hilbrecht heinz - meditation wirkt bis in die zellen

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# ff h I rffi \,.\.\s MEDITATION wirkt bis in die Terren Alte Weisheit und moderne Wissenschaft {m Neueste Ergebnisse aus der Neurowissenschaft belegen: Meditation wirkt positiv auf unser Gehirn und damit auf unseren Körper und unser Befinden ein. lm angeregten Gespräch mit Marietta Schürhotz und Michaela Doepke zeigte der Naturwissenschaftler und tangjährig Meditierende Heinz Hitbrecht auf, wie die Lehre des Buddhismus und die Wissenschaft sich heute gegenseitig bereichern. Buddhismus aktuellz Seit wann beschaf tigen Sie sich mit dem Thema Meditation und Gehirnforschung und wie kamen Sie dazu? Heinz Hilbrecht: Das Meditieren habe ich ry77 von einem alten chinesischen Arzt gelernt. Im chinesischen Denken ergänzen sich buddhistische und daois- tische Tiaditionen.I(urz vor seinem Tod vermittelte dieser alte Lehrer mir den I(ontakt zu buddhistischen Mönchen, die seither meine Freunde sind, von de- nen ich lernen darf und betreut werde. Von meinem alten Lehrer stammt der Auftrag, mir einige lahrzehnte Zeir zu ilptl **** 20loktuett 3t1,2

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Page 1: Hilbrecht Heinz - Meditation Wirkt Bis in Die Zellen

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MEDITATION wirkt bis in die TerrenAlte Weisheit und moderne Wissenschaft

{mNeueste Ergebnisse aus der Neurowissenschaft belegen: Meditation

wirkt positiv auf unser Gehirn und damit auf unseren Körper und

unser Befinden ein. lm angeregten Gespräch mit Marietta Schürhotz

und Michaela Doepke zeigte der Naturwissenschaftler und tangjährig

Meditierende Heinz Hitbrecht auf, wie die Lehre des Buddhismus

und die Wissenschaft sich heute gegenseitig bereichern.

Buddhismus aktuellz Seit wann beschaf

tigen Sie sich mit dem Thema Meditation

und Gehirnforschung und wie kamen Sie

dazu?

Heinz Hilbrecht: Das Meditieren habe

ich ry77 von einem alten chinesischen

Arzt gelernt. Im chinesischen Denken

ergänzen sich buddhistische und daois-

tische Tiaditionen.I(urz vor seinem Tod

vermittelte dieser alte Lehrer mir den

I(ontakt zu buddhistischen Mönchen,

die seither meine Freunde sind, von de-

nen ich lernen darf und betreut werde.

Von meinem alten Lehrer stammt der

Auftrag, mir einige lahrzehnte Zeir zu

ilptl ****

20loktuett 3t1,2

Page 2: Hilbrecht Heinz - Meditation Wirkt Bis in Die Zellen

rehmen und die Erfahrungen aus der

\leditation in die Sprache der Naturwis-senschaft zu übersetzen. Er war über-

zeugI, dass der Westen die meditieren-den Traditionen mit wis senschaftlichemDenken bereichern kann. Dazu gehörtatrch die Gehirnforschung, die ich seit

ehva zehn fahren aufarbeite.

Was passiert denn in unserenr. Gehirn,'.venn wir meditieren? Verandert es sich

:tnd hölt diese Veranderung auch über die

Übung der Meditation hinaus an?

\lachen Sie sich einmal klar: Unser Ge-

hirn hat die Speicherfähigkeit des ge-

samten Internets. Wenn Sie dieses gren-

zenlose Organ sich selbst überlassen, a1-

so meditieren, organisiert es sich

perfekt. Es verändert sich von der ersten

Stunde an. Dazu gehören das Abschal-

ten von Angst und die Einbeziehunggroßer Teile des Gehirns in Denkprozes-

se. Es wachsen neue Nervenzellen, das

Denken wird schneller. Der Fortschrittdes Meditierenden, wie der Buddha ihnbeschrieben hat, geht auf Veränderun-gen im Gehirn zurück. Das beschreibe

rch ausführlich in meinem Buch. Me-

ditation verändert sogar die Aktivierungunserer Gene, wirkt also in die Ebene

der Ze1len hinein. Das alles nehmen wirmit in den Alltag.

,,Unser Gehirn hat die

Speicherfähigkeit des

gesamten lnternets."

on der Außenwelt. Hier entstehen Er-

wartungen und der größte Teil dessen,

was wir als ,,Realität" erleben. In der un-tersten Ebene des Denkens sehen wirdie Welt in großen Zusammenhängen,

mit unserer kompletten Lebenserfah-

rung. Hier steckt hinter jedem einzel-

nen Wort die Information fur einen

abendfullenden Spielfilm. Psychologen

nennen diese Speicherkomplexe,,Erl-

gramme". Diese ,,große Leere" ist miraußerhalb der Übungen bisher nurschwach bewusst.

