innovationen im niederschlagsmess- und pegelwesen …

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INNOVATIONEN IM NIEDERSCHLAGSMESS- UND PEGELWESEN BAYERNS Karl-Heinz Frei Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft München, Lazarettstraße 67, D-80636 München, Deutschland, E-mail: [email protected] Zusammenfassung: Im Rahmen des Innovationsprogrammes “Quantitative Hydrologie“ werden die Messnetze der bayerischen Wasserwirtschaft zur Ermittlung von Niederschlag, Wasserstand und Abfluss reorganisiert und die gerätetechnische Ausstattung neuesten Erfordernissen angepasst. Ziel ist die schnellere Gewinnung von Messdaten hoher Güte, insbesondere auch um die Hochwasservorwarnzeiten zu verlängern und die Vorhersage- genauigkeit zu erhöhen. Schlüsselworte: Niederschlagsintensität, Wasserstandserfassung, Abflussermittlung BAVARIAN INNOVATION PROJECT “QUANTITATIVE HYDROLOGY“ Abstract: The innovation project “Quantitative Hydrology“ of the Bavarian Water Management Agency sets the course for an improved monitoring of hydrologic parameters (precipitation, water level, runoff) and an automated measuring network. The aim is to gain more accurate data in shorter time (online) to prolong flood warning times and improve quantitative forecasts. Keywords: precipitation rate, determination of water level and runoff 1. Vorbemerkung Ausgelöst durch das verheerende Hochwasser zu Pfingsten 1999 in Südbayern entwickelte das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft das Innovationsprogramm „Quantitative Hydrologie“ mit einer Laufzeit von 2000 bis 2004. Der Bayerische Landtag genehmigte das Programm und stellte die notwendigen Mittel bereit. Das Innovationsprogramm besteht aus drei Teilen: Aufbau eines integrierten Niederschlagsmessnetzes, Revision und Modernisierung des Pegelmessnetzes und Aufbau operationeller Hochwasser-Vorhersagen. Zur Umsetzung stellte der Bayerische Landtag insgesamt 8,5 Mio. Euro zur Verfügung. Dieser Bericht befasst sich mit den beiden ersten Programmteilen. 2. Aufbau eines integrierten Niederschlagsmessnetzes 2.1 Zielsetzung Wichtigstes wasserwirtschaftliches Ziel ist es, den Hochwassernachrichtendienst zum Hochwasservorhersagedienst auszubauen, das heißt Hochwasser wesentlich früher und sicherer abschätzen zu können. Dazu müssen Flächenniederschläge und Taufluten bestimmt werden. Neben dem bestehenden Niederschlags-Radarverbundnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und den geplanten Vorhersage-Modellen muss ein flächendeckendes, automatisiertes Niederschlagsmessnetz errichtet werden. Derzeit werden in Bayern 326 Niederschlagsmessstationen aufgebaut. Zwei Drittel übernimmt der DWD und ein Drittel die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung. Für das Niederschlagsmessnetz hat Bayern 1,2 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Nach der Probephase im Herbst dieses Jahres soll der Regelbetrieb ab 2003 beginnen.

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Page 1: INNOVATIONEN IM NIEDERSCHLAGSMESS- UND PEGELWESEN …

INNOVATIONEN IM NIEDERSCHLAGSMESS- UND PEGELWESEN BAYERNS

Karl-Heinz Frei Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft München,

Lazarettstraße 67, D-80636 München, Deutschland, E-mail: [email protected]

Zusammenfassung: Im Rahmen des Innovationsprogrammes “Quantitative Hydrologie“ werden die Messnetze der bayerischen Wasserwirtschaft zur Ermittlung von Niederschlag, Wasserstand und Abfluss reorganisiert und die gerätetechnische Ausstattung neuesten Erfordernissen angepasst. Ziel ist die schnellere Gewinnung von Messdaten hoher Güte, insbesondere auch um die Hochwasservorwarnzeiten zu verlängern und die Vorhersage-genauigkeit zu erhöhen. Schlüsselworte: Niederschlagsintensität, Wasserstandserfassung, Abflussermittlung

