbstabwertung psychosomatische Beschwerden depressive Tendenzen
◦ psychopathologische Bedeutung von Mobbingerfahrungen
Schule & psychische Störungen 55
ADHS◦ Kernsymptome und deren Auswirkungen auf den
Schulalltag◦ Therapiemöglichkeiten◦ Einbindung der Schule in Therapie und Diagnostik u.a. Grundprinzipien für Lehrer im Umgang mit ADHS
Schülern!
LRS◦ Klinisches Bild◦ Auswirkungen auf Schule und berufliche Integration◦ Schulrechtliche Regelung im Umgang mit LRS-Schülern
am Bsp. Sachsen◦ Therapie◦ Hinweise für Lehrer
Schule & psychische Störungen 56
Schulverweigerung◦ Unterscheidung Schulschwänzen, Schulphobie, Schulangst◦ Psychopathologische Faktoren von Schulverweigerung◦ Auswirkungen von Schulverweigerung◦ Therapeutisches Vorgehen in Abhängigkeit vom Vorliegen
psychopathologischer Faktoren
Störungen des Sozialverhaltens◦ Abgrenzung von einzelnen, isolierten dissozialen
Handlungen◦ Symptome in unterschiedlichen Altersstufen◦ Komorbidität mit Entwicklungsverzögerungen/ kognitiven
Defiziten◦ Auswirkungen auf Schule◦ multimodales therapeutisches Vorgehen◦ Interventionen im Schulbereich
Schule & psychische Störungen 57
Schule & psychische Störungen 58