Wie lasst sich erklaren, dass Menschen,

die meditierend eigentl.ich weniger Zeit

auf die Erledigung von ,,au$eren" Aufga-

ben nchten, doch in der verbleibenden

Zeit konzentrierter und ffiktiver sind?

Welche Veränderungen haben Sie über Welche Beobachtungen aus der Gehimfor-

lr)ngere Praxisjahre hinweg beobachtet? Ein meditierendes Gehirn ist nicht mehr schung können einen d.irekten Nutzen von

länger im ,,Alarmzustand", in dem es Meditation f)r die Stärkung des Immun-lch erlebe vor allem immer tiefere Teile praktisch immer aus Erwartungen her- systems sowie fur d.ie Verbesserung der

meines Unbewussten im Alltag be- aus schematisch handelt. Es gibt keine Konzentration und Geistesruhe belegen?

wusst. Darauf hat schon Karl Friedrich Schrecksekunde mehr, die Reakionszeit

Graf Dürckheim (1896 bis 1988) hinge- verkürzt sich praktisch aufNull. Gefiihle Vieles dayon ist schon nach wenigen

wiesen. Unser Denken in Worten ist entstehen im ,,Hier und Jetzt". Mindes- Wochen auf die Dämpfung der Stressre-

nicht unser eigentliches Denken. Es ist tens zwei Drittel der Engramme beste- aktion zurückzuliihren. Stress ist ein

nur eine hauchdünne Ebene, die Vorbe- hen aus erwarteten Gefühlen. Wenn Sie Alarmzustand. Unnötiges wird abge-

reitung von Kommunikation mit wrs diesen Ballast einfach abschneiden, kön- schaltet. Dann stehen dem Virus alle

selbst und mit anderen Menschen. Dar- nen Sie die zo Millionen Rechenopera- füren oflen. Stress entsteht vor allem

unter liegen mindestens zwei weitere tionen pro Sekunde, die unser Gehirn durch unsichere Beziehungen zu ande-

Ebenen des Denkens. Die mittlere ist leistet, auf das Problem konzentrieren. ren Menschen. Meditation lässt aber

das ,,intuitive Denken", der Bereich des Außerdem haben Meditierende einen schon nach Wochen Teile des Gehims

,,lch". Dort betreiben wir eine Simulati- drastisch erhöhten Dopamin-Spiegel im wachsen oder akiverwerden, die wir für

Gehirn. Das schafft die positive Grund-

stimmung, mit der Menschen bewuss-

ter denken können.

Je mehr wir in der modernen WeLt aufäuJSere Reize ausgeichtet und Überrei-

zungen ausgeliefefi sind, desto haufiger

scheinen bestimmte Krankheiten zw wer-

den, zum Beispiel Butn-out. Kann die Ge-

hirnfor s chung n achw eis en, d cL s s M e dit ati -

on eine innere Ordnung schafi?

Im vergangenen f ahr wurden z\\ ei Ar-

beiten publiziert, die bei langjährig Me-

ditierenden ein sehr geordnetes und

stark beruhigtes Netzwerk im Gehirnnachweisen, das Menschen in völliger

Ruhe aktivieren. Das war eine Sensati-

oh, denn dieses ,,Neutrai Mode Net-

work" ist bei psychischen Störungen

übermäßig aktiv oder im Ungleich-

gewicht. Ganz allgemein strebt das

I(örper-Geist-System einen geordneten

Zusland äfl, die Homöostase. Dann

funktioniert alles gut aufeinander abge-

stimmt. Meditation fuhrt in diesen Zu-

stand und verbreitert die Widerstands-fähigkeit gegen Störungen (Resiiienz).

Das heißt, wir können körperlich undgeistig in einer großen Breite und feingeregelt auf äußerliche Reize reagieren.

Das mindert Reibungsverluste, also

auch Krankheit.

aktuell rrtrl2l,

Page 3: Hilbrecht Heinz - Meditation Wirkt Bis in Die Zellen

5I

E

I

I

flruTffiffi-Wütr"W aktuell

,,Meditierende haben

einen drastisch erhöhten

Dopamin-SpiegeI im

Geh irn."

die Sensibilitat mit anderen Menschen

brauchen. Außerdem verändert sich die

Amygdala, unser ,,Angst- und Schreck-

zenlrttm" im Gehirn. Wir reagieren ru-

higer. I(onzentration und Wachheit er-

zergen wir biochemisch, mit den Bo-

tenstoffen Dopamin und Noradrenalin.