BAVARIAN INNOVATION PROJECT “QUANTITATIVE HYDROLOGY“ Abstract: The innovation project “Quantitative Hydrology“ of the Bavarian Water Management Agency sets the course for an improved monitoring of hydrologic parameters (precipitation, water level, runoff) and an automated measuring network. The aim is to gain more accurate data in shorter time (online) to prolong flood warning times and improve quantitative forecasts. Keywords: precipitation rate, determination of water level and runoff 1. Vorbemerkung

Ausgelöst durch das verheerende Hochwasser zu Pfingsten 1999 in Südbayern entwickelte das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft das Innovationsprogramm „Quantitative Hydrologie“ mit einer Laufzeit von 2000 bis 2004. Der Bayerische Landtag genehmigte das Programm und stellte die notwendigen Mittel bereit. Das Innovationsprogramm besteht aus drei Teilen: • Aufbau eines integrierten Niederschlagsmessnetzes, • Revision und Modernisierung des Pegelmessnetzes und • Aufbau operationeller Hochwasser-Vorhersagen. •

Zur Umsetzung stellte der Bayerische Landtag insgesamt 8,5 Mio. Euro zur Verfügung. Dieser Bericht befasst sich mit den beiden ersten Programmteilen. 2. Aufbau eines integrierten Niederschlagsmessnetzes 2.1 Zielsetzung

Wichtigstes wasserwirtschaftliches Ziel ist es, den Hochwassernachrichtendienst zum Hochwasservorhersagedienst auszubauen, das heißt Hochwasser wesentlich früher und sicherer abschätzen zu können. Dazu müssen Flächenniederschläge und Taufluten bestimmt werden. Neben dem bestehenden Niederschlags-Radarverbundnetz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und den geplanten Vorhersage-Modellen muss ein flächendeckendes, automatisiertes Niederschlagsmessnetz errichtet werden.

Derzeit werden in Bayern 326 Niederschlagsmessstationen aufgebaut. Zwei Drittel

übernimmt der DWD und ein Drittel die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung. Für das Niederschlagsmessnetz hat Bayern 1,2 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Nach der Probephase im Herbst dieses Jahres soll der Regelbetrieb ab 2003 beginnen.

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2.2 Messstationen und Beobachter Jede Station ist einem Beobachter zugeordnet, der in unmittelbarer Nähe wohnt oder

arbeitet. Daher wurden die meisten Stationen bei Flussmeisterstellen, Kläranlagen oder in Gärten von Privatbeobachtern aufgestellt. Zu den Messstationen gehört ein automatisches und ein handbedientes Messgerät. Bei den handbetriebenen Geräten handelt es sich um Niederschlagsmesser nach Hellmann, deren Bau- und Messprinzip seit über 100 Jahren im Einsatz ist. Der Beobachter misst einmal täglich die Niederschlagsmenge und leitet sie mittels Handterminaleingabe an die Messnetzzentrale des DWD in Offenbach weiter. Jeder Beobachter erhält für seine Arbeit eine jährliche Entschädigung.

Das automatische Messgerät besteht aus einem Ombrometer und einem Computer, der in einem festen Gehäuse untergebracht ist (Abb. 1). Die neuen Ombrometer können Niederschlagsintensitäten mit beinahe minütlicher Auflösung messen. Als 10 Minutenmittel-wert können die Daten abgerufen werden. Die Daten werden im Computer zwischen-gespeichert und im Normalbetrieb einmal täglich zur DWD-Messnetzzentrale übertragen. Bei größeren Niederschlägen, ab einem definiertem Schwellenwert, erfolgt stündlicher Datenabruf. Es werden ISDN-Leitungen der Deutschen Telekom AG benutzt.