Davon produzieren Meditierende un-

glaubliche Mengen.

Wie funktioniert unser Gehim in Bezug

auf den ganzen Körper? Passiert etwas

m.it den anderen Organen, wenn wir me-

ditieren? Ist Meditation eine Aktivitöt,die genauso real und wirkungsvoll wie

zum Beispiel Sport ist?

Auch die moderne Medizin trennt nichtmehr zwischen Geist und Körper. Ein

Beispiel:Wenn uns ,,etwas auf der Leber

liegt" (tatsächlich auf der Bauchspei-

cheldrüse), dann haben wir depressive

Gefühle. Verändere ich meine Gefühle

- das kann ich als Meditierender -, wir-ke ich regulierend ins Organ hinein.Deshalb finden Sie Meditationspro-

gramme in psychosomatischen Klini-ken. Dort sind messbare WirkungenPflicht. Es ist zum Beispiel messbar,

dass Meditation das Immunsystem bes-

ser stärkt als Entspannungstechniken.

Daran hängt viel, denn das Immun-system wehrt nicht nur Viren und Bak-

terien ab. Die Veränderung der Stressre-

aktion und die Vergrößerung der Resi-

lienz, der Reaktionsbreite bei Belastun-

gen, verändern den Körper grund-

legend. Zum Beispiel wechseln die Her-

zen von Meditierenden ständig ihrenRhythmus. Mit der größeren Resilienz

kann der Körper nämlich sehr fein ge-

steuert werden und sich schon bei klei-

nen Veränderungen immer optimal an-

passen.

Welche Rolle spielen Werte oder Ethikfürdas meditierende G ehirn?

Dieser Punkt ist ganz entscheidend. Me-

ditation schaltet die Stressreaktion ab.

Deren wichtigste Funktion ist aber, uns

bei gestörten Beziehungen zu anderen

Menschen zu Lösung en zutreiben. Die-

ses Signal verlieren wir. Deshalb vermit-

teln meditierende Traditionen häufig

drei Teile: Meditation in Ruhe, in Bewe-

gung und mit einer Philosophie. Zen

hat die Wegkünste, Vipassana das Yoga,

daoistische Meditation das Qigong undKampfkünste. Im Gehirn benutzen wirnämlich fur die Steuerung unserer eige-

nen Bewegungen die gleichen Nerven-

zellen, mit denen wir die gleichen Be-

wegungen anderer Menschen nachvoll-

ziehen und verstehen. Auch diese

,,spiegelneuronen" trainieren wir, ver-

bessern unser Körpergefuhl und neh-

men andere Menschen genauer wahr.

Spiegelneurone funktionieren aber so,

dass wir von uns auf andere Menschen

schließen. Wenn jemand sich ständig

von bösen oder minderwertigen Men-

schen umgeben sieht, dann liegt der

Fehler meist in seinem eigenen Gehirn.

Wir spiegeln uns wirklich in anderen

Menschen. Übersteigerte Selbstliebe

(Narzissmus) oder Ichaufblähung sind

typische,,sportunftlle" bei Meditieren-

den. A1s ,,Leitplanke" gegen solche Ent-

gleisungen brauchen wir die Philoso-

phie: Selbstbetrachtung, ein starkes

Wertesystem, den achtfachen Pfad undWertschät zrng fur andere Menschen.

Kann rrl.an, wenn mehrere Menschen zu-

san'LrrLen meditieren, von einem sich aus-

breitenden Feld sprechen? Und gibt es

Ihrer Meinung nach Wirkungen dieses

Feldes auf andere Menschen? Lassen sich

morphogenetische Felder von der Gehirn-

fors chung aus erkl. ar en?

Wenn Sie über große Entfernungen

,,Vorahnungen" fi;Lt andere Menschen

haben, wenn Ideen an verschiedenen

Orten entstehen, dann stammt das aus

dem intuitiven Denken. Dort simuiie-

ren wir die Welt, machen Vorhersagen

mit einer Leistung, die jeden Supercom-

puter in den Schatten ste11t. Wie gesagt,

unser Gehirn hat die Speicherf,ähigkeit

Die moderne Gehinrnforschung zeigt, dass die Veränderungen bei Meditierenden kein Mythos sind,

sondern messbare biologische Ursachen haben.