Abbildung 1. Niederschlagsmessstation Ingolstadt/Donau

2.3 Messnetzzentralen und Datensicherheit Die DWD-Zentrale überprüft laufend alle Stationen auf Funktionsfähigkeit mittels

Ferndiagnose. Die ankommenden Daten werden in der Zentrale automatisch auf Plausibilität geprüft und in eine Datenbank gespeichert.

Nach einem Meldeplan informiert bzw. alarmiert die DWD-Zentrale die zuständigen Stellen. So werden die Daten aller Stationen an die Datenbank der bayerischen Wasserwirtschaft gesendet.

Auf Datensicherheit wird besonderer Wert gelegt. So springt eine Ersatzzentrale des DWD ein, sobald die Zentrale in Offenbach Funktionsstörungen aufweist. Eine weitere Zentrale ist am Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft vorgesehen, die mit den wichtigsten Funktionen der DWD-Zentrale ausgestattet wird. Daneben sollen auch die 24 bayerischen

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Wasserwirtschaftsämter unabhängig von den Zentralen die aktuellen Niederschläge von den Außenstationen in ihrem Bereich abrufen können. Die Stationen verfügen daher über einen weiteren Ausgang mit ISDN-Anschluss (Abb.2).

Abbildung 2. Systemskizze der Datenwege im Niederschlagsmessnetz

3. Revision und Modernisierung des Pegelwesens 3.1 Ziele

Das starke öffentliche Interesse am Pfingsthochwasser 1999 beflügelte auch die Reformen im Pegelwesen. Das Wasserstands- und Abflussmessnetz an den oberirdischen Gewässern Bayerns soll an den gestiegenen Informationsbedarf und die bestehenden Möglichkeiten der Geräteausstattung und Datenauswertung angepasst werden. Ziele sind dabei • bessere und sicherere Daten, • aktuellere Daten, • Reduzierung des Personalaufwandes vor Ort und bei der Datenauswertung, • Einsatz neuer Mess- und Übertragungstechniken, • rasche Information der Kunden. Diese Ziele sollen in der Zeit von 2000 bis 2004 umgesetzt werden. 3.2 Pegelrevision

Zunächst wurde eine Revision der bisherigen rd. 700 Pegel durchgeführt. Die Wasserwirtschaftsämter prüften gemeinsam mit dem Landesamt für Wasserwirtschaft Notwendigkeit, Qualität, Geräteausstattung und fällige bauliche Maßnahmen. Insgesamt wurden rd. 500 Einzelmaßnahmen beschlossen, die Zug um Zug verwirklicht werden. Über 80 Pegel wurden aufgelassen. Die restlichen 600 Pegel wurden in die Kategorien A, B und C eingeteilt. Die rd. 200 A-Pegel sind Stützpegel mit besonders wichtigen gewässerkundlichen Funktionen. Weitere gewässerkundliche Pegel sind der Kategorie B und die sonstigen Pegel der Kategorie C zugeordnet. Die C-Pegel haben spezielle Aufgaben wie Beweissicherung, Erfüllung rechtlicher Auflagen oder Sonderuntersuchungen (Abb. 3).

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Abbildung 3. A-Pegel in Bayern (Stützpegel)

3.3 Zusammenarbeit

Eine derartig umfangreiche Aufgabe kann nur in enger Zusammenarbeit aller Beteiligter und mit einem durchdachten Schulungsprogramm bewältigt werden. Deshalb wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, in der 8 Vertreter der Außenämter und 4 des Landes-amtes mitwirken.