221ak:t:uettt 3 tl2

Page 4: Hilbrecht Heinz - Meditation Wirkt Bis in Die Zellen

INTERVIEW aktuell

Zur Weisheit geborenErkenntn isse aus der Gehirnforschung

f in. der spannendsten Erkenntnisse der HirnforschungList die Entwicktung des erwachsenen Gehirns. Dasjunge erwachsene Gehirn ist für schne[[e Entscheidungennach klaren Regeln optimiert. Es arbeitet mit kteinenGebieten im Gehirn und aktiviert dabei nur die tinke oderrechte Hirnhätfte. Junge Erwachsene haben deshalb häufigSchwierigkeiten mit Unsicherheit oder wenn klare Regelnfür ihr,,formales Denken" fehlen. Sie reagieren aberschnel[ auf geänderte Bedingungen, weil nur kteine Teitedes Gehirns dafür verändert werden müssen.

ln der Lebensmitte, zwischen 40 und 5o Jahren, verändertsich das Gehirn. Bei Denkprozessen werden nun größere

-nd mehrAreale aktiviert. Beide Hirnhätften arbeiten

ies gesamten Internets und leistet zo\fillionen Rechenoperationen pro Se-

r.-rnde. Wenn das keine ,,Wunder" pro-i-uiert, was dannl Wir wissen außer-

'em, dass unser Gehirn erst in einer::äten Phase zwischen Ich und Du un-:=:scheidet. Beim Zuhören synchroni-neren wir die Aktivierungsmuster unse-:- Gehirns mit denen des Sprechers;-od nennen das ,yerstehen". Bewegun-.:tr anderer Menschen nehmen wir mit:er.elben Hirnzellen wahr, mit denenii;: unseren eigenen Körper steuern.lehalb strahlen friedliche MenschenI-eden auf andere Menschen aus. Des-:;-: spüre ich etwas in einer meditie-:::cien Gruppe, weil Menschen sichrt:chronisieren, bis zum gemeinsa-::F-a Herzschlag. Tätsächlich denken\ü=-:schen nicht einmal allein mitr:em eigenen Gehirn. Wir sind zr,;{er-e-:em Denken" {ilhig. Wir haben unser-,ra-ütliches Denken ins Unbewussteaugeschoben, zugunsten von Kommu-rn,c;:ion, Kooperation und Gemein-i::.i:'i- Spekulationen über morphoge-

gleichzeitig. Diese optimierten Gehirne [eisten mehr undschrumpfen deshalb in einigen Bereichen. Sotche Gehirnehaben ihre Stärke bei Entscheidungen mit unsicheren Fak-

toren oder wenn Vorteile mit Nachteilen abgewogen werdenmüssen. Sie berücksichtigen Gefühle oder soziate Bezie-hungen stärker als junge erwachsene Gehirne. Es entstehtein ,,postformales Denken", die Mögtichkeit für Weisheit.Auch sehr alte Gehirne verfügen über Stammzellen für neueNervenzellen und können sich weiter verändern.

Meditation erzeugt auch beijungen Erwachsenen im Laufvon Jahren ein ,,altes" Gehirn. Nach mindestens zehn Jahrentäglicher und intensiver Praxis gehen meditierende Gehirnein einen Zustand mit geringer Aktivität über, sind aberaußergewöhnlich leistungsfähig. Dieser Zustand ist bishernur von Meditierenden bekannt.

Zum Weiterlesen: Gene D. Cohen: Geistige Fitness im Alter:So bleiben Sie vital und kreativ, Deutscher Taschenbuch Verlag zoog

netische Felder sind überflüssig, weilMenschen von Natur aus ein Feld sind.Individualitat ist wirklich eine Illusion.Auch dabei steht die Wissenschaft mitwehenden Fahnen hinter der Lehre des

Buddha.

Dr. Heinz Hilbrecht und Marietta Schürholzwährend des Interviews in München

Dr. Heinz Hilbrecht wurde r958 geboren, istpromovierter Naturwissenschaft [er und seitzooo freier Journalist und Redakteur für Zei-

tungen am Hochrhein. Sein Buch ,,Meditationund Gehirn" erschien zoto.Er meditiert seit

ry77 in daoistischer Methode und folgt Bud-

dhas Lehre in der Theravada-Tradition.

Weitere lnfos: www.facebook.com undwww.fu h rman n -h i lbrecht.de

Weiterführende Literatur:Heinz Hilbrecht: Meditation und Gehirn -Alte Weisheit und moderne WissenschaftSchattauer Verlag

Rick Hanson und Richard Mendius:Das Gehirn eines Buddha. Die angewandteNeurowissenschaft von Glück, Liebe undWeisheit, ArborVerlag

Joachim Bauer: Warum ich fühle, was Du

fühlst. lntuitive Kommunikation und das

Geheimnis der SpiegelneuroneHeyne Verlag

Joachim Bauer: Prinzip Menschlichkeit:Warum wir von Natur aus kooperierenHeyne Verlag

Johann Caspar Rüegg: Mind & Body

Wie unser Gehirn die Gesundheit beeinflusstSchattauer Verlag

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