Die Amtsvorstände und Abteilungsleiter wurden in Besprechungen informiert, die Sachbearbeiter, Messenden und Pegelbeobachter werden laufend geschult. 3.4 Pilotprojekt Wasserstand einschließlich Empfehlungen

Vier Wasserwirtschaftsämter haben in den Jahren 2000 und 2001 verschiedene Verfahren bei der automatischen Wasserstandsmessung erprobt. Die gesammelten Erfahrungen wurden in Empfehlungen umgesetzt, die es jedem Amt ermöglichen, technisch optimale und wirtschaftliche Geräte zu beschaffen. Empfehlungen wurden gegeben für • die verschiedenen Möglichkeiten der Wasserstandmessung, • der Messwertaufzeichnung vor Ort, • die Datenübertragung und • die Energieversorgung (Abb. 4 mit 5).

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Abbildung 4. Systemskizze zur redundanten Wasserstandserfassung am Pegel Freising/ Isar

Abbildung 5. Vergleich zweier redundant erfasster Wasserstandsganglinien

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Bei dem Pilotprojekt wurden auch an vier Pegeln Videoanlagen eingesetzt. Diese kostenintensiven Geräte müssen länger getestet werden, um einen Einsatz mit vertretbaren Mitteln gewährleisten zu können (Abb. 6).

Abbildung 6. Radarsensor, Videokamera und Solaranlage am Pegel Schweinhof/ Brend

Die wichtigsten Empfehlungen sind: • möglichst bald alle Pegel mit Datensammlern auszustatten, • Bandschreiber sollen nicht mehr beschafft werden, d.h. Abbau der Registrierung auf

Papier, • Datenfernübertragung kurzfristig bei allen A-Pegeln, mittelfristig bei den B-Pegeln, und • redundante Messung, Registrierung und Übertragung des Wasserstandes von allen A-

Pegeln. D.h. zwei unabhängige Verfahren werden für die Messung eins Wasserstandes eingesetzt.

3.5 Pilotprojekt Abfluss

Beim Abfluss hat sich seit langer Zeit die Flügelmessung bewährt. Sie ist aber aufwändig und insbesondere bei Hoch- und Niedrigwasser oft nicht möglich. Auf dem Markt werden verschiedene Alternativen zur Abflussbestimmung angeboten. In einem Pilotprojekt werden diese Alternativen untersucht, um Empfehlungen für den Einsatz zu entwickeln. Im Jahr 2002 sollen folgende Verfahren getestet werden: • kontinuierliche Ultraschallmessungen an sechs Standorten mit festen Einrichtungen, • Ultraschallmessungen mit mobilen Geräten (ADCP-Verfahren), • mathematische Verfahren auf der Grundlage einer Geschwindigkeitsmessung an der

Oberfläche, • Tracermessungen, • Salzverdünnungsverfahren und • hydraulische Verfahren für die Bestimmung von Extremabflüssen.

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Ferner soll die Flügelmessung, die auch in Zukunft wichtig bleiben wird, optimiert werden. Bereits bei der Messung sollen der Querschnitt, die Messlotrechten, die Fließgeschwindigkeiten und damit der Abfluss automatisch erfasst und berechnet werden. Damit sind Plausibilitäten sofort möglich. Außerdem können Zeitverzögerungen durch Eingaben im Amt vermieden werden. 3.6 Datenverwaltung

Die Verwaltung der Stamm- und Messdaten wird derzeit neu konzipiert. Ziel ist es, einheitliche, vielfältig nutzbare, kurzfristig verfügbare und geprüfte Daten zu halten. Unter dem Projekt „Informationssystem Wasserwirtschaft – INFO-Was“ laufen derzeit die Vorbereitungen. Die von allen bayerischen Wasserwirtschaftsbehörden nutzbare ORACLE-Datenbank ist bereits im Einsatz. Für den Abruf der Messdaten wurden einheitliche Rechner beschafft.

Die Bearbeitung der digitalen Wasserstandsganglinien wird derzeit getestet. Sie soll ab 2003 verbindlich eingeführt werden. Die gesamte automatische Datenverwaltung im Bereich der oberirdischen Gewässerkunde ist ab Ende 2003 vorgesehen. Dann soll auch ein INTERNET-Angebot mit aktuellen Informationen zum Pegelwesen bestehen.